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Land: Grönland
Reisezeit: August-Oktober 2017
Dauer: 7 Wochen (die gesamte Reise dauerte 3 Monate)
Zusammenfassung: Dies ist der längste Teil meiner Berichte-Serie aus Grönland, wahrscheinlich auch der interessanteste. Der erste Tour-Abschnitt (ab Paamiut) ging aus mehreren Gründen ziemlich daneben: mangelnde Fitness eines Mitreisenden, eine Woche Dauerregen und Wind, schließlich noch ein Unfall mit Helikopter-Bergung. Der zweite Teil (ab Arsuk) lief größtenteils gut, nur wurde eines unserer Nahrungsdepots ausgeraubt, weshalb wir in der letzten Woche auf harter Diät waren. Zum Abschluss verbrachte ich noch zehn Tage allein in der Gegend um Narsarsuaq, hatte dort also Zeit, die Gegend zu erkunden und etwas zu entspannen.

Südgrönland bei Sonnenuntergang.

Anfang September setzten dann die Herbstfarben ein.

Mit dem Packraft vor einer riesigen Gletscherzunge.

Nordlichter über dem Zelt.
Zur Planung: Ich wollte die gesamte Strecke von Paamiut nach Narsarsuaq zurücklegen, zu Fuß und mit Packraft. Das waren etwa 470 km, hier der grobe (!) Routenverlauf: Paamiut - Narsarsuaq
Paamiut und Narsarsuaq haben Flughäfen, sind also mit Air Greenland erreichbar. Dazwischen lag nur Arsuk, eine Siedlung, die im Sommer zweimal wöchentlich von einem Passagierschiff (Arctic Umiaq Line) angefahren wird. Dieses Schiff fährt von Qeqertarsuaq in Westgrönland bis ganz in den Süden nach Qaqortoq und wieder zurück – pro Richtung ist man ca. vier Tage unterwegs. Die Route von Paamiut nach Narsarsuaq konnte ich also in zwei Teilstrecken teilen, mit Arsuk in der Mitte.
David, ein Freund von mir aus Alaska, selbst Bergsteiger und Guide, wollte mich auf die gesamte Distanz begleiten. Bernhard, ein mit mir befreundeter Fotograf aus Wien, kam auf die erste Teilstrecke mit. Auf die zweite Teilstrecke begleiteten mich Philipp, Sofias Cousin, und Madeleine, eine Logopädie-Kollegin von Sofia.
In Arsuk selbst gibt es nicht viel zum Einkaufen, zumindest kaum etwas, das sich zum Mitnehmen auf Trekking-Touren eignen würde. Deshalb legten meine belgischen Freunde, von denen ich euch im ersten Bericht schon erzählt habe, zwei Verpflegungsdepots für mich an: Eines HIER, das andere HIER (die Verpflegung hatte ich bereits im April nach Belgien geschickt).
Eigentlich wollte ich mich am 14. August mit Bernhard und David in Nuuk treffen. Bernhards Flieger war pünktlich, aber Davids Ankunft verschob sich immer weiter nach hinten, bis klar war, dass das nichts mehr werden würde. Wir zelteten zu zweit unweit des Flughafengeländes in Nuuk.
Am nächsten Vormittag sollte unser Flieger nach Paamiut gehen. Zum Glück war auch dieser Flug so stark verspätet, dass David vorher noch eintraf und wir dann endlich zu dritt abhoben. Leider konnte der Pilot in Paamiut nicht landen, zu dichter Nebel, deshalb ging es direkt weiter in den Süden nach Narsarsuaq. Dort wurde getankt, es folgte ein weiterer Versuch, in Paamiut zu landen. Daraus wurde wieder nichts, diesmal landeten wir in Kangerlussuaq und übernachteten dort in einem Hotel.
Am 16. August ging es dann zurück zum Ausgangsort, Nuuk, und anschließend endlich erfolgreich nach Paamiut – also mit einem Tag Verspätung. Dort angekommen marschierten wir die Straße entlang vom Flughafen ins Dorfzentrum zum Museum, wo ein Verpflegungspaket für mich hinterlegt war (auch das hatten meine belgischen Freunde dort deponiert). Das Museum hätte offen sein sollen, zumindest laut offizieller Öffnungszeiten am Eingang, leider war niemand auffindbar. Es dauerte zwei Stunden, bis ich mich endlich von der Kirche, in der gerade eine Beerdigung stattfand, zur kommunalen Behörde und weiter zum Schulrat durchfragte, bis ich endlich den Mann fand, der den Schlüssel hatte. In Grönland nimmt man es mit Verantwortlichkeiten nicht so genau.
David und Bernhard kauften währenddessen eine Schrotflinte und 25 Schuss Munition. Das ist in Grönland ganz einfach, besondere Papiere braucht man keine. Der Kauf einer Waffe wurde uns zuvor von der Polizei dringend angeraten, es wurden in den vergangenen Woche schon einige Eisbären in der Gegend gesehen, weiter südlich waren es noch mehr. Immer wieder treiben die Bären auf Eisschollen in den Süden Grönlands, wo sie dann den Siedlungen und Schafsfarmen gefährlich nahe kommen. Auch die Locals sind stets mit Waffen unterwegs, wenn sie sich weit von zuhause wegbewegen, wurde uns gesagt.
Um 17 Uhr war alles gepackt und wir waren abmarschbereit. Und schon ging es nach Süden, zuerst über einen Weg, vorbei am Friedhof, dann querfeldein. Es begann zu regnen und wir mussten immer wieder Pausen einlegen, weil Bernhard nicht mit dem Rucksackgewicht klarkam. Spät am Abend bauten wir unweit des Kvanefjords die Zelte auf, ich war bereits sehr pessimistisch, was die Aussicht auf die nächsten Tage anging… Bis nach Arsuk war es weit, und wenn wir weiterhin in diesem Tempo gehen würden, würden wir vielleicht gerade einmal die Hälfte schaffen, dachte ich.

Aufbruchsstimmung am Dorfmuseum.

Friedhof von Paamiut


Am nächsten Morgen dann Lagebesprechung. Wir waren uns einig: Die Aussichten waren trüb. Nicht nur wegen des konstanten Regens, der laut Wettervorhersage noch einige Tage anhalten sollte, sondern vor allem wegen der körperlichen Verfassung meines Reisepartners. Als nächstes stand die Überquerung des Kvanefjords auf dem Programm, das waren etwa 5 km Paddeln bei zunehmendem Wind - danach gab es kein Zurück mehr, vor Arsuk gab es keinen Ausstieg. Einfach so weit zu gehen, wie wir können, und danach per Satellitentelefon eine Abholung zu organisieren, war kostspielig und riskant, vor allem wegen des Wetters: Bei starkem Wind und Wellengang fährt kein Motorboot aufs Meer hinaus.
Ich war sehr enttäuscht, aber die Entscheidung war eigentlich klar: Wir mussten zurückgehen und im Hafen von Paamiut einen Fischer finden, der uns mindestens ein Drittel der Strecke mit dem Motorboot bringen kann. Nur dann hätten wir die Chance, Arsuk zu erreichen. Und wie gesagt: Ein Stück zu überspringen und dann Arsuk zu erreichen ist viel einfacher zu organisieren, als von Paamiut loszugehen, und unterwegs eine Abholung zu benötigen. Also gingen wir zurück nach Paamiut und schauten uns am Hafen um. Bis sich das Wetter besserte, würde keiner aufs Meer fahren, wurde uns gesagt…
Nun brauchten wir eine Unterkunft; leer stehende Gebäude gab es ja einige. Ein Polizist (es gab zwei in Paamiut!) deutete auf das ehemalige Pfadfinder-Gebäude, das nun verwahrlost, vermüllt und ohne Fenster am Rande des Dorfes stand. Na gut, wir räumten etwas auf und machten es uns bequem. David legte seine Matte am Boden aus, Bernhard und ich bauten aufgrund des Windes im Haus zusätzlich das Zelt auf. Das war der 17. August.
In den folgenden Tagen verschlechterte sich das Wetter noch. Es regnete die ganze Zeit, dazu Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt. Jeden Tag erkundigten wir uns bei den Fischern, aber keiner wollte aufs Meer hinaus. Uns war so langweilig und kalt, dass wir am 20. August, sonntags, in die Kirche gingen. Die Kirche war beheizt, außerdem konnten wir so ein paar Dorfbewohner kennenlernen.
Die gute Tat, pünktlich zum Gottesdienst zu erscheinen, wurde am nächsten Tag belohnt: Die Kommune bot uns eine leeerstehende Gemeindewohnung an, in der wir bleiben konnten, so lange wir wollten. So richtig mit Heizkörpern und Dusche… genial. Dort bauten wir zum Spaß die Packrafts auf und als es gerade mal nur nieselte, fuhren David und Bernhard ein bisschen um die Inseln herum, die es bei Paamiut gibt. Ich erkundete währenddessen das Dorf und fand die Erklärung dafür, warum um die Stadt herum so viel Müll im Meer schwamm: Die Mülldeponie lag direkt am Wasser.
Dass wir uns mit diesen Gummibooten aufs Meer trauten, überzeugte nun auch einen Fischer. Er willigte ein, uns am nächsten Tag für umgerechnet €500 ein ganzes Stück nach Süden zu bringen, bis Sermiligarssuk. In der Nähe wartete auch bereits unser erstes Verpflegungsdepot auf uns. Also fuhren wir am 23. August endlich nach Süden, eine gefühlte Ewigkeit in Paamiut kam schließlich zu einem Ende. Der Bootsmann wollte uns leider nicht so weit fahren, wie es uns lieb war, somit mussten wir noch ein paar Stunden paddeln, bis wir endlich an Land gehen konnten.

Die Rumpelkammer vor dem Aufräumen...

…und danach.

Nur etwa 3% der Dorfbewohner waren in der Kirche anzutreffen. Nicht gerade sehr fromm, diese Grönländer.

Nach dem Umzug in die beheizte Wohnung.



Mülldeponie in Paamiut.


Eine Robbe interessierte sich für mein Packraft.

Das Verpflegungsdepot war nun etwa 1 km entfernt von unserem Lagerplatz. Es direkt aufzusammeln und Richtung Arsuk zu ziehen, wäre mühsam gewesen: Wir hatten noch Essen für ca. 1 Woche dabei, im Depot war Essen für weitere 18 Tage. Mit so viel Proviant, zusätzlich zu den Packrafts und all der anderen Ausrüstung, wären wir dann kaum noch vorwärts gekommen. Außerdem hatten wir es nun so eilig auch wieder nicht. Also entschieden wir, noch eine 4-Tages-Rundtour in der Gegend zwischen den Gletschern Sermiligarssuk Brae und Sioralik Brae zu unternehmen. Die Gipfel liegen dort in einer Höhe von über 1.000 m. Das Wetter war noch immer schlecht, es regnete viel, und als wir in den höheren Lagen sofort wieder in den Wolken verschwanden und keine Sicht mehr hatten, brachen wir auch diese kleine Rundtour ab und machten uns auf den Weg zum Verpflegungsdepot, das wir gut verpackt und in tadellosem Zustand vorfanden.






Schon wieder Regen? Naja, zumindest ist Grönland berechenbar.

Man macht das Beste draus…


David aus Alaska, mit Flinte und Alpenhut.

Beim Sortieren unserer Lebensmittel.
Am 27. August ging’s dann endlich los nach Arsuk, neun Tage blieben uns noch dafür. Ein Kinderspiel, eigentlich. Bis zum 29. ging auch alles gut, wir überquerten einen großen Gletscherfluss, marschierten auf der anderen Seite auf das in 800 m Höhe gelegene Plateau und paddelten über einen großen See.

Bei dieser Flussquerung nutzten wir nur ein einzelnes Boot, das wir jeweils mit einem Seil leer wieder zurückzogen. Diese Prozedur kostete letztendlich mehr Zeit, als wir gebraucht hätten, wenn jeder sein eigenes Boot genutzt hätte.












Am Nachmittag des 29. Augusts hatte ich dann einen Unfall. Wir gingen entlang einer steilen Bergflanke, ich voran, als sich unter meinen Füßen plötzlich eine Steinplatte löste. Ich stürzte etwa 3-4 m fast im freien Fall hinab, danach rollte ich noch weitere Meter über Felsen, bis ich irgendwann zum Erliegen kam. Geradeso konnte ich mich bei Bewusstsein halten, Bewegungen waren kaum möglich. Nach kurzer Zeit waren die beiden Männer bei mir, nahmen mir den Rucksack ab und halfen dabei, mich hinzusetzen. Ich hatte Wunden über den ganzen Körper verteilt, überall Blut und Schmutz. Nach kurzer Untersuchung wurde klar, dass Kopf, Rücken und Bauch fast unversehrt waren – Rucksack und Kameratasche hatten diese Körperteile geschützt. Brüche hatte ich auch nicht, nur Wunden. Nach und nach reinigte David meine Wunden zuerst mit Wasser, die tiefen Wunden dann zusätzlich mit einer Spritze und Alkohol. Die Wunde am Bein war so tief, dass das Fett herausquoll, das musste unbedingt genäht werden. Zwei weitere Wunden am Arm sahen auch gefährlich aus, aber Verbände reichten. Meine rechte Handfläche war aufgeschürft und blutete – das würde mich noch für Wochen stören, dachte ich, da Wunden in der Handfläche schwer heilen und bei Bewegungen schnell wieder aufreißen (vor allem, wenn man auf ein Paddel oder Trekkingstock angewiesen ist).
David nähte mir die Wunde am Bein mit einer groben Nähnadel und Zahnseide. Das hielt auch ganz gut, drei Stiche waren es, aber eigentlich hätte eine tiefere Hautschicht auch eine Naht gebraucht, was mit unserer medizinischen Ausrüstung unmöglich war.
Nach etwa 1,5 Stunden des Verarztens konnte ich schon wieder aufstehen und auch das Bein belasten. Alles war geschwollen und tat weh, natürlich hatte ich überall Prellungen, aber das Knochengerüst war glücklicherweise unverletzt.
Halb so schlimm, dachte ich, ein Tag Pause, dann wird’s schon wieder gehen. Meine beiden Begleiter meinten am Abend, ich solle mich rausfliegen lassen, das Risiko einer Infektion sei zu hoch. Auch Sofia meinte übers Satellitentelefon, nach Rücksprache mit einer Krankenschwester, ich solle mich unbedingt evakuieren lassen. Ich nahm Antibiotika und Schmerzmittel, danach ging’s erstmal in den Schlafsack.
Am nächsten Morgen konnte ich wieder einigermaßen gut gehen. Mein linkes Bein war ziemlich steif und beim Auftreten musste ich vorsichtig sein, aber ich meinte, dass ich weitergehen konnte. Klar, die Risiken lagen auf der Hand: Eine ernsthafte Infektion hätte mich im schlimmsten Fall das Bein kosten können. Dazu das Risiko eines weiteren Sturzes, jetzt, da meine Bewegungsfreiheit und Belastbarkeit so eingeschränkt war. Mein Rucksack war ja nicht gerade leicht. Außerdem musste ich für den letzten Teil der Reise (Arsuk – Narsarsuaq) fit sein und sollte mich davor nicht allzu sehr schinden.
Wir diskutierten unsere Optionen. David und Bernhard würden es auch ohne mich nach Arsuk schaffen, schließlich hatte David jahrelange Guiding-Erfahrung aus Alaska. Ich war enorm motiviert, weiterzugehen, obwohl mir alle zum Abbruch rieten. Das Eigenartige dabei: Vor ein paar Jahren, als ich noch kein Satellitentelefon dabei hatte und oft allein auf Tour war, hätte ich über einen Abbruch gar nicht nachgedacht; die Frage hätte sich nicht gestellt. Verleitet mich der dazugewonnene Luxus zur Bequemlichkeit?
Nun wollte ich aber auch wirklich kein Bein verlieren. Als die Wunde am Bein etwa 24 Stunden nach dem Unfall wieder zu bluten begann und ich bei einer genaueren Untersuchung feststellte, dass eine Naht ausgerissen war (David meinte, ich hätte mich zu viel bewegt), rief ich Sofia an und besprach mit ihr den Ablauf meiner Rettung. Sie war mein primärer Notfallkontakt und ich wusste, dass sie umgehend einen Anruf von SPOT bekommen würde, sobald ich den SOS-Knopf meines „SPOT gps messengers“ drücken würde.
Und so war’s dann auch. Ich drückte den Notfallknopf, daraufhin rief schon jemand bei Sofia an. Sofia erklärte der Zentrale in den USA, wie von mir instruiert, was los war und dass es kein akuter Notfall sei - es musste also kein Ärzte-Team anrücken und die Evakuierung musste auch nicht mehr am selben Tag stattfinden. Dennoch war der Hubschrauber bereits eine Stunde später unterwegs.
Es ging dann alles ganz schnell, der riesige Hubschrauber landete, ich verabschiedete mich von meinen Freunden. Die Ausrüstung (Zelte und Kochzeug) hatten wir bereits vorher so organisiert, dass die beiden ohne mich klarkommen würden. Ein paar Minuten später war ich bereits in der Luft und auf dem Weg ins nächste Krankenhaus… 180 km Flugstrecke bis Qaqortoq. Naja, zumindest hatte ich gutes Licht und konnte aus dem Heli heraus ein paar Fotos machen.

Hubschrauber gelandet.

Immer brav die Zeltstangen rausnehmen, wenn ein Hubschrauber direkt neben den Zelten landet.










Im Inneren des Helikopters. Der Pilot scherzte, dass sie fast die gesamte Zeit nur Wissenschaftler über Grönland fliegen würden und dass das Eis ohne diese „verdammten Klimaforscher“ wahrscheinlich nur halb so schnell schmelzen würde.
In Qaqortoq angekommen, spät abends, wurde ich gleich ins Krankenhaus gebracht und neu genäht. Die Krankenschwester nähte auch eine tiefere Hautschicht und meinte, das sei unbedingt nötig gewesen. Als sie unserer Nähte aus Zahnseide entfernte, schaute sie mich ungläubig an.
Auch die anderen Wunden wurden gereinigt und verbunden, die Nacht verbrachte ich im Krankenhaus.
Am nächsten Morgen zog ich in ein Hostel um und schaute alle 1-2 Tage im Krankenhaus vorbei, nur so zur Kontrolle. David und Bernhard kamen währenddessen gut voran, bald würden sie in Arsuk sein. Am liebsten wäre ich gleich dahin aufgebrochen, leider ging das nächste Passagierschiff erst am Abend des 6. Septembers. Jeden Tag war ich am Hafen und habe mich nach Fischern oder Jägern erkundigt, die eventuell in die Gegend von Arsuk wollten, aber vergebens: Es war schon wieder zu viel Wind am Meer. Niederschlag gab es hingegen keinen, was ich umso mehr bedauerte: Jetzt, wo das Wetter gut war, saß ich in dieser verdammten Stadt fest. Körperlich ging es von mir von Tag zu Tag besser, nur die Wunde in der Hand wollte nicht so recht heilen. Offene Wunden in der Handfläche sind extrem unangenehm, glaubt mir.
Am Abend des 6. Septembers ging dann endlich das Schiff Richtung Norden, Arsuk war der zweite Halt. Pünktlich zur Abfahrt begann es zu regnen, klar. Die Fahrt nach Arsuk dauerte fast 12 Stunden, am nächsten Morgen war ich da.

Qaqortoq

Jeden Tag kam ein anderes Kreuzfahrtschiff vorbei.

Das Personal der Kreuzfahrtschiffe verteilte die ganze Zeit Becher mit Kaffee und Kakao an alle Passagiere, die an Land gingen. Die lokale Bevölkerung ging auch nicht leer aus.


Damit ging es dann zurück nach Arsuk.

Mir wurde während der Fahrt schnell langweilig, also ging ich hoch auf die Schiffsbrücke und plauderte mit dem Captain. Der stammte übrigens von den Färöer Inseln.
Am Morgen des 7. Septembers erreichte ich also Arsuk. David, Madeleine und Philipp warteten bereits auf mich. Bernhard stieg auf das Schiff, das ich verließ, und fuhr weiter bis nach Nuuk. Die anderen drei waren froh darüber, dass ich nach meinem Sturz überhaupt einsatzfähig war – und glaubt mir, ich war hoch motiviert.
Unsere Route von Arsuk bis Narsarsuaq war 240 km lang, dafür hatten wir 16 Tage Zeit. Glücklicherweise waren alle topfit und gut vorbereitet. Wir waren am Tag meiner Ankunft noch vor 11 Uhr auf dem Wasser und paddelten den Fjord entlang nach Osten.
Reisezeit: August-Oktober 2017
Dauer: 7 Wochen (die gesamte Reise dauerte 3 Monate)
Zusammenfassung: Dies ist der längste Teil meiner Berichte-Serie aus Grönland, wahrscheinlich auch der interessanteste. Der erste Tour-Abschnitt (ab Paamiut) ging aus mehreren Gründen ziemlich daneben: mangelnde Fitness eines Mitreisenden, eine Woche Dauerregen und Wind, schließlich noch ein Unfall mit Helikopter-Bergung. Der zweite Teil (ab Arsuk) lief größtenteils gut, nur wurde eines unserer Nahrungsdepots ausgeraubt, weshalb wir in der letzten Woche auf harter Diät waren. Zum Abschluss verbrachte ich noch zehn Tage allein in der Gegend um Narsarsuaq, hatte dort also Zeit, die Gegend zu erkunden und etwas zu entspannen.

Südgrönland bei Sonnenuntergang.

Anfang September setzten dann die Herbstfarben ein.

Mit dem Packraft vor einer riesigen Gletscherzunge.

Nordlichter über dem Zelt.
Zur Planung: Ich wollte die gesamte Strecke von Paamiut nach Narsarsuaq zurücklegen, zu Fuß und mit Packraft. Das waren etwa 470 km, hier der grobe (!) Routenverlauf: Paamiut - Narsarsuaq
Paamiut und Narsarsuaq haben Flughäfen, sind also mit Air Greenland erreichbar. Dazwischen lag nur Arsuk, eine Siedlung, die im Sommer zweimal wöchentlich von einem Passagierschiff (Arctic Umiaq Line) angefahren wird. Dieses Schiff fährt von Qeqertarsuaq in Westgrönland bis ganz in den Süden nach Qaqortoq und wieder zurück – pro Richtung ist man ca. vier Tage unterwegs. Die Route von Paamiut nach Narsarsuaq konnte ich also in zwei Teilstrecken teilen, mit Arsuk in der Mitte.
David, ein Freund von mir aus Alaska, selbst Bergsteiger und Guide, wollte mich auf die gesamte Distanz begleiten. Bernhard, ein mit mir befreundeter Fotograf aus Wien, kam auf die erste Teilstrecke mit. Auf die zweite Teilstrecke begleiteten mich Philipp, Sofias Cousin, und Madeleine, eine Logopädie-Kollegin von Sofia.
In Arsuk selbst gibt es nicht viel zum Einkaufen, zumindest kaum etwas, das sich zum Mitnehmen auf Trekking-Touren eignen würde. Deshalb legten meine belgischen Freunde, von denen ich euch im ersten Bericht schon erzählt habe, zwei Verpflegungsdepots für mich an: Eines HIER, das andere HIER (die Verpflegung hatte ich bereits im April nach Belgien geschickt).
Eigentlich wollte ich mich am 14. August mit Bernhard und David in Nuuk treffen. Bernhards Flieger war pünktlich, aber Davids Ankunft verschob sich immer weiter nach hinten, bis klar war, dass das nichts mehr werden würde. Wir zelteten zu zweit unweit des Flughafengeländes in Nuuk.
Am nächsten Vormittag sollte unser Flieger nach Paamiut gehen. Zum Glück war auch dieser Flug so stark verspätet, dass David vorher noch eintraf und wir dann endlich zu dritt abhoben. Leider konnte der Pilot in Paamiut nicht landen, zu dichter Nebel, deshalb ging es direkt weiter in den Süden nach Narsarsuaq. Dort wurde getankt, es folgte ein weiterer Versuch, in Paamiut zu landen. Daraus wurde wieder nichts, diesmal landeten wir in Kangerlussuaq und übernachteten dort in einem Hotel.
Am 16. August ging es dann zurück zum Ausgangsort, Nuuk, und anschließend endlich erfolgreich nach Paamiut – also mit einem Tag Verspätung. Dort angekommen marschierten wir die Straße entlang vom Flughafen ins Dorfzentrum zum Museum, wo ein Verpflegungspaket für mich hinterlegt war (auch das hatten meine belgischen Freunde dort deponiert). Das Museum hätte offen sein sollen, zumindest laut offizieller Öffnungszeiten am Eingang, leider war niemand auffindbar. Es dauerte zwei Stunden, bis ich mich endlich von der Kirche, in der gerade eine Beerdigung stattfand, zur kommunalen Behörde und weiter zum Schulrat durchfragte, bis ich endlich den Mann fand, der den Schlüssel hatte. In Grönland nimmt man es mit Verantwortlichkeiten nicht so genau.
David und Bernhard kauften währenddessen eine Schrotflinte und 25 Schuss Munition. Das ist in Grönland ganz einfach, besondere Papiere braucht man keine. Der Kauf einer Waffe wurde uns zuvor von der Polizei dringend angeraten, es wurden in den vergangenen Woche schon einige Eisbären in der Gegend gesehen, weiter südlich waren es noch mehr. Immer wieder treiben die Bären auf Eisschollen in den Süden Grönlands, wo sie dann den Siedlungen und Schafsfarmen gefährlich nahe kommen. Auch die Locals sind stets mit Waffen unterwegs, wenn sie sich weit von zuhause wegbewegen, wurde uns gesagt.
Um 17 Uhr war alles gepackt und wir waren abmarschbereit. Und schon ging es nach Süden, zuerst über einen Weg, vorbei am Friedhof, dann querfeldein. Es begann zu regnen und wir mussten immer wieder Pausen einlegen, weil Bernhard nicht mit dem Rucksackgewicht klarkam. Spät am Abend bauten wir unweit des Kvanefjords die Zelte auf, ich war bereits sehr pessimistisch, was die Aussicht auf die nächsten Tage anging… Bis nach Arsuk war es weit, und wenn wir weiterhin in diesem Tempo gehen würden, würden wir vielleicht gerade einmal die Hälfte schaffen, dachte ich.

Aufbruchsstimmung am Dorfmuseum.

Friedhof von Paamiut


Am nächsten Morgen dann Lagebesprechung. Wir waren uns einig: Die Aussichten waren trüb. Nicht nur wegen des konstanten Regens, der laut Wettervorhersage noch einige Tage anhalten sollte, sondern vor allem wegen der körperlichen Verfassung meines Reisepartners. Als nächstes stand die Überquerung des Kvanefjords auf dem Programm, das waren etwa 5 km Paddeln bei zunehmendem Wind - danach gab es kein Zurück mehr, vor Arsuk gab es keinen Ausstieg. Einfach so weit zu gehen, wie wir können, und danach per Satellitentelefon eine Abholung zu organisieren, war kostspielig und riskant, vor allem wegen des Wetters: Bei starkem Wind und Wellengang fährt kein Motorboot aufs Meer hinaus.
Ich war sehr enttäuscht, aber die Entscheidung war eigentlich klar: Wir mussten zurückgehen und im Hafen von Paamiut einen Fischer finden, der uns mindestens ein Drittel der Strecke mit dem Motorboot bringen kann. Nur dann hätten wir die Chance, Arsuk zu erreichen. Und wie gesagt: Ein Stück zu überspringen und dann Arsuk zu erreichen ist viel einfacher zu organisieren, als von Paamiut loszugehen, und unterwegs eine Abholung zu benötigen. Also gingen wir zurück nach Paamiut und schauten uns am Hafen um. Bis sich das Wetter besserte, würde keiner aufs Meer fahren, wurde uns gesagt…
Nun brauchten wir eine Unterkunft; leer stehende Gebäude gab es ja einige. Ein Polizist (es gab zwei in Paamiut!) deutete auf das ehemalige Pfadfinder-Gebäude, das nun verwahrlost, vermüllt und ohne Fenster am Rande des Dorfes stand. Na gut, wir räumten etwas auf und machten es uns bequem. David legte seine Matte am Boden aus, Bernhard und ich bauten aufgrund des Windes im Haus zusätzlich das Zelt auf. Das war der 17. August.
In den folgenden Tagen verschlechterte sich das Wetter noch. Es regnete die ganze Zeit, dazu Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt. Jeden Tag erkundigten wir uns bei den Fischern, aber keiner wollte aufs Meer hinaus. Uns war so langweilig und kalt, dass wir am 20. August, sonntags, in die Kirche gingen. Die Kirche war beheizt, außerdem konnten wir so ein paar Dorfbewohner kennenlernen.
Die gute Tat, pünktlich zum Gottesdienst zu erscheinen, wurde am nächsten Tag belohnt: Die Kommune bot uns eine leeerstehende Gemeindewohnung an, in der wir bleiben konnten, so lange wir wollten. So richtig mit Heizkörpern und Dusche… genial. Dort bauten wir zum Spaß die Packrafts auf und als es gerade mal nur nieselte, fuhren David und Bernhard ein bisschen um die Inseln herum, die es bei Paamiut gibt. Ich erkundete währenddessen das Dorf und fand die Erklärung dafür, warum um die Stadt herum so viel Müll im Meer schwamm: Die Mülldeponie lag direkt am Wasser.
Dass wir uns mit diesen Gummibooten aufs Meer trauten, überzeugte nun auch einen Fischer. Er willigte ein, uns am nächsten Tag für umgerechnet €500 ein ganzes Stück nach Süden zu bringen, bis Sermiligarssuk. In der Nähe wartete auch bereits unser erstes Verpflegungsdepot auf uns. Also fuhren wir am 23. August endlich nach Süden, eine gefühlte Ewigkeit in Paamiut kam schließlich zu einem Ende. Der Bootsmann wollte uns leider nicht so weit fahren, wie es uns lieb war, somit mussten wir noch ein paar Stunden paddeln, bis wir endlich an Land gehen konnten.

Die Rumpelkammer vor dem Aufräumen...

…und danach.

Nur etwa 3% der Dorfbewohner waren in der Kirche anzutreffen. Nicht gerade sehr fromm, diese Grönländer.

Nach dem Umzug in die beheizte Wohnung.



Mülldeponie in Paamiut.


Eine Robbe interessierte sich für mein Packraft.

Das Verpflegungsdepot war nun etwa 1 km entfernt von unserem Lagerplatz. Es direkt aufzusammeln und Richtung Arsuk zu ziehen, wäre mühsam gewesen: Wir hatten noch Essen für ca. 1 Woche dabei, im Depot war Essen für weitere 18 Tage. Mit so viel Proviant, zusätzlich zu den Packrafts und all der anderen Ausrüstung, wären wir dann kaum noch vorwärts gekommen. Außerdem hatten wir es nun so eilig auch wieder nicht. Also entschieden wir, noch eine 4-Tages-Rundtour in der Gegend zwischen den Gletschern Sermiligarssuk Brae und Sioralik Brae zu unternehmen. Die Gipfel liegen dort in einer Höhe von über 1.000 m. Das Wetter war noch immer schlecht, es regnete viel, und als wir in den höheren Lagen sofort wieder in den Wolken verschwanden und keine Sicht mehr hatten, brachen wir auch diese kleine Rundtour ab und machten uns auf den Weg zum Verpflegungsdepot, das wir gut verpackt und in tadellosem Zustand vorfanden.






Schon wieder Regen? Naja, zumindest ist Grönland berechenbar.

Man macht das Beste draus…


David aus Alaska, mit Flinte und Alpenhut.

Beim Sortieren unserer Lebensmittel.
Am 27. August ging’s dann endlich los nach Arsuk, neun Tage blieben uns noch dafür. Ein Kinderspiel, eigentlich. Bis zum 29. ging auch alles gut, wir überquerten einen großen Gletscherfluss, marschierten auf der anderen Seite auf das in 800 m Höhe gelegene Plateau und paddelten über einen großen See.

Bei dieser Flussquerung nutzten wir nur ein einzelnes Boot, das wir jeweils mit einem Seil leer wieder zurückzogen. Diese Prozedur kostete letztendlich mehr Zeit, als wir gebraucht hätten, wenn jeder sein eigenes Boot genutzt hätte.












Am Nachmittag des 29. Augusts hatte ich dann einen Unfall. Wir gingen entlang einer steilen Bergflanke, ich voran, als sich unter meinen Füßen plötzlich eine Steinplatte löste. Ich stürzte etwa 3-4 m fast im freien Fall hinab, danach rollte ich noch weitere Meter über Felsen, bis ich irgendwann zum Erliegen kam. Geradeso konnte ich mich bei Bewusstsein halten, Bewegungen waren kaum möglich. Nach kurzer Zeit waren die beiden Männer bei mir, nahmen mir den Rucksack ab und halfen dabei, mich hinzusetzen. Ich hatte Wunden über den ganzen Körper verteilt, überall Blut und Schmutz. Nach kurzer Untersuchung wurde klar, dass Kopf, Rücken und Bauch fast unversehrt waren – Rucksack und Kameratasche hatten diese Körperteile geschützt. Brüche hatte ich auch nicht, nur Wunden. Nach und nach reinigte David meine Wunden zuerst mit Wasser, die tiefen Wunden dann zusätzlich mit einer Spritze und Alkohol. Die Wunde am Bein war so tief, dass das Fett herausquoll, das musste unbedingt genäht werden. Zwei weitere Wunden am Arm sahen auch gefährlich aus, aber Verbände reichten. Meine rechte Handfläche war aufgeschürft und blutete – das würde mich noch für Wochen stören, dachte ich, da Wunden in der Handfläche schwer heilen und bei Bewegungen schnell wieder aufreißen (vor allem, wenn man auf ein Paddel oder Trekkingstock angewiesen ist).
David nähte mir die Wunde am Bein mit einer groben Nähnadel und Zahnseide. Das hielt auch ganz gut, drei Stiche waren es, aber eigentlich hätte eine tiefere Hautschicht auch eine Naht gebraucht, was mit unserer medizinischen Ausrüstung unmöglich war.
Nach etwa 1,5 Stunden des Verarztens konnte ich schon wieder aufstehen und auch das Bein belasten. Alles war geschwollen und tat weh, natürlich hatte ich überall Prellungen, aber das Knochengerüst war glücklicherweise unverletzt.
Halb so schlimm, dachte ich, ein Tag Pause, dann wird’s schon wieder gehen. Meine beiden Begleiter meinten am Abend, ich solle mich rausfliegen lassen, das Risiko einer Infektion sei zu hoch. Auch Sofia meinte übers Satellitentelefon, nach Rücksprache mit einer Krankenschwester, ich solle mich unbedingt evakuieren lassen. Ich nahm Antibiotika und Schmerzmittel, danach ging’s erstmal in den Schlafsack.
Am nächsten Morgen konnte ich wieder einigermaßen gut gehen. Mein linkes Bein war ziemlich steif und beim Auftreten musste ich vorsichtig sein, aber ich meinte, dass ich weitergehen konnte. Klar, die Risiken lagen auf der Hand: Eine ernsthafte Infektion hätte mich im schlimmsten Fall das Bein kosten können. Dazu das Risiko eines weiteren Sturzes, jetzt, da meine Bewegungsfreiheit und Belastbarkeit so eingeschränkt war. Mein Rucksack war ja nicht gerade leicht. Außerdem musste ich für den letzten Teil der Reise (Arsuk – Narsarsuaq) fit sein und sollte mich davor nicht allzu sehr schinden.
Wir diskutierten unsere Optionen. David und Bernhard würden es auch ohne mich nach Arsuk schaffen, schließlich hatte David jahrelange Guiding-Erfahrung aus Alaska. Ich war enorm motiviert, weiterzugehen, obwohl mir alle zum Abbruch rieten. Das Eigenartige dabei: Vor ein paar Jahren, als ich noch kein Satellitentelefon dabei hatte und oft allein auf Tour war, hätte ich über einen Abbruch gar nicht nachgedacht; die Frage hätte sich nicht gestellt. Verleitet mich der dazugewonnene Luxus zur Bequemlichkeit?
Nun wollte ich aber auch wirklich kein Bein verlieren. Als die Wunde am Bein etwa 24 Stunden nach dem Unfall wieder zu bluten begann und ich bei einer genaueren Untersuchung feststellte, dass eine Naht ausgerissen war (David meinte, ich hätte mich zu viel bewegt), rief ich Sofia an und besprach mit ihr den Ablauf meiner Rettung. Sie war mein primärer Notfallkontakt und ich wusste, dass sie umgehend einen Anruf von SPOT bekommen würde, sobald ich den SOS-Knopf meines „SPOT gps messengers“ drücken würde.
Und so war’s dann auch. Ich drückte den Notfallknopf, daraufhin rief schon jemand bei Sofia an. Sofia erklärte der Zentrale in den USA, wie von mir instruiert, was los war und dass es kein akuter Notfall sei - es musste also kein Ärzte-Team anrücken und die Evakuierung musste auch nicht mehr am selben Tag stattfinden. Dennoch war der Hubschrauber bereits eine Stunde später unterwegs.
Es ging dann alles ganz schnell, der riesige Hubschrauber landete, ich verabschiedete mich von meinen Freunden. Die Ausrüstung (Zelte und Kochzeug) hatten wir bereits vorher so organisiert, dass die beiden ohne mich klarkommen würden. Ein paar Minuten später war ich bereits in der Luft und auf dem Weg ins nächste Krankenhaus… 180 km Flugstrecke bis Qaqortoq. Naja, zumindest hatte ich gutes Licht und konnte aus dem Heli heraus ein paar Fotos machen.

Hubschrauber gelandet.

Immer brav die Zeltstangen rausnehmen, wenn ein Hubschrauber direkt neben den Zelten landet.










Im Inneren des Helikopters. Der Pilot scherzte, dass sie fast die gesamte Zeit nur Wissenschaftler über Grönland fliegen würden und dass das Eis ohne diese „verdammten Klimaforscher“ wahrscheinlich nur halb so schnell schmelzen würde.

In Qaqortoq angekommen, spät abends, wurde ich gleich ins Krankenhaus gebracht und neu genäht. Die Krankenschwester nähte auch eine tiefere Hautschicht und meinte, das sei unbedingt nötig gewesen. Als sie unserer Nähte aus Zahnseide entfernte, schaute sie mich ungläubig an.

Am nächsten Morgen zog ich in ein Hostel um und schaute alle 1-2 Tage im Krankenhaus vorbei, nur so zur Kontrolle. David und Bernhard kamen währenddessen gut voran, bald würden sie in Arsuk sein. Am liebsten wäre ich gleich dahin aufgebrochen, leider ging das nächste Passagierschiff erst am Abend des 6. Septembers. Jeden Tag war ich am Hafen und habe mich nach Fischern oder Jägern erkundigt, die eventuell in die Gegend von Arsuk wollten, aber vergebens: Es war schon wieder zu viel Wind am Meer. Niederschlag gab es hingegen keinen, was ich umso mehr bedauerte: Jetzt, wo das Wetter gut war, saß ich in dieser verdammten Stadt fest. Körperlich ging es von mir von Tag zu Tag besser, nur die Wunde in der Hand wollte nicht so recht heilen. Offene Wunden in der Handfläche sind extrem unangenehm, glaubt mir.
Am Abend des 6. Septembers ging dann endlich das Schiff Richtung Norden, Arsuk war der zweite Halt. Pünktlich zur Abfahrt begann es zu regnen, klar. Die Fahrt nach Arsuk dauerte fast 12 Stunden, am nächsten Morgen war ich da.

Qaqortoq

Jeden Tag kam ein anderes Kreuzfahrtschiff vorbei.

Das Personal der Kreuzfahrtschiffe verteilte die ganze Zeit Becher mit Kaffee und Kakao an alle Passagiere, die an Land gingen. Die lokale Bevölkerung ging auch nicht leer aus.


Damit ging es dann zurück nach Arsuk.

Mir wurde während der Fahrt schnell langweilig, also ging ich hoch auf die Schiffsbrücke und plauderte mit dem Captain. Der stammte übrigens von den Färöer Inseln.
Am Morgen des 7. Septembers erreichte ich also Arsuk. David, Madeleine und Philipp warteten bereits auf mich. Bernhard stieg auf das Schiff, das ich verließ, und fuhr weiter bis nach Nuuk. Die anderen drei waren froh darüber, dass ich nach meinem Sturz überhaupt einsatzfähig war – und glaubt mir, ich war hoch motiviert.
Unsere Route von Arsuk bis Narsarsuaq war 240 km lang, dafür hatten wir 16 Tage Zeit. Glücklicherweise waren alle topfit und gut vorbereitet. Wir waren am Tag meiner Ankunft noch vor 11 Uhr auf dem Wasser und paddelten den Fjord entlang nach Osten.
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