[DE] [FR][ES] Mit dem Fahrrad auf dem Jakobsweg Mai bis Juni 2012

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  • Enja
    Alter Hase
    • 18.08.2006
    • 4753
    • Privat

    • Meine Reisen

    #61
    AW: [DE] [FR][ES] Mit dem Fahrrad auf dem Jakobsweg Mai bis Juni 2012

    30. Tag

    Wegen eher noch verstärktem Pollen-Niedergang beschließen wir, zusammenzupacken, uns heute Burgos anzugucken und nachmittags weiterzufahren. Den Arlanzon entlang haben wir die Innenstadt schnell erreicht und sind gleich begeistert. Schnell stellen wir fest, dass hier mit einer Kurzbesichtigung nicht viel zu wollen ist. Es gibt einfach zuviel zu sehen. Wir beginnen mit der Kathedrale, bezahlen brav den Pilger-Eintritt und verbringen dort gleich mehrere Stunden in den verschiedenen Schiffen, Kapellen, Kreuzgängen usw. Irgendwann reicht es uns, obwohl wir immer noch nicht den Eindruck haben, alles gesehen zu haben. Auch von außen ist sie sehr imposant, so dass wir sie einmal umrunden, wobei wir auf weitere hübsche Plätze treffen. In einem Straßencafe vor der Kathedrale treffen wir Bekannte, die gerade eingetroffen sind und machen uns wie sie mit dem Gedanken an eine Quartiersuche vertraut. Die Touri-Info ist nicht wirklich hilfreich. Sie verteilt Listen. Wir sollen die Unterkünfte abtelefonieren oder ablaufen. Beides ist nicht sehr verlockend. Das Gemeinde-Refugio ist gigantisch. Das schreckt uns ab. So richtig Lust auf Refugio haben wir sowieso nicht.

    Hotels sind erschreckend teuer. Die Privatzimmer liegen weit außerhalb. Wir beschließen, es mal bei den Emaus-Pilgern zu versuchen. Ein kleines Refugio mit laut Führer strenger Gesichtskontrolle bei der Aufnahme und verpflichtendem Abendgebet. Es liegt jenseits des Arlanzon aber nicht allzu weit außerhalb. Nach einigem Suchen finden wir die Adresse, aber keinen Eingang. Ein Pfarrer vor der Tür winkt uns ein. Wir müssen ein paar Fragen beantworten und werden zugelassen. Das Refugio ist nagelneu und ein Traum. Liebevoll ausgestaltet. Blitzsauber. Wir bekommen ein Zimmer für uns und werden gebeten, um 19 Uhr in der Kapelle zu sein. Nach der Messe werde man gemeinsam das Abendessen zubereiten.

    Wir fahren zurück in die Innenstadt und sehen uns die anderen Sehenswürdigkeiten an. Wir sind begeistert von dieser Stadt. Alles ist wunderschön. Um 19 Uhr sind wir zurück und gehen in die Kapelle. Alle sechs Pilger sind anwesend, werden von der spanischen Gemeinde freudig begrüßt und im Anschluss an die Messe gesegnet. Das kennen wir jetzt schon. Hier war es aber zweifelsohne nach Vezelay am persönlichsten. Wir essen gemeinsam und unterhalten uns intensiv, bis es Zeit ist, schlafen zu gehen. Etwa 3/4 der Anwesenden sprechen Französisch, so dass in dieser Sprache kommuniziert wird. Spanier sind nicht in der Runde. Auch die Hospitalera ist Französin. Ein amerikanischer Pfarrer übersetzt für alle Englisch-Sprachigen aus dem Französischen ins Spanische. Ich übersetze ins Deutsche. Erstaunlich wie viele Sprachbarriere es in einer doch irgendwie übersichtlichen Gruppe wie dieser geben kann.

    Wir schlafen wortwörtlich wie in Abrahams Schoß und reisen am nächsten Morgen nach einem gemeinsamen Frühstück ab.

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    • Enja
      Alter Hase
      • 18.08.2006
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      • Meine Reisen

      #62
      AW: [DE] [FR][ES] Mit dem Fahrrad auf dem Jakobsweg Mai bis Juni 2012

      31. Tag

      Stadtauswärts folgen wir nun gleich dem Jakobsweg, was sich als relativ angenehm erweist. Nach Verlassen der Stadt und Kreuzen der Autobahn geht es hinter Tardajos die Meseta aufwärts. Der Pilgerstrom hat sich ausgedünnt. Viele benutzen anscheinend auf diesen Strecken den Bus. Es sind aber immer noch reichlich Menschen unterwegs, um für ausreichende Geselligkeit zu sorgen. Es geht gleich einmal reichlich nach oben bis wir auf einer leicht welligen wogenden grünen Ebene landen, die mit bunten Blumen übersät ist. Meseta im Frühsommer. Ein herrlicher Anblick.

      Ein Weilchen bleiben wir oben. Hier überholen wir eine Gruppe, die sich als eine mexikanische Schulklasse erweist. Das wirkt schon etwas speziell. Ihr Lehrer und ihr Bus erwarten sie im nächsten Ort. Abwärts nach Hornillos geht es sehr steil in einer ausgewaschenen Schotterrinne. Während ich vorsichtig hinunterrutsche, werde ich von einer MTB-Truppe überholt, die förmlich über mich hinweg fliegt. Im Ort unterhalten wir uns und sie erzählen, dass sie keinen Zentimeter vom Fußweg abweichen. Und wenn sie in den Bergen kilometerweit die Räder tragen müssen. Das ist wahrer Sportsgeist, aber bei den Fußgängern nicht sehr beliebt, da die offensichtlich teilweise um ihr Leben fürchten und eine solche rein sportliche Motivation bei den meisten auch nicht so wirklich gut ankommt.

      Hornillos ist ein reizendes Örtchen. Eine gerade Gasse führt hindurch. Daran herrscht fröhliches Pilgerleben. Überall wird gerastet, eingekauft, eingekehrt und was man in einem Ort halt so machen kann. Auf der anderen Seite geht es wieder hinaus und gleich wieder steil nach oben auf den nächsten Meseta-Abschnitt. Hier geht es eine längere Strecke oben über die Hochebene. Unterwegs liegt San Bol, ein ehemaliges Kloster und heutiges Refugio. Wir folgen dem Wegweiser bis zur Herberge, die in einer Einkerbung in der Hochebene liegt. Daneben fließt ein Bach und es gibt sogar ein kleines Wäldchen. Wir rasten hier auf der Terrasse und treffen auf eine deutsche Gruppe, die Pläne macht, wie die Spanier denn endlich mal das Radfahren auf dem Camino verbieten könnten oder wenigstens getrennte Spuren einführen. Die Rucksäcke stehen Schlange vor der noch verschlossenen Eingangstür. Deren Besitzer entspannen auf der Terrasse. Davor quillt ein kleiner Bach und murmelt über die Wiese davon. Alle packen ihre Vorräte aus und wir kochen mal wieder Kaffee für alle. Als wir uns wieder auf den Weg machen, erscheint der Hospitalero mit dem Auto.

      Hontanas ist Hornillos recht ähnlich, eher noch tiefer in das Tal geduckt und noch enger. Wir schieben gemütlich durch und sehen uns ausführlich um. Am Ende des Ortes treffen wir auf eine Straße, in die wir nach links einbiegen, um gemütlich der Straße bergab zum Convento San Anton zu folgen. Gemeinsam mit dem Fußweg. Der Convento ist eine Ruine, in der sich ein Refugio findet. Wir folgen weiter Straße und Jakobsweg nach Castrogeriz. Der langgestreckte Ort mit seinem Castillo oben drüber besteht praktisch nur aus Ruinen. Irgendwie erschreckend. Man erklärt uns, wir kämen jetzt in die Tierra del Campo. Eine Gegend, die einst eine vielfältige Agrarstruktur hatte. Aber dann kam die EU mit Flurbereinigung und Monokulturen. Einige wurden ziemlich reich und alle anderen arm. Und deshalb verfallen jetzt eben die Dörfer, weil dort niemand mehr sein Auskommen findet.

      Im Anschluss führt der Fußweg steil und felsig einen Hang hoch. Wir folgen der Empfehlung, lieber die Straße zu nehmen, die einen ebeneren Weg einschlägt. Das Radeln durch die Monokulturen ist ziemlich eintönig. Wir fahren an einem Ort mit dem schönen Namen Matajudios vorbei. Eigentlich heißt das „Judentöter“. So wie Jakobus häufig als Matamoros (Maurentöter) dargestellt wird. Uns wird aber erklärt, in diesem Fall heiße das Judenhügel. Was so bleiben darf. Bis zur Puente de Itero folgen wir der Straße, die uns mit eindeutig langweiligen Ausblicken und vielen nervigen Steigungen erfreut. An der romanischen Bogenbrücke biegen wir ab zum romanischen Refugio und folgen anschließend lieber wieder dem Fußweg. Man kommt zwar langsamer voran, aber es macht einfach mehr Spaß.

      Als wir Itero de la Vega in Richtung Boadilla del Camino verlassen, kommt Wind auf. Kräftiger Wind. Natürlich von vorne. Die schotterigen Steigungen werden sofort deutlich mühsamer. Wir lassen uns davon nicht beirren, zumal wir hinter Boadilla auf den Canal de Castillo treffen und an seinem Ufer weiterfahren, also eben. Am Kanal entlang erreichen wir Fromista, das Ziel der meisten Radler, die wir heute trafen, allerdings nicht unseres, da ohne Campingplatz.

      Wir überqueren den Kanal ziemlich halsbrecherisch über eine der zahlreichen, offensichtlich nicht mehr betriebenen Schleusen. Zwar hätten wir theoretisch noch etwas weiterfahren und eine normale Brücke benutzen können, aber Umwegen sind wir im Gegenwind wenig aufgeschlossen. Der Ort wirkt nicht besonders reizvoll, aber in der Mitte steht mit S. Martin eine besonders schöne romanische Kirche, die tatsächlich auch geöffnet hat. Das lassen wir uns natürlich nicht entgehen, obwohl der Tag schon weit fortgeschritten ist und wir noch etliche Kilometer vor uns haben.

      Der Fußweg läuft ab jetzt direkt neben der Straße, so dass wir auf den Asphalt wechseln. Es bleibt mühsam genug, noch bis Carrion de los Condes weiter durchzuhalten. Relativ spät kommen wir dort an und freuen uns, eine Beschilderung zum Campingplatz am Flussufer vorzufinden. Der Platz wirkt ein wenig – eigenartig. Heruntergekommene Sanitärgebäude. Kaum Besucher. Aber immerhin wird der Rasen fleißig gesprengt. Im strömenden Regen wirkt auch das – eigenartig. Wir treffen hier auf insgesamt sechs radelnde niederländische Camper. Das ist nett. Wir besichtigen natürlich gleich gegenseitig die Fahrräder (alles Kogas) und tauschen uns auch sonst aus. Teils wollen sie morgen nach Leon, teils nach Mansilla de las Mulas. Alle gehen früh schlafen, so dass es rundum schon still ist, während wir uns noch etwas zu essen produzieren.

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      • Enja
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        • 18.08.2006
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        • Meine Reisen

        #63
        AW: [DE] [FR][ES] Mit dem Fahrrad auf dem Jakobsweg Mai bis Juni 2012

        32. Tag

        Wie üblich gucken wir uns jetzt erst einmal den Ort an. Faszinierend sind die hier in dieser Gegend zahlreichen Storchennester. An den Kirchen ist oft an jeder Ecke eins und dazu noch mehrere auf dem Turm oder dem abgetreppten Giebel. Alle sind bewohnt und man kann zusehen, wie die Jungtiere gefüttert werden. Viel mehr Faszinierendes finden wir hier nicht. Auch der gerade stattfindende Markt wirkt in erster Linie ärmlich.

        Sobald wir den Ort verlassen, kommen wir am Kloster San Zoilo vorbei. Natürlich müssen wir auch hier die Gebäude von innen und außen besehen. Am Kreuzgang ist ein Hotel integriert. Sobald wir in die freie Landschaft kommen, steht uns ein heftiger Wind entgegen. Das fühlt sich an, als radle man auf eine Windmaschine zu. Jeder Meter will erkämpft sein. Um das nicht noch weiter zu erschweren, bleiben wir auf der N120, die hier wenig befahren ist. Kilometer um Kilometer ist absolute Schwerarbeit. Sowas haben wir noch nicht erlebt. Wir treffen unterwegs Bekannte. Wir sehen nach dem Wetterbericht. Morgen soll es noch schlimmer werden. Da müssen wir durch. Besser heute noch so weit kommen, wie irgendwie zu schaffen. Wer weiß, was morgen ist.

        Kurz vor Sahagun machen wir einen Abstecher zur Ermita Virgen del Puente. Sie ist wohl schon länger Refugio und wird nun renoviert, ist also geschlossen. Davor gibt es einen großen Picknickplatz. Wir suchen uns ein annähernd windgeschütztes Plätzchen und legen eine kleine Atempause ein. Alles, was man auf den steinernen Tisch legt, wird sofort heruntergeweht, wenn man es nicht festhält. Die Fahrräder wollen auch nicht stehen bleiben. Um uns herum biegt der Sturm die Pappeln fast zu Boden. Alles Mögliche prasselt von oben herunter.

        Eigentlich kein Wetter, um sich im Freien aufzuhalten. Wir geben für heute auf. Hat keinen Zweck. Sahagun ist schon zu sehen. Da fahren wir hin, um dort zu übernachten. Da die Ermita am Fußweg liegt, fahren wir darauf weiter in die Stadt. Er verläuft irgendwie durch die Außenbezirke. Um in die Stadt zu kommen, müssen wir eine breite Bahnlinie überqueren. Wir finden ein Schild in Richtung Campingplatz und folgen ihm erfolglos. Es gibt kein weiteres. Wir fahren ein paar Mal durch die reichlich vergammelte Stadt. Fragen herum. Man zeigt in alle möglichen Richtungen.

        Endlich gibt uns jemand den richtigen Tipp. Der Platz ist riesig und komplett von Dauercampern belegt. Dazwischen gibt es einige wenige verbliebene Rasenflächen. Unsere Niederländer sind komplett bereits anwesend und noch andere dazu. Wie schön. Alle haben aufgegeben, heute noch weiter zu kommen. Der Platz liegt windgeschützt. Die Sonne scheint. Kaum zu glauben, wie es anderswo aussieht. Wir waschen Wäsche und spannen Leinen. Man muss die Feste feiern, wie sie fallen.

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        • Enja
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          #64
          AW: [DE] [FR][ES] Mit dem Fahrrad auf dem Jakobsweg Mai bis Juni 2012

          33. Tag

          Unsere Platznachbarn wollen heute bis Puente de Orbigo. Wir machen erst einmal nicht viele Pläne. Interessanterweise ist es heute praktisch windstill. Die angesagte Sturmverschärfung hat nicht stattgefunden. Gut, dass wir uns gestern nicht weiter gequält haben. An der Ortsausfahrt ist die Orientierung ein bisschen verzwickt, da ein Stück Straße fehlt. Warum auch immer. Jedenfalls kann man noch einmal auf einer Nebenstraße bis Mansilla de las Mulas fahren, bevor man sich auf den Großstadtverkehr Leons einlassen muss. Dort trifft man auf die N601, die – stark befahren – nach Leon führt.

          Wir kennen das schon. Stadtein- und –ausfahrten sind so eine Sache. Eine sinnvolle Wegführung für Radfahrer ist hier meist nicht bedacht und so kämpft man sich irgendwie durch. Die N601 erweist sich als wirklich extrem befahren. Wir versuchen, so lange das irgendwie geht, Nebenstraßen zu benutzen. Und sei es schiebend. Schließlich gibt es aber keine Alternative mehr. Gut, dass wir inzwischen an solche Situationen gewöhnt sind. Vorne blinken schon große Warnlampen vor einem Kreisel, von dem es in die Stadt geht.

          Unsere drei Radführer beschreiben die Situation unterschiedlich. Alle drei sind allerdings der Meinung, dass man hier dem Fußweg nicht folgen kann. Die Wanderer müssen zu Fuß die Autobahn überqueren und dabei Absperrungen überqueren, die Radfahrern nicht möglich sind. Begriffe wie „Zumutung, lebensgefährlich usw.“ überbieten sich gegenseitig. Bikeline empfiehlt, auf dem Seitenstreifen der Autobahn zu bleiben, die nächste Abfahrt zu nehmen und dann die Brücke auf die andere Seite zu nehmen. Das klingt am unaufgeregtesten. Und das scheint die neueste Version zu sein. Also gut und los. Die Autobahn ist nicht als solche ausgewiesen. Es gibt kein Fahrradverbot. Aber mächtig viel Verkehr, der dort mit Hochgeschwindigkeit entlang braust. Wir brausen mit. Begünstigt dadurch, dass es ordentlich bergab geht. Vor uns fährt mit ca. 100 m Abstand ein spanischer Radfahrer, den wir schon öfter getroffen haben und der meistens wusste, wo es lang geht. So im Brausen sehen wir, wie die Wanderer fröhlich über eine schicke Brücke marschieren, die wir sicher auch hätten nehmen können, wenn wir denn von ihr gewusst hätten. Oder dort vorbeigekommen wären, wo sie ansetzt. (Man hätte am Kreisel Richtung Golpejar abbiegen müssen (wo auch der Campingplatz ist). Schade irgendwie.

          Jedenfalls kommen wir bis an die Ausfahrt, fahren über die Brücke und treffen auf der anderen Autobahnseite die Fußgänger wieder. Wir folgen den gelben Pfeilen bis in die Altstadt. Nicht ohne unterwegs noch einen großen Supermarkt heimzusuchen. Sowas hat man auf dem Lande nicht. In der Altstadt angekommen, brauchen wir mehrere Anläufe, um auf den Platz vor der Kathedrale zu kommen. Die schließt gerade und wird erst um 16 Uhr wieder öffnen. Genug Zeit also, die anderen Sehenswürdigkeiten zu besuchen. Vor der Kathedrale treffen wir etliche unserer niederländischen Campingplatz-Genossen, die sich überwiegend entscheiden, auf die Kathedralen-Besichtigung zu verzichten und weiterzufahren. Wir möchten das nicht.

          Die Altstadt ist sehr schön, wenn jetzt auch beinahe wie ausgestorben. Wir laufen herum und finden auf Anhieb den Gaudi-Bau. Und irgendwann auch San Isidro, wo es überraschenderweise keine Siesta gibt. Sowohl Kirche wie auch Museum haben geöffnet. Der etwas morbide Charme dieses Ensembles lockt uns bis in die verstecktesten Ecken.

          Nun hat auch die Kathedrale geöffnet. Ganz soviel wie in Burgos findet sich hier nicht. Dafür ist die Beleuchtung durch die vielen bunten Fenster sehr schön. Da wir noch einige Kilometer vor uns haben, machen wir uns bald wieder auf den Weg. Da das am einfachsten ist, folgen wir den dicken gelben Pfeilen, wovon unsere Führer abraten, da man so konstant falsch rum durch die Einbahnstraßen muss. Das stört uns nicht mehr besonders. Wir sind zunehmend abgehärtet. Ein Umkehren in Richtung Golpejar erwägen wir nicht einmal. Viel zu kompliziert. So kommen wir bald auf einen großen Platz, an dem das Kloster San Marcos mit enthaltenem Parador liegt, bewundern die Fassade und fahren weiter.

          Die Vororte haben es auch in dieser Richtung in sich. Vorgeschlagene Umfahrungen kommen jetzt nicht mehr in Frage, wenn wir noch bis Villadangos del Paramo auf den nächsten Campingplatz kommen wollen. Die direkte Strecke, an der auch der Weg für die Fußgänger entlangführt, ist hart. Erst einmal geht es durch ein endloses Gewerbegebiet an stark befahrener Straße steil nach oben. Im Grunde gibt es über La Virgen del Campo und Valverde de la Virgen keinerlei Lücke in Bebauung und dichtem Verkehr. Zwischen den Orten gibt es immerhin einen befahrbaren Seitenstreifen. In den Orten fällt er weg oder ist überfüllter Parkstreifen, so dass man auf die Fahrbahn muss, während der Durchgangsverkehr die Ortsdurchfahrt ignoriert und mit voller Geschwindigkeit durchbrettert. Den Lärm, die Autoabgase und den Staub kann sich vermutlich jeder vorstellen.

          In Villadangos gefällt uns der Campingplatz nicht. Er sieht unter den Pappeln am Rand der Durchgangsstraße wenig einladend aus. Wir könnten doch…..bis Puente de Orbigo durchfahren und dort auch die anderen wieder treffen. Das wäre nett. Theoretisch wäre das auch nicht mehr weit gewesen. Wenn wir uns nicht bei unserem Versuch, der schrecklichen Straße wenigstens ab und zu mal auszuweichen, intensiv verfahren hätten, was einen ziemlichen Umweg zur Folge hat.

          Aber irgendwann stehen wir vor der unglaublich langen und bogenreichen Brücke. Und entsprechend lange schieben wir drüber, weil das Pflaster zwar historisch, aber kaum befahrbar ist. Der Platz ist schnell gefunden und schon bauen wir neben den anderen unser Zelt auf. Auch hier sind die meisten Plätze von Dauercampern belegt. Da Wochenende ist, sind sie alle anwesend und planen, wenn man so die Vorbereitungen sieht, eine größere Feier. Davon kriegen wir aber nicht mehr viel mit. Viel zu müde…..

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          • grenzenlos
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            • 25.06.2013
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            #65
            AW: [DE] [FR][ES] Mit dem Fahrrad auf dem Jakobsweg Mai bis Juni 2012

            Zitat von Enja Beitrag anzeigen
            33. Tag

            Viel zu müde…..
            ... dafür aber beim schreiben munter. Weiter so! Macht Spaß! + herrlich Tag!
            Unsere Webseite: http://www.grenzenlosabenteuer.de

            Gruß, Wi grenzenlos

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            • Enja
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              • 18.08.2006
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              #66
              AW: [DE] [FR][ES] Mit dem Fahrrad auf dem Jakobsweg Mai bis Juni 2012

              Ist ja nicht mehr weit.....


              34. Tag

              Heute wollen wir nicht weit fahren. Morgens gibt es also keinen Grund zur Eile, was auch mal ganz nett ist. Ziel ist Rabanal. Allerdings soll es bis dahin ziemlich anstrengend werden, da der Ort fast oben auf dem Monte Irago liegt. Der und der Cebreiro sind die letzten größeren Hindernisse, die wir auf dem Weg nach Santiago noch überwinden müssen. Seit einiger Zeit haben wir auf der rechten Seite immer wieder den Blick frei auf die Picos de Europa gehabt, die ziemlich imposant aussehen. Wir haben nichts dagegen, die endlose Ebene mit dem starken Gegenwind jetzt hinter uns zu lassen.

              Von Puente Orbigo aus geht es zunächst mal nach Astorga. Direkt dahin führt die N120. Die kennen wir schon von gestern. Dazu haben wir keine Lust. Obwohl die Autobahn direkt parallel führt, ist sie uns zu stark befahren. Was daran liegt, dass die Autobahn gebührenpflichtig ist. Bikeline schlägt eine Alternative vor. Bei dem Versuch, sie zu finden, landen wir auf dem Jakobsweg und sind bald in Villares de Orbigo. Hier wechseln wir auf eine Straße, die nach Santibanez de Valdeiglesias führt. Und von hier aus müssen wir doch auf die N120. An der von da ab ein Radweg entlang führen soll. Wir überqueren also fleißig die Hügel, die die Alternative so mit sich bringt und freuen uns an der Ruhe dort. Auf die N120 zu - kommen uns Radfahrer entgegen. Das ist relativ ungewöhnlich hier. Aber gut, vielleicht haben sie sich verfahren. Oder wir.

              Der Radweg ist die alte Straße, die neben der neuen entlangführt. Das ist recht erfreulich. Man ist weg vom Autoverkehr und fährt trotzdem recht bequem auf Asphalt. Da stört es nicht besonders, dass es einige lange Steigungen hoch geht. Das kommt nicht so ganz unerwartet. Bei San Justo de la Vega verlassen wir die N120, um auf Astorga zuzufahren. Der Ort liegt sozusagen auf dem Berg gegenüber. Zunächst mal geht es steil nach unten und dann wieder hoch in den Ort. Wir folgen mal wieder dem Fußweg und kommen zu einem sehr malerischen Bauwerk. Eine grün gestrichene Stahl-Fachwerk-Konstruktion führt über die Bahnlinie. Fleißig sieht man Fußgänger und Radfahrer erst nach oben und dann wieder nach unten wuseln. Dazu muss man eine fünfstöckige Rampe benutzen.

              Oben im Ort gehen wir zuerst in die Kathedrale und anschließend in den Gaudi-Bau, der ein Pilger-Museum enthält. Die Museums-Exponate übersehen wir. Die Innenräume sind einfach fantastisch. An der Kathedrale wurde 500 Jahre lang gebaut. Der daraus entstandene Misch-Stil überzeugt uns nicht besonders. Es nieselt leise vor sich hin und ist kalt. Trotzdem versuchen wir ein Straßencafe, bleiben dort aber nicht lange sitzen.

              Wir verlassen Astorga laut Führer „über die Autobahn“. In diesem Fall heißt das tatsächlich, dass wir über eine Brücke fahren. Das würden wir inzwischen gar nicht mehr vermuten. In Murias de Rechivaldo bewundern wir die Storchennester. Anschließend machen wir den vorgeschlagenen Abstecher in das Museumsdorf Castrillo. Über einen großen Parkplatz geht es eine Pflasterstraße aufwärts durch das Dorf. Die Häuser aus Naturstein sind perfekt hergerichtet und alles ist völlig menschenleer. Wir vermuten, dass das an der Siesta liegt. Bestimmt verbergen sich hinter den vielen geschlossenen Toren und Türen die erforderlichen Andenkenläden, um die Bedürfnisse all der Besucher, die hier theoretisch parken könnten, zu decken. So wirkt es sehr hübsch und irgendwie eigenartig.

              Weiter geht es aufwärts. Der Jakobsweg immer neben der Straße im Gebüsch. Ab und zu sind hier auch Pilger zu sehen. Und sogar Radfahrer, die sich über den Schotter quälen. Wir fahren bequem auf der Straße. Es geht zweifelsohne aufwärts, aber nicht besonders. Jedenfalls ist es nicht besonders anstrengend. Und bald kommt auch Rabanal in Sicht. Einen Campingplatz gibt es hier nicht, genauso wenig wie auf der drauf folgenden Strecke. Zum Cruz de Ferro möchten wir lieber erst morgen Vormittag, wenn auch die anderen Pilger dort unterwegs sind. Eine Campingmöglichkeit soll es an einem der zahlreichen Hostels geben. So auf dem Präsentierteller möchten wir uns allerdings nicht so gerne niederlassen.

              Wir überlegen, im Refugio des Klosters zu übernachten. Einer Zweigstelle des Klosters in St. Ottilien in Bayern. Die zugehörige Kirche möchten wir auch gerne sehen. Und natürlich an der Abendmesse teilnehmen. Wegen der gregorianischen Gesänge, die dort gepflegt werden. Das Refugio sieht nett aus. Wir werden gleich abgefangen und sollen einchecken. Zögern aber. Auf die Frage, was wir denn nun eigentlich wollen, erklären wir, gerne im Garten zelten zu wollen. Kein Problem. Wir bauen in dem sehr großen und gemütlichen Garten unser Zelt auf. Das ist schon mal geregelt. Im Dorfladen besorgen wir uns etwas zu essen.

              In der Gemeinschaftsküche tagen allerdings nur geschlossene Gesellschaften, so dass aus den versprochenen spirituellen Erlebnissen nichts wird, weshalb wir in eine Bar wechseln, in der man auch Fußball gucken kann. Der Abendgottesdienst ist recht stimmungsvoll. Anschließend suchen wir noch den Klosterladen auf. „Man spricht deutsch“. Das ist mal ganz nett.

              Wegen der Höhe ist es nachts frisch. Aber dafür haben wir die passenden Schlafsäcke dabei. Es wird eine sehr erholsame Nacht.

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              • grenzenlos
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                • 25.06.2013
                • 566
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                #67
                AW: [DE] [FR][ES] Mit dem Fahrrad auf dem Jakobsweg Mai bis Juni 2012

                .... ist ja nicht mehr weit


                ... leider!
                Unsere Webseite: http://www.grenzenlosabenteuer.de

                Gruß, Wi grenzenlos

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                • hosentreger
                  Fuchs
                  • 04.04.2003
                  • 1406

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                  #68
                  AW: [DE] [FR][ES] Mit dem Fahrrad auf dem Jakobsweg Mai bis Juni 2012

                  Ja, das mit dem "Leider" sehe ich auch so,
                  Da muss ich mir bald eine andere lehr- und unterhaltsame Morgenlektüre suchen.

                  War mittlerweile eine schöne Gewohnheit geworden, sich in den Tag einstimmen zu lassen.
                  Man konnte ja schon fast die Uhr danach stellen

                  Freue mich schon auf die Fortsetzung im nächsten Jahr, und zwar nach???????????
                  lytze
                  Neues Motto: Der Teufel ist ein Eichhörnchen...

                  Kommentar


                  • grenzenlos
                    Dauerbesucher
                    • 25.06.2013
                    • 566
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                    • Meine Reisen

                    #69
                    AW: [DE] [FR][ES] Mit dem Fahrrad auf dem Jakobsweg Mai bis Juni 2012

                    Zitat von hosentreger Beitrag anzeigen
                    Ja, das mit dem "Leider" sehe ich auch so,
                    Da muss ich mir bald eine andere lehr- und unterhaltsame Morgenlektüre suchen.

                    Freue mich schon auf die Fortsetzung im nächsten Jahr, und zwar nach???????????
                    lytze
                    Schließe mich da freudig an!!!
                    Unsere Webseite: http://www.grenzenlosabenteuer.de

                    Gruß, Wi grenzenlos

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                    • Enja
                      Alter Hase
                      • 18.08.2006
                      • 4753
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                      #70
                      AW: [DE] [FR][ES] Mit dem Fahrrad auf dem Jakobsweg Mai bis Juni 2012

                      35. Tag

                      Über Nacht hat es geregnet. Morgens regnet es auch. Dazu hängt dichter Nebel über dem Ort. Wir müssen einen Rekord aufstellen im Blitz-Zeltabbauen, da das Refugio wie üblich bis 8 Uhr verlassen werden muss. Dabei hilft es, dass aus der Dusche nur eiskaltes Wasser tröpfelt. Es gibt sogar noch für alle Frühstück. Nicht schlecht bei einem Übernachtungspreis von 5 € pro Person. In Nieselregen und Nebel machen wir uns an den weiteren Aufstieg. Als wir das Dorf verlassen, empfängt uns heftiger böiger Wind.

                      Bis zum Cruz de Ferro ist es nicht mehr weit. Bis Foncebadon mit der von Paulo Coelho in die Welt gesetzten Legende von den wilden angriffslustigen Hunden kommen wir schnell voran. Verlassen ist das Dorf nicht mehr wirklich. Etliche Häuser sind wieder instandgesetzt und auch belebt. Hinter dem Dorf zieht die Steigung an. Aber während wir gerade überlegen, ob wir das Cruz de Ferro im Nebel nicht vielleicht übersehen werden, kommen wir drauf zu. Es steht direkt neben der Straße. Gegenüber vom großen Parkplatz. Es herrscht ein emsiges Treiben. Es werden Gruppenfotos gemacht, Gegenstände niedergelegt, Bänder, Fahnen und Zettel am Kreuz befestigt. Auf dem Parkplatz warten diverse Kleinbusse voller Rucksäcke auf Pilger, die gepäckfrei nach oben wollten. Einige steigen auch aus Taxis. Eine amerikanische Gruppe feiert eine Messe bei der die Emotionen offensichtlich aufkochen. Dazu benutzen sie den einzigen Unterstand. Alle anderen müssen draußen bleiben. Alles das in einem geradezu surrealen Ambiente. Der Wind treibt Wolkenfetzen über die Straße.

                      Die Straße ist wenig befahren und schlecht. Es liegt, wie angekündigt, Rollsplit drauf. Wenn man das so nennen möchte. Mir kommt es eher wie eine Sandauflage vor. So richtig toll fährt sich das jedenfalls nicht. Aber erst einmal geht es noch nicht bergab, sondern oben auf dem Berg entlang. Der Ginster blüht. Dazu eine Art lila Heide. Und noch eine rote Pflanze. Eine richtige Farb-Explosion im Nebel, der sich jetzt auch etwas lichtet. Rundum sieht man auf andere „bunte Berge“. Und auf die unentbehrlichen Windräder natürlich. Wir kriegen gar nicht genug davon. Teilweise schieben wir, um die Aussicht besser genießen zu können.

                      Nicht weit vom Cruz de Ferro liegt Manjarin. Ein ziemlich verfallener Ort. Vorsichtig ausgedrückt. Es gibt nur noch Ruinen, von denen eine notdürftig instandgesetzt ist, in der der letzte Tempelritter lebt und ein Refugio nebst Cafe betreibt. Davor sind diverse bunte Wegweiser in alle Welt mit Entfernungsangaben angenagelt. Im Vergleich mit ihren Auftritten in diversen Filmen sind sie ziemlich verblichen. Hütten und Freiflächen so vollgestapelt mit allem und jedem, dass man meinen könnte, dass auch der Tempelritter, der gerade in voller Montur eine Rede an sein Volk hält, als wir vorbeikommen, eigentlich Schrotthändler ist.

                      Die Fußgänger, eingewickelt in ihre Regenponchos laufen dicht neben der Straße her. Und nun geht es auch abwärts. 1000 m geht es nach unten ins Tal. Obwohl die Straße ziemlich steil ist, dauert das ein Weilchen und wir haben jede Menge Aussicht über das Tal vor uns, in dem wir die Kühltürme eines Kraftwerks und das Häusermeer von Ponferrada sehen. Nicht sehr einladend. Das erste Dorf auf dem Weg nach unten ist das malerische El Acebo. Man umfährt eine Kurve und ist mitten in der Dorfstraße, die dicht an dicht bebaut ist. Im ersten Stock haben die Häuser Holzbalkone, die über die Straße ragen. Es ist nicht so, dass wir nicht bremsen könnten, aber es sieht uns zu touristisch für einen Stop aus. Das Dorf ist merkwürdig überfüllt.

                      Wir durchfahren Riego und kommen bald nach Molinaseca. Hier gefällt es uns. Vor dem Ort am Fluss stehen Bänke, wo wir uns von der etwas anstrengenden Abfahrt ausruhen und die warmen Sachen ausziehen. Hier scheint die Sonne. Reife Kirschen hängen an den Bäumen. Und der Fluss strudelt fröhlich dahin. Über die historische Brücke geht es in den hübschen Ort. Die Fronleichnamsprozession ist gerade durchgezogen und hat einen Blumenteppich hinterlassen, auf dem es sich angenehm rollt. Die Menschen sind in Sonntagskleidern unterwegs. Es ist nicht wirklich Fronleichnam. Aber an dem Tag selbst wurde gar nicht gefeiert. Anscheinend tut man das überall an anderen Tagen, so dass wir es mehrfach erleben.

                      Da wir am nächsten Tag auf den Cebreiro wollen, können wir hier nicht lange bleiben. Wir wollen in Cacabelos übernachten, wo es nach Meinung unseres niederländischen Bekanntenkreises einen Campingplatz geben soll. Nach Ponferrada ist es erst einmal nicht weit und uns missfällt diese Stadt auf Anhieb. Zu groß. Zu unübersichtlich. Zu viele gesichtslose Neubauten. Zuviel Verkehr. Da reißt die Templerburg nichts raus. Wir sehen zu, dass wir weiterkommen. Eine gefühlte Ewigkeit fahren wir durch Vorstadt und Gewerbegebiete.

                      Hier ist das Bierzo. Laut Reiseführer eine Gartenlandschaft. Wir haben den dummen Eindruck, dass etwaige Gärten längst von der großen Stadt überwuchert worden sind. Schöner wird es auch nicht, als wir die Stadt verlassen. In Cacabelos erklärt man uns, der Campingplatz habe schon vor Jahren geschlossen. Wir beschließen also, nach Villafranca del Bierzo weiterzufahren. Das liegt sozusagen direkt am Aufstieg zum Cebreiro.

                      Der Weg dahin wird anstrengend. Wir überqueren eine Anhöhe nach der anderen. Der freundliche Hospitalero aus Cacabelos hatte uns gesagt, man könne den CP sowieso nicht mit dem Fahrrad erreichen. Dazu müsse man von Villafranca aus über die Autobahn fahren. Im Radreisebuch steht eine Anfahrtsbeschreibung. „An der Burg links“ lässt größere Steigungen vermuten, aber diesmal liegt die Burg unten. Wir folgen der Beschreibung und kommen problemlos nach Vilela, wo wir auf Camping-Schilder stoßen.

                      Der Platz existiert. Sein Betreiber wirkt aber nicht sehr motiviert. Außer uns ist noch ein niederländisches Paar dort. Viel mehr Leute könnte man auch nicht unterbringen. Der Platz ist groß, aber das Gras steht mannshoch. Nur drei Stellplätze sind gemäht. Wasserhähne und Elektrokästen sind zerstört. Das Sanitärgebäude ist riesig und auch durchaus in Ordnung, wirkt nur seltsam unbenutzt und völlig eingestaubt. Auf den Waschbecken werden Elektrogeräte demontiert. Was da gemäht wurde, ist an Ort und Stelle liegen geblieben. Wir bauen unser Zelt sozusagen im Heu auf. Die Nacht ist jedenfalls ruhig.

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                      • Enja
                        Alter Hase
                        • 18.08.2006
                        • 4753
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                        #71
                        AW: [DE] [FR][ES] Mit dem Fahrrad auf dem Jakobsweg Mai bis Juni 2012

                        36. Tag

                        Als wir um 9.30 abreisen wollen, ist das Tor immer noch verschlossen. Niemand ist zu sehen. Schließlich gelingt es uns, es irgendwie aufzufummeln. In Vilela gibt es keine Einkaufsmöglichkeiten und wir haben keinerlei Vorräte mehr. Deshalb gehen wir in Villafranca erst einmal frühstücken. Nachdem wir uns davon überzeugt haben, dass die Santiagokirche heute genauso geschlossen ist wie gestern. Der Ort ist voller aufbrechender Pilger. Rucksäcke werden in Kleinbusse verladen. Viele gehen hier ohne Gepäck. Die Cafes sind gefüllt. Der kleine überteuerte Laden ist brechend voll. Vor dem Fahrradladen wird geschraubt. Und wer alles erledigt hat, marschiert oder radelt los. Der Wetterbericht ist positiv. „Morgens noch ein bisschen Regen, dann Sonne und steigende Temperaturen“, alle sind gut drauf.

                        Von Villafranca aus geht es ein Flusstal hoch. Zunächst mit relativ moderater Steigung. HP Kerkeling erlitt hier Todesangst, direkt neben der N VI, „auf Tuchfühlung mit den LKWs“. Seitdem hat man die Stelle entschärft. Der ununterbrochene Pilgerzug marschiert in einer Art Raubtiergang. Links die Leitplanke, rechts eine mehr als hüfthohe Betonmauer. Dazwischen üben sich Radfahrer in dem, was wir inzwischen „Pilgerslalom“ nennen. Wir fahren auf der Straße. So gut wie allein. Vielleicht sind Autos und LKWs auf der Autobahn unterwegs, die ebenfalls durch das enge Tal verläuft. Meist auf Brücken über uns. Hier hat die EU-Strukturförderung offensichtlich gnadenlos zugeschlagen. Weiter oben sind es sogar bis zu vier Straßen, die in mehreren Etagen übereinander aufwärts führen.

                        Der Fußweg biegt regelmäßig in die Dörfer aus. Wir machen das auch. Dort gibt es alles, was das Pilgerherz begehrt. In Trabadelo treibt uns ein Wolkenbruch in einen Laden, der endlich ein Preisniveau hat, das es uns erlaubt, uns mit Proviant einzudecken. Die ersten Taxis werden herbeitelefoniert. Wegen schlechten Wetters. Ab Vega de Valcarce soll die Steigung anziehen. Allerdings gibt es hier erst einmal ein Autobahnkreuz, eine riesige Tankstelle, ein großes Hotel – und einen Campingplatz, von dem wir nichts wussten. Landschaft pur sozusagen. In Ruitelan treibt uns der nächste Wolkenbruch in eine Bar. Noch sind wir nur mäßig durchnässt.

                        Kurz hinter dem Ort biegt der Fußweg aus. Wir bleiben auf der Straße. Nun steigt sie stärker an, ist aber weiterhin bequem zu fahren. Das kleinste Kettenblatt wird nicht gebraucht. Wir kommen zügig voran. Hoch über uns Autobahn und N VI. Da müssen wir auch noch hin. Während wir immer noch entspannt radeln, sehen wir, dass wir erheblich an Höhe gewinnen. Es nieselt jetzt durchgängig und regnet ab und zu stärker. Es gibt aber keine Unterstellmöglichkeiten mehr. Wir beschließen, jetzt durchzufahren, da wir ohnehin nass sind.

                        Es ist nicht mehr allzu weit bis Pedrafita do Cebreiro, die Autobahn liegt bereits unter uns, als wir auf zwei „unserer“ Niederländer treffen. Sie sitzen auf der Leitplanke und frühstücken. Dem schließen wir uns an und fahren anschließend gemeinsam weiter. Vor Pedrafita verschwindet die Autobahn in einem Tunnel. Der nicht sehr attraktive Ort steht oben drauf. Wir biegen hier ab, um die letzten 4 km zum Cebreiro raufzufahren. Die Autobahn führt geradeaus weiter.

                        Nach kurzer Zeit sieht man die Passhöhe liegen. Hier gibt es keine Kehren. Wir machen ein gemeinsames Gipfelfoto und biegen dann in den Ort. Schon wieder ein „Museumsdorf“. Alle Gebäude sind aus Naturstein und teilweise strohgedeckt. Etliche sind rund. Wir sind anscheinend in Hobbithausen angekommen. Es gibt alle Arten von Herbergen, Bars und Restaurants. Dazu diverse Andenkenläden. Vor dem Ort parken Busse und entlassen ganze Völkerscharen in den kleinen Ort, in dem viele, viele Pilger bereits herumsitzen, die hier übernachten wollen.

                        Wir besuchen die kleine Kirche und machen uns nach einem heißen Tee wieder auf den Weg. Die Niederländer sind schon längst weiter. Es ist nur noch vier Grad warm und regnet stark. Zeit, nach unten zu fahren, wo es hoffentlich wärmer ist. Ich habe längst T-Shirt, Pullover, Fleece- und Regenjacke übereinander gezogen, Handschuhe an und Mütze auf. Ganz zu schweigen von langen Hosenbeinen. Alles ist aber inzwischen durchnässt. Teils von innen, teils von außen. Ich friere geradezu jämmerlich.

                        Wie gestern, geht es auch hier nicht sofort wieder nach unten, sondern noch über zwei weitere Pässe, die jeweils einen wärmenden Aufstieg mit sich bringen. Jeder ist mit einem Pilgerdenkmal verziert. Einmal kehren wir noch auf einen Tee ein, um ein bisschen im Trockenen zu sein. Hier sitzen viele Pilger, die nun erst morgen absteigen wollen. Der Fußweg führt jetzt wieder neben der Straße her.

                        Endlich sind wir sozusagen „über den Berg“ und beginnen die Abfahrt. Die Straße ist hier deutlich besser zu fahren als die am Monte Irago. Wir brausen geradezu dahin. Das ist auch gut so. In den Füßen habe ich inzwischen kein Gefühl mehr. Die Hände sind steifgefroren. Auf einmal beginnt es zu hageln. Gut, dass wir Helm tragen. Und dass eine Bushaltestelle am Straßenrand auftaucht, in die wir uns flüchten können. Da kommen ganz schöne Trümmer von oben.

                        Erleichtert erreichen wir Triacastela „unten“. Jetzt wollen wir noch bis Samos, wo es eine „Campinggelegenheit“ geben soll. Was immer darunter zu verstehen ist. Bis Samos hügelt es wieder ein wenig, geht aber tendentiell bergab, so dass wir bis dorthin nicht lange brauchen. Am Ortseingang treffen wir auf das riesige Kloster, das den Ort dominiert. Ein hübsches Motiv: die Klostertankstelle. Weniger hübsch das Refugio im Kloster. Nach einem Blick durch die Tür nehmen wir uns spontan gegenüber ein Hotelzimmer. Keine Lust auf Regencamping. Wir nehmen eine heiße Dusche, hängen die nassen Klamotten zum Trocknen auf und gehen Essen.

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                        • Werner Hohn
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                          • 05.08.2005
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                          #72
                          AW: [DE] [FR][ES] Mit dem Fahrrad auf dem Jakobsweg Mai bis Juni 2012

                          Zitat von Enja Beitrag anzeigen
                          36. Tag

                          ...

                          Der Ort ist voller aufbrechender Pilger. Rucksäcke werden in Kleinbusse verladen. Viele gehen hier ohne Gepäck. Die Cafes sind gefüllt. Der kleine überteuerte Laden ist brechend voll.

                          ...

                          Die ersten Taxis werden herbeitelefoniert.
                          Ich sag doch, Wirtschaftsfaktor Jakobsweg.

                          In der Wochenendbeilage der Zeitung "La Vanguardia" vom 25. Mai 2013 ging es mehr oder weniger um das Thema Kirche, Staat und Geld. Da durfte der Jakobsweg nicht fehlen:

                          Zitat von La Vanguardia vom 25. Mai 2013
                          El patrimonio de la Iglesia, gran fuente de riqueza para la sociedad

                          Más de 272.000 personas peregrinaron a Santiago de Compostela en 2010, últimó Año Santo Jacobeo. Se trata una cifra récord. En los tres años santos anteriores el número de fieles que hicieron el Camino fue de 99.436 en 1993; 154.613 en 1999; y 179.944 en 2004. Según la Memoria de la CEE, el Año Santo Jacobeo 2010 permitió generar 135.000 puestos de trabajo y tuvo un impacto en la actividad turística de 6.138 millones de euros.
                          Quelle: http://www.lavanguardia.com/index.html Der Artikel ist leider kostenpflichtig.

                          Ungefähre Übersetzung:

                          Das Erbe der Kirche, eine große Quelle von Reichtum (Google meint „Wohlstand“) für die Gesellschaft*

                          Mehr als 272.000 Menschen unternahmen im Jakobinischen Heiligen Jahr 2010 eine Pilgerreise nach Santiago de Compostela. Das ist ein Rekord. In den drei früheren Heiligen Jahren betrug die Zahl der Gläubigen, die den Camino machten, 99.436 im Jahr 1993, 154.613 im Jahr 1999 und 179.944 im Jahr 2004. Nach dem Bericht der EU wurden im Jakobinischen Heiligen Jahr 2010 dadurch 135.000 Arbeitsplätze im Tourismus geschaffen (erhalten?) und ein Umsatz von 6,1 Milliarden Euro generiert.


                          *Es ging in dem Artikel ausschließlich ums Materielle.

                          Die 6 Milliarden Euro kommen natürlich nicht durch Taxifahrten und Rucksacktransporte zusammen. Ich bezweifele sogar, dass die bei der Rechnerei nur Fuß- und Radpilger berücksichtigt haben. Die mit weitem Abstand größte Pilgergruppe sind immer noch die, die als Pauschalurlauber kommen. Ein paar Tage Santiago im Heiligen Jahr und dann noch ein paar Tage Kultur. Angeblich waren 2010 mehr als eine Million Pilger in der Stadt.
                          .

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                          • Enja
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                            • 18.08.2006
                            • 4753
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                            #73
                            AW: [DE] [FR][ES] Mit dem Fahrrad auf dem Jakobsweg Mai bis Juni 2012

                            Macht doch Sinn.

                            Der Ausbau des Donau-Radwegs bis zum KM 0 als EU-finanzierte strukturfördernde Maßnahme zielt in die gleiche Richtung.

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                            • Enja
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                              • 18.08.2006
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                              #74
                              AW: [DE] [FR][ES] Mit dem Fahrrad auf dem Jakobsweg Mai bis Juni 2012

                              37. Tag

                              Eigentlich möchten wir jetzt in Santiago ankommen. Von weiteren Highlights ist nicht so recht die Rede. Die speziellen Herausforderungen haben wir bewältigt. Es sind noch knapp 150 km, also zwei Tage. Passende Campingplätze sind nicht mehr in Aussicht. In Sarria wäre noch einer, aber das ist nur einen Ort weiter. Also mal sehen. Der Bruckmann-Führer bezeichnet das, was nun noch kommt, als „entspanntes Ausrollen über Galiziens grüne Hügel“. Wir stellen allerdings bald fest, dass diese Hügel so in etwa Harzformat haben und sehr, sehr zahlreich sind. Zudem geht es meist durch den Wald, so dass von Landschaft und Aussicht wenig die Rede ist. Und ein großer Teil der Strecke, wird auf einer stark befahrenen Straße zurückgelegt. Der Jakobsweg ist größtenteils hier für unsere Räder nicht befahrbar. Zu schmal. Zu steil. Zu steinig. Und zu bevölkert. Auf dem letzten Stück sind ganze Heerscharen von Pilgern unterwegs. Überwiegend Spanier.

                              Eine Bergkette nach der anderen baut sich vor uns auf und will überklettert werden. Die Straße führt meist im Bogen drüber. Zunächst ist sie noch relativ wenig befahren. Es gibt auch einen Seitenstreifen. Und an den Steigungen wird es dreispurig. Das ist machbar, ohne dass es allzu eng wird.

                              Sarria erweist sich allerdings nicht mehr als hübsches Örtchen, wie wir sie bisher hatten. Eher Ponferrada in klein. Plattenbauten. Verkehr. Und viele Geschäfte. Nachdem wir im ersten Supermarkt gleich eingekauft haben, weil wir bisher selten an welchen vorbeigekommen sind, passieren wir einen nach dem anderen. Eine lange gerade Straße durchquert den Ort. Am Ende überqueren wir eine große Kreuzung bevor es wieder steil nach oben geht. Bis wir an den Stausee von Portomarin abfahren, bleibt die Landschaft unverändert. Ab und zu treffen wir die Niederländer, mit denen wir immer mal wieder zusammen gezeltet haben. Alle wollen jetzt ankommen. Langsam aber sicher reicht es. Durchhalteparolen werden ausgegeben.

                              Der Stausee liegt ganz nett da. Wir überqueren mehrere Brücken, wollen aber weiter. Portomarin sieht in erster Linie schon mal vergammelt aus. Wir lassen es liegen und machen uns an die nächste Steigung. Irgendwie fühlt sich das heute so an, als ginge es ausschließlich bergauf. Ab Portomarin ist das definitiv der Fall. Ab und zu geht es durch ein Gewerbegebiet. Die Straße ist von Autos nun fast unbefahren. Daneben führt der Fußweg durch die Büsche. Er ist hier ausgesprochen ungepflegt. Das Gras wuchert hoch. Oder es ist gerade gemäht aber das Mähgut liegt noch drauf.

                              Fünf MTBs werden auf die Straße getragen. Sie haben sich im Gras verfangen. Ihre Fahrer versuchen, die langen Halme aus Schaltung und Speichen zu ziehen. Die Wanderer lachen sich tot und fotografieren sie dabei. Die Sportradler zwischen den Fußgängern sind nicht besonders beliebt. Ein Rad hat es erwischt. Es hat einen bösen Achter im Hinterrad. Kein Problem, der Besenwagen erscheint. Die Fahrradwerkstätten fahren mit Vans und Fahrradträgern beständig Patrouille.

                              Mit uns mühen sich viele, viele Radfahrer die Dauer-Steigung hinauf. Alle ohne Gepäck. Dazu werden die unterschiedlichsten Techniken benutzt. Die Männer schieben ihre Frauen hoch. Väter ihre Töchter. Das sieht ziemlich anstrengend aus. Unser eigenes Geheimrezept lautet: Zurückschalten und geduldig treten. Sehr geduldig heute. Hier wird man auch weder mit schönen Ausblicken belohnt, noch gibt es nette Bars am Wegesrand. An einer einzigen kommen wir vorbei. Keiner fährt oder läuft dran vorbei ohne Einzukehren.

                              An einer Kreuzung verlieren wir die Straße. Eigentlich hätten wir nur geradeaus fahren müssen, aber es gab kein geradeaus. Wir übersehen einen schmalen Abzweig und sind Sekunden später erheblich tiefer auf einer ganz anderen Straße. Wir beschließen, nicht umzukehren, sondern Feldwege quer über die Hügel zu benutzen, um auf den Jakobsweg zurückzukehren. Sofort landen wir in einer landwirtschaftlichen Idylle. Richtig schade, dass wir dank der Hilfe der Anwohner sehr bald wieder auf der richtigen Strecke sind.

                              Die ist nun ein winziges Sträßchen geworden, das durch winzige Dörfchen verläuft. Eine echte Verbesserung. Die Steigung ist auch verschwunden. Wir kommen an eine Säule neben einem Rastplatz. Der Ort wird mit „Pilgerfriedhof“ bezeichnet. Unheimlich. Die Säule ist mit Totenköpfen verziert. Der ideale Ort für ein gemütliches Picknick. Es sieht eher wie eine Gerichtssäule aus. Also diese Dinger, die auch als Pranger und Galgen benutzt wurden.

                              Wir durchfahren Ligonde und erreichen Einaxe. Nun sind wir endgültig im ländlichen Spanien angekommen. Wir kehren erst einmal in die einzige Bar ein, die urgemütlich ist. Ein Bier führt zum nächsten. Hier sitzen bereits jede Menge alte und neue Bekannte. Da es hier Wi-Fi gibt, setzt ein allgemeines Rückflug-Gebuche ein. Außer RyanAir ist alles ausgebucht. Wir tauschen Tipps in Richtung "wie kriege ich die voreingestellte Versicherung weggeschnickt. Der Regen hört auf. Die Sonne kommt durch. Warum weiterfahren?

                              Gegenüber gibt es eine Pension mit zwei Zimmern. Die sind schon vergeben. Und ein Refugio. Darin ist noch Platz. Es ist modern, neu und sauber. Trotzdem würden wir lieber draußen schlafen. Wegen der frischen Luft. Wegen der Ruhe. Und wegen der angedrohten Bettwanzen. Wir fragen, ob wir unser Zelt aufbauen dürfen. Und falls ja, wo. Egal. Wir sollten die normale Übernachtungsgebühr bezahlen. Dann können wir zelten und im Refugio duschen. Toiletten sind sowieso nie ein Problem. Es gibt überall welche. Und man muss nicht „Gast“ sein, um sie zu nutzen.

                              Das einzige Stück Rasen ohne Kuhfladen ist der Dorfplatz. Da stellen wir unser Zelt hin. Nebenan weiden die Kühe bis sie neben unserem Zelt getränkt werden und ins Dorf laufen. Ein Pilger mit Esel pflockt das Tier neben uns an, um auch im Refugio zu übernachten. Sehr malerisch das alles. Komplettiert noch durch einen Hund in Stiefeln mit Rucksack und eigenem Pilgerpass. Nichts fehlt mehr.

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                              • Enja
                                Alter Hase
                                • 18.08.2006
                                • 4753
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                                #75
                                AW: [DE] [FR][ES] Mit dem Fahrrad auf dem Jakobsweg Mai bis Juni 2012

                                38. Tag

                                Am Morgen klingelt der Bäckerwagen neben uns. Das ist ein Leben. Nun gibt es auch noch ein Frühstück. Der Esel hat sich über Nacht losgerissen und ist verschwunden. Sein Besitzer (na gut, das sind Leihesel, die kann man mieten) macht sich auf die Suche. Wir können uns von diesem Ort kaum trennen. Heute wollen wir bis Santiago. Also los. Das, was wir gestern nicht mehr gefahren sind, kommt heute dazu. Ein kurzes Stück geht es noch auf dem schmalen Sträßchen weiter. Dann stoßen wir an einem Cafe auf die Hauptstrecke Lugo-Santiago. „Hier endet der idyllische Teil des Camino.“ Kann man im Reiseführer lesen.

                                Ab jetzt geht es wieder auf dem Seitenstreifen die Straße entlang. Die Radfahrer asphaltiert. Daneben der Schotter für die Fußgänger. Auf und ab im Nieselregen durch die bewaldeten Hügel Galiziens. Das wird jetzt zur Pflichtübung. Die Orte passen sich an. Sie sind unendlich öde und hässlich. Plattenbau an Plattenbau. Und nebenan der starke Autoverkehr mit all seinem Lärm und Dreck. Palas de Rei, Arzua, Ort um Ort, Kilometer um Kilometer geht es voran.

                                Noch eine lange Steigung hinauf zum Flughafen, am Kreisel abbiegen und da steht er, der Grenzstein. Santiago. Alle stehen Schlange, um sich daneben zu fotografieren. Der Flughafen scheint nicht sehr belebt. Während wir an ihm entlangfahren, startet gerade mal ein Flugzeug. Wir fahren bis zum Terminal, um uns anzugucken, wie es da in Richtung Fahrradversand aussieht. Wir erfragen Preise und sehen ankommenden Radfahrern zu. Zerlegt wird hier nicht. Alle bringen ihre Räder in Kartons, so dass der Verpackungsservice Däumchen dreht.

                                Es regnet jetzt stärker. Unsere Führer raten davon ab, den Fußweg über Monte Gozo zu nehmen. Wir bleiben auf der Straße. Es geht noch über mehrere Hügel. Santiago ist sehr uneben. Wir müssen uns noch einmal heftig verausgaben, um zur Altstadt zu kommen. Einmal falsch abbiegen, kostet viele, viele Höhenmeter. Aber schließlich biegen wir auf den Platz vor der Kathedrale ein. Geschafft. Da steht sie. Der Parador neben dran. Wir lassen uns zwischen den vielen anderen Pilgern nieder, die hier liegen und sitzen. Wir trinken die mitgebrachte Flasche Sekt. Da sind wir nicht die einzigen. Das ist schon ein irres Gefühl. Heute und in den nächsten Tagen treffen wir noch einmal alle Leute, mit denen wir unterwegs Teilstrecken gemeinsam zurückgelegt haben. Sogar die, die mit uns zusammen aus Vezelay aufgebrochen sind. Das hat was von einem schlechten Film, wo zum Happy End alle Mitwirkenden noch einmal auftauchen.

                                Wir holen uns im Pilgerbüro die schwer verdiente Compostela ab, indem wir unsere Pilgerpässe vorlegen. Jeder hat inzwischen zwei, weil einer nicht gereicht hat. Danach holen wir uns in der Touri-Info einen Stadtplan und lassen uns zeigen, wo der Campingplatz ist. Einige Bekannte sind schon dorthin aufgebrochen. Ansonsten scheint Santiago ausgebucht zu sein. Viele suchen heftig nach einer Unterkunft. Nach einem Bummel durch die Altstadt fahren wir auf den Campingplatz, entdecken dort einen großen Pool, bauen unser Zelt auf und beginnen uns von Pilgern in Touris zu verwandeln.

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                                • grenzenlos
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                                  • 25.06.2013
                                  • 566
                                  • Privat

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                                  #76
                                  AW: [DE] [FR][ES] Mit dem Fahrrad auf dem Jakobsweg Mai bis Juni 2012

                                  Zitat von Enja Beitrag anzeigen
                                  38. ... und beginnen uns von Pilgern in Touris zu verwandeln.
                                  auch manchmal gut!
                                  Unsere Webseite: http://www.grenzenlosabenteuer.de

                                  Gruß, Wi grenzenlos

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                                  • Enja
                                    Alter Hase
                                    • 18.08.2006
                                    • 4753
                                    • Privat

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                                    #77
                                    AW: [DE] [FR][ES] Mit dem Fahrrad auf dem Jakobsweg Mai bis Juni 2012

                                    Ja. Was nun? Es schüttet inzwischen 24stündig wolkenbruchartig. Wir buchen einen Leihwagen am Flughafen. Wir wollen noch etwas mehr von Nordspanien sehen. Und auch mal wieder trocken werden. Am Flughafen würde man unsere Räder problemlos aufbewahren. Für 10 € pro Rad pro Tag. Wir lehnen dankend ab, packen die Räder in das Auto und nehmen sie mit zurück zum Campingplatz. Der Betreiber stellt sie in seine Garage.

                                    Zunächst einmal fahren wir nach Finisterre. Am Cap bläst der Wind uns fast von den Klippen. Wie wir da so klatschnass stehen, sind wir die einzigen Besucher. Am Cap steht ein Kreuz, an dem offensichtlich viele Pilger ihre Klamotten abfackeln. Die Reste hängen drüber und liegen darum herum. Es stinkt und optisch ergibt das ein echtes Müllkippenflair.

                                    Nach einer Hotelübernachtung um die Ecke fahren wir weiter die Küste entlang, besuchen La Coruna und stellen fest, dass es uns zurück auf den Jakobsweg zieht. Die Küste reizt uns nicht. In Lugo treffen wir auf eine geradezu mittelalterlich prächtige Fronleichnamsprozession. Weiter geht es noch einmal nach Leon. Mobil mit dem Auto besuchen wir diverse romanische Kirchen im Umfeld und peilen dann Bilbao an. Da wollten wir unbedingt hin. Die Stadt enttäuscht uns auch nicht. Es gibt endlos viel zu sehen. Da es zwischenzeitlich wärmer geworden ist, folgen wir von hier aus der Küste nach Westen und sind relativ enttäuscht von der doch sehr zugebauten Küste. Zum Baden ist es immer noch zu kalt. Wir gönnen uns ein paar wunderschöne Tage in den Picos. Wo das Wetter überraschend sommerlich ist und kehren über Cruz de Ferro und Cebreiro nach Santiago zurück.

                                    Auf dem Campingplatz heißt es nun Räder zerlegen und verpacken. Wir kaufen zwei Kartons in einem Radladen zum Schnäppchenpreis von 5 € pro Stück. Die Packerei ist etwas mühsam. Es sind MTB-Kartons. Andere hatten sie da nicht. Für unsere Räder also zu klein. 28 kg Sportgepäck dürfen es sein. In den Karton kommen also noch Werkzeug, Helme, die Isomatten als Polstermaterial usw.

                                    Das Auto fährt die Kartons zum Flughafen und bald landen wir komplikationsfrei in Deutschland. Der Flughafen-Gepäckkarren transportiert die Kartons in den Bus. Und an der Bushaltestelle lassen wir uns abholen.

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                                    • Enja
                                      Alter Hase
                                      • 18.08.2006
                                      • 4753
                                      • Privat

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                                      #78
                                      AW: [DE] [FR][ES] Mit dem Fahrrad auf dem Jakobsweg Mai bis Juni 2012

                                      Sitze hier schon auf gepackten Taschen. Morgen geht es los.

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                                      • grenzenlos
                                        Dauerbesucher
                                        • 25.06.2013
                                        • 566
                                        • Privat

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                                        AW: [DE] [FR][ES] Mit dem Fahrrad auf dem Jakobsweg Mai bis Juni 2012

                                        Zitat von Enja Beitrag anzeigen
                                        Sitze hier schon auf gepackten Taschen. Morgen geht es los.
                                        Wo geht es denn hin?

                                        Dankeschön für den prima Bericht!

                                        Hoffe auf den nächsten.
                                        Unsere Webseite: http://www.grenzenlosabenteuer.de

                                        Gruß, Wi grenzenlos

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                                        • hosentreger
                                          Fuchs
                                          • 04.04.2003
                                          • 1406

                                          • Meine Reisen

                                          #80
                                          AW: [DE] [FR][ES] Mit dem Fahrrad auf dem Jakobsweg Mai bis Juni 2012

                                          Zitat von grenzenlos Beitrag anzeigen
                                          ... Dankeschön für den prima Bericht!...
                                          Ja - dem schließe ich mich voll und ganz an!!!

                                          Zitat von grenzenlos Beitrag anzeigen
                                          ...Hoffe auf den nächsten.
                                          Du weißt ja, dass wir da ein Jahr drauf warten müssen???

                                          Gute Fahrt, schöne Erlebnisse, nette Leute unterwegs, viel Spaß und etwas Erholung trotzdem
                                          und eine gesunde Rückkehr

                                          wünscht hosentreger
                                          Neues Motto: Der Teufel ist ein Eichhörnchen...

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