[NO, SE, FI] Björkliden nach Kilpisjärvi - aber nicht auf dem Nordkalottleden

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  • zilka

    Erfahren
    • 29.06.2017
    • 418
    • Privat

    • Meine Reisen

    #21
    Zitat von Blahake Beitrag anzeigen
    Von Dir kann ich echt noch was lernen! Nicht nur, dass Du mit Essen für 14 Tage und nem Soulo nur auf 20 kg kommst. (Ich wäre echt neugierig auf Deine Packliste!) Du gehst auch wesentlich entspannter mit schlechtem Wetter und Deinen Essensvorräten um. Ich halte es, obwohl ich einen E-Reader dabei habe, auch bei Regen meist nicht lange im Zelt aus. Und ich hätte mich, vor lauter Bange am Ende ohne Essen dazustehen, nicht an den Trailmix und die Salami getraut. Jetzt bin ich sehr gespannt, ob Du am Ende Deiner Tour hungern musst - was ich Dir nicht wünsche - oder ob das passt. Jedenfalls folge ich Dir weiterhin voller Freude und bin sehr begeistert, wie anschaulich Du schreibst. Da hockt man fast mit Dir im Zelt!
    Ich würde das eher als schlechte Impulskontrolle, als als überlegtes Verhalten verbuchen 😁. Jede/r hat halt unterschiedliche Strategien, mit Stress umzugehen... Zudem zählen Trailmix und Salami (wie auch Kekse) bei mir irgendwie als "Extra-Luxus". Nach dem Motto, "was weg ist, ist weg". Im Hintergrund war mir in dieser Situation schon klar, dass das zumindest in Bezug auf die Salami bedeuten wird, für die Pausen ab jetzt eben nur noch trockenes Knäckebrot zu haben.
    Essen aus meiner anderen Kalkulation rühre ich außer der Reihe nicht an, da bin ich strickt. Eine Packliste habe ich nicht wirklich, aber vielleicht kann ich am Ende noch einmal etwas dazu sagen. Danke auch Dir Blahake für den netten Kommentar! Deine Berichte lese ich auch sehr gerne!

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    • vobo

      Vorstand
      Dauerbesucher
      • 01.04.2014
      • 824
      • Privat

      • Meine Reisen

      #22
      Ohh, was ein schöner Bericht. Jetzt schon mal herzlichen Dank. Und die Schilderung der "Schlüsselstelle" liest sich so als ob ich es selber erlebt habe. Aber vielleicht erinnerst Du Dich: Ich habe den Rucksack auch eher als Auftrieb denn als Belastung erlebt - vermutlich weil er noch nicht durchnässt ist.
      Jetzt fiebere ich den mentalen Belastungen entgegen. Und weiß noch nicht, ob ich mir wirklich über Quilts Gedanken machen soll .

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      • Blahake

        Vorstand
        Fuchs
        • 18.06.2014
        • 1910
        • Privat

        • Meine Reisen

        #23
        Ich finde das eigentlich ganz logisch, dass der Rucksack Auftrieb hat. Sinken könnte er ja nur, wenn er schwerer wäre als Wasser. Was bei einem 60-Liter Rucksack bedeuten würde, dass er mit 60 kg beladen wäre. Bis er sich so vollsaugt, das dauert bestimmt eine Weile. Allerdings müsste das auch dazu führen, dass man im Wasser mit dem Rucksack nach oben gedreht wird, also die Nase im Wasser hat. Da stelle ich es mir schwierig vor, den Kopf zum Atmen an die Luft zu kriegen. Könnt Ihr zwei Euch erinnern, wie das war? Du schreibst ja, dass Du in Bauchlage warst, Zilka. Meinst Du, Du hättest Dich drehen können?

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        • Borgman
          Dauerbesucher
          • 22.05.2016
          • 780
          • Privat

          • Meine Reisen

          #24
          Das ist ein schlimmes Gefühl, wenn man mitten im Fluss die Kontrolle verliert und von der Strömung mitgerissen wird. Ist zwar schon vielen von uns passiert, aber ich sage durchaus selbstkritisch: eigentlich darf das unter keinen Umständen sein. Die Verletzungsgefahr ist viel zu groß. An den Abfluss vom Leinavatn kann ich mich gut erinnern, da lauern große, spitze Steine über die ganze Breite, manche knapp unter der Wasserlinie. Hoffentlich habe ich in meinem Bericht deutlich genug gemacht, dass die Furt nicht unkritisch ist. Ganz allgemein sind solche pfadlosen Touren natürlich geeignet, um seine eigenen Grenzen zu erfahren und auszuweiten, aber dazu gehört eben auch, dass man gefährliche Situationen rechtzeitig erkennt und umgeht. Ein schmaler Grat zwischen Lernkurve und unnötigem Risiko.
          Dein Bericht gefällt mir auch ausgesprochen gut, Text, Bilder und alles ...

          @Anne: es kommt auf den Fluss an, würde ich sagen. Meine Erfahrung beschränkt sich auf einen breiten, tiefen, ruhig fließenden, den ich unvorbereitet und nur halb absichtlich mit Gepäck durchschwommen habe. Da war es möglich, den Kopf über Wasser zu halten. Ein Problem war, dass ich die Stöcke noch in den Händen hielt und sie nicht loslassen wollte. Bei starker Strömung, mit Hindernissen im Fluss sollte man wohl versuchen, den Rucksack so schnell wie möglich loszuwerden. Deshalb auch immer mit offenem Hüft- und Brustgurt furten, damit man in Panik nicht noch mit Schnallen hantieren muss.

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          • DerNeueHeiko
            Alter Hase
            • 07.03.2014
            • 3162
            • Privat

            • Meine Reisen

            #25
            Zitat von zilka Beitrag anzeigen
            Ich würde das eher als schlechte Impulskontrolle, als als überlegtes Verhalten verbuchen 😁. Jede/r hat halt unterschiedliche Strategien, mit Stress umzugehen... Zudem zählen Trailmix und Salami (wie auch Kekse) bei mir irgendwie als "Extra-Luxus". Nach dem Motto, "was weg ist, ist weg".
            Ja, spannend zu lesen ist es allemal Bei mir ist es umgekehrt: An Abwetter-Tagen esse ich (fast) nichts und so werden aus geplanten 12 Tagen schonmal 16...

            Ich schließe mich Annes Respekt für die Packliste an - mit 14 Tage Essen lande ich bei ungefähr 27kg.

            Und vielen Dank für den Bericht unterstreiche ich auch nochmal. Gerade, weil du auch die kritischen Momente selbstkritisch mit beschreibst. Liest sich bestimmt besser als du es erlebt haben musst.

            Viele Grüße,
            Heiko

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            • zilka

              Erfahren
              • 29.06.2017
              • 418
              • Privat

              • Meine Reisen

              #26
              19. August (Tag 9) Ostovárráš, Astujeaggi, Gamasjohka, östlich vom Átnjatluoppal. Im Kreis und eine neue Schlüsselstelle

              Man muss die Sonnentage schätzen und zelebrieren, sie sind kostbar - denke ich, als ich am nächsten Morgen aus dem Zelt schaue. Die schwarze Wolke gegenüber sieht beeindruckend aus. Irgendwie auch schön. Immerhin regnet es noch nicht und ich genieße es richtig, dass ich heute Morgen richtig trockene (und sogar saubere) Sachen einpacken kann.
              Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: Abfahrt 1.jpg Ansichten: 0 Größe: 3,73 MB ID: 3152969
              Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht

Name: Abfahrt 2.jpg
Ansichten: 604
Größe: 2,86 MB
ID: 3153042
              Um halb neun bin ich startbereit, vorsichtshalber schon in Regensachen. Meine Regenhose gefällt mir für das Gelände hier sowieso ganz gut. Mit dem Klettband lässt sie sich gut an den eh schon höheren Lundhags abschließen, so dass Wasser nicht sofort von oben in die Stiefel laufen kann und ich einen kurzen Moment habe, wenn ich mich mal vertrete. Ich finde es auch sehr entspannend, mich selbst bei Nieselwetter überall hinsetzen und auf den Boden knien zu können, ohne nass zu werden (für mich nenne ich sie deshalb meine Spielhose, weil ich mir dabei dann manchmal vorkomme, wie ein Kind in einem Waldkindergarten). Den Wind lässt sie auch nicht durch und schwitzen tue ich bisher auch nicht sonderlich in ihr, dazu ist es zu kalt.
              Zunächst möchte ich heute das Astujeaggi Naturreservat durchqueren, dann den Gamasjohka furten und danach das Feuchtgebiet links lassen und an seinem Rand, mit dem Höhenzug des Átbnjatvárri auf meiner rechten Seite weiter nach Norden gehen. So der Plan.
              Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: Sumpf 1.jpg Ansichten: 0 Größe: 2,75 MB ID: 3152971

              Das Moor ist schnell erreicht und bald sehe ich die ersten Palsen. Diese sind, wie ich gestern auf einem Schild zum Astujeaggi Naturreservat gelernt habe, Torfberge mit einem Eiskern aus Permafrost. Der Torf um den Eiskern isoliert ihn gegen das Auftauen und bleibt das ganze Jahr gefroren. Zwischen den Hügeln gibt es Moore ohne Eis sowie kleine Teiche. Astujeaggi befindet sich am Rande des arktischen Permafrostgebiets. Palsa-Sümpfe sind sehr dynamische Systeme, die sich ständig verändern und wie so vieles sind sie besonders anfällig für Klimaveränderungen. Auf dem Schild wurde noch herausgehoben, dass sie ein Lebensraum für viele Feuchtgebietsvögel sind und es in dieser Art von Moor viele Moltebeeren gibt. Beides kann ich nur bestätigen, ich höre und sehe heute im Vergleich zur bisherigen Tour ungewöhnlich viele Töne und Vögel.
              Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: Sumpf 6.jpg Ansichten: 0 Größe: 2,81 MB ID: 3152972
              Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: Sumpf 7.jpg Ansichten: 0 Größe: 2,82 MB ID: 3152973
              Palsen im Astujeaggi Naturreservat
              Das Moor selbst ist, wie Borgmann es schreibt „eher von der unangenehmen Sorte“ und nach dem Regen der vergangenen Tage jetzt noch mehr. Den ganzen Vormittag arbeite ich daran, einen Weg zu finden. Meist geht es zuerst noch gut, eine Fläche von Hügel zu Hügel und durch das sumpfige Gras zu queren. Dann scheitere ich jedoch wiederholt in der Mitte, weil die Wasserstellen im Gras sich doch zu einem Bächlein ausweiten, das ich vorher nicht sehen konnte. Also wieder zurück.

              Ich beginne auf dieser Tour das erste Mal die arktischen Silberweiden zu schätzen. Sie bieten zumindest kleine Inseln für den Tritt und so versuche ich von Gesträuch zu Gesträuch zu laufen, um die nächste feste Trockenfläche zu erreichen.
              Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: Sumpf 3.jpg Ansichten: 0 Größe: 2,29 MB ID: 3152974
              An einigen Stellen fängt der Boden unter meinem Gewicht und Schritten richtig an zu schwingen. Es fühlt sich an, als ob ich nur auf einer dünnen Schicht laufe und vermutlich ist es auch so. Wenn ich nicht aufpasse, bricht der abgebrochene Stock, der nun an der Spitze keinen Teller mehr hat, an diesen Stellen schnell durch und verschwindet in die Tiefe. Diese schwingenden Stellen sind mir unheimlich. Über zwei, drei Meter auf das nächste Ufer zu, traue ich mich, über sie zu laufen - aber längere Strecken nicht. Sie werden dann meist feuchter und der Grund fühlt sich zunehmend weniger verlässlich an.

              Auf den kleinen festen Stellen sehe ich an diesem Tag unendlich viele kleine Ameisenhügel, bestimmt an die Hundert. Alle sind sie nach Süden ausgerichtet. Auf dem Foto kann man leider nicht gut erkennen, wie viele auf jeder kleinen trockenen Fläche dicht an dicht nebeneinanderstehen. Sicher ein weiterer Grund, dass die Vögel sich hier so wohlfühlen.
              Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: Ameisen.jpg Ansichten: 0 Größe: 5,08 MB ID: 3152975

              Ameisenhügel
              Es ist anstrengend. Meine Uhr, die mich zu Hause eher passiv-aggressiv daran erinnert, mich mehr zu bewegen („Preis für beste Erholung“), zeigt mir Features, die mir bisher völlig unbekannte sind. Nett, dass sie sich auch mal um mich sorgt, auch wenn ich den Satz „um wieder auf den richtigen Weg zu kommen“ gerade etwas doppeldeutig finde...
              Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: Uhr 1.JPG Ansichten: 0 Größe: 1,84 MB ID: 3152980
              Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: Uhr 2.JPG Ansichten: 0 Größe: 1,85 MB ID: 3152981
              Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: Uhr 3.JPG Ansichten: 0 Größe: 1,75 MB ID: 3152982
              Als ich eine größere feste, trockene und relativ flache Fläche erreiche, finde auch ich, dass ich dringend eine Pause brauche. Da es hier viele Mücken gibt, stelle ich heute das erste Mal für eine Pause mein Zelt auf. Das habe ich hier im Forum gelernt („den Borgman machen“
              😁) und ich muss sagen, es lohnt sich wirklich! Da das Soulo freisteht, brauche weniger als 10 Minuten, es aufzubauen und kann mich dann entspannt und völlig mückenfrei ausstrecken.
              Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: Pause.jpg Ansichten: 0 Größe: 4,74 MB ID: 3152976 Pause ("Wir müssen leider drausen bleiben")
              Nach dieser erholsamen Mittagspause geht es weiter. Inselhopping, denke ich. Inzwischen habe ich keine Lust mehr, auch wenn das Moor ja interessant sein mag, hoffe ich, dass ich es bald geschafft habe.
              Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: Sumpf 8.jpg Ansichten: 0 Größe: 3,04 MB ID: 3152983
              In der Ferne sehe ich ein kleines Schild. Oh weh, dass ist doch nicht…?? Doch, es ist das kleine Nationalparkschild an dem ich heute Morgen schon vorbeigelaufen bin. Nein, das kann nicht sein! Es muss sich um ein anderes Schild handeln, schließlich wird der Nationalpark sicher nicht nur von einem Schild markiert. Ich kann es gar nicht glauben, dass ich mich in meiner Konzentration auf einen halbwegs trockenen Weg durch das Moor, so in meinem Orientierungs“gefühl“ getäuscht habe und die Orientierung verloren habe. Ich hole die Kamera hervor und suche das Foto von heute Morgen. Ja, es ist dasselbe Schild, mit dem demselben eindeutigen Sprung. Wow.
              Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: Sumpf 2.jpg Ansichten: 0 Größe: 4,06 MB ID: 3152977
              9:47 Uhr...
              Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: Sumpf 9.jpg Ansichten: 0 Größe: 2,85 MB ID: 3152978
              14:48 Uhr...
              Ich bin genervt und ärgere mich, dass ich bis eben im Kreis gelaufen bin. Die ganzen mühsamen Überquerungen und feuchten Füße umsonst. Da hätte ich in der Zeit auch gemütlich im Zelt rumgammeln können. Aber es hilft nichts, irgendwie muss ich hier ja herauskommen. Also weiter.

              Für den zweiten Versuch entscheide ich mich, wieder auf das Ostovárráš zurückzugehen und seinem Ausläufer bis zur Mündung des Gamasjohka zu folgen. Diesem will ich dann am Ufer folgen, bis ich ihn queren kann. Dieser Plan ist wesentlich besser. Diesen Weg hätte ich mal gleich gehen sollen, denke ich. Sumpf gibt es zwar auch hier, aber auch wesentlich mehr festere Stellen. Ich schaue wieder mehr auf meine Karte und überprüfe meine Position per GPS und nicht „gefühlt“.
              Die Mündung des Gamasjohka ist breit und sieht ganz anders aus als auf Borgmans Fotos („Palsa-Sümpfe sind sehr dynamische Systeme, die sich ständig verändern“). Sein Zeltplatz vom Herbst liegt auf meiner Tour unter Wasser bzw. im feuchten Gras und beim Anschauen seiner Bilder für diesen Berichtes staune ich, wie anders diese Landschaft bei mir aussah.
              Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: Schädel.jpg Ansichten: 0 Größe: 3,03 MB ID: 3152979

              Alter Lagerplatz
              Ich finde einen Zeltplatz mit einer alten Feuerstelle zwischen Birken, an dem jemand einen Schädel mit Geweih zwischen die Birken geklemmt hat. Als ich weiter an der Mündung flussaufwärts gehe, fährt gemächlich ein kleines Motorboot an mir vorbei und in den Fluß hinein. Ich hebe die Hand zum Gruß, aber es kommt nach einigem Zögern nur ein höflicher Gruß zurück, mehr nicht. Der Bootsführer blickt weiter nur nach vorne und scheint nicht sehr kontaktbereit. Schade, denke ich, er hätte mich gut mit seinem Boot auf die andere Seite bringen können. Und wenn er mir etwas zugerufen hätte, hätte ich ihn vielleicht gefragt. Auf dem Bug seines Bootes hat er jede Menge Treibholz angehäuft, wohl für ein Lagerfeuer. Bald ist er nicht mehr zu sehen, weil der Fluß eine Kurve macht und ich ihm am Ufer nicht so schnell folgen kann.
              Immer wieder muß ich mir meinen Weg zwischen Sumpf und trockenen Stellen suchen. Das geht zwar wesentlich besser als heute Morgen, dauert aber seine Zeit. Schließlich erreiche ich endlich den wirklichen Gamasjohka. Er tost und braust und führt viel Wasser. Es sind hier einige wenige Steine zu sehen, aber auch viel weißes Wasser. Zuviel. Hier komme ich auf keinen Fall auf die andere Seite. Also folge ich dem Gamasjohka weiter flussaufwärts. Immer wieder suche ich nach einer möglichen Stelle, aber ich habe keine Chance. Das ist frustrierend. Als ich höher komme, finde ich ein paar alte Lagerstellen auf einer kleinen Moränenterasse am Ufer. Es ist ziemlich eindeutig, dass hier vermutlich Menschen auf die andere Seite queren. Auch die andere Seite sieht so aus. Aber jetzt ist einfach viel zuviel Wasser im Fluss und die Strömung ist einfach zu stark.

              Dies wird ein anstregender Nachmittag. Ich WILL über diesen verdammten Fluss. Und so kämpfe ich mich weiter und weiter an ihm entlang, in der Hoffnung, dass es vielleicht wenigstens kurz vor dem See Átnjatluoppal möglich ist. Immer wieder suche ich nach einer Möglichkeit. Dies ist zum Teil mit erheblichem bushwacking verbunden. Manchmal gehe ich etwas weiter weg, manchmal wieder direkt an ihm entlang. Aber auch wenn ich ihn für kurze Zeit nicht mehr sehe, ist er laut zu hören. Ich finde das fast verhöhnend. Und die Situation strengt mich nicht nur körperlich an. Dies ist meine Schlüsselstelle, denke ich. Und eine, mit der ich überhaupt nicht gerechnet habe. Durch die vergangenen Regenfälle ist der Fluß unerwartet angeschwollen, was ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht wirklich miteinander verbinde. (Dieses Wissen hätte auch nicht wirklich etwas an der Situation geändert. Später lässt es mich aber irgendwie besser fühlen, als ich erfahre, dass ich in dieser Woche nicht die Einzige bin, die an einem Fluß scheitert. Ein wirkliches Scheitern ist es ja nicht, aber so kommt es mir heute vor).
              Ich WILL über diesen Fluß. Ich MUSS über diesen Fluß, aber es gibt einfach keine Stelle. Die Strömung ist viel zu stark, oft mit Weißwasser und dabei ist das Wasser viel zu tief. Das würde ich noch nicht einmal ohne Gepäck im Badeanzug (und bei einer angenehmen Wassertemperatur) wagen.
              Seit einiger Zeit hat es auch wieder angefangen zu nieseln. Nicht viel, aber beständig. Nass bin ich sowieso schon, auch durch die vielen nassen Zweige, durch die ich streife. Schließlich komme ich am Átnjatluoppal an. Auch hier, wo der Fluß auf meiner Karte am schmalsten aussieht und aus dem kleinen See fließt, sehe ich keine Chance. Und ich bin bis hier oben alles abgegangen. Zudem nieselt es wieder mehr, ich habe nasse Füsse, die Mücken nerven. Und es ist schon spät.
              Ich entscheide mich, östlich des Átnjatluoppals aufzusteigen und mir die nächste trockene und einigermaßen freie Stelle für mein Zelt zu suchen. Zum Glück denke ich diesmal daran, gleich Wasser mitzunehmen. Ich tue dies, als ich ein letztes Mal frustriert am Ufer des Gamasjohka stehe und auf den kleinen See in der Ferne starre. Nur erstmal weg von hier. Und wieder höher. Schließlich finde ich eine Stelle für die Nacht.
              Das Zelt ist schnell aufgestellt und ebenso schnell hängen eine Riesenmenge Moskitos in der Apsis ab. Später muss ich erst einmal mein Innenzelt von denjenigen befreien, die es beim Kochen in der Apsis an mir vorbei ins Innenzelt geschafft haben. Zum Glück sind sie irgendwie träge und lassen sich meist mit einer Hand erledigen.
              Heute war ein harter Tag. Ein wenig bin ich aber auch von mir selbst überrascht. Während ein Teil von an diesem nervigen Nachmittag einfach aufgeben wollte, hat ein anderer Teil einfach weitergepusht. Beständig, ruhig und ohne viel sinnlose Gedanken zuzulassen. Hilft ja nichts, wenn es im nassen Birkengesocks einfach keine Zeltstellen gibt und der Fluß im Hintergrund tobt. Wie gut, dass ich meinen inneren Akku gestern mit genug Sonne aufladen konnte! Jetzt werde ich erst einmal essen und schlafen. Morgen werde ich dann ausgeruht überlegen, wie es nun weitergeht. Das macht jetzt wenig Sinn, denkt der starke Teil in mir. Das mühelos zu bereitetet Real Turmat tut heute besonders gut. Comfort food. Schnell schlafe ich ein.
              Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: Zeltabbau.jpg Ansichten: 0 Größe: 5,61 MB ID: 3152984

              Zelt östlich des Átnjatluoppals am nächsten Morgen
              Von dem Nachmittag des heutigen Tages, sowie von den nächsten zwei Tagen habe ich leider kaum Fotos. Auch wenn ich in herausfordernden Situationen keinen Kopf für Fotos frei habe, meine ich, mich erinnern zu können, an ein paar Stellen, Fotos geschossen zu haben. Auf meiner Speicherkarte sind jedoch keine zu finden (habe ich sie versehentlich gelöscht?). Es kann aber auch sehr gut sein, dass ich im Nachhinein für ein paar innere (Erinnerungs-)Bilder diese Fotos einfach gehabt hätte, sie aber nie geschossen habe.
              Zuletzt geändert von zilka; 11.09.2022, 19:12.

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              • zilka

                Erfahren
                • 29.06.2017
                • 418
                • Privat

                • Meine Reisen

                #27
                Zitat von Borgman Beitrag anzeigen
                Hoffentlich habe ich in meinem Bericht deutlich genug gemacht, dass die Furt nicht unkritisch ist. Ganz allgemein sind solche pfadlosen Touren natürlich geeignet, um seine eigenen Grenzen zu erfahren und auszuweiten, aber dazu gehört eben auch, dass man gefährliche Situationen rechtzeitig erkennt und umgeht. Ein schmaler Grat zwischen Lernkurve und unnötigem Risiko.
                Ja, Borgman, Du hast in Deinem Bericht sehr deutlich gemacht, dass die Furtstelle nicht unkritisch ist!
                Und ich stimme Dir auch voll zu bezüglich des schmalen Grades. Was ich hier neu gelernt habe - und im Nachhinein erscheint es mir ganz logisch - besonders in der Mitte (d.h. an der tiefsten Stelle) eines solchen Ausflusses muss ich aufmerksan sein und auch Unterströmungen erwarten. Vielleicht hätte ich diese bei genauem Hinschauen sogar an den Pflanzen erkennen können...
                Zum Glück hatte ich ja die Drei-Punkte-Regel befolgt und hatte zumindest noch einen festen Punkt, als ich eins und zwei verloren hatte, wenn vermutlich auch nicht mehr sehr lange (der Stock ist ja später gebrochen). Danke auch nochmal für den wichtigen Hinweis mit dem offenen Brust und Hüftgurt beim Furten!
                Das ist mir inzwischen schon so in Fleisch und Blut übergegangen, dass ich ganz vergessen habe, es oben zu erwähnen. Ich werde das noch einmal ergänzen. Den Brustgurt zu öffnen, den Hüftgurt nur locker und nicht richtig zuzumachen und ggf. den Rucksack loszuwerden und zu versuchen, sitzend mit den Füßen zur Strömung in eine sitzende Position zu kommen, damit man nach vornen schauen kann, hat mir die Schwedin tatsächlich auch als erstes beigebracht.

                Da stelle ich es mir schwierig vor, den Kopf zum Atmen an die Luft zu kriegen. Könnt Ihr zwei Euch erinnern, wie das war? Du schreibst ja, dass Du in Bauchlage warst, Zilka. Meinst Du, Du hättest Dich drehen können?
                Das hätte ich gar nicht gewollt, Blahake. Wenn mein Kopf unter Wasser gekommen wäre, hätte ich mich sofort vom Rucksack befreit und es gar nicht erst mit Drehen versucht! Es war zum Glück wirklich nur ein ganz kurzer (und wichtiger Lern)Moment. Auf einmal gingen meine Beine plötzlich nach hinten und oben hoch und die Füße verliessen mich in Richtung Altevatnet, da sie keinen Stand mehr hatten. Das Problem waren die unerwartete Strömung in der Tiefe und die Gefahr des unkontrollierten Wegtreibens. Auch wenn die Strömung an dieser Stelle und Tag im Vergleich zu manchen Flüssen nicht wirklich stark war, war der Verlust der Kontrolle, wie Borgman es formuliert, scary. Wer weiß, wo (oder wogegen) es mich hingetrieben hätte...

                Danke auch Euch Vobo und Heiko für Eure interessanten Beiträge!
                Vobo, zum Quilt sage ich später noch einmal etwas.
                Und Heiko, die 20kg sind ohne Wasser, das ist nicht dabei. S & F, meine outdoor-Freundinnen, die zu Beginn erwähnt werden, sind absolute ultra-light Nerds, da muss ich mich immer rechtfertigen 😁 was inzwischen auch Spuren hinterlässt... Ich gehöre dennoch klar zum Typ Comfort-Hiker und habe auch nicht mehr vor, eine UL-Hikerin zu werden. Man muss aber fairerweise noch erwähnen, dass ich leichtes Übergewicht habe und auf einer solchen Tour gern auch ein paar Kilos verliere (meist so ein bis drei). Das wäre bei einer Tour von mehr als zwei Wochen schon anders und natürlich muss ich auch auf meiner Tour auf ausreichend Kalorien achten. Das ist wie beim Furten, kein unnötiges Risiko!

                Und vielen Dank auch für die schönen Kommentare zu meinem Geschreibsel, das motiviert 😍.
                zilka

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                • Fjellfex
                  Fuchs
                  • 02.09.2016
                  • 1624
                  • Privat

                  • Meine Reisen

                  #28
                  Zitat von zilka Beitrag anzeigen
                  „den Borgman machen“
                  Damit hast du dich als Leserin meiner Berichte geoutet.
                  Aber dem Bernd gebührt wirklich Lob für diese gute Idee.

                  Au weia; im Kreis gegangen... man will gar nicht glauben, dass sowas passieren kann. Wäre aber auch mir vor 2 Jahren bei schlechter Sicht auf meiner Jämtland-Tour fast passiert, als ich zickzack durch ein Feuchtgebiet musste - man schaut nur auf die nächsten Tritte, und dabei geht das Gefühl für die Himmelsrichtung flöten. Zum Glück habe ich immer auch den Kompass im Auge gehabt.

                  Kommentar


                  • zilka

                    Erfahren
                    • 29.06.2017
                    • 418
                    • Privat

                    • Meine Reisen

                    #29
                    Zitat von Fjellfex Beitrag anzeigen
                    Damit hast du dich als Leserin meiner Berichte geoutet.
                    Aber HALLO lese ich auch Deine tollen Berichte! Und ich wollt noch nachgucken, wen ich da zitiere 😁, wer diesen treffenden Begriff gefunden hat, war aber zu faul...
                    Au weia; im Kreis gegangen... man will gar nicht glauben, dass sowas passieren kann (...) Zum Glück habe ich immer auch den Kompass im Auge gehabt.
                    Tja, eine weitere wichtige Lernerfahrung... Nach dem es nach den ersten Tagen mit der Orientierung so gut ging, bin ich etwas fauler geworden und habe unterschätzt, dass es auch Gelände geben kann, wo es schwieriger sein kann. Das hat sich aber seit diesem Zeitpunkt wieder geändert 😁.
                    Besonders dumm ist ja auch, dass meine Uhr Kompass und Position anzeigt. Hätte einfach nur mal draufschauen müssen... "Was man nicht im Kopf hat, muss man in den Beinen haben", hat meine Oma immer gesagt... DAS passiert mir so sicher nicht nochmal und ich habe kurz überlegt ob ich mich hier wirklich damit "outen" will, im Kreis gelaufen zu sein, oder es einfach weglasse... ist ja schon irgendwie peinlich, gehörte aber dazu.
                    Zuletzt geändert von zilka; 11.09.2022, 19:19.

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                    • zilka

                      Erfahren
                      • 29.06.2017
                      • 418
                      • Privat

                      • Meine Reisen

                      #30
                      20. August (Tag 10) Östlich vom Átnjatluoppal – Gámasjohka – Darfaljohka- nördlich vom Átnjatluoppal. Ein trüber Tag.

                      Heute Morgen, ausgeruht und beim heißen Kaffee und Porridge sieht die Lage schon wieder besser aus! Wegen der vielen Moskitos muss ich heute im geschlossenem Innenzelt frühstücken und packe vorher meine Sachen zusammen. Das Wetter ist zwar bedeckt und es wird wohl auch wieder regnen, aber ich habe einen neuen Plan: Ich werde der Richtung des Laufes des Gámasjohka weiter folgen. Je nachdem, wo es mir gelingt, ihn zu queren werde ich auf den alten Pfad zugehen, der in meiner Karte Kamausjaure mit Sárevuopmi verbindet und ihn bis zum Suttesoaldojohka folgen, wo er endet. Hier wollte (und will ich weiterhin) erst dem ATV-Pfad und dann dem Fußpfad zur Havgahytta und schließlich in das Dividalen zur Dividalshytta folgen. Das bedeutet, dass ich ab dem Suttesoaldojohka wieder auf meinem ursprünglich geplanten Weg bin. Ich habe dann zwar etwas mehr Zeit als geplant gebraucht, weil ich einen Umweg von anderthalb Tagen machen musste, aber ich werde wieder „auf Spur“ sein (Spoiler: Ich weiß heute noch nicht, dass daraus nichts werden wird...)
                      Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: Frühstück im Zelt.jpg Ansichten: 0 Größe: 1,75 MB ID: 3153063
                      Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: Mücken im Zelt.jpg Ansichten: 0 Größe: 2,90 MB ID: 3153068
                      Da hängen sie...
                      Es ist heute ungewöhnlich drückend und ich muss bereits beim Zeltabbau, wie auch gestern Nachmittag schon, mein Kopfnetz überziehen. Das lässt die Landschaft noch trüber wirken, als sie eh schon ist. Meine Stimmung ist auch gedämpft. Bis auf die Schale eines Vogeleis begegnet mir nichts.
                      Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: Vogelei.jpg Ansichten: 0 Größe: 1,84 MB ID: 3153067
                      Ich sehe keine Tiere. Nichts. Jede Menge Elchscheisse, da könnte sich doch langsam wirklich mal einer zeigen?! Das Gelände langweilt mich, ich habe das Gefühl, es ist mir langsam über. Schwer ist es nicht.

                      Einen nächsten Versuch den Gámasjohka zu queren, will ich südlich vom Darfaljohka machen. Da dieser in den Gámasjohka fließt, sollte dieser südlich doch eigentlich weniger Wasser haben, oder?! Zwischen den beiden kleinen Seen und der Seengruppe Havgajvrrážat gelingt es mir schließlich! Es ist die dritte Stelle, an der ich heute den Gámasjohka ansteuere. Hier könnte es gehen, auch wenn die Strömung immer noch stark ist, denke ich.
                      Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: Fluss 2.jpg Ansichten: 0 Größe: 7,42 MB ID: 3153064
                      Gámassjohka mit Stuoa Gámasvárri im Hintergrund, hier komme ich endlich auf die andere Seite
                      Ohne Hose, mit Watschuhen und zunächst ohne Rucksack, starte ich einen Versuch. Das Wasser geht mir über die Knie, aber kaum bis zum Oberschenkel. Nicht einfach die starke Strömung, aber das schaffe ich! Juchhuh!!! ENDLICH!!! Einige Mückenstiche und Schrammen durch die Uferböschung später, ziehe ich am anderen Ufer glücklich wieder meine Stiefel und Regenhose an. Geschafft! Es geht wieder aufwärts!!! Jetzt laufe ich nordöstlich auf den in der Karte eingezeichneten Pfad zu. Das Gelände ist wechselhaft und zum Teil ungewohnt anstrengend. Streifen superleicht zu gehendem festen Moränenboden mit einzelnen Birken wechseln sich mit großen Flächen von dunkeln Zwergbirken ab, die dicht moosigen Boden bedecken. Diese Flächen sind sehr anstrengend zu laufen, das Moos auf dem Untergrund ist weich und vollgesogen und man muss aufpassen, nicht an den Zwergbirken hängenzubleiben. Ich habe das Gefühl, im Tiefschnee zu stapfen und genauso anstrengend ist es auch. Ich kann gar nicht erwarten, wieder einem richtigen Pfad zu folgen, den ich bald kreuzen muss!
                      Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: Pfad 2.jpg Ansichten: 0 Größe: 5,21 MB ID: 3153065
                      Kurz nachdem es wieder anfängt, leicht, aber beständig, zu regnen, erreiche ich den Pfad. Auf der Karte kurz bevor er den Rentierzaun rechts von mir kreuzt. Man, bin ich froh! Ein richtiger PFAD!!! Der Pfad ist nicht markiert. Er ist an einigen Stellen etwas überwachsen und mit Wasser zugelaufen, aber er ist gut zu erkennen. Es ist SO schön, mal wieder stumpf und ohne Nachdenken zu müssen, einem Pfad zu folgen. Erholsam. Mental und für die Füße. Ich kann „die Seele hängen lassen“ und einfach nur laufen. Und laufen. Und laufen.
                      Jetzt bin ich gespannt auf den Darfaljohka, mache mir aber keine weiteren Sorgen über die Furt, da es ja einen Pfad gibt. Und es stimmt: ich muss mir noch nicht einmal die Stiefel ausziehen. Auch wenn der Darfaljohka schon weit vorher zu hören ist und viel Wasser führt, ist er schmal und die Furtstelle gut zu meistern.
                      Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: Pfad 3.jpg Ansichten: 0 Größe: 4,42 MB ID: 3153066
                      Als ich die erste Feuchtfläche erreiche, staune ich. Es lassen sich sogar noch ein paar alte Holzbohlen finden, wenn auch nicht durchgängig. Die Querung ist trotzdem etwas nass, aber die Richtung ist klar. Inzwischen regnet es stärker und ich bin auch sonst schon wieder völlig nass (Das Foto oben ist vom nächsten Tag). Auch, weil ich mit meiner Hose und meinem Oberkörper alle Birken, die den Pfad überwachsen, streife und irgendwie ständig leicht geduscht werde. Aber richtig ausweichen kann ich ihnen auch nicht. Als ich nördlich des Átnjatluoppal einen weiteren Sumpf durchquert habe, muss ich mich schließlich dem immer stärker werdendem Regen unterordnen. Gern wäre ich heute noch weitergekommen, aber es macht keinen Sinn mehr. Ich verlasse den Pfad, weil ich dringend eine einigermaßen trockene Zeltstelle finden muss. Nach etwas Suchen klappt es. Schnell das Zelt aufgestellt, Rucksack reingeschmissen und ein gekonnter Hechtsprung hinterher. Feierabend. Wasser habe ich zum Glück am Darfaljohka gefasst und ich freue mich auf den heißen Tee. Der Kocher wärmt auch das Zelt ein klein wenig auf, bilde ich mir ein. Der Wind nimmt wieder zu und für heute Nacht sind mit dem Regen stärkere Böen angesagt. Deshalb quäle ich mich in einer Regenpause noch einmal mal aus dem warmen Quilt und schlage mit meinem Wanderstock gezielt ein paar tote Äste ab, die auf mein Zelt fallen könnten. Nach oben habe ich bei der Zeltplatzsuche nämlich vorhin leider nicht geschaut. Ich schüttele kräftig an der Birke, zu der sie gehören, um diese auf ihre Standfestigkeit zu prüfen. Ich bin zufrieden mit dem Ergebnis, aber nicht mit dem Test, der mit einer kleinen ungewollten Dusche verbunden ist. Nun noch die Zeltleinen überprüft und dann das Wetter Wetter sein lassen!
                      Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: Im Zelt.jpg Ansichten: 0 Größe: 2,28 MB ID: 3153069
                      Zeltimpressionen: Erneute Trockenversuche
                      Heute Abend schätze ich wieder einmal mein Garmin inreach. Hauptsächlich wegen der Möglichkeit der stündlichen Wettervorhersage, aber auch weil ich mich heute über eine Nachricht von zu Hause freue. Die Nachricht und der Kontakt tuen mir heute gut, auch wenn ich nichts von den beiden letzten für mich herausfordernden Tagen erzählt habe. Regenböen prasseln auf das Zelt. Ich nehme mir das nächste Buch vor und schaue mir noch ein paar Mal die Nachricht an.
                      Zuletzt geändert von zilka; 11.09.2022, 22:15.

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                      • Taffinaff
                        Fuchs
                        • 03.01.2014
                        • 1069
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                        #31
                        Oh ja, das kann einen furchtbar demoralisieren. Regen, Mücken, und nicht voranzukommen sind eine beschwerliche Kombination. Aber am Ende eine zu grossen Teilen eine Frage der Attitüde, bei schönem Wetter kann doch jeder. Und eine Frage der Ausrüstung - sei froh über Dein Zelt (und über das comfort food). Diese kleinen Hügelchen im Birkenwald sind auch eine trostreiche Einrichtung, da gibt es ja meist trockene und halbwegs flache Zeltplätze und sobald bisschen Wind kommt, vertreibt er die Mücken.

                        Was das Verirren angeht, hmnja. Wenn man zuhause im Sessel sitzt, kann man sich über so was leicht mokieren, aber da draussen sieht die Welt eben ganz anders aus. Ich habe mich in Lappland im Gebirge mal so vollständig verlaufen (das war allerdings in dickem Nebel und ohne funktionierendes GPS), dass ich buchstäblich den ganzen Tag lang mit Karte, Kompass und Höhenmesser rumfummeln musste, um da heil wieder rauszukommen, dabei hätte es genügt, ganz am Anfang die richtigen Entscheidungen zu treffen, statt immer tiefer in die Falle zu gehen. Hier kann man mehr über diese peinliche und lehrreiche Episode lesen: https://www.outdoorseiten.net/vb5/forum/tourenberichte/tourenberichte-nördliches-europa/98573-se-des-trepassleden-anderer-teil-oder-auch-how-not-to-do-it?p=2236388#post2236388 . Beim Segeln habe ich ähnliches erlebt, erfahrene und qualifizierte Skipper, die auf See treffsicher zu den falschen Entscheidungen gelangen. So im Stil von Lossegeln, wenn die Wetterprognose vor Sturm warnt, und dann Stunden später die letzte Chance auf einen sicheren Hafen ignorieren, oder eine ganz harmlose kleine Abkürzung durch schlecht kartiertes Gebiet nehmen, um eine Viertelstunde einzusparen. Später an Land findet man das unfassbar, aber da draussen sieht die Welt eben anders aus. Besonders wenn es regnet.

                        Taffi

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                        • zilka

                          Erfahren
                          • 29.06.2017
                          • 418
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                          #32
                          Danke Taffi, für Deine ehrlichen und warmen Worte!!!
                          Es stimmt, zu Hause im Sessel sieht es ganz anders aus... selbst wenn ich nun auf mich selbst zurückblicke. Für meine Touren habe ich auf meinem E-Reader auch pdfs zur Kompassnavigation, Wetterbeurteilung und Navigation im Gelände liegen. Da gibt es ein paar ganz gute im Netz, z.B. vom THW. Auch die Kompassnavigation ohne GPS muss ich noch üben, da bin ich noch nicht so sicher, wie ich es gern wäre. Und manchmal macht es mir auch Spaß, mit diesen pdfs auf meinen Touren meine Kenntnisse zu erweitern. Auf dieser Tour wollte ich allerdings abends nur flache Krimis lesen. Auch wichtig 😊

                          21. August (Tag 11) Nördlich des Átnjatluoppal – Kamasjaure. Tiefpunkt.

                          Am nächsten Morgen kann ich das Zelt einigermaßen trocken einpacken. Die Nacht war trotz der Regenböen in Ordnung und ich habe gut geschlafen. Das Wetter sieht im Moment ganz stabil aus. Für heute Nachmittag gibt es wieder eine Regenwahrscheinlichkeit, aber nur für leichten Regen. Der Himmel ist vollständig bedeckt. Ich freue mich, dass ich heute Abend vielleicht schon in der Havgahytta verbringen kann! Kurz vor neun Uhr komme ich los.
                          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: Am nächsten Morgen.jpg Ansichten: 0 Größe: 5,32 MB ID: 3153144
                          Zeltabbau und fast fertig zum Start
                          Der Pfad ist zwar insgesamt noch nass, aber ich komme schnell voran. Er gefällt mir ausgesprochen gut und ist abwechslungsreich. Es gibt viel zu entdecken. Da ich einen Pfad habe, schaue ich wieder mehr auf den Boden und lasse meinen Blick rechts und links schweifen. Bei Sonne muss er wirklich sehr schön sein. Alle paar Meter sehe ich vielfältige Pilze stehen, auch ein paar schöne Steinpilze, die ich aber stehen lasse. Ich habe den Eindruck, es gibt dieses Jahr hier oben im Norden besonders viele Pilze. Kein Wunder, bei dem vielen Regen und der Wärme dieses Jahr. Gegen zehn Uhr erreiche ich schon den Suttesoaldojohka, auch ihn höre ich schon eine Weile vorher. Wie der Gámasjohka führt er viel Wasser, ist laut und strömt kräftig.

                          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: Augabe 2.jpg Ansichten: 0 Größe: 7,89 MB ID: 3153145
                          Suttesoaldojohka
                          Eine Stelle zum Furten finde ich nicht, aber ich habe irgendwie noch Hoffnung, weil der gut sichtbare Pfad weiter zum See führt. Es gibt sogar eine kleine Brücke über einen Seitenarm. Da MUSS doch noch was kommen, hoffe ich, aber tief in mir ahne ich es wohl schon…
                          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: kleine Brücke.jpg Ansichten: 0 Größe: 4,81 MB ID: 3153146
                          Kleine Brücke über einen Seitenarm
                          Schließlich komme ich an der Mündung an. Eine mögliche und sichere Furtstelle habe ich nicht gefunden, auch wenn ich zwei, drei Stellen erkennen konnte, an denen Leute vermutlich zu anderen Zeiten und Wasserständen diesen Fluß queren. Ich setze meinen Rucksack an einer Lagerstelle ab und blicke auf den See. An der Mündung ist es viel zu tief. Hier könnte ich höchstens schwimmen, denke ich nicht ernsthaft, und wünsche mir mein Packraft herbei. Aber es ist zu Hause. Ich könnte es auf meinen Wandertouren hier nicht mehr mitschleppen, da bewundere ich die anderen hier im Forum und verschlinge die Berichte mit den tollen Fotos.
                          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: Mündung See.jpg Ansichten: 0 Größe: 3,70 MB ID: 3153147
                          Mündung in den Altevatnet

                          Tja, was nun?! Über diesen Fluß komme ich nicht. Keine Chance. Heute kann ich die Situation einfach akzeptieren. Auch wenn ich mir anderes gewünscht hätte. Vermutlich war es mir unterbewußt schon klar, auch wenn ich mich noch nicht damit beschäftigen wollte...
                          Erst einmal Zeit für eines der immer kostbarer, weil weniger werdenden Motivationsbonbons. Zucker zum Denken... Ich studiere die Karte. Jetzt gilt es, überlegt eine Entscheidung über die weitere Tour zu treffen. Klar, ich könnte versuchen, mich weiter nach Norden zu arbeiten. Das Gelände sieht mit Sümpfen und dichtem Birkenwald eher schwierig aus. Vielleicht würde ich sogar auf die ATV-Spur treffen, wenn sie noch so existiert wie in der Karte markiert, aber ob ich auch auf ihr durch die vielen eingezeichneten kleinen Wasserflächen des Roggejávrrit und des Irggášjávri komme? Sie speisen ja den Suttesoaldojohka und das viele Wasser muss ja irgendwo herkommen... Abgesehen davon, dass ich gerade keine Lust auf schwieriges und nasses Gelände habe, wiegt es viel schwerer, dass ich es zeitlich überhaupt nicht einschätzen kann. Und Zeit spielt, zusammen mit meinem weniger werdenden Essensvorrat, zunehmend eine Rolle. Vermutlich müsste ich dann in Dividalen abbbrechen. Mir ist das alles zu unsicher.
                          So entscheide ich mich ziemlich schnell, dass es die beste und sicherste Entscheidung ist, zurückzugehen. Lust habe ich dazu keine.
                          Der Plan ist jetzt, den Pfad, den ich heute Morgen so froh gestimmt gelaufen bin, zurückzugehen und ihm heute weiter bis zur Windschutzhütte Karmasjaure folgen. Dort will ich dann in Ruhe „Kassensturz“ in Bezug auf meine noch verbleibenden Essensvorräte und Tage machen, aber auch darüber nachdenken, wie ich zu einem möglichen Ausstiegs- und Endpunkt komme. Einen „Plan B“ entwerfen. Ich glaube, das ist eine der wichtigsten Lernerfahrungen meines ersten Off-trails gehen: Neben Wetter und Gelände, die erhebliche und unerwartete Abänderungen des eigenen Plans nötig machen können, muss ich mich zu Hause noch intensiver vorbereiten und mögliche Alternativen schon dort durchdenken, recherchieren und vorbereiten, um sie dann schon in der Tasche zu haben.
                          Solche Gedanken begleiten mich nun, als ich den bereits gelaufenen Weg zurücklaufe. Es zieht sich. Manchmal nieselt es. Und ganz so toll wie heute Vormittag finde ich den Pfad nun auch nicht mehr. Einen Weg zurücklaufen zu müssen ist halt blöd.
                          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: Pfad 4.jpg Ansichten: 0 Größe: 4,29 MB ID: 3153148
                          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: Pfad 1.jpg Ansichten: 0 Größe: 5,44 MB ID: 3153149
                          Pfad
                          Endlich ist die Zeltstelle von letzter Nacht erreicht und schließlich auch der Darfaljohka! Interessanteweise führt er heute mehr Wasser als gestern, es hat ja auch die ganze Nacht geregnet. Heute muss ich aus den Stiefeln in meine Watschuhe wechseln, da mir das Wasser sonst von oben in die Stiefel hereinlaufen würde. Die Stiefel ausziehen muss ich aber inzwischen alle paar Stunden sowieso, da die Füße nach einigen Stunden Nässe beginnen, im Schuh zu schmatzen. Ich wringe dann die Strümpfe und Filzsohle aus und danach geht es wieder. Hätte ich noch welche, könnte ich dann auch trockene Strümpfe anziehen. Durch die ständige und kontinuierliche Nässe des Geländes findet inzwischen nach einiger Zeit auch etwas Wasser, meist wohl von oben, in meine Lundhags. Das ist aber kein Problem, sie kommen mir trotzdem für das ständige Gepatsche oft vor wie Gummistiefel.

                          Nachdem der Pfad den Rentierzaun kreuzt - es gibt einfach eine Lücke - scheint er wesentlich weniger begangen zu sein. Von nun an ist er auch nicht immer gut zu erkennen und ich muss gut schauen. Ein paar Mal, besonders im Birkenwald, verliere ich ihn. Irgendwann treffe ich aber meist wieder auf ihn. Und ich habe ja auch die Karte.
                          Es wird später und ich mag nicht mehr. Meine Stimmung ist auf dem Tiefpunkt. Ich will aber heute unbedingt Kamasjaure erreichen, auch wenn es spät werden wird. Nur dann kann ich besser einschätzen, wie mögliche Wege aussehen und am Beispiel von heute, abschätzen wieviel Zeit ich für diese brauche.
                          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: Blick zurück 1a.jpg Ansichten: 0 Größe: 2,56 MB ID: 3153150
                          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: Blick zurück 2.jpg Ansichten: 0 Größe: 2,01 MB ID: 3153151
                          Blick zurück, rechts der Unna Gámasjávrráš
                          Auch wenn ich eigentlich versuche, meine Gedanken beim Laufen noch zurückzustellen und meine Energie im Moment nur auf das heutige Ziel konzentrieren will, schweifen meine Gedanken doch manchmal ab. Was mache ich, wenn ich hier gar nicht mehr herauskomme? Zum Glück habe ich noch keine Rückfahrt gebucht, aber meine Vorräte bestimmen natürlich auch entscheidend, was möglich ist. Ich überlege, wie ich im worst case meiner Heimatbasis, einer Freundin, über das Garmin erklären kann, dass sie für mich vielleicht in Abisko einen Hubschrauber mieten soll... Auch das kommt für das nächste Mal auf die Erfahrungsliste, denke ich: Anbieter für potentielle worst case Ausstiegsmöglichkeiten vorher selbst zu recherchieren und auch meine Freundin auf eine solche Situation vorzubereiten, damit sie weiß, was ich will und sich nicht unnötig sorgt. Ich kann das erste Mal auf meinen Touren nachvollziehen - wenn auch in keinster Weise akzeptieren - wieso Leute den Notknopf drücken, nur weil es ihnen zu unangenehm im Vergleich zu ihrem bisherigen Erfahrungsraum wird und sie in ihrer subjektiven Wahrnehmung meinen, sich in einer „Not“situation zu befinden. Deshalb ist auch der klare Kopf so wichtig. Und es ist wichtig, schon innere Handlungsmuster und Erfahrung mit sich zu haben, denke ich. Deshalb habe ich meine Gedanken nun genug schweifen lassen, schaue mal wieder auf die Karte (stimmt noch alles) und verschiebe das Planen und meine Gedanken auf später, wenn ich in einer besseren Situation bin. Ich lenke mich mit einem weiteren Motivationsbonbon ab. Macht halt gerade überhaupt kein Spaß mein Urlaub, wird sich aber auch wieder ändern...
                          Für die beiden Bäche, die aus dem Gámasjávrráš und Silbajávri fliessen, muss ich jeweils Schuhe und Hose ausziehen. Nervig. Beide sind zwar nicht sehr breit, aber tief und besonders der Ausfluss des Silbajávri tost laut und kräftig. Ich bin froh, als ich ihn und die starke Strömung bewältigt habe. Kurz vor dem Ausfluss des Silbajávri in den Gámasjávri gibt es in einer Senke gute trockene und windgeschützte Zeltmöglichkeiten. Aber ich habe mir die Schutzhütte in den Kopf gesetzt, auch wenn ich schon lange nicht mehr mag. Die Landschaft muss hier bei anderem Wetter toll aussehen, denke ich.

                          Bald sehe ich die ersten Häuser der Samisiedlung, die aber - wie immer in diesen Situationen am Ende - nur langsam näherkommen. Gelände und Wetter werden nach der letzten Furt jetzt noch einmal so richtig unangenehm. Deshalb gibt es auch keine Fotos mehr. Flächen dichter Zwergbirke mit vollgesogenem Grund. Einen Pfad kann ich nicht mehr erkennen. Es gibt zwar Reste von ATV-Spuren, die von den ersten beiden Hütten am Stuora Gámasjávri kommen, aber sie gehen nach Norden. Ich weiß nicht, ob sie nur dieses Gelände umgehen oder ob sie auf den Giehpanvárri führen und will in der beginnenden Dämmerung nichts mehr riskieren. Also weiter stumpf geradeaus, nach Osten kämpfen.
                          Jetzt wird es plötzlich zunehmend nebelig, vielleicht befinde ich mich auch in einer größeren tiefhängenden Wolke. Der Nebel zieht auf mich zu und die Hütten, die ich eben noch im Osten auf einer Anhöhe aufgereiht sehen konnte, verschwinden nach und nach immer mehr im Nebel. Nieseln tut es auch wieder. Mist. Auf der Karte ist nicht ganz ersichtlich, wo sich die Schutzhütte Kamasjaure nun genau befindet, aber ich nehme an, dass sie sich sicherlich nicht in, sondern eher am Rande der Siedlung, also mehr nördlich auf dem eingezeichneten Wanderweg befindet. Diese Überlegung stellt sich als richtig heraus. Ich quere ein letztes Bächlein und gehe steil eine Kante hoch. Jetzt habe ich die Siedlung erreicht.
                          Ich meine, ich hätte vorhin weiter nördlich eine Hütte gesehen, die der Form nach eher nach einer Windschutzhütte aussah. Inzwischen bin ich mitten im Nebel und die Sicht reicht nicht weit, aber ich finde die Schutzhütte. ENDLICH. Auch diese Siedlung ist leer, ich sehe kein Lebenszeichen. Mir ist das aber ganz recht. Kurz nach 21:00 Uhr erreiche ich erschöpft die Hütte. Ich bin superfroh und erleichtert. Gut gemacht! Zum Glück gibt es im Schuppen kein Holz. So komme ich gar nicht erst in Versuchung, vielleicht doch ein oder zwei Scheite zu nutzen, um trocken zu werden. Natürlich hätte ich das nicht getan, da es mir gerade zwar unangenehm klamm ist, aber es ist ganz bestimmt kein Notfall. Aus meinen Wintertouren weiß ich, wie wichtig Holz hier für den Notfall im Winter sein kann, auch wenn ich einen solchen zum Glück noch nicht hatte. Trotzdem – heute wäre es mir schwergefallen, Holz in einem gut gefüllten Holzschuppen anzustarren.
                          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: Schutzhütte.jpg Ansichten: 0 Größe: 2,41 MB ID: 3153152
                          Kamasjaure, wieder in Schweden
                          Ich finde jedoch eine noch fast volle Primus Gaskartusche mit Wintergas. Normalerweise ärgere ich mich, wenn Leute ihren Müll nicht mitnehmen und in Schutzhütten tausend angefangene Kartuschen mit Alibi-Gasresten herumstehen. Diese ist jedoch fast ganz voll und ich nutze sie ausgiebig. Ich versuche sogar mit ihr – eher erfolglos – die Schutzhütte ein wenig zu heizen. Es tut SO gut, sich auszubreiten, mal wieder aufrecht stehen zu können und heiße Schokolade zu trinken. Inzwischen prasselt auch der Regen auf das Blechdach der Hütte. Ich muss noch einmal raus, Wasser holen. Das verbinde ich mit einem Gang auf das Plumpsklo. Auch mal wieder ganz nett.
                          Geschafft, im doppelten Sinne, denke ich glücklich, als ich in der Schutzhütte meinen heutigen Tag rekapituliere. Und morgen früh sehen wir weiter.
                          Zuletzt geändert von zilka; 04.10.2022, 21:20.

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                          • vobo

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                            #33
                            Oha, das ist ja bitter. Kann ich total nachvollziehen - irgendwann ist Schluss mit diesem Durchwühl- oder Noch-ein-Stück-weiter Versuchen. Offensichtlich war es vielfach wirklch sehr wasserreich dieses Jahr, da habe ich wohl viel Glück gehabt.
                            Andererseits ist es ein Schicksal der geringen Höhen: Oberhalb der Bäume ist die Sicht (abgesehen von den Wolken) viel besser und die Bäche führen lange nicht so viel Wasser. Nachdem ich vorhin auf die Karte (und in Bernds Bericht) gesehen habe, hätte ich wohl versucht, in Richtung des Grenzberges Cuovzavárri nach Norden zu gehen - und auf die dortige ATV-Strecke zu hoffen, oder halt ganz in größere Höhen dort aufzusteigen. Aber klar, wenn die Flüsse so viel mehr Wasser führen als bei ihm, wird halt alles unsicher.
                            Hinterher ist gut reden und Vorbereitung ist das halbe Wanderleben wie Du auch gesagt hast. Danke für die ehrliche Schilderung.

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                            • Fjellfex
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                              • 02.09.2016
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                              #34
                              Ich fiebere hier ja derart mit...
                              Wir alle hier im Forum (mich selbst natürlich ausdrücklich eingeschlossen) haben in der Wildnis unser "Lehrgeld" zahlen müssen.
                              Jeder hat sein persönliches Level an "Herausforderung", das er/sie bereit ist zu akzeptieren. Bei mir ist das (auch wegen meiner Erfahrungen) extrem niedrig. Furten wie Abfluss Leinavatn sind für mich tabu, oder dieser heikle Steilhang mit Schneefeld, den Sportsfreund vobo zuletzt in seinem Bericht beschrieben hat. Wenn andere sich dies zutrauen - ok.
                              Fester Bestandteil meiner Tourenrecherche in solchem Gelände: ich schaue mir in der ganzen Gegend alle Flüsse in Luftaufnahme an (auch für "Alternativrouten") und markiere mir die Stellen auf der Karte, wo man wohl am besten rüber kommt.
                              Überdies: du erwähnst ja selbst dein packraft. Auf meinen letzten Touren hatte ich eines dabei - das sind 2kg extra, die sämtliche Sorgen mit Blick auf Furten in nichts auflösen. Nicht jedem sind 2kg extra sowas wert. Auch dies eine persönliche Abwägung, die man so oder so fällen kann.
                              Zuletzt geändert von Fjellfex; 12.09.2022, 13:47.

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                              • zilka

                                Erfahren
                                • 29.06.2017
                                • 418
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                                #35
                                Zitat von vobo Beitrag anzeigen
                                Nachdem ich vorhin auf die Karte (und in Bernds Bericht) gesehen habe, hätte ich wohl versucht, in Richtung des Grenzberges Cuovzavárri nach Norden zu gehen - und auf die dortige ATV-Strecke zu hoffen, oder halt ganz in größere Höhen dort aufzusteigen
                                Das wäre sicher gegangen, vobo, und war auch kurz meine Überlegung. Aber auch für die Höhe wäre ich erst bis zum Juovvarri und Noracohkka zurücklaufen. Vielleicht habe ich mir die Entscheidung sogar noch bis dahin offen gelassen, jetzt, wo Du es erwähnst, ich kann mich nicht mehr genau erinnern...
                                Ausschlaggebend war dann aber, dass mir mental und wettermäßig einfach nicht mehr nach weiteren Experimenten zu Mute war. Ich hatte auch das Gefühl, nicht mehr genug Zeit für diese zu haben, da ich so schlecht einschätzen konnte, wie es sich entwickeln würde. Und: Ich wollte ja eigentlich mal nach Kilpisjärvi, meine Freundinnen treffen. Und dies hätte vermutlich bedeutet, in Dividalen zu enden...

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                                • zilka

                                  Erfahren
                                  • 29.06.2017
                                  • 418
                                  • Privat

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                                  #36
                                  Zitat von Fjellfex Beitrag anzeigen
                                  Wir alle hier im Forum (mich selbst natürlich ausdrücklich eingeschlossen) haben in der Wildnis unser "Lehrgeld" zahlen müssen
                                  Ich kann mich immer noch gut daran erinnern, wie ich auf meiner allerersten Tour im Jotunheimen vor zig Jahren einiges Grundsätzliches gelernt habe. So haben wir damals bspw. selbstüberzeugt gedacht "Handschuhe? Ich fahre da doch im Sommer hin, da nehme ich doch keine Handschuhe mit, selbst wenn es da steht!". Na ja, ihr könnt es Euch sicher denken, wir sind dann mit Socken über den Händen gelaufen, weil der Wind so kalt war...
                                  Das ist mir aber auch nicht wieder passiert, gerade auf dieser ersten Tour habe ich vieles für die weiteren Touren gelernt, da war die Lernkurve extrem steil.

                                  Dieses Mal - bei dieser für mich ersten, richtigen Tour ohne Wanderweg - war es wieder ein wenig wie damals... Ich habe viel, auch ganz Grundsätzliches, über diese Art des Wanderns und mich gelernt 😊. Vielleicht ist das auch schon das Fazit: Ich hätte nicht gedacht, dass Wegloswandern so anders ist. Positiv, wie negativ. Und nun bin ich infiziert...

                                  Mir fällt gerade wieder ein, dass ich auch im Sarek vorher schon einmal für eine Woche gewesen bin. Da bin ich aber jedem Tag mindestens einer Person begegnet und habe mich an die Pfade und typischen Wege gehalten. Und vor allem hat da das Wetter mitgespielt. Mit der diesjährigen Tour war meine Sarekerfahrung nicht zu vergleichen 😁, deshalb stimmt es irgendwie schon mit dem "ersten Mal"...
                                  Zuletzt geändert von zilka; 04.10.2022, 21:24.

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                                  • Fjaellraev
                                    Freak
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                                    • 21.12.2003
                                    • 13981
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                                    #37
                                    Uiuiui was für eine Aktion an "meinem" Pfad.
                                    Der Weg dahin war ja schon nicht ohne und viele deiner Gedanken und Schilderungen kommen mir nur zu bekannt vor.
                                    Fehlnavigation ist wohl jedem von uns schonmal passiert, mal merkt man es früher, mal später. Mein "längster Fehler" fand sogar auf einem markierten Weg statt Einfach in die falsche Richtung gelaufen, mich über ein paar Details gewundert (ich kannte den Weg eigentlich) aber der See war auf der richtigen Seite (nur der falsche See) und es war recht neblig...
                                    Auch wenn es vielleicht ein schwacher Trost ist: Sei froh dass du nicht über den Suttesoaldojohka gekommen bist. Ich wollte da 2015 - als ich von Kamasjaure kam - eigentlich auch drüber und habe bei deutlich tieferen Wasserständen Abstand davon genommen und den Abstecher nach Politiodden bleiben lassen und bin dann an diesem Ufer flussaufwärts.
                                    Dort wo die Fahrspur den Bach/Fluss auf der Karte weiter oben quert ist eine Querung wohl auch nicht einfacher, ich habe es damals aber nicht mehr weiter angeschaut. Erstaunt war ich dann wie locker es am Irggasjohka ging - wenn ich dann aber wieder daran denke dass du an Bächen durch die ich in den Lundhags einfach durchgewatschelt bin Schuhe und Hosen ausziehen musstest, wage ich keine Prognose wie diese und ein paar weiter Watstellen gewesen wären.
                                    Falls du noch ein paar Bilder möchtest was dich auf der Strecke noch so erwartet hätte.
                                    Jetzt bin ich natürlich auf den weiteren Verlauf deiner Tour auf (für mich) altbekannten Pfaden gespannt.

                                    Gruss
                                    Henning

                                    Es gibt kein schlechtes Wetter,
                                    nur unpassende Kleidung.

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                                    • zilka

                                      Erfahren
                                      • 29.06.2017
                                      • 418
                                      • Privat

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                                      #38
                                      Henning, Du stellst ja bereits 2015 Dein Akto zur Pause auf 😁... grins...

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                                      • Fjaellraev
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                                        Liebt das Forum
                                        • 21.12.2003
                                        • 13981
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                                        #39
                                        Zitat von zilka Beitrag anzeigen
                                        Henning, Du stellst ja bereits 2015 Dein Akto zur Pause auf 😁... grins...
                                        Damit habe ich schon ein paar Jahre vorher angefangen (Kein Bild davon, nur im Text erwähnt).
                                        2015 war es bitter nötig, garstiges Wetter und irgendwie total müde so dass ich noch ein wenig Schlaf (oder zumindest dösen) gebraucht habe. - An dem Abend ist das Essen dann auch etwas spartanisch ausgefallen, weil ich nicht mehr raus wollte um Wasser zu holen (Auch das kenne ich nur zu gut...).

                                        Gruss
                                        Henning


                                        Es gibt kein schlechtes Wetter,
                                        nur unpassende Kleidung.

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                                        • zilka

                                          Erfahren
                                          • 29.06.2017
                                          • 418
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                                          #40
                                          22. August (Tag 12) Kamasjaure - Ittečuolbma. Plan B und es geht wieder aufwärts

                                          Es geht wieder aufwärts. Die letzte Nacht in der Schutzhütte hat mir gutgetan. Heute Morgen lasse ich mir Zeit. Ich koche mit dem Wintergas aus der Hütte einen Kaffee nach dem anderen und überlege in Ruhe, wie ich jetzt weiter vorgehe. Eine Entscheidung ist schon gefallen: Mir ist klar, dass ich für den Rest der Tour lieber einem markierten Weg folgen möchte. Hier kann ich besser einschätzen, wieviel Strecke ich schaffe und so Zeit und Essen einfacher im Blick behalten. Durch den ungeplanten Umweg und den nun neuen Plan wird das wichtiger für mich.
                                          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: Kamasjaure.jpg Ansichten: 0 Größe: 2,45 MB ID: 3153630
                                          Kamasjaure
                                          Ich studiere eingehend meine Karten für einen "Plan B". Von Kamasjaure aus nach Süden ist der Torneträsk im Weg. Nach Osten findet sich in Järämä ein Parkplatz mit einer Straße, von der ich nicht sehen kann, wo sie weiter geht, da meine Karte dort endet. Das ließe sich vielleicht sogar herausfinden, möglicherweise habe ich hier in Kamasjaure ja Empfang, aber so verzweifelt bin ich nicht. Das Handy bleibt also im Rucksack vergraben. Da ich diese Touren hier oben auch mache, um mich mal zwei Wochen vom Handy zu befreien, hole ich es während der Tour eigentlich nicht heraus. Auch wenn ich es könnte. Jetzt benötige ich es nicht, denn ein wenig weiter Wandern will ich schon noch. Also nach Norden. Das könnte gehen. Ich könnte dem in der Karte eingezeichneten Wanderweg bis nach Kilpisjärvi folgen und würde dann dort sogar wie geplant, nur vermutlich etwas später ankommen. Der Wegweiser vor der Schutzhütte zeigt an, dass es bis zur Hurvejakka 50 km und bis Keinovuopio 65 km sind. Dies sind die beiden einzigen Orte auf dem Wegweiser, die auch Wandersymbole haben, alle anderen Orte haben nur Ski- oder Schneescootersymbole.
                                          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: Kamajaure 2.JPG Ansichten: 0 Größe: 2,16 MB ID: 3153631
                                          Wegweiser vor der Hütte
                                          Der Weg nach Norden läuft auf der Karte an vielen Stellen gleich mit dem Skiweg, sehr begangen im Sommer erscheint er mir allerdings nicht zu sein. Das werde ich heute feststellen. Hauptsache, es gibt die eingezeichneten Brücken noch, ich habe erst einmal genug von schwierigen Furten. Zu diesem Zeitpunkt weiß ich noch nicht, dass es hier im Forum schon die eingangs erwähnten zwei Tourenberichte von dingsbums und fjellräv zu diesem Weg gibt und wie gut er mir später gefallen wird. Es wird allerdings noch einen weiteren Tag dauern, bis die unterschwellige leichte Verunsicherung verschwunden ist (Motto: Man kann sich eben auch verlaufen, wenn man genau weiß, wo man sich befindet... eine ganz neue Erfahung), d.h. bis mein Grundvertrauen in mich und meine Tour zurückgekehrt ist und ich mich wieder im Urlaub befinde.

                                          Mit einem zweiten Kaffee in der Hand überprüfe ich meine zum Trocknen aufgehängten Sachen (viel hat die Nacht nicht gebracht, sie sind immer noch feucht) und meine Essensvorräte. Ich leere die beiden Essenssäcke aus. Ich habe noch zwei Real Turmat und zwei Knorr-Spaghetteria, noch eine ganze und eine fast ganze Packung Kartoffelbrei (für je 0,5 l Wasser) und fünfmal Unox Heisse Tasse. Die mische ich mir immer für Geschmack unter den Kartoffelbrei oder nehme sie mir für die Mittagspause mit. Diesmal haben mir mittags jedoch meine Frucht- und Müsliriegel und Brot (Polar- und Knäckebrot) ausgereicht. Bis auf den ersten Tag hatte ich kein Bedürfnis, mittags den Kocher anzuwerfen, dazu war das Wetter nicht einladend genug. Ich habe meist viele und kurze Pausen gemacht. Fruchtriegel habe ich jetzt noch vier. Da gibt es halt ab nun nur noch einen oder einen halben Riegel pro Tag. Mittags habe ich meist eh keinen großen Hunger.
                                          Mein Abendessen könnte ich zur Not auch mit Pilzen strecken, überlege ich. Pilze kenne ich gut. Hier oben muss man die - anders als in Deutschland - auch gar nicht „suchen“, sondern eher „pflücken“. Birkenpilze gibt es auch in der Zwergstrauchheide des Fjells. Ich habe zwar kein Öl dabei, aber die Käse-Sahne-Soße der Spaghetteria-Packungen hat genug Fett, die könnte ich sicher gut mit Pilzen strecken. Auch aus der "Heißen Tasse Waldpilz" könnte ich mit Pilzen eine reichhaltige Pilzsoße für den Kartoffelbrei machen.
                                          Einzig allein für das Frühstück muss ich ggf. etwas kreativ werden. Da gibt es nur noch zweimal Porridge und ein Viertel trockenes Knäckebrot. Beim Kramen in meinem Getränkebeutel finde ich jedoch noch zwei Packungen eines Hafersmothies (Oatsome Käpt’n Blaubeer Smothie Bowl), die ich ganz vergessen habe, da ich sie noch nicht ausprobiert habe. Ich habe sie mir im Supermarkt der aufgehitzten Stadt mit der Vision mitgenommen, sie unterwegs mit eiskaltem Flusswasser zu genießen. Bisher war es mir dafür jedoch zu kalt. Den Hafersmothie könnte man bestimmt auch mit heißem Wasser machen, denke ich. Immerhin, Hafer und fast 200 Kalorien, das hält vor und geht bestimmt gut als Frühstück. Blau- oder Moltebeeren finden sich sicher auch weiterhin. Den Kartoffelbrei könnte ich zur Not auch zum Frühstück essen. Das habe ich schon einmal am Ende einer vergangenen Tour gemacht. Geht auch.
                                          Wenn es hart auf hart käme, überlege ich weiter, könnte ich auch vom Real Turmat etwas für den nächsten Morgen aufheben. Meist bin ich nach 2/3 satt, esse aber gern noch weiter. Auch die Knorr-Spaghetteria haben ja jeweils zwei Portionen, da könnte ich aus beiden auch insgesamt drei Abendessen machen.
                                          Meine zweite Gaskartusche habe ich bisher noch gar nicht anfangen müssen, ich denke, das wird vermutlich morgen oder übermorgen so weit sein. Gas wird also kein Problem sein.
                                          Auch Kaffee und Tee sind noch reichhaltig da. Da nehme ich immer viele unterschiedliche Teebeutel mit, weil ich auf so einer Tour jede Auswahlmöglichkeit bei der Versorgung als „Luxus“ empfinde. Teebeutel und auch die Instant Kaffee Sticks (Jacobs Krönung) wiegen ja nicht viel. Brausetabletten habe ich auch noch. Die nehme ich nicht wegen der Vitamine mit, sondern um zwischendurch mal „Orangen-Brause“ trinken zu können. Auch dafür war es mir bisher zu kalt. Vitaminmangel werde ich also nicht bekommen
                                          😁. Ich finde sogar noch zwei Heiße Schokoladen und einen Heißen Holunder, also noch „comfort drinks“ für drei Abende. Die werden von nun an nur noch ganz überlegt eingesetzt, entscheide ich.
                                          Ich finde, das sieht doch alles ganz gut aus! Sorgen muss ich mir noch keine machen, entscheide ich, nur meine Essensvorräte etwas im Auge behalten. Ich hoffe, dass ich am Ende des heutigen Tages besser einschätzen kann, in welchem Zustand der Wanderweg und die Brücken sind und wieviel Kilometer ich so schaffe. Dann kann ich auch meine Essensvorräte für den Rest der Tour weiter einteilen.
                                          Optimistischer als gestern verlasse ich um 8:30 Uhr die Hütte und mache mich auf den Weg. Dazu trägt auch das Wetter bei, es regnet mal nicht und es ist windig. Steil geht es von der Hütte zu dem kleinen Bach herunter, den ich gestern schon überquert habe. Ich muss aufpassen, dass ich nicht ausrutsche. Hier an der Hütte, gibt es eine kleine Brücke, allerdings ist sie nur durch gekonntes Pfützenspringen zu erreichen. Der Beginn des Wanderweges ist nicht sehr motivierend. Insgesamt ist er an vielen Stellen ziemlich mit Wasser vollgelaufen, aber ich komme voran.
                                          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: Morgens 1.jpg Ansichten: 0 Größe: 3,25 MB ID: 3153632
                                          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: Morgens 2.jpg Ansichten: 45 Größe: 2,25 MB ID: 3153836
                                          Nicht sehr motivierend...
                                          Ich bin froh, dass der Himmel nicht mehr so grau, trüb und ganz „zu“ ist, sondern dass sich ab und zu lichte Stellen zeigen. Manchmal blitzt sogar die Sonne durch. Dass der Himmel in Bewegung ist, tut auch meiner Stimmung gut. Und ich kann viel weiter in die Landschaft schauen, als gestern.

                                          Bald schon sehe ich links den Giehpanjávri und davor die kleine Siedlung, die in der Karte eingezeichnet ist.
                                          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: Vormittag 3.jpg Ansichten: 0 Größe: 2,53 MB ID: 3153633
                                          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: Vormittag 2.jpg Ansichten: 0 Größe: 2,31 MB ID: 3153634Giehpanjávri
                                          Nach dem nächsten Hügel werden sich der Ski- und der Wanderweg trennen, aber noch ist es noch nicht so weit.
                                          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: Vormittag 5.jpg Ansichten: 0 Größe: 3,09 MB ID: 3153636
                                          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: Vormittag 6.jpg Ansichten: 0 Größe: 2,59 MB ID: 3153637In der Ferne bemerke ich zwischen den Skimarkierungen einen seltsamen Punkt. Irgendetwas reflektiert dort.
                                          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: Vormittag 7.jpg Ansichten: 0 Größe: 3,60 MB ID: 3153638
                                          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: Vormittag 8.jpg Ansichten: 0 Größe: 3,29 MB ID: 3153639Der seltsame Punkt in der Ferne...
                                          Als ich näherkomme, sehe ich, dass es ein Warnschild ist. Leider sind die versprochenen „Anweisungen für Besuch des Raketengebietes“ nur noch ein vom Regen aufgeweichter und völlig unlesbarer Papierklumpen. Ich muss mit meinen Gedanken bis zum nächsten Schild warten. Erst dann bekomme ich eine Ahnung, worum es hier geht („Aha, Raumfahrt, nicht Kriegsübungen“).
                                          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: Schild 1.jpg Ansichten: 0 Größe: 2,02 MB ID: 3153640Von der Esrange (European Space and Sounding Rocket Range) habe ich nämlich bisher noch nichts gehört. Die Erklärung am nächsten Schild hilft meinen Gedanken jedoch nicht viel weiter. Tatsächlich, das „Raketskjutfält zon B“ ist auch in meiner Karte eingezeichnet, es ist mir nur nie aufgefallen... Die angeblich auch eingetragenen Schutzbunker finde ich auf meiner Karte nicht. Hmmm… Ich würde ja zu gern wissen, um welche Daten es sich aktuell handelt, aber irgendwie sehe ich gerade auch keine andere Möglichkeit, als einfach weiterzugehen. Und wenn halt etwas gestartet wird, dann muss es ja auch nicht ausgerechnet mir auf den Kopf fallen, Platz gibt es ja hier genug. Bestimmt ist es heute auch zu windig.
                                          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: Info 1.jpg Ansichten: 0 Größe: 2,47 MB ID: 3153641Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: Info 2.jpg Ansichten: 0 Größe: 5,07 MB ID: 3153642
                                          Anweisungen Raketengebiet
                                          Die Warnschilder werden mich von nun an eine ganze Weile begleiten und zu Beginn gilt mein ganzes Mitgefühl Obelix, der ständig Angst hat, dass ihm der Himmel auf den Kopf fällt. Nach einiger Zeit kratzt es mich jedoch nicht mehr, dennoch würde ich gern mehr wissen. Erst im Hotel in Kilpisjärvi werde ich auf der Webseite der SSC (Swedisch Space Corporation) die aktuellen Informationen und Daten zu den eingetragenen Zonen finden. So herrscht aktuell („1st June 2022 until 30th November 2022“) ein absolutes Betretungsverbot für Zone A. Die Zone B war aber kein Problem. Würde ich hier nocheinmal wandern, würde ich mir trotzdem vorher die Webseite mal anschauen.

                                          Nach dem für mich ersten und beeindruckenden Warnschild, sehe ich die Renvaktarstuga, vor der sich beide Wege teilen. Der Wanderweg läuft in der Karte auf die Hütte zu und es finden sich hier auch Markierungen. Diese sind zum Teil älter, d.h. sie sind überwachsen und nicht immer gleich zu sehen oder zusammengestürzt. Aber es gibt sie. Kurz vor der Brücke lassen sich mich allerdings einfach vor einem Weidenfeld stehen.
                                          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 1. Brücke.jpg Ansichten: 0 Größe: 4,27 MB ID: 3153643Na, super... Ich kämpfe mich durch Weiden und Wasser und erreiche schließlich die Brücke. Auch wenn ich froh bin, dass ich auf ihr über das tiefe Wasser queren kann, sieht es auf der anderen Seite nicht besser aus. Weidengesocks und Näße und das noch eine ganze Weile. Na, das kann ja etwas werden, wenn die Brücken alle so aussehen, denke ich… Dann wird das Ganze doch noch etwas abenteuerlicher und wird - je nach Zustand des Weges - wohl doch noch länger dauern…
                                          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 1. Brücke a.jpg Ansichten: 0 Größe: 4,25 MB ID: 3153644
                                          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 1. Brücke b.jpg Ansichten: 0 Größe: 3,59 MB ID: 3153645
                                          Die erste Brücke
                                          Für den Aufstieg auf der anderen Seite durch die Weidenflächen brauche ich eine ganze Weile, er ist wirklich unangenehm. Schließlich bin ich wieder hoch genug und auf trockenerem Boden. Wanderzeichen finde ich erst auf der Höhe direkt am Berg wieder. Hier, am Berg Sinot, finden sich sogar neben dem See ein paar alte Bohlen (Zu dieser Brücke lohnt es sich übrigens, die Berichte von fjellräv und dinsgbums zu lesen, die ich aber zu diesem Zeitpunkt nicht kenne, sie umgehen die Brücke mit einer Watstelle).
                                          Der folgende Abschnitt am Berg ist gut zu laufen. Mir sitzt allerdings das Wetter etwas im Rücken und ich hoffe, dass es mich nicht einholt, da es näher kommt.
                                          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: Mittag 1.jpg Ansichten: 0 Größe: 2,89 MB ID: 3153646
                                          Blick zurück, Regen und Gewitter im Rücken
                                          Es fängt an zu nieseln und grummelt schon. Oder sind es doch Raketen? Nein, jetzt ist es nordöstlich von mir eindeutig Donner, der leider stärker wird. Ich sehe sogar ein paar Blitze. Das gefällt mir überhaupt nicht, da ich mich für mein Gefühl für Gewitter zu hoch und ungeschützt befinde. Ich lege ein paar Schritte zu.
                                          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: Mittag 2.jpg Ansichten: 0 Größe: 1,86 MB ID: 3153647
                                          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: Mittag 4.jpg Ansichten: 0 Größe: 2,37 MB ID: 3153649
                                          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: Mittag 3.jpg Ansichten: 45 Größe: 2,59 MB ID: 3153837
                                          Gewitter
                                          Da ist schon der in der Karte eingezeichnete Rentierzaun. Gut! Von hier aus geht es wieder abwärts. Inzwischen ist auch das Gewitter weitergezogen und es regnet nicht mehr. Der Wind bläst in eine für mich günstige Richtung und ich bin froh über ihn, auch wenn ich wieder mit Mütze und Daunenjacke laufe.
                                          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 1. Zaun a.jpg Ansichten: 0 Größe: 3,74 MB ID: 3153650
                                          Durchgang Rentierzaun
                                          Der kommende Ausblick auf das vorausliegende Tal des Gorvvejohka ist phänomenal! Als ich den Gorvvejohka sehen kann, bekomme ich zunächst einen kurzen Schreck, ich sehe nämlich keine Brücke und mein Vertrauen in diesen Weg ist nach der letzten Brücke etwas gesunken. Puhhh… DA ist sie! Wie auf der Karte eingezeichnet befindet sich weiter westlich, anders, als ich es erwartet habe. Und GUT sieht sie aus! Ein Hoch auf die die schwedischen Brücken!
                                          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 2. Brücke a.jpg Ansichten: 0 Größe: 3,08 MB ID: 3153651
                                          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 2. Brücke c.jpg Ansichten: 0 Größe: 3,39 MB ID: 3153652
                                          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 2. Brücke.jpg Ansichten: 0 Größe: 3,27 MB ID: 3153653
                                          Gorvvejohka mit Brücke

                                          Als ich beim Abstieg diesmal noch ab und zu Holzbohlen finde, die mich zur Brücke führen, ist mein Vertrauen in den Weg hergestellt.
                                          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 2. Brücke d.jpg Ansichten: 48 Größe: 4,92 MB ID: 3153838
                                          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: 2. Brücke e.jpg Ansichten: 46 Größe: 4,17 MB ID: 3153839
                                          Der Weg geht angenehm weiter. Immer wieder begleiten mich Rentiere.
                                          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: Nachmittag 1.jpg Ansichten: 0 Größe: 4,31 MB ID: 3153656
                                          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: Nachmittag 4.jpg Ansichten: 0 Größe: 3,52 MB ID: 3153661Blick nach vorn und Blick zurück
                                          Die Landschaft und das Licht sind toll. Ich mag diese Lichtspiele.
                                          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: Nachmittag 2.jpg Ansichten: 46 Größe: 3,47 MB ID: 3153840
                                          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: Nachmittag 3.jpg Ansichten: 46 Größe: 3,24 MB ID: 3153841
                                          Bald schon kommt die nächste kleine Brücke. Ich bin froh über die schwedischen Brücken, sie geben mir Sicherheit. Benötigen tue ich die meisten aber nicht wirklich. Aber angenehm sind sie, ausziehen muss ich heute nichts.
                                          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: Nachmittag 5.jpg Ansichten: 0 Größe: 4,44 MB ID: 3153659
                                          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: Nachmittag 6.jpg Ansichten: 0 Größe: 4,12 MB ID: 3153660
                                          Als nächstes kommt die kleine Siedlung am Sastenjunni mit dem Rengärde in den Blick. Auch hier kein Mensch, nur einige Rentiere. Ich folge den ATV-Spuren und gehe so rechts am Rengärde vorbei, bis ich wieder auf den Weg stoße.
                                          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: Rengärde 2.jpg Ansichten: 0 Größe: 3,11 MB ID: 3153662
                                          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: Rengärde 3a.jpg Ansichten: 0 Größe: 3,18 MB ID: 3153663
                                          Das gelbe Gras im Rengärde sieht jetzt mit dem Spätnachmittagslicht wunderschön aus.
                                          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: Rengärde 4.jpg Ansichten: 0 Größe: 3,91 MB ID: 3153664

                                          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: Rengärde 5.jpg Ansichten: 0 Größe: 3,95 MB ID: 3153665
                                          Rengärde in tollem Licht
                                          Kurz vor der dritten Brücke des Ittečuolbmas mache ich Schluß für heute. Das sieht doch nach einer superschönen Zeltstelle aus!
                                          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: Zelt am Abend.jpg Ansichten: 0 Größe: 3,64 MB ID: 3153666
                                          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: Fußpflege.jpg Ansichten: 0 Größe: 2,18 MB ID: 3153670Waschfrauenfüsse
                                          Wenn der Wind nicht so kalt und stark wäre, könnte man hier sicher gut baden, denn der ganze Boden des Sees ist sandig. Aber mir reicht Katzenwäsche. Und Fußpflege meiner aufgeweichten Füße. Überhaupt ist die Landschaft hier interessant, finde ich. Ab und zu gibt es nun in der Nähe des Wassers, das später zum Ittejohka wird, kleine Sandhügel zu sehen.
                                          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: Zelt am Abend 1.jpg Ansichten: 0 Größe: 3,61 MB ID: 3153671

                                          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: Zelt am Abend 2.jpg Ansichten: 0 Größe: 3,37 MB ID: 3153667Heute Abend gibt es Kartoffelbrei mit Tomatengeschmack. So kann ich mir die Real Turmat noch für Momente aufheben, in denen ich es „einfacher“ und ohne Abwasch brauche. Die Hose, die vor dem Zelt im Wind flattert und die Strümpfe lasse ich noch etwas länger draußen hängen. Sie sind schon fast ganz trocken! Meine Hoffnung auf einen dramatischen Sonnenuntergang mit Wolken wird nicht erfüllt, aber ich bin völlig zufrieden damit, dass es nicht regnet. Jetzt nocheinmal schnell raus zum Zähneputzen und Wäschehereinholen. Der Wind ist jetzt eiskalt und pfeift ordentlich, aber mein kleines Zelt steht wacker. Erstaunlich, was so ein Zelt auch in Bezug auf Wärme ausmacht, denke ich als ich mich schnell wieder in das Zelt und den flauschigen Quilt verkrieche.
                                          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: Abend.jpg Ansichten: 0 Größe: 2,78 MB ID: 3153668
                                          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: Abend 1.jpg Ansichten: 0 Größe: 2,59 MB ID: 3153669
                                          Zuletzt geändert von zilka; 04.10.2022, 21:58.

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