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Donnerstag, 20.05.2010 - Gleann Lichd & Fionngleann, mal wieder im Regen -
Immer noch schwül, warm, windstill, mit gelegentlichem drizzle. Da macht Wandern keinen Spaß. Ich habe mich für die längere, aber allwettertaugliche Route durchs Gleann Lichd und Fionngleann entschieden. Im Gleann Lichd fängt es an zu regnen. Ich koche in der Regenjacke vor mich hin.
Zum Glück hört es kurz vor dem Glenlicht-House wieder auf. Bei diesen Temperaturen in Regenklamotten am Allt Grannda entlang bergauf zu gehen wäre auch nicht so nett gewesen. Letztes Jahr bin ich diesen Weg in der entgegengesetzten Richtung gegangen, auch bei Regen und dichten Wolken. Es will aber auch nicht aufklaren.
Als ich mich am Glenlicht-House zu meiner Pause niederlasse, überholt mich ein anderer goretexverhüllter Wanderer. Einen Namen nennt er nicht, aber er ist ein local, wohnt am Fuß des Sgùrr an Airgid, und trainiert für den Highland Cross. Aha, ein Profi. Er hat den gleichen Weg wie ich, aber bestimmt in einem höheren Tempo. Er eilt weiter, ich bleibe noch ein wenig sitzen.
Bei der Camban Bothy mache ich die nächste Pause. Hinter mir ziehen dichte dunkle Wolken auf. Daheim würde ich sie für Gewitterwolken halten, aber hier? Ich gehe weiter bis zum Alltbeithe Hostel. Die beiden neuen wardens, ein deutsches Ehepaar, haben heute ihren Einkaufstag. Ein Zettel an der Tür sagt, dass im mixed dorm noch Betten frei sind. Eine Übernachtung in einem großen Schlafsaal mit möglicherweise mehreren Schnarchern erscheint mir plötzlich nicht mehr so erstrebenswert. Die Wolken sehen auch schon weniger bedrohlich aus als vorhin.
Ich beschließe weiterzuwandern und irgendwo mein Zelt aufzubauen. Auf halbem Weg zwischen dem Hostel und dem Strawberry Cottage finde ich einen schönen Platz am Fluss.
Am Sandstrand vom Loch Affric mache ich eine lange Pause. Der Loch ist glatt, die Berge spiegeln sich darin. Es ist so ruhig und friedlich, ich will gar nicht weiter.
Der Track ist gut ausgebaut, aber steinig; schlecht für Füße und Knie.
Am carpark angekommen, peile ich erst mal die Lage im Hinblick auf Leute, die ich um einen Lift bitten kann. Der carpark ist voll, aber nur drei Leute sind zu sehen. Auf einer Picknickbank sitzt ein älterer Mann mit Zeitung und Thermoskanne, und bei einem VW-Bus sind zwei junge Leute am Ein-, Aus- und Umräumen. Ich lasse mich auf der nächstbesten Picknickbank nieder und trage meinen Teil zur Luftverschmutzung bei, indem ich Stiefel und Socken ausziehe und die Füße in der Luft trockne. Mit frischen, trockenen Socken geht es mir gleich besser. Der VW-Bus ist weg; ich setze den Rucksack auf und steuere auf den älteren Mann zu. Da kommt er mir schon entgegen. Ob er mir einen Lift nach Cannich anbieten kann? Und ob! Wir warten noch auf seinen Kumpel, der entweder heute oder morgen zwischen 12.00 und 13.30 Uhr von Alltbeithe hierher kommt. Dann fährt mich Victor, so heißt er, zur Campsite. Da er dort einen Caravan gemietet hat, ist es für ihn kein Umweg. Ich verspreche, später auf einen Kaffee vorbeizukommen. Nach einer Dusche, wenn ich mich wieder einigermaßen menschlich hergerichtet habe. Der Kaffee ist gut, das Gespräch interessant, aber den angebotenen Früchtekuchen seiner Frau lehne ich dankend ab. Der sieht aus, als wäre man nach einem Bissen für mindestens zwei Tage pappsatt.
Während die Stinkesocken ihre Runden in der Waschmaschine drehen, drehe ich meine Runde über die Campsite. Dieses grüne Zelt dort, das hat eine interessante Form. Ich gehe näher hin. Aha, ein Terra Nova. Aber was für ein Modell? Da kommt doch der namenlose local herausgekrochen. Großes Hallo, wie geht’s? Die arme Socke musste den ganzen Weg vom carpark bis zur Campsite laufen. Keiner hielt an um ihn mitzunehmen. So fit wie er aussieht, kann er halt nicht vom „Kleine Frau mit großem Rucksack“-Bonus profitieren. Ich frage ihn dann, was für ein Zelt er hat. Terra Nova Laser, der große Bruder von meinem LaserComp. Irgendwas stimmt nicht. Dann sehe ich es: Statt den Gestängebogen in den dafür vorgesehenen Kanal zu schieben, hat er ihn lediglich durch die Schlaufen für das Polecover geschoben. Eingeweihte wissen, was ich meine. Das Ergebnis sieht jedoch irgendwie - seltsam - aus. Mit dieser Konstruktion war er in Neuseeland unterwegs, erzählt er mir, und niemand erklärte ihm, was falsch war. Bei nächsten Zeltaufbau werde er an mich denken. Während meine Stinkesocken weiter ihre Runden drehen, unterhalten wir uns übers Wandern, über die Unterschiede zwischen Wandern in Neuseeland und Wandern in Schottland (wobei ich da nicht mitreden kann), und über Ausrüstung. Dann muss ich meine Socken weiter betreuen, packe sie in den Trockner, und unterhalte mich mit Mr Laser weiter über Zelte, Rucksäcke, Kocher usw. Anschließend bummele ich noch ein wenig durch das beschauliche Dörfchen Cannich, und verbringe den Abend mit Nichtstun.
Das Schaf war echt irre. Normalerweise rennen die ja weg, wenn man näher kommt. Dieses nicht. Die Dame blieb mitten auf dem Weg stehen, ihr Lämmchen hinter sich (das sieht man auf dem Foto deshalb nicht). Ich komme näher, sie bleibt stur stehen. Ich bleibe stehen, hole den Foto raus (spätestens jetzt hätte jedes halbwegs normale Schaf die Flucht ergriffen), fotografiere, packe den Foto wieder ein, die Dame kommt näher - und will an meiner Fototasche knabbern!!! Ich habe ihr dann kurz über die Nase gestreichelt, sie weggeschubst, und dann ist sie samt Nachwuchs gegangen. Ob sie vielleicht eine "Handaufzucht" war? Oder einfach nur doof? Auf alle Fälle fotogen.
Ist das warm hier! Mein Schlafsack ist eindeutig zu warm für diese Temperaturen. Trotzdem habe ich gut geschlafen. Meinem Knie geht es deutlich besser. Nach einer ausgiebigen Dusche (ja, die Annehmlichkeiten der Zivilisation) schlurfe ich in Crocs zum Dorfladen und fülle die Vorräte wieder auf. Um das Knie bei Laune und bereit für weitere Mitarbeit zu halten, habe ich mir heute Ruhe verordnet. Als ich am späten Vormittag im Coffeeshop der Campsite sitze (empfehlenswert: guter Kaffee und frischgekochtes Essen), taucht Victor wieder auf. Er fährt jetzt zum carpark um seinen Munro-sammelnden Kumpel abzuholen, und anschließend fahren beide weiter an das Loch Ossian. Vielleicht läuft man sich ja dort noch mal über den Weg. Nachmittags rufe ich Nic an. Wir verabreden uns für Sonntag, zehn Uhr, an der Campsite, und tauschen Neuigkeiten aus.
Am späten Nachmittag wird die Campsite voll. Ein paar Meter neben mir baut ein mit Auto angereister Deutscher sein Zelt auf. Er scheint seinen ganzen Hausstand dabei zu haben. Zwei TAR, Bettlaken, Unmengen von Essen, ein richtiger Grill … Ich gönne es ihm ja. Aber muss dieser Mensch sein Autoradio so laut plärren lassen? Das nervt. Später heizt er den Grill an. Die Funken fliegen bedenklich dicht an meinem Zelt vorbei. Jetzt reicht es. Die Dauerberieselung mit schlechter Musik kann ich ausblenden, aber auf Brandlöcher in der Zeltplane kann ich verzichten. Ich gehe rüber und bitte ihn freundlich, den Grill etwas zur Seite zu rücken. Ich bin ihm dabei auch gerne behilflich. Meine Güte, was für ein Miesepeter! Erst die Aufzählung der Kosten, die ihm entstehen, wenn er mein Zelt abfackelt, veranlassen ihn zum Handeln. Common sense is not very common, wie Mr Laser so schön sagte.
Sonntag, 23.05.2010 - Das LaserComp-Treffen -
Zum ersten Mal in diesem Urlaub packe ich morgens ein Zelt ein, dass weder vom Regen noch vom Tau nass ist; ein ganz ungewohntes Gefühl. Nic holt mich um 10.00 Uhr an der Campsite ab. Wir fahren mit dem Auto nach Dalwhinnie, vorbei an den immer noch schneebedeckten Cairngorms. Das Wetter ist perfekt. Die dunkle Wolke, die sich am Loch Ericht entlang hartnäckig über uns hielt, verabschiedet sich etwa bei der Ben Alder Lodge.
Vorher verlassen wir den regulären Track, um ein paar Höhenmeter zu sparen. Die Abkürzung bringt uns dann wieder auf den Track, aber erst nachdem mein dicker Rucksack und ich uns einen Weg durch hohes Gestrüpp gebahnt haben. Merke: Immer einen, der nicht UL unterwegs ist, voraus schicken. Wir wählen den Weg am Loch Pattack entlang; der ist zwar länger, aber wir haben ja Zeit.
In der Nähe der Culra Bothy bauen wir unsere Zelte auf. Das Ergebnis sieht aus wie eine Werbung für das LaserComp. Zwei Zelte, eine Wiese, im Hintergrund Ben Alder, schönes Wetter … Gefällt mir.
Das Wetter, bisher sonnig, trocken, leicht bewölkt, wird gegen Abend ziemlich kühl. Der Wind macht den Aufenthalt im Freien unangenehm.
Montag, 24.05.2010 - Ben Alder, oder „Wo ist der Loch?“ -
Es wurde mal wieder nichts mit einem Munro. Zumindest nicht für mich. Wie schon im letzten Jahr sorgten die nicht vorhandene Trittsicherheit und die mangelnde Kondition dafür, dass ich den Aufstieg vorzeitig abbrach.
Der Morgen fing auch nicht gut an. Es regnete bis Viertel nach Acht, und die Wolken hingen sehr tief. Auf dem hervorragenden Weg zum Bealach Beithe wird mir schwindlig. Muss sich der Kreislauf denn ausgerechnet heute melden?
Im Windschatten eines großen Felsens machen wir Pause. Wo ist mein blaues Sitzkissen? Verflixt, das habe ich nach der Kreislaufpause liegen gelassen. Lebe wohl, kleines Kissen, es war eine schöne Zeit! Schneller als erwartet sind wir auf dem Pass.
Die Wolken sind inzwischen wieder oben, dort wo sie hingehören, und der Gipfel ist frei. Wir beobachten zwei Wanderer, die vom Ben Alder absteigen, direkt neben den Crags. Nics Routenplan zeigt einen Weg, der direkt neben einem winzig kleinen Loch verläuft. Eigentlich ist so ein Loch ja ein guter Orientierungspunkt, nur, wo ist er? Nach einer vergeblichen Suche orientiert sich Nic an Bachläufen, ich stampfe einfach hinterher. Mir ist diese Route unheimlich, ich bin halt ein Angsthase. Schon ein ganzes Stück weiter oben beschließe ich umzukehren. Bei dem steilen Abstieg meldet sich mein Knie deutlich zu Wort. Nic geht vom Pass aus auf den Nachbar-Munro, Beinn Bheòil, ich gehe runter zur Bothy. Ich lasse mir Zeit, mache Fotos, und schone bei den steileren Abschnitten das schmerzende Knie.
Und dann: Am Kreislauf-Felsen liegt mein Sitzkissen! Der Tag ist gerettet; die Wiedersehensfreude ist zwar einseitig, aber groß.
Als ich auf die Bothy und unsere Campsite zugehe, sehe ich von weitem, dass sich eine Person an einem unserer Zelte zu schaffen macht. Das darf doch wohl nicht wahr sein! Kurz darauf erkenne ich die kermitgrüne Jacke von Nic. Diese Frau wird mir unheimlich! In der Zeit, in der ich (zugegeben, sehr gemütlich) vom Pass zur Bothy gegangen bin, ist sie mal eben auf einen Munro und wieder runter. Mit je einer Dose Cider setzen wir uns vor der Bothy in die Sonne. Nic bestellt mir Grüße von Victor; ich soll doch morgen auf eine Tasse Kaffee vorbeikommen. Eine detaillierte Wegbeschreibung folgt. Die beiden Wanderer, die etwas waghalsig neben den Crags von Ben Alder abstiegen und dann Beinn Bheòil in Angriff nahmen, waren doch tatsächlich Victor (der von dem Glen Affric carpark) und sein Kumpel Pete. Oben auf dem Beinn Bheòil sind sie sich über den Weg gelaufen. Später gehen wir zum Kochen in die Bothy. Das ist deutlich gemütlicher und vor allem geselliger als das Kochen im Zelt. Nach dem Essen beschließt Nic, noch mal eben schnell einen Verdauungsspaziergang auf den Munro Carn Dearg, direkt hinter der Bothy, zu unternehmen. Mein Knie, das die letzten Stunden Ruhe gab, meldet sich beim Grabenspringen von der Bothy zum Zelt wieder. Ich beschränke mich aufs Fotografieren und kuschele mich dann mit einem Buch in den Schlafsack. So gegen halb zehn ist Nic wieder da, total durchgefroren. Es weht ein ordentlicher Wind; die Nacht verspricht kalt zu werden.
Wird sie auch. Als ich um halb vier mal raus muss, sehe ich, dass das Zelt mit Reif bedeckt ist. Schnell zurück in den warmen Schlafsack! Um 7.00 Uhr wird es warm im Zelt, die Sonne scheint.
Früher als geplant bin ich bereit zum Aufbruch. Ich verabschiede mich von Nic, die sich dann noch mal in den Schlafsack verziehen will, und laufe los. Ganz gemütlich geht es in Richtung Bealach Dubh, das letzte Stück ist etwas steil, dann bin ich oben. Ein paar einsame Schneeflocken irren umher und verkürzen die Pause.
Ein Stück weiter unten wird es deutlich wärmer. Die Jacke wird auf den Rucksack gepackt, ich gehe im T-Shirt weiter. Trockenen Fußes gehe ich quer durchs Gelände, weglos, hinunter zum Uisge Labhair. Wo ist denn der ganze Matsch? Der Uisge Labhair hat mal wieder einen niedrigen Wasserstand, ich platsche einfach so durch und komme genau am Pfad am anderen Ufer an. Ha, Punktlandung! Letztes Jahr musste ich den Pfad erst einmal suchen. Auch hier: trockener, rissiger Bog.
Wo ich im September immer wieder bogholes ausweichen musste, kann ich heute fast überall gehen. Lediglich an einigen Wasserläufen muss ich ein paar Meter vom Weg abweichen. Sonnenschein und ein Stück Wiese laden zu einer Pause ein.
Dennoch bin ich eher als erwartet in der Nähe vom Loch Ossian. Ich sehe einen silbernen Kombi auf dem Landrover Track im Strath Ossian fahren und denke „Die sind ja goldig. Laden mich zum Kaffee ein und fahren weg.“ Aber nein, das Auto hält an, wendet, fährt zurück. Kurz vor der Lodge „Hi, Marion!“ Und da sind sie, die beiden älteren Herren, die von Nic immer noch schwer beeindruckt sind. Das Apartment in der Corrour Shooting Lodge sorgt beinahe für einen beidseitigen Augenstillstand: Blumentapete im Flur, eine hellblaugrundige Blumentapete in der Küche. Nicht nur an den Wänden, nein, auch die Schränke und sogar der Kühlschrank sind damit beklebt. Der Schock muss mir deutlich anzusehen gewesen sein. Nach einer Tasse Kaffee und einem netten Plausch gehe ich weiter, jetzt wieder kilometerweit auf einem Landrovertrack.
Die Wiese ist heute ganz für mich alleine da. Ein sonniger Tag geht zuende. Ich bin hundemüde und schalte auf Automatik. Zelt aufbauen, einrichten, Wasser holen, waschen, kochen, essen, spülen - und dann ab in die Heia. War das schön heute. Mit einem zufriedenen Grinsen auf dem Gesicht mache ich den Schlafsack zu.
Ich bin wieder früh bereit zum Aufbruch. Beim Frühstück denke ich mir „Nie wieder Porridge“, und würge das Zeug runter.
Das Glen Nevis ist erstaunlich trocken. Kaum bogholes, daher sind fast keine Umwege erforderlich. Das Laufen ist sehr angenehm. Sonne, ab und zu ein paar Wolken, aber kalt.
Gegenüber ist die Meanach Bothy, umgeben von sumpfigem Gelände. Sumpfiges Gelände? Wo denn? Bei der Umgehung des ersten Wasserlaufes (der mich letztes Jahr im Mai so genervt hat) gerate ich zu weit weg vom Fluss. Ich beschließe, auf direktem Weg zum Fluss zu gehen. Es ist unfassbar, aber der Boden ist so was von trocken … Statt des schmatzenden Geräusches von Stiefel in bog höre ich heute nur das Rascheln von trockenem Gras.
Auch den Abhainn Rath kann ich durchqueren, ohne die Schuhe zu wechseln. Eine Pause mache ich trotzdem bei der Furt. Die Socken sind nassgeschwitzt, und den Füßen tut ein kühles Bad bestimmt gut. Ist das schön!
Ein Stück hinter dem Tom an Eite begegnen mir zwei Wanderer. Sie haben nach einem etwas frustrierenden WHW noch drei Tage Zeit und den weisen Entschluss gefasst, von Fort William zur Corrour Station zu laufen. Sie genießen es.
Warum kam mir das Glen Nevis letztes Jahr nur so lang vor?
Schon bin ich kurz vor der Steall Ruine. Dort sitzen drei junge Leute und essen. Sie fragen mich, woher ich komme. Als ich antworte, dass ich seit zwei Wochen unterwegs bin, bieten sie mir erst mal ein Sandwich an. Wir plaudern ein wenig, und dann bedanke ich mich für das XXL-Sandwich (ich bin pappsatt!) und rolle - ähh, gehe - weiter Richtung Wasserfall. Die drei wollen noch ein wenig ins Tal hineinlaufen.
Ich bin es nicht mehr gewohnt, so viele Menschen an einem Ort zu sehen. Mit meinem dicken Rucksack, dem zerzausten Aussehen und den schlammigen Gamaschen (ja, ein paar bogholes gab es noch) sehen mich einige an wie ein Wesen von einem anderen Stern. Ich gehe durch die Schlucht, jeder Schritt bringt mich meinem Ziel näher, erreiche den Parkplatz unter den mitleidigen Blicken eines gut gestylten älteren Paares, werfe Rucksack und Stöcke hin, und veranstalte ein kleines Freudentänzchen. Geschafft!! Ich habe die Tour komplett durchgezogen, ohne nennenswerte Blessuren. Wahnsinn!! Und um den Tag perfekt zu machen, kommen die drei Sandwich-Spender auf den Parkplatz, freuen sich mit mir, und bieten mir einen Lift bis zur Campsite im Glen Nevis an. Besser geht es nicht! Großes Umarmen beim Abschied, als würden wir uns schon ewig kennen. Die drei können sich richtig mit mir freuen.
Ich checke ein, und gehe in den Shop, bevor ich das Zelt aufbaue. Duschzeug, Deo, Haarkur. Ein kaltes Getränk. Und ein Eis. Dann suche ich mir einen schönen Platz für mein Zelt, setze mich auf den Rucksack, und genieße das Eis. Dann aufbauen, einrichten, Klamotten raussuchen - duschen! Den Waschtag verschiebe ich auf morgen. Frisch entmüffelt, mit gewaschenen und gefönten Haaren, mache ich es mir vor dem Zelt in der Sonne gemütlich.
Die Tour war einmalig schön. Erwähnte ich das schon einmal? Macht nichts, es gibt Dinge, die man gar nicht oft genug sagen kann. Abends gehe ich ins Pub, esse was, trinke einen Cider, und fange mit diesem Bericht an. Nach dem ersten Pint höre ich auf zu schreiben, sonst wird es zu wirr…
Donnerstag, 27.05.2010 - Einkaufen & Faulenzen -
ohne Worte
Freitag, 28.05.2010 - Wäre ich doch bei Porridge geblieben … -
… hätte ich mir nicht die Hand zerschnitten. Aber ich wollte ja unbedingt Brot zum Frühstück. Keine Ahnung, wie ich das angestellt habe, auf alle Fälle rutsche ich mit dem Messer ab und schneide mir in den linken Handballen (so etwa 6cm unterhalb vom kleinen Finger). Erster Gedanke: Mist. Das ist tief. Zweiter Gedanke: Erste Hilfe. Gut, wenn man ein aufgeräumtes Zelt hat. Ich presse zwei saubere Taschentücher auf die Wunde, und hole das First Aid Kit aus dem Deckelfach des Rucksacks. Der einzige Gegenstand, den ich (abgesehen vom Bivvybag und der Signalpfeife) bisher nicht gebraucht habe! Verbandmull, Tape - hält. Das Kaffeewasser kocht, das Brot wartet. Ich frühstücke erst mal. Dann: ohne Doc geht das nicht. Vermutlich muss es genäht werden. Anstelle der geplanten kleinen Tour im Glen Coe mache ich einen Ausflug in die A&E Abteilung des Krankenhauses. Ich richte mich auf eine längere Wartezeit ein. Kaum habe ich die Anmeldung abgegeben, werde ich aufgerufen. Mit der Nurse unterhalte ich mich über die Erste-Hilfe-Maßnahme und über Campingmesser, mit der Ärztin über meine Wanderung und über ihre eigene Angewohnheit, sich bei der Küchenarbeit in die Finger zu schneiden. Gut, die Wunde muss nicht genäht werden. Mit ein paar Strips werden die Wundränder zusammengefasst, Pflaster drauf, fertig. Frage nach dem Impfstatus (Tetanus) und nach Schmerzmitteln. Alles bestens. Ich bekomme noch Verbandmaterial, Strips und Gummihandschuhe (zum Duschen) mit, und bin schon wieder draußen. Anweisung der Ärztin: keine Wanderungen in den nächsten Tage, Ruhe halten. Und so verbringe ich die letzten verregneten Tage auf der Highstreet, im Zelt, in diversen Coffee Shops, und abends in der Bar. Nach diesem Schock tröste ich mich mit einer Schale Erdbeeren und Sahne. So ein Trostpflaster muss einfach sein.
Samstag, 29.05.2010 - Zwangspause -
Ein regnerischer Tag. Am späten Nachmittag ist der Rucksack vorgepackt, der Reisebericht fast fertig, die Campsite voll, und keine Wetterbesserung in Sicht. Abends gehe ich noch auf einen abschließenden Cider in die Bar. Dem Knie geht es wieder fast gut, die Hand tut auch kaum weh - alles im grünen Bereich.
Sonntag, 30.05.2010 - Heimreise -
Es regnet mal wieder. Samstagnachmittag fing der Dauerregen an, und hörte in den frühen Morgenstunden erst wieder auf. Um halb vier geht weiter oben auf der Campsite laute Techno-Musik los. Nur ganz kurz, aber laut genug, um rundherum für entsprechende Reaktionen zu sorgen.
Heute sind viele Frühaufsteher hier, da brauche ich mir keine Gedanken zu machen, weil ich um 8.00 Uhr startklar sein muss. Ich öffne das Zelt, und beobachte bei den Nachbarn, die gerade ihre Motorräder bepacken, nervöse Zuckungen. Die toughen WHW-Wanderer, die gestern Abend im strömenden Regen auf der Picknickbank ausharrten (ein paar Meter die Straße runter hätten sie es trocken und warm haben können), zucken und fuchteln beim Kocher anzünden auch so seltsam. Als ich anfange, das Zelt abzubauen, kenne ich die Ursache: Eröffnung der Midges-Saison 2010. Na; da habe ich doch den Zeitpunkt für die Abreise gut gewählt!
Pünktlich sitze ich im Bus nach Edinburgh. Hinter mir, wie sollte es anders sein, zwei dieser toughen Wanderer von der Campsite, beide etwa im Alter meiner Tochter. Das Mädel schnattert die ganze Zeit, ohne Punkt und Komma. Beim Buachaille Etive Mor: „Guck mal, ein Berg!“, „Du Schatz, da laufen Leute. Ob die auf den Berg wollen? Und warum haben die so große Rucksäcke auf? Da ist man doch in höchstens einer Stunde oben!“ Und so geht das in einem durch. Kurz vor Bridge of Orchy gebe ich auf, und hole den MP3-Player aus meiner Jackentasche.
Glasgow Buchanan Bus Station - Edinburgh Bus Station - und dann zum Flughafenbus. Beim nächsten Urlaub werde ich versuchen, die Haltestelle zu erwischen, an der sich der Airportbus und der Citylink treffen, das spart eine Menge Zeit. Das Timing ist perfekt: ich kann direkt einchecken, Gepäck abgeben, und zum Gate gehen. Leider ist bei der Rückreise keine Aschewolke in Sicht. Am späten Abend lande ich in Frankfurt, werde abgeholt, und wieder ist ein Urlaub vorbei.
Es wird Zeit, Pläne für die nächste Reise zu machen!
Ein ganz feiner Reisebericht.
Da hat sich einer richtige Mühe gemacht.
Ich habe extra gewartet bis der
Bericht komplett im Netz steht,
und ihn mir dann "am Stück"
reingezogen.
Für die Bilder extra
"Lieber nichts riskieren; schließlich bin ich alleine da draußen unterwegs."
an dem Spruch ist was wahres dran.Gesund ankommen ist das wichtigste.
Gru? Peter
Wir reis(t)en um die Welt, und verleb(t)en unser Geld. Wer sich auf Patagonien einlässt, muss mit Allem rechnen, auch mit dem Schönsten.
Vielen lieben Dank für die Komplimente! Es hat Spaß gemacht, den Bericht zu schreiben; das hat mir die ärztlich verordneten Ruhetage erträglich gemacht. An den Fotos habe ich diese Woche quasi "mit Hochdruck" gearbeitet; zum Glück musste ich die meisten nur sortieren und nicht noch bearbeiten. Ich mache solche "Arbeiten" am liebsten zeitnah nach dem Urlaub, sonst gehen so viele Eindrücke entweder vergessen oder werden irgendwie "verfälscht".
Anja, es war eine riesige Überraschung, dich im Hostel zu treffen (auch noch im selben Schlafsaal, so ein Zufall!). Ich bin mir sicher, dass wir uns irgendwo in den Highlands wieder über den Weg laufen werden, denn, wie sagte einer der Gesprächspartner unterwegs: It's a small world! Schön zu hören, dass es dem Rücken wieder besser geht - meiner ist auch nach einer Woche Schreibtischarbeit immer noch fit. Trekkingtouren sollte es auf Rezept geben! Sag der Doris doch bitte viele liebe Grüße von mir!
Peter, dieses Motto "Lieber nichts riskieren; schließlich bin ich alleine da draußen unterwegs" halte ich persönlich für sehr wichtig. Ich will ja schließlich nicht um jeden Preis "durchkommen", sondern heile und in einem Stück den Urlaub beenden!
Naja, der WHW ist an sich nicht übel. Für einen Schottland-Neuling gerade richtig als Einstieg. Immerhin gibt es dort durchgängig einen Weg, keine grundlosen bogholes, die Zivilisation ist auch nah dran - und die Landschaft finde ich ab Crianlarich nordwärts auch schön.
Aber Knoydart ist da schon eine andere Liga. Zumindest für mich als Immer-noch-Anfänger. Die von mir gewählte Route durchs Glen Affric ist schon eher als anfängertauglich einzustufen; da werde ich beim nächsten Besuch einen anderen Weg gehen. Und Culra-Glen Nevis ist immer wieder schön, egal ob die bogholes ausgetrocknet sind oder ob man permanent am einsumpfen ist!
Hach, Schottland! Leider werde ich dieses Jahr nach dem Winterausflug ins Rannoch Moor nur einmal dort gewesen sein . Nächstes Jahr wieder!!! Knoydart! Was für Bilder!!!
Danke .
Ich bin schon wieder am planen. Irgendwas im Nordwesten, nur anderthalb Wochen oder so, vielleicht im September. Wieder ganz kurzfristig, wie letztes Jahr.
Und Mr Borderli meinte gestern abend, er muss auch unbedingt wieder nach Schottland, ferienhausmäßig, versteht sich. Leider will er erst wieder ab Mitte Oktober Zeit haben. Mal sehen, was sich daraus noch ergibt.
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