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[SE] 16 Tage Frust und Lust & Höhen und Tiefen: Anfänger im Sarek
30.08.2019 – 16.09.2019



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Stille.
Einfach nur: Stille.
Absolute Stille.
Da ist nichts. Garnichts.
Keine Stimmen. Niemand der telefoniert.
Keine Musik. Kein Bass vom Sitznachbarn in der S-Bahn mit Kopfhörern.
Kein Geschrei, kein Lärm.
Kein Knistern einer Chipstüte.
Kein vorbeifahrender Krankenwagen. Kein Straßenlärm.
Kein Getrampel vom Nachbarn der über einem wohnt.
Noch nicht einmal das auch in der Natur in Deutschland so allgegenwärtige an- und abschwellende Rauschen von Autos auf einer weiter entfernten Straße.
Kein Aufheulen eines Motorrads.
Kein Geräusch eines Flugzeugs.
Kein Zwitschern eines Vogels.
Nichts.
Das kann nicht sein.
Ich lausche angestrengt. Aber da ist nichts. Nicht einmal ein Säuseln des Windes, nicht einmal das entfernte Rauschen eines Wasserfalls. Absolute, unverschämt perfekte Stille. Dass es das heute überhaupt noch gibt.
Es ist ca. 6.00 Uhr morgens. Ich stehe, verpackt in meine wärmsten Klamotten und gerade aus meinem Schlafsack geklettert, gähnend, vor einer weiten Ebene. Vor mir ein See.
Dahinter der Sonnenaufgang. Es ist schön. Unbeschreiblich schön. Ich frage mich – wie schon mehrfach in diesem Urlaub - Ist das echt? Gibt es das überhaupt? Oder sitze ich gerade im Büro, habe die Augen geschlossen und reime mir das nur im Kopf zusammen? Liege ich im Bett und träume?
Ich stehe auf einem größeren Stein, habe gerade mein Kamerastativ aufgebaut und drücke nun die Taste für die Timelapse-Funktion. Das Klicken der Kamera durchbricht die Stille.
Es ist der letzte volle Wandertag meines Sarek-Urlaubes. Eigentlich befinde ich mich sogar auf dem Kungsleden, zwischen Saltaloukta und Sitojaurestugorna, einer viel begangenen Strecke. Eigentlich. Denn ich hatte mir einen Reservetag bis zum Schluss aufgehoben und es war mir zu langweilig, einfach die 20km auf dem Kungsleden nach Norden entlangzulaufen. Also war ich von der „Autobahn“ abgewichen und nach Osten auf die Ulldevisduottar-Ebene. Hinter mir befindet sich der namenlose Gipfel (1099m), vor mir der Njalasjjavvrre-See mit diversen weiteren kleinen Seen um ihn herum.
Als die Aufnahmen im Kasten sind, steht die Sonne mittlerweile ein wenig über dem Horizont. Und die Strahlen der Sonne wärmen mich. Als ich wieder in meinem Zelt sitze und mir den zweiten Kaffee koche – der letzte Schluck Kaffee den ich mir vor einer halben Stunde gekocht habe ist auf dem Boden des Topfes zu Eis gefroren - habe ich unglaublich gute Laune, philosophiere herum, muss ständig über irgendwelche Kleinigkeiten lachen und singe willkürlich irgendwelche Lieder die in meinem Kopf aufploppen. Weihnachtslieder, Kinderlieder und „Mein kleiner grüner Kaktus“.
Es ist ein wunderschöner Tag und ich blicke mit ein wenig Wehmut auf meinen nun in Kürze endenden Urlaub zurück. Letzter Tag, letztes Highlight. Dachte ich. Aber ein weiteres Highlight, getoppt durch einen glücklichen Zufall, stand mir in wenigen Stunden noch bevor.
Die Nacht davor.
3.00 Uhr Nachts. Es ist kalt. Richtig kalt. Die letzten Tage war das Wetter trübe, es gab kaum Sonnenstrahlen. Teils so trübe und neblig, dass eine regelrecht unheimliche Atmosphäre entstanden war. Jedenfalls gab es keine Gelegenheiten, den Schlafsack zu trocknen. Vielleicht habe ich die richtigen Situationen auch einfach verpasst. Der Schlafsack ist nass. Vor allem am Fußteil. Man kann regelrecht sehen, wie der Loft durch die Feuchtigkeit zusammengedrückt wird. Er ist mir, wie man im Fachjargon sagen würde, zusammengefallen.
Das Thermometer zeigt minus 4 Grad. Ich habe alles an, was ich dabei habe. Aber es hilft nichts: Ich friere. Mir ist kalt. Ich drehe mich auf den Rücken, versuche irgendwie eine wärmere Position zu erreichen. Ich müsste dringend mal raus. Aber es geht nicht. Als ich gestern Abend in den Schlafsack gekrochen bin, hat es eine gefühlte Ewigkeit gedauert, bis dieser endlich ein wenig Wärme reflektiert hat. Ich will nicht schon wieder so viel Wärme verlieren, also bleibe ich im Schlafsack. Und versuche zu schlafen. Hin und wieder schlummere ich ein wenig, aber wirklich erholsamer Schlaf stellt sich nicht ein.
Und das schimpft sich nun Urlaub. Was soll das? Warum tue ich mir das an? Was hat das mit „Erholungsurlaub“ zu tun? Wieso bin ich nicht nach Malle gefahren oder habe mir irgendeinen anderen All Inclusive-Urlaub gegönnt? Wieso kein Städtetrip mit Übernachtung in Hostels? Allein von den Kosten für das Inreach-Mini – 289€ + Abogebühren - hätte ich mir eine Woche Urlaub gönnen können. Stattdessen wälze ich mich nun im Schlafsack hin und her, friere und hoffe einfach nur, dass die Nacht endlich um ist. Bäh!
–
Noch nie in meinem Leben lagen – wie in diesen 16 Tagen – Frust und Lust, Höhen und Tiefen, gute Laune und Ärger, so nahe beieinander. Ständig wiederholte sich das Muster: Momente absoluten Frusts und Ärgers – und dann am selben Tag, Momente einer so unbeschreiblichen Schönheit der Natur, dass es sich schier jeglicher Beschreibung entzieht. Aber die Natur ist nicht immer schön. Sie ist auch rau, nass, kalt, stürmisch und hart. Und ein Trekking-Urlaub besteht nicht nur aus schönen Tagen. Das sollte sich jeder Anfänger, der eine solche Tour plant, vorher bewusst machen.
Zwar hatte ich auch in meinen letzten beiden Urlauben – jeweils in Schottland – mehr schlechtes als gutes Wetter. (Und umso mehr darauf gehofft, endlich mal Wetter-Glück zu haben). Aber in Schottland gab es Bothys und ich konnte die Schlechtwettertrage größtenteils drinnen verbringen. Nicht so dieses mal - im Sarek gibt es keine Hütten. Für mich war es also die erste Tour dieser Art.
Bei gutem Wetter dachte ich mir immer wieder: „Trekken ist leicht.“ Bei schlechtem Wetter: „Warum tue ich mir das an?“ Der Rest war Laufen.
Aber springen wir doch einfach zurück zum Anfang.
Viel Spaß beim Lesen.
30.08.2019 – 16.09.2019



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Stille.
Einfach nur: Stille.
Absolute Stille.
Da ist nichts. Garnichts.
Keine Stimmen. Niemand der telefoniert.
Keine Musik. Kein Bass vom Sitznachbarn in der S-Bahn mit Kopfhörern.
Kein Geschrei, kein Lärm.
Kein Knistern einer Chipstüte.
Kein vorbeifahrender Krankenwagen. Kein Straßenlärm.
Kein Getrampel vom Nachbarn der über einem wohnt.
Noch nicht einmal das auch in der Natur in Deutschland so allgegenwärtige an- und abschwellende Rauschen von Autos auf einer weiter entfernten Straße.
Kein Aufheulen eines Motorrads.
Kein Geräusch eines Flugzeugs.
Kein Zwitschern eines Vogels.
Nichts.
Das kann nicht sein.
Ich lausche angestrengt. Aber da ist nichts. Nicht einmal ein Säuseln des Windes, nicht einmal das entfernte Rauschen eines Wasserfalls. Absolute, unverschämt perfekte Stille. Dass es das heute überhaupt noch gibt.
Es ist ca. 6.00 Uhr morgens. Ich stehe, verpackt in meine wärmsten Klamotten und gerade aus meinem Schlafsack geklettert, gähnend, vor einer weiten Ebene. Vor mir ein See.
Dahinter der Sonnenaufgang. Es ist schön. Unbeschreiblich schön. Ich frage mich – wie schon mehrfach in diesem Urlaub - Ist das echt? Gibt es das überhaupt? Oder sitze ich gerade im Büro, habe die Augen geschlossen und reime mir das nur im Kopf zusammen? Liege ich im Bett und träume?
Ich stehe auf einem größeren Stein, habe gerade mein Kamerastativ aufgebaut und drücke nun die Taste für die Timelapse-Funktion. Das Klicken der Kamera durchbricht die Stille.
Es ist der letzte volle Wandertag meines Sarek-Urlaubes. Eigentlich befinde ich mich sogar auf dem Kungsleden, zwischen Saltaloukta und Sitojaurestugorna, einer viel begangenen Strecke. Eigentlich. Denn ich hatte mir einen Reservetag bis zum Schluss aufgehoben und es war mir zu langweilig, einfach die 20km auf dem Kungsleden nach Norden entlangzulaufen. Also war ich von der „Autobahn“ abgewichen und nach Osten auf die Ulldevisduottar-Ebene. Hinter mir befindet sich der namenlose Gipfel (1099m), vor mir der Njalasjjavvrre-See mit diversen weiteren kleinen Seen um ihn herum.
Als die Aufnahmen im Kasten sind, steht die Sonne mittlerweile ein wenig über dem Horizont. Und die Strahlen der Sonne wärmen mich. Als ich wieder in meinem Zelt sitze und mir den zweiten Kaffee koche – der letzte Schluck Kaffee den ich mir vor einer halben Stunde gekocht habe ist auf dem Boden des Topfes zu Eis gefroren - habe ich unglaublich gute Laune, philosophiere herum, muss ständig über irgendwelche Kleinigkeiten lachen und singe willkürlich irgendwelche Lieder die in meinem Kopf aufploppen. Weihnachtslieder, Kinderlieder und „Mein kleiner grüner Kaktus“.
Es ist ein wunderschöner Tag und ich blicke mit ein wenig Wehmut auf meinen nun in Kürze endenden Urlaub zurück. Letzter Tag, letztes Highlight. Dachte ich. Aber ein weiteres Highlight, getoppt durch einen glücklichen Zufall, stand mir in wenigen Stunden noch bevor.
Die Nacht davor.
3.00 Uhr Nachts. Es ist kalt. Richtig kalt. Die letzten Tage war das Wetter trübe, es gab kaum Sonnenstrahlen. Teils so trübe und neblig, dass eine regelrecht unheimliche Atmosphäre entstanden war. Jedenfalls gab es keine Gelegenheiten, den Schlafsack zu trocknen. Vielleicht habe ich die richtigen Situationen auch einfach verpasst. Der Schlafsack ist nass. Vor allem am Fußteil. Man kann regelrecht sehen, wie der Loft durch die Feuchtigkeit zusammengedrückt wird. Er ist mir, wie man im Fachjargon sagen würde, zusammengefallen.
Das Thermometer zeigt minus 4 Grad. Ich habe alles an, was ich dabei habe. Aber es hilft nichts: Ich friere. Mir ist kalt. Ich drehe mich auf den Rücken, versuche irgendwie eine wärmere Position zu erreichen. Ich müsste dringend mal raus. Aber es geht nicht. Als ich gestern Abend in den Schlafsack gekrochen bin, hat es eine gefühlte Ewigkeit gedauert, bis dieser endlich ein wenig Wärme reflektiert hat. Ich will nicht schon wieder so viel Wärme verlieren, also bleibe ich im Schlafsack. Und versuche zu schlafen. Hin und wieder schlummere ich ein wenig, aber wirklich erholsamer Schlaf stellt sich nicht ein.
Und das schimpft sich nun Urlaub. Was soll das? Warum tue ich mir das an? Was hat das mit „Erholungsurlaub“ zu tun? Wieso bin ich nicht nach Malle gefahren oder habe mir irgendeinen anderen All Inclusive-Urlaub gegönnt? Wieso kein Städtetrip mit Übernachtung in Hostels? Allein von den Kosten für das Inreach-Mini – 289€ + Abogebühren - hätte ich mir eine Woche Urlaub gönnen können. Stattdessen wälze ich mich nun im Schlafsack hin und her, friere und hoffe einfach nur, dass die Nacht endlich um ist. Bäh!
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Noch nie in meinem Leben lagen – wie in diesen 16 Tagen – Frust und Lust, Höhen und Tiefen, gute Laune und Ärger, so nahe beieinander. Ständig wiederholte sich das Muster: Momente absoluten Frusts und Ärgers – und dann am selben Tag, Momente einer so unbeschreiblichen Schönheit der Natur, dass es sich schier jeglicher Beschreibung entzieht. Aber die Natur ist nicht immer schön. Sie ist auch rau, nass, kalt, stürmisch und hart. Und ein Trekking-Urlaub besteht nicht nur aus schönen Tagen. Das sollte sich jeder Anfänger, der eine solche Tour plant, vorher bewusst machen.
Zwar hatte ich auch in meinen letzten beiden Urlauben – jeweils in Schottland – mehr schlechtes als gutes Wetter. (Und umso mehr darauf gehofft, endlich mal Wetter-Glück zu haben). Aber in Schottland gab es Bothys und ich konnte die Schlechtwettertrage größtenteils drinnen verbringen. Nicht so dieses mal - im Sarek gibt es keine Hütten. Für mich war es also die erste Tour dieser Art.
Bei gutem Wetter dachte ich mir immer wieder: „Trekken ist leicht.“ Bei schlechtem Wetter: „Warum tue ich mir das an?“ Der Rest war Laufen.
Aber springen wir doch einfach zurück zum Anfang.
Viel Spaß beim Lesen.
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