Tourentyp | |
Lat | |
Lon | |
Mitreisende | |
[NO] Durch die Hardangervidda von Geilo nach Haukeliseter
Ende Aug/ Anfang Sep 2021
Die Nord-Süd Querung der Hardangervidda in Norwegen ist eine recht bekannte Route. Unter anderem ist sie im letzten Teil auch ein Abschnitt der Massiv-Ruta . Einerseits hoffte ich, dass daher noch andere Wanderer unterwegs sein würden, anderseits war es schon spät im Jahr (Ende Aug/ Anfang Sep.).
Und tatsächlich stellte sich heraus, dass kaum jemand unsere Route ging. Wir waren meist den ganzen Tag absolut allein auf weiter Flur. In den Hütten war durchaus Betrieb (6-8 andere Gäste) aber nach dem Start verstreuten sich die Menschen schnell in alle Richtungen.
Wegen Corona mussten zwingend alle Tickets und Unterkünfte im Voraus gebucht werden. Wikipedia sagt, dass die Hardangervidda mit 8.000 km² nicht nur die größte Hochebene Europas ist, sondern auch die südlichste Verbreitung vieler polarer Tiere und Pflanzen. Auf der Hochebene herrschen die Bedingungen der Alpen auf etwa 3.000 Meter Höhe. Wir packten also trotz Spätsommer Zusatzpullover ein, Handschuhe und Mützen. Und wir würden sie brauchen.
Wir nahmen den Zug nach Kiel-Hbf, von dort sind es wenige Minuten Fußweg zum Colorline-Terminal und der Fähre nach Oslo, ein Riesenschiff (fand ich), 13 Etagen. Beim Boarding ist der elektronische Impfpass derzeit Pflicht (Jahr 2021). Die Einreise nach Norwegen war damit problemlos.

Wenn man drin ist, hatte Norwegen einen sehr entspannten Umgang mit Corona. Masken trägt auch in Zügen und Bussen kaum jemand und FFP2 schon gar nicht. In den Hütten war überhaupt niemand mit Maske zu sehen. „Corona ist mehr in Oslo“, sagte ein Hüttenwirt, eine etwas seltsame Einstellung. Wir kamen ja aus Oslo. Nicht verwunderlich, dass die Corona-Zahlen in Norwegen bald in die Höhe schossen.
Die Fähre benötigt 20 Stunden für die Überfahrt (also eine Nacht an Bord). Unsere Kabine hatte kein Fenster, was etwas gewöhnungsbedürftig war. Wem es schnell eng wird, sollte ein Fenster mitbestellen. An Deck pfiff ein Wind, der die nicht besetzten Stühle gegen die Reling schob. Aber es war insgesamt eine ruhige Überfahrt, Schaumkronen, etwas Stuckern, aber kein Rollen.
Die Norweger_innen gönnten sich zollfreie Alkoholika, es gab eine Tanzshow (genau unter unserer Kabine, 19 und 21 Uhr. Schade) und eine Einkaufspassage an Bord, etwas Kreuzfahrtfeeling, und die meisten Gäste waren denn auch Touristen ohne Auto, die mal preiswert in Kiel einkaufen wollten.

Am nächsten Morgen schob sich die Fähre durch die engen Schären vor Oslo und wir liefen zu Fuß nach Oslo hinein (unter 1 Stunde Dauer). Der Fußweg ist etwas verwinkelt. Wichtig ist, direkt am Terminal die blaue Fußgängerbrücke aus Stahl zu finden (Foto oben), die zu der 4-spurigen Schnellstraße hinüber führt. Wenn man sich daran orientiert, findet man den Weg recht gut. An der Schnellstraße entlang (siehe unten) und dann in das neue Hafenviertel. Auch der Rückweg zurück an Bord führt über diese blaue Stahlbrücke (die Tür oben auf der Brücke lässt sich von beiden Seiten öffnen).

Der Zug nach Geilo (ausgesprochen Jähi-Loh) geht nachmittags (also am gleichen Tag der Fährankunft, kein Hotel in Oslo) ist Teil der Bergenbahn und er war leer. Nach rund 4 Stunden waren wir im Gebirge am Nordende der Hardangervidda. Wir nahmen das erste Hotel am Bahnhof (Hotel Kro), es roch nach Friteuse und wir sortierten aus. Alles Überflüssige wurde entsorgt, am nächsten Morgen ging es los. Wir hatten noch rund 6 Kilo auf dem Rücken, mit Wasser und Regenjacke rund 9 Kilo.

Zunächst allerdings gab es eine kurze Busfahrt (Linie Nr. 334, Haltestelle direkt unter dem Bahnhof Geilo, siehe Foto oben) nach Ustaoset (bzw. kurz vor Ustaoset). Diese Busfahrt muss nicht sein, man kann auch durch das Schigebiet von Geilo aufsteigen (oder leicht andere Routen). Aber am ersten Tag wollten wir es langsam angehen lassen und die anderen Tage würde recht lang werden.
Der Busfahrer ließ uns mitten auf der Nationalstraße zwischen zwei Haltestellen aussteigen und zeigte uns den Start des Wanderwegs. Auf den ersten Metern noch viele Wochenendhäuser in den Bergen. Geilo ist einer der bekannteren Wintersportorte in Norwegen.

Dann kam der Anstieg auf das Plateau. In den nächsten 6 Tagen gab es keinen einzigen Baum mehr, meist nicht mal Sträucher, sondern Weite, Wasser und einen schmalen Pfad, der sich immer weiter durch die Landschaft schlängelte, insgesamt 133 Kilometer.
Immerhin sind die Steigungen nicht vergleichbar mit den Alpen. Zwar geht es immer auf und ab (insbesondere an den letzten Tagen im südlichen Teil), aber selten mehr als 200 Höhenmeter am Stück. Die Wegstrecke liegt wesentlich zwischen 1200 und 1400 Metern Höhe.

Bis Tuva
Hinter uns können wir zu Beginn der Tour bis zu den Gletschern im Norden sehen (Hallingsskarvet Nationalpark, siehe oben), die Sonne scheint und der Wind weht. Es ist beinahe zu warm, etwa 20 Grad. Wir kommen schnell voran und später sehen wir auch weitere Wanderer, die auf die umliegenden flachen Gipfel hinauf wollen, alles Touren von 2 oder 3 Stunden.
Um 14 Uhr sind wir bereits an der Hütte Tuva, trinken Kaffee. Es sind viele Tagesgäste dort, denn die Hütte kann auch mit dem Auto auf einer Bezahlstraße erreicht werden (einmal am Tag fährt offenbar auch ein Bus über die Schotterstraße. Wohnmobile sind untersagt). Theoretisch kann man also auch nach Tuva mit dem eigenen Auto anreisen und dort die Hardangervidda-Tour beginnen.
Wir bekommen ein kleines Zimmer unter dem Dach, an den Wänden hängen Geweihe. Die Dusche ist in einem Nebengebäude und hat warmes Wasser (und kostet 20 NKR. Das einzige Mal während der gesamten Reise, dass Bargeld notwendig wurde. Der Wirt hat aber genügend Münzen vorrätig, die man dann per Karte kauft). Plumpsklo wie immer am Hang. Das Abendessen ist sehr gut, der junge Wirt ist total freundlich. Tuva ist eine Empfehlung.
Tuva – Rauhelleren
Wir wussten, dass es nach dem ersten Easy-Tag anstrengender werden würde. Da die Hütte Heinseter bereits am 22. August komplett zugemacht hatte, hatte ich noch zuhause beim DNT nach einer alternativen Route gefragt. Hier nochmals der Hinweis, dass dies für DNT-Mitglieder die Prüfung oder auch Ausarbeitung einer Route nicht nur kostenlos ist, sondern aus meiner Sicht dringend zu empfehlen. Es gibt so viele Details, die nicht unmittelbar klar sind, die Leute dort sind freundlich und antworten sehr schnell, detailliert und vor allem kenntnisreich.
Der junge Mann beim DNT empfahl mir, einfach bei meiner Route zu bleiben („no major risk“) und zwei Tagesetappen an einem Tag zu laufen, also über Heinseter hinaus sofort bis Rauhelleren. Er bezeichnete den Weg als „easy and gentle“. Das sind dann 28 Kilometer, im deutschen Mittelgebirge sicher mit etwas Sportsgeist problemlos zu schaffen. Aber die Wegzeiten des DNT sind immer einen Tacken optimistisch und ohne Pausen kalkuliert, also reine Gehzeit. Mal eben das Doppelte am Tag laufen, machte mich etwas nachdenklich. Wir starteten um 9:00 Uhr (vor 8 Uhr gibt es nirgendwo Frühstück in Norwegen). Der DNT gab 8 ½ reine Gehzeit an. Ich hatte zuhause die Stirnlampe sicherheitshalber eingepackt plus Powerbank (was sehr risikovermeidend war, es blieb bis nach 20 Uhr hell). Aber es kann ja auch mal Verletzungen oder andere Verzögerungen geben.

Der Weg ist wie immer gut zu erkennen (das rote T auf den Steinen), führt endlos über Hügel, durch Büsche und in der Ferne glitzerten einige Seen. Immer hoffen wir, dass wir die Etappe bald geschafft haben, aber immer müssen wir noch über einen weiteren Berg, noch durch eine weitere Ebene. Der Weg ist kein ausgetretener Pfad, auf dem man mal vor sich hin latschen kann, sondern steinig, volle Konzentration, balancieren, und immer in kleinen Kurven um Tümpel, Felsen und Büsche herum. Da ist kein hohes Tempo machbar (zumindest nicht für uns). Wir sehen viele Schafe, die schon für den Winter abgetrieben werden. Wir hatten den ganzen Tag heftigen Gegenwind und ungefähr zehn Grad Celsius. Der Handyempfang ist irgendwann abgebrochen.
Insgesamt kommen uns fünf Wanderer entgegen, sie haben Zelte dabei und übernachten irgendwo. Ein Mann berichtet, dass er sich „zum Abschluss“ für die nächsten fünf Tage noch einen See suchen wird.
Wir müssen zugeben, dass wir recht erledigt in Rauhelleren ankamen. Wir haben 9 Stunden benötigt ohne lange Pause. Duschen, Shirt auswaschen, sortieren, hinsetzen. Aber eine sehr schöne Hütte an einem windigen See. Alles ist sehr modern und neu und es wird weiterhin gebaut. Rauhelleren ist ebenfalls empfehlenswert. Wir sind in der Hardangervidda angekommen und äußerst zufrieden. Genau so muss alles sein.

Von Rauhelleren nach Sandhaug
Und wieder eine lange Etappe, 8 Stunden Gehzeit, diesmal regulär ohne Überspringen von Hütten. Schon beim Abmarsch ist es sehr windig, eher heftiger Sturm von vorne, die ersten Kilometer geht es am See mit Schaumkronen entlang und über eine sehr weite Ebene. Das ist vergleichbar mit dem südlichen Rondane. Wir drehen uns mittags um und können immer noch hinter uns die Hütte liegen sehen.

Die Gegend ist extrem ausgetrocknet. Uns wurde gesagt, dass es „seit Monaten“ nicht geregnet habe. Wir finden metertiefe trockene Löcher, rissigen Boden. So gesehen haben wir auch Glück, denn dadurch kamen wir zumindest in den Sumpfgebieten gut voran (und insbesondere trocken). Die Hochebene hat wenig Abflüsse, daher stehen in manchen Jahren weite Teile knöcheltief unter Wasser, eher unangenehm, hunderte Meter immer wieder durch eiskaltes Wasser zu waten.

Die Orientierung mit Handy und Wander-App (im Prinzip die OSM-Karten mit Outdoor Markierung) ist absolut ausreichend, wir haben keine Papierkarte dabei (die im Sturm auch zerfetzen würde). Wir treffen an dem Tag nur zwei Männer, mit einem Hund. Das war's. Hier ist wirklich nicht viel los auf diesen Etappen.
Am Horizont sehen wir einige Angler, die wohl weniger wandern, sondern irgendwie auf andere Art und Weise dorthin gekommen sind. Wir kreuzen auch eine (nicht öffentliche) Piste (siehe Foto unten), die auf der Karte eingezeichnet ist, faktisch aber kaum befahrbar scheint, selbst nicht mit normalen Geländewagen. Selbst mit dem Fahrrad dürfte das eine Herausforderung sein (falls das jemand plant). Aber auf dem Weg selbst haben wir Radspuren gesehen, irgendwer hat mal die Etappe Rauhelleren-Sandhaug mit dem Rad bewältigt.

Wir machen eine Pause hinter einem Hügel liegend, um dem Wind zu entkommen. Unsere Lunchbrote werden immer besser. Morgens liegt bekanntlich neben dem Frühstückstisch Papier bereit und es ist üblich, dass man sich ein Lunchbrot einwickelt. Mit den Tagen habe ich meinen Favoriten gefunden: Vier Scheiben Brot, darauf eingelegte Gurkenscheiben, Kaviarpaste aus der Tube, Mayonnaise, Käse, Paprikastreifen und dazu hartgekochte Eier. Plus über den Tag verteilt vier Schokoriegel, die wir in größeren Mengen mitgebracht hatten. Ich habe ein Kilo abgenommen in dem Urlaub, falls das die nächste Frage ist.

Auch dieser Tag gerät am Ende sehr lang (wie geben es zu). Laut Karte 25 km, aber der Weg ist etwas besser zu laufen als am Vortag, der Pfad ist nicht ganz so steinig. Mittags hat man sogar kurz Handyempfang, und abends hat Sandhaug sogar ein freies WLAN. Absolute Überraschung.
Sandhaug gefällt uns ebenfalls sehr gut, es gibt sogar richtige Toiletten mit Wasserspülung und die Duschen sind im gleichen Gebäude untergebracht, nicht in Flipflops im Sturm durch die Gegend rennen (falls das ein Kriterium für die Tourenplanung ist).
Die meisten Hütten (außer Hellevasbu) auf dieser Route sind „bedient“, also mit einem Aufseher oder Gastgeber besetzt. Dort gibt es Abendessen (Punkt 19:00 Uhr, kurze Ansprache an die Gäste, Suppe, Hauptgang, Nachtisch. Keine Auswahl) und Frühstück (von Porridge über Brote bis Rührei – und Kaffee ohne Ende). Auch nach dem Abendessen gibt es freien Kaffee, so viel man möchte. Wir waren die einzigen, die abends keinen Kaffee tranken. Eine Übernachtung in den Hütten kostet (mit Vollpension, also Lunchpaket) pro Kopf rund 100 Euro für Mitglieder und 126 Euro für Nichtmitglieder. Die Preisliste findet sich beim DNT im Netz.
Sandhaug nach Litlos
Der Charakter der Wanderung änderte sich ab dem Tag komplett. Es geht hinauf in die Berge, insbesondere hinter der Hütte Bessa. Die Hütte ist ebenfalls bereits geschlossen, so dass wir wieder 8 Stunden vor uns haben, diesmal in den Bergen. Viele Seen, es wird auch mal steiniger im zweiten Drittel der Tagesetappe. Der Wind weht weiterhin streng von vorne. Wir gelangen bis auf 1400 m Höhe, es wird empfindlich kalt. Mütze und Handschuhe, knatternder Sturm, 6 Grad, aber kein Regen.


Heute kommt uns eine einzige Person entgegen in den 8 Stunden, er erschrickt beinahe, als er uns hinter einem Felsen mit unseren Broten hocken sieht. Schön an dieser Etappe ist, dass die Blicke häufiger wechseln, Täler, Berge, Seen. Aber meine Begleiterin fand diese unendliche Weite der ersten Tage noch schöner.
Wieder etwas müde kommen wir in Litlos an. In Litlos gibt es Steckdosen und Strom, allerdings keinen Handyempfang. Die Hütte hatte den letzten Tag geöffnet, wir sind die letzten Gäste, aber sie ist erstaunlich voll belegt. Die Besitzer wirken etwas zerstreut, den Weg zum Zimmer und Klo müssen wir mehrfach nachfragen. Auch die Essenszeiten scheinen nicht ganz klar. Wahrscheinlich liegt es daran, dass morgen „innerhalb von Stunden“ alles zusammen gepackt wird. Nachmittags wird schon der Hubschrauber kommen und dann ist Schluss.
Eine meiner Lieblingsszenen war, als ein Norweger mit viel Geschick und Ausdauer morgens den halben Kaffeeautomaten auseinanderbaute, um seine gewaltige Thermoskanne darunter installieren zu können. Er füllte sich dann strahlend den frischen Kaffee für den Tag ab. Gewusst wie. Vielleicht kommen auch dadurch die hohen Wegleistungen der Norweger_innen zustande. In der Regel werden die Thermoskannen am Vortag abgegeben.
Norweger_innen haben erstaunlich große Rucksäcke dabei, auch ohne Zelt. Ein Kochsystem ist absolut Standard, hier scheint sich der Jetboil für den Zusatz-Kaffee durchzusetzen („one minute and it’s cooking“, wie uns ein Norweger glücklich erläuterte). Ohne Kaffee geht wirklich gar nichts in den Bergen.
Litlos nach Hellevasbu.
Das Frühstück in Litlos war verglichen mit den anderen Hütten eher karg. Litlos liegt sehr zentral in der Hardangervidda und ist kaum zu umgehen. Ob es nun an den mangelnden Alternativen oder dem letzten Öffnungstag lag, für uns war Litlos einen Tick weniger toll als Sandhaug oder Rauhelleren.
Dafür ist der nächste Tag Richtung Süden fantastisch. Unglaublich schöne Blicke, auch die schnell wechselnden Wolkenbilder sind außerordentlich gut. Es geht steil hinauf bis auf 1400 m, alles wirkt sehr alpin, und es weht ein äußerst scharfer Wind, wieder von vorne. Meist ist der Untergrund auch gut zu gehen und mittags essen wir unsere zunehmend dicker gepackten Brote wieder im Windschatten eines großen Felsens.


Die Brücken sind meist problemlos zu passieren, nur jemand mit Hund könnte an einigen Übergängen Probleme bekommen. Die Brücken schwanken teilweise, haben keine oder rudimentäre seitliche Sicherungen und nicht jeder Hund spaziert angstfrei hinüber. Ein oder zwei Brücken hatten auch enorm steile Aufgänge, die auch nicht jeder Hund bewältigt. Aber da werden anderen Berichte evtl. noch mehr Details bieten können.

In dem Jahr (2021) war es sowieso möglich, die meisten Flüsse auch ohne Brücke zu queren – zumindest als Hund. Der Wasserstand war unfassbar niedrig. Wir hatten an den ersten Tagen keine Möglichkeit, überhaupt fließendes Wasser nachzufüllen. Es gab nur stehende Gewässer, teilweise recht grün. Das war erstaunlich. An den letzten Tagen in den Bergen dann wieder ausreichend Fließwasser und größere, klare Seen.

Und die nächste Hütte Hellevasbu sieht man auch schon vergleichsweise früh, eine knappe Stunde vor Ankunft liegt sie unten an einem See. Sie ist nicht bewirtschaftet und außer uns ist dort noch ein Paar aus Norwegen und zwei deutsche Studenten. Dies ist die einzige nicht bediente Hütte auf der Route. Es gibt keine Dusche, allerdings Licht. Steckdosen sind nicht vorhanden. Die Hütte ist gut eingerichtet, wie immer mit Kaminofen, Gasherd und allem was man zum Kochen braucht. Das Wasser wird wie immer im Eimer direkt aus dem See geschöpft.

Wen das Angebot an Nahrungsmitteln interessiert, hier ein Foto:

Ich schaffe es sogar, nachmittags noch einen Kaffee zu trinken (Papierfilter, Kaffee und Milchpulver dabei gehabt – wieso gibt es in Norwegen nie den Plastikkaffeefilter in den Hütten?). Diese Etappe war etwas kürzer, 5 ½ Stunden Gehzeit, was auch mal ganz schön ist. Das Guinness-Buch der Rekorde von 1995 liegt aus, da wird der Nachmittag nicht lang. Da wir abends Licht haben, kann man sogar noch sehr schön lesen.
Wir unterhalten uns mit dem Paar aus Norwegen. Sie lieben das Outdoorleben. Jede Norweger_in kennt alle Hütten und sie diskutieren immer über neue Routen („Finnmark im Oktober empfehle ich. Kann mir nicht vorstellen, dass es da oben dann schon schneit.“) Der Tatendrang und die Fitness sind beängstigend. Riesige Rucksäcke, Angelruten, aufgeschnallte Schaffelle. Unsere Tour rangiert eher am unteren Ende der Wagnisse, die sich Norweger_innen aller Altersklassen im Herbst so vornehmen.
Hellevasbu nach Haukeliseter
Dies ist unser letzter Wandertag. Wir fassen es kaum, dass dies bald vorbei sein soll. Es ist bewölkt, es weht wieder der frische Wind von vorne und morgens haben wir leichten Nieselregen und dunkle Wolken über uns. Die anderen Wanderer sind früher gestartet und ziehen uns schnell davon. Wir säubern noch die Hütte und sie hat nicht mal ein Schloss. Das heißt, wir haben auf der gesamten Route den Nokkel (Universalschlüssel) des DNT nicht benötigt (aber natürlich dabei). Der Norweger meinte lächelnd, dass Hütten, welche mehr als 4 Stunden von jeder Straße entfernt stehen, nicht abgeschlossen werden brauchen.
Meine Idee war, für diesen einen Morgen auf Frühstücksflocken zu verzichten und stattdessen einfach abends UND morgens Spaghetti zu kochen. Die Idee war schlecht. Morgens Nudeln mit Tomatensoße dauern lange, erfordern intensives Abspülen und führen zu wenig vorteilhaften Diskussionen mit den Norwegern. Also nächstes Mal wieder Haferflocken.

Wir gehen die ersten Meter sogar in Regenkleidung, die wir aber schnell wieder ausziehen. Denn es geht steil bergauf und es wird uns viel zu warm. Tagsüber sehen wir wieder eine großartige Landschaft. Ich glaube nicht, dass dies noch zu steigern ist. Magische Wolken, Seen und schroffe Berge. Winzig klein sehen wir die anderen Wanderer aus der Hütte schon den nächsten Berg überwinden. Wie verloren der Mensch in dieser Landschaft ist. Zwischendurch ziehen die Wolken etwas auf und wir machen sogar eine Pause, wieder hinter der üblichen Steinwand. Auf der Etappe drei Höhenzüge, alle 1400 m hoch, 8 Stunden Gehzeit.

Bald wird es kälter, auch frischer und dunkle Wolken ziehen wieder auf, aber wir haben Glück, es bleibt trocken. Hinunter nach Haukeliseter gibt es einen gewaltigen Abstieg. Wer die Tour in umgekehrter Richtung macht, der muss sich zu Beginn also auf einen ordentlichen Anstieg einstellen (dafür sind die Hütten sehr früh zu sehen – bei unserer Richtung sieht man die Hütten erst, wenn man mit dem Fuß schon drin steht).

Teilweise ist dieser letzte Abstieg bzw. Aufstieg auch nicht wirklich gut gehbar, eher eine Rinne in Geröll und Dreck. Bei schlechterem Wetter dürfte man sich hier durch Matsch und Büsche kämpfen, das sieht nicht nach einem Spaß aus. Wir sehen und hören bald die ersten Autos seit Beginn der Tour. Unten fahren die Lastwagen und plötzlich hat man auch 4G Handyempfang. Die Mails fliegen nur so zum Fenster herein. Wir sind wieder in der Zivilisation.
Haukeliseter besteht nur aus der Station des DNT. Wir bekommen ein sehr schönes Zimmer mit Seeblick. Dicke, weiße Handtücher. Seife. Ein Restaurant. Was für ein toller Abschluss der Wanderung. Wir haben die Hardangervidda durchquert.


Rückfahrt
Am nächsten Morgen geht der Bus ab Haukeliseter um 13:15 Uhr (bis dahin kann man sich den Einstieg der weiteren Wanderung nach Süden anschauen). Da einer der vielen Straßentunnel gesperrt ist, hat er etwas Verspätung, was er mit sehr sportlicher Fahrweise aber wieder wett macht. Unterwegs macht der Bus eine Pause, die für einen Kaffee reicht, drei weitere kurze Pausen dienen nur dem Fahrerwechsel und dem Umsteigen einiger Fahrgäste. Gegen 18:25 Uhr sind wir am Busbahnhof in Oslo, der hinter dem Hauptbahnhof liegt.
Meine Güte, was ist das voll in dieser Stadt. Wir sind wirklich völlig raus gewesen, und etwas erschlagen von den vielen Menschen um uns herum. Wir müssen übernachten, da die Fähre erst am nächsten Tag um 14:00 Uhr ablegt. Wir finden einen hervorragenden Buchladen (Tronsmo Bokhandel). Witzig der obligatorische Besuch im Outdoorladen (muss sein). Wir waren neugierig, da jeder zweite in Norwegen (zumindest in der Stadt) Hoka-Schuhe trägt. Der Verkäufer war allerdings wenig angetan davon („zu weich, nur Marketing“). Und preiswerter sind sie in Norwegen definitiv nicht.
Wir gehen am nächsten Tag zu Fuß zur Fähre, 14:00 Uhr Ablegen. Wir überleben auch die drängelnden Rentner, die es kaum erwarten können auf das Schiff zu kommen. Rücksicht auf Corona oder Abstand nimmt im Zweifel niemand, wenn man 5 Minuten früher zu seiner Kabine kommen kann.

Wir fahren hinauf auf das Deck im 12. Stock, ablegen, tuten, und es geht hinaus durch die engen Schären, Kurs auf Kiel. Es ist unglaublich warm, noch weitaus wärmer als auf der Hinfahrt. In den offenen Gewässern bis Dänemark stampft es etwas, rund 2 Meter Wellenhöhe, danach wird es besser. Wieder eine weitgehend ruhige Überfahrt. Wir sehen auch Passagiere mit Hunden und Fahrrädern. Das scheint möglich zu sein.
Fazit der Wanderung
Ende Aug/ Anfang Sep 2021
Die Nord-Süd Querung der Hardangervidda in Norwegen ist eine recht bekannte Route. Unter anderem ist sie im letzten Teil auch ein Abschnitt der Massiv-Ruta . Einerseits hoffte ich, dass daher noch andere Wanderer unterwegs sein würden, anderseits war es schon spät im Jahr (Ende Aug/ Anfang Sep.).
Und tatsächlich stellte sich heraus, dass kaum jemand unsere Route ging. Wir waren meist den ganzen Tag absolut allein auf weiter Flur. In den Hütten war durchaus Betrieb (6-8 andere Gäste) aber nach dem Start verstreuten sich die Menschen schnell in alle Richtungen.
Wegen Corona mussten zwingend alle Tickets und Unterkünfte im Voraus gebucht werden. Wikipedia sagt, dass die Hardangervidda mit 8.000 km² nicht nur die größte Hochebene Europas ist, sondern auch die südlichste Verbreitung vieler polarer Tiere und Pflanzen. Auf der Hochebene herrschen die Bedingungen der Alpen auf etwa 3.000 Meter Höhe. Wir packten also trotz Spätsommer Zusatzpullover ein, Handschuhe und Mützen. Und wir würden sie brauchen.
Wir nahmen den Zug nach Kiel-Hbf, von dort sind es wenige Minuten Fußweg zum Colorline-Terminal und der Fähre nach Oslo, ein Riesenschiff (fand ich), 13 Etagen. Beim Boarding ist der elektronische Impfpass derzeit Pflicht (Jahr 2021). Die Einreise nach Norwegen war damit problemlos.
Wenn man drin ist, hatte Norwegen einen sehr entspannten Umgang mit Corona. Masken trägt auch in Zügen und Bussen kaum jemand und FFP2 schon gar nicht. In den Hütten war überhaupt niemand mit Maske zu sehen. „Corona ist mehr in Oslo“, sagte ein Hüttenwirt, eine etwas seltsame Einstellung. Wir kamen ja aus Oslo. Nicht verwunderlich, dass die Corona-Zahlen in Norwegen bald in die Höhe schossen.
Die Fähre benötigt 20 Stunden für die Überfahrt (also eine Nacht an Bord). Unsere Kabine hatte kein Fenster, was etwas gewöhnungsbedürftig war. Wem es schnell eng wird, sollte ein Fenster mitbestellen. An Deck pfiff ein Wind, der die nicht besetzten Stühle gegen die Reling schob. Aber es war insgesamt eine ruhige Überfahrt, Schaumkronen, etwas Stuckern, aber kein Rollen.
Die Norweger_innen gönnten sich zollfreie Alkoholika, es gab eine Tanzshow (genau unter unserer Kabine, 19 und 21 Uhr. Schade) und eine Einkaufspassage an Bord, etwas Kreuzfahrtfeeling, und die meisten Gäste waren denn auch Touristen ohne Auto, die mal preiswert in Kiel einkaufen wollten.
Am nächsten Morgen schob sich die Fähre durch die engen Schären vor Oslo und wir liefen zu Fuß nach Oslo hinein (unter 1 Stunde Dauer). Der Fußweg ist etwas verwinkelt. Wichtig ist, direkt am Terminal die blaue Fußgängerbrücke aus Stahl zu finden (Foto oben), die zu der 4-spurigen Schnellstraße hinüber führt. Wenn man sich daran orientiert, findet man den Weg recht gut. An der Schnellstraße entlang (siehe unten) und dann in das neue Hafenviertel. Auch der Rückweg zurück an Bord führt über diese blaue Stahlbrücke (die Tür oben auf der Brücke lässt sich von beiden Seiten öffnen).
Der Zug nach Geilo (ausgesprochen Jähi-Loh) geht nachmittags (also am gleichen Tag der Fährankunft, kein Hotel in Oslo) ist Teil der Bergenbahn und er war leer. Nach rund 4 Stunden waren wir im Gebirge am Nordende der Hardangervidda. Wir nahmen das erste Hotel am Bahnhof (Hotel Kro), es roch nach Friteuse und wir sortierten aus. Alles Überflüssige wurde entsorgt, am nächsten Morgen ging es los. Wir hatten noch rund 6 Kilo auf dem Rücken, mit Wasser und Regenjacke rund 9 Kilo.
Zunächst allerdings gab es eine kurze Busfahrt (Linie Nr. 334, Haltestelle direkt unter dem Bahnhof Geilo, siehe Foto oben) nach Ustaoset (bzw. kurz vor Ustaoset). Diese Busfahrt muss nicht sein, man kann auch durch das Schigebiet von Geilo aufsteigen (oder leicht andere Routen). Aber am ersten Tag wollten wir es langsam angehen lassen und die anderen Tage würde recht lang werden.
Der Busfahrer ließ uns mitten auf der Nationalstraße zwischen zwei Haltestellen aussteigen und zeigte uns den Start des Wanderwegs. Auf den ersten Metern noch viele Wochenendhäuser in den Bergen. Geilo ist einer der bekannteren Wintersportorte in Norwegen.
Dann kam der Anstieg auf das Plateau. In den nächsten 6 Tagen gab es keinen einzigen Baum mehr, meist nicht mal Sträucher, sondern Weite, Wasser und einen schmalen Pfad, der sich immer weiter durch die Landschaft schlängelte, insgesamt 133 Kilometer.
Immerhin sind die Steigungen nicht vergleichbar mit den Alpen. Zwar geht es immer auf und ab (insbesondere an den letzten Tagen im südlichen Teil), aber selten mehr als 200 Höhenmeter am Stück. Die Wegstrecke liegt wesentlich zwischen 1200 und 1400 Metern Höhe.
Bis Tuva
Hinter uns können wir zu Beginn der Tour bis zu den Gletschern im Norden sehen (Hallingsskarvet Nationalpark, siehe oben), die Sonne scheint und der Wind weht. Es ist beinahe zu warm, etwa 20 Grad. Wir kommen schnell voran und später sehen wir auch weitere Wanderer, die auf die umliegenden flachen Gipfel hinauf wollen, alles Touren von 2 oder 3 Stunden.
Um 14 Uhr sind wir bereits an der Hütte Tuva, trinken Kaffee. Es sind viele Tagesgäste dort, denn die Hütte kann auch mit dem Auto auf einer Bezahlstraße erreicht werden (einmal am Tag fährt offenbar auch ein Bus über die Schotterstraße. Wohnmobile sind untersagt). Theoretisch kann man also auch nach Tuva mit dem eigenen Auto anreisen und dort die Hardangervidda-Tour beginnen.
Wir bekommen ein kleines Zimmer unter dem Dach, an den Wänden hängen Geweihe. Die Dusche ist in einem Nebengebäude und hat warmes Wasser (und kostet 20 NKR. Das einzige Mal während der gesamten Reise, dass Bargeld notwendig wurde. Der Wirt hat aber genügend Münzen vorrätig, die man dann per Karte kauft). Plumpsklo wie immer am Hang. Das Abendessen ist sehr gut, der junge Wirt ist total freundlich. Tuva ist eine Empfehlung.
Tuva – Rauhelleren
Wir wussten, dass es nach dem ersten Easy-Tag anstrengender werden würde. Da die Hütte Heinseter bereits am 22. August komplett zugemacht hatte, hatte ich noch zuhause beim DNT nach einer alternativen Route gefragt. Hier nochmals der Hinweis, dass dies für DNT-Mitglieder die Prüfung oder auch Ausarbeitung einer Route nicht nur kostenlos ist, sondern aus meiner Sicht dringend zu empfehlen. Es gibt so viele Details, die nicht unmittelbar klar sind, die Leute dort sind freundlich und antworten sehr schnell, detailliert und vor allem kenntnisreich.
Der junge Mann beim DNT empfahl mir, einfach bei meiner Route zu bleiben („no major risk“) und zwei Tagesetappen an einem Tag zu laufen, also über Heinseter hinaus sofort bis Rauhelleren. Er bezeichnete den Weg als „easy and gentle“. Das sind dann 28 Kilometer, im deutschen Mittelgebirge sicher mit etwas Sportsgeist problemlos zu schaffen. Aber die Wegzeiten des DNT sind immer einen Tacken optimistisch und ohne Pausen kalkuliert, also reine Gehzeit. Mal eben das Doppelte am Tag laufen, machte mich etwas nachdenklich. Wir starteten um 9:00 Uhr (vor 8 Uhr gibt es nirgendwo Frühstück in Norwegen). Der DNT gab 8 ½ reine Gehzeit an. Ich hatte zuhause die Stirnlampe sicherheitshalber eingepackt plus Powerbank (was sehr risikovermeidend war, es blieb bis nach 20 Uhr hell). Aber es kann ja auch mal Verletzungen oder andere Verzögerungen geben.
Der Weg ist wie immer gut zu erkennen (das rote T auf den Steinen), führt endlos über Hügel, durch Büsche und in der Ferne glitzerten einige Seen. Immer hoffen wir, dass wir die Etappe bald geschafft haben, aber immer müssen wir noch über einen weiteren Berg, noch durch eine weitere Ebene. Der Weg ist kein ausgetretener Pfad, auf dem man mal vor sich hin latschen kann, sondern steinig, volle Konzentration, balancieren, und immer in kleinen Kurven um Tümpel, Felsen und Büsche herum. Da ist kein hohes Tempo machbar (zumindest nicht für uns). Wir sehen viele Schafe, die schon für den Winter abgetrieben werden. Wir hatten den ganzen Tag heftigen Gegenwind und ungefähr zehn Grad Celsius. Der Handyempfang ist irgendwann abgebrochen.
Insgesamt kommen uns fünf Wanderer entgegen, sie haben Zelte dabei und übernachten irgendwo. Ein Mann berichtet, dass er sich „zum Abschluss“ für die nächsten fünf Tage noch einen See suchen wird.
Wir müssen zugeben, dass wir recht erledigt in Rauhelleren ankamen. Wir haben 9 Stunden benötigt ohne lange Pause. Duschen, Shirt auswaschen, sortieren, hinsetzen. Aber eine sehr schöne Hütte an einem windigen See. Alles ist sehr modern und neu und es wird weiterhin gebaut. Rauhelleren ist ebenfalls empfehlenswert. Wir sind in der Hardangervidda angekommen und äußerst zufrieden. Genau so muss alles sein.
Von Rauhelleren nach Sandhaug
Und wieder eine lange Etappe, 8 Stunden Gehzeit, diesmal regulär ohne Überspringen von Hütten. Schon beim Abmarsch ist es sehr windig, eher heftiger Sturm von vorne, die ersten Kilometer geht es am See mit Schaumkronen entlang und über eine sehr weite Ebene. Das ist vergleichbar mit dem südlichen Rondane. Wir drehen uns mittags um und können immer noch hinter uns die Hütte liegen sehen.
Die Gegend ist extrem ausgetrocknet. Uns wurde gesagt, dass es „seit Monaten“ nicht geregnet habe. Wir finden metertiefe trockene Löcher, rissigen Boden. So gesehen haben wir auch Glück, denn dadurch kamen wir zumindest in den Sumpfgebieten gut voran (und insbesondere trocken). Die Hochebene hat wenig Abflüsse, daher stehen in manchen Jahren weite Teile knöcheltief unter Wasser, eher unangenehm, hunderte Meter immer wieder durch eiskaltes Wasser zu waten.
Die Orientierung mit Handy und Wander-App (im Prinzip die OSM-Karten mit Outdoor Markierung) ist absolut ausreichend, wir haben keine Papierkarte dabei (die im Sturm auch zerfetzen würde). Wir treffen an dem Tag nur zwei Männer, mit einem Hund. Das war's. Hier ist wirklich nicht viel los auf diesen Etappen.
Am Horizont sehen wir einige Angler, die wohl weniger wandern, sondern irgendwie auf andere Art und Weise dorthin gekommen sind. Wir kreuzen auch eine (nicht öffentliche) Piste (siehe Foto unten), die auf der Karte eingezeichnet ist, faktisch aber kaum befahrbar scheint, selbst nicht mit normalen Geländewagen. Selbst mit dem Fahrrad dürfte das eine Herausforderung sein (falls das jemand plant). Aber auf dem Weg selbst haben wir Radspuren gesehen, irgendwer hat mal die Etappe Rauhelleren-Sandhaug mit dem Rad bewältigt.
Wir machen eine Pause hinter einem Hügel liegend, um dem Wind zu entkommen. Unsere Lunchbrote werden immer besser. Morgens liegt bekanntlich neben dem Frühstückstisch Papier bereit und es ist üblich, dass man sich ein Lunchbrot einwickelt. Mit den Tagen habe ich meinen Favoriten gefunden: Vier Scheiben Brot, darauf eingelegte Gurkenscheiben, Kaviarpaste aus der Tube, Mayonnaise, Käse, Paprikastreifen und dazu hartgekochte Eier. Plus über den Tag verteilt vier Schokoriegel, die wir in größeren Mengen mitgebracht hatten. Ich habe ein Kilo abgenommen in dem Urlaub, falls das die nächste Frage ist.
Auch dieser Tag gerät am Ende sehr lang (wie geben es zu). Laut Karte 25 km, aber der Weg ist etwas besser zu laufen als am Vortag, der Pfad ist nicht ganz so steinig. Mittags hat man sogar kurz Handyempfang, und abends hat Sandhaug sogar ein freies WLAN. Absolute Überraschung.
Sandhaug gefällt uns ebenfalls sehr gut, es gibt sogar richtige Toiletten mit Wasserspülung und die Duschen sind im gleichen Gebäude untergebracht, nicht in Flipflops im Sturm durch die Gegend rennen (falls das ein Kriterium für die Tourenplanung ist).
Die meisten Hütten (außer Hellevasbu) auf dieser Route sind „bedient“, also mit einem Aufseher oder Gastgeber besetzt. Dort gibt es Abendessen (Punkt 19:00 Uhr, kurze Ansprache an die Gäste, Suppe, Hauptgang, Nachtisch. Keine Auswahl) und Frühstück (von Porridge über Brote bis Rührei – und Kaffee ohne Ende). Auch nach dem Abendessen gibt es freien Kaffee, so viel man möchte. Wir waren die einzigen, die abends keinen Kaffee tranken. Eine Übernachtung in den Hütten kostet (mit Vollpension, also Lunchpaket) pro Kopf rund 100 Euro für Mitglieder und 126 Euro für Nichtmitglieder. Die Preisliste findet sich beim DNT im Netz.
Sandhaug nach Litlos
Der Charakter der Wanderung änderte sich ab dem Tag komplett. Es geht hinauf in die Berge, insbesondere hinter der Hütte Bessa. Die Hütte ist ebenfalls bereits geschlossen, so dass wir wieder 8 Stunden vor uns haben, diesmal in den Bergen. Viele Seen, es wird auch mal steiniger im zweiten Drittel der Tagesetappe. Der Wind weht weiterhin streng von vorne. Wir gelangen bis auf 1400 m Höhe, es wird empfindlich kalt. Mütze und Handschuhe, knatternder Sturm, 6 Grad, aber kein Regen.
Heute kommt uns eine einzige Person entgegen in den 8 Stunden, er erschrickt beinahe, als er uns hinter einem Felsen mit unseren Broten hocken sieht. Schön an dieser Etappe ist, dass die Blicke häufiger wechseln, Täler, Berge, Seen. Aber meine Begleiterin fand diese unendliche Weite der ersten Tage noch schöner.
Wieder etwas müde kommen wir in Litlos an. In Litlos gibt es Steckdosen und Strom, allerdings keinen Handyempfang. Die Hütte hatte den letzten Tag geöffnet, wir sind die letzten Gäste, aber sie ist erstaunlich voll belegt. Die Besitzer wirken etwas zerstreut, den Weg zum Zimmer und Klo müssen wir mehrfach nachfragen. Auch die Essenszeiten scheinen nicht ganz klar. Wahrscheinlich liegt es daran, dass morgen „innerhalb von Stunden“ alles zusammen gepackt wird. Nachmittags wird schon der Hubschrauber kommen und dann ist Schluss.
Eine meiner Lieblingsszenen war, als ein Norweger mit viel Geschick und Ausdauer morgens den halben Kaffeeautomaten auseinanderbaute, um seine gewaltige Thermoskanne darunter installieren zu können. Er füllte sich dann strahlend den frischen Kaffee für den Tag ab. Gewusst wie. Vielleicht kommen auch dadurch die hohen Wegleistungen der Norweger_innen zustande. In der Regel werden die Thermoskannen am Vortag abgegeben.
Norweger_innen haben erstaunlich große Rucksäcke dabei, auch ohne Zelt. Ein Kochsystem ist absolut Standard, hier scheint sich der Jetboil für den Zusatz-Kaffee durchzusetzen („one minute and it’s cooking“, wie uns ein Norweger glücklich erläuterte). Ohne Kaffee geht wirklich gar nichts in den Bergen.
Litlos nach Hellevasbu.
Das Frühstück in Litlos war verglichen mit den anderen Hütten eher karg. Litlos liegt sehr zentral in der Hardangervidda und ist kaum zu umgehen. Ob es nun an den mangelnden Alternativen oder dem letzten Öffnungstag lag, für uns war Litlos einen Tick weniger toll als Sandhaug oder Rauhelleren.
Dafür ist der nächste Tag Richtung Süden fantastisch. Unglaublich schöne Blicke, auch die schnell wechselnden Wolkenbilder sind außerordentlich gut. Es geht steil hinauf bis auf 1400 m, alles wirkt sehr alpin, und es weht ein äußerst scharfer Wind, wieder von vorne. Meist ist der Untergrund auch gut zu gehen und mittags essen wir unsere zunehmend dicker gepackten Brote wieder im Windschatten eines großen Felsens.
Die Brücken sind meist problemlos zu passieren, nur jemand mit Hund könnte an einigen Übergängen Probleme bekommen. Die Brücken schwanken teilweise, haben keine oder rudimentäre seitliche Sicherungen und nicht jeder Hund spaziert angstfrei hinüber. Ein oder zwei Brücken hatten auch enorm steile Aufgänge, die auch nicht jeder Hund bewältigt. Aber da werden anderen Berichte evtl. noch mehr Details bieten können.
In dem Jahr (2021) war es sowieso möglich, die meisten Flüsse auch ohne Brücke zu queren – zumindest als Hund. Der Wasserstand war unfassbar niedrig. Wir hatten an den ersten Tagen keine Möglichkeit, überhaupt fließendes Wasser nachzufüllen. Es gab nur stehende Gewässer, teilweise recht grün. Das war erstaunlich. An den letzten Tagen in den Bergen dann wieder ausreichend Fließwasser und größere, klare Seen.
Und die nächste Hütte Hellevasbu sieht man auch schon vergleichsweise früh, eine knappe Stunde vor Ankunft liegt sie unten an einem See. Sie ist nicht bewirtschaftet und außer uns ist dort noch ein Paar aus Norwegen und zwei deutsche Studenten. Dies ist die einzige nicht bediente Hütte auf der Route. Es gibt keine Dusche, allerdings Licht. Steckdosen sind nicht vorhanden. Die Hütte ist gut eingerichtet, wie immer mit Kaminofen, Gasherd und allem was man zum Kochen braucht. Das Wasser wird wie immer im Eimer direkt aus dem See geschöpft.
Wen das Angebot an Nahrungsmitteln interessiert, hier ein Foto:
Ich schaffe es sogar, nachmittags noch einen Kaffee zu trinken (Papierfilter, Kaffee und Milchpulver dabei gehabt – wieso gibt es in Norwegen nie den Plastikkaffeefilter in den Hütten?). Diese Etappe war etwas kürzer, 5 ½ Stunden Gehzeit, was auch mal ganz schön ist. Das Guinness-Buch der Rekorde von 1995 liegt aus, da wird der Nachmittag nicht lang. Da wir abends Licht haben, kann man sogar noch sehr schön lesen.
Wir unterhalten uns mit dem Paar aus Norwegen. Sie lieben das Outdoorleben. Jede Norweger_in kennt alle Hütten und sie diskutieren immer über neue Routen („Finnmark im Oktober empfehle ich. Kann mir nicht vorstellen, dass es da oben dann schon schneit.“) Der Tatendrang und die Fitness sind beängstigend. Riesige Rucksäcke, Angelruten, aufgeschnallte Schaffelle. Unsere Tour rangiert eher am unteren Ende der Wagnisse, die sich Norweger_innen aller Altersklassen im Herbst so vornehmen.
Hellevasbu nach Haukeliseter
Dies ist unser letzter Wandertag. Wir fassen es kaum, dass dies bald vorbei sein soll. Es ist bewölkt, es weht wieder der frische Wind von vorne und morgens haben wir leichten Nieselregen und dunkle Wolken über uns. Die anderen Wanderer sind früher gestartet und ziehen uns schnell davon. Wir säubern noch die Hütte und sie hat nicht mal ein Schloss. Das heißt, wir haben auf der gesamten Route den Nokkel (Universalschlüssel) des DNT nicht benötigt (aber natürlich dabei). Der Norweger meinte lächelnd, dass Hütten, welche mehr als 4 Stunden von jeder Straße entfernt stehen, nicht abgeschlossen werden brauchen.
Meine Idee war, für diesen einen Morgen auf Frühstücksflocken zu verzichten und stattdessen einfach abends UND morgens Spaghetti zu kochen. Die Idee war schlecht. Morgens Nudeln mit Tomatensoße dauern lange, erfordern intensives Abspülen und führen zu wenig vorteilhaften Diskussionen mit den Norwegern. Also nächstes Mal wieder Haferflocken.
Wir gehen die ersten Meter sogar in Regenkleidung, die wir aber schnell wieder ausziehen. Denn es geht steil bergauf und es wird uns viel zu warm. Tagsüber sehen wir wieder eine großartige Landschaft. Ich glaube nicht, dass dies noch zu steigern ist. Magische Wolken, Seen und schroffe Berge. Winzig klein sehen wir die anderen Wanderer aus der Hütte schon den nächsten Berg überwinden. Wie verloren der Mensch in dieser Landschaft ist. Zwischendurch ziehen die Wolken etwas auf und wir machen sogar eine Pause, wieder hinter der üblichen Steinwand. Auf der Etappe drei Höhenzüge, alle 1400 m hoch, 8 Stunden Gehzeit.
Bald wird es kälter, auch frischer und dunkle Wolken ziehen wieder auf, aber wir haben Glück, es bleibt trocken. Hinunter nach Haukeliseter gibt es einen gewaltigen Abstieg. Wer die Tour in umgekehrter Richtung macht, der muss sich zu Beginn also auf einen ordentlichen Anstieg einstellen (dafür sind die Hütten sehr früh zu sehen – bei unserer Richtung sieht man die Hütten erst, wenn man mit dem Fuß schon drin steht).
Teilweise ist dieser letzte Abstieg bzw. Aufstieg auch nicht wirklich gut gehbar, eher eine Rinne in Geröll und Dreck. Bei schlechterem Wetter dürfte man sich hier durch Matsch und Büsche kämpfen, das sieht nicht nach einem Spaß aus. Wir sehen und hören bald die ersten Autos seit Beginn der Tour. Unten fahren die Lastwagen und plötzlich hat man auch 4G Handyempfang. Die Mails fliegen nur so zum Fenster herein. Wir sind wieder in der Zivilisation.
Haukeliseter besteht nur aus der Station des DNT. Wir bekommen ein sehr schönes Zimmer mit Seeblick. Dicke, weiße Handtücher. Seife. Ein Restaurant. Was für ein toller Abschluss der Wanderung. Wir haben die Hardangervidda durchquert.
Rückfahrt
Am nächsten Morgen geht der Bus ab Haukeliseter um 13:15 Uhr (bis dahin kann man sich den Einstieg der weiteren Wanderung nach Süden anschauen). Da einer der vielen Straßentunnel gesperrt ist, hat er etwas Verspätung, was er mit sehr sportlicher Fahrweise aber wieder wett macht. Unterwegs macht der Bus eine Pause, die für einen Kaffee reicht, drei weitere kurze Pausen dienen nur dem Fahrerwechsel und dem Umsteigen einiger Fahrgäste. Gegen 18:25 Uhr sind wir am Busbahnhof in Oslo, der hinter dem Hauptbahnhof liegt.
Meine Güte, was ist das voll in dieser Stadt. Wir sind wirklich völlig raus gewesen, und etwas erschlagen von den vielen Menschen um uns herum. Wir müssen übernachten, da die Fähre erst am nächsten Tag um 14:00 Uhr ablegt. Wir finden einen hervorragenden Buchladen (Tronsmo Bokhandel). Witzig der obligatorische Besuch im Outdoorladen (muss sein). Wir waren neugierig, da jeder zweite in Norwegen (zumindest in der Stadt) Hoka-Schuhe trägt. Der Verkäufer war allerdings wenig angetan davon („zu weich, nur Marketing“). Und preiswerter sind sie in Norwegen definitiv nicht.
Wir gehen am nächsten Tag zu Fuß zur Fähre, 14:00 Uhr Ablegen. Wir überleben auch die drängelnden Rentner, die es kaum erwarten können auf das Schiff zu kommen. Rücksicht auf Corona oder Abstand nimmt im Zweifel niemand, wenn man 5 Minuten früher zu seiner Kabine kommen kann.
Wir fahren hinauf auf das Deck im 12. Stock, ablegen, tuten, und es geht hinaus durch die engen Schären, Kurs auf Kiel. Es ist unglaublich warm, noch weitaus wärmer als auf der Hinfahrt. In den offenen Gewässern bis Dänemark stampft es etwas, rund 2 Meter Wellenhöhe, danach wird es besser. Wieder eine weitgehend ruhige Überfahrt. Wir sehen auch Passagiere mit Hunden und Fahrrädern. Das scheint möglich zu sein.
Fazit der Wanderung
- Seefahrt und Bus/Bahn waren mal etwas anderes. Für 6 Tage Wandern sind wir allerdings 4 Tage Anreise unterwegs gewesen. Evtl. wäre Hirtshals - Kristiansand eine Alternative mit dem Auto?
- Hardangervidda ist großartig, eine schöne Herausforderung, körperlich und mental. Tolle Landschaft. Wir hätten auch gerne noch Tage dran gehängt. Dann wäre es auch schön, eine kürzere Etappen mittendrin zu haben, etwa 4-6 Stunden Gehzeit. Norwegen ist wie Schweden definitiv das perfekte Wanderland. Je häufiger man dort ist, desto mehr Pläne hat man sofort wieder im Kopf.
- An der Ausrüstung ist nicht mehr viel zu ändern. Mal zwei dünne Socken übereinander probieren (und nochmals Hoka? Die Altra Lone Peak Mid sind nach 500 km schon ziemlich ramponiert), den Tripod mitnehmen für Hyperlapse der Wolken.
Kommentar