[TR] Langzeitwanderung

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    AW: [TR] Langzeitwanderung

    Zitat von Palle Beitrag anzeigen
    Hallo Wi und Gi,
    vielen Dank für diesen schönen Bericht. Der letzte Teil hat mir am besten gefallen, die iranische Gesellschaft un das Leben dort interessieren mich schon sehr. Isfahan sieht atemberaubend schön aus, und die Landschaft um die Städte gefällt mir auch. Von allen Ländern fand ich Berichte aus dem Iran und dem Jemen bislang am spannendsten.
    Viele herzliche Grüße und euch weiterhin viel Spaß
    Palle
    Hallo Palle,

    ja, der Iran und der Jemen sind schon absolut interessant. Wir lieben die 2 Länder besonders. In beiden hängt viel Herz von uns

    LG, Wi
    Unsere Webseite: http://www.grenzenlosabenteuer.de

    Gruß, Wi grenzenlos

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    • grenzenlos
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      AW: [TR] Langzeitwanderung

      Zitat von Sternenstaub Beitrag anzeigen
      ich freue mich, wieder einmal von euch zu lesen! Liebe Grüße an Gi, es ist schon bewunderswert, was ihr so durchzieht. Obwohl das Tolle, Besondere sicherlich/hoffentlich überwiegt, wird auch das Harte, Schwierige immer wieder durchschlagen. Das auszuhalten, dafür bewundere ich euch.

      Ganz liebe Grüße an euch Zwei!
      Hallo Sternenstaub,

      die Grüße sind ausgerichtet Natürlich überwiegen die positiven Dinge. Wäre schlimm wenn es anders wäre. Auch das Harte, Schwierige ist manchmal sehr lehrreich. Gi sagt immer, in allem schlechten ist meist auch positives zu finden. Irgendwie hat sie recht.

      LG, Wi

      PS: der nächste Bericht vom Iran folgt in wenigen Tagen
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      Gruß, Wi grenzenlos

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        AW: [TR] Langzeitwanderung

        Iran Teil 4



        Bis zur nächsten Grenze

        Das Atomkraftwerk liegt zum Glück hinter uns. Natürlich macht es mehr Spaß, eine Landschaft und die Menschen entlang atomfreier Straßen zu beobachten.
        Egal wo wir Richtung Tabriz und dann weiter bis zur nächsten Grenze auch unterwegs sind, immer gibt es entlang dieser Straßen irgendeinen Markt. Hier wird verkauft was man wirklich braucht um längere Wanderstrecken schadlos zu überstehen.


        Ständig gibt es etwas zu beobachten

        Was daneben noch unheimlich interessant ist, sind die Momentaufnahmen an diesen Straßen, in den Dörfern und Städten. Diese Momentaufnahmen sagen sehr viel über ein Land aus. Ich muss leider auch sogleich gestehen, der Iran hat sich in den letzten 7 Jahren in mancher Beziehung gewandelt. Man bemerkt dies allerdings nur, wenn man wirklich genau hinschaut, auch irgendwie ein Gespür für solche Feinheiten entwickelt hat.
        Noch immer sind keine Satellitenschüsseln im Iran zu sehen. Sie sind, was man sich nur schwer vorstellen kann, einfach verboten. Die Mullahs wollen nicht, dass das iranische Volk ausländische Sender empfängt. Die staatlichen Sender sind an Langweiligkeit und Propaganda-Monotonie kaum zu überbieten. Da kann eigentlich nur Nordkorea so richtig mithalten. Natürlich gibt es die mutigen Iraner. Diese installieren in der Nacht, für wenige Stunden, ihre illegale Schüssel. Sie gehen damit ein hohes Risiko ein, denn alles was verboten ist, aber trotzdem geschieht, wird bei Aufdeckung in der Regel hart bestraft.
        Mir ist nun aufgefallen, das so mancher Iraner einen Weltempfänger sein eigen nennt. Da wird dann gesucht, bis der gewünschte Sender seine Nachrichten leise ausspricht. Radios oder Weltempfänger zu verbieten, ist den Mullahs wahrscheinlich doch zu blöd. Ist ja auch irgendwie schlecht kontrollierbar. Kontrollierbar ist aber das Internet. Somit sind alle Seiten, welche den Mullahs nicht passen, gesperrt, blockiert oder zensiert.


        Hunger nach Infos

        Bedingt durch das schon sehr lang bestehende Embargo, aber auch durch die eigene Wirtschaftspolitik im Lande selbst, sind die Fabriken, welche in der Regel oft nur Manufakturen sind, an Rückständigkeit kaum zu überbieten. Sie überleben nur, weil die Iraner, oftmals aus der Not heraus, sehr pfiffige Tüftler sind. Sie pflegen die sehr alte Substanz mit handwerklichen Finessen. Das ganz Land scheint hierbei im – Gebe ja nicht auf – Wettbewerb zu stehen. Nichts wird weggeworfen, denn irgendwann könnte genau diese, vorher achtlos weggeworfene Schraube, der Schlüssel zum Erfolg sein. Weil sie oftmals aus fast Nichts etwas herstellen, sind sie sehr stolze Arbeiter. Es gab nie ein Problem, in den altersschwachen Fabriken Fotos zu machen. Ganz im Gegenteil, immer haben sich die stolzen Menschen sogar bei mir bedankt.


        Sie sind trotz vieler Probleme sehr stolze Menschen

        Die armen Menschen im Iran haben leider zugenommen. Es gibt mehr Bettler/innen. Auch sieht man, hauptsächlich die älteren Menschen, welche im Müll der anderen, nach verwertbaren oder gar essbarem wühlen.
        Ich erkenne auch immer Verschlechterungen in einem Land an den getragenen Schuhen. Der Schuhzustand verrät mir in der Regel, sofern wir ein Land ein zweites Mal besuchen, ob sich etwas zum besseren oder schlechteren entwickelt hat oder ob alles irgendwie gleich geblieben ist. Im Iran ist der Zustand der Schuhe schlechter geworden. Zwangsweise gibt es nun mehr Schuster. Und diese haben ordentlich zu tun.


        Schuster

        Da Gi bei der Auswahl ihres Laufwerks, meist nie ein glückliches Händchen hat, nutzen auch wir einen der vielen Straßenschuster. Für ca. 25 Eurocent näht er Gis Treter Profihaft. Für uns zudem sehr preiswert, doch für die meisten Iraner leider sehr, sehr teuer. Inflationsraten von jährlich über 20 Prozent, haben das Leben der Iraner in den vergangenen Jahren sehr schwierig gestaltet.


        Handgenäht hält länger

        Auch an den Restaurants erkennt man oft Veränderungen. Die damals reichlich gefüllten Restaurants gähnen nun oft vor Leere. Einfach zu teuer für viele Iraner. Fast Food – Buden der iranischen Art sind nun in den größeren Städten der Renner. Ob es schmeckt ist nicht so wichtig, billig muss es sein.
        Viel Zeit benötigen die Iraner, um ihre Autos beweglich zu halten. In keinem Land der Welt, haben wir bisher so viele Autowerkstätten wie im Iran gesehen. Eigentlich, auch wenn es weh tut, muss ich schreiben, es wird hauptsächlich nur noch Schrott am Leben gehalten. Ob Laster, Minibus oder der eigene PKW, alle haben etliche Infarkte hinter sich.


        Pflege für immer?

        Was mich erstaunt, ist, dass das iranische Volk all die Probleme scheinbar sehr gelassen hinnimmt. Ich bewundere dabei ihre Geduld, ihre Leidensfähigkeit und weit mehr noch die Tatsache, dass sie von ihrer einmaligen Gastfreundschaft, ihrer weltoffenen Neugierde, ihrer unnachahmlichen Liebenswürdigkeit, nichts, aber auch gar nichts, preisgegeben haben. Sie sind noch immer ein Volk mit unglaublich viel Herz.
        Auch wenn durch die Medien, bewusst oder auch unbewusst oft anders dargestellt, der Iran ist, sofern man sich an die Landesspielregeln hält, eines der sichersten Reiseländer weltweit. Auch wird man in den Basaren, Unterkünften oder Restaurants als Gast im Land nie über den Tisch gezogen, übervorteilt oder gar betrogen. Wir kennen da ganz andere Länder, wo dies mittlerweile Volkssport Nummer 1 ist.

        Leider erzeugt die Verarmung breiterer Schichten in einem Land auch eigenartige Blüten. Da jeder versucht irgendwie Geld zu verdienen, kommen so mancher auch auf sehr eigenartige Ideen. Auf einem Markt sahen wir viele bunte Küken in einem großen Karton. Außer, dass die echt fürchterlich bunt besprüht waren, wurden sie beim Verkauf auch noch in Plastiktüten gesteckt. Alles fürchterlich für die Kleinen, doch der Verkäufer hatte ein geldwerte Idee, denn nach einer Stunde waren die Bunten alle verkauft.


        Die armen Küken

        Wir selbst waren natürlich irgendwie geschockt bezüglich dieser Tierquälerei, doch wie bereits geschrieben, Armut erzeugt halt leider auch sehr skurrile Ideen.
        Weit angenehmer ist es, die Iraner bei anderen, zugegebenermaßen manchmal auch leichtsinnigen, Eigenarten zu bestaunen. 11 Etagen Plastikkisten auf einen Kleintransporter verkehrssicher zu stapeln ist nicht einfach, doch weit mehr war ich begeistert von Begeisterung der 3 Kerle. Für sie war es irgendwie ein Spiel, ein Spiel der Freude. Diese kindhafte Begeisterung, auch über Dinge zu lachen zu können, die woanders unvorstellbar sind, kennen wir neben dem Iran, nur aus den arabischen Ländern.


        11 Etagen

        Neben diesen Verrücktheiten, lernt man auch viele Menschen kennen, Menschen welche man nicht mehr vergessen wird. In einer größeren Stadt hatte ich viel Freude mit einem Jungen. Er ist Saftverkäufer. In seiner Freizeit hilft er seinem Vater im Saftladen. Wir hatten trotz Verständigungsproblemen unglaublich viel Spaß mit all seinen Säften, mit dem Wechselgeld und unser beider Grimassen. Es war letztendlich eine richtig coole Saftparty.


        Mein Saftfreund

        Kurz vor Tabriz mit seinem Weltkulturerbebasar, soll es eine weitere, allerdings kaum bekannte Perle geben. Der Name ist Kandovan. Das Dorf liegt auf ca. 1700 Meter Höhe und hat nur knapp 700 Einwohner. Wir wagen einfach den ca. 20 Kilometerumweg, denn was uns wirklich erwartet wissen wir nicht.
        Am Ortseingang bezahlen wir 70 Eurocent Dorfeinlassgebühr. Nach der Schnurschranke beginnt sofort grobes Kopfsteinpflaster. Toyota schnauft und ich versuche ihn zu balancieren. Irgendwie gelingt es, denn nach wenigen Minuten liegt die Perle sozusagen vor uns.


        Die Perle Kandovan

        Kandovan wird auch als Klein-Kappadokien des Iran bezeichnet. Ist natürlich total übertrieben, denn Kappadokien in der Türkei ist ein Gebiet von unglaublicher Flächengröße. Kandovan erscheint da im Flächenvergleich nur als Fliegenschiss. Doch dies tut unserer Begeisterung keinen Abbruch, denn Klein kann auch sehr Fein sein. Und es ist es! Wir sind begeistert!

        In einem kleinen Laden frage ich nach einem Zimmer. Der junge Mann zeigt mir einen Schlüssel und deutet damit in Richtung der Zipfelmützen. Dies bedeutet, es geht ungefähr 100 Höhenmeter über Kopfsteinpflaster durch verwinkelte Gassen und Innenhöfe, vorbei an Ziegen-Kuh- und Eselställen, nach oben. Auf halber Strecke will ich aufgeben, da mir klar wird, auch wenn Toyota durchaus geschmeidig sein kann, dies ist mit Toyota nicht zu schaffen. Doch der Herr der Schlüssel treibt mich weiter. Zum Glück, denn als er endlich eine Tür öffnet, erfüllt sich ein lang gehegter Traum. Schon immer wollte ich in solch ein Tuffsteinhöhlenwohnung übernachten. Schnell verhandeln wir den Preis für 2 Nächte. Per Handschlag wird besiegelt.
        Auf dem Weg nach unten überlege ich Toyotas Schicksal. Ich frage, ob Toyota vielleicht im kleinen Laden bleiben könnte? Wenige Minuten später steht Toyota zwischen vielen Honiggläsern und Säcken voller Nüsse.
        Wir tragen unsere wichtigsten Sachen nach oben. Gi verlässt sich bei Übernachtungsplatzsuche immer auf meinen Riecher. Auch wenn der Weg rauf die Luft nimmt, die Überraschung gelingt.

        Es gibt neben vielen Teppichen auch eine Kochstelle und ein Bad mit heißem Wasser. Da es in den Bergen in der Nacht sehr kalt wird, steht ein Elektroofen zur Erwärmung bereit. Die Höhle ist ideal ausgestattet.


        Unsere Höhle auf Zeit

        Sie bereitet uns viel Freude. Bis zum späten Nachmittag bescheint die wärmende Sonne unsere Höhle auf Zeit.


        Absitzen

        Natürlich steigen wir auch runter ins Dorf. Viele Iraner besuchen die Zipfelmützen. So ist ordentlich Rummel- und Budenzauber angesagt. Doch dieser verebbt zum Glück gegen Abend. Dann kehrt Dorfruhe ein.


        Touristenrummel am Tag

        Nur vereinzelt hören wir dann noch Stimmen von den Nachbarn. Alle rüsten für die Nacht. Die Kühe suchen sich ihren Weg zu den Ställen. Schafe blöken zwischen den Zipfelmützen und die Esel tragen die letzten schweren Lasten zu den Höhlenwohnungen. Wir selbst genießen den Abendanblick aufs Zauberdorf.


        Gegen Abend wird es ruhig

        Wenn die Sterne am Abendhimmel dann leuchten, verkriechen wir uns in unsere warme Höhle. Wie fast jeden Abend, schreibe ich einige Stichpunkte über den ausklingenden Tag. Danach dauert es nicht lange und ein Höhlentraum ermächtigt sich meiner.




        Letzte Notizen, danach Höhlentraum

        Leider vergeht die Zeit im Zipfelmützendorf viel zu schnell.
        In Tabriz (liegt nur noch ca. 200 km von der türkischen Grenze entfernt) müssen wir dann entscheiden, ob es sich lohnt den Versuch zu unternehmen, unsere Visa zu verlängern. Es bleiben uns von dem einen Monat Iranvisa noch 3 gültige Tage. Eigentlich wollten wir weiter bis zur türkischen Grenze, um die Wanderung dann durch Kurdistan fortzusetzen. Doch irgendwo unterwegs trafen wir einen Italiener. Der erzählte mir, das die Grenzen zu Armenien und Georgien seit einigen Monaten für EU – Bürger nun Visafrei wären.
        Eine Visaverlängerung für den Iran kostet Geld. Auch ist nicht klar, ob wir die Verlängerung überhaupt bekommen. Dann wäre auch das Geld weg. Wir sind zwar nicht mit dem Fahrrad unterwegs, doch Toyota hat garantiert beim iranischen Horch – und Guck für Verwirrungen gesorgt. Wir beschließen, den Verwirrungen ein Ende zu bereiten.
        Dies hätte neben Geldersparnis weitere Vorteile. Armenien und Georgien kennen wir noch nicht. Kurdistan in der Osttürkei, so erzählte mir der Italiener, ist momentan wegen Syrien und den anstehenden Wahlen in der Türkei recht rustikal. Wir hatten Kurdistan damals schon während unserer Weltradeltour als recht rustikal empfunden. Noch rustikaler muss nicht unbedingt sein.
        Wenn wir also von Tabriz bis zur Grenze von Armenien laufen – sind nur gute 100 Kilometer –, könnten wir dann von dort nach Georgien um ans Schwarze Meer zu gelangen. Am Schwarzen Meer gibt es einen Grenzübergang in die Türkei. Wir müssten somit nicht durchs Kurdengebiet, würden zusätzlich zwei neue Länder kennen lernen, und irgendwann in der Türkei könnte sich theoretisch unser Wanderkreis schließen. Eigentlich ideal.

        3 Tage später sind wir im Grenzübergangsort Nurduz. Auf der anderen Flussseite liegt Armenien.

        Während dieser 3 Tage bis zur Grenze, schwirren mir viele weitere Abschieds-Momentaufnahmen vom Iran durch den Kopf.

        Ich werde nie die junge Frau und den Mullah vergessen. Zufällig sah ich sie vor einer Moschee. Erst beim genauen betrachten des Bildes, sind mir dann die unterschiedlichste Gedanken durch den Kopf geschossen.
        Sie hört zu. Er spricht. Dabei zieht er die Stirn in Falten und presst die Augen zusammen. Seine Hände unterstützen seine Worte. Sie hat die Augen geschlossen. Dabei sitzt sie irgendwie madonnenhaft auf ihrem Stuhl und hat die Hände auf ihrer Handtasche brav gefaltet.
        Ist es eine ernsthafte Unterhaltung? Geschieht da Gehirnwäsche? Ist es ein Monolog? Erklärt der Mullah der jungen Frau den Sinn des Lebens? Wollte sie selbst Fragen beantwortet haben?
        Keine der Fragen kann ich mir selbst beantworten, denn natürlich habe ich nicht gelauscht. Zudem hätte ich ja auch nichts verstanden. Und doch denke ich, das Bild zeigt durchaus etwas von der politischen Verzwicktheit im Iran. Zumindest lässt es viele Auslegungsmöglichkeiten zu!


        Gehirnwäsche oder ernsthafte Unterhaltung?

        Im Iran gibt es um die 80 Millionen Menschen. Ca. 70 Prozent davon sind unter 25 Jahre alt. Ich glaube, die greisen Mullahs werden sehr schnell viele wirkliche Geistesblitze brauchen, um genau diesen jungen Menschen endlich eine lebenswerte Zukunft zu ermöglichen. Ein Land, welches an der Scharia (Rechtssprechung im Iran) festhält, ist über kurz oder lang zum scheitern verurteilt.


        Lebenswerte Zukunft?

        Ich bin zuversichtlich, dass es im Iran Veränderungen geben wird. Es darf natürlich kein von außen aufgedrücktes System sein, denn Wechsel ganzer Gefühlswelten, haben in der Vergangenheit nie etwas wirklich positives gebracht.
        Was ich hoffe, dass diese Veränderungen friedlich sein werden.


        Die Hoffnung stirbt zum Schluss

        In diesem Sinne, liebe Grüße bis zum nächsten Bericht.

        Wi, Gi + Toyota

        Stand: Anfang Juni 2015

        Wanderkilometer Iran gesamt: ca. 425 km
        Wanderkilometer bis zur Grenze Armenien: ca. 150 km
        Wanderkilometer bisher ca. gesamt: ca. 3995 km

        Auf unserer HP sind auch immer grobe Karten zu den einzelnen Ländern einsehbar Siehe Signatur unten

        Zuletzt geändert von grenzenlos; 16.06.2015, 16:15.
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        Gruß, Wi grenzenlos

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        • Sternenstaub
          Alter Hase
          • 14.03.2012
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          AW: [TR] Langzeitwanderung

          danke für deinen Bericht. Ich freue mich immer wieder, wie behutsam du die Probleme in den jeweiligen Ländern ansprichst.
          Ich bin gespannt, wie es euch nun weiter ergehen wird. Was gibt es besseres als Menschen und Landschaften kennen zu lernen und dabei zu spüren, dass die wirklichen Unterschiede unter den Menschen nicht elementar sind.
          Two roads diverged in a wood, and I—
          I took the one less traveled by,
          And that has made all the difference (Robert Frost)

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          • trekalex
            Erfahren
            • 23.03.2013
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            AW: [TR] Langzeitwanderung

            Vielen vielen Dank für diesen Bericht (ebenso wie die vielen anderen von euch). Hochinteressant, mal wieder was vom Iran zu hören. Jetzt habe ich wieder Fernweh...

            trekalex

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            • grenzenlos
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              • 25.06.2013
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              AW: [TR] Langzeitwanderung

              Zitat von Sternenstaub Beitrag anzeigen
              danke für deinen Bericht. Ich freue mich immer wieder, wie behutsam du die Probleme in den jeweiligen Ländern ansprichst.
              Hallo Sternenstaub (Übrigens schöner Name!),

              behutsam ist in der Regel ja besser, denn eine eigene Hammeranalyse bringt ja nichts , denke ich zumindest. Jedes Volk/Land hat ja zum Glück/manchmal auch zum Unglück, seine Eigenheiten. Für mich ist immer interessant, genau diese zu erkennen. Würde man nichts mehr erkennen, so hätten wir ja den Welteinheitsbrei. Ich denke, dies wäre dann echt langweilig

              LG, Wi grenzenlos
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              Gruß, Wi grenzenlos

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              • grenzenlos
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                • 25.06.2013
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                AW: [TR] Langzeitwanderung

                Zitat von trekalex Beitrag anzeigen
                Vielen vielen Dank für diesen Bericht (ebenso wie die vielen anderen von euch). Hochinteressant, mal wieder was vom Iran zu hören. Jetzt habe ich wieder Fernweh...

                trekalex
                Bitte + nach wenigen Tagen, habe auch ich schon wieder Iran-Fernweh. Ein Stückchen Herz von mir ist ständig dort

                LG, Wi grenzenlos
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                Gruß, Wi grenzenlos

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                • GClaus
                  Anfänger im Forum
                  • 18.02.2014
                  • 16
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                  AW: [TR] Langzeitwanderung

                  Hallo Wi & Gi,
                  habe Eure Radtour komplett mitverfolgt und nun Eure Toyota Tour, bin also immer auf dem laufenden. Für Eure Beiträge besten Dank, wie meine Vorschreiber auch schon geschrieben.
                  Was mir allerdings absolut gefallen hat ist der Iranbericht. Neutral und herzlich, dafür Danke. Viel Spaß noch bei Euren nächsten Länder, freue mich schon mit allen anderen.
                  Viele Grüße Günther

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                  • grenzenlos
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                    • 25.06.2013
                    • 566
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                    Zitat von GClaus Beitrag anzeigen
                    Hallo Wi & Gi,
                    habe Eure Radtour komplett mitverfolgt und nun Eure Toyota Tour, bin also immer auf dem laufenden. Für Eure Beiträge besten Dank, wie meine Vorschreiber auch schon geschrieben.
                    Was mir allerdings absolut gefallen hat ist der Iranbericht. Neutral und herzlich, dafür Danke. Viel Spaß noch bei Euren nächsten Länder, freue mich schon mit allen anderen.
                    Viele Grüße Günther
                    Hallo Günther,
                    besten Dank für die Sätze. Ich muss sofort gestehen, dass der Iran ein Glücksfall für Berichte ist. Da gibt es absolut vieles zu erzählen. Es macht unheimlich Freude dieses Land zu bereisen
                    LG, Wi, Gi + Toyota
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                    Gruß, Wi grenzenlos

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                    • Bielefelderin
                      Erfahren
                      • 15.04.2015
                      • 108
                      • Privat

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                      AW: [TR] Langzeitwanderung

                      Danke dafür, dass ihr uns teilhaben lasst an dieser Reise. Ich wünsche euch ganz viel Freude in Armenien, ein tolles Land! Versäumt nicht, die Klöster zu besuchen: Haghpat, Sanahin, Goshavank, Tatev, Noravank. Die sind uralt und liegen an den schönsten Plätzen. Manche davon sind nur zu Fuß zu erreichen.
                      Ich freuen mich schon auf euren Bericht.
                      Liebe Grüße
                      von der Bielefelderin

                      _______________________________________________________________________
                      Der weiteste Weg beginnt mit dem ersten Schritt.

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                      • grenzenlos
                        Dauerbesucher
                        • 25.06.2013
                        • 566
                        • Privat

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                        AW: [TR] Langzeitwanderung

                        Zitat von Bielefelderin Beitrag anzeigen
                        Danke dafür, dass ihr uns teilhaben lasst an dieser Reise. Ich wünsche euch ganz viel Freude in Armenien, ein tolles Land! Versäumt nicht, die Klöster zu besuchen: Haghpat, Sanahin, Goshavank, Tatev, Noravank. Die sind uralt und liegen an den schönsten Plätzen. Manche davon sind nur zu Fuß zu erreichen.
                        Ich freuen mich schon auf euren Bericht.
                        Danke für die Tipps Wir werden sehen was machbar ist

                        LG, Wi grenzenlos
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                        Gruß, Wi grenzenlos

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                        • Abt
                          Lebt im Forum
                          • 26.04.2010
                          • 5726
                          • Unternehmen

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                          AW: [TR] Langzeitwanderung

                          Zwar erscheinen die Artikel hier zeitversetzt, aber in Armenien rumort es gerad.
                          Mal sehen, was Wi und Gi da berichten

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                          • grenzenlos
                            Dauerbesucher
                            • 25.06.2013
                            • 566
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                            AW: [TR] Langzeitwanderung

                            Zitat von Abt Beitrag anzeigen
                            Zwar erscheinen die Artikel hier zeitversetzt, aber in Armenien rumort es gerad.
                            Mal sehen, was Wi und Gi da berichten
                            Hallo Abt,
                            wir waren da schon einige Tage vorher weg (Jerewan), auf dem Weg nach Georgien. Ich kann nur schreiben, Armenien ist ein wirklich armes Land. Somit gibt es halt auch relativ viele Probleme. Die Unruhen waren/sind wegen einer Strompreiserhöhung (9 Eurocent bzw. 16%). Ich denke aber, dies war nur der Auslöser. Uns war aufgefallen, dass in jeder Ortschaft viel Polizei unterwegs war. Der jetzige Präsident will die Verfassung ändern um nach der 2. Amtszeit weiterhin an der Macht zu bleiben. Armenien ist von Russland abhängig. Der Präsident ist Russlandtreu. Die EU steht auf der anderen Seite, analog Ukraine. Somit sind weitere Probleme vorprogrammiert. Hinzu kommt, dass Armenien mit seinen Nachbarn echt große Probleme hat. An den Grenzen wird noch immer vereinzelt scharf geschossen (Grenzen zu Aserbaidschan). Mit der Türkei ist absolute Funkstille wegen der Völkermordproblematik.
                            Neben diesen weltpolitischen Problemen, gibt es viele weitere. Wir haben noch nie ein Land erlebt mit solchen Umweltschutzproblemen. Das Land ist regelrecht vermüllt. Kein Fluss ohne Müll. Kein Dorf ohne Schrott. Keine Stadt ohne sterbende Kleinindustrie mit all seinen Folgen.
                            Da der jetzige Präsident die Macht nicht hergeben wird, vermute ich, es wird viele weitere Probleme geben. In Europa spricht man ja schon von der nächsten Farben-Revo (analog Ukraine). Also es wird, wie so oft, von allen Seiten gezündelt, leider.
                            LG, Wi
                            Zuletzt geändert von grenzenlos; 28.06.2015, 06:46.
                            Unsere Webseite: http://www.grenzenlosabenteuer.de

                            Gruß, Wi grenzenlos

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                            • Abt
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                              • 26.04.2010
                              • 5726
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                              AW: [TR] Langzeitwanderung

                              Es war vielleicht falsch von mir, hier mit diesem Thema zu beginnen. Aber wiederum eben mal zur Einleitug auch wieder passend.
                              Ich hoffe noch sehr auf eure folgenden Bildberichte aus Armenien. Geht das mit der Einreise aus allen Staaten so unproblematisch?
                              LG

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                              • grenzenlos
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                                • 25.06.2013
                                • 566
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                                AW: [TR] Langzeitwanderung

                                Zitat von Abt Beitrag anzeigen
                                Es war vielleicht falsch von mir, hier mit diesem Thema zu beginnen. Aber wiederum eben mal zur Einleitug auch wieder passend.
                                Ich hoffe noch sehr auf eure folgenden Bildberichte aus Armenien. Geht das mit der Einreise aus allen Staaten so unproblematisch?
                                LG
                                Kein Problem Irgendwie passt es ja.
                                Und da Internet im Moment ganz gut, folgt in wenigen Minuten der 1. Teil zu Armenien.

                                Wünsche noch herrlich Sonntag

                                LG, Wi

                                PS Nachtrag: Der unproblematische Grenzübertritt gilt nur für einige EU-Staaten. Die meisten müssen ihr Visa beantragen und dafür dann natürlich auch löhnen.
                                Zuletzt geändert von grenzenlos; 28.06.2015, 13:18. Grund: Was vergessen!
                                Unsere Webseite: http://www.grenzenlosabenteuer.de

                                Gruß, Wi grenzenlos

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                                • grenzenlos
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                                  • 25.06.2013
                                  • 566
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                                  Armenien Teil 1



                                  Die Andersartigkeit



                                  Was mich schon immer auf unseren Touren irgendwie fasziniert hat, waren die Grenzübertritte. Ich meine damit natürlich nicht die eventuelle Bürokratie, die eventuellen Zollkontrollen oder gar eventuelle nervige Fragen. Die Faszination hat mit der plötzlichen Andersartigkeit im nächsten Land zu tun. Nur wenige Meter sind dazu nötig, denn oft unterscheidet sich schon das jeweilige Grenzpersonal gewaltig. Danach, dann nur noch weitere wenige Meter, und es tut sich oft eine neue Welt auf.

                                  Beim Grenzübertritt vom Iran nach Armenien wurde mir dies erneut schlagartig bewusst.

                                  Danke, dass ihr unser Land besucht habt. Hat es euch gefallen? Kommt ihr wieder? So wurden wir von den iranischen Grenzbeamten verabschiedet. Finde ich sehr nett. Da gibt es nichts zu meckern.

                                  Pass! Setzen! Gehen! Dies ist der Empfang durch die armenischen Grenzdamen. Na ja, zumindest waren sie recht hübsch. Wobei es natürlich sinnvoll wäre, so manche Kosmetikstunde dem erlernen der englischen Wörter Danke oder auch Bitte zu opfern. Dann erst wäre es ein wirklich hübscher Einlass gewesen. Trotzdem will ich nicht meckern, denn der Einlass kostet keinen Eurocent. Im Iran löhnten wir ca. 100 Euro pro Visa. Könnte in etwa ein iranischer Durchschnittsmonatslohn sein.

                                  Schon an diesen Grenzerfahrungs-Andersartigkeiten erkennt man, Länder sind zum Glück meist unterschiedlich gepolt. Warum zum Glück? Mann und Frau erleben keinen Welteinheitsbrei. Die Vielfalt gehört somit zum Glück. Ob diese Vielfalt dann immer auch für Mann und Frau glücklich sein wird, ist eine ganz andere Frage.

                                  Kopfmäßig staunen wir nach weiteren Laufmetern. Wir schieben Toyota durch die erste armenische Kleinstadt Namens Meghri (etwas über 4 Tausend Einwohner). Im Iran war die Damenwelt recht zugeschnürt. Hier ist die Damenwelt recht aufgeschnürt. Die Moschee ist plötzlich eine Kirche. Neben dem Casino ist der Nachtclub sogleich ersichtlich. Was mich dabei nicht wundert, Autos mit iranischen Kennzeichen stehen davor. Was man (Mann) im Iran nicht haben darf, darf er halt beim Gruppen-Männer-Tagesausflug über die Grenze. Was wechselt noch alles? Das Geld, der Straßenzustand, die Schrift, die Sprache, die Architektur, das Essen, die Preise, die Religion, die Landschaft, sogar das Klima und vieles mehr.


                                  Neue Welt

                                  Um uns ein Gefühl für das neue Preisgefüge anzueignen, kaufen wir im einzigen Supermarkt ein. Supermarkt bedeutet 40 Quadratmeter Verkaufsfläche, wobei davon ca. 15 Quadratmeter für den Alkohol reserviert sind. Über diese Andersartigkeit bin ich nicht böse, denn nach Monaten von Alk-Enthaltsamkeit, ergreife ich sofort ein kühles Pilsener. Nur Minuten später, zischt es mir regelrecht durch die Kehle. Das blöde dabei, Gi tadelt mich sogleich, denn ich trinke den Hopfensaft auf Meghri-Sitte sogleich auf der Straße. Ich gehöre, zumindest für wenige Minuten, sofort dazu. Übrigens könnte ich ständig dazugehören, denn entlang der einzigen Straße Richtung Norden, reiht sich über hunderte von Metern, Flaschenladen an Flaschenladen. So manche Bude hat sogar einen Zapfhahn zu bieten. Was uns sofort erstaunt, die Armenier scheinen den Saft sehr zu mögen, denn an den Zapfsäulen wird bis hin zum ehemaligen Benzinkanister alles randvoll aufgefüllt. Ach ja, das Preisgefüge ist analog Iran für uns recht günstig. Damit meine ich natürlich nicht den Hopfensaft.

                                  Ab der Grenze zu Armenien beginnt der südliche Kaukasus. 8 Berge der Kaukasusregion sind über 5 Tausend stolze Meter hoch. Dies bedeutet für uns, die nächsten Wanderwege werden sehr, sehr bergig werden. Sozusagen unser erster Trainingslauf ist die Suche nach unserer ersten Unterkunft, denn fast zwangsweise geht der natürlich bergan.

                                  Die einzige Unterkunft befindet sich außerhalb von Meghri, doch zum Glück in unserer geplanten Richtung. An einem Flüsschen geht es stetig nach oben. Wir genießen dabei die ersten Kaukasusfloraeindrücke. Zur Pension führt eine Holzbrücke. Leider liegt dort unheimlich viel Müll. Dies trübt unsere Floraeindrücke gewaltig.


                                  Schöne Flora

                                  Lange klopfe ich ans große rostige Eisentor. Doch niemand öffnet. Da am Horizont dunkle Wolken aufziehen, wollen wir die Nacht nicht unbedingt im Zelt verbringen, Also klopfe ich lauter. Ein Hund bellt fürchterlich. Ob nun der Hund oder mein klopfen die Besitzerin geweckt hat, kann ich nicht sagen, doch es muss geweckt gewesen sein, denn zwei verschlafene Äuglein giften mich da an. Die schlaftrunkene Dame redet kein Wort. Sie zeigt mir nur die Richtung, was bedeuten soll, ich muss ihr folgen. Sie zeigt mir ein fast sauberes Zimmer, eine Dusche und eine ordentlich vergammelte Küche. Danach beginnt sie wirklich zu reden, fast zu reden, denn es sind letztendlich nur zwei Wörter. Pass, Money! Vorher hat sie sprachlos den Preis ins Mobile getippt.

                                  Ich tippe sprachlos zurück, denn etwas handeln kann nicht schaden, denke ich zumindest. Fehler! Sie wiederholt ihre zwei Worte und sendet mir dabei zwei Blitze aus ihren schmalen Seeschlitzen. Ich verstehe sofort. Wenn Blicke töten könnten.
                                  Ich schaue nach oben. Es wird bald regnen. Unser Zelt lässt Wasser durch. Und der Preis ist ja auch ohne verhandeln ganz gut. Ich löhne! Außerdem möchte ich herausbekommen, ob die Wortkarge nicht doch eventuell freundlich sein kann? Sie wäre die erste in diesem Land.
                                  Stunden später geschieht das Unfassbare, die Wortkarge spricht zwar weiterhin kein Wort, doch als ich sie am Abend anlächle, lächelt sie zurück. Ich bin fasziniert!

                                  Wenn man so lange unterwegs ist, davon über weite Strecken zu Fuß, macht man sich selbst keine Gedanken mehr zur eigenen Fortbewegungsart. 10, 20, 30 oder gar 40 Wanderkilometer am Tag nimmt man als normal hin. Erst wenn man andere Menschen zur Kilometerentfernung nach einem bestimmten Weg, nach einer Straße, einer Unterkunft oder einer Ortschaft fragt, diese dann erklären, der Weg bis dahin ist sehr weit, nämlich 5, 3 oder gar nur 1 Kilometer, und da soll man doch unbedingt einen Bus oder ein Taxi nehmen, wird einem klar, entweder sind wir nicht normal oder die Anderen haben das Laufen verlernt. Sie sind vielleicht auch einfach nur zu faul, haben vielleicht auch absolut keine Zeit oder lieben einfach nur ihre Autos.
                                  Manchmal fragt man sich natürlich auch selbst, warum tue ich mir dies eigentlich an? Warum fahre ich nicht auch mit dem Bus, auch mit dem Taxi oder der Eisenbahn? Wenn man ehrlich ist, gibt es solche Tage natürlich. Es sind dann aber in der Regel die Ausnahmetage, die extremen Tage, die Tage an denen irgendwie etwas, oder gar mehrere Dinge, nicht passen. Beim Verlassen unseres ersten armenischen Nachtlagers folgt genau so ein Tag.
                                  Um zur Hauptstadt Jerewan zu gelangen, müssen wir einige Pässe überwinden. Armenien ist bergig.
                                  12 Prozent Steigung oder Gefälle über etliche Kilometer gehören da einfach zum fast täglichen Tagesablauf. Achterbahnwanderung ist da angesagt.


                                  12% sind nicht selten

                                  Mein eigentliches Problem an diesem Tag ist aber ein ganz anderes. Ich habe den Durchfall der schlimmen Art. Dies bedeutet: Krämpfe in den Gedärmen melden sich ziemlich regelmäßig. Auf der Stirn sammeln sich dann Schweißperlen. Dies ist ein sicherer Wink. Wenn ich jetzt nicht im Busch verschwinde, öffnet der Schließmuskel trotz absoluter Gegenwehr garantiert in wenigen Minuten.

                                  Wir überwinden an diesem extremen Tag um die tausend Höhenmeter. Die Schließmuskelzwangspausen zähle ich dabei irgendwann nicht mehr. Ab und zu scheint die Sonne. Wenn sie scheint, scheint sie mit gewaltiger Macht. Schwitzen ist angesagt. Ist sie verschwunden, wird es sogleich sehr kühl. Unsere verschwitzte Kleidung erzeugt dann leichte Frostgefühle. Wie immer trinke ich auch zu wenig. Meine Beine werden bleiern. Jeder Schritt erzeugt dann leichte Schmerzen. Es ist ein Schei...tag.

                                  Manche Steigung können wir nur noch gemeinsam meistern. Gi befestigt eine Schnur am Laufrad. Das andere Ende verknüppelt sie um ihre Hüfte. Wie eine Wolgatreidlerin schleppt sie bergan. Ich gebe Schubkraft von hinten. Alle 2 oder 3 Minuten sagt einer von uns, Pause. Sekunden holen wir tief Luft, dann geht es weiter. So ochsen wir Stunde um Stunde, dabei immer mit der Hoffnung verbunden, der blöde Pass auf 2530 Meter Höhe muss doch nun wirklich endlich kommen. Doch er kommt nicht.

                                  Am späten Nachmittag sind wir beide total erschöpft. Gi erzählt mir von schwarzen Sternchen, welche sie gerade gesehen hat. Ich verspühre die nächste Schweißperlen- und Schließmuskelaktion nahen.
                                  Es ist wirklich kein guter Tag. Den Pass schaffen wir heute nicht mehr, sage ich irgendwann zu Gi. Wir müssen uns nach einem Zeltplatz umschauen.
                                  Gi gibt nur zurück, hast du schon die schwarzen Wolken da hinten gesehen?
                                  Ich schaue. Eine mächtige Wand türmt sich da auf. Sie kommt auf uns zu.


                                  Eine mächtige Wand türmt sich auf

                                  Wind pfeift uns entgegen. Er kommt von den Schneebergen. Wird eine kalte Nacht, denke ich. Meine Augen suchen gierig nach einem geeigneten Lagerplatz. Keiner scheint mir ideal zu sein. Also trotten wir weiter, Meter um Meter. Dabei suche ich erneut ab. Wenn nur ein Unterstand käme. Doch alles nur Wunschgedanken. Kein idealer Platz präsentiert sich. Die schwarzen Wolken kommen näher.
                                  Was wir auf all unseren Touren gelernt haben, manchmal ändert sich eine unangenehme Situation urplötzlich. Man muss nur Geduld haben, an Veränderung glauben, auch dem Zufall eine Chance geben. Auch diesmal hilft uns der Zufall, denn plötzlich hält neben uns ein Auto. Zumindest wird es in Armenien noch als Auto geführt, ist also zugelassen, hat ein Nummernschild. Sein stolzer Besitzer steigt aus, zeigt mit dem Arm nach oben. Dies soll bedeuten, es wird bald kräftig regnen. Die ersten Blitze zucken am Schneeberg. Als nächstes öffnet er den Kofferraum. Kisten mit Obst liegen um eine große Gasflasche. Die Hälfte aller Autos in Armenien werden mit Gas gefüttert. Da bekommen wir Toyota nicht rein. Zum Glück hat der Wolga keine Rücksitze mehr. Wir zerlegen sehr zügig Toyota. Die Einzelteile finden Platz zwischen zwei Gemüsekisten, alten Schuhen, Decken, viel Werkzeug und vielen Wasserflaschen. Zum Schluss drücken wir noch Gi dazwischen.


                                  Zum Glück hat der Wolga keine Rücksitze mehr

                                  Für wenige Minuten vergesse ich meine momentanen Gebrechen, drücke auf den Auslöser, und bestaune den Uraltwolga. Igor füllt noch schnell Wasser in den Kühler. Das restliche Wasser schüttet er über die Motorhaube. Alles dampft.


                                  Wasser nachfüllen ist tägliches Geschäft

                                  Als nächstes muss ich rein. Igor strammt von außen gegen die Tür. Nur so lässt sie sich schließen. Der Wolga zuckelt bergauf. Bei jedem Gang einlegen knirscht das Getriebe. Igor scheint dies nicht zu stören. Er zündet sich einen Joint an. Nach nur 5 Minuten stoppt er. Erneut füllt er Wasser auf. Was mir dabei auffällt, das Hinterteil vom Wolga hat er gegen einen Begrenzungspfeiler geparkt. Erst Minuten später, nämlich als der Pass endlich überwunden ist, erkenne ich den Grund. Die Handbremse funktioniert nicht. Sie kann gar nicht mehr funktionieren, denn die Handbremse fehlt. Sie ist einfach nicht da. Die Fußbremse funktioniert nur noch mit kräftigem pumpen aufs Pedal. Wir sitzen in einer Höllenmaschine. Irgendwie ist es uns aber egal, denn der Scheibenwischer –es funktioniert nur noch einer – wischt dicke Tropfen von der gesprungenen Scheibe. Igor spricht einige Worte Deutsch. Wir kramen unsere russischen Schulvokabeln hervor. So verstehen wir zumindest, unten im Tal ist eine Stadt. Dort will er uns absetzen. Es soll ein Hotel geben. Er wird weiter ins nächste Dorf fahren um dort sein Obst und Gemüse zu verkaufen. Es ist sein Job.

                                  Als die Stadt plötzlich nach einer Kehre auftaucht, bekomme ich sehr eigenartige Gefühle. Zwischen dichten Nebelschwaden sind graue Wohnblöcke zu erkennen. Am Berghang ducken sich Wellblechhütten. Zwei dampfende Schlote erzeugen Endzeitstimmung. Alles scheint in Grautönen zu verschwimmen.


                                  Unser Wolgaheld

                                  Am Abend sitze ich mit 3 Südafrikanern und einem Amerikaner an der Hotelbar. Die 4 trinken Bier und weit härtere Sachen. Ich lutsche an einem Glas Tee. Gi hat mir Tabletten wegen meinem Schließmuskel verordnet. Dies ging mit der Verpflichtung einher, ja keinen Alkohol zu trinken.
                                  Unbedingt wollen die 4 Männer sogleich von mir wissen, was wir hier in dieser Stadt machen, denn hier kommt doch kein Ausländer freiwillig her, sagen sie. Ich erzähle kurz unsere Geschichte. Danach frage ich. Wieso kommt niemand freiwillig her?
                                  Armenien ist nicht schön. Armenien ist sehr arm. Die Stadt (es handelt sich um die Stadt Kajaran) ist fürchterlich. Das Beste ist noch das Hotel, das billige Bier und der Nachtclub gleich nebenan. Alles andere kann man hier vergessen. So geht es Schluck für Schluck weiter. Irgendwann werden mir die negativen Schlagzeilen zu viel. Deshalb frage ich, wo ist es denn in Armenien schön? Und was macht ihr eigentlich hier?
                                  Die 4 sind als Monteure hier. Es gibt eine große Fabrik in der Stadt. Sie versuchen den Schrott am Leben zu halten. Ob sie es schaffen, wissen sie nicht. Schon lange versuchen sie es. Schön sind die Berge, doch auch dort gibt es viel Müll, viel Armut und kaum befahrbare Straßen. Ab und zu fahren sie in die Hauptstadt, dort soll es besser sein, erklären sie mir. Fast zum Schluss fällt dann noch das Wort Kirchen. Davon soll es viele geben.

                                  Gi erzähle ich nichts von meiner Unterhaltung mit den 4 Monteuren. Seit der ersten Stunde in Armenien haben wir ja selbst irgendwie zwiespältige Gefühle. Wir werden erleben, ob die Männer recht haben, denke ich in diesem Moment. Zumindest ist mir jetzt schon klar, dass die Andersartigkeiten diesmal sehr wuchtig sein werden.

                                  Das Hotel, auch wenn es nicht so wirkt, ist wirklich das schönste Gebäude der Stadt. Beim Verlassen wird uns dies bewusst, denn nach dem Schönhaus folgen nur noch unschöne Wohnblocks.


                                  Das wirklich schönste Haus der Stadt

                                  Sie sind an Hässlichkeit nicht zu überbieten. Schon in Meghri sind uns die Betonburgen aufgefallen. Da dachten wir noch, die gibt es nur dort. Noch hunderte dieser Altlasten werden wir in den nächsten Wochen sehen. Wir selbst haben viele Jahre in einer Plattenbausiedlung gelebt.
                                  Damals waren wir damit irgendwie zufrieden. Die Plattenwohnung war für uns okay. Die Wohnung hatten wir uns gemütlich eingerichtet. Wir wohnten sehr gerne darin. Der Block selbst war nicht unbedingt eine Prinzessin unter den Häusern, doch konnten wir damit leben. Auch kannten wir ja nichts schlimmeres. In Kajaran wurde mir bewusst, unser ehemaliger Wohnblock war doch eine kleine Prinzessin.


                                  Typischer Wohnblock

                                  Beim Verlassen der hässlichen Stadt, fallen mir die 4 Monteure ein.
                                  Ob die vielen Monteur-Negativschlagzeilen berechtigt sind, erzähle ich aber erst im nächsten Bericht.

                                  Bis dahin,

                                  liebe Grüße,

                                  Wi + Gi + Toyota Stand: Anfang Juni 2015

                                  Unsere Webseite: http://www.grenzenlosabenteuer.de

                                  Gruß, Wi grenzenlos

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                                  • qwertzui
                                    Alter Hase
                                    • 17.07.2013
                                    • 2903
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                                    AW: [TR] Langzeitwanderung

                                    Ein echter Cliffhanger... ich warte voll Spannung auf die Fortsetzung!

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                                      Anfänger im Forum
                                      • 29.05.2015
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                                      Ich auch... so schön, hier mitlesen zu können!
                                      uschi

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                                      • tizzano1
                                        Erfahren
                                        • 13.06.2006
                                        • 383
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                                        Hallo ihr beiden,
                                        heute leider keine guten Nachrichten für euch:


                                        http://orf.at/stories/2287560/

                                        Ich hoffe ihr seid wohlauf und wünsche euch weiter alles, alles Gute,
                                        tizzi

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                                        • grenzenlos
                                          Dauerbesucher
                                          • 25.06.2013
                                          • 566
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                                          Zitat von qwertzui Beitrag anzeigen
                                          Ein echter Cliffhanger... ich warte voll Spannung auf die Fortsetzung!
                                          Uschi, qwertzui: Danke + dauert halt immer etwas
                                          Unsere Webseite: http://www.grenzenlosabenteuer.de

                                          Gruß, Wi grenzenlos

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