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Elgon Uganda Nationalpark National Park Trekking Hiking Wandern Berge Mountains

Eine großartige Fünf-Tage-Wanderung durch ein einsames Bergmassiv in Ostfafrika, wo (noch) kein Massentourismus herrscht und markierte Wanderwege unbekannt sind.
Prolog
Im Spätherbst 2014 war ich einmal wieder in Ostafrika, bei dieser Gelegenheit auch erstmals in Uganda. Mein Aufenthalt war in erster Linie beruflich bedingt, aber ich hatte mir einen Plan B zurecht gelegt, für den Fall, daß ich etwas Zeit für einen Trek abzweigen könnte. Und wie es der glückliche Zufall wollte, trat dieses letztlich auch ein. So kann ich euch hier nun berichten von meinem Trek durch das Elgon-Massiv, das zu beiden Seiten der ugandisch-kenianischen Grenze liegt. Meine vorauf gegangenen Internet-Recherchen hatten keinen einigermaßen informativen Bericht oder viele brauchbare Informationen zutage gefördert, und auch meine Suche nach einer Vertrauen erweckenden Trekkingagentur erschien mir wie eine Tombola.
Eines aber ist sicher: der Elgon ist einer größten, wenn nicht sogar DER größte Vulkan der Welt. Dabei bezieht sich „groß“ auf die Fläche, die der Berg bedeckt. ugandawildlife(dot)org und andere Quellen sprechen von rund 3.500-4.000 Quadrat-Kilometern. Leute: das ist weit größer als ganz Vorarlberg (2.600 Quadrat-Kilometer) !! Von seiner Höhe her (mit „nur“ 4321m) ist der Elgon im weltweiten Kontext aber lediglich Mittelmaß, und viele andere Vulkane sind weit höher, einschl. des relativ nahe gelegenen Kilimanjaro. Und warum bedeckt er dann so eine riesige Fläche? Das hat zwei Gründe: erstens war er vor Millionen von Jahren in der Tat weit höher als heute, wahrscheinlich weit über 6000m. Sein seinerzeitiger Gipfel war dort, wo jetzt nur noch ein riesiger Krater, eine sogenannte Caldera, zu sehen ist. Zweitens wurde der Elgon, ein Vulkan aus der Tertiärzeit, aus relativ dünnflüssiger Lava gebildet, welche sich – fast wie Pfannkuchenteig – großflächig ausgebreitet hat, ohne allzu steile Hänge zu bilden. So erstreckte sich auch meine Trekkingroute über schätzungsweise knapp 100km. Fünf Tage brauchte ich dafür. Ihr seht meine Route auf dem folgenden Satellitenbild, beginnend im Westen (also Aufstieg über den "Sasa Trail") und endend im Nordwesten (also Abstieg über den "Sipi Trail"). Die gelbe Linie ist übrigens die Grenze zwischen Uganda im Nordwesten und Kenia im Südosten.

Wie es meine Art und mein Anliegen ist, mache ich in meinem Bericht hier auch ein paar kleine Anmerkungen zur Geologie und Geographie des Elgon-Massivs sowie zu seiner Pflanzen- und Tierwelt. Weil dort nur wenige Trekker hinkommen und kaum einer von ihnen viel darüber berichtet hat, kann ich so vielleicht eine Lücke füllen (jedenfalls im Rahmen dieses Forums).
Tag 0: Anreise von Kampala – und schon die ersten kleinen Malheure
Tag Null war die Autofahrt von Kampala über Mbale nach Budadiri; ersteres ist die Hauptstadt von Uganda, letzteres der Ausgangspunkt für den Trek, am West-Rand des Elgon-Massivs gelegen. Das hört sich so einfach an; es war aber doch eine ziemlich lange Strecke. Verlängert wurde die Fahrt erstens durch die Verkehrs-Verstopfungen in Kampala und zweitens dadurch, daß unser Fahrer sich verfranzte. Er wollte eine Abkürzung nach Mbale nehmen (das hatte ihm ein Freund empfohlen und ihm dazu ein handtellergroßes Landkärtchen gezeichnet); er bog aber zu früh ab, und wir endeten auf einer schlagloch-übersäten Straße ins Nirgendwo. Außerdem waren wir immer noch auf der falschen (also westlichen) Seite des Nils. Ergo: wieder zurück zur Hauptstraße – außer Zeitverschwendung nichts gewesen.
Die Hauptstraße (sie verbindet Kampala mit Kenia und damit eben auch mit den dortigen Häfen, die das Tor zur Welt darstellen) quert dann einen Staudamm, der jetzt dort ist, wo bis 1954 die Owen-Wasserfälle gewesen waren. Das ist also die Stelle, wo der Viktoria-Nil den Viktoriasee verläßt, und damit eigentlich die „Quelle“ des Nils, nach der man schon in der Antike so lange gesucht hatte.
Mit einigem Herumeiern kamen wir dann auch in das Städtchen Mbale. Schön ist dieses nicht gerade, aber dort ist eine Station der Uganda Wildlife Authority, wo wir meinen geplanten Besuch das Elgon-Nationalparks anmeldeten. Den weiteren Weg nach Budadiri fanden wir ebenfalls nicht ohne weiteres, denn die direkte Straße war wegen Bauarbeiten gesperrt, und wir mußten uns einen anderen Weg suchen, der uns weitgehend über Erdstraßen führte.
So war es schon Nachmittag, als wir Budadiri erreichten. Meine Unterkunft für eine Nacht war das bescheidene kleine Gästehaus „Rose´s Last Chance“. Dieses heißt so, sagte mir die Besitzerin, weil es die letzte Unterkunft vor dem Nationalpark ist. Die nächste vergleichbare Unterkunft liegt wohl rund 50-70km Luftlinie entfernt irgendwo in Kenia.
Am Spätnachmittag regelte mein Trekkingagent mit den Rangern des Nationalparks in ihrem dortigen kleinen Büro Logistik und Bezahlung für den Trek. Fünf Tage netto wollte ich im Nationalpark unterwegs sein. Drei Ranger sollten mich begleiten (einer davon allerdings nur als „Zuschauer“ bzw. „Lehrling“; denn er kannte sich auf dem Berg noch nicht richtig aus), dazu ein Koch und ein Träger.
Tag 1: Die Schlammschlacht – und eine gelernte Lektion
Früh am kommenden Morgen fuhren wir zunächst mit gemieteten Motorrädern von Budadiri (das auf rund 1250m Höhe liegt) 5km weiter nach Bumasola, das wenigstens schon einmal ca. 500m höher gelegen ist.

Hier begann dann der eigentliche Trek im frischen Licht des frühen Morgens.

Der erste Teil des Weges, noch außerhalb der Grenzen des Nationalparks gelegen, führte durch landwirtschaftliche Nutzflächen, vor allem Zwiebel- und Gemüsefelder.

Dennoch war auch dies schon landschaftlich schön und interessant. Bemerkenswerterweise enden die tertiären Lavaströme vielfach abrupt mit steilen Klippen, wie ihr hier rechts im Bild seht:

Nach einer guten Stunde Fußmarsch erreichten wir die Grenze des Nationalparks, und es war Zeit für eine erste kleine Rast.

Schon hier waren meine Wanderstiefel reichlich eingesaut vom Schlamm der Pfade durch die Felder. Aber es kam noch schlimmer und schlammiger:

„Schuld“ an der Misere war in gewissem Maße ich selber, denn ich war noch vor dem Ende der Regenzeit unterwegs. Allerdings hatte ich aus den oben genannten Gründen eben nur beschränkte Freiheit in der Wahl des Zeitpunkts gehabt. Was auch immer, was hilft´s? Ich mußte weiter, immer weiter, durch immer mehr Dreck, auf den aufgeweichten Pfaden mitunter knöcheltief. Innerlich fluchend folgte ich meiner Truppe und sagte mir, quasi zum Trost, daß solcher Dreck eben zum tropischen Afrika gehört wie Schnee zu Grönland und daß dieser Trek ohne Dreck eben nicht authentisch wäre.
Bald erreichten wir den Wald mit den Riesenfarnen, die für tropische Regenwälder so typisch sind.

Zur Mittagspause trafen wir im Sasa River Camp ein. Hier waren wir bereits 2900m hoch, also schon einmal fast 1200m aufgestiegen.

Das „Camp“ besteht im wesentlichen aus einer Bambushütte, die als Küche und Schlafraum für die Ranger dient, und einer Gästehütte, die nichts weiter ist als ein großes, bis zum Boden reichendes Satteldach aus Wellblech mit zwei Giebelwänden aus Holz. Ach ja, ein paar Plumpsklohäuschen gibt es auch noch. Die Ranger lassen die Mehrzahl der (ohnehin nur wenigen) Trekker hier übernachten, zwecks Akklimatisation. Wir aber marschierten nach dem Mittagessen gleich weiter.

Der Wald wurde mit zunehmender Höhe natürlich immer lichter. Nicht lichter hingegen wurde das Wetter: es regnete.

Auf dem ganzen Weg begleitete uns übrigens ein lebendes Huhn, das die Ranger abwechselnd auf dem Arm trugen und das uns mit gelegentlichem Gackern an seine Anwesenheit erinnerte. Dieses Huhn hatten wir aber nicht zu seiner Unterhaltung mitgenommen, sondern um im Mude Cave Camp die erfolgreiche Gipfelbesteigung feiern zu können. Das war dem Huhn aber wohl nicht klar.
Es mag auf etwa 3100m Höhe gewesen sein, als wir den Nebelwald betraten. Wie in anderen tropischen Nebelwäldern auch (z. B. an den Osthängen der Anden) hingen riesige Flechten von den Bäumen wie Zottelbärte alter Männer.

Nur wenig später war der Nebelwald aber schon wieder zu Ende, und wir betraten eine Vegetation, die man vielleicht als Hochgebirgsheide bezeichnen könnte (richtige Botaniker haben wahrscheinlich einen Fachausdruck dafür, aber ich bin kein richtiger Botaniker – pardon!).

Hier passierten wir auch die „Patrol Hut“ der Nationalparkverwaltung, wo die Papiere kontrolliert werden. Da meine Begleiter ja aber von der Nationalparkverwaltung selber waren, hatten sie selbstverständlich alles im Griff.
Im Spätnachmittagslicht erreichten wir dann das Mude Cave Camp auf ca. 3500m Höhe. Es ist umgeben von niedrigen Bäumen und genauso spärlich ausgestattet, wie ich es oben vom Sasa River Camp beschrieben habe. Hier ist „Hütte“ nicht, wie in den Alpen, ein zünftig-kernig klingendes anderes Wort für „Hotel“, sondern beschreibt den ärmlichen Zustand ziemlich korrekt.


Während der Koch das Abendessen zubereitete, hatte ich Zeit, in der Gästehütte meinen Schlafplatz herzurichten und den Tag Revue passieren zu lassen. Meine Wanderstiefel waren bis zu den Knöcheln völlig verdreckt von Schlamm, und meine Socken waren feucht geworden. Die Ranger hatten alle Gummistiefel an, und das wohl nicht nur, weil Gummistiefel billiger sind als gute Wanderstiefel aus Deutschland. Im Nachhinein wußte ich also, daß ich mit Gummistiefeln wohl besser bedient gewesen wäre. Naja – nächstes Mal sind wir gescheiter.
Tag 2: Der Gipfel – und ein wenig Selbstkritik
Am Tag 2 brachen wir ohne übermäßige Eile morgens vom Mude Cave Camp in Richtung Gipfel auf. Über 800 Höhenmeter Aufstieg sollten das werden (und natürlich Wiederabstieg zum Camp). Die merkwürdigen Pflanzen, die wir schon am Ende des ersten Tages gesehen hatten, waren hier sehr zahlreich. Es handelt sich um die Dendrosenocio elgonensis, und wie ihr aus dem zweiten Teil des Namens erahnen könnt, ist diese Pflanze im Elgon-Massiv heimisch, eigentlich sogar endemisch (also NUR hier beheimatet). Sie hat einen faserigen “Stamm” (nicht aus richtigem Holz wie ein Baum) und kann bis zu 200 Jahre alt werden.

Hier seht ihr in Bildmitte rechts einen Red Hot Poker (eine Spezies aus der Familie der Kniphofia) und links davon eine Lobelia elgonensis. Keine von beiden ist ähnlich langlebig wie die Dendrosenocio; nach ein paar Monaten ist es vorbei mit der Herrlichkeit. – Die Wolken, die ihr im Hintergrund des Fotos seht, signalisierten uns schon beim Aufstieg, daß wir am Gipfel wohl nicht viel Aussicht haben würden.

Hier noch einmal ein Blick über diese wunderbare Hochgebirgsheide, die in Höhen über 3800m anzutreffen ist.

Auf dem Pfad bemerkte ich immer wieder die Losung von Tieren, die offenbar nicht ganz klein waren. Sah aus wie der Kot großer Hunde. Die Ranger belehrten mich, daß diese Losung von katzenartigen Tieren stamme, die aber so groß wie Hunde seien. Jene Tiere, sagten die Ranger, wären nur nachtaktiv und tagsüber nicht zu sehen. Ihre Losung diene auch der Markierung ihres Territoriums, und deswegen legten sie diese ganz bewußt an wenig bewachsenen und gut sichtbaren Stellen ab, z. B. eben auf dem Trekkingpfad. Es mag sich wohl um die Afrikanische Zibetkatze (Civettictis civetta) handeln (diese "Diagnose" dämmerte mir allerdings nicht bei dieser Tour auf den Elgon, sondern erst 2017 bei meinem Trek auf dem Mulanje in Malawi, siehe hier).
Dergestalt plaudernd erreichten wir den Jackson Pool, laut Schild auf 4050m Höhe.

Benannt ist dieser Tümpel (wie auch der nahe gelegene Jackson Peak) nach einem Briten, der Ende des 19. Jahrhunderts das Elgon-Massiv erforscht hat.
Von hier aus stiegen wir weiter auf, immer noch durch diese Hochgebirgsheide mit zahlreichen Exemplaren der Dendrosenocio und mit Blumen, die wie Trockenblumen aussahen.

Es hatte selbstredend seinen guten Grund, daß Andrew und Chris ihre Regenponchos trugen.

Vom Jackson Pool ging es eine kleine Weile bergauf, aber dann die meiste Zeit auf dem Rand der Caldera entlang, also mit nur geringem Gefälle, eher ein wenig auf und ab.

So dauerte es eine ganze Weile – deutlich über eine Stunde – bis wir den Gipfel erreicht hatten. Hier ist er (und wie ihr seht, seht ihr nichts):

4321m hoch waren wir hier also – leicht zu merken (vier-drei-zwei-eins). Dies ist der Wagagai-Gipfel, der höchste Punkt des Kraterrandes.
Wir sahen keinen Grund, lange auf dem Gipfel zu verweilen, und traten also recht bald den Rückweg an. Auf diesem merkte ich dann allerdings, daß mich der schnelle Höhengewinn doch ziemlich angestrengt hatte. Nur rund 28 Stunden vorher waren wir auf lediglich 1250m Höhe gestartet, in dieser kurzen Zeit also etwa 3100 Höhenmeter aufgestiegen. Praktisch jede Informationsquelle zum Thema “Höhenkrankheit” sagt euch, daß man so etwas nicht tun soll. Und so war es auch für einen zähen Hund wie mich schon nahe der Grenze dessen, was ich mir noch schadlos zumuten kann. Die Ranger sagten mir: “Normalerweise lassen wir unsere Gäste nicht so schnell aufsteigen, sondern planen zwei Übernachtungen vor der Gipfelbesteigung ein; aber du hattest es ja so eilig und hast gesagt, du schaffst das.” Nun ja, geschafft habe ich es ja auch, aber empfehlen würde ich das nur Bergkamerad/innen, die Erfahrung mit solchen Höhen haben und recht genau wissen, was sie sich zumuten können. Weitere 100-200 Höhenmeter hätte ich wohl noch aufsteigen können, aber noch weitere 500m hätten mich in die Bredouille gebracht. Da mein Gefühl der Ermattung aber in erster Linie höhenbedingt war, verschwand es auch mehr und mehr mit dem Wiederabstieg – wie angenehm!
Wie zum Hohn rissen dann auf dem Rückweg auf einmal die Wolken auf, und die Sonne schien so kräftig, daß ich nach einer Stunde einen schönen Sonnenbrand auf beiden Handrücken hatte; denn ich hatte am Morgen fahrlässigerweise meinen Sonnenschutz im Camp gelassen.

Als wir wieder am Mude Cave Camp ankamen, war das Huhn nicht mehr am Leben. Seine Teile brutzelten, auf Spieße gesteckt, an den Seiten des Feuers. Der Hauptteil des Abendessens bestand zwar wieder nur aus Reis und gekochtem Gemüse, aber das für mich reservierte Hühnerbein machte es doch zu einem denkwürdigen Mahl, aus gegebenem Anlaß. Während wir kauend aus der Hüttentür schauten, sahen wir auf einmal draußen einen Duiker (Cephalophus natalensis). Dies ist ein Kleinhirsch, wie ich ihn auf Safaris in Tansania mehrfach gesehen hatte. Er ähnelt einem mitteleuropäischen Reh, ist aber etwas kräftiger und hat kürzere Beine. Dieser Duiker streifte also vor dem Kücheneingang herum und wußte offensichtlich, daß es hier hin und wieder saftige Gemüsereste gab (eine Leckerei in der Hochgebirgsheide).
Wir quatschten noch ein wenig, aber ich hatte keine große Lust, lange in der verräucherten Küchenhütte zu sitzen, und verzog mich deswegen bald in die Gästehütte zum wohlverdienten Schlaf.
Tag 3: Caldera und Traverse – die Rosinen des Kuchens
Der dritte Tag meines kleinen Treks begann mit Sonnenschein (und blieb es auch bis zum Nachmittag, wenn ich das vorweg nehmen darf). „Angenehm“ sagten die Ranger „denn heute haben wir einen langen Weg vor uns, rund 20km“.


Kurz gesagt, führte die Route wieder auf den Rand der Caldera (allerdings an einer anderen Stelle) und dann in einer Art von Traverse in Richtung Nordwesten. Es stellte sich jedoch heraus, daß dies leichter angekündigt als gewandert war. Aber der Reihe nach:
Zunächst folgten wir über eine halbe Stunde lang dem Pfad zum Jackson Pool, also dem Weg des Vortages.

Dann aber bogen wir von jenem Pfad nach links ab und betraten Neuland. Die Vegetation war allerdings – wenig überraschend – mehr oder minder dieselbe Hochgebirgsheide wie am Vortag.




Der Blick nach Westen zeigte das insgesamt sehr geringe Gefälle der Berghänge (fast möchte man „Hänge“ in Anführungsstriche setzen) und die sanften Formen, die durch Millionen Jahre Erosion gebildet worden sind.

Dann ging es weiter durch die Dendrosenocio-Bestände.

Übrigens hatte jeder der drei Ranger stets seine Knarre bei sich. „Wozu?“ fragte ich sie, „Gibt es hier gefährliche Tiere?“ – „Nein.“ – „Räuber?“ – „Auch nicht.“ - „Also wozu braucht ihr dann die Knarren?“ – „Als Ranger sind wir berechtigt, eine Schußwaffe zu tragen; also tragen wir sie“. – Hmmm, auch eine Logik.
Wenn man sich einen sonnigen Rastplatz mit schöner Aussicht in herrlicher Berglandschaft wünscht, dann kann es eigentlich nicht mehr viel besser kommen als so:


Dies genossen wir auch eine Weile, bevor wir weiter marschierten in Richtung Krater- bzw. Caldera-Rand. Am Weg lag ein natürlicher Unterstand.

„Hier haben früher die Schmuggler gerne gerastet“ sagten mir die Rangers. „Ach ja, gab es hier in dieser unwegsamen Gegend Schmuggler?“ – „Na klar!“ – „Was wurden denn hier so geschmuggelt?“ – „Von Uganda nach Kenia wurde Kaffee geschmuggelt“. – „Huh? In Kenia haben sie doch selber reichlich Kaffee.“ – „Das schon, aber der Preis war deutlich höher.“ – „Und von Kenia nach Uganda, wurde da auch geschmuggelt?“ – „Na klar!“ – „Was denn?“ – „Na, Dinge die es früher, so in den Siebzigerjahren, in Uganda nicht gab.“ – „Zum Beispiel?“ – „Zum Beispiel Matratzen“. – Was??? Da rennt einer zig Kilometer über einen 4000m hohen Berg mit einem Packen Matratzen auf dem Kopf??? Dinge gibt´s, die gibt´s gar nicht...
Dergestalt plaudernd wanderten wir weiter durch die Heide.

Am späten Vormittag näherten wir uns dann dem Caldera-Rand, der auf dem folgenden Foto mit dem Horizont zusammen fällt:

Der normale weitere Weg zum Kajeri River Camp, unserem heutigen Tagesziel, biegt hier nach Nordwesten ab. Auf meine ausdrückliche Bitte hin begleiteten mich meine Führer aber weiter nach Südosten bis zu einem Punkt, von dem aus man in die Caldera blicken kann. Der Träger und der Koch allerdings schenkten sich diesen Abstecher selbstredend. – Und hier ist er, der Blick in die Elgon-Caldera, eine der größten der Welt:

Die Berge im Hintergrund liegen schon auf dem Gebiet Kenias. Ihr seht übrigens auch, daß der Kraterboden keineswegs eben ist, auch nicht annähernd. Der Boden des Ngorongoro-Kraters (einer anderen Caldera) hingegen ist fast eben. Warum dieser Unterschied? Die mir am plausibelsten erscheinende Erklärung ist, daß die – geologisch sehr viel älteren – Wände der Elgon-Caldera im Laufe der Jahrmillionen abgetragen wurden und sich mittlerweile verwandelt haben in die sanften Hänge, die ihr auf obigem Bild seht.
Danach kehrten wir auf die „Normalroute“ zurück und wanderten weiter in Richtung Kajeri River Camp. Es ist eine wunderschöne Landschaft, und im Vergleich zu den Haupt-Wanderrouten der Alpen und Nepals einfach herrlich menschenleer. Seit unserem Abmarsch vor zwei Tagen hatten wir niemanden mehr getroffen; der ganze Berg mitsamt Pflanzen, Vögeln und Insekten gehörte uns ganz allein. Die Ursprünglichkeit des Terrains äußert sich aber eben auch darin, daß die Wanderrouten nur Trampelpfade ohne jede Markierung sind und keiner der Abzweige irgendwie gekennzeichnet ist. Man muß eben genau wissen, wo es lang geht; denn fragen kann man hier oben ja auch niemanden. So kapierte ich dann, warum sich ein weniger erfahrener Ranger uns angeschlossen hatte: er wollte von seinen Kollegen lernen, wo der Weg geht. Sich dort oben zu verlaufen, kann wohl sehr unangenehm werden.

Irgendwo da oben machten wir auch noch einmal kurz Rast und schauten uns um. Auf dem folgenden Foto seht ihr nicht nur die felsig-urwüchsige Landschaft sondern auch (ganz rechts oben am Horizont) einen Hirsch.

Der „Hirsch“ stellte sich im Fernglas aber als optische Täuschung heraus; es ist einfach nur ein Baum oder Gebüsch, das in dieser merkwürdigen Form gewachsen ist:

Wie ich oben schon sagte, ist die „Traverse“ nicht so leicht, wie es sich anhört; und dies liegt daran, daß man rund ein halbes Dutzend größerer und kleinerer Täler queren muß. Das sind dann jedes Mal 100-200 Höhenmeter Abstieg und Wiederaufstieg, und dies summiert sich, zusätzlich zur horizontalen Entfernung, zu einer Tagesetappe, die nicht ganz „ohne“ ist – schließlich ist man ja dort auf rund 3500m Höhe, und da fühlen sich 1000m Höhenunterschied schon ganz anders an als im Schwarzwald.

Dennoch wird der Wanderer durch die herb-wilde Schönheit der Hochgebirgslandschaft und der Heide reichlich entschädigt. Für mich war es ein wahr gewordener Traum, hier hindurch zu wandern.


Am mittleren Nachmittag näherten wir uns dem Kajeri River, der in dieser Gegend auch einen Wasserfall bildet:

Ein Regenbogen ist wohl aus der Entfernung schön anzusehen, aber er heißt natürlich nicht ohne Grund REGENbogen, wie wir wenig später bestätigen konnten.
Nichtsdestotrotz waren wir genügend lange vor Einbruch der Dunkelheit an unserem Tagesziel. Hier gab es 2014 noch keine Gästehütte der oben beschriebenen Art, und so hatte der Träger für mich ein Zelt hierher geschleppt. Dieses brauchte ich aber nur für diese eine Nacht. Die Nationalparkverwaltung plante damals, auch hier eine Gästehütte zu errichten, und mag diesen Plan mittlerweile in die Tat umgesetzt haben.

Die wohlige Müdigkeit nach einem langen Wandertag ließ mich nach dem Abendessen schnell einschlafen.
Tag 4: Der Beginn des Abstiegs – und ein Beinahe-Unglück
Der Morgen des vierten Trekkingtages grüßte uns wiederum mit Sonnenschein, und nach einem raschen Frühstück betraten wir den Bergwald.

Diesen verließen wir aber bald wieder und erreichten eine eher savannen-ähnliche Landschaft.

Am Pfad entlang blühten u. a. wilde Gladiolen:

Mein Träger und unser Koch waren später als ich vom Kajeri River Camp gestartet, aber überholten uns trotzdem unterwegs. Diese Kerle sind natürlich durchtrainiert.

Nach etwa zwei Stunden war es aber auch mit dieser „Savanne“ wieder vorbei, und wir kamen zurück in den Wald, der durchaus schön aussieht:


Wir gingen so gemütlich durch den Wald und dachten an nichts Böses – da geschah es: auf einmal, knapp hinter uns, das krachende Geräusch brechenden Holzes, dann eine Sekunde Stille, und dann ein dumpfer Knall, wie der Aufprall eines schweren Gegenstandes auf dem Waldboden. Wir drehten uns um und kriegten weiche Knie: von einem großen Baum war ein gewaltiger Ast abgebrochen, wohl 20cm dick und 4m lang, sicher weit über einen Zentner schwer, und dieser Ast war der Länge nach auf unseren Pfad geknallt, genau dort, wo wir nur Sekunden vorher noch gegangen waren. Dieses Riesentrumm hätte jeden von uns erschlagen oder zumindest schlimm verletzen können. Einen Augenblick dachte ich daran, die paar Schritte zurück zu gehen und das Ding zwecks Dokumentation zu fotografieren, aber dann waren wir uns doch alle stumm einig: nur schnell weg von hier! – Das war also um Haaresbreite gerade noch einmal gut gegangen. Anderenfalls könntet ihr womöglich anstelle dieses Berichts einen Nachruf lesen.
Auch auf dieser Etappe gab es einige Täler zu kreuzen und Flüsse zu überqueren; hier zum Beispiel der Sipi River, der am Westrand des Nationalparks einen bekannten, großen Wasserfall bildet:

Wie ihr seht, war da ein alter Steg gewesen, und als der morsch geworden war, hat man einen neuen Steg einfach darüber gebaut.
Unser Tagesziel war die Tutum-Höhle; auf dem folgenden Foto seht ihr sie (einer der Ranger geht gerade hinein, so daß ihr einen Größenvergleich habt). „Tutum“ heißt in der Regionalsprache „tanzen“, wurde mir erklärt; und der Name deutet auf die frühere Nutzung der Höhle für Festzwecke (vor allem Initiierungs-Feierlichkeiten für Jünglinge) hin.

Tja, und gleich neben dieser Höhle ist wieder ein Camp mit einer Gästehütte der schon beschriebenen Bauform.

Diese spezielle Gästehütte hat allerdings eine Besonderheit: aus irgendeiner Dusseligkeit steht sie etwa 5% aus dem Lot, heißt: der Fußboden hat schätzungsweise 5% Gefälle (und die auf ihm stehenden Holzpritschen damit natürlich auch, entweder in Längs- oder in Querrichtung). Dies störte meinen Schlaf ein wenig, aber eben nur ein wenig.
Tag 5: Der grüne Tunnel – und ein Bett am Abend
Der folgende Tag begann mit einem unspektakulären Frühstück (Reis und gekochtes Gemüse, vermutlich die Reste des Abendessens vom Vortag), dann brachen wir zur letzten Etappe auf. Die Route dieses Tages führte ganz und gar durch mehr oder weniger hohen bzw. dichten Wald, meist mit recht viel Unterwuchs, so daß der Weg weitgehend den Charakter eines grünen Tunnels hatte. Der Schatten des Waldes verhindert auch, daß die nasse Oberfläche des Weges abtrocknet, und damit waren wir wieder da, wo wir am ersten Tag schon gewesen waren: im Dreck. Recht lange und langweilig ging es so dahin. Dann aber gab es eine Überraschung: es begegneten uns zwei andere Trekker, ein spanisches Paar, das aber nur – ohne Begleittruppe – einen Tagesausflug zur Tutum-Höhle machte. Das waren also, nach rund 80km Wegstrecke, die ersten anderen Menschen, die wir auf dem Trek sahen (und es sollten auch die einzigen bleiben).
Bereits zur späten Mittagszeit erreichten wir dann das Forest Exploration Centre der Uganda Wildlife Authority. Welchen Forschungszwecken auch immer es primär dienen mag, für uns war es die Rückkehr zur Zivilisation, wenn auch auf bescheidenem Niveau.

Zwar darf man sich nicht allzu viel erwarten, aber es gab doch kühles Bier und Cola, und ich gab selbstredend eine Runde aus.

Es gab auch eine Garküche, die uns mit einem einfachen Mittagessen versorgte, und so waren wir zufrieden. Zur Übernachtung konnte ich eine kleine Holzhütte mit einem richtigen Bett und einer Dusche beziehen, und beides war nach fünf Tagen durchaus willkommen.
Tag 6: Ausklang und Rückkehr nach Kampala
Von meiner Begleittruppe waren alle bis auf einen schon am Vortag wieder nach Budadiri zurückgekehrt. Nur Andrew führte mich am sechsten und letzten Tag von besagtem Forest Exploration Centre zurück an die Hauptstraße, wo ich an einem vorher verabredeten Punkt von „meinem“ Auto aufgesammelt und wieder nach Kampala zurück gebracht werden sollte. Auf dem Weg dorthin machten wir noch einen kleinen Abstecher zu dem relativ bekannten Sipi-Wasserfall; dieser ist im Nachmittagslicht eines sonnigen Tages durchaus fotogen, im Gegenlicht eines eher trüben Morgens allerdings nicht so sehr, so daß ich darauf verzichte, hier mein eigenes Foto einzustellen. Ihr findet schönere Fotos im Internet (braucht nur nach Bildern vom „Mount Elgon National Park“ zu googeln).
Danach holte mich in der Tat das vorbestellte Auto an der Hauptstraße ab, und so war ich, wie geplant, am Abend wieder in Kampala und am darauf folgenden Morgen zu einer Besprechung beim Kunden.
Zusammenfassung und Epilog
Ich fand diesen Fünf-Tage-Trek insgesamt sehr lohnend, und meine Fotos aus den höheren Lagen haben euch hoffentlich zeigen können warum: diese großartige und einzigartige Landschaft, diese Ursprünglichkeit und Einsamkeit – die sind schon toll, und davon gibt es gar nicht mehr so viel auf der Welt.
Allerdings finde ich, der Elgon ist ein „Entweder-Oder-Berg“, was bedeuten soll: entweder geht man ihn an mit dem festen Willen (und natürlich auch allen anderen Voraussetzungen), bis zum Gipfel oder mindestens auf rund 3700m Höhe vorzudringen und dort einige Tage zu verbringen, oder man läßt es gleich ganz bleiben. Ein Plan der Art „Jetzt fahren wir erst einmal hin und schauen, und – wer weiß? – vielleicht machen wir eine kleine Tageswanderung“ wird zu keinem befriedigenden Erlebnis führen; dann hat man nur den Dreck gesehen und das wirklich Schöne verpaßt. So kann man vielleicht nach Tirol reisen, aber nicht zum Elgon.
Die fünf Tage, die ich für meinen Trek angesetzt hatte, sind wohl das Minimum an Zeit, das man dort verbringen sollte. Sieben Tage sind besser, und ich wollte im Nachhinein, ich hätte das gemacht.
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Nachtrag Januar 2019. - Diesen Reisebericht könnt ihr nun auch als druckerfreundliche PDF-Datei herunter laden: hier klicken

Eine großartige Fünf-Tage-Wanderung durch ein einsames Bergmassiv in Ostfafrika, wo (noch) kein Massentourismus herrscht und markierte Wanderwege unbekannt sind.
Prolog
Im Spätherbst 2014 war ich einmal wieder in Ostafrika, bei dieser Gelegenheit auch erstmals in Uganda. Mein Aufenthalt war in erster Linie beruflich bedingt, aber ich hatte mir einen Plan B zurecht gelegt, für den Fall, daß ich etwas Zeit für einen Trek abzweigen könnte. Und wie es der glückliche Zufall wollte, trat dieses letztlich auch ein. So kann ich euch hier nun berichten von meinem Trek durch das Elgon-Massiv, das zu beiden Seiten der ugandisch-kenianischen Grenze liegt. Meine vorauf gegangenen Internet-Recherchen hatten keinen einigermaßen informativen Bericht oder viele brauchbare Informationen zutage gefördert, und auch meine Suche nach einer Vertrauen erweckenden Trekkingagentur erschien mir wie eine Tombola.
Eines aber ist sicher: der Elgon ist einer größten, wenn nicht sogar DER größte Vulkan der Welt. Dabei bezieht sich „groß“ auf die Fläche, die der Berg bedeckt. ugandawildlife(dot)org und andere Quellen sprechen von rund 3.500-4.000 Quadrat-Kilometern. Leute: das ist weit größer als ganz Vorarlberg (2.600 Quadrat-Kilometer) !! Von seiner Höhe her (mit „nur“ 4321m) ist der Elgon im weltweiten Kontext aber lediglich Mittelmaß, und viele andere Vulkane sind weit höher, einschl. des relativ nahe gelegenen Kilimanjaro. Und warum bedeckt er dann so eine riesige Fläche? Das hat zwei Gründe: erstens war er vor Millionen von Jahren in der Tat weit höher als heute, wahrscheinlich weit über 6000m. Sein seinerzeitiger Gipfel war dort, wo jetzt nur noch ein riesiger Krater, eine sogenannte Caldera, zu sehen ist. Zweitens wurde der Elgon, ein Vulkan aus der Tertiärzeit, aus relativ dünnflüssiger Lava gebildet, welche sich – fast wie Pfannkuchenteig – großflächig ausgebreitet hat, ohne allzu steile Hänge zu bilden. So erstreckte sich auch meine Trekkingroute über schätzungsweise knapp 100km. Fünf Tage brauchte ich dafür. Ihr seht meine Route auf dem folgenden Satellitenbild, beginnend im Westen (also Aufstieg über den "Sasa Trail") und endend im Nordwesten (also Abstieg über den "Sipi Trail"). Die gelbe Linie ist übrigens die Grenze zwischen Uganda im Nordwesten und Kenia im Südosten.

Wie es meine Art und mein Anliegen ist, mache ich in meinem Bericht hier auch ein paar kleine Anmerkungen zur Geologie und Geographie des Elgon-Massivs sowie zu seiner Pflanzen- und Tierwelt. Weil dort nur wenige Trekker hinkommen und kaum einer von ihnen viel darüber berichtet hat, kann ich so vielleicht eine Lücke füllen (jedenfalls im Rahmen dieses Forums).
Tag 0: Anreise von Kampala – und schon die ersten kleinen Malheure
Tag Null war die Autofahrt von Kampala über Mbale nach Budadiri; ersteres ist die Hauptstadt von Uganda, letzteres der Ausgangspunkt für den Trek, am West-Rand des Elgon-Massivs gelegen. Das hört sich so einfach an; es war aber doch eine ziemlich lange Strecke. Verlängert wurde die Fahrt erstens durch die Verkehrs-Verstopfungen in Kampala und zweitens dadurch, daß unser Fahrer sich verfranzte. Er wollte eine Abkürzung nach Mbale nehmen (das hatte ihm ein Freund empfohlen und ihm dazu ein handtellergroßes Landkärtchen gezeichnet); er bog aber zu früh ab, und wir endeten auf einer schlagloch-übersäten Straße ins Nirgendwo. Außerdem waren wir immer noch auf der falschen (also westlichen) Seite des Nils. Ergo: wieder zurück zur Hauptstraße – außer Zeitverschwendung nichts gewesen.
Die Hauptstraße (sie verbindet Kampala mit Kenia und damit eben auch mit den dortigen Häfen, die das Tor zur Welt darstellen) quert dann einen Staudamm, der jetzt dort ist, wo bis 1954 die Owen-Wasserfälle gewesen waren. Das ist also die Stelle, wo der Viktoria-Nil den Viktoriasee verläßt, und damit eigentlich die „Quelle“ des Nils, nach der man schon in der Antike so lange gesucht hatte.
Mit einigem Herumeiern kamen wir dann auch in das Städtchen Mbale. Schön ist dieses nicht gerade, aber dort ist eine Station der Uganda Wildlife Authority, wo wir meinen geplanten Besuch das Elgon-Nationalparks anmeldeten. Den weiteren Weg nach Budadiri fanden wir ebenfalls nicht ohne weiteres, denn die direkte Straße war wegen Bauarbeiten gesperrt, und wir mußten uns einen anderen Weg suchen, der uns weitgehend über Erdstraßen führte.
So war es schon Nachmittag, als wir Budadiri erreichten. Meine Unterkunft für eine Nacht war das bescheidene kleine Gästehaus „Rose´s Last Chance“. Dieses heißt so, sagte mir die Besitzerin, weil es die letzte Unterkunft vor dem Nationalpark ist. Die nächste vergleichbare Unterkunft liegt wohl rund 50-70km Luftlinie entfernt irgendwo in Kenia.
Am Spätnachmittag regelte mein Trekkingagent mit den Rangern des Nationalparks in ihrem dortigen kleinen Büro Logistik und Bezahlung für den Trek. Fünf Tage netto wollte ich im Nationalpark unterwegs sein. Drei Ranger sollten mich begleiten (einer davon allerdings nur als „Zuschauer“ bzw. „Lehrling“; denn er kannte sich auf dem Berg noch nicht richtig aus), dazu ein Koch und ein Träger.
Tag 1: Die Schlammschlacht – und eine gelernte Lektion
Früh am kommenden Morgen fuhren wir zunächst mit gemieteten Motorrädern von Budadiri (das auf rund 1250m Höhe liegt) 5km weiter nach Bumasola, das wenigstens schon einmal ca. 500m höher gelegen ist.

Hier begann dann der eigentliche Trek im frischen Licht des frühen Morgens.

Der erste Teil des Weges, noch außerhalb der Grenzen des Nationalparks gelegen, führte durch landwirtschaftliche Nutzflächen, vor allem Zwiebel- und Gemüsefelder.

Dennoch war auch dies schon landschaftlich schön und interessant. Bemerkenswerterweise enden die tertiären Lavaströme vielfach abrupt mit steilen Klippen, wie ihr hier rechts im Bild seht:

Nach einer guten Stunde Fußmarsch erreichten wir die Grenze des Nationalparks, und es war Zeit für eine erste kleine Rast.

Schon hier waren meine Wanderstiefel reichlich eingesaut vom Schlamm der Pfade durch die Felder. Aber es kam noch schlimmer und schlammiger:

„Schuld“ an der Misere war in gewissem Maße ich selber, denn ich war noch vor dem Ende der Regenzeit unterwegs. Allerdings hatte ich aus den oben genannten Gründen eben nur beschränkte Freiheit in der Wahl des Zeitpunkts gehabt. Was auch immer, was hilft´s? Ich mußte weiter, immer weiter, durch immer mehr Dreck, auf den aufgeweichten Pfaden mitunter knöcheltief. Innerlich fluchend folgte ich meiner Truppe und sagte mir, quasi zum Trost, daß solcher Dreck eben zum tropischen Afrika gehört wie Schnee zu Grönland und daß dieser Trek ohne Dreck eben nicht authentisch wäre.
Bald erreichten wir den Wald mit den Riesenfarnen, die für tropische Regenwälder so typisch sind.

Zur Mittagspause trafen wir im Sasa River Camp ein. Hier waren wir bereits 2900m hoch, also schon einmal fast 1200m aufgestiegen.

Das „Camp“ besteht im wesentlichen aus einer Bambushütte, die als Küche und Schlafraum für die Ranger dient, und einer Gästehütte, die nichts weiter ist als ein großes, bis zum Boden reichendes Satteldach aus Wellblech mit zwei Giebelwänden aus Holz. Ach ja, ein paar Plumpsklohäuschen gibt es auch noch. Die Ranger lassen die Mehrzahl der (ohnehin nur wenigen) Trekker hier übernachten, zwecks Akklimatisation. Wir aber marschierten nach dem Mittagessen gleich weiter.

Der Wald wurde mit zunehmender Höhe natürlich immer lichter. Nicht lichter hingegen wurde das Wetter: es regnete.

Auf dem ganzen Weg begleitete uns übrigens ein lebendes Huhn, das die Ranger abwechselnd auf dem Arm trugen und das uns mit gelegentlichem Gackern an seine Anwesenheit erinnerte. Dieses Huhn hatten wir aber nicht zu seiner Unterhaltung mitgenommen, sondern um im Mude Cave Camp die erfolgreiche Gipfelbesteigung feiern zu können. Das war dem Huhn aber wohl nicht klar.
Es mag auf etwa 3100m Höhe gewesen sein, als wir den Nebelwald betraten. Wie in anderen tropischen Nebelwäldern auch (z. B. an den Osthängen der Anden) hingen riesige Flechten von den Bäumen wie Zottelbärte alter Männer.

Nur wenig später war der Nebelwald aber schon wieder zu Ende, und wir betraten eine Vegetation, die man vielleicht als Hochgebirgsheide bezeichnen könnte (richtige Botaniker haben wahrscheinlich einen Fachausdruck dafür, aber ich bin kein richtiger Botaniker – pardon!).

Hier passierten wir auch die „Patrol Hut“ der Nationalparkverwaltung, wo die Papiere kontrolliert werden. Da meine Begleiter ja aber von der Nationalparkverwaltung selber waren, hatten sie selbstverständlich alles im Griff.
Im Spätnachmittagslicht erreichten wir dann das Mude Cave Camp auf ca. 3500m Höhe. Es ist umgeben von niedrigen Bäumen und genauso spärlich ausgestattet, wie ich es oben vom Sasa River Camp beschrieben habe. Hier ist „Hütte“ nicht, wie in den Alpen, ein zünftig-kernig klingendes anderes Wort für „Hotel“, sondern beschreibt den ärmlichen Zustand ziemlich korrekt.


Während der Koch das Abendessen zubereitete, hatte ich Zeit, in der Gästehütte meinen Schlafplatz herzurichten und den Tag Revue passieren zu lassen. Meine Wanderstiefel waren bis zu den Knöcheln völlig verdreckt von Schlamm, und meine Socken waren feucht geworden. Die Ranger hatten alle Gummistiefel an, und das wohl nicht nur, weil Gummistiefel billiger sind als gute Wanderstiefel aus Deutschland. Im Nachhinein wußte ich also, daß ich mit Gummistiefeln wohl besser bedient gewesen wäre. Naja – nächstes Mal sind wir gescheiter.
Tag 2: Der Gipfel – und ein wenig Selbstkritik
Am Tag 2 brachen wir ohne übermäßige Eile morgens vom Mude Cave Camp in Richtung Gipfel auf. Über 800 Höhenmeter Aufstieg sollten das werden (und natürlich Wiederabstieg zum Camp). Die merkwürdigen Pflanzen, die wir schon am Ende des ersten Tages gesehen hatten, waren hier sehr zahlreich. Es handelt sich um die Dendrosenocio elgonensis, und wie ihr aus dem zweiten Teil des Namens erahnen könnt, ist diese Pflanze im Elgon-Massiv heimisch, eigentlich sogar endemisch (also NUR hier beheimatet). Sie hat einen faserigen “Stamm” (nicht aus richtigem Holz wie ein Baum) und kann bis zu 200 Jahre alt werden.

Hier seht ihr in Bildmitte rechts einen Red Hot Poker (eine Spezies aus der Familie der Kniphofia) und links davon eine Lobelia elgonensis. Keine von beiden ist ähnlich langlebig wie die Dendrosenocio; nach ein paar Monaten ist es vorbei mit der Herrlichkeit. – Die Wolken, die ihr im Hintergrund des Fotos seht, signalisierten uns schon beim Aufstieg, daß wir am Gipfel wohl nicht viel Aussicht haben würden.

Hier noch einmal ein Blick über diese wunderbare Hochgebirgsheide, die in Höhen über 3800m anzutreffen ist.

Auf dem Pfad bemerkte ich immer wieder die Losung von Tieren, die offenbar nicht ganz klein waren. Sah aus wie der Kot großer Hunde. Die Ranger belehrten mich, daß diese Losung von katzenartigen Tieren stamme, die aber so groß wie Hunde seien. Jene Tiere, sagten die Ranger, wären nur nachtaktiv und tagsüber nicht zu sehen. Ihre Losung diene auch der Markierung ihres Territoriums, und deswegen legten sie diese ganz bewußt an wenig bewachsenen und gut sichtbaren Stellen ab, z. B. eben auf dem Trekkingpfad. Es mag sich wohl um die Afrikanische Zibetkatze (Civettictis civetta) handeln (diese "Diagnose" dämmerte mir allerdings nicht bei dieser Tour auf den Elgon, sondern erst 2017 bei meinem Trek auf dem Mulanje in Malawi, siehe hier).
Dergestalt plaudernd erreichten wir den Jackson Pool, laut Schild auf 4050m Höhe.

Benannt ist dieser Tümpel (wie auch der nahe gelegene Jackson Peak) nach einem Briten, der Ende des 19. Jahrhunderts das Elgon-Massiv erforscht hat.
Von hier aus stiegen wir weiter auf, immer noch durch diese Hochgebirgsheide mit zahlreichen Exemplaren der Dendrosenocio und mit Blumen, die wie Trockenblumen aussahen.

Es hatte selbstredend seinen guten Grund, daß Andrew und Chris ihre Regenponchos trugen.

Vom Jackson Pool ging es eine kleine Weile bergauf, aber dann die meiste Zeit auf dem Rand der Caldera entlang, also mit nur geringem Gefälle, eher ein wenig auf und ab.

So dauerte es eine ganze Weile – deutlich über eine Stunde – bis wir den Gipfel erreicht hatten. Hier ist er (und wie ihr seht, seht ihr nichts):

4321m hoch waren wir hier also – leicht zu merken (vier-drei-zwei-eins). Dies ist der Wagagai-Gipfel, der höchste Punkt des Kraterrandes.
Wir sahen keinen Grund, lange auf dem Gipfel zu verweilen, und traten also recht bald den Rückweg an. Auf diesem merkte ich dann allerdings, daß mich der schnelle Höhengewinn doch ziemlich angestrengt hatte. Nur rund 28 Stunden vorher waren wir auf lediglich 1250m Höhe gestartet, in dieser kurzen Zeit also etwa 3100 Höhenmeter aufgestiegen. Praktisch jede Informationsquelle zum Thema “Höhenkrankheit” sagt euch, daß man so etwas nicht tun soll. Und so war es auch für einen zähen Hund wie mich schon nahe der Grenze dessen, was ich mir noch schadlos zumuten kann. Die Ranger sagten mir: “Normalerweise lassen wir unsere Gäste nicht so schnell aufsteigen, sondern planen zwei Übernachtungen vor der Gipfelbesteigung ein; aber du hattest es ja so eilig und hast gesagt, du schaffst das.” Nun ja, geschafft habe ich es ja auch, aber empfehlen würde ich das nur Bergkamerad/innen, die Erfahrung mit solchen Höhen haben und recht genau wissen, was sie sich zumuten können. Weitere 100-200 Höhenmeter hätte ich wohl noch aufsteigen können, aber noch weitere 500m hätten mich in die Bredouille gebracht. Da mein Gefühl der Ermattung aber in erster Linie höhenbedingt war, verschwand es auch mehr und mehr mit dem Wiederabstieg – wie angenehm!
Wie zum Hohn rissen dann auf dem Rückweg auf einmal die Wolken auf, und die Sonne schien so kräftig, daß ich nach einer Stunde einen schönen Sonnenbrand auf beiden Handrücken hatte; denn ich hatte am Morgen fahrlässigerweise meinen Sonnenschutz im Camp gelassen.

Als wir wieder am Mude Cave Camp ankamen, war das Huhn nicht mehr am Leben. Seine Teile brutzelten, auf Spieße gesteckt, an den Seiten des Feuers. Der Hauptteil des Abendessens bestand zwar wieder nur aus Reis und gekochtem Gemüse, aber das für mich reservierte Hühnerbein machte es doch zu einem denkwürdigen Mahl, aus gegebenem Anlaß. Während wir kauend aus der Hüttentür schauten, sahen wir auf einmal draußen einen Duiker (Cephalophus natalensis). Dies ist ein Kleinhirsch, wie ich ihn auf Safaris in Tansania mehrfach gesehen hatte. Er ähnelt einem mitteleuropäischen Reh, ist aber etwas kräftiger und hat kürzere Beine. Dieser Duiker streifte also vor dem Kücheneingang herum und wußte offensichtlich, daß es hier hin und wieder saftige Gemüsereste gab (eine Leckerei in der Hochgebirgsheide).
Wir quatschten noch ein wenig, aber ich hatte keine große Lust, lange in der verräucherten Küchenhütte zu sitzen, und verzog mich deswegen bald in die Gästehütte zum wohlverdienten Schlaf.
Tag 3: Caldera und Traverse – die Rosinen des Kuchens
Der dritte Tag meines kleinen Treks begann mit Sonnenschein (und blieb es auch bis zum Nachmittag, wenn ich das vorweg nehmen darf). „Angenehm“ sagten die Ranger „denn heute haben wir einen langen Weg vor uns, rund 20km“.


Kurz gesagt, führte die Route wieder auf den Rand der Caldera (allerdings an einer anderen Stelle) und dann in einer Art von Traverse in Richtung Nordwesten. Es stellte sich jedoch heraus, daß dies leichter angekündigt als gewandert war. Aber der Reihe nach:
Zunächst folgten wir über eine halbe Stunde lang dem Pfad zum Jackson Pool, also dem Weg des Vortages.

Dann aber bogen wir von jenem Pfad nach links ab und betraten Neuland. Die Vegetation war allerdings – wenig überraschend – mehr oder minder dieselbe Hochgebirgsheide wie am Vortag.




Der Blick nach Westen zeigte das insgesamt sehr geringe Gefälle der Berghänge (fast möchte man „Hänge“ in Anführungsstriche setzen) und die sanften Formen, die durch Millionen Jahre Erosion gebildet worden sind.

Dann ging es weiter durch die Dendrosenocio-Bestände.

Übrigens hatte jeder der drei Ranger stets seine Knarre bei sich. „Wozu?“ fragte ich sie, „Gibt es hier gefährliche Tiere?“ – „Nein.“ – „Räuber?“ – „Auch nicht.“ - „Also wozu braucht ihr dann die Knarren?“ – „Als Ranger sind wir berechtigt, eine Schußwaffe zu tragen; also tragen wir sie“. – Hmmm, auch eine Logik.
Wenn man sich einen sonnigen Rastplatz mit schöner Aussicht in herrlicher Berglandschaft wünscht, dann kann es eigentlich nicht mehr viel besser kommen als so:


Dies genossen wir auch eine Weile, bevor wir weiter marschierten in Richtung Krater- bzw. Caldera-Rand. Am Weg lag ein natürlicher Unterstand.

„Hier haben früher die Schmuggler gerne gerastet“ sagten mir die Rangers. „Ach ja, gab es hier in dieser unwegsamen Gegend Schmuggler?“ – „Na klar!“ – „Was wurden denn hier so geschmuggelt?“ – „Von Uganda nach Kenia wurde Kaffee geschmuggelt“. – „Huh? In Kenia haben sie doch selber reichlich Kaffee.“ – „Das schon, aber der Preis war deutlich höher.“ – „Und von Kenia nach Uganda, wurde da auch geschmuggelt?“ – „Na klar!“ – „Was denn?“ – „Na, Dinge die es früher, so in den Siebzigerjahren, in Uganda nicht gab.“ – „Zum Beispiel?“ – „Zum Beispiel Matratzen“. – Was??? Da rennt einer zig Kilometer über einen 4000m hohen Berg mit einem Packen Matratzen auf dem Kopf??? Dinge gibt´s, die gibt´s gar nicht...
Dergestalt plaudernd wanderten wir weiter durch die Heide.

Am späten Vormittag näherten wir uns dann dem Caldera-Rand, der auf dem folgenden Foto mit dem Horizont zusammen fällt:

Der normale weitere Weg zum Kajeri River Camp, unserem heutigen Tagesziel, biegt hier nach Nordwesten ab. Auf meine ausdrückliche Bitte hin begleiteten mich meine Führer aber weiter nach Südosten bis zu einem Punkt, von dem aus man in die Caldera blicken kann. Der Träger und der Koch allerdings schenkten sich diesen Abstecher selbstredend. – Und hier ist er, der Blick in die Elgon-Caldera, eine der größten der Welt:

Die Berge im Hintergrund liegen schon auf dem Gebiet Kenias. Ihr seht übrigens auch, daß der Kraterboden keineswegs eben ist, auch nicht annähernd. Der Boden des Ngorongoro-Kraters (einer anderen Caldera) hingegen ist fast eben. Warum dieser Unterschied? Die mir am plausibelsten erscheinende Erklärung ist, daß die – geologisch sehr viel älteren – Wände der Elgon-Caldera im Laufe der Jahrmillionen abgetragen wurden und sich mittlerweile verwandelt haben in die sanften Hänge, die ihr auf obigem Bild seht.
Danach kehrten wir auf die „Normalroute“ zurück und wanderten weiter in Richtung Kajeri River Camp. Es ist eine wunderschöne Landschaft, und im Vergleich zu den Haupt-Wanderrouten der Alpen und Nepals einfach herrlich menschenleer. Seit unserem Abmarsch vor zwei Tagen hatten wir niemanden mehr getroffen; der ganze Berg mitsamt Pflanzen, Vögeln und Insekten gehörte uns ganz allein. Die Ursprünglichkeit des Terrains äußert sich aber eben auch darin, daß die Wanderrouten nur Trampelpfade ohne jede Markierung sind und keiner der Abzweige irgendwie gekennzeichnet ist. Man muß eben genau wissen, wo es lang geht; denn fragen kann man hier oben ja auch niemanden. So kapierte ich dann, warum sich ein weniger erfahrener Ranger uns angeschlossen hatte: er wollte von seinen Kollegen lernen, wo der Weg geht. Sich dort oben zu verlaufen, kann wohl sehr unangenehm werden.

Irgendwo da oben machten wir auch noch einmal kurz Rast und schauten uns um. Auf dem folgenden Foto seht ihr nicht nur die felsig-urwüchsige Landschaft sondern auch (ganz rechts oben am Horizont) einen Hirsch.

Der „Hirsch“ stellte sich im Fernglas aber als optische Täuschung heraus; es ist einfach nur ein Baum oder Gebüsch, das in dieser merkwürdigen Form gewachsen ist:

Wie ich oben schon sagte, ist die „Traverse“ nicht so leicht, wie es sich anhört; und dies liegt daran, daß man rund ein halbes Dutzend größerer und kleinerer Täler queren muß. Das sind dann jedes Mal 100-200 Höhenmeter Abstieg und Wiederaufstieg, und dies summiert sich, zusätzlich zur horizontalen Entfernung, zu einer Tagesetappe, die nicht ganz „ohne“ ist – schließlich ist man ja dort auf rund 3500m Höhe, und da fühlen sich 1000m Höhenunterschied schon ganz anders an als im Schwarzwald.

Dennoch wird der Wanderer durch die herb-wilde Schönheit der Hochgebirgslandschaft und der Heide reichlich entschädigt. Für mich war es ein wahr gewordener Traum, hier hindurch zu wandern.


Am mittleren Nachmittag näherten wir uns dem Kajeri River, der in dieser Gegend auch einen Wasserfall bildet:

Ein Regenbogen ist wohl aus der Entfernung schön anzusehen, aber er heißt natürlich nicht ohne Grund REGENbogen, wie wir wenig später bestätigen konnten.
Nichtsdestotrotz waren wir genügend lange vor Einbruch der Dunkelheit an unserem Tagesziel. Hier gab es 2014 noch keine Gästehütte der oben beschriebenen Art, und so hatte der Träger für mich ein Zelt hierher geschleppt. Dieses brauchte ich aber nur für diese eine Nacht. Die Nationalparkverwaltung plante damals, auch hier eine Gästehütte zu errichten, und mag diesen Plan mittlerweile in die Tat umgesetzt haben.

Die wohlige Müdigkeit nach einem langen Wandertag ließ mich nach dem Abendessen schnell einschlafen.
Tag 4: Der Beginn des Abstiegs – und ein Beinahe-Unglück
Der Morgen des vierten Trekkingtages grüßte uns wiederum mit Sonnenschein, und nach einem raschen Frühstück betraten wir den Bergwald.

Diesen verließen wir aber bald wieder und erreichten eine eher savannen-ähnliche Landschaft.

Am Pfad entlang blühten u. a. wilde Gladiolen:

Mein Träger und unser Koch waren später als ich vom Kajeri River Camp gestartet, aber überholten uns trotzdem unterwegs. Diese Kerle sind natürlich durchtrainiert.

Nach etwa zwei Stunden war es aber auch mit dieser „Savanne“ wieder vorbei, und wir kamen zurück in den Wald, der durchaus schön aussieht:


Wir gingen so gemütlich durch den Wald und dachten an nichts Böses – da geschah es: auf einmal, knapp hinter uns, das krachende Geräusch brechenden Holzes, dann eine Sekunde Stille, und dann ein dumpfer Knall, wie der Aufprall eines schweren Gegenstandes auf dem Waldboden. Wir drehten uns um und kriegten weiche Knie: von einem großen Baum war ein gewaltiger Ast abgebrochen, wohl 20cm dick und 4m lang, sicher weit über einen Zentner schwer, und dieser Ast war der Länge nach auf unseren Pfad geknallt, genau dort, wo wir nur Sekunden vorher noch gegangen waren. Dieses Riesentrumm hätte jeden von uns erschlagen oder zumindest schlimm verletzen können. Einen Augenblick dachte ich daran, die paar Schritte zurück zu gehen und das Ding zwecks Dokumentation zu fotografieren, aber dann waren wir uns doch alle stumm einig: nur schnell weg von hier! – Das war also um Haaresbreite gerade noch einmal gut gegangen. Anderenfalls könntet ihr womöglich anstelle dieses Berichts einen Nachruf lesen.
Auch auf dieser Etappe gab es einige Täler zu kreuzen und Flüsse zu überqueren; hier zum Beispiel der Sipi River, der am Westrand des Nationalparks einen bekannten, großen Wasserfall bildet:

Wie ihr seht, war da ein alter Steg gewesen, und als der morsch geworden war, hat man einen neuen Steg einfach darüber gebaut.
Unser Tagesziel war die Tutum-Höhle; auf dem folgenden Foto seht ihr sie (einer der Ranger geht gerade hinein, so daß ihr einen Größenvergleich habt). „Tutum“ heißt in der Regionalsprache „tanzen“, wurde mir erklärt; und der Name deutet auf die frühere Nutzung der Höhle für Festzwecke (vor allem Initiierungs-Feierlichkeiten für Jünglinge) hin.

Tja, und gleich neben dieser Höhle ist wieder ein Camp mit einer Gästehütte der schon beschriebenen Bauform.

Diese spezielle Gästehütte hat allerdings eine Besonderheit: aus irgendeiner Dusseligkeit steht sie etwa 5% aus dem Lot, heißt: der Fußboden hat schätzungsweise 5% Gefälle (und die auf ihm stehenden Holzpritschen damit natürlich auch, entweder in Längs- oder in Querrichtung). Dies störte meinen Schlaf ein wenig, aber eben nur ein wenig.
Tag 5: Der grüne Tunnel – und ein Bett am Abend
Der folgende Tag begann mit einem unspektakulären Frühstück (Reis und gekochtes Gemüse, vermutlich die Reste des Abendessens vom Vortag), dann brachen wir zur letzten Etappe auf. Die Route dieses Tages führte ganz und gar durch mehr oder weniger hohen bzw. dichten Wald, meist mit recht viel Unterwuchs, so daß der Weg weitgehend den Charakter eines grünen Tunnels hatte. Der Schatten des Waldes verhindert auch, daß die nasse Oberfläche des Weges abtrocknet, und damit waren wir wieder da, wo wir am ersten Tag schon gewesen waren: im Dreck. Recht lange und langweilig ging es so dahin. Dann aber gab es eine Überraschung: es begegneten uns zwei andere Trekker, ein spanisches Paar, das aber nur – ohne Begleittruppe – einen Tagesausflug zur Tutum-Höhle machte. Das waren also, nach rund 80km Wegstrecke, die ersten anderen Menschen, die wir auf dem Trek sahen (und es sollten auch die einzigen bleiben).
Bereits zur späten Mittagszeit erreichten wir dann das Forest Exploration Centre der Uganda Wildlife Authority. Welchen Forschungszwecken auch immer es primär dienen mag, für uns war es die Rückkehr zur Zivilisation, wenn auch auf bescheidenem Niveau.

Zwar darf man sich nicht allzu viel erwarten, aber es gab doch kühles Bier und Cola, und ich gab selbstredend eine Runde aus.

Es gab auch eine Garküche, die uns mit einem einfachen Mittagessen versorgte, und so waren wir zufrieden. Zur Übernachtung konnte ich eine kleine Holzhütte mit einem richtigen Bett und einer Dusche beziehen, und beides war nach fünf Tagen durchaus willkommen.
Tag 6: Ausklang und Rückkehr nach Kampala
Von meiner Begleittruppe waren alle bis auf einen schon am Vortag wieder nach Budadiri zurückgekehrt. Nur Andrew führte mich am sechsten und letzten Tag von besagtem Forest Exploration Centre zurück an die Hauptstraße, wo ich an einem vorher verabredeten Punkt von „meinem“ Auto aufgesammelt und wieder nach Kampala zurück gebracht werden sollte. Auf dem Weg dorthin machten wir noch einen kleinen Abstecher zu dem relativ bekannten Sipi-Wasserfall; dieser ist im Nachmittagslicht eines sonnigen Tages durchaus fotogen, im Gegenlicht eines eher trüben Morgens allerdings nicht so sehr, so daß ich darauf verzichte, hier mein eigenes Foto einzustellen. Ihr findet schönere Fotos im Internet (braucht nur nach Bildern vom „Mount Elgon National Park“ zu googeln).
Danach holte mich in der Tat das vorbestellte Auto an der Hauptstraße ab, und so war ich, wie geplant, am Abend wieder in Kampala und am darauf folgenden Morgen zu einer Besprechung beim Kunden.
Zusammenfassung und Epilog
Ich fand diesen Fünf-Tage-Trek insgesamt sehr lohnend, und meine Fotos aus den höheren Lagen haben euch hoffentlich zeigen können warum: diese großartige und einzigartige Landschaft, diese Ursprünglichkeit und Einsamkeit – die sind schon toll, und davon gibt es gar nicht mehr so viel auf der Welt.
Allerdings finde ich, der Elgon ist ein „Entweder-Oder-Berg“, was bedeuten soll: entweder geht man ihn an mit dem festen Willen (und natürlich auch allen anderen Voraussetzungen), bis zum Gipfel oder mindestens auf rund 3700m Höhe vorzudringen und dort einige Tage zu verbringen, oder man läßt es gleich ganz bleiben. Ein Plan der Art „Jetzt fahren wir erst einmal hin und schauen, und – wer weiß? – vielleicht machen wir eine kleine Tageswanderung“ wird zu keinem befriedigenden Erlebnis führen; dann hat man nur den Dreck gesehen und das wirklich Schöne verpaßt. So kann man vielleicht nach Tirol reisen, aber nicht zum Elgon.
Die fünf Tage, die ich für meinen Trek angesetzt hatte, sind wohl das Minimum an Zeit, das man dort verbringen sollte. Sieben Tage sind besser, und ich wollte im Nachhinein, ich hätte das gemacht.
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Nachtrag Januar 2019. - Diesen Reisebericht könnt ihr nun auch als druckerfreundliche PDF-Datei herunter laden: hier klicken
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