AW: [IS] ISLAND Solo 2017 - Notruf auf dem Síðujökull
Heiße Quelle - Finding Guðlaug??
26.07.17
Es ist gegen 6 Uhr und bereits hell. Ein Zipfel des Zeltes steht schon in der Sonne. Ich nehme das etwas „ dumpf ” wahr, denn meine Gedanken hängen noch ein wenig in den endlosen Weiten eines weit verzweigten Traumlandes ab. Dazu kommt die dimmende Wirkung meiner neuen Schlafbrille, mit der ich tatsächlich erholsamer schlafe. Ab und zu verrutscht das Ding, was mich am Anfang immer etwas genervt hat. Inzwischen nehme ich es einfach so hin.
Das Wetter ist prächtig und der Wind gänzlich verschwunden.
Obwohl meine Camp - Location jetzt, bei Tageslicht, noch schicker aussieht, hat sie auch zumindest einen Nachteil: Durch den Wind hat der äußerst feine Vulkansand sich bereits überall, und selbst im Innenzelt als dünne Schicht verteilt. Da hilft nur Ausschütteln, Wegwischen und durch.

Camp 3

Der Plan für den heutigen Tag sieht als Nächstes vor, meine GPS - Route zu erreichen. Obwohl das Wetter für die Gletscher - Traverse über den Síðujökull perfekt ist, möchte ich die Traverse noch etwas „ hinten an ” stellen.
Die heiße Quelle „ Guðlaug ” will ich finden. Sie soll eigentlich genau auf meinem Track liegen, jedenfalls suggerieren das die Fotos, die Jens damals gemeinsam mit dem Track im Netz gefunden hatte. Dazu muss ich den Track für mehrere Stunden zurück, also in entgegengesetzter Richtung, gehen. Mein Zeitpolster ist großzügig, deshalb möchte ich das unbedingt machen.
Um die Guðlaug wird ein regelrechtes Geheimnis gemacht. Man findet nirgendwo Koordinaten im Netz und wenn, dann stimmen sie nicht ( Dieter Graser hat sie 2012 gefunden - im dritten Anlauf ).
Nach dem Frühstück packe ich alles zusammen und baue das Zelt ab. Am Anfang meines Mini - Tälchens, und wieder in der Langagil, steige ich zunächst einmal zu einer Erkundung, und ohne Rucksack, die teils steile Flanke auf der orografisch linken Seite des Flusses nach oben, um mir einen Überblick zu verschaffen.

Überblick: Der weitere Verlauf duch die Langagil - etliche Furten warten....hmm...

Langagil: Blick zurück zum Tal - Eingang

Hier oben ist kein Fortkommen - Abstieg
Das sieht zunächst vielversprechend aus, und so hole ich meinen Rucksack nach. Nach mehreren, vorgeblichen Versuchen, die Talkante zu erklettern, gebe ich auf, und steige wieder talaufwärts in die Langagil ab. Dann muss es eben auf dem beschwerlichen Weg, mitten durch die Langagil, gehen. Schon nach etwa 200m ist der Weg an einer engen, und tiefen Stelle zu Ende. Der Einschnitt lässt nur den Weiterweg mitten durch das Wasser der Langagilsá zu, dass mir schnell bis zur Hüfte reicht. Das war es dann wohl.

An dieser Stelle in der Langagil ist auch schon wieder Schluss

Blick zurück, Tal - Eingang. Kurz hinter dem Vorsprung, rechts, kann ich leicht aufsteigen
Ich bin frustriert, weil ich für wenig Strecke viel Zeit verloren habe. Dann bleibt nur der Weg über den Langasker. Da ich nicht die ganze Strecke in der Langagil wieder zurückgehen möchte, wage ich den Versuch, an der orografisch rechten Talseite direkt aufzusteigen. Das sieht wieder sehr steil aus, gelingt jedoch zu meiner Überraschung auf Anhieb. Kaum bin ich oben angelangt, ist der weitere Weg leicht und gut überschaubar. Großartige Sicht auf den Síðujökull, zum Hágöngur, Eldigur und Geirvötur. Ich komme auf dem weitläufigen und flachen Rücken schnell voran.

Auf dem Langasker ( Rücken )

Hágöngur, Eldigur und Geirvötur. Die rötliche Erhebung ist der Eldigur.

Der Langasker läuft hier sanft hinab in eine Talsenke. Diese ist auch schnell durchschritten und am Ende erreiche ich zu meiner großen Freude meinen GPS - Track. Jawohl! Alles doch noch recht flott und gut gegangen, auch, wenn die Aktionen insgesamt viel Zeit gekostet haben und es bereits früher Nachmittag ist. Nach einer Essens - Pause gehe ich gegen 14.30 Uhr weiter. Ich rechne mit mindestens 4 Stunden Wegzeit bis zur Guðlaug. Zu meiner weiteren Freude komme ich gut und zügig voran. Eine erste Furt ist völlig unproblematisch. Die Landschaft macht Laune und ist insgesamt freundlicher, und teilweise auch grüner, als ich erwartet hatte. Dann stehe ich vor einem braun - trüben Gletscherfluss. Ist das schon die Vestri Bergvatnsá? Ich bin mir nicht sicher. Der Fluss ist nicht sehr breit, vielleicht 15 bis 18m. Der Fluss hat ordentlich Gefälle, rasche, kräftige Fließgeschwindigkeit und stattlichen Wasserstand. Flußabwärts sieht es regelrecht unmöglich aus, dort zu furten, da der Fluß von hohen Lava - Wänden eingefasst wird. Flußaufwärts sieht es auf mehrere hundert Meter auch nicht besser aus. Ich gehe eine Weile auf und ab und beschließe, dicht auf meinem Track zu furten. Los gehts. Eiskaltes Wasser empfängt meine Beine und die Strömung ist enorm und reißend. Schnell reicht mir das Wasser bis zum oberen Ende der Oberschenkel. Nur noch etwa 3 Meter, es ist fast geschafft. Das Wasser reicht jetzt bis zum Gesäß, als ich zu schwanken beginne. In Bruchteilen von Sekunden sehe ich einen Film vor Augen: Ich stürze. Nein, nicht das, das kann nicht wahr sein! Im letzten Moment kann ich ein Mitreißen durch das Wasser irgendwie doch noch vermeiden. Geschockt erreiche ich das andere Ufer.
Das Adrenalin pumpt mir durch meinen Körper. Puh, das war nun aber wirklich äußerst knapp.
Ich brauche eine ganze Zeit, um mich zu beruhigen und wieder ganz bei mir zu sein. Nicht auszudenken, was passiert wäre. Vor allem der scharfkantige Lava - Canyon im Unterlauf hätte ein beachtliches Verletzungs - Potential gehabt. Mit Schrecken denke ich daran, dass ich den Fluß morgen noch einmal auf meinem Rückweg furten muss. Dann aber unbedingt in den frühen Morgenstunden.

Vestri Bergvatnsá? am anderen Morgen - sieht eigentlich harmlos aus.
Ich setze schließlich meinen Weg fort und gelange in ein übles, schwer gangbares Lavafeld.
Zu meiner Freude taucht unvermittelt, und mitten in der Lava eine flache, grüne Grasfläche auf.
Wunderbar, an dieser Stelle kann ich auf dem Rückweg das Camp errichten. Dann ist der Weg am Morgen zur Furt ganz nah.
Nach höchstens 20 Minuten stehe ich vor der nächsten Furt. Der Fluß ist ein wenig schmaler und hat klares Wasser. Hier kann ich leicht und schnell furten und das Wasser hat spürbar weniger Druck und reicht mir nur wenig über das Knie. Nach vielleicht weiteren 20 Minuten folgt der dritte Fluß: Trübes, braunes Wasser, hohe Fließgeschwindigkeit und eine satte, heftige Strömung. Ich bin geschockt: Nein, nicht schon wieder! Das bedeutet auch: Den muss ich zweimal furten, genau wie die beiden vorherigen.
Mein Mut verlässt mich, denn ich will mir diesen Fluß nicht auch noch zweimal antun. Ich treffe jetzt die für mich schwere Entscheidung, auf die Guðlaug zu verzichten, und zur Grasfläche im Lavafeld zurückzukehren, um morgen dann die erneute Furt über die, von mir so gefürchtete, Vestri Bergvatnsá zu wagen.
Ich hänge noch meinen enttäuschten Gedanken nach, als ich die Stelle über den Fluß mit dem klaren Wasser erreiche. Die Furt ist, wie schon beim ersten Mal, kein Problem. Auf der anderen Seite angekommen, fällt mir die schöne Lage und das satte, leuchtend - grüne Gras ins Auge.
Ein toller Platz, denke ich, der dazu von den tiefen Strahlen der langsam untergehenden Abendsonne illuminiert wird. Bezaubernd, super - toll, denke ich. Vielleicht ein noch schönerer Platz für mein heutiges Camp?
Plötzlich bin ich wie vom Schlag gerührt: Das gibt es nicht! Ich kenne den Ort. Ich stehe direkt an der Guðlaug!

Unerwartet am Ziel: Die Guðlaug!
Wie von selbst mischt sich das Bild aus meiner Erinnerung ( ein Foto von Dieter ) mit dem Hier und Jetzt: Ich stehe direkt neben der heißen Quelle! Wo hatte ich vorhin nur meine Augen? Da bin ich doch glatt vorbeigelaufen. Was für ein Hochgefühl dafür jetzt, das ist die pure Glückseligkeit. Im Taumel echter Freude beschließe ich natürlich umgehend, hier mein Camp zu errichten. Inzwischen ist es - fast unmerklich - windiger geworden, und es püstert ganz ordentlich, so daß ich das Zelt zum ersten Mal mit allen Leinen abspanne. Da die Sonne inzwischen noch tiefer steht, hole ich rasch einige Fotos nach. Dann geht es in den wirklich kleinen Trog, in dem höchstens zwei, na, vielleicht drei? Personen Platz haben. Zunächst schöpfe ich etwas von der organischen Masse ab, welche stückweise auf der Oberfläche schwimmt. Die muss raus, ist nicht so lecker. Die ausgestreckten Beine werden gerade so eben noch bedeckt. „ Zu wenig Wasser ”, oder „ nicht tief genug ”, befinde ich. Schön warm ist es und das ist es auch, was jetzt zählt. In der Quelle sitzend, fallen mir die ungewöhnlichen Wolken auf und ich beschließe, nach dem Essen noch einmal einen neuen Wetterbericht anzufordern.
Als ich mir den anschaue, entspanne ich mich: 25 km/h, das ist ja nur eine sanfte Brise.
Was ich aber übersehen habe, ist, das die Windgeschwindigkeit ( nur dieses eine Mal, alle anderen Male in km/h ) in m/s angegeben ist.
Ich lese noch etwas, doch nicht lange, dann fallen mir die Augen nach diesem ereignisreichen Tag zu und ich verbringe eine erholsame und erstaunlich ruhige Nacht.



Im Hintergrund schon die Sturmwolken.

Soo geil!

Total happy!
27.07.17
Am nächsten Morgen püstert es schon etwas stärker, ich habe aber keine Probleme, das Zelt sicher abzubauen. Gegen 9.30 Uhr verlasse ich die Guðlaug und mache mich auf den Weg zurück zum Síðujökull. Nach kurzer Zeit erreiche ich die kritische Furt vom Vortag. Mit klopfenden Herzen begebe ich mich in das braune, kräftig - strömende Wasser. Sofort fährt mir die Eiseskälte in die Glieder. Der Wasserstand ist tatsächlich niedriger, und so ist die Vestri Bergvatnsá schnell und sicher gefurtet. Puh - das wäre schon mal geschafft!
In zunehmend stärkerem Wind, der nun oft von der Seite bläst, komme ich merklich langsamer voran. Gegen Mittag erreiche ich den Eldigur, eine Art „ Pforte ” zum Eingang in ein kleines Gerölltals. Ich will es wie Berniehh halten und die Djúpá oberhalb der Einmündung umgehen. Das erweist sich allerdings als äußerst zeitaufwändiges Vorhaben.

Walking on the moon...


Eldigur

Ton, Steine, Scherben...

Im Seitental: Wasser, soweit das Auge reicht.

Hágöngur aus dem Seitental

Mein Ziel: Hier will ich auf das Eis.
Unzählige Furten, Umgehungen kleinerer Seen, ausweichen über das Gletschereis am rechten Rand ( mein eigentliches Ziel war der linke Gletscherrand! ) und - die absolute Krönung - der Schluss - Anstieg im Bereich der Wasserscheide: Quicksand, wohin der Fuß auch tritt.
Ein solide aussehender, größerer Stein, dann Belastung, und schon geht es bis zum Hintern hinein in den Schlamm / Modder. Danach das Bein wieder irgendwie herausziehen, ohne den Schuh in der Tiefe zu verlieren - ein schlauchendes und nervenaufreibendes Geduldspiel. Der anschließende, kurze Weg zu einem nahen Bach - Obacht - damit sich das Schauspiel nicht gleich wiederholt.
Mehrere Male ist das dann doch nicht zu vermeiden. Im Bach dann das eingesiffte Bein abspülen, dann einen neuen, „ soliden ” Stein suchen und - genau…..abwärts geht es von Neuem. Dazu noch der zunehmende Sturm, den ich bei der ganzen, konzentrierten Aktion kaum bemerkt habe. Ich fluche und schimpfe, wie ein Rohrspatz, aber natürlich hilft es nicht. Ich bin kurz vor dem Knallpunkt!
Als ich es kaum noch zu hoffen wage stehe ich doch noch am Gletscherrand. Die neuen Steigeisen sind mit klammen, ungeübten Fingern nur schwer zu befestigen. Ich bin ungeduldig, frustriert benötige einen 2. Versuch. Das klappt und ich bewege mich flott von der Eiskante weg.

Endlich auf dem Eis!

Blick zurück in das Seitental.
Gegen 19.30 Uhr gehe ich los. Endlich wieder Strecke machen! Anfangs komme ich zügig voran, obwohl es erst einmal stetig bergauf geht. Ich bin an dieser Stelle mehrere Kilometer von meinem GPS - Track entfernt und möchte diesen jetzt schnellstmöglich erreichen, um dort den zunehmenden Sturm abzuwettern, das Zelt dort zu errichten und ( zumindest ) eine dringend benötigte Pause zu machen.
Erst gegen 22 Uhr erreiche ich meinen GPS - Track. Schwer schwankend stehe ich im Sturm. Was nun?
- to be continued -
Heiße Quelle - Finding Guðlaug??
26.07.17
Es ist gegen 6 Uhr und bereits hell. Ein Zipfel des Zeltes steht schon in der Sonne. Ich nehme das etwas „ dumpf ” wahr, denn meine Gedanken hängen noch ein wenig in den endlosen Weiten eines weit verzweigten Traumlandes ab. Dazu kommt die dimmende Wirkung meiner neuen Schlafbrille, mit der ich tatsächlich erholsamer schlafe. Ab und zu verrutscht das Ding, was mich am Anfang immer etwas genervt hat. Inzwischen nehme ich es einfach so hin.
Das Wetter ist prächtig und der Wind gänzlich verschwunden.
Obwohl meine Camp - Location jetzt, bei Tageslicht, noch schicker aussieht, hat sie auch zumindest einen Nachteil: Durch den Wind hat der äußerst feine Vulkansand sich bereits überall, und selbst im Innenzelt als dünne Schicht verteilt. Da hilft nur Ausschütteln, Wegwischen und durch.
Camp 3
Der Plan für den heutigen Tag sieht als Nächstes vor, meine GPS - Route zu erreichen. Obwohl das Wetter für die Gletscher - Traverse über den Síðujökull perfekt ist, möchte ich die Traverse noch etwas „ hinten an ” stellen.
Die heiße Quelle „ Guðlaug ” will ich finden. Sie soll eigentlich genau auf meinem Track liegen, jedenfalls suggerieren das die Fotos, die Jens damals gemeinsam mit dem Track im Netz gefunden hatte. Dazu muss ich den Track für mehrere Stunden zurück, also in entgegengesetzter Richtung, gehen. Mein Zeitpolster ist großzügig, deshalb möchte ich das unbedingt machen.
Um die Guðlaug wird ein regelrechtes Geheimnis gemacht. Man findet nirgendwo Koordinaten im Netz und wenn, dann stimmen sie nicht ( Dieter Graser hat sie 2012 gefunden - im dritten Anlauf ).
Nach dem Frühstück packe ich alles zusammen und baue das Zelt ab. Am Anfang meines Mini - Tälchens, und wieder in der Langagil, steige ich zunächst einmal zu einer Erkundung, und ohne Rucksack, die teils steile Flanke auf der orografisch linken Seite des Flusses nach oben, um mir einen Überblick zu verschaffen.
Überblick: Der weitere Verlauf duch die Langagil - etliche Furten warten....hmm...
Langagil: Blick zurück zum Tal - Eingang
Hier oben ist kein Fortkommen - Abstieg
Das sieht zunächst vielversprechend aus, und so hole ich meinen Rucksack nach. Nach mehreren, vorgeblichen Versuchen, die Talkante zu erklettern, gebe ich auf, und steige wieder talaufwärts in die Langagil ab. Dann muss es eben auf dem beschwerlichen Weg, mitten durch die Langagil, gehen. Schon nach etwa 200m ist der Weg an einer engen, und tiefen Stelle zu Ende. Der Einschnitt lässt nur den Weiterweg mitten durch das Wasser der Langagilsá zu, dass mir schnell bis zur Hüfte reicht. Das war es dann wohl.

An dieser Stelle in der Langagil ist auch schon wieder Schluss

Blick zurück, Tal - Eingang. Kurz hinter dem Vorsprung, rechts, kann ich leicht aufsteigen

Ich bin frustriert, weil ich für wenig Strecke viel Zeit verloren habe. Dann bleibt nur der Weg über den Langasker. Da ich nicht die ganze Strecke in der Langagil wieder zurückgehen möchte, wage ich den Versuch, an der orografisch rechten Talseite direkt aufzusteigen. Das sieht wieder sehr steil aus, gelingt jedoch zu meiner Überraschung auf Anhieb. Kaum bin ich oben angelangt, ist der weitere Weg leicht und gut überschaubar. Großartige Sicht auf den Síðujökull, zum Hágöngur, Eldigur und Geirvötur. Ich komme auf dem weitläufigen und flachen Rücken schnell voran.
Auf dem Langasker ( Rücken )
Hágöngur, Eldigur und Geirvötur. Die rötliche Erhebung ist der Eldigur.
Der Langasker läuft hier sanft hinab in eine Talsenke. Diese ist auch schnell durchschritten und am Ende erreiche ich zu meiner großen Freude meinen GPS - Track. Jawohl! Alles doch noch recht flott und gut gegangen, auch, wenn die Aktionen insgesamt viel Zeit gekostet haben und es bereits früher Nachmittag ist. Nach einer Essens - Pause gehe ich gegen 14.30 Uhr weiter. Ich rechne mit mindestens 4 Stunden Wegzeit bis zur Guðlaug. Zu meiner weiteren Freude komme ich gut und zügig voran. Eine erste Furt ist völlig unproblematisch. Die Landschaft macht Laune und ist insgesamt freundlicher, und teilweise auch grüner, als ich erwartet hatte. Dann stehe ich vor einem braun - trüben Gletscherfluss. Ist das schon die Vestri Bergvatnsá? Ich bin mir nicht sicher. Der Fluss ist nicht sehr breit, vielleicht 15 bis 18m. Der Fluss hat ordentlich Gefälle, rasche, kräftige Fließgeschwindigkeit und stattlichen Wasserstand. Flußabwärts sieht es regelrecht unmöglich aus, dort zu furten, da der Fluß von hohen Lava - Wänden eingefasst wird. Flußaufwärts sieht es auf mehrere hundert Meter auch nicht besser aus. Ich gehe eine Weile auf und ab und beschließe, dicht auf meinem Track zu furten. Los gehts. Eiskaltes Wasser empfängt meine Beine und die Strömung ist enorm und reißend. Schnell reicht mir das Wasser bis zum oberen Ende der Oberschenkel. Nur noch etwa 3 Meter, es ist fast geschafft. Das Wasser reicht jetzt bis zum Gesäß, als ich zu schwanken beginne. In Bruchteilen von Sekunden sehe ich einen Film vor Augen: Ich stürze. Nein, nicht das, das kann nicht wahr sein! Im letzten Moment kann ich ein Mitreißen durch das Wasser irgendwie doch noch vermeiden. Geschockt erreiche ich das andere Ufer.




Vestri Bergvatnsá? am anderen Morgen - sieht eigentlich harmlos aus.

Ich setze schließlich meinen Weg fort und gelange in ein übles, schwer gangbares Lavafeld.
Zu meiner Freude taucht unvermittelt, und mitten in der Lava eine flache, grüne Grasfläche auf.
Wunderbar, an dieser Stelle kann ich auf dem Rückweg das Camp errichten. Dann ist der Weg am Morgen zur Furt ganz nah.
Nach höchstens 20 Minuten stehe ich vor der nächsten Furt. Der Fluß ist ein wenig schmaler und hat klares Wasser. Hier kann ich leicht und schnell furten und das Wasser hat spürbar weniger Druck und reicht mir nur wenig über das Knie. Nach vielleicht weiteren 20 Minuten folgt der dritte Fluß: Trübes, braunes Wasser, hohe Fließgeschwindigkeit und eine satte, heftige Strömung. Ich bin geschockt: Nein, nicht schon wieder! Das bedeutet auch: Den muss ich zweimal furten, genau wie die beiden vorherigen.
Mein Mut verlässt mich, denn ich will mir diesen Fluß nicht auch noch zweimal antun. Ich treffe jetzt die für mich schwere Entscheidung, auf die Guðlaug zu verzichten, und zur Grasfläche im Lavafeld zurückzukehren, um morgen dann die erneute Furt über die, von mir so gefürchtete, Vestri Bergvatnsá zu wagen.
Ich hänge noch meinen enttäuschten Gedanken nach, als ich die Stelle über den Fluß mit dem klaren Wasser erreiche. Die Furt ist, wie schon beim ersten Mal, kein Problem. Auf der anderen Seite angekommen, fällt mir die schöne Lage und das satte, leuchtend - grüne Gras ins Auge.
Ein toller Platz, denke ich, der dazu von den tiefen Strahlen der langsam untergehenden Abendsonne illuminiert wird. Bezaubernd, super - toll, denke ich. Vielleicht ein noch schönerer Platz für mein heutiges Camp?
Plötzlich bin ich wie vom Schlag gerührt: Das gibt es nicht! Ich kenne den Ort. Ich stehe direkt an der Guðlaug!

Unerwartet am Ziel: Die Guðlaug!
Wie von selbst mischt sich das Bild aus meiner Erinnerung ( ein Foto von Dieter ) mit dem Hier und Jetzt: Ich stehe direkt neben der heißen Quelle! Wo hatte ich vorhin nur meine Augen? Da bin ich doch glatt vorbeigelaufen. Was für ein Hochgefühl dafür jetzt, das ist die pure Glückseligkeit. Im Taumel echter Freude beschließe ich natürlich umgehend, hier mein Camp zu errichten. Inzwischen ist es - fast unmerklich - windiger geworden, und es püstert ganz ordentlich, so daß ich das Zelt zum ersten Mal mit allen Leinen abspanne. Da die Sonne inzwischen noch tiefer steht, hole ich rasch einige Fotos nach. Dann geht es in den wirklich kleinen Trog, in dem höchstens zwei, na, vielleicht drei? Personen Platz haben. Zunächst schöpfe ich etwas von der organischen Masse ab, welche stückweise auf der Oberfläche schwimmt. Die muss raus, ist nicht so lecker. Die ausgestreckten Beine werden gerade so eben noch bedeckt. „ Zu wenig Wasser ”, oder „ nicht tief genug ”, befinde ich. Schön warm ist es und das ist es auch, was jetzt zählt. In der Quelle sitzend, fallen mir die ungewöhnlichen Wolken auf und ich beschließe, nach dem Essen noch einmal einen neuen Wetterbericht anzufordern.
Als ich mir den anschaue, entspanne ich mich: 25 km/h, das ist ja nur eine sanfte Brise.
Was ich aber übersehen habe, ist, das die Windgeschwindigkeit ( nur dieses eine Mal, alle anderen Male in km/h ) in m/s angegeben ist.
Ich lese noch etwas, doch nicht lange, dann fallen mir die Augen nach diesem ereignisreichen Tag zu und ich verbringe eine erholsame und erstaunlich ruhige Nacht.
Im Hintergrund schon die Sturmwolken.
Soo geil!
Total happy!
27.07.17
Am nächsten Morgen püstert es schon etwas stärker, ich habe aber keine Probleme, das Zelt sicher abzubauen. Gegen 9.30 Uhr verlasse ich die Guðlaug und mache mich auf den Weg zurück zum Síðujökull. Nach kurzer Zeit erreiche ich die kritische Furt vom Vortag. Mit klopfenden Herzen begebe ich mich in das braune, kräftig - strömende Wasser. Sofort fährt mir die Eiseskälte in die Glieder. Der Wasserstand ist tatsächlich niedriger, und so ist die Vestri Bergvatnsá schnell und sicher gefurtet. Puh - das wäre schon mal geschafft!
In zunehmend stärkerem Wind, der nun oft von der Seite bläst, komme ich merklich langsamer voran. Gegen Mittag erreiche ich den Eldigur, eine Art „ Pforte ” zum Eingang in ein kleines Gerölltals. Ich will es wie Berniehh halten und die Djúpá oberhalb der Einmündung umgehen. Das erweist sich allerdings als äußerst zeitaufwändiges Vorhaben.
Walking on the moon...
Eldigur
Ton, Steine, Scherben...
Im Seitental: Wasser, soweit das Auge reicht.
Hágöngur aus dem Seitental
Mein Ziel: Hier will ich auf das Eis.
Unzählige Furten, Umgehungen kleinerer Seen, ausweichen über das Gletschereis am rechten Rand ( mein eigentliches Ziel war der linke Gletscherrand! ) und - die absolute Krönung - der Schluss - Anstieg im Bereich der Wasserscheide: Quicksand, wohin der Fuß auch tritt.
Ein solide aussehender, größerer Stein, dann Belastung, und schon geht es bis zum Hintern hinein in den Schlamm / Modder. Danach das Bein wieder irgendwie herausziehen, ohne den Schuh in der Tiefe zu verlieren - ein schlauchendes und nervenaufreibendes Geduldspiel. Der anschließende, kurze Weg zu einem nahen Bach - Obacht - damit sich das Schauspiel nicht gleich wiederholt.
Mehrere Male ist das dann doch nicht zu vermeiden. Im Bach dann das eingesiffte Bein abspülen, dann einen neuen, „ soliden ” Stein suchen und - genau…..abwärts geht es von Neuem. Dazu noch der zunehmende Sturm, den ich bei der ganzen, konzentrierten Aktion kaum bemerkt habe. Ich fluche und schimpfe, wie ein Rohrspatz, aber natürlich hilft es nicht. Ich bin kurz vor dem Knallpunkt!
Als ich es kaum noch zu hoffen wage stehe ich doch noch am Gletscherrand. Die neuen Steigeisen sind mit klammen, ungeübten Fingern nur schwer zu befestigen. Ich bin ungeduldig, frustriert benötige einen 2. Versuch. Das klappt und ich bewege mich flott von der Eiskante weg.
Endlich auf dem Eis!
Blick zurück in das Seitental.
Gegen 19.30 Uhr gehe ich los. Endlich wieder Strecke machen! Anfangs komme ich zügig voran, obwohl es erst einmal stetig bergauf geht. Ich bin an dieser Stelle mehrere Kilometer von meinem GPS - Track entfernt und möchte diesen jetzt schnellstmöglich erreichen, um dort den zunehmenden Sturm abzuwettern, das Zelt dort zu errichten und ( zumindest ) eine dringend benötigte Pause zu machen.
Erst gegen 22 Uhr erreiche ich meinen GPS - Track. Schwer schwankend stehe ich im Sturm. Was nun?
- to be continued -
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