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Auftakt.

Alles strahlt in einem tiefen, klaren Blau: der wolkenlose Himmel, das nahezu glatte Meer, die ferne Bergkette, die schärenreiche zerklüftete Küste nahe Bodø. Wir können es kaum fassen. Das Nordmeer wirkt so gar nicht rau und unberechenbar. Wir hauen uns in die Sonne und entspannen uns mit der Gewissheit in drei Stunden am Ziel zu sein – Moskenesøya, eine schroffe Insel draußen im Nordmeer, oberhalb des Polarkreises, ein kleines Gebirge, das steil mitten aus dem Meer aufragt.
Wir stimmen Lobsänge auf das Wetter an, da wird merken wir, dass es dunkler geworden ist. Um uns bricht eine Unruhe los, die Temperatur sinkt binnen Minuten um gefühlte 15 Grad, eine steife Brise hebt an die Gesellschaft zu verscheuchen. Müde reib ich mir die Augen, wie kann dat sein? Johannes hechtet zur Reling. „Seenebel hart Steuerbord!“ Stirnrunzelnd werfe ich ein Blick Richtung Lofotwand, die im Abendlicht leuchtend vor uns liegt, nur das wir das nicht sehen. Stattdessen ist da eine weiße Wolkenwand, die auf dem Wasser zu schwimmen scheint und wie eine Welle auf uns zurollt. Das Gehirn rattert, wo das denn plötzlich herkommt, und schon legt sich der Dunst wie ein Schwamm über uns. Die Wohnmobil-Opas und Bikini-Girls trollen sich, schlagartig ist das Oberdeck leer, nur einer von der Schiffsbesatzung versucht Ordnung in das zurückgelassene Gewirr von Liegestühlen zu bringen.
Der Nebel scheint Zeit und Raum zu schlucken. Ich lehn mich wieder zurück.Wenn man nach oben guckt sieht man Wolkenfetzen, die über uns her rasen. Eine Gestalt löst sich aus dem Grau und steuert auf uns zu. Ein Typ aus Rostock, der schnacken will. Ob uns denn nich kalt is. Alter, wir wollen Outdoor-Urlaub machen, wenn wir dat nich aushalten, können wir uns ja gleich in den Maschinenraum verziehen und als blinde Passagiere so lange zwischen Lofoten und Festland hin und her gondeln, bis in zwei Wochen unser Zug zurück fährt. Nee nee… Der Mensch runzelt die Stirn, man sieht ihm förmlich an, was er denkt: Wie kann man so bekloppt sein und zwei Wochen draußen verbringen und durch die Gegend watscheln…
Nun ja, die Lofoten sind nun mal nicht das Trekkinggebiet Skandinaviens, doch gerade das ist es, was uns reizt, die Kombination aus steilen, schroffen Bergen, wie man sie im Fjäll nicht findet und dem gewaltigen Nordpolarmeer. Eigentlich hatte ich die Lofoten bei der Reisplanung zunächst ausgeklammert, weil ich an vielen Stellen gelesen hatte, dass sie von Touristenmassen überschwemmt sind, die durch die vielen Tunnelverbindungen zwischen den Inseln leichten Zugang haben. So sollte es zunächst auf die Vesterålen gehen, aber weil uns die Landschaft auf den äußeren Lofoten doch beeindruckender erschien und das äußere Lofotengebiet viele Wandermöglichkeiten auf engerem Raum bietet, als die weitläufigen Vesterålen haben wir uns dann doch anders entschieden.

Die Ankunft. 5.08.09
Wie Jona im Wal, werden wir vom höhlenartigen Schiffsrumpf in die Freiheit gespieen. Wir klopfen die Beine wach, die sich nach 40 Stunden nur widerwillig aus ihrem Urlaub zurück melden. Zwischen einer Flut aus Kühlschränken, Omakutschen und Motorrädern stoßen wir vor und erkunden Neuland. Die Landschaft haut uns um. Denn durch den Nebel konnten wir nicht schon stundenlang vorher auf die Lofotwand gucken und uns an diesen Anblick gewöhnen. Wir freuen uns wahnsinnig endlich hier zu sein. Wir werfen einen Blick zurück: Der Seenebel klebt hartnäckig auf dem Wasser, an Land aber ist es klar und wolkenlos. Letztes Sonnenlicht malt die Gipfel golden. Da es schon nach neun ist, beschließen wir erst mal ein Nachtlager zu suchen. Selbiges finden wir unweit von Sørvågen in der Nähe des Einstiegs zum Wanderweg Richtung Munkebu. Wir suchen ein Plätzchen, an einem rauschenden Bach, wo keine Heerschar krakeelender Möwen Rabatz macht, und weihen Johannes Trangia-Kocher mit Tomatencremesuppe und Nudeln ein.

Rollende Rucksäcke. 6.08.09

Am nächsten Morgen stellen wir fest, dass der Nebel an Land gekrochen ist. Doch bis elf hat er sich wieder zum Wasser verzogen und bis zum Nachmittag hat er sich schließlich ganz aufgelöst. Das Resultat ist strahlender Sonnenschein und Hitze – man glaubt es kaum, denn als wir vor zwei Tagen in Norddeutschland gestartet sind, war es dort so kalt, dass man eine Jacke brauchte. Wir danken dem Golfstrom und setzen uns in Bewegung – Richtung Å. Dort sind wir auch recht schnell, nach etwa 45 Minuten Marsch. Wir schlagen sogleich den Weg Richtung Stokkvika ein und lassen Å Å sein.
Der Weg schlängelt sich entlang des Sees Åvatnet durch ein Tal. Er ist gut markiert und mit zahlreichen Kletterhilfen ausgestattet. So ist es auch kein Wunder, dass schon bald die Schar an Wanderern zunimmt. Gegen eins erreichen wir den Sandstrand am Ende des Sees. Wir hauen uns hin und besprechen unseren Plan. (Auf dass ihn keiner nachmachen möge…)
Wir hatten uns im Voraus überlegt, dass wir, um den vielzitierten Massen an Tagestouries zu entweichen, die Pfade verlassen und in abgelegene Gebiete vorzudringen…
Johannes guckt skeptisch auf die Bergkette, die uns umgibt. „Bissen steil, wa?“
Nun ja, man kann es ja mal versuchen. Von hier jedenfalls kann man nicht einschätzen, wie steil das wirklich ist. Wir sehen den „offiziellen“ Weg zur Stokkvika, der im Zickzack in den Hang gefurcht ist und punktförmige Homo sapiens, knapp oberhalb der Baumgrenze. Linkerhand eröffnet sich ein breites Tal und zwischen den Gipfeln Gjerdtindan und Mannen ist der Bergkamm in etwa genauso hoch und so steil wie am Stokkvika-Pass. Der Plan ist zur Gjerdvika herüber zu steigen um an der Westküste entlang zum alten Siedlungsplatz Refsvika und zur Südspitze Hell vorzudringen.
Unser Entdeckergeist gibt keine Ruhe. Ein wenig skeptisch bin ich doch angesichts der steilen Berge. Klar hab ich vorher Karten gewälzt und Höhenlinien studiert, aber wenn der Flachlandbewohner schließlich davor steht, muss er feststellen, dass die eigene Vorstellungskraft nicht sehr weit reicht. Tatsächlich sind diese Berge überhaupt nicht zu vergleichen mit allem, was ich von Skandinavien kenne.
Nun ja, dann wird’s halt noch etwas abenteuerlicher. Also die Rucksäcke geschultert um sich die Sache aus der Nähe zu besehen. Der Weg durch das dichte Birken- und Weidengestrüpp ist recht beschwerlich, Spalten zwischen den moosbewachsenen Felsblöcken werden frech vom Heidekraut passiert, Diesteln zerkratzen unsere in abgezippten Hosen steckenden Beine und Kriebelmücken (von denen ich immer noch Narben hab) lauern uns auf. Die Sonne brennt, kein Lüftchen weht. So ergießen sich schon bald Sturzbäche in die Augen und die untrainierte Pumpe rast wie nach einem Marathonlauf. (Ja ja, schon hart das alles.
)

Ich dreh mich um wo Johannes bleibt und seh ihn perplex auf seine blutüberströmte Hand gucken. Tatsächlich hat er sich an irgendeiner Pflanze nur einen kleinen Schnitt zugezogen, aber der Blutdruck tut sein Übriges. Vergeblich versuchen wir Pflaster an der Hand zu befestigen, doch das Blut löst sie immer wieder am. Was soll’s, Wunden heilen an der frischen Luft eh am Besten…
Wir gelangen auf einen kleinen plateauförmigen Teil des Tales und sehen zum Bergkamm hoch. Wir sehen zwei Möglichkeiten für eine Überquerung und wählen einen Einschnitt links im Berg Gjerdtindan.
Der Anstieg folgt der einer Exponentialkurve und wir arbeiten uns mit Händen und Füßen voran. Der Hang ist mit Gras bewachsen, dazwischen liegen Geröllfelder. Im Abenteuerfieber bemerken wir kaum, dass es nun so steil ist, dass normales Gehen gar nicht mehr möglich ist. Auf etwa 5/600 Meter Höhe wird unser Tatendrang jäh gebremst durch eine senkrechte Felswand. Die ist zwar nicht hoch und gut zerklüftet und trocken, aber bei einem Blick zurück, wird uns mit einem Mal schwindlig. Der Hang geht so steil runter, dass der kleinste Ausrutscher dazu führen würde, dass man ungebremst 300 Meter eine mit spitzen Felsen durchsetzte Wiese herunter kullern würde. Die Felswand wäre vermutlich ganz lustig, wenn an ihrem Fuß ein Fleck ebene Erde wäre und keine zentnerschweren Rucksäcke an unseren Schultern zerren würden.

So fällt dann die Entscheidung zur Umkehr auch nicht schwer, zudem hatten wir ja noch eine andere Wegmöglichkeit entdeckt. Doch wir müssen feststellen, dass das Herunter eine weitreichende Problematik ist: soll es nicht sehr schnell und verlustreich von Statten gehen muss man scheiß vorsichtig sein. Ein Glück haben wir gute Schuhsohlen und es ist alles trocken, aber es ist trotzdem der reinste Horror. Das Festhalten ist viel schwieriger als Bergauf, man kann viel schlechter sein Gleichgewicht halten, noch dazu mit Rucksack. Einige „trittsichere“ Steine sind beim Aufstieg „verloren gegangen“ und die grasbewachsenen Stellen erweisen sich als Rutschpolster. Also sind wir zunächst gezwungen über ein Geröllfeld zu tappen. Bei jedem Schritt lösen sich Steine und scheppern lautstark hinunter. An einer glatten felsigen Stelle ist erst mal Sense. Bergauf sind hier noch Trittmöglichkeiten gewesen, doch selbige Steine haben sich durch unseren Aufstieg am Felsen gelockert und es ist unmöglich irgendwo Halt zu finden. So langsam bekommen wir es mit der Angst zu tun.
Johannes setzt seinen Rucksack ab und will ihn langsam runter rutschen lassen um freier agieren zu können. Der Rucksack rutscht auch das kleine Stück, allerdings stoppt er nun nicht am nächst besten Stein, sondern schlägt einen Purzelbaum, rollt munter über Stock und Stein und bleibt etwa 40 Meter weiter liegen. Ein nervöses Lachen entwischt uns. Johannes kriecht auf allen Vieren rückwärts den Felsen herunter. „Ich roll meinen Rucksack jetzt zu dir runter.“ Der Rucksack rollt und nimmt schnell Fahrt auf. Er verfehlt den Reisekumpel um etwa fünf Meter und macht stattdessen Salto Mortale an einem schanzenartigen Felsvorsprung. Scheppernd schlägt er fünf Meter weiter unten auf, mit dem Deckel voran, wo Fotoapparate und der Audiorekorder verstaut sind… „Hast gewonnen, deiner ist noch zehn Meter weiter.“ Aber zum Lachen ist uns nicht. Irgendwie sah es so gar nicht wie ein Rucksack aus, was da hinab gestürzt ist. Diese anschauliche Demonstration von Meister Gjerd lässt sich nicht verdrängen und uns zittern die Knie, als wir bei den Rucksäcken ankommen. Bei der ersten Inspektion lassen außer ein paar Kratzern am Gewebe des Rucksacks erstaunlicherweise keine Schäden entdecken. Ich mach ein Foto und eine Audioaufnahme. Geht.
Den Rest des Steilhangs rutschen wir auf dem Hintern Stück für Stück über den Rasen.
Am Plateau angekommen, finden wir einen kleinen Bach vor und erfrischen unsere verkrusteten Kehlen. Die zweite Pass-Möglichkeit lassen wir mal ganz schnell sein.
Als wir wieder am Sandstrand ankommen, ist es schon spät und die Tagestouristen sind weg. Wir entledigen uns der schweißtriefenden Klamotten und beruhigen unsere (wirklich) zahlreichen Schrammen und Stiche im kühlen Nass. Herrlich. Das Wasser ist entgegen aller bisherigen Erfahrungen mit klaren Bergseen gar kein Meer feiner spitzer Eisnadeln, sondern einfach angenehm.
Wir schlagen unser Lager auf dem Strand auf. Johannes meldet Schaden: Knäckebrot zerbröselt, Eier zerquetscht (Hühnereier), Plastetasse hat nen Riss. Letzteres wird mit einem Stück Draht geflickt. Sonst scheint alles ok. Später merke ich, dass meine analoge Spiegelreflex manchmal spinnt, aber die Bilder, die sie gemacht hat sind in Ordnung. Die Zeltstange fand es, wie sich heraus stellen wird, auch nicht so lustig mit einer Steinkante zu kuscheln, aber es ist kein Schaden erkennbar.
Der Versuch das Abendessen auf dem Feuer zu kochen um Brennstoff zu sparen scheitert an fehlendem Wind und Brennmaterial. Während ich hartnäckig das räucherige Astgewirr anblase, hat Johannes schon längst seinen Trangia aufgebaut. Immerhin ist das Wasser im Topf vom „Lagerfeuer“ schon etwas warm geworden, als ihn der Koch übernimmt, aber auch entsprechend gewürzt.
Bei einer Brokkolicremesuppe mit Gabelspagetti genießen wir die Stille und das Nicht-Mehr-Vorhandensein von Fraßfeinden (der stechenden Sorte). Ja, uns geht’s wahrhaftig gut!


Alles strahlt in einem tiefen, klaren Blau: der wolkenlose Himmel, das nahezu glatte Meer, die ferne Bergkette, die schärenreiche zerklüftete Küste nahe Bodø. Wir können es kaum fassen. Das Nordmeer wirkt so gar nicht rau und unberechenbar. Wir hauen uns in die Sonne und entspannen uns mit der Gewissheit in drei Stunden am Ziel zu sein – Moskenesøya, eine schroffe Insel draußen im Nordmeer, oberhalb des Polarkreises, ein kleines Gebirge, das steil mitten aus dem Meer aufragt.
Wir stimmen Lobsänge auf das Wetter an, da wird merken wir, dass es dunkler geworden ist. Um uns bricht eine Unruhe los, die Temperatur sinkt binnen Minuten um gefühlte 15 Grad, eine steife Brise hebt an die Gesellschaft zu verscheuchen. Müde reib ich mir die Augen, wie kann dat sein? Johannes hechtet zur Reling. „Seenebel hart Steuerbord!“ Stirnrunzelnd werfe ich ein Blick Richtung Lofotwand, die im Abendlicht leuchtend vor uns liegt, nur das wir das nicht sehen. Stattdessen ist da eine weiße Wolkenwand, die auf dem Wasser zu schwimmen scheint und wie eine Welle auf uns zurollt. Das Gehirn rattert, wo das denn plötzlich herkommt, und schon legt sich der Dunst wie ein Schwamm über uns. Die Wohnmobil-Opas und Bikini-Girls trollen sich, schlagartig ist das Oberdeck leer, nur einer von der Schiffsbesatzung versucht Ordnung in das zurückgelassene Gewirr von Liegestühlen zu bringen.


Der Nebel scheint Zeit und Raum zu schlucken. Ich lehn mich wieder zurück.Wenn man nach oben guckt sieht man Wolkenfetzen, die über uns her rasen. Eine Gestalt löst sich aus dem Grau und steuert auf uns zu. Ein Typ aus Rostock, der schnacken will. Ob uns denn nich kalt is. Alter, wir wollen Outdoor-Urlaub machen, wenn wir dat nich aushalten, können wir uns ja gleich in den Maschinenraum verziehen und als blinde Passagiere so lange zwischen Lofoten und Festland hin und her gondeln, bis in zwei Wochen unser Zug zurück fährt. Nee nee… Der Mensch runzelt die Stirn, man sieht ihm förmlich an, was er denkt: Wie kann man so bekloppt sein und zwei Wochen draußen verbringen und durch die Gegend watscheln…
Nun ja, die Lofoten sind nun mal nicht das Trekkinggebiet Skandinaviens, doch gerade das ist es, was uns reizt, die Kombination aus steilen, schroffen Bergen, wie man sie im Fjäll nicht findet und dem gewaltigen Nordpolarmeer. Eigentlich hatte ich die Lofoten bei der Reisplanung zunächst ausgeklammert, weil ich an vielen Stellen gelesen hatte, dass sie von Touristenmassen überschwemmt sind, die durch die vielen Tunnelverbindungen zwischen den Inseln leichten Zugang haben. So sollte es zunächst auf die Vesterålen gehen, aber weil uns die Landschaft auf den äußeren Lofoten doch beeindruckender erschien und das äußere Lofotengebiet viele Wandermöglichkeiten auf engerem Raum bietet, als die weitläufigen Vesterålen haben wir uns dann doch anders entschieden.

Die Ankunft. 5.08.09
Wie Jona im Wal, werden wir vom höhlenartigen Schiffsrumpf in die Freiheit gespieen. Wir klopfen die Beine wach, die sich nach 40 Stunden nur widerwillig aus ihrem Urlaub zurück melden. Zwischen einer Flut aus Kühlschränken, Omakutschen und Motorrädern stoßen wir vor und erkunden Neuland. Die Landschaft haut uns um. Denn durch den Nebel konnten wir nicht schon stundenlang vorher auf die Lofotwand gucken und uns an diesen Anblick gewöhnen. Wir freuen uns wahnsinnig endlich hier zu sein. Wir werfen einen Blick zurück: Der Seenebel klebt hartnäckig auf dem Wasser, an Land aber ist es klar und wolkenlos. Letztes Sonnenlicht malt die Gipfel golden. Da es schon nach neun ist, beschließen wir erst mal ein Nachtlager zu suchen. Selbiges finden wir unweit von Sørvågen in der Nähe des Einstiegs zum Wanderweg Richtung Munkebu. Wir suchen ein Plätzchen, an einem rauschenden Bach, wo keine Heerschar krakeelender Möwen Rabatz macht, und weihen Johannes Trangia-Kocher mit Tomatencremesuppe und Nudeln ein.

Rollende Rucksäcke. 6.08.09

Am nächsten Morgen stellen wir fest, dass der Nebel an Land gekrochen ist. Doch bis elf hat er sich wieder zum Wasser verzogen und bis zum Nachmittag hat er sich schließlich ganz aufgelöst. Das Resultat ist strahlender Sonnenschein und Hitze – man glaubt es kaum, denn als wir vor zwei Tagen in Norddeutschland gestartet sind, war es dort so kalt, dass man eine Jacke brauchte. Wir danken dem Golfstrom und setzen uns in Bewegung – Richtung Å. Dort sind wir auch recht schnell, nach etwa 45 Minuten Marsch. Wir schlagen sogleich den Weg Richtung Stokkvika ein und lassen Å Å sein.

Der Weg schlängelt sich entlang des Sees Åvatnet durch ein Tal. Er ist gut markiert und mit zahlreichen Kletterhilfen ausgestattet. So ist es auch kein Wunder, dass schon bald die Schar an Wanderern zunimmt. Gegen eins erreichen wir den Sandstrand am Ende des Sees. Wir hauen uns hin und besprechen unseren Plan. (Auf dass ihn keiner nachmachen möge…)
Wir hatten uns im Voraus überlegt, dass wir, um den vielzitierten Massen an Tagestouries zu entweichen, die Pfade verlassen und in abgelegene Gebiete vorzudringen…
Johannes guckt skeptisch auf die Bergkette, die uns umgibt. „Bissen steil, wa?“
Nun ja, man kann es ja mal versuchen. Von hier jedenfalls kann man nicht einschätzen, wie steil das wirklich ist. Wir sehen den „offiziellen“ Weg zur Stokkvika, der im Zickzack in den Hang gefurcht ist und punktförmige Homo sapiens, knapp oberhalb der Baumgrenze. Linkerhand eröffnet sich ein breites Tal und zwischen den Gipfeln Gjerdtindan und Mannen ist der Bergkamm in etwa genauso hoch und so steil wie am Stokkvika-Pass. Der Plan ist zur Gjerdvika herüber zu steigen um an der Westküste entlang zum alten Siedlungsplatz Refsvika und zur Südspitze Hell vorzudringen.

Nun ja, dann wird’s halt noch etwas abenteuerlicher. Also die Rucksäcke geschultert um sich die Sache aus der Nähe zu besehen. Der Weg durch das dichte Birken- und Weidengestrüpp ist recht beschwerlich, Spalten zwischen den moosbewachsenen Felsblöcken werden frech vom Heidekraut passiert, Diesteln zerkratzen unsere in abgezippten Hosen steckenden Beine und Kriebelmücken (von denen ich immer noch Narben hab) lauern uns auf. Die Sonne brennt, kein Lüftchen weht. So ergießen sich schon bald Sturzbäche in die Augen und die untrainierte Pumpe rast wie nach einem Marathonlauf. (Ja ja, schon hart das alles.



Wir gelangen auf einen kleinen plateauförmigen Teil des Tales und sehen zum Bergkamm hoch. Wir sehen zwei Möglichkeiten für eine Überquerung und wählen einen Einschnitt links im Berg Gjerdtindan.




So fällt dann die Entscheidung zur Umkehr auch nicht schwer, zudem hatten wir ja noch eine andere Wegmöglichkeit entdeckt. Doch wir müssen feststellen, dass das Herunter eine weitreichende Problematik ist: soll es nicht sehr schnell und verlustreich von Statten gehen muss man scheiß vorsichtig sein. Ein Glück haben wir gute Schuhsohlen und es ist alles trocken, aber es ist trotzdem der reinste Horror. Das Festhalten ist viel schwieriger als Bergauf, man kann viel schlechter sein Gleichgewicht halten, noch dazu mit Rucksack. Einige „trittsichere“ Steine sind beim Aufstieg „verloren gegangen“ und die grasbewachsenen Stellen erweisen sich als Rutschpolster. Also sind wir zunächst gezwungen über ein Geröllfeld zu tappen. Bei jedem Schritt lösen sich Steine und scheppern lautstark hinunter. An einer glatten felsigen Stelle ist erst mal Sense. Bergauf sind hier noch Trittmöglichkeiten gewesen, doch selbige Steine haben sich durch unseren Aufstieg am Felsen gelockert und es ist unmöglich irgendwo Halt zu finden. So langsam bekommen wir es mit der Angst zu tun.

Den Rest des Steilhangs rutschen wir auf dem Hintern Stück für Stück über den Rasen.

Als wir wieder am Sandstrand ankommen, ist es schon spät und die Tagestouristen sind weg. Wir entledigen uns der schweißtriefenden Klamotten und beruhigen unsere (wirklich) zahlreichen Schrammen und Stiche im kühlen Nass. Herrlich. Das Wasser ist entgegen aller bisherigen Erfahrungen mit klaren Bergseen gar kein Meer feiner spitzer Eisnadeln, sondern einfach angenehm.
Wir schlagen unser Lager auf dem Strand auf. Johannes meldet Schaden: Knäckebrot zerbröselt, Eier zerquetscht (Hühnereier), Plastetasse hat nen Riss. Letzteres wird mit einem Stück Draht geflickt. Sonst scheint alles ok. Später merke ich, dass meine analoge Spiegelreflex manchmal spinnt, aber die Bilder, die sie gemacht hat sind in Ordnung. Die Zeltstange fand es, wie sich heraus stellen wird, auch nicht so lustig mit einer Steinkante zu kuscheln, aber es ist kein Schaden erkennbar.
Der Versuch das Abendessen auf dem Feuer zu kochen um Brennstoff zu sparen scheitert an fehlendem Wind und Brennmaterial. Während ich hartnäckig das räucherige Astgewirr anblase, hat Johannes schon längst seinen Trangia aufgebaut. Immerhin ist das Wasser im Topf vom „Lagerfeuer“ schon etwas warm geworden, als ihn der Koch übernimmt, aber auch entsprechend gewürzt.
Bei einer Brokkolicremesuppe mit Gabelspagetti genießen wir die Stille und das Nicht-Mehr-Vorhandensein von Fraßfeinden (der stechenden Sorte). Ja, uns geht’s wahrhaftig gut!

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