Tourentyp | |
Lat | |
Lon | |
Mitreisende | |
14.8.2018
Prolog: Irgendwo in Süddeutschland - Frankfurt am Main - Reykjavík
Es ist Mittwochvormittag, nachdem ich in der Nacht zuvor meinen Rucksack gepackt habe, erledige ich etwas unausgeschlafen im Büro noch einigen Schriftkram. Dann möchte ich meiner Selbstständigkeit für die knapp drei Wochen weitmöglichst den Rücken zukehren. Netter Versuch, vermutlich. Auf dem Weg zum Flughafen fahre ich noch kurzfristig bei einem Kunden vorbei und nehme einen Server in Betrieb. Hoffentlich fällt mir das die nächsten Wochen nicht auf die Füße. Die üblichen Loslassensängste eben, obwohl soweit alles organisiert ist.
Nach einer überraschend staulosen Fahrt nach Frankfurt verräume ich mein Auto bei einem Parkplatzanbieter, steige in meine Wanderschuhe und lasse mich an den Flughafen kutschieren. Da ich den eingeplanten Puffer für Staus oder sonstige Eventualitäten nicht nutzen musste, bin ich ziemlich früh da. Ich nutze die Zeit sinnvoll und verlaufe mich erst einmal auf dem Weg zum Bus nach Terminal 2, obwohl ich schon einige Mal hier abgeflogen bin. Kann man mal machen. Während ich dann etwas verloren an der endlich richtigen Busshaltestelle stehe, leide ich kurz am Herdplattensyndrom und bin der festen Überzeugung, eine Scheibe im geparkten Auto nicht geschlossen zu haben. Dann sitze ich im Terminal und brücke die Zeit mit Leute-gucken, Zunge-am-heißen-Kaffee-verbrennen und Rucksack-in-Folie-packen. Letzteres leider umsonst. Nach der Landung in Keflavík teilt mir ein Zettel der Flugsicherung aus Frankfurt im ausgepackten Rucksack schriftlich mit, dass Lithium im Gepäck unerwünscht ist. Die Powerbank ist weg. Eigentlich weiß ich das, ich hatte es tatsächlich schlicht vergessen. Immerhin ist der Rucksack mitsamt dem restlichen Inhalt noch heile und vor allem vollständig.
Bei der Landung in Keflavík war von Island nichts zu sehen, die Insel liegt in Wolken und Nebel. Es ist Abend, die Lavafelder auf der Fahrt in die Hauptstadt verschwinden in der Dunkelheit. Überhaupt lassen in dem Moment die viele Baustellen entlang der Straße die Umgebung sehr trostlos auf mich wirken. Meiner Ansicht nach hat Island die Route über die 41 Richtung Reykjavík noch nie wirklich geschmeichelt. Nachdem der FlyBus mich am BSI abgesetzt hat, kann ich an der nahelegenen Tankstelle einen Liter Rödsprit (Spiritus) kaufen. Die warme Küche auf Tour ist damit gesichert. Mein Rucksack bringt nun inklusive Verbrauch knappe 12 Kilogramm auf die Waage und trägt sich von Beginn an völlig problemlos. Aber wir kennen uns mittlerweile auch ganz gut. Dafür fremdle ich selbst zunächst etwas mit der Umgebung und habe kurz einen dieser „Was mache ich hier eigentlich?“-Momente, obwohl dies bereits mein sechster Besuch auf Island ist. Sobald ich jedoch Richtung Hallgrímsskirkja zu meiner Pension laufe, legt sich das Gefühl und weicht einer wohligen Vertrautheit. Es ist bereits kurz vor 23 Uhr, die Straßen sind nahezu menschenleer. Mein Bus ins Hochland morgen früh fährt um 7:30 Uhr, ich checke ein - gute Nacht!
15.8.2018
Reykjavík - F208 Richtung Langisjór
Nach einer erholsamen Nacht stehe ich gegen sechs Uhr auf, dusche vor Tourstart noch einmal warm und ausgiebig, dann laufe Richtung City Hall Rathaus los, die Kapuze der Jacke tief ins Gesicht gezogen. Trüber Islandniesel wird heute ein ständiger Begleiter sein. Am Rathaus warte ich mit etwa 20 anderen Wanderern eine gute halbe Stunde auf diverse Busse. Bei genauer Betrachtung wäre ein kurzes Frühstück in der Pension durchaus noch drin gewesen.
Auf der Fahrt nach Landmannalaugar über Selfoss und Hella schleicht sich dann der Alltag ganz langsam aus. Zur Pause in Hella kaufe ich eine zweite 0.5l-Trinkflasche, Süßkram und außerdem Batterien für den Spot, sicher ist sicher. Ich schaue mir die vorbeiziehenden Landschaften an und freue mich: Endlich wieder auf Tour! Als der Bus dann von der geteerten 26 auf die holprige Hochlandpiste abbiegt, erkenne ich einige Streckenabschnitte wieder, die wir damals auf der 2013er-Tour passiert haben. Schaukelnd bringen wir die letzten Kilometer hinter uns, im Hochlandlager angekommen ist es dann immer noch nieselig.
Ankunft in Landmannalaugar
Viele Leute, Busse und Autos: Es ist voll, aber weniger voll als erwartet. In der Mountain Mall hole ich mir hastig einen heißen Kaffee. Ich sortiere im Lager neben einem Zelt voller Tagesausflüglern und vermutlich auch Trekkern meine Ausrüstung.
Ausrüstung sortieren im Nieselregen
Geschäftiges Treiben in vielen Sprachen, eine lange Schlange vor den sanitären Einrichtungen. Innere Unruhe treibt den Kaffee schnell hinunter und mich auf die Piste. Die ersten Kilometer hängt die Ausrüstung noch etwas unsortiert an mir, aber das gibt sich. Das Wandern selbst bereitet mir zur meiner Beruhigung direkt ab Start keinerlei Probleme.
Landmannalaugar bleibt hinter mir zurück
Rechts im Bild die Parkplätze vor der letzten Furt nach Landmannalaugar
Bagger im Bachbett des Jökulsgilskvísl
Bald schon lasse ich das Lager hinter mir. Als ich gerade einen vermeintlich letzten Blick auf mein Smartphone werfe, um Familie und Verwandtschaft über meinen Tourstart zu informieren, klingelt eine Kundin aus der Heimat durch. Es folgt ein kurzer technischer Support und etwas Seelsorge, mitten im Hochland - eine in dem Moment absurde und unwirkliche Situation. Smartphone aus, mangels Powerbank muss ich sowieso haushalten. Kurz falle ich wieder aus der Trekking-Rolle, dann zweigt die F208 nach rechts ab und ich bin aus dem gröbsten Trubel draußen und langsam aber sicher auch alleine.
Abzweigung Richtung Langisjór, Eldgja und auch Hólaskjól
Zwar kommen hier im Tagesverlauf noch einige Autos vorbei, ich bleibe jedoch der einzige Wanderer. Meine erste vermeintliche Furt ist dann überbrückt, hier wäre auch zu Fuß nicht an eine Querung zu denken.
Landmannalaugar gerät außer Sicht
Brücke über Jökulsgilskvísl
Noch vor der Brücke über die Jökulsgilskvísl fällt mir meine Kamera aus Halterung am Gurtrucksack auf den Boden, ich hatte den Verschluß nicht richtig eingerastet. Zum Glück kostet mich der unnötige und dämliche Unfall nur einen Riss in der Sonnenblende des 35mm-Objektivs, mehr als glimpflich.
Blick auf den Kýlingavatn
Tolle Landschaften, auch und trotz Regen
Hinter der Brücke führt die Piste um den Kýlingavatn herum. Trotz trübem Wetter empfinde ich die Landschaft als absolut prachtvoll: Offen, weit und erhaben! Natürlich laufe ich heute und vermutlich auch morgen bis auf einige kleine Abkürzungen fast ausschließlich entlang der Piste, zum einlaufen ist das jedoch absolut in Ordnung für mich.
Grenze zum Fjallabak-Naturpark
Ich erreiche die Grenze des Naturparks Fjallabak und gleichzeitig auch meine erste Furt. Der Niesel geht in einen verbindlichen Regen über - habe ich das Seitenfenster meines Autos wirklich geschlossen? Schauer als auch Herdplattensyndrom sind jedoch bald wieder vorrüber. Ohne den Rucksack absetzen, wechsle ich in die Furtsandalen und quere das harmlos Gewässer zügig.
Die erste Furt, zum Tourzeitpunkt harmlos
Argwöhnisch werde ich von einem Autofahrer beäugt, der sich etwas verunsichert eine geeignete Stelle durch Durchfahrung sucht. Drüben wechsle ich stehend zurück in die Wanderschuhe und marschiere weiter. Ein Baustellenlaster kommt mir vollbeladen entgegen, an der zugehörigen Baustelle komme ich jedoch nicht vorbei. Auf den folgenden Kilometern verengt sich das Gelände, kurz vor der zweiten Furt mache ich unter einem Felsüberhang eine regenschüzte Pause.
Pause unter einem massiven Regenschutz
Die Outdoorküche wird in Betrieb genommen: Die Käsespätzle dürften zwar eigentlich nicht so heißen, schmecken aber trotzdem prima. Mein Drang zum Smartphone geht mir gerade selbst auf den Zeiger. Schon alleine aus erzieherischen Gründen bin ich froh, hier keinen Empfang zu haben. Ums Eck meines Pausenplatzes finde ich einen ganz passablen Zeltplatz und überlege kurz, es hier für heute bereits gut sein zu lassen. Ein Blick auf die Karte zeigt mir, dass ich bis zum geplanten Ziel „Stromleitung“ noch eine ganze Ecke zu laufen hätte, wobei ich dieses das Tagesziel bei der Planung willkürlich auf diese Landmarke gesetzt hatte. Die Gehmoral gut ist, also laufe ich weiter diesem Gefühl hinter, unbedingt wissen zu wollen, was hinter der nächsten Biegung kommt.
Auch die zweite Furt ist kein Problem, ebensowenig sind es die weiteren, die noch folgen. Hin und wieder verlasse ich die Piste, um über schmale Pfaden abzukürzen. Nach einem Anstieg öffnet sich vor und unter mir der Blick in ein weites Tal.
Ein weites Tal öffnet sich
Einige abentliche, diffusen Sonnenstrahlen kämpfen sich mühsam durch Wolken und Niesel und schenken mir etwas Licht.
Im weiteren Verlauf kann ich mich über einige Furten mogeln. Eine knappe Gehstunde später hält ein Auto an, die Insassen fragen mich, wie ich über die Gewässer kommen würde. „By foot!“ anworte ich lachend und zeige unter begeistertem Applaus meine Furtsandalen her. Als ich weiterlaufe und bald schon über die nächste Furt muss, werde ich beobachtet. Hoffentlich hat nicht enttäuscht, dass ich einige Steine zum Drübermogeln nutzen kann. Insgeheim habe ich das Gefühl, dass die Querungen für die Autofahrer hier tückischer sind, als zu Fuß durch die knapp 20cm tiefen Wasserläufe mit moderater Fließgeschwindigkeit zu waten. Das muss und wird natürlich nicht immer so sein, wir sind schließlich auf Island.
Ich gehe etwas querfeldein, die nächste Furt eröffnet sich vor mir und ich bemerke, dass ich genug für heute habe. Diesen Gedanken noch im Kopf habend, stehe ich unvermittelt am Rand einer kurzen steilen Kante mit perfekten Zeltplätzen dahinter: Topfeben, windgeschützt, grasiger Untergrund, Wasseranschluß und Privatsphäre. Da es dämmert und auch kühl wird, mache ich nach 23 Tageskilometern Feierabend und baue zum ersten Mal auf dieser Tour mein Zelt im Hochland auf.
Zeltplatz nach der ersten Etappe
Wo mich die Route überhaupt hinführt? Geplant ist, den Langisjór zu umrunden, dann entlang der Skaftá zur Eldgja und nach Hólaskjól laufen. Im Anschluss möchte ich über den Strutstígur nach Hvangill und schließlich in die Þórsmörk nach Langidalur. Der Gletscherlauf Skaftárhlaup mit bis zu 1600m³ Wasser pro Sekunde ist erst wenige Tage her und meine geplante Route führt direkt an und durch betroffenes Gebiet. Ich bin gespannt, was mich erwartet.
Prolog: Irgendwo in Süddeutschland - Frankfurt am Main - Reykjavík
Es ist Mittwochvormittag, nachdem ich in der Nacht zuvor meinen Rucksack gepackt habe, erledige ich etwas unausgeschlafen im Büro noch einigen Schriftkram. Dann möchte ich meiner Selbstständigkeit für die knapp drei Wochen weitmöglichst den Rücken zukehren. Netter Versuch, vermutlich. Auf dem Weg zum Flughafen fahre ich noch kurzfristig bei einem Kunden vorbei und nehme einen Server in Betrieb. Hoffentlich fällt mir das die nächsten Wochen nicht auf die Füße. Die üblichen Loslassensängste eben, obwohl soweit alles organisiert ist.
Nach einer überraschend staulosen Fahrt nach Frankfurt verräume ich mein Auto bei einem Parkplatzanbieter, steige in meine Wanderschuhe und lasse mich an den Flughafen kutschieren. Da ich den eingeplanten Puffer für Staus oder sonstige Eventualitäten nicht nutzen musste, bin ich ziemlich früh da. Ich nutze die Zeit sinnvoll und verlaufe mich erst einmal auf dem Weg zum Bus nach Terminal 2, obwohl ich schon einige Mal hier abgeflogen bin. Kann man mal machen. Während ich dann etwas verloren an der endlich richtigen Busshaltestelle stehe, leide ich kurz am Herdplattensyndrom und bin der festen Überzeugung, eine Scheibe im geparkten Auto nicht geschlossen zu haben. Dann sitze ich im Terminal und brücke die Zeit mit Leute-gucken, Zunge-am-heißen-Kaffee-verbrennen und Rucksack-in-Folie-packen. Letzteres leider umsonst. Nach der Landung in Keflavík teilt mir ein Zettel der Flugsicherung aus Frankfurt im ausgepackten Rucksack schriftlich mit, dass Lithium im Gepäck unerwünscht ist. Die Powerbank ist weg. Eigentlich weiß ich das, ich hatte es tatsächlich schlicht vergessen. Immerhin ist der Rucksack mitsamt dem restlichen Inhalt noch heile und vor allem vollständig.
Bei der Landung in Keflavík war von Island nichts zu sehen, die Insel liegt in Wolken und Nebel. Es ist Abend, die Lavafelder auf der Fahrt in die Hauptstadt verschwinden in der Dunkelheit. Überhaupt lassen in dem Moment die viele Baustellen entlang der Straße die Umgebung sehr trostlos auf mich wirken. Meiner Ansicht nach hat Island die Route über die 41 Richtung Reykjavík noch nie wirklich geschmeichelt. Nachdem der FlyBus mich am BSI abgesetzt hat, kann ich an der nahelegenen Tankstelle einen Liter Rödsprit (Spiritus) kaufen. Die warme Küche auf Tour ist damit gesichert. Mein Rucksack bringt nun inklusive Verbrauch knappe 12 Kilogramm auf die Waage und trägt sich von Beginn an völlig problemlos. Aber wir kennen uns mittlerweile auch ganz gut. Dafür fremdle ich selbst zunächst etwas mit der Umgebung und habe kurz einen dieser „Was mache ich hier eigentlich?“-Momente, obwohl dies bereits mein sechster Besuch auf Island ist. Sobald ich jedoch Richtung Hallgrímsskirkja zu meiner Pension laufe, legt sich das Gefühl und weicht einer wohligen Vertrautheit. Es ist bereits kurz vor 23 Uhr, die Straßen sind nahezu menschenleer. Mein Bus ins Hochland morgen früh fährt um 7:30 Uhr, ich checke ein - gute Nacht!
15.8.2018
Reykjavík - F208 Richtung Langisjór
Nach einer erholsamen Nacht stehe ich gegen sechs Uhr auf, dusche vor Tourstart noch einmal warm und ausgiebig, dann laufe Richtung City Hall Rathaus los, die Kapuze der Jacke tief ins Gesicht gezogen. Trüber Islandniesel wird heute ein ständiger Begleiter sein. Am Rathaus warte ich mit etwa 20 anderen Wanderern eine gute halbe Stunde auf diverse Busse. Bei genauer Betrachtung wäre ein kurzes Frühstück in der Pension durchaus noch drin gewesen.
Auf der Fahrt nach Landmannalaugar über Selfoss und Hella schleicht sich dann der Alltag ganz langsam aus. Zur Pause in Hella kaufe ich eine zweite 0.5l-Trinkflasche, Süßkram und außerdem Batterien für den Spot, sicher ist sicher. Ich schaue mir die vorbeiziehenden Landschaften an und freue mich: Endlich wieder auf Tour! Als der Bus dann von der geteerten 26 auf die holprige Hochlandpiste abbiegt, erkenne ich einige Streckenabschnitte wieder, die wir damals auf der 2013er-Tour passiert haben. Schaukelnd bringen wir die letzten Kilometer hinter uns, im Hochlandlager angekommen ist es dann immer noch nieselig.
Ankunft in Landmannalaugar
Viele Leute, Busse und Autos: Es ist voll, aber weniger voll als erwartet. In der Mountain Mall hole ich mir hastig einen heißen Kaffee. Ich sortiere im Lager neben einem Zelt voller Tagesausflüglern und vermutlich auch Trekkern meine Ausrüstung.
Ausrüstung sortieren im Nieselregen
Geschäftiges Treiben in vielen Sprachen, eine lange Schlange vor den sanitären Einrichtungen. Innere Unruhe treibt den Kaffee schnell hinunter und mich auf die Piste. Die ersten Kilometer hängt die Ausrüstung noch etwas unsortiert an mir, aber das gibt sich. Das Wandern selbst bereitet mir zur meiner Beruhigung direkt ab Start keinerlei Probleme.
Landmannalaugar bleibt hinter mir zurück
Rechts im Bild die Parkplätze vor der letzten Furt nach Landmannalaugar
Bagger im Bachbett des Jökulsgilskvísl
Bald schon lasse ich das Lager hinter mir. Als ich gerade einen vermeintlich letzten Blick auf mein Smartphone werfe, um Familie und Verwandtschaft über meinen Tourstart zu informieren, klingelt eine Kundin aus der Heimat durch. Es folgt ein kurzer technischer Support und etwas Seelsorge, mitten im Hochland - eine in dem Moment absurde und unwirkliche Situation. Smartphone aus, mangels Powerbank muss ich sowieso haushalten. Kurz falle ich wieder aus der Trekking-Rolle, dann zweigt die F208 nach rechts ab und ich bin aus dem gröbsten Trubel draußen und langsam aber sicher auch alleine.
Abzweigung Richtung Langisjór, Eldgja und auch Hólaskjól
Zwar kommen hier im Tagesverlauf noch einige Autos vorbei, ich bleibe jedoch der einzige Wanderer. Meine erste vermeintliche Furt ist dann überbrückt, hier wäre auch zu Fuß nicht an eine Querung zu denken.
Landmannalaugar gerät außer Sicht
Brücke über Jökulsgilskvísl
Noch vor der Brücke über die Jökulsgilskvísl fällt mir meine Kamera aus Halterung am Gurtrucksack auf den Boden, ich hatte den Verschluß nicht richtig eingerastet. Zum Glück kostet mich der unnötige und dämliche Unfall nur einen Riss in der Sonnenblende des 35mm-Objektivs, mehr als glimpflich.
Blick auf den Kýlingavatn
Tolle Landschaften, auch und trotz Regen
Hinter der Brücke führt die Piste um den Kýlingavatn herum. Trotz trübem Wetter empfinde ich die Landschaft als absolut prachtvoll: Offen, weit und erhaben! Natürlich laufe ich heute und vermutlich auch morgen bis auf einige kleine Abkürzungen fast ausschließlich entlang der Piste, zum einlaufen ist das jedoch absolut in Ordnung für mich.
Grenze zum Fjallabak-Naturpark
Ich erreiche die Grenze des Naturparks Fjallabak und gleichzeitig auch meine erste Furt. Der Niesel geht in einen verbindlichen Regen über - habe ich das Seitenfenster meines Autos wirklich geschlossen? Schauer als auch Herdplattensyndrom sind jedoch bald wieder vorrüber. Ohne den Rucksack absetzen, wechsle ich in die Furtsandalen und quere das harmlos Gewässer zügig.
Die erste Furt, zum Tourzeitpunkt harmlos
Argwöhnisch werde ich von einem Autofahrer beäugt, der sich etwas verunsichert eine geeignete Stelle durch Durchfahrung sucht. Drüben wechsle ich stehend zurück in die Wanderschuhe und marschiere weiter. Ein Baustellenlaster kommt mir vollbeladen entgegen, an der zugehörigen Baustelle komme ich jedoch nicht vorbei. Auf den folgenden Kilometern verengt sich das Gelände, kurz vor der zweiten Furt mache ich unter einem Felsüberhang eine regenschüzte Pause.
Pause unter einem massiven Regenschutz
Die Outdoorküche wird in Betrieb genommen: Die Käsespätzle dürften zwar eigentlich nicht so heißen, schmecken aber trotzdem prima. Mein Drang zum Smartphone geht mir gerade selbst auf den Zeiger. Schon alleine aus erzieherischen Gründen bin ich froh, hier keinen Empfang zu haben. Ums Eck meines Pausenplatzes finde ich einen ganz passablen Zeltplatz und überlege kurz, es hier für heute bereits gut sein zu lassen. Ein Blick auf die Karte zeigt mir, dass ich bis zum geplanten Ziel „Stromleitung“ noch eine ganze Ecke zu laufen hätte, wobei ich dieses das Tagesziel bei der Planung willkürlich auf diese Landmarke gesetzt hatte. Die Gehmoral gut ist, also laufe ich weiter diesem Gefühl hinter, unbedingt wissen zu wollen, was hinter der nächsten Biegung kommt.
Auch die zweite Furt ist kein Problem, ebensowenig sind es die weiteren, die noch folgen. Hin und wieder verlasse ich die Piste, um über schmale Pfaden abzukürzen. Nach einem Anstieg öffnet sich vor und unter mir der Blick in ein weites Tal.
Ein weites Tal öffnet sich
Einige abentliche, diffusen Sonnenstrahlen kämpfen sich mühsam durch Wolken und Niesel und schenken mir etwas Licht.
Im weiteren Verlauf kann ich mich über einige Furten mogeln. Eine knappe Gehstunde später hält ein Auto an, die Insassen fragen mich, wie ich über die Gewässer kommen würde. „By foot!“ anworte ich lachend und zeige unter begeistertem Applaus meine Furtsandalen her. Als ich weiterlaufe und bald schon über die nächste Furt muss, werde ich beobachtet. Hoffentlich hat nicht enttäuscht, dass ich einige Steine zum Drübermogeln nutzen kann. Insgeheim habe ich das Gefühl, dass die Querungen für die Autofahrer hier tückischer sind, als zu Fuß durch die knapp 20cm tiefen Wasserläufe mit moderater Fließgeschwindigkeit zu waten. Das muss und wird natürlich nicht immer so sein, wir sind schließlich auf Island.
Ich gehe etwas querfeldein, die nächste Furt eröffnet sich vor mir und ich bemerke, dass ich genug für heute habe. Diesen Gedanken noch im Kopf habend, stehe ich unvermittelt am Rand einer kurzen steilen Kante mit perfekten Zeltplätzen dahinter: Topfeben, windgeschützt, grasiger Untergrund, Wasseranschluß und Privatsphäre. Da es dämmert und auch kühl wird, mache ich nach 23 Tageskilometern Feierabend und baue zum ersten Mal auf dieser Tour mein Zelt im Hochland auf.
Zeltplatz nach der ersten Etappe
Wo mich die Route überhaupt hinführt? Geplant ist, den Langisjór zu umrunden, dann entlang der Skaftá zur Eldgja und nach Hólaskjól laufen. Im Anschluss möchte ich über den Strutstígur nach Hvangill und schließlich in die Þórsmörk nach Langidalur. Der Gletscherlauf Skaftárhlaup mit bis zu 1600m³ Wasser pro Sekunde ist erst wenige Tage her und meine geplante Route führt direkt an und durch betroffenes Gebiet. Ich bin gespannt, was mich erwartet.
Kommentar