[RU] Baikalsee - Frolikha Adventure Coastline Track und Olchon

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    Anfänger im Forum
    • 24.06.2011
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    [RU] Baikalsee - Frolikha Adventure Coastline Track und Olchon

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    Mitreisende
    Russland - Land der Extreme und Widersprüche

    Gleich vorneweg: Schon die Einleitung und Anreise umfasst mehr als ein paar Wörter, allerdings schildere ich meine Eindrücke auch sehr genau, sodass ich hoffe, dass der ein oder andere in unsere Reise und 4-wöchige Wirklichkeit in einer fremden Welt hineinzuziehen ist. Ich habe den Bericht nicht nur speziell für das Forum verfasst, sondern eigentlich hauptsächlich für mich, weil ich einfach Spaß daran habe. Deswegen ist er auch sehr lange geraten. Für alle, die keine 40 Computer-Textseiten lesen wollen, werde ich am Ende eine Zusammenfassung schreiben, mit allen wichtigen Informationen und einem Fazit zur Reise, nach dem 14., 18. und 25. August ein Zwischenfazit.

    Schon seit vielen Jahren machen wir 2-3 wöchige Trekkingreisen und sind dabei durch Schottland, Irland, Schweden (südlicher Kungsleden) und Norwegen (Lofoten und Gebiet um Bodo) gewandert. Wir, das ist eine Gruppe zwischen 3 und 10 jungen Männern aus dem bündischen Umfeld - etwas in der Art von Pfadfindern ;) -, haben dabei beständig unsere Ausrüstung verbessert und Erfahrungen gesammelt, sodass auch unsere Ansprüche gestiegen sind.

    Auf diesen Reisen wurde immer wieder der Baikalsee als Fernziel genannt, auch weil der Bund etwas Russland-affin ist und dieser See zudem mystifiziert wird; auch wir stellten uns relativ unberührte Wildnis vor und träumten von der Ferne.



    Gerade mir war die Vorstellung doch auch irgendwie suspekt, weil ich dachte, dass es schon sehr weit von meiner geliebten Heimat entfernt ist, es in einem Landstrich liegt, von dem ich annahm, dass die Kriminalitätsrate viel höher liegt als in Europa und auch Bären nicht gerade zu meinen bevorzugten Reisepartnern gehören sollen; auch das Vorurteil, dass "der Ivan" an sich einfach nicht zu den nettesten Menschen gehört, konnte ich nicht ganz verleugnen, obwohl ich keineswegs unaufgeschlossen bin. Deswegen überwand ich mich letztendlich auch dazu, all meine Vorbehalte zu vergessen, um die Vorurteile, die ich eigentlich nicht in meinem Kopf haben will, zu widerlegen. Ohne zu viel zu verraten: Dieses Ziel wurde erreicht und alle Hoffnungen übertroffen

    Sobald diese Schwierigkeiten überwunden waren, begannen die Recherchen. Relativ schnell war klar, dass wir den Frolikha Adventure Coastline Track laufen, da wir auch nicht völlig auf einen Weg verzichten wollten, da es uns auch zu hart vorkam, uns weglos ohne einen ortskundigen Guide durch die Taiga zu schlagen. Dieser Weg wurde von Baikalplan e.V., ansässig in Dresden, angelegt und wird bis heute von diesen mit Hilfe Freiwilliger einigermaßen gepflegt. Es gibt da irgendwie ein Projekt, um in ferner Zukunft ein größeres Wanderwegenetz um den Baikalsee herum anzulegen, genauere Infos könnt ihr aber deren Homepage entnehmen . Der Track hat insgesamt so um die 100 km Länge, wobei der Hauptteil von einer Rangerstation bis Khakussy so ungefähr 70km lang ist. Um zum Startpunkt zu gelangen, haben wir uns in Sewerobaikalsk ein Boot mit Fahrer gemietet, welches uns dahin brachte; von Khakussy aus fährt ein Linienboot zurück nach Nischneangarsk, von wo aus wiederum ein Bus zurück nach Sewerobaikalsk fährt. Südlich von Khakussy kann man noch ein-zwei Tagestouren machen, aber es empfiehlt sich preistechnisch meiner Meinung nach, wieder von Khakussy aus zurückzufahren. Auch unterwegs gibt es schon die ein oder andere Alternativroute, welche einen Schlenker in die Berge macht, die dort bis zu 2000 m hoch sind und recht wild schienen. Dort ist meiner Meinung nach eher mit Wild- und Trampelpfaden zu rechnen, aber ich kann es nicht mit Sicherheit sagen, da wir auf dem Hauptweg geblieben sind, auch da dort die Mückendichte nicht ganz so hoch war wie im tiefsten Wald, doch dazu später mehr.



    Also bestellten wir uns das Material, welches von diesem Verein zusammengestellt wurde (die Trailbeschreibung und eine grobe Karte) und suchten weitere Karten aus diversen Quellen zusammen, welche allerdings alle nicht allzu detailliert waren. 70 Kilometer + Tagestouren und Ausflüge erschien uns zwar nicht viel, auch wenn wir dieses täglich nicht allzu viel laufen wollten - die vorherigen Jahre haben auch immer unsere 20 km am Tag runtergespult -, sondern die Landschaft genießen wollten, vielleicht auch mal einen Ruhetag zum Angeln und Relaxen einzulegen gedachten usw., trotzdem planten wir 9 Tage zwischen Ankunft und Abfahrt ein. Nach dieser Tour wollten wir noch eine kleinere Wanderung an anderer Stelle machen, entweder auf der Insel Olchon oder südlich von Sewerobaikalsk, wo es auch einen Trail gibt, das wurde allerdings letztendlich erst kurz vor der Abreise beziehungsweise während der ersten Wanderung entschieden.

    Der grobe Plan sah also vor, etwas länger als zwei Wochen am Baikalsee unterwegs zu sein, dann mit der Transsibirischen Eisenbahn von Irkutsk nach Moskau zu fahren (ungefähr 4 Tage Fahrtzeit) und noch einige Tage in der größten Stadt Europas zu verbringen - die volle Dosis also. Also buchten wir die Flüge von Dresden nach Irkutsk und von Moskau nach Dresden bei einem kleinen russischen Reisebüro, das sich auch um die benötigten Visa kümmerte, und begannen mit den Nachforschungen, wie wir die restliche Strecke zu den Trails und von dort zur festen Station Irkutsk, von wo aus unser Zug abfuhr, zurücklegen konnten.

    Gerade die Buchung über ein solches Reisebüro kann ich Russlandreisen-Interessierten wärmstens empfehlen. Die Flüge waren unvergleichbar günstig und die Rennerei zur Visabeschaffung wurde uns ebenfalls für einen Spottpreis abgenommen, nur muss akzeptiert werden, dass sich das Personal am Telefon erstmal auf Russisch meldet und auch danach auf Deutsch sehr russisch telefoniert, was bedeutet, dass sie nicht besonders freundlich sind und Verabschiedungsformeln usw. nicht bekannt sind. Das ist allerdings normal, wenn man meiner russischen Dozentin glaubt und man wird dafür umso überraschter sein, wenn man den Russen bei persönlicher Begegnung vis-a-vis aufgeschlossen entgegentritt und dann sofort als Freund behandelt wird, weshalb man gleich auf 1-10 Wodka eingeladen wird.



    Die restliche Planung funktionierte mit Hilfe des Internets überraschend gut. Langsam - fast so langsam wie sich dieser Bericht entwickelt :P - nahm der Plan endgültige Konturen an. So buchten wir, um von Irkutsk nach Sewerobaikalsk zu gelangen, zwei Fahrten auf der Raketa, einem Tragflächenboot, das mit guten 50 km/h den Baikalsee befährt, wodurch man ihn in 11 Stunden beinahe in der gesamten Länge durchqueren kann, nach Sewerobaikalsk und von dort 12 Tage später auf die Insel Olchon; falls wir dann doch den anderen Trail hätten gehen wollen, wären wir mit dem Minibus von dort nach Irkutsk gerattert, was dann später doch auch geschah, nachdem wir auf Olchon wandern waren. Selbst für diese Verbindung war online ein Fahrplan aufzutreiben, der tatsächlich auch eingehalten wurde.

    Generell zweifelte an dem reibungslosen Ablauf des gesamten Transportes die Mutter eines Mitreisenden, die in der ehemaligen Sowjetunion aufgewachsen war und dort auch zeitweise bei der Transsib gearbeitet hat; doch ihre Bedenken wurden nicht bestätigt, sondern es klappte alles beängstigend gut: So wurden unsere Onlinetickets auf der Raketa und in der transsibirischen Eisenbahn akzeptiert und alle angekündigten Busse und Schiffe fuhren pünktlich ab. Dass Vieles so reibungslos ablief und wir so intensiv die Kultur aufnehmen konnten, haben wir allerdings auch ihr und den Russisch-Kenntnissen ihres Sohnes zu verdanken. So wurde so manche Information nochmal am Telefon bestätigt und eingeholt oder unser Kommen im Voraus angekündigt.

    Falls jemand noch Fragen zu organisatorischen Gesichtspunkten hat, kann er sich gerne per PM melden. Im Voraus entschuldige ich mich für meinen manchmal zu hypotaktischen Stil; ich versuche, das weitgehend zu unterlassen und bemühe mich, den Text ab und zu etwas aufzulockern, aber ich muss zugeben, dass ich kein sonderlich kreativer Schreiberling bin, sondern eher ein hart arbeitender Wörterschmied, um die Worte von besseren Autoren aufzugreifen. So, nach langer Vorrede und vielen Andeutungen geht's jetzt dann endlich los.

    Rechtschreibfehler dürfen vom Finder einbehalten werden, wenn ich manchmal aus dem Tempus-System gefallen sein sollte, ist das dramatisches Präsens oder künstlerische Freiheit Da ich während der Reise kein Tagebuch verfasst habe, sondern alles im Rückblick aufgezeichnet habe, ist der Bericht auch dementsprechend verfasst worden. Auch die Bilder sind nicht bearbeitet, sondern ich stelle sie so hier ein, wie sie aufgenommen wurden; Quantität statt Qualität :P Der Bericht liegt fertig auf dem PC, sodass ihr euch nicht allzu lange gedulden müsste, jedoch habe ich nicht allzu viel Zeit, aber ich versuche, jeden Tag 2 Reisetage hochzustellen. Die Bilderdichte nimmt natürlich zu, sobald der Bericht in die heiße Phase kommt und wir auch in der Natur sein werden.

    1.11.-3.11: Anreise. Der lange Weg ans Ende der Welt

    Früh am Morgen begann unsere Reise ab Stuttgart, die uns in den nächsten 48 Stunden 5000 km in den Osten führen sollte. Wir wurden zum Streitbahnhof kutschiert und fuhren oberirdisch mit unserem rail-and-fly-Ticket zu dritt los, um unterwegs in Frankfurt noch die letzten beiden Mitreisenden einzusammeln. Ich und eine weitere Person, nennen wir sie einfach Hermann, waren die einzigen, die alle Mitreisenden kennen und beschlossen haben, dass man sich schon verträgt. Wir scherzten noch auf der weiteren Fahrt nach Dresden, suchten raus, welche Fische man im Baikal fangen kann und welche davon essbar sind. Eine Angel hatten wir dabei und hofften, dass der Besitzer erfolgreicher Fische fängt als er das in Norwegen getan hatte (Spoiler: unsere Hoffnung sollte enttäuscht werden :P). Nachdem wir in Dresden angekommen waren, wogen wir unsere Rucksäcke, in denen noch kein Essen und Gruppenmaterial verstaut war, und jeder, der mehr als 8 Kilo Basisgewicht hatte, wurde ausgelacht und darauf hingewiesen, dass er trotzdem denselben Anteil an Gemeinschaftsmaterial zu tragen hat.



    Wir hatten schon zuvor fast das ganze Essen für die erste Tour, also um die 10 Tage eingekauft, sodass es nun 24 kg auf 5 Rucksäcke zu verteilen gab, dazu unser Palast von einem Zelt, ein Lavvo für 6-8 Personen von Bergans of Norway, das sich schon auf zahlreichen Touren bewährt hat, und Materialen wie (Benzin-)Kocher, Pötte, Beil und Spaten. Nach dieser doch als episch zu bezeichnenden Packaktion mitten im Dresdner Flughafen, die uns einige komische Blicke einbrachte, hatte jeder so um die 20 kg Rucksackgewicht und noch Kleinigkeiten im Handgepäck. Wir checkten ein und gingen durch die Passkontrolle. Der freundliche Beamte war not amused, dass das Reisebüro einen Teil des Visums direkt in unsere Reisepässe getackert hatte und murmelte irgendwas von Beschädigung von Staatseigentum. Das war einer der letzten deutschen Sätze, die wir von fremden Lippen vernahmen.

    Im Flugzeug der Aeroflot wurde dann fast ausschließlich Russisch gesprochen, sowohl von den Passagieren als auch vom Personal. Trotzdem war ich von der Airline eigentlich positiv überrascht. Die Maschine war eine recht neue Boeing, das Personal freundlich und es gab sogar eine Kleinigkeit zu essen, wenn es auch nur das typische Flugzeugessen war, alles einzeln in Plastik verpackt, worauf ich sofort an die Umweltverschmutzung und Fightclub denken musste Nach einem ungefähr zweistündigen Flug landeten wir in Moskau, wo wir einige Stunden Aufenthalt hatten.



    Mitten in der Nacht ging es weiter, nachdem wir unser Gepäck aufgenommen und sofort wieder abgegeben hatten; zwar waren in Moskau die Schilder noch zweisprachig, das Flughafenpersonal sprach aber selten Englisch. Während des 5-stündigen Fluges konnte man kaum schlafen, da erst immer wieder Airline-Personal kam und einem etwas zu essen brachte - kurz nach dem Start gab es Fisch oder Fleisch. Ich entschied mich für Fleisch, weil der Fisch doch sehr fischig roch, das Fleisch schmeckte aber auch leicht nach Hammel, wie ich später feststellen musste; na ja, ich hab schon schlechter gegessen, wenn ich einmal an meine Schulzeit und die schuleigene Mensa zurückdenke

    Später ließ der Blick aus dem Fenster dann nicht mehr an Schlaf denken. Unter dem Flugzeug war endlose 'Tundra'-Steppen, Taiga und Gebirgslandschaft zu sehen, worauf die Sehnsucht wuchs, endlich zu landen und durch dieses Abenteuerland zu streifen. Wir landeten irgendwann am Vormittag und waren froh, relativ schnell unsere Rucksäcke vom Gepäckband aufzusammeln zu können. Mittlerweile sprach kein Mensch mehr Englisch und auch die Schilder zeigten nur noch kyrillische Buchstaben, die wir immerhin alle entziffern konnten, da drei von uns ein Semester Sprachkurs an der Uni besucht hatten, einer sogar drei Semester und der fünfte im Bunde die Sprache auf Grund seines familiären Hintergrundes fließend sprach. Wir setzten uns erstmal vor das Terminal und chillten einige Minuten, was auf dieser Reise noch zu einer unserer Hauptbeschäftigungen werden sollte

    Während Shop, der Übersetzer, noch nach einem Bus in die Innenstadt von Irkutsk suchte, saßen wir also vor dem Flughafen, gingen nochmal ab und zu durch die Sicherheitsschleuse ins Innere. Schon zu Beginn sprach uns sofort ein Taxifahrer an, dessen Angebot wir allerdings noch ablehnten, um es später dann anzunehmen, nachdem er den Preis noch deutlich gesenkt hatte (Wahrscheinlich haben wir immer noch zu viel bezahlt :P).



    So quetschten wir also ein paar der Rucksäcke in den Kofferraum und den Rest nahmen wir auf den Schoß, denn dort war auf den vier Beinpaaren, welche sich auf der Rückbank eingefunden hatten, noch reichlich Platz. Anschnallen konnte man sich eigentlich nicht, was ich zuerst nicht allzu tragisch sah, jedoch überdenken musste, als ich die Fahrweise des Taxifahrers bemerkte, welcher übrigens etwas Deutsch beherrschte, weil er das vor ewigen Zeiten einmal studiert hatte, und dazu den für europäische Verhältnisse komplett chaotischen Verkehr. So fuhren wir auf dem Weg zur Raketa-Station an einem Unfall vorbei, der mehrere Autos mit Totalschaden hervorgebracht hatte, aber wir hatten es ja nicht mehr weit. Von der Stadt sah man nicht viel. Die Häuser sahen auf den ersten Blick nach typischen Plattenbauten aus, die eben noch etwas heruntergekommener aussahen als die deutschen Pendants.



    Wir stiegen nun also am Ufer des Baikalsees aus dem Auto aus und sahen das erste Mal richtig das Gewässer, das uns die nächsten Wochen Getränkelieferant, Badewanne, Waschmaschine und Musiker, der unsere 'Musik' zum Einschlafen liefert, sein sollte. Bisher war das allerdings noch keine allzu aufregende Vorstellung, da man sich noch in der Zivilisation befand und vielleicht von der schon langen Anreise etwas müde war, die aber noch einige Stunden dauern sollte. Das Tragflächenboot legt nur früh am Morgen ab, weshalb wir fast einen ganzen Tag und die Nacht warten mussten bis es weiterging. Diesen wollten wir nutzen, um noch ein paar Dinge wie Mehl, Tee usw. einzukaufen, welche wir nicht eingeführt hatten, weil es sie überall gibt.

    Also ließen wir unsere Rucksäcke in der Raketa-Station; auch dort hatten wir zuvor angerufen und gefragt, ob wir dort irgendwie übernachten können. Wir durften unser Zelt auf der angrenzenden, verschmutzten 'Wiese' aufstellen, worüber der Nachtwächter noch kurz informiert wurde, was natürlich äußerst praktisch war, da wir morgens nur einzupacken brauchten und uns auf's Schiff begeben konnten. In dem Gebäude saßen den ganzen Tag mehrere Männer von der Polizei oder Miliz, spielten Karten oder starrten in den aufgehängten Flachbildfernseher. Ich mochte ihre Uniformen :P.

    Wir begaben uns zur Bushaltestelle und ich war sehr verwundert, als dann schließlich ein Minibus kam, ein asiatisches Fabrikat, einem alten Sprinter nicht ganz unähnlich, der ungefähr 10 Sitzplätze bot, die auf der Fahrt dann aber nach und nach mit ungefähr 17 Leuten besetzt wurden, denn auf einem normalen Sitz haben in Russland auch 2 Leute Platz :P Es wäre in Deutschland wohl niemals denkbar, dass sie zwei fremde Leute auf einen Sitz quetschen wie Schulmädchen, die nicht wollen, dass ihre beste Freundin die Fahrt zur Schule stehend verbringen muss. Auch die Bezahlung war hier etwas anders geregelt. So steigt man einfach ein und wenn man wieder aussteigt, gibt man dem Fahrer einen festen Betrag, egal wie weit man mitgefahren ist, der übrigens sehr niedrig ist. Auch dieser Fahrer passte sich den örtlichen Gepflogenheiten im Verkehrsgeschehen an, sodass ich manches Mal befürchtete, wir würden gleich ein Auto einfach wegschieben oder es von hinten rammen, wodurch wir alle durch den Bus geschleudert werden. An diese Fahrweise und den Verkehr gewöhnte ich mich allerdings recht schnell, sodass ich auf der Rückfahrt bereits deutlich entspannter war.





    Aus dem Bus ausgestiegen bot sich uns im Zentrum ein ganz anderes Bild von der Stadt. Hier war alles deutlich asiatisch geprägt. Gleichzeitig fuhren sehr alte Trams durch die Straßen. Wir fühlten uns alle etwas verloren inmitten der Menschenmassen und der fremden Umgebung. Das kann man wohl irgendwie als Kulturschock bezeichnen, der noch verstärkt wurde, als wir dann schließlich zu unserem Ziel gelangten, dem Markt. Dieser befand sich zum Teil auf einem Platz vor einem großen Gebäude, der Markthalle, in welcher sich der Hauptteil befand.





    Die Markthalle gab mir nun völlig den Rest. Es befanden sich dort zahlreiche Buden, wovon allerdings viele das gleiche Sortiment hatte. So gab es jeweils mehrere Süßigkeiten-Stände, 'Bäckereien', die Süßes und Herzhaftes anboten, Tee-Stände, Gemischtwaren-Stände, wo es Mehl, Zucker usw. erworben werden konnte und Getränkestände. Obst und Gemüse befanden auf dem vorgelagerten Platz. Im hinteren Teil der Halle wurde Fleisch und Fisch verkauft. Spätestens da zweifelte ich, ob ich hier denn richtig sei, da es dort sehr stark nach Fisch und Schwein roch, zusammenfassend nicht allzu appetitlich. Ich kann nicht leugnen, dass ich in dieser Zeit doch etwas schlecht gelaunt war.





    Wir machten unsere Besorgungen also auf diesem Markt, auch wenn ich mir in diesem Moment einfach nur einen Supermarkt gewünscht hätte, der doch irgendwie überall auf der Welt gleich ein gewohntes und sicheres Konsum- Gefühl vermittelt. Neben den Besorgungen für unsere Reise nahmen wir noch 3 geräucherte Omule, ein endemischer, sehr fettiger Salmonid, der nur in der Baikalregion vorkommt, Brot, ein paar Nusshörnchen und eine Melone zum Abendessen mit und gönnten uns sofort einen Kwas, von einer alten Frau aus einem ganzen Tank davon in eine Plastikflasche abgefüllt (vergleiche Wikipedia 'Kwas', zweites Bild :P).

    Nachdem wir uns ebenfalls eine russische Prepaid-Karte besorgt hatten, mit der man übrigens wirklich sehr günstig ins deutsche Netz telefonieren kann, obwohl man diese eigentlich nur mit Registrierung bekommt, die wir uns erst später in Sewerobaikalsk abholten, fuhren wir auf dieselbe Weise zurück zu unserem Zeltplatz, in einem Minibus. Wir entspannten noch in der Nachmittagssonne, aßen unsere eingekauften Vorräte und bauten das Zelt auf.









    Soweit ich mich erinnere, verkrochen wir uns auch recht früh in unsere Schlafsäcke, da wir alle doch von der Reise geschafft waren und am nächsten Morgen das Schiff auch früh ablegen sollte. Es regnete gleich in der ersten Nacht leicht, was aber irgendwann wenigstens die Jugendlichen vertrieb, die keine 20 Meter von unserem Zelt wohl angeheitert lautstark sich auf einem alten Spielplatz aufhielten, wenn man das so nennen darf.

    Der nächste Tag verlief dann wirklich unspektakulär. Wir standen auf, packten zusammen und warteten auf die Ankunft des Bootes. Während des Wartens kamen immer mehr Passagiere, teilweise ebenfalls mit Rucksäcken, oftmals jedoch mit 'normalem' Gepäck. Es gab etwas Verwirrrung, ob das irgendwann ankommende Boot nun das unsrige sei, weil es kein Tragflächenboot war, was allerdings durch unseren 'Russen' schnell gelöst werden konnte. Wir mussten mit diesem Boot nach Port Baikal und dort umsteigen. Während des Wartens fielen mir auch einige Menschen mit getatzten Jacken und Deuter-Rucksäcken auf; die Ahnung bestätigte sich beim Vorbeilaufen, allerdings gab ich mich ihnen nicht zu erkennen. Ich war im Urlaub und damit weg von Deutschland.



    Die erste Bootsfahrt war dann wahrlich nicht sehr aufregend, nur das im Nebel verschwindende Irkutsk bot einen schönen Anblick und auch Port Baikal sah im Nebel auftauchend faszinierend aus, fast wie ein Schifffriedhof, da dort einige sehr alte und wahrscheinlich nicht mehr im Dienst befindliche Boote lagen. Auf dem See ging erst ein starker Wind, der sich im Laufe des Tages allerdings legte, sodass wir auf spiegelglatter See fahren konnten.





    Der Umstieg in die Raketa ist allerdings auch noch eine Erwähnung wert. Wir saßen im hinteren Bootsteil und mussten so am Funkraum vorbei, der in etwa aussah wie das Wohnzimmer meiner 80-jährigen Oma. Als ich dadurch also abschätzen konnte, wie alt dieses Schiff war, dachte ich mir, dass es einmal der Stolz der Sowjets gewesen sein musste, was mich jedoch eher beruhigte als stutzig machte, denn im Schwarzwald fahren noch heute alte Schneeraupen aus der UdSSR durch die Gegend, wenn nichts anderes mehr dem Schnee trotzen kann und auch der Chef meines Kumpels aus der ehemaligen DDR, welcher heute bei einem namenhaften Institut arbeitet, meinte, dass die Sowjettechnik unzerstörbar gewesen sei, sobald man sie einmal zum Laufen gebracht habe. Also setze ich mich auf einen der Sitze, die denen in alten Bahnen gleichen und wartete auf den 'Start'.



    Zwar bemerkte man nach diesem während der Fahrt überhaupt keinen Wellengang, allerdings sorgten die Motoren und der Luftwiderstand für einen Geräuschpegel, der jeden normalen Menschen wohl am Schlafen gehindert hätte, mich allerdings nicht :P So verschlief ich wohl gut 2/3 der Fahrt, aber während des restlichen vier Stunden blieb auch noch genügend Zeit, um zu essen, zu lesen und vor allem immer wieder hinauszugehen, um die vorbeifliegende Landschaft zu bewundern oder froh darüber zu sein, dass ich so viel geschlafen hab, damit ich nicht die blonde Beth Ditto in viel zu engem Kleid sehen musste, welche am 'Kiosk' stand, Wurstbrote schmierte und einfach nicht schön aussah.



    Doch noch 1-2 Worte zur Landschaft, welche ihr auch auf den Bildern betrachten könnt. Man sah hauptsächlich kleinere Berge, die vollständig bewaldet waren und dazwischen immer wieder winzige Ortschaften oder Fischersiedlungen am Ufer. Auf jeden Fall wuchs der Wunsch bei diesem Anblick, endlich auch diese Gebiete zu durchstreichen, an eben diesem Ufer zu sitzen und den Blick in die andere Richtung zu genießen, auf den See, welcher von dort aus wie ein Meer zu sein scheint.











    Nach 11 Stunden Fahrt kamen wir dann gegen 20 Uhr in Sewerobaikalsk an, wo und Evgenij schon erwartete. Er betreibt ein Hostel, das mit Hilfe des Baikalplan e.V. aufgebaut wurde und seitdem ist er eigentliche eine feste Durchgangsstation auf dem Weg zum F.A.C.T. (Auf der HP: baikaltrail.ru gibt es weitere Infos zu dem netten Herren). Er hatte zwei Taxen mit zum Hafen gebracht, die uns schnurstracks zum Hostel beförderten, beschallt wurden wir von regionaler Folklore-Musik, was mir sehr gefiel. Unser Taxi, in dem Evgenij nicht saß, war als erstes da. Wir wurden vor mehreren Plattenbauten abgesetzt und haben uns erstmal gefragt, wo denn nun das Hostel sei. Nach einigen Minuten kam das andere Taxi mit unserem Host. Er spazierte zu einem der Plattenbauten und führte uns in den ersten Stock, wo er die Wohnung angemietet hat. In ihr befinden sich zwei Schlafräume, eine Küche, ein Bad mit Dusche und ein Toilettenraum.

    Alles sah ganz sauber aus und sogar W-LAN war vorhanden, sodass ich mich erstmal daheim melden konnte. Normalerweise versuche ich, das auf das Nötigste zu beschränken, dieses Mal war es mir allerdings wichtig, mich so oft wie möglich daheim zu melden, da ich einen guten Monat vor unserer Abreise eine ganz besondere Frau kennenlernte, welche ich nicht für 4 Wochen vergessen konnte. Sie schwirrte die ganze Zeit in meinem Kopf herum und ich konnte oft die Reise erst richtig genießen, wenn ich ihr eine SMS senden konnte oder gar eine von ihr empfangen konnte. Bei mir ging es nicht so weit, wie das bei dem User Fliehender der Fall war, dass mein Heimweh und meine Sehnsucht nach ihr mir die Laune ganz vermiesen konnten, jedoch war diese unbestreitbar besser, wenn wir nicht für mehrere Tage gar keinen Kontakt hatten.

    Evgenij meinte, dass wir ja Hunger haben müssten, was wir eigentlich nicht bestätigten, aber er kochte uns trotzdem etwas zu essen. Er öffnete eine Dose Fleisch, erinnerte mich zuerst etwas an Hundefutter, war dann allerdings doch recht gut, briet dies mit Zwiebeln an und kochte dazu Buchweizen ab, dazu gab es die obligatorische rohe Gurke und Tomate.
    Gurken und Tomaten bekamen wir gerade in Sibirien sehr oft und sahen diese auch die Russen bei jeder Mahlzeit verspeisen. Manchmal waren sie roh und manchmal gab es eingelegte Gurken, ähnlich unseren Essiggurken, die jedoch nur in Salzlake mit Dillblüten und einigen anderen Gewürzen eingelegt waren. Die gibt's auch in Moskau auf den Märkten zu kaufen und sie sind unglaublich lecker, aber mir ist der Name gerade leider entfallen, aber wenn sich jemand dafür interessiert, frage ich unseren Experten.



    Eigentlich dachten wir erst, dass Evgenij uns zu dem Essen einlädt, jedoch stellte er es uns am Ende in Rechnung, was wir ihm natürlich nicht übelnahmen, da er viel für uns getan hat. So gab er während des Kochens die letzten Tipps und verließ uns dann gegen späten Abend, ohne mit uns noch einen- zehn Wodka zu trinken, da er Antialkoholiker ist; wir sollten mit Russen noch genügend Wodka trinken ;)

    Wir genossen das letzte Mal für die nächsten Tage die Annehmlichkeiten der Zivilisation, duschten und saßen noch lange am Küchentisch, um die schwäbische Kultur, in Form von Benoggl, einem Kartenspiel, auch 5000 km fern der Heimat hochzuhalten. Zuletzt erlaubten wir uns noch einen Spaß mit der stylischen Leopardendecke, machten damit ein paar Fotos, die auch in einem osteuropäischen Soft-Pornofilm hätten gezeigt werden können, und lasen das Gästebuch, in welchem Einträge von Personen aus der ganzen Welt zu finden waren, die in letzter Zeit allerdings mehrfach von zahlreichen regnerischen Tagen auf verschiedenen Trails berichteten. Wir hatten auf all unseren Fahrten immer unerhörtes Glück mit dem Wetter und darauf verließen wir uns auch dieses Mal, weswegen wir beruhigt einschliefen und am nächsten Morgen nicht allzu spät aufstanden.




    4. August: Endlich in der Natur

    Der Plan war, morgens noch ein paar Dinge mit den Behörden zu klären, Benzin für unseren Kocher zu besorgen und dann gegen frühen Mittag mit dem von Evgenij gemieteten Boot samt Fahrer zum Trail zu fahren. Erst lief alles nach diesem Plan. Evgenij übernahm für uns die Registrierung bei der örtlichen Behörde, welche wir allerdings erst bei unserer Rückkehr ausgehändigt bekommen sollten, wir registrierten uns als Wanderer, die den Nationalpark durchqueren dürfen, was uns einen lächerlichen Betrag abverlangte und Evgenij schläuchelte uns Benzin aus einem Auto, was ihm ein Freund vorbeibrachte, auch wenn die Tankstelle eigentlich nur 500m vom Hostel entfernt gewesen wäre :P



    Dann kam leider ein Anruf, dass die Überfahrt bei dem Wetter nicht zu machen sei. Wir fragten uns: Welches Wetter? Denn es gab blauen Himmel und kaum Wind, aber man vertraut einem ortsansässigen Seemann dann doch mehr als seinem eigenen Landrattenverstand. Also mussten wir warten.

    Evgenij sagte, dass er uns anriefe, sobald es Neues gebe, weswegen wir kurzerhand zum See liefen, ungefähr 2 km weit und dort am Kiesstrand mal wieder chillten, was bedeutete, dass wir Steine ins Wasser warfen, schnitzten oder uns einfach nur ausruhten. Auf dem Weg dorthin war uns im Wald die erste inoffizielle Entsorgungsstätte für Plastik aufgefallen. Man hatte einfach ein großes Loch gegraben und darin lagen nun hunderte von Plastikflaschen - Müllentsorgung auf Russisch. Es sollte nicht das letzte Mal bleiben, dass wir verwundert bis schockiert waren.



    In der Zeit des Wartens wurde das Wetter immer schlechter, sodass wir schon befürchteten, heute nicht mehr von hier wegzukommen. Doch plötzlich kam der Anruf, dass wir nun übersetzen können. Auf dem Rückweg Evgenij spekulierten wird, ob der Kapitän vielleicht auf einen von uns angebotenen Gefahrenzuschlag gehofft hatte und nun einfach nachgab, aber bei der Spekulation blieb es und mittlerweile war es uns auch recht egal, da es endlich loszugehen schien
    Auf dem Rückweg überquerten wir zum wiederholten Male die Eisenbahnschienen der B.A.M. Auf dem Bahnhof war viel Betrieb, hauptsächlich Güterverkehr wurde gesteuert. Evgenij berichtete uns, dass man in dieser Stadt entweder vom Tourismus oder von der Eisenbahn lebe, was uns sofort einleuchtend erschien.



    Auch sahen wir an diesem Tag, da es im Gegensatz zu unserer Ankunft hell war, vollständig, wo wir überhaupt gelandet waren. Die Plattenbausiedlung sah so aus, wie man sie sich in Russland vorstellte: alt, irgendwie etwas heruntergekommen und vor den Häusern verweste ein toter Hund.

    Nachdem wir angekommen waren, bezahlten wir Evgenij, reservierten uns noch fünf Betten, wenn wir dann in 10 Tagen zurückkommen sollten, um nach einer Nacht mit der Raketa wieder abzufahren und verabschiedeten uns in angemessener Form. Er hatte uns noch den Weg zurück zum 'Hafen' erklärt, den wir an diesem Tag zu Fuß zurücklegen wollten, da es nur ungefähr 3 km waren. Unterwegs begann es dann zu regnen, weswegen wir gleich zu Beginn unsere Regenklamotten überziehen durften. Kurz vor unserem Ziel lag auch eine Basis der Marine, aus deren Mitte wir später noch ehemalige Kampftaucher kennenlernen sollten.

    Einen Tag zuvor kamen wir an deren Rand an und mussten auch durch einen Schlagbaum der Basis, um nach draußen zu gelangen, was ich aber erst an diesem Tag kapierte. Im danebenliegenden Hafen lagen kleine Boote und sehr kleine Boote; wir fragten uns, auf welcher dieser Jollen wir über eine Stunde quer über mittlerweile doch recht unruhigen Baikal fahren durften. Unseren Kapitän fanden wir rasch. Sein Boot war kein sehr kleines Boot sondern nur ein kleines, das er mit einer Plane überspannt hatte, um uns etwas vor dem strömenden Regen zu schützen. Der Zugang zum "Lade- und Passagierraum" war ungefähr einen Fuß breit und befand sich seitlich des Bootes. Ich selbst habe mit über 20 kg Rucksackgewicht nicht das allerbeste Gleichgewicht, wie ich leider zugeben muss, weswegen ich mich schon im kalten See schwimmen sah. Den Rucksack nahm man mir ab, wie noch das ein oder andere Mal auf der Tour, wenn es über eine sehr schmale Brücke ging - hiermit nochmal ein Dank an meine Mitreisenden - und das Einsteigen ging dann ganz gut. Alle waren im Boot, bekamen Schwimmwesten und dann ging es ging los.





    Wir sahen Sewerobaikalsk immer kleiner werden und gewöhnten uns an den Wellengang, so sehr, dass jemand sogar schlafen konnte. Zwischenzeitlich sah man kein Ufer mehr, bis am Horizont langsam Berge auftauchten. Auch diese waren bewaldet, nur dieses Mal so hoch, dass die Baumgrenze auch überschritten wurde. Alles lag im Nebel und sah einfach magisch aus, was leider auf den Fotos nicht rauskommt, obwohl wir sehr gute Kameras dabei hatten, da es einfach zu 'diesig' war.



    Als diese Landschaft schon greifbar nah schien, setzten wir schließlich auf Grund. Der Kapitän, von dem wir eigentlich annahmen, dass er diese Tour schon einmal gemacht hätte, schien ziemlich ratlos, versuche erst den Motor weniger steil ins Wasser zu setzen und dann mit dem Ruder aus dieser Situation zu kommen, auch sein GPS lieferte ihm keine Lösung. So schickte er einen von uns zum Sichten der Wassertiefe auf den Bug, aber auf dieser Seite der Landzunge, auf welcher die Rangerstation schon zu sehen war, konnte man nicht bis zum Ufer fahren. Da wir meinten, irgendwo gelesen zu haben, dass auf der Rückseite ein Anlegesteg sein sollte, wiesen wir ihn dorthin. Tatsächlich war ein Anlegesteg zu sehen, auch wenn der Tiefgang für den Motor wieder zu hoch war, sodass die letzten Meter wieder mit dem Ruder zurückgelegt werden mussten.

    Doch endlich waren wir da. Vor uns lag ein Sumpf, dahinter thronten majestätisch Berge, die Vögel zwitscherten und es regnete immer noch. Der Ranger war nicht da, nur sein Hund bewachte die Station. Später erfuhren wird, dass er im Krankenhaus sei, weswegen man nicht dort übernachten könnte, was grundsätzlich möglich sein müsste. Wir stellten uns unter einen Unterstand und holten unser Mittagessen nach.

    Dieses Bestand wie in den kommenden Tagen aus einem Snickers, 2-3 Fetzen Beefjerkey und 2 Händen Studentenfutter. An den restlichen Tagen der Tour kamen noch 2 Fladenbrote dazu. Diese brieten wir abends meist über den Feuer raus. Der Teig ist dem von Naan-Brot sehr ähnlich; er besteht aus Trockenhefe, Zucker, Salz, Milchpulver, Mehl und Wasser. Unsere Abende liefen so ab, dass zwei Leute das Zelt aufbauten, einer den Teig machte, einer Feuer machte und der 5. je nach Zustand entweder ausruhen durfte, jemandem zur Hand gehen musste oder andere Aufgaben übernahm wie weiteres Holz zu suchen und die Angel ins Wasser zu halten.

    Just bemerkten wir das, was wir auch befürchtet hatten: Mücken. Was diese Plagegeister angeht, waren wir zugegeben schlecht vorbereitet, auch wenn wir schon über sie nachgedacht hatten. Nur Shop hatte Mückenschutzmittel dabei, das wir bald auf unsere Gesichter und Hände auftrugen, der restliche Körper war sowieso von Regenjacke und langer Hose bedeckt (wir hatten keine Regenhose dabei, da wir alle kein Geld dafür ausgeben wollten, weil die Hosen von Fjällraven sowieso so schnell trocknen, dass es sich kaum lohnt. Wenn es also regnet, tragen wir tagsüber die nassen Hosen, lassen sie abends auch im Zelt noch eine geraume Weile an, um sie am Körper zu trocknen und ziehen sie am nächsten Morgen wieder an, auch wenn sie noch etwas klamm sind. So halten wir es seit Jahren, aber bisher hatten wir auch das Glück, dass es selten mehrere Tage am Stück regnete, sodass wir sie spätestens am nächsten Wandertag vollends am Körper trocknen konnten). Leider half auch das Mittel nur bedingt; die Biester flogen in die Ohren, in die Nase und in die Augen. Das hatte ich mir so nicht vorgestellt; wir waren zwar schon in Schweden und Norwegen, wobei es da wohl in beiden Regionen und zu der Jahreszeit einfach zu kalt war. Ich wähnte mich zuerst in der Hölle, gewöhnte mich aber mit der Zeit doch etwas daran, meiner Seneca und Marc-Aurel-Lektüre sei Dank

    Na ja, es hieß trotzdem: Und los! Reiten wir in den Sonnenuntergang. Hühühühüüü! Ruhig Brauner! Tatsächlich war es nämlich schon später Nachmittag und wir wollten doch noch ein bisschen Strecke reißen. Die ersten paar Kilometer führten uns durch eine Dünenlandschaft, am Horizont sah man wieder das Gebirge.





    Das Laufen durch den tiefen Sand mit den schweren Rucksäcken schlauchte sofort, die Mücken waren unerbittlich und die Dichte an ihnen nahm noch merkbar zu. Himmel und Hölle können eben sehr nahe beisammen liegen.



    Leider sah auch der See bei diesem Wetter nicht sehr gut aus. Ich konnte die Scheuklappen leider auch nicht ausblenden, weswegen mein Blick getrübt war. Am Strand lag nämlich sehr viel angeschwemmter Müll, der das Bild nicht unbedingt so romantisch zeichnete wie ich es erhofft hatte. Strapazen bin ich gewöhnt und damit kann ich umgehen, aber verschmutzte Umwelt zieht mich runter, vor allem bei diesem anhaltenden Regenwetter.



    Auch die Wasserqualität konnte nicht als gut eingestuft werden. Es hieß, dass man direkt aus dem See trinken könne, jedoch war das zu diesem Zeitpunkt schwer denkbar. Am Strand fanden wir auch bald unsere ersten Bärenspuren. Zusammenfassend: Vor wenigen Stunden befanden wir uns noch in der warmen Zivilisation, nun wurden wir ins eiskalte Wasser geworfen. Da wir aber keine kompletten Anfänger sind, wussten wir, dass auch wieder bessere Zeiten kommen würden, sobald wir in unseren Schlafsäcken liegen und es wenigstens da trocken ist, weswegen wir uns nicht entmutigen ließen und weiterliefen.





    Es ging weiterhin an der Küste entlang - klar wenn der Track auch Coastline Track heißt :P - und ab und zu ins Hinterland, wo es sehr sumpfig wurde. Zwar hatten wir Gamaschen an, allerdings hatte es in den letzten Tagen so viel geregnet und es gab so wenig Weg, dass wir beim Waten durch den Sumpf doch leicht nasse Strümpfe bekamen, einfach weil wir manchmal fast knietief in den Sumpf einsanken. Wir hatten aber auch nicht die Nerven, die Sümpfe weit zu umgehen, weswegen wir sie hüpfend durchquerten, sodass zumindest meine Füße befriedigend trocken blieben. Die Hose war sowieso schon nass, da es wirklich beständig regnete. Schön war, dass wir wussten, dass wir auch immer an der Küste entlanglaufen mussten, um das Ziel zu erreichen, denn wir haben auch vor Ort keine besseren Karten bekommen.





    Wir wanderten bis in den späten Abend hinein, ohne einen geeigneten Zeltplatz zu finden. Unsere Hoffnung lag auf einer eingezeichneten Hütte. Zwar wollten wir nicht darin nächtigen, jedoch gingen wir davon aus, dass sich in deren Nähe bestimmt ein Plätzchen finden ließe. Das war auch der Fall, allerdings war die Hütte von der Witterung und wahrscheinlich auch Vandalen so zerstört worden, dass wir nicht in ihrer Nähe bleiben wollten. Das war unser erster wirklicher Fehler. Wir hätten nicht annehmen dürfen, dass die Zeltplätze für unser Zelt mit 12,5 m2 Grundfläche in der russischen Taiga so zahlreich, zumal wir es auf den letzten 5 km ja gesehen hatten, sondern die Störung unseres ästhetischen Empfindens in Kauf nehmen. Taten wir nicht, weswegen wir weiterliefen und nicht so schnell einen neuen Platz fanden.



    Die Sonne begann schon unterzugehen, die Laune schlechter zu werden und wir stapften immer noch über Kiesstrände und durch den Wald, der zu dicht war, um unser Zelt sinnvoll aufzubauen. Schließlich beschlossen wir, auf Teufel komm raus einen Platz zu suchen. Wir fanden eine Stelle, die offen genug war, allerdings etwas vom Ufer entfernt und einen federnden Untergrund aufwies. Am Horizont sahen wir auch Feuerschein, Rauch und Boote. Scheinbar lagerten dort schon Menschen. Wir beratschlagten, ob wir uns einfach zu diesen gesellen sollten, da es dort ja wahrscheinlich einen besseren Platz gäbe. Allerdings sah es schon nach einem guten Stück aus und wir waren alle geschafft. Gerade ich war dafür, es trotz der widrigen Bedingungen an Ort und Stelle zu versuchen. Wenn wir mit aller Kraft die Heringe in den Boden hämmern würden, würden wir schon durch die 30 cm dicke Schicht an Moosen und Flechten stoßen und einige Bäumchen waren auch vorhanden, an denen wir die Schlaufen befestigen konnten.





    Die anderen gaben sich ebenfalls der Illusion hin und so versuchten wir es. Eigentlich hatten wir nur einen Versuch, da es mittlerweile sehr stark regnete. Es ist zwar theoretisch möglich, das Zelt erst ohne Bodenplane aufzubauen, dass diese nicht nass wird, bei dieser Bodenbeschaffenheit allerdings war es so schwer, dass wir entschieden, den Boden schnell auszuspannen und gleich das Zelt drüberzulegen. Wir haben das Zelt und seinen kleinen Bruder schon öfters bei Regen aufgestellt und es war immer erträglich. Selbst wenn es im Zelt etwas feucht ist, bringt es einen nicht um.

    Also begannen wir, stellten jedoch schnell fest, dass wir auf diesem Boden das Zelt zwar zum Stehen bekommen, allerdings kein Sturm kommen durfte, in dem es normalerweise seine Stärken erst entfaltet. Wir vertrauten auf unser Glück, es stand mehr schlecht als recht, aber war immerhin innen nur annehmbar feucht. Während des Aufbaus wurden wir beständig von Mücken geplagt, weswegen wir uns schnell in unser Zelt verkrochen, das eigentlich recht mückendicht ist, wenn man es sauber ausspannt. Wir beschlossen, auch nicht mehr zu kochen, sondern uns mit Studentenfutter, Schokolade und einem Müsliriegel zu begnügen.

    Am Rande eine lustige Anekdote, welche bisher schon für viele Lacher gesorgt hat, sogar an diesem Abend, obwohl die Stimmung eher gedrückt war:

    Wir lagen schon in den Schlafsäcken, doch ich musste noch eine Kleinigkeit davor erledigen. Ich hatte mich schon der nassen Sachen weitgehend entledigt und trat so vor das Zelt, um es hinter mich zu bringen. Als ich dann also so da in der Taiga stand, wurde mir plötzlich schmerzhaft bewusst, dass ich die Mücken total vergessen hatte, die mich nun an jeglicher zu erdenkender Stelle meines Körpers liebkosten. Die machen wirklich vor gar nichts halt. Laut fluchend rannte ich zurück ins Zelt, wo mich das schadenfrohe Lachen der anderen herzlich willkommen hieß. Diese Begebenheit werde ich nie vergessen

    Wir lagen also im Zelt und die Stimmung war wieder einigermaßen gut, da wir ja wussten, dass nun alles gut zu werden versprach und am nächsten Tag alles anders aussehen werde. Wir packten noch unsere Vorräte in einen Sack, der so schwer war, dass er kaum zu tragen war und deponierten diesen gute 100m vom Zelt entfernt (angezogen :P), um nicht noch nächtlichen Besuch vom Verursacher der vor kurzer Zeit gefundenen Spuren zu erhalten.

    Andere Vorsichtsmaßnahmen ergriffen wir kaum. Tagsüber hatten wir Bärenglocken an den Rucksäcken und als 5er-Gruppe sollten wir auch so genügend Lärm erzeugen; mehr aus Spaß ließen wir auch immer wieder laute "URSUS"-Rufe durch die Wälder hallen, ergänzt durch "ARCTOS"-Entgegnungen. "Ursus arctos" ist der lateinische Namen des Braunbären, was einen Kenner beider alten Sprachen allerdings erheitern kann, da "arktos" auf Alt-Griechisch "Bär" bedeutet und es so der "Bärbär" ist, nicht zu verwechseln mit dem Barbar oder dem Barbier . Ein Bärenspray hatten wir auch nicht dabei, aber wir sahen auch keinen, nicht einmal aus der Ferne, nur ab und zu Spuren und manchmal beängstigend frische Losung, soweit wir das als Laien beurteilen konnten.

    Also beschlossen wir zu schlafen. Dies klappte zuerst nicht allzu gut, da uns immer wieder Mücken peinigten. Ich ging davon aus, dass es wenige im Zelt seien, da eigentlich alles hätte dicht sein müssen und diese sich auf mich konzentrierten, jedoch dachte das wohl jeder. Irgendwann begannen die Gespräche doch wieder und es wurde gefragt, wie viel Zeit denn schon vergangen sei. Die Antwort: 20 Minuten! entmutigte uns als alle, das Jammern begann. Wir dachten schon daran, dass wir unter diesen Umständen die Tour wohl in 3 Tagen durchrennen würden und dann umplanen müssten, jedoch wurden solche Reden sofort als unrealistisch und Gespenster der Nacht abgetan.



    Doch jeder klagte über sein Leid, dass gerade ihn die wenigen Mücken belästigen, was uns dann doch so langsam Spanisch vorkam. Wir schalteten die Kopflampen an und entdeckten über uns ganze Wolken von Mücken. So etwas hatte ich noch niemals gesehen und nun war es in unserem Zelt. Das Problem war, dass man sich auch nicht im Schlafsack verkriechen konnte, da es in diesem viel zu heiß war. Wir hatten unsere Schlafsäcke für Temperaturen um den Gefrierpunkt dabei, doch in der Anfangszeit gab es eher Nachttemperaturen im zweistelligen Bereich, sodass man darin vollends eingemummelt an Überhitzung gestorben wäre. Also musste ein Plan her, um den Biestern Herr zu werden. Die ersten Versuche können getrost als verzweifelt bezeichnet werden: So war die erste Idee, einige mit Deo tot zu sprühen, der zweite Plan war, Klebeband aufzuhängen, in dem sie sich verfangen sollten. Beide waren natürlich zum Scheitern verurteilt. Schließlich erinnerte man sich, dass so Getier doch auf Licht stehe. Also stellten wir eine Stirnlampe auf die niedrigste Stufe und banden diese so hoch wie möglich in Dachnähe an die in der Mitte befindliche Zeltstange. Das funktionierte überraschend gut, weswegen wir relativ unbehelligt schlafen konnten, auch wenn sich am nächsten Morgen doch einige Stiche auf unseren Körpern wiederfanden.



    Der Schlaf erlöste uns irgendwann wirklich, jedoch war er sehr unruhig, da es nachts doch sehr windig wurde und jeder Angst hatte, dass unser Zelt einfalle, weil es so schlecht aufgestellt war. Auch war es die erste Nacht auf Bärengebiet und gerade ich hatte davor schon Respekt. Doch jede Nacht geht irgendwann vorbei; so auch diese, die ich trotzdem als die schlimmste meines ganzen Lebens bezeichne, in der ich andauernd hoffte, dass es doch endlich Morgen werde.
    Zuletzt geändert von I3eren; 20.11.2012, 16:42.
    "Die Nacht war kalt und sternenklar,
    Da trieb im Meer bei Norderney
    Ein Suahelischnurrbarthaar."
    Joachim Ringelnatz - Logik

  • codenascher

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    #2
    AW: [RU] Baikalsee - Frolikha Adventure Coastline Track und Olchon

    Woohoo, und der nächste Russland Reisebericht!!! Bitte schnell weiterschreiben

    Bin im Wald, kann sein das ich mich verspäte

    meine Weltkarte

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    • Kuoika
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      #3
      AW: [RU] Baikalsee - Frolikha Adventure Coastline Track und Olchon

      Ah wie cool - ein Bericht vom Baikalsee. Ich will auch mal einen schreiben, dieses Fleckchen Erde steht auch auf meiner To-Do Liste, Sommer wie Winter. Bin gespannt, wie es weiter geht und hab gleich mal wieder die Ballade vom Baikalsee rausgekramt.

      (INFO: Bitte kein Bildmaterial einfügen, das die Rechte Dritter verletzt. d.h. i.d.R. keine Musikvideos, TV-Serien etc. )

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      • chri1
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        #4
        AW: [RU] Baikalsee - Frolikha Adventure Coastline Track und Olchon

        Super, bin auch schon gespannt auf die Fortsetzung.
        Ich wäre das Jahr auch gern mit der Raketa gefahren, aber nachdem die fürs Rad nochmal so viel wollten, wie für 1 Person bin ich aussen rum gefahren.
        Das mit den billigen Aeroflotflügen kenne ich auch, wir haben da direkt bei Aeroflot in Zürich angerufen und die haben echt günstige Gabelflüge.
        Den Baikalsee habe ich übrigens als Schönwetterinsel in Erinnerung. Aussen rum hat es meist geregnet, aber auf Olchon und um Severobaikalsk war dann blauer Himmel.

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        • Mika Hautamaeki
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          #5
          AW: [RU] Baikalsee - Frolikha Adventure Coastline Track und Olchon

          Juhuu, Russland scheint ja mittlerweile ein gefragtes Reiseziel zu sein. Schön noch einen weiteren Bericht aus diesem Land lesen zu können. Freue mich auf die Fortsetzungen!
          So möchtig ist die krankhafte Neigung des Menschen, unbekümmert um das widersprechende Zeugnis wohlbegründeter Thatsachen oder allgemein anerkannter Naturgesetze, ungesehene Räume mit Wundergestalten zu füllen.
          A. v. Humboldt.

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          • I3eren
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            #6
            AW: [RU] Baikalsee - Frolikha Adventure Coastline Track und Olchon

            Weiter im Text

            5. August: Der Baikal nimmt und gibt

            Am ersten Tag hat uns der Baikal sehr viel abverlangt, doch morgens sieht alles anders aus. Wir erwachten, unser Zelt stand noch und es hatte kein Bär seine Nase ins Zelt gesteckt, obwohl ihn niemand durch Schnarchen fernhielt. Nachdem wir beschlossen hatten, nicht sofort zu frühstücken, sondern abzubauen, ans Ufer zu laufen und das dort nachzuholen, um von diesem verfluchten Ort wegzukommen, taten wir das so schnell wie auf der gesamten Reise nicht mehr, sammelten unser unangetastetes Essen wieder ein und wanderten zum Ufer. Das Wetter sah annehmbar aus, es bestand sogar die Hoffnung, dass es aufreißen könne.



            Am Ufer angekommen schöpften wir erstmal Wasser, das mittlerweile auch trinkbar aussah, um unser Schoko-Müsli mit getrockneten Cranberries und Milchpulver anzurühren. Nachdem gefrühstückt war und die Trinkflaschen aufgefüllt waren, ging's los in die Richtung des Lagerplatzes, den wir gestern schon gesehen hatten. Bei anständigem Tageslicht wurde jetzt leider ersichtlich, dass es dorthin doch nicht mehr so weit gewesen wäre wie uns unsere müden Augen am vorherigen Abend vorgetäuscht hatten. Die Gruppe mit Booten war noch immer da und als wir sie erreicht hatten, erzählten sie uns, dass es bei ihnen kaum Mücken gegeben habe und wir sahen, dass wir auch noch ausreichend Platz gehabt hätten.

            Ich erkannte einen Mann von der Bootsüberfahrt auf der Raketa. Schon im Boot hatte ich mir gedacht, dass dieser wettergegerbte Geselle nach einem echten Waldläufer aussehe und ich ihn gerne mit seinem Gewehr am Feuer sitzen hätte, um die erste Schicht der nächtlichen Bärenwache zu übernehmen :P Es war ebenfalls eine Reisegruppe, die allerdings ihn und zwei weitere Personen als Guide gemietet hatten und auch weiterhin mit Booten unterwegs war. Manche von ihnen hatten zuvor schon mit Booten die Angara befahren, wo die Mücken angeblich so groß wie Mäuse seien





            Nach ein paar Scherzen verabschiedeten wir uns und liefen in den Wald. Dort waren unsere geflügelten Freunde ständige Begleiter, sodass man eigentlich kaum stehenbleiben konnte und weswegen es kaum Fotos gibt, auf denen die abgelichtete Person nicht mit den Händen um sich schlägt. Schon nach wenigen Kilometern tauchte der erste Bach auf. Über ihn waren 3 dünne Baumstämme gelegt, die allerdings teilweise überspült waren und nicht wirklich miteinander vertaut; es war insgesamt eine recht wacklige Angelegenheit und der Bach sehr tief. Nachdem wir prüften, ob er an anderer Stelle nicht besser zu überqueren war, diese Hoffnung nicht erfüllt wurde und wir festgestellt hatten, dass er für uns auch an der Einmündung in den See nicht zu waten war, weil er zu tief war, fassten wir eine andere Entscheidung.





            Es wurde eine Art Halteseil installiert. Wir hatten an die 100 Meter Seil dabei, weil auch die Möglichkeit bestand, dass es später ein Floß zu bauen galt, um einen Fluss zu überqueren, doch dazu später mehr. Dieses Seil wurde auf Kopfhöhe zwischen zwei Bäumen auf jeder Seite gespannt (ohne Rucksack war die Überquerung schon zu machen mit etwas Geschick) und festgezurrt. So hatten wir eine zusätzliche Möglichkeit, etwas Halt zu bekommen und konnten unsere Rucksäcke relativ problemlos auf die andere Seite befördern. Es wäre wohl auch irgendwie ohne diese Aktion gegangen, die auch Zeit kostete, jedoch hatten wir genügend Zeit und sowas macht ja auch Spaß und vermittelt das Gefühl von Abenteuer





            Nach ein paar zurückgelegten Metern galt es, den nächsten Bach zu überqueren, dieses Mal jedoch über eine bessere 'Brücke', die aus einem zwar rutschigen, jedoch sehr breiten Baumstamm bestand, wo man sich zusätzlich am darüber liegenden Geäst etwas festhalten konnte.



            Nach den zwei Überquerungen fanden wir uns auf einem breiten Kiesstrand wieder. Das Wetter hatte sich zwischenzeitlich verändert. Es hatte aufgeklart und war sehr warm. Unser Zelt und einige Klamotten waren von der letzten Nacht noch klamm-nass, zudem waren schon wieder einige Stunden seit dem Frühstück vergangen, sodass wir beschlossen, das warme Abendessen vorzuziehen und unsere Ausrüstung zu trocknen. Diese wurde auf dem gesamten Strandabschnitt verteilt und nahm wohl gute 50 m2 in Beschlag. Wir nahmen währenddessen ein Bad, wuschen die ersten Socken und Boxershorts und kochten Tortellini, die wir mit Tomatenmark und Gemüsebrühe verzehrten.



            Jetzt war wieder alles wunderbar. Der Baikal wurde für seine Großzügigkeit gepriesen und wir realisierten das erste Mal, wo wir eigentlich waren. Das Leben war wieder perfekt

            Während wir chillten, fielen uns das erste Mal die ganzen unbekannten Insektenarten auf. Alle waren selbst für Insekten irgendwie ziemlich hässlich und die meisten recht groß. Ein riesiger schwarzer Käfer war besonders aufdringlich. Wenn dieser angeflogen kam, hörte man ihn, bevor man ihn sah, ich verglich ihn oft mit einem Hubschrauber. Scheinbar scheint er Menschen beziehungsweise Textilien zu lieben. Er setzte sich immer auf ein Kleidungsstück und wenn man versuchte, ihn von diesem wegzuschnipsen, klammerte er sich mit aller Kraft am Gewebe fest. Er war so schwer zu lösen, dass ich annehme, er hat irgendwelche Widerhaken an den Beinen.





            Nachdem wieder alles eingepackt war, was wieder recht lange dauerte, gingen wir weiter. Leider hatte einer aus unserer Gruppe ziemliche Probleme mit dem Magen-Darm-Trakt, weswegen wir nicht allzu schnell vorankamen. Es ging weiter an der Küste entlang. Das Laufen auf den Kieselsteinen, die mal klein wie Wachtel- und mal groß wie Straußeneier waren, war anstrengend. Besonders blöd fand ich, dass die Füße unterschiedlich belastet wurden, weil immer leicht am Abhang ging und rechts auf diesem Untergrund mehr wegrutschte als links. Auch das war ein Grund dafür, dass wir an allen Tagen nicht allzu weite Strecken zurücklegten, obwohl wir kaum Steigungen zu bewältigen hatten.





            Das war jedoch alles vollkommen okay, weil wir so viel Zeit eingeplant hatten. Zeitweise ging es auch auf Trampelpfaden durch den Wald und sogar ein Geröllfeld wie man wir es aus Schweden kannten, musste mit großen Schritten übersprungen werden.







            Auch aufgrund des Gesundheitszustandes des Angeschlagenen planten wir an diesem Tag, nicht mehr lange zu laufen. Bald fanden wir leicht erhöht einen idealen Zeltplatz. Er war direkt über einem Abhang, aber eben, nah am Ufer und dem Wind ausgesetzt, weswegen wir hofften, dass sich das Mückenproblem der letzten Nacht minimieren ließe. Diese waren den Tag über größtenteils kein so großes Problem mehr; manchmal wurde man sogar bis zu 30 Minuten vollkommen verschont. Auch ein Kochfeuer konnte auf dem Kiesstrand entfacht werden, ohne großen Schaden anzurichten. Da wir zudem nicht wieder so spät einen Zeltplatz suchen wollten, entschieden wir uns, einfach an diesem Ort zu bleiben. Die schon angesprochene Arbeitsteilung wurde umgesetzt, sodass der Teig bald gehen konnte, das Zelt an diesem Tag wie gewohnt wie eine 1 stand und nur der Angler beim Angeln eingedöst war, sodass kein Fisch auf unserem Teller landete. Das sollte noch öfters so geschehen :P.







            Wir genossen das Wetter und die Aussicht auf den See und eine komfortable Nacht. Gegen späten Abend, während wir noch unser Fladenbrot im Deckel des Topfes 'buken', tauchte dann eine neue Art von Mücken auf. Zuvor wurden wir hauptsächlich von Moskitos gestochen; die neuen Tiere waren winzig, schwarz und schienen eher zu beißen als zu stechen.







            Trotzdem verharrten einige noch einige Zeit eingepackt draußen, während ich mich ins Zelt zurückzog, mich daheim meldete und noch etwas las. Zum Handyempfang ist zu sagen, dass man manches Mal wenig Empfang hatte; zum Telefonieren hätte es nicht gereicht, SMS konnte man ab und zu versenden.

            Wir brachten das Essen wieder in Sicherheit und verbrachten eine ereignislose und erholsame Nacht, wobei der Balkan uns durch das Rauschen der Wellen in den Schlaf sang, was ich in den kommenden Tagen immer genossen habe.



            6. August: Unser Glück hält an

            Direkt nach dem Aufstehen wird aufgeräumt und zusammengepackt. Wir stehen meistens so gegen 9 auf, brauchen dann aber ewig, bis wir fertig sind, was nicht an unserer Unfähigkeit oder dem vielen Gepäck lag, sondern eher unserer Trägheit. Oft kam es vor, dass es fast eine Stunde dauerte von dem Zeitpunkt an, als ich als erster fertig mit Packen war, bis wir losliefen. Wenn man so viel Zeit hat, nimmt man sie sich eben auch und Chillen können wir, da wir alles Studenten sind, zwischen dem 3. und 15. Semester :P





            Nachdem wir es dann endlich geschafft hatten loszugehen, mussten wir direkt nach dem Aufbruch wiederum einen Bach auf einer improvisierten Brücke überqueren. Danach verlief der Weg lange auf Kiesstrand direkt am Ufer entlang. Die Wegmarkierungen waren ausreichend dicht gesetzt, oft führte sowieso ein einziger Trampelpfad am Waldrand entlang und wenn dieser nicht vorhanden war, galt es einfach den Strand zu benutzen.





            Mir, der ich der Angeschlagene war, ging es mittlerweile wieder besser bzw. ich begann, mich mit meinem Schicksal abzufinden, ab und zu in den Büschen verschwinden zu müssen. Ich war es nur nicht mehr gewohnt, krank zu sein. Die letzten Jahre war ich unbesiegbar, hab mich wenige Wochen vor unserer Reise dann doch bei meiner Freundin mit einer Erkältung angesteckt, mir aber trotzdem die letzte Tollwut-Impfung geben lassen, da das medizinische Fachpersonal des Tropeninstitutes meinte, dass eine leichte Erkältung kein Hindernis sei; das warf mich völlig aus der Bahn und zerschoss mein Immunsystem völlig, womit ich bis heute zu kämpfen habe. Doch genug des Jammerns, denn es beeinträchtigte die Tour nicht wesentlich.











            Nach wenigen Stunden des Wanderns fanden wir einen vorgelagerten Felsen im See, welcher uns der perfekte Pausenplatz zu sein schien. Dort verzehrten wir unser Mittagessen, bestehend aus den schon erwähnten Nahrungsmitteln und dem Brot, das wir am vorherigen Abend endlich planmäßig backen konnten. An diesem Tag war die Brandung auch wieder recht stark, sodass während unserer Mahles unser Felsen die ganze Zeit leicht schaukelte.







            Nach der Mittagspause ging es bald in Wald hinein. Dort ging es teilweise durch sehr hohes (Schilf-)Gras, was mich irgendwie an Bilder aus Südostasien erinnerte bzw. an Rambo II :P Im Wald fanden wir eine Hütte, die relativ intakt zu sein schien. Nach genauerer Betrachtung der außen herumliegenden Utensilien vermuteten wir, dass zurzeit jemand sogar jemand darin wohne, gerade war aber keine Spur von einem Menschen; vielleicht war der Bewohner gerade jagen oder Wasser holen, auf jeden Fall meldete sich niemand. Wir wanderten also weiter und wurden zurück an die Küste geführt.









            Der restliche Tag sah so aus, dass wir immer wieder zwischen Küste und Wald wechselten. Gegen späteren Nachmittag kamen wir zu einer weiteren Hütte, die scheinbar auch für Wanderer gedacht war. Wir lasen, dass Baikalplan e.V. wohl etwas mit ihrer Errichtung zu tun hatte und auch vor Kurzem hier noch ein Work-Camp stattfand, das ein 'Klohäuschen' hervorgebracht hatte. Die Hütte war zwar nicht zum Nächtigen geeignet, da sie im Inneren leicht vermodert und verdreckt war - 7-8 Monate Kälte, Nässe und Schnee tun einer Holzhütte, die nicht dauerhaft bewohnt und beheizt ist, einfach nicht gut -, trotzdem war es ein schöner Platz, da genügend Raum war, um unser Zelt zu stellen und am Strand unten sich sogar eine Feuerstelle befand mit Überbau und Haken, um einen Topf über das Feuer zu hängen. Sogar Sitzgelegenheiten waren um die Feuerstelle herum angeordnet, von wo aus die Aussicht spektakulär war.







            Wir beratschlagten kurz, was wir tun sollten, da es erst Nachmittag war und am nächsten Tag die Frolikha-Überquerung anstand. Dieser zwischen 50 und 70 Meter breite Fluss muss entweder mit einem selbst gebauten Floß überquert werden oder man muss warten, bis ein Boot vorbeikommt. Wir wussten, dass je nach Wetter die Strömung auch nicht zu vernachlässigen sei, wenn wir sie aus eigener Kraft überqueren wollen, oder die Möglichkeit bestand, dass wir geraume Zeit warten müssen, bis der auf der anderen Seite wohnende Jäger, der auch Parkverwalter ist, auf uns aufmerksam wird oder ein Ausflugsboot vorbeikommt. Wir hatten auch einmal angedacht, ein Packraft mitzunehmen und daheim Versuche mit alten Traktorreifen gestartet, worauf ein Mitarbeiter des Outdoorshops unseres Vertrauens gebracht hatte, da er das bei einem bekannten Abenteurer, dessen Namen ich leider vergessen habe, gesehen hatte. Beide Möglichkeiten wurden wieder verworfen; wir wollten uns auf das Glück verlassen oder ein Floß bauen, wozu wir das Seil mitgebracht hatten, auf dem wir wenigstens unsere Rucksäcke trocken auf die andere Seite bringen konnten.

            Auf Grund all dieser Tatsachen, wäre es auch sinnvoll gewesen noch weiter zu laufen, um den ganzen darauffolgenden zur Lösung des Problems zu haben. Allerdings war der Platz wirklich wunderschön und wir konnten im Notfall auch noch einen Tag an der Frolikha opfern, da wir unser Tempo ja noch beliebig steigern zu vermochten. Also blieben wir dort, stellten in Ruhe das Zelt, setzten Teig an, wuschen einige Klamotten, die dann auch noch ein paar Stunden trocknen konnten und vor dem Schlafengehen dann in die Hütte verlagert wurden, sodass diese auch noch zu etwas gut war.







            Es tat unseren Seelen gut, den ganzen Nachmittag zum Baden, Fotografieren, Dösen, Schnitzen und Reden zu haben, sodass bei mir totales Urlaubsfeeling aufkam und ich komplett tiefenentspannt war. Am Abend kochten wir über dem Feuer schon wieder Tortellini, die wir wegen des hohen Gewichts schnell loshaben wollten. An die Rucksacklast hatten wir uns mittlerweile zwar gewöhnt, jedoch schadete etwas weniger Gewicht auch nicht. Immer wieder fuhren Boote vorbei und irgendwann kamen Fischer, die ihre Netze in unserem Blickfeld spannten. Ihr geschäftiges Treiben und lautes Reden begleitete uns viele Stunden und war bis tief in die Nacht hörbar; irgendwie unwirklich in dieser Gegend.







            So ließen wir den Tag entspannt ausklingen und gingen wieder nicht allzu spät schlafen, als die Mücken uns schon wieder eine Weile mit ihrer Anwesenheit erfreut hatten. Am nächsten Tag hieß die große Hürde Frolikha, was uns aber nicht sehr beunruhigte. Gott liebt coole Menschen :P

            Zuletzt geändert von I3eren; 16.11.2012, 18:16.
            "Die Nacht war kalt und sternenklar,
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            Joachim Ringelnatz - Logik

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            • utor
              Erfahren
              • 30.06.2006
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              #7
              AW: [RU] Baikalsee - Frolikha Adventure Coastline Track und Olchon

              super unterhaltsam geschrieben, weitermachen!
              "Dinge, die wie Dinge aussehen wollen, sehen manchmal mehr wie Dinge aus, als Dinge." TP
              ----
              fotos vom draussen.

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              • I3eren
                Anfänger im Forum
                • 24.06.2011
                • 39
                • Privat

                • Meine Reisen

                #8
                AW: [RU] Baikalsee - Frolikha Adventure Coastline Track und Olchon

                Tatsächlich hatten wir, wie ihr sehen könnt, auch wir die meiste Zeit wunderbares Wetter, auch wenn es auf der anderen Uferseite bei Sewerobaikalsk meistens schlechter aussah, wenn man denn hinüberschauen konnte
                Zuletzt geändert von I3eren; 16.11.2012, 18:08.
                "Die Nacht war kalt und sternenklar,
                Da trieb im Meer bei Norderney
                Ein Suahelischnurrbarthaar."
                Joachim Ringelnatz - Logik

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                • I3eren
                  Anfänger im Forum
                  • 24.06.2011
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                  #9
                  AW: [RU] Baikalsee - Frolikha Adventure Coastline Track und Olchon

                  Zitat von utor Beitrag anzeigen
                  super unterhaltsam geschrieben, weitermachen!
                  Dein Wunsch wurde umgehend erfüllt ;)
                  Zuletzt geändert von I3eren; 16.11.2012, 18:07.
                  "Die Nacht war kalt und sternenklar,
                  Da trieb im Meer bei Norderney
                  Ein Suahelischnurrbarthaar."
                  Joachim Ringelnatz - Logik

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                  • Rattus
                    Lebt im Forum
                    • 15.09.2011
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                    #10
                    AW: [RU] Baikalsee - Frolikha Adventure Coastline Track und Olchon

                    Toller Bericht, spannend, mit interessanten und witzigen Fotos! Süß, das Weihnachts- äh... Bärenglöckchen am Nadelbaum. War das Springkraut auf dem einen Foto?? Wenn ich die ganzen Mückenberichte so lese ... ich glaube, mich würden sie fertigmachen, die kleinen noch eher als die mausgroßen
                    Das Leben ist schön. Von einfach war nie die Rede.

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                    • I3eren
                      Anfänger im Forum
                      • 24.06.2011
                      • 39
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                      #11
                      AW: [RU] Baikalsee - Frolikha Adventure Coastline Track und Olchon

                      Zitat von Rattus Beitrag anzeigen
                      War das Springkraut auf dem einen Foto??
                      Das kann ich dir leider nicht beantworten; meine botanischen Kenntnisse beschränken sich auf heimisches Gemüse, das man auf dem Markt auch kaufen kann. Ich hoffe, dass jemand auszuhelfen vermag?!
                      Zuletzt geändert von I3eren; 16.11.2012, 18:07.
                      "Die Nacht war kalt und sternenklar,
                      Da trieb im Meer bei Norderney
                      Ein Suahelischnurrbarthaar."
                      Joachim Ringelnatz - Logik

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                      • Libertist
                        Fuchs
                        • 11.10.2008
                        • 2064
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                        • Meine Reisen

                        #12
                        AW: [RU] Baikalsee - Frolikha Adventure Coastline Track und Olchon

                        Eigentlich hält sich mein Interesse an Reiseberichten im Allgemeinen sehr in Grenzen, aber das hier habe ich zur Abwechslung wirklich mal gelesen. Und ich find's klasse, dass ihr so eine Reise mit eher unkonventionellem Ziel unternommen habt, wirklich! Ihr seht alle noch recht jung aus - umso bemerkenswerter, dass ihr es euch zutraut, so eine Russland-Reise (auch, wenn es sich hier um eine Wander-Region handelt) selbstständig vorzubereiten und durchzuführen. Freut mich immer wieder zu sehen, dass sich auch (andere) junge Studenten die Zeit und das Geld für Reisen nehmen, die in entlegene Gebiete führen. Ihr traut euch selbst etwas zu - spitze, weiter so!

                        Wahrscheinlich wirst du im Verlauf bzw. am Ende des Berichts noch darauf eingehen, aber: habt ihr vor, noch tiefer ins "Wildnisreisen" einzutauchen? Gerade Russland bietet ja unendlich viele Möglichkeiten, wenn man erstmal bereit ist, ins weglose Gelände vorzudringen. Mich würden da eure konkreten Ideen für die nahe Zukunft interessieren.

                        Was mir in dem Bericht etwas fehlt, ist die Vorstellung der Reisegruppe - sowas interessiert mich eigentlich immer am meisten. Also, wer seid ihr, wie alt seid ihr und so weiter. Mir macht es dann viel mehr Spaß, einer Geschichte zu folgen - eine gewisse Distanziertheit kann ich ja verstehen, aber warum muss man denn so völlig anonym sein ("Ich und eine weitere Person, nennen wir sie einfach Hermann...")?

                        Du schreibst, ihr hattet "sehr gute Kameras" dabei - welche denn?
                        Regelmäßige Updates auf Facebook: Outventurous || Galerie und Weltkarte gibt's auf der Outventurous Webseite.

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                        • I3eren
                          Anfänger im Forum
                          • 24.06.2011
                          • 39
                          • Privat

                          • Meine Reisen

                          #13
                          AW: [RU] Baikalsee - Frolikha Adventure Coastline Track und Olchon

                          Hallo Libertist,

                          ich habe meine Reisebegleiter und mich nicht vorgestellt, da ich kein großer Fan der Datensammelmaschinerie bin, jedoch habe ich noch einmal darüber nachgedacht und da ich auch schon Bilder von uns hochgestellt habe, ist wohl auch nichts gegen ein paar Informationen einzuwenden; trotzdem benutze ich ihre Klarnamen nicht, einfach weil ich mich dann besser fühle.

                          Wir sind alle zwischen 22 und 27 Jahren alt, also ungefähr in deinem Alter.

                          Hermann und ich, Chris, was wirklich mein Name ist, sind seit der 5. Klasse befreundet. Er ist wie schon angedeutet aus dem bündischen Umfeld und hat mich in dieses nach und nach integriert, auch wenn ich mich darauf nie ganz festnageln ließ. Ich nehme an wenigen Veranstaltungen teil und wir gehen gemeinsam auf "Fahrt". Die "Fahrten/Reise-Kultur" in fremde Länder und die Natur gehört zur Tradition solcher Vereine.

                          Hermann studiert jetzt im Osten der Republik einen technischen Studiengang, eine weitere Leidenschaft ist aber die Kunst, weshalb er als Hobby und manchmal nebenberuflich zeichnet, malt und Graffitis sprayt. Ihn zieht es wohl mehr als mich auch regelmäßig in die Ferne, die Initiative zu diesem 'exotischen' Ziel ging schon hauptsächlich von ihm aus und ihn wird es wohl noch in so manche wilde Gegend und an außergewöhnliche Reiseziele führen. Er versteht gerne die Naturgesetze, denkt über Phänomene in der Natur nach, aber kann sich auch mit zweckfreien Betrachtung von natürlicher Schönheit begnügen. Er ist findig, organisiert, problemorientiert und das Kartenstudium macht ihm wie auch dir Spaß, was ihn für Wildnisreisen wohl prädestiniert.

                          Ich habe gerade vor wilden Gegenden und Orten, die weitläufig als nicht so sicher betrachtet werden, etwas mehr Respekt. Beispielsweise Südamerika oder Ostasien schrecken mich etwas ab, da ich glaube, dass man gerade in den Städten nicht sehr sicher ist. In der Natur fühle ich mich sicherer; ich würde mir schon auch Touren in wildere Gegenden zutrauen, allerdings nicht alleine. Man kann mich wohl schon als Schöngeist bezeichnen; bei Schwierigkeiten würden mir wohl oft die einfachsten Ideen nicht einfallen, weswegen ich findige Menschen wie Hermann brauche. Auch mein Orientierungssinn und Kartenverstand ist nicht allzu gut ausgeprägt, weswegen größere Solotouren nichts für mich sind, auch wenn ich psychisch damit umgehen könnte. Ich bin, wenn es verlangt ist, trotzdem überraschend zäh und kann mich selbst aus psychischen Löchern ziehen, wenn ich will und muss. Ich plane sehr viel voraus, weiß wie ich an Informationen und Quellen komme und das Recherchieren ist schon eine meiner Leidenschaften, die ich wohl auch etwas beherrsche, da ich in meinem Studium auch darauf zurückgreifen muss (Germanistik und Theologie).

                          Doch um abschließend auf die Frage nach weiteren Plänen einzugehen: Gerade ist nichts geplant. Hermann macht im Sommer seinen Bachelor und kann deswegen nicht auf so lange Sicht planen. Wir werden, wenn überhaupt etwas möglich sein wird, wohl eher spontan uns ein Ziel suchen, weswegen ein solches wohl nicht zu realiseren sein wird, das größere Planung verlangt. Russland ist ein super Reiseziel und es gäbe dort wohl noch einiges zu entdecken. Sibirien oder auch Kamtschatka fallen für mich persönlich im Sommer weg, da ich die Mücken auf lange Sicht nicht ertragen will, aber es ist nicht auszuschließen, dass uns dieses Land im Herbst einmal wiedersehen wird, da kältere Temperaturen kein Problem wären. Einer der Russen, die wir am Bärenstrand kennengelernt haben, hat uns seine Visitenkarte gegeben. Er organisiert Individualreisen und meinte, dass er uns als Guide durch den Ural, seine Heimat, führen könnte. Er war ein cooler Typ und könnte uns bestimmt helfen, unseren Traumurlaub zu organisieren. Sowas wäre eine Überlegung wert, wäre aber eben nicht ganz selbstständig organisiert. Ich schließe es aber auch nicht aus, dass wir in Zukunft krassere Dinge tun werden. Grönland oder Alaska reizt uns auch schon seit Jahren und irgendwann werden diese Fernziele noch erobert werden, wobei es auch gut möglich ist, dass es dann wegloser zugehen wird.

                          Also zusammenfassend: Gerade ist nichts geplant, Fernziele sind vorhanden, wir sind beide wohl zäh genug und auch die sonstigen Voraussetzungen für Wildnisreisen sind wohl vorhanden, ob der Wille dazu da ist, wird sich mit der Zeit zeigen; mehr kann ich dir im Moment dazu leider nicht sagen.

                          Auf die anderen bin ich bis jetzt wenig eingegangen. In den letzten Jahren war es so, dass die Initiative von Hermann und mir ausging und dann Reisebegleiter gesucht wurden, die dieses Mal allerdings auch aktiv an der Reiseplanung beteiligt waren, der eine mehr, der andere weniger.

                          Dabei war außer uns:

                          Shop: Er war unsere Stimme auf der Reise. Er ist größtenteils in Deutschland aufgewachsen, hat aber einen slawischen Migrationshintergrund, weswegen er russisch spricht. Hermann kennt ihn vom Zivi, ich kenne ihn, weil ich Hermann dort und auch in seinem Studienort besucht habe, wo auch Shop studiert. Shop ist für alles zu begeistern. Er ist von wirklich allem fasziniert, kann sich manchmal aber auch in der Faszination verlieren. Er ist etwas chaotischer Hermann und ich, meistens steckt hinter seinen Handlungen aber doch ein Plan. Er ist sehr kontaktfreudig, noch mehr als wir, die wir auch nicht gerade als schüchtern zu bezeichnen sind. Er interessiert sich für Fotografie.

                          Der Turner: Er hat kurz vor der Reise sein Diplom in Mathematik abgeschlossen (Man beachte den Abschluss, um daraus abzulesen, wielange er studiert hat und wie alt er ist :P), weswegen er sich an der Planung nicht allzu sehr beteiligen konnte. Er zeichnet sich durch eine ruhige Art aus, geht alles sehr entspannt an, aber doch auch wirklich gründlich. Hermann und ich kennen ihn, da er im gleichen Bund wie jener ist, schon damals mit uns auf den Lofoten war und man ihn oft bei den bündischen Veranstaltungen sieht, da er dort mittlerweile eine führende Rolle hat. Oft meinte er, dass wir fast zu laut seien, um diese wunderbare Welt während der Wanderung ins uns aufzunehmen, weswegen öfters der Spruch kam: "Manne, kucket au die Landschaft oa".

                          Wir vier haben alle, um es euphemistisch auszudrücken, ein gesundes Selbstvertrauen. Oft gab es Diskussionen über die richtige Vorgehensweise oder der andere wurde vorsichtig kritisiert. Zeitweise war der ein oder andere vielleicht sogar etwas beleidigt, aber nach kurzem Nachdenken darüber war das Gefühl verflogen und man hatte sich wieder lieb, weil man musste, aber vor allem weil wir uns wirklich mögen.

                          Der Schwimmer: Er war der fünfte im Bunde. Er war derjenige, der in unserer Gruppe am meisten in sich ruhte. Er war beständig gutgelaunt, beschwerte sich selten, hielt sich dabei tadellos und beruhigte auch so manches Mal ein Gemüt. Er studiert mit Hermann, weswegen ich ihn von meinen Besuchen auch schon kannte. Man kann ihn eigentlich nur mögen. Das Schlimme ist, dass man über die besten Menschen meist am wenigsten sagen kann, aber ich belasse es dabei.

                          Die Antwort auf die Frage nach den Kameras muss ich verschieben, da ich selbst nur eine Digi-Cam dabei hatte (meine Spiegelreflex war mir zu schwer, zumal Shop und der Schwimmer eine dabei hatten und irgendjemand auch die Knipsereien übernehmen musste, anstatt eine Landschaft aus einem etwas anderen Winkel zu verschieben). 'Sehr gut' ist natürlich relativ; es handelt sich um eher günstige klassische Einsteigermodelle in Art der Sony Alpha 380 oder Canon Eos XY.. Ich werde mich informieren und melde mich die Tage nochmal

                          Gruß Chris
                          Zuletzt geändert von I3eren; 19.11.2012, 14:54.
                          "Die Nacht war kalt und sternenklar,
                          Da trieb im Meer bei Norderney
                          Ein Suahelischnurrbarthaar."
                          Joachim Ringelnatz - Logik

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                          • I3eren
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                            • 24.06.2011
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                            #14
                            AW: [RU] Baikalsee - Frolikha Adventure Coastline Track und Olchon

                            7. August: Russische Lebensart - Fisch und Vodka

                            Während des Zusammenpackens fuhr ein Boot an unseren Strand heran. Wir erkannten schnell, dass es einer der Fischer der letzten Nacht war. Nach einer kurzen Unterhaltung schenkte er uns 10 fangfrische Omule. Wir sehr dankbar dafür, da unsere Kost ohne solche Geschenke des Sees oder der Menschen - da unser Angler dem See nichts abtrotzen konnte, wobei man ihm auch zugestehen muss, dass er es nicht oft versuchte, weil auch selten gute Stellen von Ufer aus erreichbar waren -doch eher eintönig war, auch wenn wir in diesem Jahr etwas großzügiger eingekauft hatten, sodass niemand auf der Wanderung Hunger hatte wie das in Schweden der Fall gewesen war. Zum Dank wollten wir ihm etwas Schnaps geben, den wir eigentlich für genau solche Zwecke eingeführt hatten, jedoch war auch er Antialkoholiker. Sowieso waren die Russen vom mitgebrachten Kräuterschnaps auch später nicht begeistert; der hatte ihnen wohl zu viel Eigengeschmack. Wir hätten wohl besser wieder einen selbstgebrannten Zwetschgenschnaps einpacken sollen, denn der wäre wenigstens durchsichtig gewesen, weshalb vielleicht eine Chance bestanden hätte, ihnen diesen anzudrehen. Na ja: "wer ned will, hat scho kett".



                            Uns stellte sich jetzt noch die Frage, wann wir dazu kämen, den Fisch zu verarbeiten und wie wir bis dahin verhindern, dass er verdirbt, da es an dem Tag doch recht warm war (so um die 25 Grad Celsius). Doch gerade das nutzen wir aus. Wir wickelten den Fisch in mehrere Schichten Textilien, banden diese zu einem Beutel, den man gut tragen konnte, und tränkten das Bündel im Laufe des Tages immer wieder mit Wasser; die Verdunstungskälte hielt den Fisch wirklich richtig kühl. So versuchten wir später auch Vodka zu kühlen. MacGyver hat uns einiges gelehrt

                            Die ersten paar Kilometer führten oben an der der Steilküste entlang. Um auf den Weg zu gelangen, mussten wir zuerst um die 30 hm (ja, lächerlich) steil eine Böschung hochklettern, um genauso schnell wieder 20 hm zu verlieren und dann eine ganze Zeit über dem See zu bleiben.







                            Während des Begehens dieses 'Höhenweges' entdeckten wir plötzlich einige Unebenheiten auf der sonst spiegelglatten Wasseroberfläche, die ich erst für Steine hielt, doch sie bewegten sich. Es waren Nerpas, Baikalrobben, die einzigen Robben, welche ausschließlich im Süßwasser leben. Wenn man Wikipedia glauben darf, halten sie sich eigentlich im Sommer hauptsächlich im Süden des Sees auf, aber wir hatten auch im Norden das Glück. Regungslos verharrten wir an Ort und Stelle, nur Shop bemerkte nichts, schwatzte munter vor sich hin und bewunderte ein Grab- oder Denkmal. Doch auch er verstand irgendwann unsere Gesten und leisen Zurufe, sodass die Robben sich von uns nicht gestört fühlten, weitere aus dem Wasser auftauchten und auf einen herausragenden Stein robbten :P Wir schossen zahlreiche Fotos, die leider alle von starkem Zoom zeugen, da wir uns schon in einiger Entfernung befanden und niemand das passende Objektiv auf der Kamera hatte. Shop versuchte, sich näher heranzupirschen, irgendwann bemerkten sie das jedoch und zogen sich zurück, weshalb wir es ihnen gleich taten. Beim Weglaufen sah ich, dass dieser Zustand bei ihnen nicht lange anhielt und sie sich schon wieder auf den Stein zu bewegten, um ihr Sonnenbad fortzusetzen.















                            Wir kamen wieder auf die Höhe des Sees, fanden das erste Mal Zirbelkieferzapfen, deren 'Nüsse' wir auch gleich probierten. Sie schmecken echt gut, es benötigt jedoch auch etwas Fummelei, bis man beim essbaren Teil angelangt ist. Vom Strand aus konnte man die Buchten und Landzungen sehen, welche wir in den letzten Tagen umlaufen hatte ("Es ist nur noch eine Biegung"). Die Frolikha rückte immer näher und somit auch unsere Gedanken an ihre Überquerung, aber es war erst früher Nachmittag und wir hatten noch lange Tageslicht.



















                            Der Küstenabschnitt kurz vor der Einmündung des Flusses in den See ist ein kilometerlanger Sandstrand. An dessen Beginn machten wir noch eine Pause und beratschlagten, wie wir die Sache nun angehen wollten. Dabei genossen wir eine einmalige Aussicht. Vor uns lag eine weite Ebene, wohl auch Ergebnis des Flussdeltas, und hinter dieser eine gewaltige Gebirgskette, deren Berge für mich schon beeindruckend aussahen. Wir riefen uns in Erinnerung, dass in diesem Gebiet niemand lebte und fragten uns, wie viele Bären wohl in den Bergwäldern umherstreiften. Man fühlte sich klein und unbedeutend und doch durfte man an der Natur teilhaben und diese ehrfurchtsvoll betrachten.











                            Im Nachhinein frage ich mich, warum wir den folgenden Plan beschlossen, aber es passierte nun mal so und damals erschien er uns ganz sinnvoll. Zwei blieben an Ort und Stelle, um die Fische auszunehmen und bratfertig zu machen, damit wir sie notfalls noch auf dieser Seite zubereiten konnten, falls wir keine Möglichkeit fanden, den Fluss noch am selben Tag zu überqueren, die anderen drei liefen ohne Rucksack zum Fluss und sollten die Lage auskundschaften. Der Strand war wie gesagt über einen Kilometer lang und bestand aus feinkörnigem Sand. Das Laufen ohne Rucksack war jedoch so angenehm, dass wir trotzdem bald das Ende und somit den Fluss erreichten.







                            Evgenij hatte uns gesagt, dass wenn man laut genug rufe, der Jäger einen höre und abhole. Allerdings war es an diesem Tag auf der offenen Fläche so windig, dass das himmlische Kind unsere Rufe sofort schluckten. Wir sahen die Jägerhütte auch nicht direkt, sondern nur eine Fahne, welche in schon einiger Entfernung über den Baumwipfeln wehte. "Never ever hört der uns", waren unsere Gedanken. Trotz Wind war die Strömung einigermaßen ruhig, sodass wir schon den Plan fassten, dass einer im Notfall rüber schwimme und den Jäger so benachrichtige. Bis zur Ausführung dieses Plans war jedoch noch etwas Zeit, da unsere Rucksäcke und unsere zwei Reisegefährten noch in weiter Ferne waren. In unmittelbarer Nähe befand sich schon eine Feuerstelle und genügend Treibholz lag auch herum. Deswegen beschlossen wir, dass unser 'Russe' hier bleibt, ein Feuer macht, der Jäger vielleicht so auf unsere Anwesenheit aufmerksam wird, vorbeikommt und Shop mit ihm das Organisatorische klärt, während wir die Rucksäcke holen und den anderen Bescheid sagen. So verfuhren wir.



                            Ich und der spätere Schwimmer, um das schon einmal vorauszunehmen, liefen zurück, entdeckten dabei am Strand einen großen Schlitten, was mich sehr erheiterte. Die anderen überzeugte unsere Argumentation, weswegen wir uns mit unseren Rucksäcken auf dem Rücken und dem Shops zwischen uns auf den Weg zur Frolikha machten, während die beiden noch die verbliebenen drei Fische ausnahmen, um dann in wenigen Minuten nachzukommen und gegebenenfalls den Rucksack aufzusammeln, falls er uns mit der Zeit zu schwer geworden wäre.



                            Das Tragen eines 20 kg schweren Rucksackes zum eigenen Gewicht hinzu über einen kilometerlangen Sandstrand ist tatsächlich auf lange Sicht nicht allzu angenehm. Zwar wechselten wir alle paar Minuten die Seiten, sodass die Belastung auf unsere Oberarme und Hände gleichmäßig verteilt wurde, allerdings schnitten die Träger gegen Ende doch tief in die Handflächen ein und die Arme wurden irgendwann schwer. Aber wiederum will ich nicht jammern, es ging irgendwie und wir kamen an. Die anderen waren noch nicht aufgebrochen, das Feuer schwelte noch, allerdings war sehr viel Brennstoff verbraucht worden, da der Wind es kräftig anfeuerte (Wortspiel :P).



                            Vom Jäger war noch keine Spur zu sehen, jedoch tauchte am Horizont ein Schiff auf, das ich jedoch erst für zu groß hielt, als dass es in unserer Bucht halten können. Mit der Zeit zeigte sich, dass es schon eine beachtliche Größe hatte und zu groß war, um uns über den Fluss zu bringen, jedoch nahmen wir an, dass es auch ein Beiboot haben könnte. Tatsächlich legte es in der nächsten Bucht an. Der vorher schon angedachte Plan nahm Gestalt an. Unser Triathlet erklärte sich bereit, durch den Fluss zu schwimmen und die Leute zu fragen, ob sie uns helfen könnten oder den Jäger in seiner Hütte aufzusuchen. Da er nur wenige Brocken Russisch beherrscht, schrieb ihm Shop einen Zettel, auf dem alles erklärt wurde. Dieser wurde mit Klamotten in unserem Ortlieb-Duschsack verwahrt. Unser Held band sich den Sack mit einem Seil um den Rücken und war bereit die Reise anzutreten. Mittlerweile waren auch die zwei Fischvorbereiter angekommen.

                            Wir schauten unserem Gesandten zu, wie er den Fluss rasend schnell durchschwamm, sich anzog und in die Ferne davon joggte; es fehlte ihm jetzt nur noch sein Fahrrad, um glücklich zu sein. Für uns hieß es warten. Da war jedoch nicht allzu tragisch, da die Aussicht immer noch so grandios war und auch das Jagen und Spiel der Vögel fesselte. Die schwebten lautlos über den Fluss, um sich dann plötzlich scheinbar ziellos ins Wasser zu stürzen und mit einem Fisch aufzutauchen. Unser Angler wurde ob dieses Erfolges offensichtlich neidisch. Gelernt ist gelernt.





                            Nach einiger Zeit tauchte ein kleines Schlauchboot am Horizont auf, darin zwei Gestalten, die beide nicht als unser Gesandter zu identifizieren waren. Hatten sie ihn etwa gemeuchelt und kamen nun, um uns Ähnliches anzutun? Natürlich nicht. Sie berichteten uns, dass er heil angekommen sei und auf der anderen Seite auf uns warte. Ohne jegliche Bezahlung zu verlangen oder anzunehmen (wieder haben sie unseren Schnaps abgelehnt und meinten nur, dass sie selbst genügend Vodka hätten) brachten sie uns mit zwei Fahrten ans andere Ufer. Wir versuchten auf Russisch auszudrücken, wie wunderbar die Landschaft sei, scheinbar verstanden sie es auch. Bei dieser Konversation blieb es von meiner Seite aus, da ich einfach zu wenig Vokabeln beherrschte, als dass ich sie mehr hätte fragen können als nach ihren Namen, ihrem Wohnort, ihrem Alter und dem Namen ihrer Mutter :P Wir bedankten uns also sehr herzlich und schon waren sie wieder weg.
                            Am Horizont sahen wir auch schon unseren Gesandten antraben, um seinen Rucksack aufzunehmen. Als er näher kam, dachte ich mir schon, dass er irgendwie komisch aussehe. Sofort erzählte er, dass die Bedingung für unsere Rettung gewesen sei, dass er bis zu unserer Ankunft mit der restlichen Schiffsbesatzung Wodka trinken müsse. Was tut man nicht alles für die Gemeinschaft? :P Er hatte also schon 5 Gläser Schnaps trinken müssen und bekam eine wohlschmeckende Suppe, was aber auch fast die einzige Nahrung des bisherigen Tages war, weswegen der Alkohol seine Aufgabe hervorragend erfüllte. Ich grämte mich, dass ich nicht selbst der Triathlet war, sondern Sportarten betrieb, welche mir hier keine Suppe und keinen Schnaps einbrachten. Zur Belohnung seiner Strapazen bekam er wenigstens noch eine Flasche Wodka aus ihrer Schatzkiste, welchen wir am Abend zusammen trinken konnten. Die Gruppe hatte das Boot mit Kapitän und Smutje / Mädchen für alles gemietet, um durch den Baikalsee zu fahren, zu angeln und vor allem kräftig zu trinken, weswegen sie wirklich eine große Kiste voll mit Wodka an Bord hatten.





                            Wir liefen zur Hütte des Jägers, neben der ein offizieller Lagerplatz war, wo wir unser Zelt aufschlagen konnten, da uns die an diesem Tag zurückgelegte Strecke genug war. Auch dort waren zwei Bauten, welche für Wanderer gebaut worden waren und gebaut wurden. Wir wollten uns doch irgendwie bei unseren 'Rettern' bedanken und brachten ihnen noch etwas Jerkey vorbei, wobei ich annehme, dass sie es eher als Köder verwendeten als aßen, da unser selbst-gedörrtes Jerkey irgendwie bei allen Russen nicht so wirklich ankam, obwohl es sehr delikat war.

                            Der Jäger, dessen Zahnpracht übrigens an einer Hand abzuzählen war, was im krassen Gegensatz dazu stand, dass er sich anscheinend sehr nach weiblicher Gesellschaft sehnte, weil direkt auf die Begrüßung die Frage gestellt wurde, warum wir denn keine Frauen dabei hätten, war auch irgendwann eingetroffen und kam kurz seiner Aufgabe als Parkwächter nach, indem er unsere Registrierung überprüfte und die Anglergruppe tadelte, weil mittlerweile ein Teil ihrer Gemeinschaft mit den Schlauchbooten die Frolikha hinauffuhr, um zu angeln, was allerdings nicht erlaubt war. Ihn erboste scheinbar aber nicht die Überschreitung des Verbotes, sondern viel mehr, dass er jetzt den Stress habe, dies zu sanktionieren. Die Sanktionierung bestand aus einem lächerlichen Bußgeld, was mich als Angler eher belustigt als abgeschreckt hätte, zumal uns später berichtet wurde, dass sie einen riesigen Hecht gefangen hatten.



                            Abends konnten wir endlich unseren Fisch grillen und mit dem erneut gebackenen Brot verspeisen, sodass wir unseren Kocher wieder nicht einsetzen mussten, der bisher auch fast nur sein Dasein im Rucksack fristete. Wir tranken unseren kühlen Wodka, den wir auf dieselbe Weise gekühlt hatten wie den Fisch.





                            Als wir schon langsam darüber nachdachten, nun in die warmen Schlafsäcke zu kriechen, da die Mückendichte auch wieder erheblich zunahm, hörten wir einen schwankenden Schritt auf dem Kiesstrand. Der Smutje tauchte schon deutlich angeheitert auf und hielt in der Hand eine weitere Flasche Wodka. Natürlich erwachten unsere Lebensgeister wieder und der Wille, die Plagegeister zu ertragen, nahm zu, da wir schließlich ja auch etwas von der russischen Kultur mitnehmen wollten und wie ginge das besser als beim Trinken mit den Ortsansässigen?

                            Wir setzen uns ans Feuer, tranken und redeten. Der Smutje kam in Stimmung und erzählte Anekdoten und Witze, die ich euch nicht ganz vorenthalten will. Er war jahrelang Scharfschütze bei der Armee. Stolz erzählte er von seinem ehemaligen Leben, auch wenn ich denke, dass er etwas übertrieben hat, als er davon berichtete, dass er beispielsweise eine Prüfung absolvierte, bei der man einen 50kg schweren Rucksack über 30 km tragen müsse und danach noch diverse Fitnessübungen mit diesem absolvieren, wobei er fantastische Zahlen an Liegestützen und Klimmzügen nannte, aber ein bisschen Wahrheit wird natürlich drinstecken. Auf die Frage, warum er denn aus der Armee ausgeschieden sei, die wir stellten, da er von dieser Zeit mit Stolz und Freude erzählte, antwortete er "Familie", für die er jetzt sorge, indem er im Sommer auf diesem Boot arbeite, wodurch er seine Familie jedoch auch selten sah, und im Winter in verschiedenen Restaurants kellnere. Das Wappen seiner Einheit hatte er aber am Oberarm tätowiert, was wir sahen, als er irgendwann typisch russisch sein Oberteil auszog und seinen Oberkörper zur Schau stellte. Man sah ihm an, dass er einmal sehr viele Muskeln gehabt hatte, aber leider unsauber abtrainiert hatte, weswegen er jetzt eher aussah wie ein Bär vor dem Winterschlaf.

                            Der Bär ist in der Taiga sowieso ein großes Thema. Sobald wir auf Menschen trafen, wurden wir sofort gefragt, ob wir Begegnungen mit dem Herren der Taiga gehabt hatten. Die Menschen berichteten wiederum selbst von Bärenbegegnungen in ferner Zeit, an anderen Orten oder von Rufen, die sie einmal im Wald gehört hatten. Ich denke, dass manche uns auch Angst machen wollten, der Respekt aber schon vorhanden war. Ein lustiges Sprichwort, was er uns erzählte, handelt auch vom Bären: "Was soll ich machen, wenn ich in der Taiga einem Bären begegne?" - "Schmier im Scheiße auf die Nase" - "Ja wo bekomme ich in der Taiga denn so schnell Scheiße her?" - "Darauf wirst du eine Antwort bekommen, wenn du dem Bären begegnest" Er erzählte zudem noch den Witz vom Bären und dem schwulen Jäger, der immer absichtlich danebenschießt, aber den kennt man auch bei uns, weswegen ich ihn nicht wiederhole. So ging das eine Weile und auch Shop versuchte, einige deutsche Witze ins Russische zu übersetzen, um sich zu revanchieren.

                            Die Wodka-Flasche war schon längst leer, als er uns fragte, was wir denn von seinem Körper hielten. Halb im Scherz nannten wir ihn einen Bären, was dort ein Kompliment ist und so fasste er es auch auf. Darauf forderte er uns nacheinander zum Armdrücken heraus. 4 von 5 besiegte er mit Leichtigkeit, unserem Turner-Ass war er allerdings nichts gewachsen :P
                            So endete der Tag. Wir verschwanden alle leicht beschwipst in unseren Schlafsäcken, aber waren glücklich, auch diese Seite von Russland kennengelernt zu haben, auch wenn die Sprachschwierigkeiten den Abend leicht getrübt hatten; insgesamt war es jedoch ein toller Tag.
                            "Die Nacht war kalt und sternenklar,
                            Da trieb im Meer bei Norderney
                            Ein Suahelischnurrbarthaar."
                            Joachim Ringelnatz - Logik

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                            • elaso
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                              Fuchs
                              • 02.05.2007
                              • 1163
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                              #15
                              AW: [RU] Baikalsee - Frolikha Adventure Coastline Track und Olchon

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                              • I3eren
                                Anfänger im Forum
                                • 24.06.2011
                                • 39
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                                #16
                                AW: [RU] Baikalsee - Frolikha Adventure Coastline Track und Olchon

                                8. August: Der Baikal nimmt...

                                Schon in der Nacht regnete es immer wieder, aber ich habe beständig gehofft, dass es gegen Morgen wieder aufklart. Tat es nicht. So klingelte der gestellte Wecker, wurde aber nochmal neu gestellt, ein Resultat der allgemeinen Unlust, bei Regenwetter aufzustehen. Als auch beim erneuten Klingeln keine Besserung eingetreten war und ein Blick aus dem Zelt verhieß, dass es nicht besser werden sollte, rafften wir uns auf, packten alles zusammen, was wir schon in die Rucksäcke verstauen konnten, und quälten uns ins Freie. Dort sah es wirklich nicht allzu einladend aus. Es regnete beständig und vor allem tobte das himmlische Kind durch die Taiga. Dieser peitschte die Wellen so auf, dass von dem am Vortag ungefähr 5 Meter breiten Strand nun nur noch ungefähr ein halber übrigblieb. Das Wasserholen gestaltete sich dementsprechend schwer, sodass der Auserwählte äußerst nass wurde.



                                Nachdem auch der Zeltabbau gemeistert war, was auch bei Wind nicht gerade einfach war, da das Zelt ohne Spannung sich immer zum perfekten Segel entwickelt, frühstückten wir dann doch in der Hütte und machten uns vollends bereit zum Abmarsch. Schon währenddessen war der Jäger vorbeikommen und hatte gefragt, ob wir Medikamente für seinen Schwager hätten, der ihn gerade besuchte. Die geschilderten Symptome - starke Beschwerden beim Schlucken, Fieber und Schwäche - deuteten auf etwas Ernsteres hin, aber wir konnten nur ein paar antiseptische Halstabletten und Paracetamol erübrigen, worüber er jedoch auch sehr dankbar.

                                Der Patient kam kurze Zeit später selbst vorbei, wodurch sich unsere Abreise noch einmal verschob. Die Schwester des Jägers hatte anscheinend ein deutlich ansprechenderes Äußeres, denn es stellte sich heraus, dass ihr Mann ein wohlhabender Bänker aus Moskau war. Er war uns ebenfalls sehr dankbar, weswegen wir kubanische Zigarren geschenkt bekamen, die er aus dem Urlaub bei Fidel (oder mittlerweile Raul?), mitgebracht hatte. Zudem hatte er einen weiteren Omul dabei, nach dem uns eigentlich nicht so der Sinn stand, weil uns noch etwas flau im Magen vom gestrigen Wodka-Abend war oder auch weil wir uns am fettigen Omul komplett überfressen hatten. Da wir aus Höflichkeit allerdings nichts abschlagen wollten, probierten wir und vor allem ich war sehr überrascht. Ich bin nicht der allergrößte Fan von Salmoniden, in dieser Zubereitungsweise schmeckte er jedoch richtig köstlich, eine Offenbarung; der Fisch war gestern gefangen und über Nacht in reichlich Salz 'gepökelt' worden. Er berichtete noch kurz von seinen Abenteuern in der Taiga, die im Wesentlichen an die Ausflüge erinnerten, wie sie der User 'sibirier' uns hier stückweise serviert, bestand auf ein gemeinsames Abschiedsfoto, auch wenn wir uns gerade erst kennengelernt hatten, und dann marschierten wir in den Regen davon.

                                Eigentlich verlief der Weg auf dem Strand, von dem jedoch wie schon berichtet nicht mehr viel übrig war. So marschierten wir am oberen Rand und immer wieder schwappte etwas Wasser auf unsere Schuhe.



                                Nach kurzer Zeit begann der Sandstrand sich zu wandeln, wurde erst schmaler und verwandelte sich dann in felsiges Ufer. Wir mussten von Stein zu Stein springen, was eine rutschige Angelegenheit war. Wiederholt war die einzige Möglichkeit voranzukommen, zu warten bis eine Welle sich zurückzog, schnell auf einen freigegebenen Stein zu springen und dort wieder weg zu sein, bevor die nächste Welle kam; ich fühlte mich etwas wie der bekannte italienische Klempner, der schon Schnurrbärte trug, als die zahlreichen Hippster das noch nicht für sich entdeckt hatten (ist das momentan vielleicht modern, weil diese nun erwachsenen Mode'opfer' die Nintendo-Spieler von gestern sind? Man weiß es nicht!), und bekam spontan Lust, meine alte Konsole nach der Heimkehr wieder herauszusuchen

                                So ging es ungefähr einen Kilometer an der Küste entlang, was uns einige Zeit kostete, aber es machte Spaß und man fühlte sich wieder einmal so, als sei man wirklich auf einen 'Adventure Trail'. Irgendwann waren wir dessen dann doch überdrüssig, kletterten die Böschung links von uns hinauf und schlugen uns eine Weile durch das Gebüsch. Nach einiger Zeit bog der Weg dann ins Landesinnere ab, um eine Landzunge zu kreuzen. Dort mussten wir den ersten höheren Hügel 'erklimmen', was jedoch im Vergleich zu den Steigungen der letzten Urlaube wirklich lächerlich war. Oben angekommen ließen wir unsere Rucksäcke an einer Kreuzung zurück, um den 'Kamm' entlangzulaufen und den Aussichtspunkt an dessen Ende mitzunehmen. Vin diesem aus hatte man einen schönen Ausblick in den Süden, direkt vor unseren Füßen fiel eine Wand senkrecht ab, deren Abbruchkante so aussah, als könne man schnell in den 50 Meter darunter befindlichen Baikal rutschen; wir hatten Gott sei Dank die letzten Tage schon das ein oder andere Kilogramm verloren, sodass der Druck nicht hoch genug war
                                Nach dem Aufsammeln unserer Rucksäcke ging es wieder zum Ufer hinab ("Die guten Höhenmeter!"). Es hatte schon die ganze Zeit beständig geregnet und sollte an diesem Tag auch nicht mehr aufhören. Auch während unserer Mittagspause war das also der Fall, was sie deutlich verkürzt ausfallen ließ, obwohl sie so vielversprechend war, da wir auch noch einen gesalzenen Omul mitbekommen hatten, was mal wieder etwas Abwechslung in unseren Speiseplan brachte.



                                Nach der Mittagspause verlief der Weg erst durch einen Birken- und Kiefern-Wald. Dort bot sich ein faszinierender Anblick; der Wald war zweigeteilt. Auf der einen Seite stand er in vollem Saft, sodass die verschiedensten Grün-Töne ein buntes Bild abgaben, auf der anderen Seite einer Schneise, in der auch der Weg verlief, war er Opfer eines Taigabrandes geworden, von dem er sich bisher nicht erholen konnte. Wir spekulierten, ob die Schneise zum Zwecke, den Brand aufzuhalten, geschlagen worden war oder natürlichen Ursprung hatte, denn wer sollte mitten in Sibirien Bäume abholzen? Ohne zu einem Ergebnis zu kommen, ging es weiter.









                                Das Ziel der Etappe war die Ayaya-Bucht, welche als die schönste Bucht der Wanderung beschrieben worden war. Die letzten Kilometer dorthin hatten es nochmal in sich. Ungefähr 10 Meter über dem See führte der Weg meistens über rutschige Felsen durch's nasse Gebüsch. Oft musste man wieder von Stein zu Stein springen, dieses Mal zwar ohne die Bedrohung der Wellen, dafür fiel es rechts neben dem Weg ordentlich steil ab. Unterwegs rutschte auch jemand aus und fiel hin. Es sah schon etwas lustig aus, wie er da wie ein bewegungsunfähiger Käfer auf dem Rücken zwischen den Felsen lag, wobei wir mit dem schadenfrohen Lachen natürlich warteten, bis er bestätigte, dass nichts geschehen war. Gerade weil es die ganze Zeit über regnete, die Berührung der klitschnassen Flora nicht zu vermeiden war und das Vorankommen bei diesem Terrain sehr anstrengend war, war man bald trotz Regenjacke ziemlich durchnässt. Mir war kalt, jedoch nicht allein deswegen, sondern weil zu meinen sonstigen Beschwerden nun auch noch Fieber dazugekommen war. Deshalb war ich froh, als wir endlich am Strand angekommen waren.









                                Wir hatten zwar damit gerechnet, dass wir dort nicht unbedingt ganz allein sein sollten, weil in der Trailbeschreibung schon geschrieben stand, dass die Bucht ein beliebtes Ausflugsziel für Bootsreisende war, was wir dann jedoch sahen versetzte uns schon etwas in Staunen.



                                Am Strand herrschte beinahe reges Treiben. Hier war sogar eine Art Zeltplatz zu finden. Sogar Klohäuschen gab es da, über die ich in den nächsten Stunden aber sogar einigermaßen glücklich war. Zahlreiche Boote waren an Baumstämmen festgemacht und ihr Insassen waren auf dem langen Strand verteilt. Wir sattelten also ab, noch immer leicht irritiert von dieser 'Zivilisation' in unserer 'Wildnis' und erkundeten den Strand, auch auf der Suche nach einem geeigneten Stellplatz für unser Zelt. Unterwegs plauderten wir ein wenig mit den Menschen. Ich war überrascht, wie eine Familie mit schlechten Regenjacken und in kurzen Hosen am Strand stehen konnte, um ein altes Fischernetz zu entwirren, während ich in meinem hervorgeholten Vlies fror; ich war wohl wirklich krank. Der Regen hatte immer noch nicht ganz aufgehört, war jedoch schwächer geworden, weswegen wir schnell unser Zelt am Anfang des Strandes aufstellten und auch gleich darin verschwanden, um uns erstmal aufzuwärmen.







                                Die Gespräche drehten sich um den anstrengenden Tag und unsere weitere Etappenplanung. Wir hatten eigentlich nur noch so um die 25 Kilometer vor uns und mussten eigentlich erst in 4 Tagen in Khakussy sein, um unser Boot zurück nach Sewerobaikalsk zu erwischen. Deswegen beschlossen wir, am nächsten Tag einen Pausentag einzulegen, um mir etwas Zeit zur Erholung zu geben, falls sich mein Zustand bis zum folgenden Tag nicht bessern sollte, da zudem die Möglichkeit bestand, von diesem Standort aus eine Tagestour zu unternehmen. Denn wenige Kilometer von der Bucht entfernt sollte sich im Landesinneren der Frolikha-See befinden, dem eine traumhafte Kulisse bescheinigt wurde. Für Erheiterung sorgten beim Aufwärmen außerdem einige Videos auf einer unserer Kameras; der Besitzer hatte zufälligerweise den Sturz am Nachmittag aufgezeichnet. Er filmte gerade die Landschaft und den Weg, um dessen Beschaffenheit in bewegten Bilder festzuhalten, als sich der Stürzende zu seinem Höhenflug aufschwang. Das (oder wie manche hartnäckig behaupteten "der") Video (Die Schwaben haben es ja mit den Artikeln. So heißt es bei uns auch: der Butter) schauten wir wieder und wieder an. Die halbe Drehung zu Beginn war von äußerster Eleganz, das weitere Fallen wie aus dem Lehrbuch und die Kommentare des auf dem Boden liegenden Gestürzten besorgten den Rest. Auch ein Video, das aus dem Internet gezogen worden war, lockerte die Stimmung weiterhin auf (wenn man die Kristallgoogle nach dem "Big Tasty Kritiker" befragt, wird sie einem diese absolut erhellende Analyse zeigen :P ).



                                An diesem Tag opferten sich nur noch zwei Menschen aus unserer Gruppe für diese, indem sie Trinkwasser schöpften und völlig durchnässt Couscous kochten, der uns wärmte, bevor wir in die Schlafsäcke krochen.

                                9. August: Berg und Tal

                                Am nächsten Morgen sah das Wetter wieder deutlich besser aus. Wir gingen erst einmal baden (wie immer nackt, obwohl wir dieses Mal schnell über den Strand mussten, um die jungen Mädchen nicht völlig um den Verstand zu bringen :P), wuschen uns mit Hilfe unseres Duschsackes die Bio-Outdoor-Seife vom Körper und chillten erstmal. Mir ging es eigentlich ganz gut, sodass ich noch guter Dinge war, dass ich mit auf den Tagesauflug könne.





                                Die Zeit verging, wir konnten uns nicht entscheiden, ob wir nun zum See laufen oder doch sogar den an den Strand angrenzenden Berg zu besteigen versuchen sollten. Jemand hatte uns erzählt, dass dies innerhalb von 2 Stunden möglich sei, es jedoch keinen Pfad gebe, sondern man den sehr steilen Hang einfach so zu überwinden hätte. Wir konnten uns nicht entscheiden, was wir tun sollten und taten so eine ganze Zeit einfach gar nichts.



                                Als dann schon früher Nachmittag war, fiel die Entscheidung spontan auf die Besteigung des Berges, da auf dieser Tour sowieso wenig Höhenmeter zurückgelegt wurden und sie Aussicht verlockte, da es im Umkreis einer der höchsten 'Gipfel' war. Ich entschied mich, vernünftig zu sein, den Tag vollends zur Erholung zu nutzen, in der Hoffnung, die Beschwerden endlich ganz loszuwerden.



                                So blieb ich beim Zelt zurück, ärgerte mich mit dem zickigen Benzinkocher herum, buk den Tag über Brot, schrieb etwas Tagebuch und las einen großen Teil meines mitgeschleppten Buches ("Der Club der unverbesserlichen Optimisten", ein Buch, das ich Menschen empfehlen kann, die einfach nur einen gut zu lesenden Roman suchen, welcher am Rande mit den 68ern eine interessante Zeit streift. Er enthält auch viele Anspielungen auf geisteswissenschaftliche Hochzeiten - Sartre und Camus - und ist von einem sprachlich gewandten Übersetzer aus dem Französischen übertragen. Lasst euch nicht vom Cover und dem Klappentext abschrecken, welche eher auf einen Groschenroman für alte Witwen hindeuten).



                                Vom Ausflug meiner Kollegen kann ich leider nicht allzu viel berichten. Sie erzählten aber, dass der Anstieg sehr anstrengend gewesen sei, die Aussicht atemberaubend war und der Abstieg Spaß brachte, da sie einfach querfeldein den Hang herunterrannten und gelegentlich das Tempo herausnahmen, indem sie auf Bäume aufliefen.





























                                Als sie dann zurückkamen, ging es mir leider wieder schlechter, sodass ich schon befürchtete, dass wir noch einen Tag in der Bucht bleiben müssten. Mittlerweile war eine weitere Reisegruppe mit einem vollkommen überladenen Boot angekommen, die sich als Zusammenschluss deutscher Rentner offenbarte. Sie wollten fast den kompletten Baikalsee umrunden und das mit einem Boot, welches es auf eine geschätzte Durchschnittsgeschwindigkeit von 10 km/h brachte; ich dachte mir nur, dass sowas nichts für mich wäre. Den ganzen Tag nur auf diesem Katamaran sitzen, egal ob die Sonne unbarmherzig sticht oder Regen und Wind einen komplett auskühlen, da man sich ja kaum bewegen konnte. Von ihnen bekam ich weitere Medikamenten und auch ein Russe gab mir Tabletten ohne Wirkstoffbezeichnung. Er nahm diese auch nicht aus einer Packung, worauf die Übersetzerin der deutschen Gruppe ihn fragte, was das denn sei. Er wollte nicht so recht damit rausrücken, sondern sagte nur: Er wird einen glücklichen Tod sterben. Das gefiel mir :P Ich nahm diese Tabletten und am nächsten Tag sollte es mir tatsächlich etwas besser gehen.





                                Abends musste doch noch einer zum Frolikha-See laufen, weil er seinen Rucksack einem Russen ausgeliehen hatten, der ihn zwar hatte zurückbringen wollen, jedoch den falschen gebracht hatte, sodass sich der richtige noch am See befand. Deshalb gibt es aber heute auch Fotos vom See.







                                Dorthin begleitete ihn der ansässige Jäger, welcher jedoch mit dem anderen nicht zu vergleichen war. Dieser war sehr jung, sogar jünger als wir, die wir zwischen 22 und 27 sind, und lebte mit seiner Frau in einer Hütte. Am Frolikha-See sammelte er schließlich den richtigen Rucksack ein und kam zurück, nachdem er mit der schon angesprochenen Gruppe ehemaliger Marinetaucher getrunken und Fischsuppe gegessen hatte, was uns schon auch etwas neidisch machte. Diese hatte er dort kennengelernt. Der Hauptmann oder Major (ach, ich weiß den genauen Rang nicht mehr und kenn mich in der militärischen Hierarchie auch gar nicht aus) hatte sich mit seinen Untergebenen mit einer Sicherheitsfirma selbstständig gemacht, was scheinbar ganz gut lief, da sie öfters von ihrem hohen Verdienst berichteten und auf diesem gemeinsamen Urlaub dies auch zeigten. Sie sollten uns später noch das ein oder andere Mal begegnen.





                                Als er dann zurückkam, gab es noch Grießbrei zu essen und dann ging's in die Schlafsäcke.
                                "Die Nacht war kalt und sternenklar,
                                Da trieb im Meer bei Norderney
                                Ein Suahelischnurrbarthaar."
                                Joachim Ringelnatz - Logik

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                                • dingsbums
                                  Fuchs
                                  • 17.08.2008
                                  • 1503
                                  • Privat

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                                  #17
                                  AW: [RU] Baikalsee - Frolikha Adventure Coastline Track und Olchon

                                  Ein wirklich schöner Bericht. Egal ob für dich oder für uns - ich finde es klasse, dass du so ausführlich schreibst!

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                                  • ShortBrini
                                    Erfahren
                                    • 25.08.2009
                                    • 426
                                    • Privat

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                                    #18
                                    AW: [RU] Baikalsee - Frolikha Adventure Coastline Track und Olchon

                                    Hallo,

                                    habt ihr das Wasser aus dem Baikalsee komplett ungefiltert zu euch genommen, oder habt ihr es vorher abgekocht, mit Chlortabletten behandelt oder sonstwie gefiltert?

                                    Hattest nur du Magen-Darm-Probleme, und hattest du das schon öfter auf Tour?

                                    Ich frage mich das gerade, weil ich erst gestern eine Doku über den Baikal-See gesehen habe und dort gesagt wurde, das eine ansässige Papierfabrik ihr Abwasser ungefiltert in den See pumpt...
                                    http://karategurus.wordpress.com/

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                                    • chri1
                                      Dauerbesucher
                                      • 08.11.2005
                                      • 535

                                      • Meine Reisen

                                      #19
                                      AW: [RU] Baikalsee - Frolikha Adventure Coastline Track und Olchon

                                      Hallo

                                      die Papierfabrik dürfte im Süden sein, die Tour hat im Norden stattgefunden, wo die obere Angara ein grosser Baikal-Zufluss ist, zudem dürften sich die Abwässer recht gut verdünnen.
                                      Auf Olchon ist der Baikal die Haupttrinkwasserquelle, ich glaube ich habe dennoch ein paar Tropfen reingetan.
                                      Mir ist in Russland nur mal aaO passiert, dass ich dummerweise aus einem See getrunken hatte, ein Blick im Nachhinein auf google earth hat dann weniger erbaut, brauche aber weiterhin eine Stirnlampe in der Nacht.

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                                      • berniehh
                                        Alter Hase
                                        • 31.01.2011
                                        • 2529
                                        • Privat

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                                        #20
                                        AW: [RU] Baikalsee - Frolikha Adventure Coastline Track und Olchon

                                        Zitat von ShortBrini Beitrag anzeigen
                                        Ich frage mich das gerade, weil ich erst gestern eine Doku über den Baikal-See gesehen habe und dort gesagt wurde, das eine ansässige Papierfabrik ihr Abwasser ungefiltert in den See pumpt...
                                        Auch wenn das Wasser aus dem Baikal See trinkbar ist,.....ich würde es wahrscheinlich auch bedenkenlos trinken wenn es keine anderen Wasserquellen gäbe. Dennoch frage ich mich ob es wirklich notwendig war das Wasser zu trinken, denn eigentlich müsste es doch auch genügend kleine Bäche geben die da in den See reinfließen

                                        Eine sehr schöne Tour habt ihr da gemacht!
                                        So eine Kombination aus Küste, Wälder und Berge mag ich wirklich sehr Eure Fotos machen Lust dort selber mal hinzufahren. Da muss ich aber erstmal schauen wie ich an ein dreimonatiges Russlandvisa kommen kann. Ein einmonatiges Touristenvisum wäre mir nämlich viel zu kurz
                                        www.trekking.magix.net

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