[TR] Langzeitwanderung

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  • grenzenlos
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    • 25.06.2013
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    AW: [TR] Langzeitwanderung

    Zitat von tizzano1 Beitrag anzeigen
    Hallo ihr beiden,
    heute leider keine guten Nachrichten für euch:


    http://orf.at/stories/2287560/

    Ich hoffe ihr seid wohlauf und wünsche euch weiter alles, alles Gute,
    tizzi
    QUOTE=tizzano1;1414801]Hallo ihr beiden,
    heute leider keine guten Nachrichten für euch:


    http://orf.at/stories/2287560/

    Ich hoffe ihr seid wohlauf und wünsche euch weiter alles, alles Gute,
    tizzi[/QUOTE]

    Hallo tizzi,

    danke für die Infos. Wir sind, soweit möglich, mit den Freunden und Bekannten in Verbindung. Leider gibt es von dort nur echt beschissene Nachrichten.
    Die Altstadt von Sanaa (wir haben dort mal für 3 Monate gelebt) ist die schönste Altstadt der Welt, zumindest für uns. Weit schlimmer ist aber, dass unendlich viel Leid unter der Bevölkerung nun herrscht. Es mangelt an allem. Trinkwasser ist kaum noch verfügbar, Stromsperren über Tage normal, Benzin für Generatoren Mangelware, viele Krankenhäuser geschlossen und die Schulen werden aus Angst von den Kindern nicht mehr besucht. Auch wissen wir, dass viele unserer Freunde und Bekannten (einer ist vor wenigen Tagen umgekommen) Hunger leiden. Ich könnte nun auch einfach nur schreiben, es ist halt Krieg und der zeigt seine Fratze.
    Deshalb auch ganz viel Dank an Dich, denn es ist in der heutigen Zeit nicht normal, dass andere Menschen sich viele Gedanken um das Leid anderer machen, sofern sie selbst keine innere Beziehung zu den betroffenen Land/Ländern haben.
    Was mich am meisten aufregt, da wird ein weiterer Krieg im Namen der Religion geführt, der in Wirklichkeit kein Religionskrieg ist. Es ist ein ganz normaler Krieg um Macht, um Sicherung der jetzigen und zukünftigen Macht, um Beweggründe der niedrigsten Art. Einige Idioten zetteln die Scheiße an, Millionen anderer leiden darunter.
    Uns geht es gut. Ich könnte auch schreiben, wir haben Essen und Trinken und ein Dach (manchmal auch Zeltdach) über dem Kopf. Und wir haben keinen Krieg. Nur im Kopf geht es uns manchmal nicht gut, denn die Gedanken sind oft im Jemen. Wobei die Gedanken auch in anderen Ländern weilen, denn nicht nur der Jemen erlebt ja zur Zeit die Unmenschlichkeit, leider gibt es da noch viele andere.
    In Gedanken an eine Welt ganz ohne Kriege (Utopie?),
    grüßen Dich ganz lieb,

    Wi + Gi aus dem sicheren Georgien
    Unsere Webseite: http://www.grenzenlosabenteuer.de

    Gruß, Wi grenzenlos

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    • Julia
      Fuchs
      • 08.01.2004
      • 1384

      • Meine Reisen

      AW: [TR] Langzeitwanderung

      Ich umarme Euch in Gedanken.

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      • Palle
        Erfahren
        • 15.02.2009
        • 115
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        • Meine Reisen

        AW: [TR] Langzeitwanderung

        Hallo Gi und Wi,
        vielen Dank für den neuen Teil, diesmal aus Armenien. Ist auch spannend, das Land im Vergleich mit dem Iran zu erleben. Ich weiß nur noch von einem ehemaligen iranischstämmigen Dozenten, dass so gut wie aller schwarzer Alkohol im Iran aus Armenien kommt. Hoffe, dein Durchfall hat sich wieder gelegt. Durchfall ist an sich schon übel genug, zusammen mit Hitze und körperlichen Aufstieg kann er wirklich die Hölle sein. Respekt, dass du überhaupt so lange durchgehalten hast.
        Freu mich auf die Fortsetzung,
        viele Grüße
        Palle

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        • grenzenlos
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          • 25.06.2013
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          AW: [TR] Langzeitwanderung

          Zitat von Palle Beitrag anzeigen
          Hallo Gi und Wi,
          vielen Dank für den neuen Teil, diesmal aus Armenien. Ist auch spannend, das Land im Vergleich mit dem Iran zu erleben. Ich weiß nur noch von einem ehemaligen iranischstämmigen Dozenten, dass so gut wie aller schwarzer Alkohol im Iran aus Armenien kommt. Hoffe, dein Durchfall hat sich wieder gelegt. Durchfall ist an sich schon übel genug, zusammen mit Hitze und körperlichen Aufstieg kann er wirklich die Hölle sein. Respekt, dass du überhaupt so lange durchgehalten hast.
          Freu mich auf die Fortsetzung,
          viele Grüße
          Palle
          Hallo Palle,

          ja Alk gibt es in Armenien genug Die versorgen den Nordiran. Von der Arabischen Halbinsel kommt der Saft für den Südiran. Verrückte Welt! Schließmuskel ist wieder ok

          Lg, Wi
          Unsere Webseite: http://www.grenzenlosabenteuer.de

          Gruß, Wi grenzenlos

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          • grenzenlos
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            • 25.06.2013
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            AW: [TR] Langzeitwanderung

            Armenien Teil 2



            Gefühlswelten

            Das Armenien etwas anders ist wie der Iran, haben wir ja recht schnell mitbekommen. Trotzdem ist mir das Land nicht unsympathisch, denn zu meinem anfänglichen Darmproblemen, zum schlechten Wetter und zu den steilen Anstiegen kann ja das Land selbst nichts. Alles weitere ist dann natürlich Auslegungssache. Da bemühe ich mich aber immer, sollte doch einiges auf dem ersten Blick unsympathisch erscheinen, die Gründe fürs unsympathische auf meine Art zu ergründen. Ich suche dann nach plausiblen Erklärungen, manchmal gar nach Entschuldigungen, sozusagen nach Entschuldigungen im Namen des gerade bereisten Landes.
            Durch einen Hinweis wird uns schnell bewusst, dass wir uns nach längerer Zeit erneut auf einem Abschnitt der legendären Seidenstraße befinden. Und genau entlang dieser armenischen Seidenstraße, mit Richtung zur Hauptstadt Jerewan, wechseln meine Gefühle sehr oft.


            Seidenstraße erlaufen

            Die Landschaft ist, sofern die Sonne scheint, sehr schön. Leider scheint die Sonne während unserer Armenienzeit nur sehr selten. Wir nutzen diese wenigen Sonnenstunden für Wiesenpicknicks. Oft sind dabei in der Ferne noch Schneefelder auf den Bergen erkennbar. Es sind Stunden der Entspannung, der Ruhe und Kalorienzufuhr.


            Herrlich Wiesenpicknick

            In den Bergsenken entlang der Schneeberge liegen in wanderfreudigen Abständen Dörfer. Dort können wir unsere Vorräte auffüllen. Die Dörfer selbst sind nicht unbedingt fürs Auge schön. Vieles wirkt da oft nur grau in grau. Neben grau ist viel rostig angesagt. Es fehlen einfach weitere Farben. Keine Dorfstraße hat je Asphalt gesehen. Die Häuser sind sehr einfach gebaut. Meist befindet sich im Untergeschoss der Viehstall. Dies ist zweckmäßig, da die Tierwärme ja nach oben steigt, und somit die Wohnräume erwärmt.


            Keine Bilderbuchdörfer

            Die Dächer sind in der Regel mit Wellblech gedeckt. Es gibt aber auch Dachabdeckungen aus Asbest. Die Menschen in den Dörfern sind zumeist Selbstversorger. Vieh wird gehalten, an der Straße Obst und Gemüse verkauft, und, sofern man ein größeres Stück Land seinen Eigen nennen darf, Getreide angebaut. Alles wirkt sehr armselig auf uns. Am Ortsrand dieser Dörfer befinden sind meist größere Gebäude. In der Regel sind diese in einem fürchterlichem Zustand. Es müssen die ehemaligen Kolchosen sein. Glücklich dürfen sich die Dörfer schätzen, welche nicht über einen oder mehrere der grausigen Wohnblöcke verfügen oder gar über irgend eine alte stillgelegte Fabrik. Dann kommt wirklich Endzeitstimmung auf. Endzeitstimmung klingt sehr gemein. Doch ist es leider oft so. Warum ist es so? Es sind die Probleme der Vergangenheit, auch die Probleme der Gegenwart, vermute ich. Über Generationen war das Land in den Klauen des russischen Bären. Armseliger Sozialismus hat die Dörfer und Menschen geformt. Knallharter Kapitalismus muss nun verkraftet werden.

            Wie in den anderen Ländern auch, grüßen wir auch in Armenien jeden der uns über den Weg läuft. Kaum einer erwidert den Gruß. Viele blicken nur kurz auf. Das war es. Sind sie nun unhöflich? Ich glaube nicht. Sie sind einfach nur überrascht uns so plötzlich hier zu sehen. Touristen sind Mangelware. Mit Ausländern Gespräche führen ist den meisten fremd. Dann noch unser komischer Schiebewagen. Sie können uns auch schlecht einordnen, vermute ich.

            Am Rande solch eines unschönen Dorfes sehe ich einen Mann seine Kühe auf die Weide treiben. Ich merke sofort, er ist anders, er will Kontakt. Er kommt auf mich zu. Seine Augen leuchten. Er redet auf mich ein. Ich kann nichts verstehen. Nemetski (Deutsch), sage ich nach einer Zeit. Da leuchten seine Augen plötzlich noch mehr. Er gibt mir die Hand. Ich merke einen angenehm warmen Druck. Er redet und redet. In den Redepausen schauen wir uns einfach nur an und lächeln. Wir verstehen nichts und doch macht es uns Freude. Zum Abschied drücken wir uns wie zwei alte Freunde. Küsse auf die Wangen finden ihr Ziel.

            Noch lange beschäftigt mich die überraschend nette Begegnung. Was wollte er mir sagen? War er vielleicht in Ostdeutschland als Soldat stationiert? Kennt er Deutsche? Liebt er einfach nur Deutschland? Ich werde es nie erfahren. Ist letztendlich ja auch egal. Wichtig ist, die Begegnung hat mir die fehlenden Farben gebracht.


            Was wollte er mir sagen?

            Kleinere Farbtupfer gibt es immer wieder. Sie tun gut. Ob es nun die Landschaft ist, die Blumen auf den vielen Bergwiesen oder ein Reiter in der angenehmen Mittagssonne. Wenn das Auge sucht, so findet es auch. So wechselt täglich grau mit bunt.


            Reiter in der Mittagssonne

            Irgendwann hat sich auch das Auge an den täglichen Müll gewöhnt. Am schlimmsten ist der Müll auf den wenigen Rastplätzen, entlang der Straßen und an den Ufern der Bäche und Flüsse. Vieles im Leben ist Gewohnheit. Sehe ich täglich Müll, so empfinde ich es irgendwann als normal, so dachte ich zumindest bisher. An einem Tag wird mir jedoch bewusst, Müll ist nicht gleich Müll, denn an diesem Tag laufen wir durch eine Schlucht. Die Landschaft ist sehr schön, schön bis zum Anblick der Müllhalde genau unter einer Bahnbrücke. Es muss die Müllhalde der letzten Kleinstadt sein. Das schlimme ist, durch die Schlucht kämpft sich ein Fluss. Er nimmt mit was keiner mehr braucht. So zieht der Müll von Dorf zu Dorf, von Stadt zu Stadt. Seine Reise wird im Schwarzen oder Kaspischen Meer enden.


            Einfach nur viel Müll für die Flüsse



            Auch wenn die meisten Armenier sehr arm sind, so hat doch die kleine westliche Konsumwelt schon lange ihren Sieg errungen. Auch im letzten Dorfladen haben Nutella, Coca Cola, auch viele Produkte von Nestle, und die von mir so gehassten Wegwerfwindeln, ihren Platz gefunden. Verpackt wird natürlich, auch wenn es sich nur um einen Artikel handelt, in Plastiktüten. Viele Verpackungen und Plastiktüten werden ihren endgültigen Müll-Sterbeplatz in einem der Meere finden.

            Seinen Sterbeplatz findet ein Koch nur Stunden später fast neben seinem Arbeitsplatz. Wir machen da gerade Rast in einem Restaurant. Ich bestelle 2 Hühnchenspieße, Salat, Reis und Brot. Der Chef vom Restaurant kümmert sich intensiv um 3 Herren am Nebentisch. Deren Essen und die Getränke verbiegen fast die Tafel. Bei jeder neuen Leckerei, welche der Chef den Herren serviert, gehen seine Mundwinkel wie auf Befehl bis zu den Ohren. Die Herren quittieren mit süßsaurem lächeln. Irgendwie wirkt die Szenerie wie ein schlechter Mafiafilm auf mich.

            Wir warten auf unsere Spieße. Da die Herren wichtiger sind, warten wir weiter geduldig. Plötzlich höre ich laute Worte am Grill. Da ich manchmal neugierig bin, begebe ich mich Richtung Grill. Der Chef brüllt den Koch an. Der Koch brüllt zurück. Dann geht alles blitzschnell. Der Chef zerrt einen Spieß vom Grill. Dies ist das Zeichen für den Koch zu flüchten. Er rennt über die Straße. Der Chef rennt hinterher. Dann fliegt der Spieß (ist echt ein großer, langer Spieß) wie ein Speer in sein Ziel. Es ist der Rücken vom Flüchtling. Der Flüchtling strauchelt kurz. Doch er rennt weiter. Der Spieß liegt auf der Straße. Was ich dabei denke? Wird doch nicht einer unserer Spieße sein?

            Wenig später bringt der Chef unsere Spieße. Seine Mundwinkel berühren sich dabei fast in der Schädelmitte. Auch wenn mir der Chef absolut unsympathisch ist, die Spieße sind echt lecker.

            Armenien kann hart sein. Doch Armenien kann auch anders.

            Wetterbedingt übernachten wir oft in Pensionen und kleinen Hotels. Zum Glück reihen die sich entlang unserer Wanderstrecke. Die Preise sind moderat. Und anders als die unfreundliche Dame bei der ersten Übernachtung, geben sich alle folgenden unheimlich viel Mühe. Wir sind meist die einzigen Gäste. So erfahre ich auch oft von ihren Nöten. Zu wenig Gäste, zu wenig Touristen, zu wenig Reklame durch den Staat fürs doch so schöne Armenien. Wenn ich erwähne, dass der Müll für den Tourismus ein Problem sei, wird mir erwidert, ja der Staat ist daran Schuld.

            Oft bieten die Besitzer auch Essen an. Und es ist wirklich kein Fehler dies anzunehmen, denn da wird meist sehr gut gekocht, sehr gut auch ein Frühstück bereitet.


            Köstlich Fisch

            Bei einer dieser Pensiondamen gab es Fisch aus eigener Zucht. Ich kann gar nicht beschreiben, wie köstlich der war. Nur im Jemen habe ich bisher gleichwertig gut zubereiteten Fisch genossen.


            Katzen lieben Fisch

            Natürlich haben wir die Dame mit Komplimenten zugeballert. Es war auch einfach nötig. Da ihr Vater aus Deutschland stammt, spricht sie auch einige Wörter Deutsch. Somit steht nach dem Fischessen eine Pensionsbesichtigung an. Zum Schluss der Besichtigung dürfen wir auch ins sehr geräumige Wohnzimmer der Pensionsfamilie. Da gibt es eine große Ecke für die erlegten Trophäen vom Chef des Hauses. Alles wirkt wie im Museum. Wir wollen es nicht glauben, denn hier versammelt sich alles was Armeniens Wälder so zu bieten haben. Nur leider alles Tod.
            Ihr Mann ist Hobbyjäger, erzählt sie stolz. Zu jedem Bären gibt es eine kleine Erleg- Erfolgsgeschichte. Ort, Datum, Uhrzeit. Danach war es aus mit der Bärenfröhlichkeit.

            Absolute Scheiße, denke ich, das darf es doch nicht geben!


            Gruselkabinett!!!

            Gibt es aber! Lange reden wir darüber. Wir versuchen zu verstehen. Warum ist hier so einiges anders? Nur einen Tag später kommt uns ein Trupp rennender Soldaten entgegen. Soldaten sehen wir fast täglich. Da Armenien noch immer Grenzstreitigkeiten mit Aserbaidschan hat, wimmelt es förmlich in manchen Ecken des Landes von Soldaten. Also sind auch die Rennsoldaten für uns nichts besonderes. Doch plötzlich ändert sich da was, denn am Ende des Trupps schreit einer der Ranghöheren auf die letzten des Trupps ein. Er schreit nicht nur, er tritt immer dem letzten auch richtig kräftig in den, ich schreib es einfach so, den Arsch, denn es sind wirklich knallharte Arschtritte welche da er verteilt. Mir tut das in der Seele weh.


            Rennsoldaten

            Auch darüber reden wir lange. Die getöteten Tiere und die Arschtritte bekommen letztendlich ein gemeinsames Gesicht. Der vermeintlich Stärkere quält den vermeintlich Schwächeren, bis hin zum Tod.

            Ca. 80 km vor der Hauptstadt Jerewan, werden wir aufgefordert, in ein Auto zu steigen. Wir nehmen dankend an, denn der gute Geist erklärt uns, die Straße folgt in wenigen Kilometern direkt der Grenze zu Aserbaidschan. Da wurde zwar ein Schutzwall errichtet, doch noch immer ballern da Scharfschützen von den hohen Bergen auf der anderen Seite herüber, so behauptet zumindest der gute Geist. Ob es stimmt, wissen wir natürlich nicht. Den Schutzwall gibt es tatsächlich. Wir sind uns aber einig, in einer Region wo Bären aus Lust am Töten erlegt werden und Soldaten wie Untermenschen behandelt werden, könnte dies durchaus wahr sein.

            In Jerewan sind wir Gast in einem der vielen Hostel. Das Hostel befindet sich im Kellergeschoss eines dieser unschönen Wohnblocks. Da uns der Schlafsaal, er hat keine Fenster zur Außenwelt, nicht unbedingt zusagt, bietet uns das Hostelfräulein eine Wohnung im 3.Stock an. Da der Mietpreis verlockend ist, denke ich, anschauen kostet ja nichts.


            Hostel gibt es auch in den Wäscheblocks

            Nur 15 Minuten später wuchten wir Toyota in den 3. Stock. Wir haben ein kleines Paradies in Jerewan gefunden. So kann man sich täuschen. Armenien ist halt für viele Überraschungen gut. Balkon, Schlafzimmer aus Großmutters Zeiten, supermodernes Badezimmer mit Waschmaschine, Küche mit allen Gerätschaften, Wohnzimmer mit Lederohrensesseln, und Gi kann es kaum glauben, es gibt da nämlich sogar eine richtige armenische Wäscheleine vom Küchenfenster zum Wohnzimmerfenster. Gi liebt diese Wäscheleinen. So kann auch sie, endlich für alle da unten in der Straße sichtbar, unsere Wäsche über ein raffiniertes Rollensystem anknipsen und später stolz abknipsen.

            Ob die Hauptstadt auch ein kleines Paradies ist, erzähle ich aber erst im nächsten Teil. Bis dahin liebe Grüße,


            von Wi + Gi + Toyota Stand: Mitte Juni 2015



            Wanderkilometer bis Jerewan: ca. 210 km
            Gesamtwanderkilometer bisher: ca. 4205 km

            Unsere Webseite: http://www.grenzenlosabenteuer.de

            Gruß, Wi grenzenlos

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            • blauloke

              Lebt im Forum
              • 22.08.2008
              • 8387
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              • Meine Reisen

              AW: [TR] Langzeitwanderung

              Euere Wanderung verfolge ich immer wieder gerne. Zusätzlich hast du einen angenehm zu lesenden Schreibstil.
              Freue mich auf euere nächsten Abenteuer.
              Du kannst reisen so weit du willst, dich selber nimmst du immer mit.

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              • Fritsche
                Alter Hase
                • 14.03.2005
                • 2817
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                • Meine Reisen

                AW: [TR] Langzeitwanderung

                Vielen Dank dafür, dass Ihr uns an euren Reisen und Erlebnissen und Gedanken teilhaben lässt! Das sind besonders großartige Berichte!

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                • Sternenstaub
                  Alter Hase
                  • 14.03.2012
                  • 3400
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                  • Meine Reisen

                  AW: [TR] Langzeitwanderung

                  ich hoffe, bei euch ist eh alles ok? Lg und weiterhin gute Reise!
                  Two roads diverged in a wood, and I—
                  I took the one less traveled by,
                  And that has made all the difference (Robert Frost)

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                  • grenzenlos
                    Dauerbesucher
                    • 25.06.2013
                    • 566
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                    AW: [TR] Langzeitwanderung

                    blauloke & Fritsche,

                    danke für die netten Sätze

                    Lg, Wi
                    Unsere Webseite: http://www.grenzenlosabenteuer.de

                    Gruß, Wi grenzenlos

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                    • grenzenlos
                      Dauerbesucher
                      • 25.06.2013
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                      AW: [TR] Langzeitwanderung

                      Zitat von Sternenstaub Beitrag anzeigen
                      ich hoffe, bei euch ist eh alles ok? Lg und weiterhin gute Reise!
                      Hallo Sternenstaub,

                      danke der Nachfrage + ja, ist alles in Ordnung Ich bin natürlich nicht ständig mit dem Internet verbunden. Somit dauert es immer einige Zeit, bis der nächste Bericht eingepflegt werden kann. Wenn ich ehrlich bin, manchmal bin ich auch etwas faul, abgelenkt oder anders beschäftigt. In wenigen Tagen folgt der nächste

                      LG, Wi grenzenlos
                      Unsere Webseite: http://www.grenzenlosabenteuer.de

                      Gruß, Wi grenzenlos

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                      • grenzenlos
                        Dauerbesucher
                        • 25.06.2013
                        • 566
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                        Armenien Teil 3



                        Anfrage an Sender Jerewan

                        Anfrage an Sender Jerewan: Könnte man in der Schweiz den Sozialismus einführen? Im Prinzip ja, aber es wäre schade um das schöne Land.
                        So ähnlich waren die meist im Ostblock bekannten Jerewanwitze gestrickt. Den Sender gab es nie. Doch die Witze waren köstlich. Sie dienten irgendwie auch als Blitzableiter.
                        Als Blitzableiter ist die folgende Wi-Sender-Jerewan Anfrage nicht gedacht, doch manchmal witzelt es mich halt auch.

                        Anfrage an Sender Jerewan: Könnte Jerewan irgendwann eine wirklich schöne Stadt werden? Im Prinzip ja, doch empfehlen wir erst in hundert Jahren erneut vorbeizuschauen.

                        Es gibt ja von allen Hauptstädten hübsche Fotos. Die sind dann immer so bearbeitet, dass man sofort in den nächsten Flieger steigen möchte. Fernweh ist angesagt. Von Jerewan wusste ich, dank dieser hübschen Bilder, da muss doch der Ararat schön schneebedeckt sichtbar sein. Und zu seinen Füssen liegt die herrliche Stadt.

                        Da die Schlechtwetterperiode anhält, ist Pustekuchen mit Ararat. Also schlendern wir durch die Stadt und suchen Ersatz. Grob geschrieben ist Jerewan für mich eine Mischung aus alten Bausünden und leider auch neuen Bausünden. An vielen Ecken grüßt der stalinistische Baustil (Sozialistischer Klassizismus). Groß, erdrückend, unlogisch geschwungen und überaus machthungrig, sagen mir da meine Gefühle. Diese, auch als Zuckerbäckerstil bekannte Architektur, hat für mich einen gravierenden Fehler. Es fehlt mir einfach der so wichtige Zucker.


                        Neue Bausünden?

                        Der Baustil hat sich sogar bei den Bushaltestellen, scheinbar sogar auf Ewigkeit, in Armenien eingenistet.


                        Bushaltestelle

                        Doch ganz so einfach mache ich es mir nicht, denn genau wie bei unserer Block-Wohnung auf Zeit, ist die Stadt selbst auch für Überraschungen brauchbar.

                        Die Armenier sind ja das älteste christliche Volk. Da wundert es nicht, dass es viele Kirchen und Klöster in und um Jerewan gibt. Ich zähle die natürlich jetzt nicht alle auf, denn all die anderen hunderte von Kirchen und Klöster im ganzen Land, würden berechtigt behaupten, ich bin doch viel wichtiger, viel schöner, viel romantischer gelegen und, und … Was ich letztendlich damit sagen möchte, Kirchen- und Klösterfreunde sind in Armenien wirklich absolut gut aufgehoben.

                        Natürlich besuchen auch wir so manche Kirche, so manches Kloster. Diese Besuche sind für mich immer, genau wie bei Moscheen oder Tempel in anderen Ländern, Fixpunkte der Ruhe oder gar reichliche Minuten und Stunden für die Besinnlichkeit. Diese sind dann auch oft zusätzlich verbunden mit Gedanken zu Gott und die Welt. Am interessantesten ist es immer, wenn man ganz alleine im Gotteshaus unterwegs ist oder wenn so richtig Trubel herrscht. Ist man alleine, hüpft einem niemand vor der Linse herum. Ist richtig Trubel angesagt, bekommt man die Rituale der orthodoxen Armenier präsentiert. Was mir da aufgefallen ist, beim Gottesdienst sind hauptsächlich Frauen und Kinder anwesend. Die Anwesenheit wird aber leider meist mit schlecht riechendem Weihrauch gedankt. Die Frauen und Kinder hätten wirklich besser riechenden Weihrauch verdient.


                        Fensterblick

                        Hat man etwas Glück, ist eine Kindstaufe im Programm. Da ist dann in der Regel die Mischung der Geschlechter gleichberechtigt anwesend. Welcher Opa, Großopa, Onkel oder gar Papa will sich später sagen lassen, sogar an meiner Taufe warst du nicht da. Das geht ja nun wirklich nicht.

                        Bei einer dieser Taufen in Jerewan kommt mir einiges in den Sinn, denn die große Frage bei Kindstaufen ist ja für die Täuferfamilie auch immer, hält unser Liebling die Strapazen durch? Und noch wichtiger, schreit unser Liebling, wenn die Wässerung erfolgt? Bei der Taufe in Jerewan verläuft alles sehr ruhig, also sehr familienfreundlich. Alle sind somit sehr stolz.


                        Taufe

                        Meine Gedanken kreisen aber weiter. Jeder Mensch wird ja irgendwo geboren. Wo man geboren wird, kann man ja selbst nicht beeinflussen. Man kann somit auch nicht beeinflussen, ob man einer Religion angehören wird. Man kann als neuer Erdenbürger gar nichts beeinflussen. Man ist ja ach so hilflos, so unendlich abhängig.


                        In Gedanken versunken



                        Unser Täufling wird in Armenien aufwachsen. Hat er nun Glück oder Pech? Keine Ahnung. Jedenfalls soll es so sein, dass er in Armenien leben wird. Die Familie, die Schule, das Land, die Religion, er selbst und viele weitere Umstände, werden sein zukünftiges Leben gestalten, somit sehr stark beeinflussen. Er oder sie wird, wenn nichts außergewöhnliches passiert, ein/e Durchschnittsarmenier/in werden.

                        Wenn ich in einem Land unterwegs bin, kommt relativ oft der Punkt, wo ich mich frage, was wäre aus mir geworden, wenn ich hier geboren wäre?

                        Diese Fragestellung dient mir als Verbindungsglied, um die manchmal in mir aufkommenden Widersprüche, gedanklichen Achterbahnfahrten, die manchmal sogar leichten Aggressionen (ich hasse z.B. Müll), die manchmal auch überzogenen Glücksgefühle zwischen dem gerade bereisten Land und mir auszufechten, einzuordnen, zu belichten, zu durchschauen. Die Antwort ist für mich immer länderbezogen gleich. Ganz einfach eigentlich, denn, wenn nichts außergewöhnliches passiert wäre, wäre ich ein ganz normaler Durchschnitts-Armenier, Durchschnitts-Iraner, Durchschnitts-Omani, Durchschnitts-Grieche usw. Und dies dann ein Leben lang, mit der jeweiligen Religion, Bildung, Familienbande, den Freiheiten, den Unfreiheiten und den durchschnittlich landesüblichen Einstellungen zu allen Lebensfragen. Gedanklich wird mein Verbindungsglied für kurze Zeit ein iranischer LKW-Fahrer, ein omanischer Fischer, ein griechischer Restaurantbetreiber oder ein armenischer Bauer.

                        Dann frage ich mich, warum sollte es mich als armenischen Bauer stören, dass ich meinen Müll im Fluss entsorge? Über Umweltschutz wurde nichts in meiner Schulzeit erzählt, in der Zeitung habe ich davon noch nie gelesen, im TV gibt es weit wichtigeres, in der Kirche wurde darüber noch nie gepredigt und alle anderen im Dorf machen es ja auch so. Und überhaupt, meine Sorgen sind ganz andere, weit wichtigere.

                        Diese eigenen Gedanken-Aussagen muss ich als Durchschnitts-Deutscher-Wandertourist natürlich nicht tolerieren. Doch Kritik mit dem Vorschlaghammer bringt natürlich auch absolut nichts. Dies habe ich in all den Jahren gelernt. Tröpfchen für Tröpfchen ist da weit besser.

                        Mir erleichtern letztendlich diese gedanklichen - Was wäre aus mir geworden? Ausflüge - bestimmte Dinge besser zu begreifen. Sie erleichtern mir den Umgang mit einem Land, den Umgang mit den Menschen vor Ort. Ich er-spüre dann einfacher die Ecken und Kanten, die Feinheiten und Eigenarten. Ich wünsche mir ja auch immer selbst, dass all die Menschen, denen ich unterwegs begegne, auch meine Ecken, Kanten und Eigenheiten irgendwie verstehen, ertragen und nicht gleich den Hammer rausholen.

                        Gotteshäuser eignen sich also hervorragend für Beobachtungen. Und auch eigene Gedanken sind da nicht verboten.


                        Leuchtturm der Macht

                        Der Tages-Überraschungshammer folgt aber nur wenig später. Die gastronomische Heimat grüßt nämlich gleich um die Kirchenecke. Dazu ist gut zu wissen, wir stammen aus der Thüringer Bratwurststadt Sonneberg. Da gibt es echt die besten Thüringer Bratwürste! Stimmt wirklich!

                        Somit ist auch erklärlich, warum ich es einfach nicht glauben kann. Ich schaue gierig zweimal, und wie auf Befehl zirkuliert sofort der Speichel im Mund. Original Thüringer Bratwurst, steht da wirklich schwarz auf gelb geschrieben. Und dies in Jerewan! Das gibt es nicht, denke ich. Und, esse ich gleich 2, 3 oder gar 4, geifere ich weiter.


                        Ausverkauft

                        Anfrage an Sender Jerewan: Kann es sein, dass es in Jerewan Original Thüringer Bratwürste gibt? Im Prinzip ja, doch gilt noch immer der Gorbatschow-Spruch: Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.

                        Wir werden knallhart bestraft. Ausverkauft, spricht die Bratwurstprinzessin. Der Tag verfinstert sich. Welten brechen in mir zusammen. Es ist wirklich so.

                        Da der Trödelmarkt in Jerewan nie ausverkauft ist, erhellt sich zum Glück dort wieder der Tag. Wir lieben Trödelmärkte, denn über viele Jahre waren wir selbst an so manchen Wochenenden Amateurtrödler. Wir kennen somit die Lust, die Freude, den Spaß und das Leid der Trödler aus eigener Erfahrung.


                        Viele Kameras

                        Was uns sofort auffällt, hier muss die Leidensfähigkeit der Verkäufer enorm sein, denn das enorme, breitgefächerte Angebot findet kaum interessierte Käufer. Uns erkennt man leider, warum auch immer, aber recht schnell als vermeintliche Beutesucher. Welch ein Irrtum. Auch wenn die Versuchung groß ist, Toyota würde es mir sehr verübeln, seinen eh schon vollen Bauch, weiter zu füllen. Da hilft auch nicht, dass es sich um Meißner + Weimarer Porzellan, Kameras, kunstvolle Taschenuhren, Bücher, Blechspielzeug, Briefmarken und, und … handeln würde.

                        Da alle Verkäufer notgedrungen über viel Zeit verfügen, bleiben stolpernde Gespräche nicht aus. Sowjetunion, Russland, Putin, Müll, Völkermord, teures Leben, keine Arbeit, Revolution, Mafia, korrupte Regierung und vieles mehr sind die Schlagwörter. Ein Händler streitet sich vehement mit Gi. Seine Sätze kommen wie auswendig gelernt aus seinem Mund. Ich hoffe, sagt er, die Amerikaner marschieren hier bald ein. Und wenn es nicht die Amerikaner sind, muss die EU einmarschieren.

                        Ich stelle mir dabei sofort Merkel und Schäuble vor. Warum? Die neusten Nachrichten zu Griechenland fallen mir da ein. Der Amifreund verkauft übrigens alte sowjetische Orden. Nun ja, Orden können ja nicht zubeißen.


                        Die Amis sollen einmarschieren


                        Sowjetzeitorden

                        Ja, das Land hat viele Probleme. Sogar auf dem Trödelmarkt sind sie erkennbar. Die vielen Verlierer der neuen Freiheit sitzen am Rande vom großen Markt. Es sind die Alten, die Rentner. Meist sind es Verliererinnen. Mit einer Rente von ca. 10 Euro lässt es sich sehr schlecht Leben. Sie versuchen zu verkaufen was überflüssig erscheint, was entbehrbar sein könnte und was man eigentlich noch gebrauchen könnte. Sie führen keine stolpernde Gespräche. Sie schweigen.


                        Sie schweigen

                        Wir verlassen Jerewan mit gemischten Gefühlen. Dies ist nicht wegen manch fehlendem Gullideckel. Die Stadt und das Land haben leider noch nicht ihren Weg gefunden. So sind zumindest unsere Gefühle. Wir finden jedoch selbst unseren weiteren Weg über die nächsten Berge recht einfach, denn in Jerewan habe ich endlich eine Landkarte, sogar mit km Angaben, erhandeln können. Der Trödelmarkt hat also gutes für uns bewirkt.


                        Könnte in der Nacht ein Problem sein

                        Mitten in den durchaus romantischen Bergen, bekommen wir in einer Ortschaft mit, dass in Jerewan Demonstrationen der unromantischen Art toben. 16 Prozent Preiserhöhung für Strom, sollen der Zündfunke gewesen sein. Was uns aufgefallen war, viel Polizei und Armee war in Jerewan täglich zu sehen. Auch sonst waren wir überrascht, dass immer viel Polizei an unseren Wanderstrecken präsent war. Dies erachteten wir selbst als äußerst positiv, denn es gab uns immer ein Gefühl für die eigene Sicherheit. Überhaupt muss ich betonen, Armenien war für uns ein absolut sicheres Reiseland. Das Armenien starke Polizeikräfte unterhält, um eventuelle Tumulte niederzuknüppeln, kam uns nicht in den Sinn.


                        Mitten in den romantischen Bergen

                        Ich selbst glaube nicht, dass nur die 16 Prozent an den Gewaltexzessen schuld sind. In Armenien gärt es schon sehr lange. Es zählt mit zu den ärmsten Ländern der Welt. Die Regierung soll sehr korrupt und auch Moskau-treu sein. Der Präsident will momentan die Verfassung ändern, um so weitere Amtszeiten für sich und seine Höflinge zu ermöglichen. Die Opposition wird nicht mit Zartheit überschüttet. Die wenige Industrie, welche es zu Sowjetzeiten noch gab, liegt fast gänzlich am Boden. Die Arbeitslosigkeit ist extrem hoch, die Löhne sind extrem niedrig und die Lebenshaltungskosten vom durchschnittlichen Armenier kaum bezahlbar. Die 16 Prozent Preiserhöhung brachten den über Jahren schon kochenden Schnellkochtopf zur Explosion.

                        Nicht genug der Traurigkeit. Es gibt zudem weltpolitische Probleme. Armenien ist ein irgendwie isoliertes Land, denn der Grenzkonflikt mit dem reichen Aserbaidschan gärt weiter, und mit der Türkei bestehen keine diplomatischen Beziehungen. Somit gibt es keine Grenzübergänge und auch keine Handelsbeziehungen zwischen den Streithähnen.
                        Das Problem mit der Türkei hängt mit dem Völkermord an den Armeniern, vor nun genau 100 Jahren, auf türkischen Boden zusammen. 2 Millionen Opfer soll es gegeben haben. Die Türkei bestreitet den Völkermord. Dies geht soweit, dass man in der Türkei echt schlechte Karten hat, sofern man die Türkei des Völkermords an den Armeniern bezichtigt. Gefängnis ist da angesagt. Die Armenier beharren mit vehemens auf die Anerkennung des Völkermords durch die Völkergemeinschaft. Und natürlich erwartet man dies auch vom türkischen Staat. Ergebnis ist, man redet schon ewig nicht miteinander. Was man aber macht, man versucht auf beiden Seiten, seine Überzeugung dem jeweils eigenen Volk einzutrichtern.
                        Die einen landen im Knast und die anderen werden mit Propaganda regelrecht zugeschüttet. Ich war erstaunt, das Hitler auf den landesweit zu sehenden Plakaten zu erkennen ist. Dies hat aber seinen Grund, denn Hitler hatte schon 1939 aus Propagandagründen den Völkermord an den Armeniern, zum anheizen seines eigenen Völkermordes, benutzt. Wer redet noch heute von der Vernichtung der Armenier, sagte er.


                        In jedem Dorf hängen die Plakate

                        Die weiteren Wandertage bis zur Grenze verlaufen für uns mit fast täglicher Gewitter- oder Hagel Routine ab. Der Hagelhöhepunkt erwischt uns am letzten Tag. Wir laufen da bis in die Nacht. Über 40 Wanderkilometer liegen hinter uns, als wir den richtigen Weg für die langersehnte Pension, auf einem Hinweisschild entziffern können. Schon über eine Stunde begleitet uns Blitz und Donner. Zum Glück betreten wir das Gasthaus noch trocken. Nur 10 Minuten später bricht die Wetterhölle los. Hagelkörner trommeln aufs Blechdach. Irgendwie passt dies zu den Nachrichten aus Jerewan. Und doch mag ich nach all den Armenientagen irgendwie das Land. Der Hagel ist wie eine Reinigung. Ich schiebe negatives zur Seite. Positives bekommt seinen berechtigten Platz.


                        Hagelperiode

                        Schönländer sind halt nur schön. Problemländer sind dafür halt weit interessanter. Über Problemländer macht man sich auch später weit mehr Gedanken, so sind zumindest unsere Erfahrungen.


                        Ich hoffe, sie hat eine gute Zukunft

                        Am nächsten Morgen sind es nur noch 5 Kilometer bis zur Grenze. Die schaffen wir recht flott. Ein letzter Einkauf in einem der so typischen Magazinläden. Ein letzter Blick zurück. Dieser ist verbunden mit dem Wunsch, dass das Land seinen Weg finden mag und die Menschen in würdiger Weise ihr Leben dort leben können. Es gibt weltweit ca. 10 Millionen Menschen, welche als Muttersprache Armenisch sprechen. Davon leben nur 3 Millionen im Mutterland. Auch wir verlassen Armenien. Georgische Beamte stempeln uns die Einreise in den Pass.

                        Ob der Wettergott es in Georgien endlich gut mit uns meint, verrate ich aber erst im nächsten Bericht.

                        Bis dahin, liebe Grüße, Wi + Gi + Toyota

                        Wanderkilometer bis zur Grenze: ca. 250 km Stand: Juni 2015

                        Gesamtwanderkilometer bisher: ca. 4.455 km

                        Unsere Webseite: http://www.grenzenlosabenteuer.de

                        Gruß, Wi grenzenlos

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                        • Sternenstaub
                          Alter Hase
                          • 14.03.2012
                          • 3400
                          • Privat

                          • Meine Reisen

                          AW: [TR] Langzeitwanderung

                          danke für deine nachdenkliche Betrachtungsweise. Das ist immer genau mein Argument, wenn jemand über andere Menschengruppen wettert, sich gar von ihnen bedroht fühlt etc. Stelle dir vor, du bist dort geboren, in diesen Gefügen aufgewachsen, wo stündest du dann heute. Welche Chancen hättest du weniger gehabt als Mensch, der nicht hier in geboren ist?

                          Bin gespannt, wie es euch in Georgien ergehen wird.
                          Two roads diverged in a wood, and I—
                          I took the one less traveled by,
                          And that has made all the difference (Robert Frost)

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                          • Julia
                            Fuchs
                            • 08.01.2004
                            • 1384

                            • Meine Reisen

                            AW: [TR] Langzeitwanderung

                            Was für ein unglaublich spannender und toll geschriebener Bericht! Er bringt das Ferne und vollständig Unbekannte näher und regt zum Nachdenken an. Wie wahr, dass man sich sein Geburtsland und -kultur nicht aussuchen kann. Wir gebärden uns oft, als sei es ein Verdienst und ein Recht, in einer westlichen, wohlhabenden Demokratie geboren zu sein. Dabei ist es nichts als schieres Glück. Wären wir doch dankbarer dafür, dann wären wir sicher auch großzügiger gegenüber allen, die das Glück nicht hatten...

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                            • Abt
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                              • 26.04.2010
                              • 5726
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                              AW: [TR] Langzeitwanderung

                              Während wir hier schon im Schatten schwitzen hoffe ich, dass ihr immer ein schattiges Plätzchen über Mittag findet.
                              Gab es in Armenien eigentlich auch so viele gastfreundliche Offerten und persönliche Einladungen wie im Iran z.B.?
                              Gruß Abt

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                              • grenzenlos
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                                • 25.06.2013
                                • 566
                                • Privat

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                                Hallo Sternenstaub und Julia,

                                danke für den Gleichklang unserer Gedankenwelt

                                LG, Wi grenzenlos
                                Unsere Webseite: http://www.grenzenlosabenteuer.de

                                Gruß, Wi grenzenlos

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                                • grenzenlos
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                                  • 25.06.2013
                                  • 566
                                  • Privat

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                                  AW: [TR] Langzeitwanderung

                                  Zitat von Abt Beitrag anzeigen
                                  Gab es in Armenien eigentlich auch so viele gastfreundliche Offerten und persönliche Einladungen wie im Iran z.B.?
                                  Gruß Abt
                                  Hallo Abt,
                                  es gab in Armenien keine Einladung. Dies ist kein Problem für uns, denn wir gehören ja auch nicht zur Fraktion der: ich brauche Einladungen um glücklich zu sein, um Geld zu sparen usw. Einladungen bzw. Gastfreundschaft sind eh ein weites Feld. Es gibt da auch immer zwei Seiten der Betrachtung. Darüber könnte man ein Buch schreiben.
                                  Uns ist in den vergangenen Tourenjahren aufgefallen, dass Gastfreundschaft meist einen kulturellen, religiösen oder auch rein menschlichen Geist entspringt. In muslimischen Ländern ist die Gastfreundschaft noch immer sehr ausgeprägt. Hat meines Erachtens viele interessante Hintergründe. Dies würde jetzt aber zu weit führen. Es spielt da jedenfalls auch keine wesentliche Rolle, ob der Gastgeber es sich überhaupt leisten kann. Doch egal, wo und von wem wir eingeladen werden, wir haben uns da selbst sowas wie Spielregeln auferlegt.
                                  Nur wenn wir beide wollen, nehmen wir an. Hat einer kein gutes Gefühl, so signalisiert er es. Nicht jeder Gastgeber muss einem ja gefallen.
                                  In islamischen Ländern sollte man auch unbedingt abwarten können, bis die Einladung 3x im Gespräch erfolgt. Erst dann kann man davon ausgehen, dass es der Gastgeber ernst meint.
                                  Bei Menschen, welche es sich eigentlich nicht leisten können, uns neben einem Nachtlager auch noch zu bewirten, erbringen wir immer eine Gegenleistung.
                                  Einladungen können ein Teil der Reisewürze sein. Einladungen können aber auch nerven. Für beide Auslegungen gibt es viele Gründe.
                                  In touristisch geprägten Gebieten (z.B. Kairo oder West und Südküste Türkei) sind wir bei Einladungen sehr vorsichtig, denn da ist oft ein geschäftlicher Hintergrund der Einladungsgrund.
                                  Wie geschrieben, es ist ein weites Feld. Übrigens laden wir selbst auch unterwegs ein. Der Gastgeber zu sein, kann auch Freude bereiten

                                  Liebe Grüße + herrlich Wochenende,
                                  wünscht Wi
                                  Unsere Webseite: http://www.grenzenlosabenteuer.de

                                  Gruß, Wi grenzenlos

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                                  • Abt
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                                    • 26.04.2010
                                    • 5726
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                                    Hallo Wi,
                                    Ich will mich kurz fassen
                                    Unter Gastfreundschaft versteht ihr und ich sicher das selbe,- davon gehe ich aus.
                                    Über Armenien gab es kaum deratige Berichte bei euch hier , die Frau im Hotel war evtl. nur eine kleine Angestellte, die haben in der Regel kaum Verhandlungsspielraum für den Preis. Den hat nur Chef'chen und Frau

                                    Aber;- seid wir "der Westen sind" mache ich diese Beobachtung neuerlich zunehmend auch in BG und RO. An der Armut allein hängt es nicht, denn die Leute da hatten früher auch nix.
                                    Ein Mentalitätswandel...? Denn das hat mit der uns gegenüber gezeigten Freundlichkeit ja nichts zu tun.
                                    LG Abt

                                    Kommentar


                                    • grenzenlos
                                      Dauerbesucher
                                      • 25.06.2013
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                                      Zitat von Abt Beitrag anzeigen
                                      Hallo Wi,

                                      Aber;- seid wir "der Westen sind" mache ich diese Beobachtung neuerlich zunehmend auch in BG und RO. An der Armut allein hängt es nicht, denn die Leute da hatten früher auch nix.
                                      Ein Mentalitätswandel...? Denn das hat mit der uns gegenüber gezeigten Freundlichkeit ja nichts zu tun.
                                      LG Abt
                                      Hallo Abt,
                                      genau, es ist hauptsächlich auch ein Mentalitätswandel, auch ein Wertewandel und dies, so meine ich, weltweit. Ich denke, Du hast den Kern getroffen. Ich kenne auch etwas RO und BG. Damals, also vor der Wende, waren die Menschen dort weit anders, weit gastfreundlicher. Wobei ich auch immer denke, es hatte speziell im Osten auch etwas mit einer ''Notgemeinschaft'' zu tun. Diese schweißte auch zusammen, man half sich gegenseitig mehr. Wir saßen in einem Boot. Auch über die Landesgrenzen hinaus.
                                      Man hatte einfach auch mehr Zeit. Heute wirken, und dies nicht nur im Osten, auch viele Menschen echt gestresster. Die Stunden gemeinsamer Geselligkeit sind eng bemessen. Auch in Ländern mit anderen Kulturen regiert zunehmend das Mobile, der TV, der Profit, das Geld, und natürlich das Internet. All diese Dinge, und auch weiteres, sind sicherlich nicht unbedingt gut für die alte, von uns so geschätzte Gastfreundschaft. Selbst in für uns, immer sehr gastfreundlich ausgeprägten Ländern, haben wir in der Vergangenheit, wenn auch kleine, so doch Veränderungen verspürt.
                                      Ich denke eh, durch die Globalisierung, durch den Versuch der Gleichschaltung des Konsums und anderer ''Werte'', wird sich vieles diesbezüglich ändern. Es sind auch weit mehr Menschen unterwegs. Auch dies ändert viel.
                                      Uns selbst muss dies ja aber nicht daran hindern, weiterhin selbst Gastfreundschaft für unsere eigenen Gäste, im alten Sinne zu pflegen . In diesem Sinne,
                                      LG, Wi
                                      Unsere Webseite: http://www.grenzenlosabenteuer.de

                                      Gruß, Wi grenzenlos

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                                        • 25.06.2013
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                                        Georgien Teil 1



                                        Viel Wasser, Tiger, BMW & Co

                                        Gleich hinter der Grenze treffen wir einen italienischen Radler. Natürlich unterhalten wir uns, denn ein Austausch unter Individualreisenden ist immer interessant. Er möchte von uns gerne einen bestimmten Weg wissen. Da ich eine Karte habe, kann ich ihm helfen. Wir möchten wissen, was sein Radelweg ist und war? Er war im Iran, Armenien und will nun einige Klöster in Georgien besuchen. Ab da reden wir hauptsächlich nur noch vom Iran. Armenien hat ihm nicht gefallen, sagt er zum Abschied. Und auf Georgien sei er nun gespannt.
                                        Der Italiener hat uns die Sonne gebracht. Zumindest gilt dies für die nächsten Stunden. Wir genießen die strahlende Wärme. Der Sonnenschein macht alles gleich viel sympathischer. Da gehen dann plötzlich auch die Beine wieder schneller, die Landschaft zeigt sich von der schönsten Seite und die Blümchen am Wegesrand scheinen dies durch nicken ihrer Knospen zu bestätigen.


                                        Sonnenstunden

                                        Doch nur wenige Stunden später beginnt erneut der Himmel zu weinen. Gi hat vorbildlich, somit vorsorglich wie immer, vorgesorgt. Ich bekomme eine blaue Mülltüte verpasst. Diese Mülltütenlösung haben wir vor Jahren in Südostasien gesehen. Seit dieser Zeit schwört Gi auf diese billige, und ihrer Meinung nach, geniale Lösung. Zumindest bleibt man halbwegs trocken, denke ich immer. Die Tütengröße haut nicht so recht hin. Statt 80 Liter wären 120 Liter weit schützender gewesen. Schön sieht das Teil außerdem nicht aus. Muss man aber immer schön aussehen?


                                        Mülltüten-Wi

                                        Trotz Regen und vieler grauer Wolken, sehen die ersten Ortschaften in Georgien recht sonnig aus. Die letzten Wochen haben uns ja diesbezüglich nicht unbedingt verwöhnt. So sind wir dankbar für die ersten Blumengärten, auch die ersten Blumenkästen an den Fenstern, für meist freundliche Blicke und auch für so manche Rückantwort nach längerer Zeit.
                                        Bis Tiflis sind es nur um die hundert Wanderkilometer. Ungefähr 50 davon verbringen wir im Regen. Oft ist er so gewaltig, dass auch meine Mülltüte viel Mühe hat. Über schön denke ich da nicht mehr nach. Ich dampfe unter der blauen Haut, wische ständig Regentropfen vom Gesicht und versuche den größten Pfützen auszuweichen. Dies gelingt nicht immer. In solchen Situationen stelle ich mir vor, dass es in wenigen Minuten zu regnen aufhört. Wenn nicht, dann haben wir zumindest am Abend eine trockene Unterkunft. Wenn nicht, so hört es am nächsten Tag zu regnen auf. Wenn nicht, so haben wir am nächsten Tag zumindest am Abend eine trockene Unterkunft. Wenn nicht?
                                        Ich will zurück in die Wüste, und zwar sofort, schreie ich dann durch alle Regentropfen vor meinem nassen Gesicht. Es hallt dabei immer bis zu den dunklen Wolken rauf.

                                        Tiflis begrüßt uns auf armenische Art. Über Kilometer begleiten uns die unschönen Wohnblocks.


                                        Armenische Begrüßeung

                                        Die Hauptstraße wird auch gerade neu bearbeitet. Schlagloch folgt auf Schlagloch. Nicht schon wieder Endzeitstimmung, spukt es mir durch den Kopf. Doch die kommt leider auf uns zu.
                                        Ein Auto, total mit Schlamm verschmiert, steht am Straßenrand. Weitere folgen. Was ist hier nur los?
                                        Vor Tagen hat der Regen leider fürchterliches angerichtet. Ein Nebenfluss der Kura konnte die Regenmassen nicht mehr fassen. Das Unglück war leider nicht mehr zu stoppen. Über Erdrutsch, Überschwemmung, Tode und Vermisste ist in den Nachrichten noch lange zu hören und zu sehen.


                                        Ohne Worte


                                        Ohne Worte

                                        Wir waren schon viel in der Welt unterwegs. Die Fragen der Familie, von Freunden und Bekannten, waren da auch immer zu mögliche Gefahren während unserer Touren ausgerichtet. Natürlich kann einem unterwegs etwas passieren. Doch die Gefahren sind letztendlich nicht größer als zu Hause. Dies denke ich zumindest immer. Man sucht ja genau, wie zu Hause auch, nicht die Gefahr. Über kalkulierbare Gefahren informiert man sich vorher, wiegt ein eventuell bestehendes Risiko, Restrisiko ab, bereitet sich gedanklich darauf vor und trifft Vorkehrungen. Der weitere Rest ist dann irgendwie auch Schicksal, egal ob unterwegs oder in der Heimat. Ein Erdbeben, einen Tsunami, einen Erdrutsch, eine Feuersbrunst, eine Überschwemmung, einen Verkehrsunfall und vieles mehr, kann man nicht vorhersehen.

                                        Für die Boulevardpresse und dem Sensation-TV sind die Opfer von Tiflis recht schnell Nebensache. Die Überschwemmung hat nämlich auch den Zoo von Tiflis zerstört. Die Tiger sind dabei ausgebrochen. Ein gefundenes Fressen für die Medien. In der Stadt brach sogleich Hysterie aus. Kein Wunder, denn Straßen und bestimmte Randgebiete der Stadt wurden gesperrt. Egal wo ein Fernseher lief, immer schauten einem Tiger aus der Mattscheibe an.
                                        Gi ist bei dem Gedanken, einen Tiger in der Stadt zu begegnen, recht Unwohl. Also gebe ich mein Bestes um sie zu beruhigen.
                                        Liebling, Tiflis hat über eine Million Einwohner. 3, 4 vielleicht 5 Tiger - keine Ahnung wie viele es überhaupt wirklich sind - sind irgendwo da draußen. Vielleicht sind die sogar schon in der Zwischenzeit nach Armenien oder die Türkei ausgebuchst. Wenn nicht, denkst du wirklich, die fressen täglich hunderte von Leuten?
                                        Wi, natürlich fressen die keine hunderte von Leuten. Langt ja aber ein Leut Namens Gi.
                                        Liebling, ich habe als kleiner Junge einen russischen Film gesehen, sogar mehrmals gesehen, denn der war echt gut. Der hieß: Rette sich wer kann (den Film gibt es wirklich!). Da sind auf einem Schiff, ich betone Schiff, die Tiger ausgebrochen. Die Tiger wollten da nur die Männer fressen. Die Schiffsköchin hat die Tiger alle wieder eingesammelt. Ich betone die Köchin, also eine Frau. Was ich somit damals schon gelernt habe, mehrmals gelernt habe, Tiger fressen keine Frauen.
                                        Wi, du bist ein absoluter Spinner.
                                        Mag sein Gi, doch kennst du wirklich eine Frau, die von einem Tiger gefressen wurde?

                                        In einer der vielen Kirchen von Tiflis findet ein Gedenkgottesdienst für die Opfer der Überschwemmung statt. Wie immer kauft Gi einige Kerzen. Sonst sind diese für liebe Menschen die wir weltweit kennen gedacht. Diesmal sind unsere Gedanken auch bei den Opfern von Tiflis.
                                        Ja, die Welt kann sehr Ungerecht sein. Hier gibt es Wasser ohne Ende. Wasser tötet im Extremfall sogar. In anderen Ländern gibt es oft fast kein Wasser. Dort kann der Wassermangel im Extremfall töten. Manchmal wünsche ich mir, dass jemand (was machen nur unsere Götter?) die Welt in einen Mixer wirft, ordentlich durchmixt und somit alle Extreme etwas angenehmer für die Menschen werden.


                                        Gedanklich bei den Opfern

                                        Tiflis selbst ist keine unangenehme Stadt. Auch wenn man noch nie hier war, merkt man irgendwie die Veränderungen der letzten Jahre, denn überall wird gebaut, gewerkelt und modernisiert. Wir nutzen zur Stadtübersicht die Seilbahn. Von weit oben ist unverkennbar die braune Kura erkennbar. Das braune Wasser ist dem Unwetter geschuldet.


                                        Braune Kura

                                        Da wo die Seilbahn sich flott nach oben zieht, liegt unter den Gondeln die Altstadt. Wir lieben Altstädte. Nicht nur wegen meiner Höhenangst, benutzen wir deshalb für den Rückweg den neu angelegten Fußweg bergab. Es tut gut durch diese Altstadt zu schlendern, denn ich mag es immer sehr, mit Daumenzeig, Kopfnicken oder kurzen Gesprächen, den Anwohnern meine Anerkennung rüber zu bringen. Und da gibt es einiges. Die Gässchen sind meist frisch gepflastert, mancher blumengeschmückter Balkon frisch gestrichen und rötlich glänzende Ziegel zieren nun nach ehemaligen Blechverkleidungen, die meist neuen Dächer. So manches Haus ist gefährlich an Schluchtenwänden gebaut. Ich hoffe nur, sie werden nicht irgendwann auch zur Gefahr.


                                        Gefährlich schön?

                                        Das Wetter passt und die Tifliser, genau wie wir, ignorieren die Tigergefahr. Man lässt sich ja auch von Tigern den Hochzeitstermin nicht
                                        ver-katzen. Wenn Georgier feiern, dann lassen sie es ordentlich krachen. Es wird nicht auf die Knete geschaut. Gi bewundert dabei immer die Damenschuhwelt. Eigentlich sind es keine Schuhe. Es sind Eifeltürme der Eitelkeit. Ich würde mir die Hacken brechen. Es sind ja aber nicht meine Hacken. Und was ich noch denke? Zu manchen langen Beinen passen die Eifeltürme wie angeboren, wie zwingend nötig.
                                        Zum Krachen gehört die Ultralanglimousine, die geschäftigen Mobiles, das Kamerateam für die Unvergesslichkeit und die gesteilten Roben für genau diesen Tag. Ich finde dies alles, auch wenn es nicht meine Welt ist, nicht dekadent, auch wenn manches zudem nach viel Geld stinkt, nach Schulden riechen kann oder die Mafia eventuell Pate steht. Ein Land im Aufbruch kommt da für mich rüber, ein Land in Findung, ein Land mit unendlich erscheinendem Nachholbedarf. Eine Spielwiese ist am Beginn ihrer Blütezeit.


                                        Das Leben geht weiter

                                        Nicht alle Blüten muss man auf Anhieb verstehen. Doch so manch eigener Zwiespalt kann zum Genuss werden. Was bin ich zuerst geschockt, dann erstaunt und später auch fasziniert, als mir die 3 Männer versuchen zu erklären, warum der BMW wichtiger als das eigene Haus ist, warum für den Münchner Motor ein vielfaches mehr bezahlt wurde als die Renovierung oder der Neubau der Holzhütte kosten würde und warum man dies fast täglich erneut mit reichlich Bier begießen muss?
                                        In dem Haus leben sie schon ewig, sagen sie. Das Holzhaus kennen sie. Es wird noch Jahre halten, stehen bleiben am alten Platz. Ihre Gewohnheit verlangt keine Veränderung.
                                        Das man selbst ein Auto besitzen kann, wissen sie, seit der Russische Bär Georgien verlassen hat. Das es ein BMW sein wird, wagten sie nicht zu träumen. Bier bedeutet, dass der Traum keine Täuschung ist. Bier hilft unheimlich beim Verstehen der Traumerfüllung, sagen sie.
                                        Ich freue mich mit ihnen. Geteilte Freude muss ja nicht immer meine eigene Welt bedeuten.


                                        Traumerfüllung

                                        Die Georgier haben auch Zeit zum spielen. Ob Schach, Domino oder Kartenspiele. Es wird viel gespielt. Auch dies freut mich ungemein, denn wer Zeit zum spielen hat, hat kaum Sorgen, hat zumindest weit weniger Sorgen oder kann die Sorgen für Minuten, Stunden oder gar Tage parken. Armenier habe ich leider nicht spielen gesehen.
                                        Natürlich ist Georgien auch kein neues Goldgräberland. Doch sieht man in so manchem georgischen Gesicht Zuversicht, ein wachsendes Selbstwertgefühl und die Lust, auf der sich anbietenden Spielwiese, unterwegs zu sein.


                                        Zeit zum Spiel

                                        Ein netter Mann in einer Touristinformation erklärt uns, Jahre habe wir auf Touristen gewartet. Jetzt beginnen all die Bemühungen langsam Früchte zu tragen. Immer mehr Franzosen, Italiener, Spanier und auch Russen besuchen unser schönes Land. Sehnsüchtig warten wir auf mehr Deutsche. Diese würden wir gerne gegen die Russen eintauschen, denn der KGB (russischer Geheimdienst) hört noch immer mit.


                                        Vorsicht ist angesagt

                                        Geheim ist unsere weitere Route natürlich nicht. Von Tiflis werden wir bis zum Schwarzen Meer nach Batumi laufen. Von Batumi ist es nur noch ein Katzensprung bis zur türkischen Grenze. Doch davon erzähle ich dann erst im nächsten Bericht.

                                        Bis dahin,
                                        liebe Grüße, von Wi + Gi + Toyota

                                        Wanderkilometer bis Tiflis: ca. 100 km

                                        Gesamtwanderkilometer bisher: ca. 4.555 km Stand: Ende Juni 2015

                                        Unsere Webseite: http://www.grenzenlosabenteuer.de

                                        Gruß, Wi grenzenlos

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                                        • Abt
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                                          Von Tiflis werden wir bis zum Schwarzen Meer nach Batumi laufen. Von Batumi ist es nur noch ein Katzensprung bis zur türkischen Grenze. Doch davon erzähle ich dann erst im nächsten Bericht.
                                          Hallo Gi und Wi...
                                          Recht lange keine Nachricht?

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