Die Donau entlang

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  • Abt
    Lebt im Forum
    • 26.04.2010
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    • Meine Reisen

    #81
    AW: Die Donau entlang

    Zur Ehrenrettung Rumäniens sei mal von mir bemerkt, dass ich das Problem dieser großen Hundemeuten bei meinen eigenen ausgedehnten Streifzügen durch das Land sonst nirgendwo so bemerkt habe.

    Ich stelle mir mal so ein großes Hunde-KZ vor den Toren Bukarests vor, in dem 50 000 Tiere in Käfigen gehalten ihr Gnadenbrot bis zur Verendung bekommen würden und werte das eher als einen inhumanen Akt unrealistischen Gedankengutes als wenn man sie abschießt. Sogar nach deutschem Jagdrecht wäre das legal. das hatte ich ja schon einmal beim Wolfstread hier im Forum nachgefragt.

    Ich wende mich erneut an Enja und freue mich auf die Fortsetzung ihres Tourenberichtes, die gerade im Land der Lipowäner unterwegs sind. Das ist eine russische Volksgruppe die sich in grauer Vorzeit wegen ihrem Glaubens im Donaudelta vor dem Zaren versteckt hielten.
    Zuletzt geändert von Abt; 27.11.2013, 13:03.

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    • Enja
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      • 18.08.2006
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      • Meine Reisen

      #82
      AW: Die Donau entlang

      21.9.2013

      Nach einem Frühstück auf dem Hotelbalkon rollen wir wieder zum Hafen. Um 20 Uhr geht das Boot nach Gura Portitei. Unsere Räder dürfen wir nicht mitnehmen. Sie kommen in einen Schuppen. Wir heben unsere 12 Radtaschen an Bord und legen ab. Das Boot ist groß genug für eine ganze Busladung Menschen. Gemütlich tuckern wir durch einen Kanal aus dem Hafen. Im Schilf seitlich sehen wir einige hübsche alte strohgedeckte Häuser. Dann gibt der Kapitän Gas. Wir donnern über den See. Der Wind ist immer noch stark. Wir krachen von einer Welle in die nächste. Jurilovca ist bald außer Sicht. Wir sind eine ganze Weile unterwegs. Erst sehen wir noch Jurilovca liegen. Bald nur noch Wasser, Himmel und Schilf.

      Das Feriendorf, das mal eine Fischersiedlung war, liegt vorne auf der Landzunge zwischen Meer und See. Wir wuchten unsere Taschen an Land und buchen in der Rezeption eines der Holzhäuschen am Strand. Es gibt Unterkünfte in jeder Preislage. Die äußerst schlichten Holzhütten habem schon was von Camping. Platz für zwei Betten und unsere Taschen. Und so fühlen wir uns gleich heimisch. Vom Bett aus können wir direkt auf das Meer gucken. Dummerweise liegt das hier im Osten, so dass mit Sonnenuntergang über dem Meer nicht zu rechnen muss und man stattdessen früh wach werden sollte, um den Sonnenaufgang zu genießen. Die Hütte hat zahlreiche Löcher in den Wänden und in der Tür (ein Fenster gibt es nicht), was ich etwas mit Argwohn betrachte. Man kann erkennen, wie andere Bewohner versucht haben, sie mit Toilettenpapier auszustopfen. Eine Einladung für die Mücken? Eigentlich hatten bisher auch die schlichtesten rumänischen Quartiere zuverlässigen Mückenschutz an allen Fenstern und Türen. Aber gut. Die Mückenzeit ist wohl vorbei. Wir treffen keine Mücken an.

      Wir waschen unsere Sachen und hängen sie auf. Wir gehen baden. Hier ist sowohl der Strand als auch das Wasser sauber. Aber es ist eigentlich schon ein bißchen zu kalt zum Baden. So unternehmen wir eine Strandwanderung, bewundern die Muscheln und sehen den Vögeln zu, die es hier in großer Menge gibt. Das einzige, was wirklich ein bißchen eigen ist, ist das Sanitärhaus. Seeehr gewöhnungsbedürftig und gar nicht zur Anlage passend, in der alles liebevoll gepflegt wird.
      Inzwischen ist noch ein Boot angekommen und hat eine Gruppe MTBler abgeliefert. Teils beziehen sie eine Hütte. Teils biwakieren sie am Strand. Sie wollen von hier aus den Strand entlang nach Sulina. Das sei eine beliebte Tour für Fahrrad-Enthusiasten. Rumänische Radsportler übrigens. Die treffen wir gar nicht so selten. Und so macht es natürlich auch Sinn, dass es die zugehörigen Fahrrad-Läden und -Werkstätten offensichtlich gibt.

      Abends gehen wir essen im Restaurant. Es gibt wohl mehrere, aber nur eines ist noch geöffnet und wir sind auch die einzigen Gäste. Das Essen schmeckt hervorragend. Fisch natürlich. Und Polenta. Die Bedienung ist nett und bemüht. Neben dem Tisch gibt es eine Steckdose. Und natürlich kostenloses W-Lan.

      Wir beschließen, noch einen Tag länger zu bleiben. Morgen ist Wahltag. Da ist so ein Ort mit zuverlässiger Internetversorgung doch super. Gewählt haben wir schon. Nun wollen wir wissen, wie es ausgeht. Wir sagen also bescheid, dass wir noch bleiben wollen.

      Über Nacht lassen wir die Tür offen, um das Meer rauschen zu hören.

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      • Enja
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        #83
        AW: Die Donau entlang

        Übrigens sind wir nach Constanta/Mamaia nicht mehr mit anstrengenden Hunden/Hunderudeln konfrontiert worden. In den nun durchquerten Dörfern gab es zwar offensichtlich viele Hunde. Aber nicht freilaufend. Oder wenn, dann von Menschen begleitet und unter Kontrolle gehalten.

        Auch die Pferde sahen hier besser aus. Weniger humpelnd. Und überwiegend in gutem Pflege- und Ernährungszustand.

        Genauso gab es die aggressiven Kinderhorden nicht mehr.

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        • Enja
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          #84
          AW: Die Donau entlang

          22.9.2013

          Zu Sonnenaufgang wache ich auf. Der Anblick ist phantastisch. Der Himmel strahlt in allen denkbaren roten Schattierungen. Danach schlafe ich noch eine Runde. Heute haben wir frei. Frühstück ist im Preis enthalten. Wir sitzen in der netten Strandbar und genießen es, mal bedient zu werden. Die MTBler packen ihren Kram zusammen und radeln irgendwann ab. Allzuviele Gäste sind nicht mehr anwesend. Und die meisten wollen anscheinend abreisen. Um 12 Uhr geht das Boot. Das wollen wir morgen auch nehmen.

          Heute laufen wir mal in die andere Richtung. Zum Baden ist es endgültig zu kalt. Es weht ein eisiger Wind. Statt am Meer entlang geht es in die Sümpfe. Dort sehen wir mehr Vögel als direkt am Meer. Und Schlangen. Alles ist voller Schlangen. Die meisten sind tot. Man erklärt uns, dass das Wasserschlangen sind, die im Herbst an Land kommen, um zu sterben. Richtung Meer stehen einige Fischerhäuschen. Und natürlich gibt es auch hier wieder Hunde, die meinen, wir hätten dort eigentlich nicht unterwegs zu sein.

          Als wir zurückkommen, werden wir in die Rezeption gebeten. Man will uns aus dem Strandhäuschen haben. Das sei viel zu kalt. Wir könnten erfrieren. Wir denken eher, dass sie die letzten Gäste in einem Gebäude konzentrieren wollen. Und ziehen in ein geradezu luxuriöses Zimmer um. Sowas haben wir lange nicht mehr gesehen. Alles vom Feinsten. Wir genießen natürlich das Bad. Die Heizung läuft. Da werden unsere Sachen endlich mal trocken. Ansonsten ist uns das egal. Das kleine Holzhäuschen mit seinem Strohdach war völlig in Ordnung.

          Und schon ist es Zeit, nach den Wahlen zu sehen. Als wir uns in der Bar mit Tablet und Netbook niederlassen, werden wir bald von den anderen Gästen umringt. Hier urlaubt die rumänische Schickeria. Wir haben schon im Hafen die teuren Schlitten parken sehen. Alle wissen von den heutigen Wahlen und wollen unsere Prognose. Sie sorgen sich, dass „la Merkel“ eventuell abgewählt werden könnte. Wo sie doch der Garant für unablässig fließende EU-Gelder ist. Das wäre doch schade. Sie wissen sogar von der hessischen Landtagswahl. Die natürlich von Rumänien aus nicht ganz so interessant ist.

          Nachdem der erste Trend klar ist, gehen wir alle essen. Fisch natürlich. Und nach diversen Runden Bier und Schnaps gehen wir schlafen. Die endgültigen Ergebnisse gibt es sowieso erst morgen.

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          • Enja
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            #85
            AW: Die Donau entlang

            23.9.2013

            Im Prinzip haben wir viel Zeit. Das Boot geht erst um 12 Uhr. Wir sind etwas kribbelig. Soviel Faulenzerei wie in den letzten Tagen sind wir nicht gewöhnt. Wir scharren sozusagen mit den Hufen. Obwohl ein eisiger Wind weht. Der uns schon vermuten lässt, dass wir wieder anstrengende Kilometer vor uns haben. Wir machen es uns also erst einmal im Restaurant gemütlich und frühstücken in aller Ruhe. Dabei bestaunen wir die Wahlergebnisse. Was soll das nun heißen? Irgendwie gewöhnungsbedürftig.

            Während wir da noch sitzen, kommt der Chef auf uns zu. Ob wir wohl mal in die Rezeption kommen wollen. Zu seiner Frau. Natürlich. Machen wir. Ob wir wohl etwas dagegen haben, früher abzureisen. Der Kapitän würde gerne schon um 10 Uhr ablegen. Wir sind einverstanden. Haben wir etwas mehr Zeit unterwegs. Im Grunde würden wir gerne in Tulcea ankommen.
            Also packen wir und verstauen unsere Taschen im Boot. Ein anderer Gast kommt noch mit. Ansonsten ist wohl nur noch die Belegschaft da. Die See ist eher noch rauer als bei unserer Ankunft. Wir ballern über den See. Nur in der Kajüte ist es trocken. Drüben an Land laden wir aus. Holen und beladen die Räder und machen uns wieder auf den Weg. Unser Bootsgenosse besteigt seinen glänzend schwarzen Ferrari und braust davon.

            Wir durchqueren noch einmal Jurilovca und strampeln tapfer gegen den Wind. Über einen Hügel geht es nach Salcisoara. Und nun ändert sich die Landschaft. Die Berge, die uns von der Donau trennen, rücken auf uns zu. Einen bewaldeten Ausläufer, der bis an den Lacul Razim reicht, müssen wir überqueren. Und die großen Felder hören auf. Eine Art Steppe beginnt. Eine Spielwiese für die Herren im Flecktarn. Mit allem, was dazu gehört. Inklusive großer aufgestellter Antennenohren. Wir nähern uns mal wieder der Achse des Bösen. Auch die Grenzpolizei stellt wieder einen großen Anteil des Straßenverkehrs.

            Auf dem Berg vor uns steht eine Burg. Sowas hatten wir auch lange nicht. Eine echte Landschaftdekoration. Und wir dürfen diesen Anblick lange genießen. Wir umrunden die Burg sozusagen und fahren dabei immer schön bergauf. Die Berge bieten uns Windschutz. Und mit schöner Aussicht radelt es sich natürlich auch besser. An der Straße liegen die Becken riesiger Fisch-Farmen. Wir durchqueren Enisala und schon geht es wieder steil nach unten in ein Sumpfgebiet. Noch ist das für uns Neuland. Auf beiden Seiten der Straße, die auf einer Art Damm verläuft, dehnen sich Schilfflächen bis zum Horizont. Links und rechts verlaufen Kanäle, auf denen Schiffe liegen, die dort offensichtlich schon länger liegen. Angler angeln. Und Vögel sind überall. Bevölkern die Luft. Das Wasser. Alles. Wir staunen in alle Richtungen. So haben wir uns das Donau-Delta vorgestellt. Über uns fliegt ein Seeadler.

            An einer Schildkröte in Straßenmitte stoppen wir. Was will sie da? Die müssen wir retten. Uns ist nicht so ganz klar, ob sie noch lebt. Sie bewegt sich nicht. Wir tragen sie an den Straßenrand und ziehen uns etwas zurück. Daraufhin rennt sie mit unerwarteter Geschwindigkeit ins Schilf. So schnell können wir gar nicht fotografieren.

            In Sarichioi möchten wir rasten. Es gibt einen kleinen Park mit einem Brunnen in der Mitte und Bänken drum rum. Eine gute Gelegenheit zum Kaffee kochen. Aber der Wind pfeift uns so um die Ohren, dass wir das aufgeben. Sarichioi liegt direkt am Lacul Razim. Wir wollen an den Strand fahren, geben aber auf. Die Straße ist so schlecht, dass sie quasi unbefahrbar ist. Wild gewordenes Kopfsteinpflaster am Steilhang. Kein Bedarf. Wir nutzen noch schnell den Bankautomaten, den es hier, wie bisher in jedem Dorf gibt. Und fahren weiter. Nur so kann man sich warm halten.

            In Agighiol kann man auf eine Abkürzung nach Tulcea einbiegen. Der Donauradweg führt über Murighiol in weitem Bogen nach Osten und wieder zurück. Gegen Osten hätten wir nichts. Aber nach Westen kann man wegen des stürmischen Westwinds eher nicht fahren. Wir verzichten also dankend und fahren direkt Richtung Tulcea. Noch 16 km. Es geht geradeaus bergauf. Endlos sieht man die Straße da liegen. Der Wind bläst auch hier stark entgegen.

            Oben angekommen machen wir eine Rast im Windschatten eines parkenden LKWs und essen ein paar Kekse. Sofort sitzt der obligatorische hungrige Hund bei uns. Es geht noch weiter bergauf. Aber irgendwann sind wir oben und rollen abwärts Richtung Tulcea. Am Ortseingang gibt es einen Rastplatz mit Tischen, Bänken und großer Infotafel, auf der wir den Weg zur Stadtmitte sehen können. Das ist ein netter Service. Zur Rast lädt der Platz allerdings nicht ein. Er wird offensichtlich gleichzeitig als Mülldeponie genutzt.

            In Richtung Stadtmitte müssen wir noch einen Berg überqueren. Die Stadt ist unerwartet hügelig. Ziemlich groß. Und komplett mit Kopfsteinpflaster ausgestattet. Erst als es wieder abwärts Richtung Donau geht, wird es besser. An der Donau gibt es eine lange Uferpromenade. Mit der Stadtmitte nebendran. Die Hässlichkeit dort ist erschlagend. Wir stehen etwas fassungslos am Ufer mit Blick auf die Stadt. Die Bebauung ist sehr hoch. Mit viel Waschbeton. Alles vergraut und verfallen. Rundum schrecklich.

            Am besten, man guckt in Richtung Wasser. Dort liegen Schiffe jeder Art. Das sieht bedeutend netter aus. Was jetzt? Wir finden die Touri-Info und erhalten einen Zimmernachweis, der sich später als veraltet herausstellt. Die Preise stimmen nicht mehr. Man empfiehlt uns Pensionen, die weit außerhalb liegen. Da könnte man für 5 € weniger als direkt in der Stadt wohnen. Mal sehen. Und eine Schiffstour ins Delta? Oder nach Sulina? Den Fahrplan nach Sulina bekommen wir mit. Für eine Tour dorthin müssten wir mindestens drei Tage investieren. Und eine Delta-Rundtour? Da müssen wir an den Anlegern fragen. Es ist keine Saison mehr. Da fährt nicht mehr viel.

            Wir laufen also die Anleger ab und gucken, was da so im Angebot ist. Im Grunde bieten alle die gleiche Rundtour an. Inklusive Mittagessen. Unterwegs treffen wir zwei Hamburger, die mit dem Auto unterwegs sind. Wir buchen schließlich die gleiche Rundtour. Sie empfehlen uns ihr Hotel. Das Insula. Wir gucken uns noch einige andere an, sind nicht bereit, weit stadtauswärts zu fahren und checken schließlich auch im Insula ein. Wir bezahlen 30 € für ein DZ, was für unsere Verhältnisse ziemlich viel ist. Aber das Hotel ist wirklich schön. Warum sollen wir uns das nicht mal gönnen. Geradezu mitteleuropäischer Standard. Und etwas abseits auf einer Insel gelegen. 5 Minuten vom Anleger entfernt, aber sehr ruhig. Und ein Balkon über dem Wasser. Wir kaufen noch ein und verbringen einen entspannenden Abend auf dem Wasserbalkon.

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            • Abt
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              #86
              AW: Die Donau entlang

              Ich stelle den Campingführer für Rumänien mal hier an diese Stelle, für alle die Reisenden, die Campingplätze auf ihren Touren durch Rumänien brauchen.

              http://www.campings-in-roemenie.nl/2Duits.html

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                #87
                AW: Die Donau entlang

                Gute Idee. Von unseren Plätzen habe ich nur den in Constanta gefunden. Das war "Campare Tabara Turist Mamaia". Laut Campingführer war der schon geschlossen, als wir dort waren. Witzig so ein Gewimmel dort zu sehen. Im September standen da nur die drei beschriebenen Zelte.

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                  #88
                  AW: Die Donau entlang

                  24.9.2013

                  Wir frühstücken gemütlich auf dem Balkon. Im Zimmer hängt ein Brandmelder. Das ist nichts für unseren Benzinkocher. Die Enten sind alle wieder erschienen und teilen mit uns. Es regnet. Wir packen also vorsichtshalber für unseren Bootsausflug warme Sachen und Regenzeug ein. Vorsichtshalber noch Wasserflaschen, was sich als gute Idee erweist.

                  Unser Boot wartet schon. Wir sind die letzten. Mit uns fahren die Hamburger von gestern, ein englisches Paar, dessen weiblicher Teil sich als gebürtige Rumänin erweist, wodurch wir eine Dolmetscherin an Bord haben und ein italienisches Rentnerpaar. Bis auf die Italiener können alle Englisch. Die Italiener immerhin Französisch, was die Hamburgerin und ich auch beherrschen. Es bilden sich also zwangsläufig Grüppchen. Die Boots-Crew spricht nur rumänisch. Die beiden Herren sind ziemlich schmierig. Nicht charakterlich. Aber sie tragen verölte Blaumänner und sind an Gesicht und Händen passend eingefärbt.

                  Wir nehmen vorne an Deck Platz. Dort steht ein Tisch mit Stühlen drum herum. Der Kapitän steht eine Etage tiefer und guckt zwischen den Beinen seiner Passagiere durch. Wann immer die Begeisterung einen der Passagiere das Treppchen hinunter in den Bug treibt, um von dort aus besser fotografieren zu können, muss er da weggepfiffen werden, damit der Kapitän freie Sicht hat.

                  Wir legen ab und tuckern los. An weiteren Booten entlang. An einer Art Werft vorbei, wo Boote in allen Stadien des Abwrackens liegen. An der rumänischen Kriegsmarine vorbei. Und schließlich in den grünen Tunnel des Donau-Deltas. An beiden Ufern steht Wald. Davor ein mehr oder weniger breiter Streifen Strand. Die Wurzeln der großen Bäume sind von vielen Überflutungen ausgewaschen. Das sieht aus wie ein Mangrovensumpf. Dazwischen liegt viel Müll. Am Strand sitzt Angler neben Angler. Dahinter eine Campingzone. Die Zelte der Angler. Teils liegen ihre Boote auf den Strand gezogen. Teils ankern sie. Teils sind auch keine da. Es gibt offensichtlich einen Taxi-Dienst für Angler. Kleine Zillen mit Außenbordmotor, die unermüdlich auf und ab donnern und unser Boot jedesmal heftig ins Schwanken bringen.

                  Wir biegen in einen schmaleren Seitenkanal ab. Dann in einen noch schmaleren. Alle ähnlichen Boote fahren offensichtlich dieselbe Route. Was sicherlich sinnvoll ist. Wenn man noch ein Biosphärenreservat übrig behalten will, muss man das kanalisieren. Die Angler werden langsam aber sicher weniger. Und wir bekommen einen Vogel-Katalog. Damit wir identifizieren können, was wir sehen. Es gibt tatsächlich viele Vögel. Viele verschiedene Vögel. Hauptsächlich so das, was wir auch von zu Hause kennen. Nur mehr davon. Speziell auch mehr von den Vögeln, die zu Hause recht selten sind. Zum Beispiel immer wieder Eis-Vögel. Viele Graureiher. Silberreiher. Irgendein Seeadler kreist meist über uns. Die Pelikane sind schon in den Winterurlaub geflogen. Sagt man uns. Es gibt aber auch nur noch 200 Paare. Vor 100 Jahren waren es noch eine Million.
                  Alle fotografieren fleißig. So lange sind wir die Donau entlanggeradelt. Lange Zeit auch ohne sie zu sehen. Nun fahren wir mal drauf. Das gefällt uns. Die Runde ist zudem nett. Wir tauschen uns aus. Über Rumänien. Über das Reisen. Über die Aluminium-Fabrik in Tulcea und die Gefährdung des Deltas. Der Gesprächsstoff geht uns nicht aus.

                  Irgendwann fällt der Schiffsmotor aus. Der Unter-Kapitän springt mit einem dicken Seil an Land, zieht das Boot auf den Schlick und bindet es fest. Was nun? Irgendein Programmpunkt? Die Schiffsbesatzung werkelt fleißig. Sie haben in der Kajüte eine Luke im Boden aufgeklappt, sind hinuntergestiegen und werkeln am Motor. Ab und zu wird irgendein abgeschraubtes Maschinenteil ob herausgehoben und auf dem Kajütenboden gelagert. Oh, sieht nicht gut aus. Das ist die Pumpe für die Kühlung. Kommt gleich der Paketdienst und bringt eine neue?

                  Die beiden Herren packen ihre Handys aus und werkeln nun mit dem Handy am Ohr weiter. Wir winken den vorbeiziehenden anderen Ausflugsschiffen zu und beginnen, uns zu langweilen. Bevor die Stimmung kippt, erscheint der Leichtmatrose mit einer Runde Schnaps. Die Gläser hat er mit einem öligen Lappen ausgewischt und das Wasser, das er uns dazu anbietet, mit dem Eimer aus dem Fluss hochgezogen. Na gut, Schnaps desinfiziert.

                  Irgendwann mal ist alles wieder zusammengeschraubt, das Seil wird eingeholt, der Motor springt wieder an und wir schippern weiter. Der eine der beiden Männer zieht sich einen Flecktarn über den Blaumann und mutiert zum Koch. Händewaschen ist nicht nötig. Maschinenöl desinfiziert. Hat mein Opa auch immer gesagt. Der war Schlosser.

                  Schließlich kommen wir in einen schilfigen Bereich mit weitem Rundumblick. Neben dem Flusslauf liegt ein großer See mit vielen Vögeln drauf. Die sollen wir uns jetzt angucken. Es ist tatsächlich eine umfassende Sammlung. Oben kreist der unvermeidliche See-Adler. Der Kapitän läuft mit Schwung auf den Strand auf, so dass wir festliegen. Und mit Blick auf die Vogel-Sammlung wird nun der Tisch zum „Lunch“ gedeckt. Mehrere große Platten mit Fisch werden serviert. Dazu Brot und Weißkäse. Unter Fisch muss man sich in diesem Fall Fischköpfe vorstellen. Die haben wir auf den Märkten schon gesehen. Jetzt sind sie gegart worden. Mehrere Hechte gucken uns böse an. Welse. Was es so alles in der Donau gibt.

                  Tapfer aber doch ziemlich vorsichtig tun wir uns auf und versuchen, daran Essbares zu finden. Gewürzt worden ist da nichts. Schmeckt ziemlich zum Abgewöhnen. Jetzt gibt es noch eine Suppe. Eine Fischbrühe mit Kartoffelstücken drin. Fast kalt und auch ungewürzt. Als die Herren merken, dass ihre Passagiere etwas an Appetitlosigkeit leiden, bringen sie noch einen großen Berg fritierter Fischköpfe.

                  Nachdem alle gesättigt sind, machen wir das Boot wieder flott und tuckern heim. Kurz vor Tulcea kommen uns zwei große Schlepper entgegen mit vielen, vielen winkenden Menschen an Bord. Ein Kreuzfahrtschiff hat angelegt und die Passagiere machen die obligatorische Runde im Schnelldurchlauf.

                  So richtig begeistert sind die Passagiere nicht. Die Erwartungen waren wohl etwas überhöht. Ich fand es eigentlich ganz interessant. Wir sind alle durchgefroren bis auf die Knochen. Und hungrig auch. Insofern wollen wir jetzt an Land. Das überträgt sich auf die Schiffsmannschaft. Sie haben es so eilig, das Boot einzuparken, dass wir mit großem Schwung ein anderes rammen. Daraus entspinnt sich ein wildes Gebrüll. Währenddessen verabschieden wir uns und gehen heim.

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                  • EbsEls
                    Erfahren
                    • 23.07.2011
                    • 434
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                    #89
                    AW: Die Donau entlang

                    Ich bitte um Entschuldigung - es ist wegen der von dem Einen&Anderen vermissten Bilder:
                    Hier gibt es einige Bilder zum letzten Abschnitt meiner derzeitigen täglichen Lieblingslektüre. Vielen Dank mal wieder zwischendurch.
                    Viele Grüße aus Thüringen (oder von Sonstwo)
                    Eberhard Elsner

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                      • 4751
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                      #90
                      AW: Die Donau entlang

                      Mit "dem alten Postschiff" wären wir auch gerne gefahren. Es lag so malerisch am Kai. Auf seine Abfahrt hätten wir allerdings eine volle Woche warten müssen. Bis dahin fuhr täglich das Hovercraft. Darin sitzt du wie im Flugzeug. Bist ruckzuck in Sulina. Fragt sich dann aber, warum.

                      Dafür hatten wir keinen Stress mit Massentourismus. Die Leute waren an einer Hand abzuzählen. Bis auf die Kreuzfahrer. Aber die laufen nicht "frei". Die sind nur gebündelt unterwegs.

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                        #91
                        AW: Die Donau entlang

                        25.9.2013

                        Heute soll es weitergehen. Bzw. wieder donauaufwärts. Der nächstgelegene Grenzübergang in Richtung Ukraine liegt bei Galati. In Richtung Ukraine, weil man, um dort hinzukommen, durch Moldawien muss. Galati liegt etwa 100 km von Tulcea entfernt. Stramm Richtung Westen. Also 100 km Gegensturm. Wir haben da weder Lust drauf, noch sind wir sicher, das zu schaffen. Lieber würden wir einen Bus nehmen.

                        So suchen wir erst einmal den örtlichen Busbahnhof direkt neben dem Schiffsterminal auf. Dort herrscht im strömenden Regen ein lebhaftes Treiben. Man erklärt uns, dass Fahrräder grundsätzlich nicht mitgenommen werden. Nur ausnahmsweise, wenn mal Platz ist. Nur in den großen Fernbussen. Und von denen fährt keiner nach Galati. Die Strecke ist zu kurz.
                        Also machen wir uns auf den Weg. In dichtem Verkehr auf schlechter Straße fahren wir stadtauswärts. Erst durch Plattenbauten. Dann durch ein Gewerbegebiet, in dem überraschenderweise die empfohlenen Pensionen liegen. Und schließlich ins offene Land hinaus. Dem tobenden Wind entgegen. Im strömenden Regen. Mal wieder am Rand des Donautals. Auch hier geht es vom Umland her steil abwärts. Die Orte liegen an der Kante. Dazwischen gibt es Einschnitte, wo man immer wieder bis auf die Talsohle muss, es also kontinuierlich auf und ab geht.

                        Unten liegt in Sichtweite ein Donauarm inmitten einer Wasserwelt aus Sumpf und Seen. Auch hier sieht man viele Vögel. Die Flächen sind überwiegend Schutzgebiete. Und teilweise auch landwirtschaftlich genutzt. So passieren wir Mineri und Somova. Alle Donau-Anwohner transportieren fleißig Boote. Ich vermute mal, dass sie in ihre Winterquartiere geschafft werden. Auf den landwirtschaftlichen Flächen wird gepflügt. Die Erntezeit ist vorbei. Oben die Ebene, an deren Rand wir entlang fahren, wirkt sehr karg und ausgetrocknet. Was vielleicht jahreszeitlich bedingt ist. Weiter weg sieht man Berge aufragen. Und Wald.

                        Hinter Somova biegt die Straße ins Hinterland aus, weg vom Donautal. Und insofern geht es nun natürlich auch bergauf. Wir passieren eine imposante Schlucht und fahren bald im Wald. Hier liegen die Dörfer nicht an der Straße, sondern seitlich ein ganzes Stück aufwärts. Wir sehen sie nur aus der Ferne liegen. Was auch für die Klöster gilt, die wir passieren. Wenn man sich hier mehr Zeit nehmen wollen würde, könnte man sie sicher besuchen. Aber wir wollen jetzt mal wieder das Land verlassen. Wir sind neugierig auf die Ukraine.

                        So kommen wir nach Isaccea, ein Ort, der wieder fast an der Donau liegt, die hier als breiter Fluss fließt. Das Delta haben wir erst einmal hinter uns gelassen. Isaccea ist recht groß. Es gibt Läden und Bäckereien, so dass wir mittig eine Bank in Beschlag nehmen, um etwas zu essen. Schön ist anders. Aber immerhin ist es hier windgeschützt. Schnell sind wir von einer Gruppe heftig bettelnder Kinder umgeben. Und es erscheint aus der Gegenrichtung ein mit dem Wind sausender Solo-Reiseradler auf dem Weg nach Tulcea. So gut es in diesem Tumult geht, tauschen wir uns über die Strecke aus. Kurz bevor wir aufgeben, hier etwas essen zu können, erscheint ein älterer Mann uns schickt die Kinder weg.

                        Uns ist durchaus der Appetit vergangen. Außerdem fängt es wieder an zu regnen. Wir fahren also weiter. Wir mühen uns gegen den Wind. Passieren Dorf um Dorf, Steigung um Steigung, eingeschnittenes Tal um Tal. Immer in dem Gedanken, es vielleicht heute noch bis in die Ukraine zu schaffen. Zumindest wollen wir bis Galati und dazu werden wir die dortige Fähre brauchen. Wer weiß, wie oft und bis wann die fährt.

                        Der Verkehr wird immer stärker, so dass es immer ungemütlicher wird. Bis wir nach Garvan kommen, wo wir in Richtung Galati abbiegen und der Verkehr nach Süden. Wir sehen Galati bald liegen. Eine eindrucksvoll große Stadt, die nach viel Plattenbau und Industrie aussieht. Überragt von einem Fernsehturm. Noch über einen kleinen Hügel und es geht weit hinab ins Tal. Irgendwann kommt uns eine lange Reihe Autos entgegen. Die Fähre hat angelegt und ihre Fracht entlassen. Ansonsten sind wir völlig allein unterwegs. Es geht einen Damm entlang und über diverse Brücken bis wir in C. Bratianu den Fähranleger erreichen.

                        Hier steppt sozusagen der Bär. Diverse LKWs und PKWs warten. Dazu viele Radfahrer und Fußgänger. Die Fähre hat gerade drüben abgelegt und überquert die Donau in unserer Richtung. Wir kaufen uns und unseren Rädern Tickets, um bei den anderen Fußgängern in der ersten Reihe zu warten. Die Fähre ist ein recht großes Schiff, auf das man von der einen Seite auffährt , um es nach der Überquerung auf der anderen Seite wieder zu verlassen. Weshalb es sehr exakt anlegen muss. Was es mit großem Gerumpel tut. Unsere letzte Donau-Überquerung. Wir genießen das.

                        Drüben treffen wir auf eine Ufer-Promenade. Dort liegen Club- und Restaurant-Schiffe. Das Ufer ist parkartig angelegt. Es gibt Kinderspielplätze, Rummel, Buden und Kneipen jeder Art. Wir sind in einer Großstadt gelandet. Eine Menschenmenge schiebt sich das Ufer entlang. Es gibt getrennte Wege für Fußgänger und Radfahrer. Die Stadt liegt oben drüber und ist vom Ufer aus unsichtbar. Besonders neugierig sind wir auch nicht. Wir wollen weiter.

                        Am Ende der Promenade verpassen wir den Abzweig in die Stadt mehr oder weniger versehentlich und machen uns an die Durchquerung der Hafen- und Industrieflächen, die Richtung Moldawien liegen. Es ist unübersichtlich. Teilweise gibt es viel Verkehr, teilweise ist alles verlassen und wird nur von großen, freilaufenden Hunden verteidigt. Wir kreuzen diverse Bahnschienen. Und irgendwann liegt das alles hinter uns. Vor uns die freie Landschaft. Seitlich die Donau. Der Wind kommt nun von hinten, da wir wieder Richtung Osten fahren. Weiter vor uns liegt Giurgiulesti in Moldawien auf einem Hügel und drauf zu führt eine kaum befahrene autobahnähnliche nagelneue Straße sowie ein Schienenstrang.

                        Giurgiulesti sieht aus der Ferne wie eine Sammlung verfallener ziemlich weit auseinanderliegender Hütten aus, von denen Rauch aufsteigt. Es riecht nach Feuer jeder Art. Für mich deshalb irgendwie wie der Herbst, wie er in meiner Kindheit war. Also nicht unangenehm. Wir erreichen die rumänische Grenzstation und stellen uns hinten an. Wie gewohnt holt man uns an den Autos vorbei, wirft einen müden Blick in unsere Pässe und winkt uns weiter. Die Grenzstation ist ultramodern und sozusagen auf Zuwachs. Die meisten Spuren sind gesperrt. Die Gebäude sehen leer aus.

                        Fazit Rumänien: Ja, das wird wohl nichts. Ein faszinierendes Land. Und häufig abstoßend. Ich will da raus. Und wiederkommen. Diese Polarität beschreibt das wohl am besten. Über den Straßenzustand kann man nicht meckern. Die meisten sind nagelneu. EU lässt vermutlich grüßen. Überhaupt sieht man hier ein EU-Land im Entstehen. Von diesem Entstehungsprozess hat uns eigentlich nichts gefallen. Aber vieles zu denken gegeben. Die Versorgung ist optimal. In jedem Dorf gibt es Läden und Kneipen. Bankautomaten. Tankstellen. Autowaschanlagen. Campingplätze an unserer Strecke eher nicht. Spezielle Radwege auch nicht. Und keine Donau-Radweg-Beschilderung. Was aber nicht stört, da die Straßenausschilderung absolut erschöpfend ist. Keine Orientierungsschwierigkeiten. Neben den Hunderudeln sind mir besonders die nervigen Kinderhorden im Gedächtnis geblieben. So etwas kannte ich bisher nur aus dem Orient. Der südliche Teil ist absolut übervölkert.

                        Weiter geht es an die moldawische Grenzstation. Die Straße wechselt in den Modus „kaum befahrbar“. Nichts ist mehr nagelneu und schick. Die wartende Autoschlange ist bedeutend länger. Abgefertigt wird erst einmal keiner. Die Wartegemeinschaft ist guter Dinge. Wir tauschen Kekse. Und versuchen, uns über Reiseziele auszutauschen. Die Autos haben russische, ukrainische und rumänische Kennzeichen. Irgendwann wird ein Auto seitwärts aus der Schlange herausgewunken und darf eine Station weiter. Als nächstes winkt man uns. Wir schieben die Räder an den Autos vorbei. Man erbittet unsere Pässe und verschwindet damit im Gebäude. Als Reiseziel haben wir die Ukraine angegeben. Also Transit durch Moldawien.

                        Nach einer Weile bekommen wir die Pässe zurück und dürfen ein Stück weiter. Die Grenzer tragen Uniformen mit diesen Schirmmützen, deren „Deckel“ oben einen Riesendurchmesser haben. Wir können uns gar nicht satt sehen. Es sind etliche Frauen darunter und alle lächeln freundlich. Man guckt nach unserem Gepäck und stellt Fragen. Auf Englisch. Man gratuliert uns zu unserer Reise. „Welcome in Moldavia“ – ein Zettel für die freundliche Bedienung am Schlagbaum. Und weiter geht es. Man schiebt ein Gittertor beiseite – und wir radeln nach Moldawien.

                        Es sieht unglaublich verfallen aus. Wir haben nur ein paar Kilometer bis zur Wiederausreise. Bekommen also nicht viel zu sehen. Die Straße ist schlecht. Aber die Ausschilderung unübersehbar. Es dauert nicht lange, bis wir die Grenzstation erreichen. Die Ausreise aus Moldawien erfolgt ziemlich analog zur Einreise. Wir haben jetzt einen Einreise- und einen Ausreisestempel im Pass. Beide mit einem erheblichen Zeitaufwand verbunden. Macht nichts. War ein nettes, interessantes Erlebnis.

                        Nun die Einreise in die Ukraine. Wieder viele wartende Autos. Keinerlei Vorwärtsbewegung. Und wieder sind wir die nächsten, die herangewinkt werden. Unser Unterhaltungspotenzial scheint hoch geschätzt zu sein. Wir sollen mit Pässen und „allem“ Gepäck in eine Halle kommen. Die Räder sollen natürlich draußen bleiben. Erst einmal verstehen wir nicht. Daraufhin holt man jemanden, der Englisch kann. Wir müssen mehrfach gehen, bis wir alle Taschen drinnen auf dem Tisch haben. Bei mir war die Aufhängung eines Frontrollers abgerissen und durch Kabelbinder ersetzt. Ich darf die Tasche ausräumen. Es wird allerdings kontrolliert, ob noch was drin ist. Kein Keks soll unkontrolliert bleiben.

                        Wir müssen alles auspacken und erklären, was es ist. Das ist nicht besonders spannend. Pullover. Wäsche. Schlafzeug. Campingzeug. Geschirr. Kocher. Werkzeug. Wasserproben. – Hm. Wasserproben? Kleine Röhrchen mit Wasser und Nummern drauf? Sehr verdächtig. Aber was soll’s. Medikamente? Ja. Ich packe das Tütchen aus. Wundsalbe. Immodium. Pflaster. Mückenmittel. Uninteressant. Wieder einpacken.

                        Man braucht für die Einreise in die Ukraine laut AA einen gültigen Pass und eine Reisekrankenversicherung inklusive einer Bestätigung in englischer Sprache, dass sie in der Ukraine gilt. Sowas haben wir dabei. Die wollen sie nicht. Aber jetzt sollen wir eine Devisenerklärung ausfüllen. Wie? Alles eintragen, was wir dabei haben? Wir haben Geld in sechs verschiedenen Währungen zu bieten. Auch die Münzen? Natürlich. Ich fange an, alles auszuschütten, durchzuzählen und einzutragen. Nach kurzer Zeit hat der Mann keine Geduld mehr. Unterschreiben! Und abgeben. Eigentlich steht drüber, dass man das Papier in der Ukraine immer mit sich führen soll und bei Abreise wieder abgeben. Aber des Menschen Wille ist sein Himmelreich. Ich reiche das Formular rüber. Nun noch warten. Und schließlich bekommen wir die Pässe mit dem Einreisestempel. „Gute Reise“ und ab durch die Mitte.

                        Wir beladen die Räder wieder. Es ist inzwischen stockdunkel und schon nach 22 Uhr. Direkt hinter dem Schlagbaum findet sich ein Container zum Geldwechseln. Wir nehmen das gerne war. Im nächsten Ort gäbe es ein Hotel, sagt man uns. Dann sind wir endgültig in der Ukraine angekommen. Die Straße weist keinerlei Markierungen auf und franst seitlich irgendwie ins Gelände aus. Vor uns ist keinerlei Licht zu sehen.

                        Glücklicherweise sind unsere Räder gut beleuchtet. Bis in den nächsten Ort wird die Straße von keinem Auto befahren. Was heißt, dass hinter uns keiner weiter abgefertigt wird. Im Asphalt sind riesige, tiefe Löcher. Und die Straße wellt sich unglaublich. Wir tasten uns vorsichtig voran. Schließlich passieren wir eine hell erleuchtete Shell-Tankstelle wie aus dem Bilderbuch und direkt danach eine Art Bogen über die Straße. Ein Ortsschild? Wir drehen uns um. Und tatsächlich – das Ortsschild von Reni. Unserem Ziel. Wir verlassen gerade den Ort Richtung Moldawien. Das wollen wir natürlich nicht. Also zurück auf die Tankstelle. Hier muss irgendwo ein Abzweig nach Reni sein.

                        Der Tankwart versteht uns zwar nicht. Dirigiert uns aber in den Abzweig. Und sagt „Hotel, Hotel“. Wir müssen uns noch wieder an die kyrillische Schrift gewöhnen. Zumal das ukrainische Alphabet noch einmal anders aussieht. Finden aber kurz drauf tatsächlich das Hotel. Der Betreiber ist noch auf. Wir schaffen unsere Räder in den Hof. Schleppen unser Zeug durch einen unglaublich langen Flur und werden in ein Zimmer geführt, in dem drei brokat-bezogene Pritschen stehen. 27 € soll die Pracht kosten. Immerhin mit eigenem Bad. Uns ist sowieso alles egal. Wir sind müde. In einem Schrank finden wir Bettwäsche. Die Dusche funktioniert. Alles klar.

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                        • Enja
                          Alter Hase
                          • 18.08.2006
                          • 4751
                          • Privat

                          • Meine Reisen

                          #92
                          AW: Die Donau entlang

                          26.9.2013

                          Die Nacht war anstrengend. Wir haben uns in Rumänien offenbar etwas eingefangen. Wir leiden beide unter heftigem Erbrechen und Durchfall. Was tun? Hier bleiben? Das Hotel ist ungefähr so gemütlich wie ein Bahnhof. Zudem stark überteuert. Das Personal wartet offensichtlich ungeduldig auf unsere Abreise. Wir sind die einzigen Gäste. Wir beschließen, uns auf den Weg nach Ismail zu machen. Das soll eine hübsche größere Stadt sein – etwa gegenüber von Tulcea – mit komfortablen Hotels. Da könnten wir uns mal eine standesgemäße Unterkunft gönnen und uns auskurieren.

                          Also beladen wir die Räder und fahren Richtung Reni Zentrum. Reni ist größer als gedacht und äußerst quirlig. Da wir die Donau entlang weiter nach Osten wollen, fahren wir hangabwärts Richtung Hafen. Ausgeschildert ist hier nichts. Der Verkehr ist dicht. Die Straße unglaublich löchrig. Da man seitlich keinen Spielraum hat, ist es schwierig, den Löchern auszuweichen. Zum Durchfahren sind sie aber zu tief. Die Fahrer sind genauso rücksichtsvoll wie bisher überall.

                          Als ich in ein Loch krache, fliegt mir eine Ansichtskarte weg, die ich irgendwo geschenkt bekam. Ich würde sie gar nicht suchen wollen. Aber der LKW hinter mir hält an. Der Fahrer steigt aus, springt der wegwehenden Ansichtskarte nach, um sie mir zu überreichen. Da muss ich mich natürlich freuen, sie wiederzubekommen. Irgendwann rumpeln wir über Schienen und erreichen den Ortsausgang. Gleich wird auch der Verkehr deutlich weniger. Eigentlich zu fast gar nichts. Und die Straße ist neu asphaltiert. Danke schön.

                          Es geht die M15 entlang. Also eine Art Autobahn. Links ist es abwechselnd sumpfig-schilfbestanden oder auch mal landwirtschaftlich genutzt. Rechts ist ein Deich. 25 km bis zum nächsten Ort. Ziemlich geradeaus. Wir radeln dahin. Rückenwind. Allerdings nicht stark heute. Magenkrämpfe. An einem Schuppen halten wir an, um endlich etwas zu frühstücken. Hinter dem Schuppen kläfft es. Der Hund kann aber anscheinend nicht raus. Ein Welpe erscheint. Sowas Süßes aber auch. Ganz reizend. Und offensichtlich kurz vor dem Hungertod. Ein Bündel Knochen nur noch. Wir geben ihm unseren Kuchen.

                          Ob man von dem Deich an der Straße aus wohl die Donau sieht? Der Karte nach – wir haben jetzt nur noch einen Autoatlas – müsste sie da sein. Aber ob direkt daneben oder doch noch ein ganzes Stückchen weg kann man schlecht sagen. Wir klettern mal rauf. Und da liegt sie. Die Straße führt tatsächlich direkt am Ufer entlang. Ein stabiler Maschendrahtzaun ist da noch. Die Donau ist hier Grenze.

                          Die Strecke zieht sich. Aber schließlich sehen wir links, eine Geländestufe höher, Orlivka liegen. Die Straße führt dran vorbei. Nicht wie auf der Karte und auch in Google maps mitten durch. Wir biegen ab. Erstens wollen wir ein ukrainisches Dorf sehen. Und zweitens einkaufen. Die Wege im Dorf sind unbefestigt, tief ausgefahren und ausgewaschen. Mit Fahren ist da nicht viel. Die kleinen Häuser stehen weit auseinander, giebelständig und sind reich mit Holzschnitzereien verziert. Die Giebel entlang. Auf der Dachspitze. Die Traufen entlang und um die Fenster. Die Grundstücke sind eingefriedet wie bisher überall an der Donau. Auf den Wegen sind Gänse unterwegs. Kinder, Hunde, Katzen. Pferde angepflockt. Pferdewagen unterwegs. Ein buntes Landleben. Wie in Rumänien gibt es auch hier die gemischten Läden/Kneipen. Man kauft sich was zu essen und zu trinken und lässt sich davor auf den Bänken nieder. Wir haben das heute wirklich nötig. Das Sortiment ist hier im Vergleich mit Rumänien deutlich reduziert. Es gibt aber alles, was man braucht, nur halt nicht in siebenfachen Varianten.

                          Am Ortsausgang treffen wir wieder auf die M15 und folgen ihr bis Novosil’s’ke. Jetzt in etwas weiterem Abstand zur Donau. Durch eher langweilige Stoppeläcker. Auch dort verlassen wir die Durchgangsstraße, um durch das Dorf zu fahren. Dessen Straßen sind nicht unbefestigt, sondern mit den allseits beliebten großen Betonplatten belegt. Das Geholper drüber schüttelt uns völlig durch. Aber zur Belohnung gibt es eine Bäckerei mit sehr leckeren Angeboten. Hinter unserer Bank grüßt Lenin in Strickjacke freundlich von einem hohen Sockel. Leninskaja heißt die Straße passenderweise.

                          Nach Nova Nekrasivka geht es nun auf einem Damm zwischen zwei großen Seen durch. Wo die sumpfigen Schilfflächen aufhören und die Seeflächen anfangen, ist nicht so klar definiert. Jedenfalls nähern wir uns offensichtlich wieder dem Donau-Delta. Auch hier sind auf dem Wasser diverse Boote unterwegs. Und der Wasserrand ist von Anglern gesäumt.
                          Einige Kilometer weiter mündet unser Sträßchen (das immerhin die M15 Galati-Odessa ist) in eine erstaunlich massiv befahrene Straße ein, die in einem bedenklichen Zustand ist. Nach Ismail ist es nicht mehr weit. Zunächst einmal geht es nach Broska einen Hang aufwärts. Rechts und links erinnert die Bodengestaltung an eine Mülldeponie. Und auf einmal werden wir regelrecht mit Myriaden von winzigen Fliegen überschüttet. Ich steige vom Rad, weil ich nichts mehr sehe. Nase, Ohren, Mund, Augen, überall Fliegen. Im Schieben geht es etwas besser und es sind auch nur ein paar hundert Meter. Aber ich beschließe, mein Mückennetz aus dem Gepäck zu suchen. Wer weiß, was noch kommt.

                          Die M15 biegt nach Norden ab und wir arbeiten uns auf das Zentrum von Ismail zu. Ab und zu gibt es mal einen Wegweiser Richtung Zentrum. Es ist aber so ein bißchen wie in Rumänien. Die Stadt liegt an einer Hauptachse. Aber die muss man erst einmal finden. Schließlich gibt es Wegweiser zu den Hotels. Und da wir es mal netter haben wollen, steuern wir gleich das im Reiseführer empfohlene an. Als wir davor gerade unsere Räder abstellen wollen, öffnet sich die Tür und eine sehr durchgestylte Frau ruft: „English njet, French njet, German njet, Room njet“, womit so irgendwie alles gesagt ist.

                          Auch im anderen Hotel spricht man an der Rezeption keine Fremdsprache, sondern lässt durch einen zufällig anwesenden mehrsprachigen Gast ausrichten, dass man nichts frei hat. Nanu. Was soll das denn? Wir sehen wohl irgendwie nicht reich aus. Dabei könnten wir mühelos das Hotel kaufen. Hoffentlich gibt es hier noch mehr Unterkunftsmöglichkeiten. Ein kurzes Stück weiter landen wir auf der Hauptstraße. Hier ist zumindest mal was los. Wir fragen ein bißchen herum. „Hotel njet, Pension njet“. An einer Laterne ist ein Schild angeschraubt, mit einem Bett drauf. Da muss doch was sein. Der Plattenbau daneben sieht nicht wie ein Hotel aus. Aber wir gehen mal rein. Und siehe da. Es ist doch eins. Ein postsozialistisches. Eine junge Frau, die perfekt deutsch spricht, dolmetscht für uns. Die Rezeptionistin blickt streng und sitzt hinter einem Schalter. Wir können ein Zimmer haben. Wir können unsere Räder unter die Treppe stellen, wo sie von einem Wachmann beaufsichtigt werden. Und wir können auch in Euros bezahlen.

                          Im vierten Stock schließt uns die zuständige Etagendame das Zimmer auf. Es ist groß mit großem Bad. Hat einen noch größeren Balkon zur Hauptstraße. Und ist ganz im Plattenbau-Style gehalten. Wir kochen uns unser Abendessen auf dem Balkon und gucken zu, wie unten die Leute vorbeiwuseln. Mit Pelzmützen in dicken Daunenjacken. Wir sind fertig und wollen eigentlich nur noch liegen. Hoffentlich geht es uns morgen besser. Für einen Erholungsaufenthalt ist diese Unterkunft nicht geeignet.

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                          • Enja
                            Alter Hase
                            • 18.08.2006
                            • 4751
                            • Privat

                            • Meine Reisen

                            #93
                            AW: Die Donau entlang

                            27.9.2013

                            Uns geht es eher noch schlechter als gestern. Aber was hilft’s. Weiter. Hier mögen wir nicht bleiben. Ismail ist eine hübsche Stadt. Es gibt einen sehr orientalischen Basar, in dem es schlicht alles gibt. Asiens ganzen bunten Plastikkram. Lebensmittel jeder Art. Fische, die wir noch nie gesehen haben. Baumaterialien. Fahrradzubehör. Wir können uns kaum trennen. Daneben gibt es auch ein modernes Einkaufszentrum. Einen hübschen gepflegten Stadtpark. Wir sehen uns mehrere Kirchen an. Und fahren runter an die Donau. Dort gibt es einen Vergnügungspark und eine Uferpromenade, wo viele Menschen unterwegs sind und man nicht fotografieren darf, weil hier die ukrainische Kriegsmarine liegt. Also alles wie in Tulcea. Es gefällt uns hier. Eine hübsche Stadt. Mit netten Bewohnern. Einige haben wir inzwischen kennengelernt.

                            Schwierig wird es, als wir versuchen, die Ausfahrt nach Stara Nekrasivka zu finden. Die ungefähre Richtung ist klar, aber wir finden den Abzweig von der Hauptstraße nicht. Es gibt keinerlei Wegweiser. Und alle Leute, die wir fragen, haben noch nie von diesem Ort gehört. Als wir kurz vor der Auffahrt zur M15 wenden und zurück fahren, finden wir aus dieser Richtung einen passenden Wegweiser. Allzuviel gewonnen ist damit aber noch nicht. Das ist keine gerade Ausfallstraße. Ständig müssen wir uns irgendwie entscheiden. Und alle Straßen sehen wir Wohnstraßen aus. Irgendwann kommen wir an die Bahnlinie. Und vom Übergang aus geht es hinaus in die freie Landschaft. Bis Stara Nekrasivka ist es nicht weit.

                            Nun wird es idyllisch. Die Strecke führt direkt an einem Donauarm entlang. Ohne Deich und Zaun. Die Straße ist extrem schlecht. Eine Nebenstraße halt. Abwechselnd gibt es Betonplatten und Asphalt. Jeweils mit vielen tiefen Löchern. Es hilft nichts. Man sucht sich seinen Weg drumherum. Die Autos und LKWs tun das auch. Überall auf der Straße kurvt irgendwer durch die Gegend. Das sieht lustig aus. Die Autos haben es dabei noch schwerer als die Räder. Wir brauchen nur eine schmale befahrbare Spur. Die Autos müssen meist zumindest mit zwei Rädern in die Tiefe. Es staubt. In den Betonplattenabschnitten versuchen wir, wenn es geht, neben der Straße zu fahren. Keine Straße fährt sich hier besser als kaputte Straße.

                            In Kyslytsya biegen wir um einen See herum nach Norden ab und am Ortsende wieder nach Osten. Hier gibt es sogar einen Wegweiser. Das erleichtert die Sache natürlich. Es geht nun bis an den Horizont über eine sumpfige Wiese, die von Entwässerungsgräben durchzogen ist. Kiliya liegt etwas höher. Wir fahren gefühlte Stunden lang drauf zu. Auch Kiliya ist recht groß. Zwischen den Orten ist buchstäblich nichts, aber die Orte sind quirlig lebendig und weisen auch alles auf, was man so braucht.

                            Kiliya macht uns Probleme. Wir finden die Ausfahrt nach Vylkowe nicht. Und die Zeit läuft uns davon. Ganz davon abgesehen, dass das Rumpeln über die Betonplatten innerhalb des Orts relativ wenig Spaßfaktor hat. Da es keine Wegweiser gibt, versuchen wir uns durchzufragen. Alle zeigen in die gleiche Richtung. Auch die Polizei. Von der Himmelsrichtung her kann das nicht stimmen. Aber was bleibt uns übrig. Erst ganz am Ortsende treffen wir auf eine Gruppe junger Leute, die uns die richtige Straße am Horizont zeigen. Sie meinen, wir sollten einfach über eine Art Fußweg durch die Sümpfe gerade drauf zu fahren.

                            Wir versuchen das auch. Über die Wiese fährt es sich definitiv besser als auf den Straßen. Aber bald steht das Gelände unter Wasser. Da wollen wir nicht durch. Wer weiß, in welche Sackgasse wir uns da wagen. Also zurück in den Ort. Noch einmal längs durch und dann auf die richtige Straße. Übrigens genau an der Stelle, wo uns die Polizeistreife in die Irre schickte. Aber gut. Schwamm drüber. Nun sind wir auf der richtigen Strecke.

                            Bei Licht werden wir nicht mehr ankommen. Wir haben versucht, über das Internet dort eine Unterkunft zu finden. Aber vergeblich. Vylkowe ist das Venedig der Ukraine. Es gibt diverse Hotels dort. Aber anscheinend keine freien Zimmer. Wildzelten ist hier schwierig. Es gibt die Straße und den Sumpf. Beides nicht so geeignet. Und ab jetzt wohl auch nicht ratsam. Hier ist wieder Unesco-Biosphärenreservat. Und deshalb der Sumpf auch eingezäunt.

                            Die Strecke ist mühsam. Der Verkehr mäßig. Es zieht sich. Ein Uniformierter eskortiert uns auf seinem Moped. Mal fährt er voraus, mal bleibt er zurück. Wenn er mal vor uns ist, bleibt er irgendwann stehen, bis wir wieder aufholen. Es wird dunkel. Als wir in Vylkowe ankommen, ist es bereits stockdunkel. Der Ort ist sehr belebt. Vor dem Supermarkt staut sich eine Menschenmenge. Wir fragen nach einem Hotel. „Hotel njet“ – was sonst. Wir fahren noch weiter bis zur Kirche und treffen dort auf einen Polizisten. „Hotel da“. Er bringt uns gleich hin. Die Räder kommen in einen Schuppen. Das Hotel ist preiswert und ordentlich. Wir trinken noch ein Bier im Restaurant. Auch hier kläffen die Hunde die ganze Nacht. Wir sind inzwischen dran gewöhnt.

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                            • Enja
                              Alter Hase
                              • 18.08.2006
                              • 4751
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                              #94
                              AW: Die Donau entlang

                              28.9.2013

                              Wieder eine anstrengende Nacht. Unser Zustand verschlechtert sich weiter. Und so sind wir froh, als die Nacht vorbei ist. Der Sonnenaufgang steigert das Gebell der diversen Hunde zu einem ekstatischen Geheul. Hört sich an wie ein Indianerüberfall. Das Frühstück fällt aus. Nach Essen oder Trinken ist uns nicht mehr. Beides löst sofortiges Erbrechen aus. Trotzdem sind wir optimistisch. Heute wird das bestimmt besser. Wir müssen allerdings unsere Reiseapotheke dringend aufstocken. Im Rahmen der Ortsbesichtigung (das ukrainische Venedig) halten wir Ausschau nach einer Apteka. Was kein Problem ist. Drinnen sieht es aus wie in jeder beliebigen deutschen Apotheke. Es liegen auch die gleichen Medikamente aus – für einen Bruchteil der Kosten. Nur Immodium ist aus. Der Apteker wirft nur einen Blick auf uns und weiß schon, was wir wollen. „Immodium njet“, aber wir bekommen etwas anderes. Ich habe es inzwischen ergoogelt. Es ist tatsächlich genau das gleiche.

                              Insofern beruhigt, sehen wir uns im Ort um. Er ist tatsächlich ganz reizend. Zwischen den noch sehr ursprünglichen, vielfach strohgedeckten Häusern gibt es Kanäle. Jedes Haus hat einen Anleger. Und alles schippert herum. In den üblichen Holzbooten, mit oder ohne Außenborder. Man kann auch Rundfahrten buchen. Aber danach ist uns heute nicht. Nicht in einem Boot ohne Toilette.

                              Wir machen uns energisch auf den Weg Richtung Odessa. Die Straße ist etwas besser als gestern. Zumindest streckenweise. Dafür ist sie auch stärker befahren. Alles karriolt irgendwie um die Löcher herum. Es geht erst durch die übliche Wasserwelt mit unabsehbaren Sumpfflächen. Davon haben wir eigentlich nun genug gesehen. Könnte mal wieder was anderes kommen. Dafür haben wir jetzt mal wieder einen Blick auf das Schwarze Meer. Aber nur kurz.

                              Sobald wir das Naturreservat verlassen, blicken wir wieder überwiegend über Stoppeläcker und manchmal Wiesen. Der Unterhaltungswert ist also ziemlich bei null. Wir passieren Prymors’ke. Erschöpft lassen wir uns auf den Bänken vor dem Dorfladen nieder und versuchen, einen Schluck Wasser zu trinken. Zwei nette ältere Herren sitzen dort schon. Prosten sich mit Wodka zu und haben schon ordentlich geladen. Es entspinnt sich zwischen ihnen und uns eine angeregte Unterhaltung. Obwohl niemand ein Wort von dem versteht, was der andere so von sich gibt.

                              Ab jetzt liegen die Orte außer Sichtweite der Straße bis wir schließlich bei Strumok auf die M15 stoßen. Eine Alternative dazu gibt es hier nicht. Und sie hat sich gut herausgemacht. Sie ist zwar nicht breiter oder besser ausgebaut als in Ismail, aber jetzt heftig befahren. Im Verkehr gibt es in beiden Richtungen keine Lücken mehr. Und deshalb auch kein Gekurve um die Schlaglöcher mehr. Uns bleibt nur der Seitenstreifen. 30 cm breit. Und mehr oder weniger vorhanden.

                              Überraschenderweise ist das Gelände hier auch nicht mehr eben. Es hügelt. So eine Steigung ohne seitlichen Spielraum ist schon eine gewisse Härte. Zudem fängt es an zu regnen. Wir überlegen, den Bus nach Odessa zu nehmen. Das Wetter ist schlecht. Die Landschaft reizlos. Die Straße eine Zumutung. Und über Nebenstrecken würde sich die Tour noch einmal drastisch verlängern. Odessa hat eine Million Einwohner. Die Einfahrt wäre also sicher auch keine reine Freude. Und wir müssen noch einmal ein Stück durch Moldawien. Also Ausreise aus der Ukraine. Einreise in Moldawien. Ausreise aus Moldawien. Einreise in die Ukraine. Dafür reicht voraussichtlich unser Humor im Moment nicht.

                              Wir freuen uns also, als wir auf Tatarbunary zukommen. Wir passieren einen Gewerbegürtel. Die Stadt ist nicht klein. Es gibt sogar einen Campingplatz. Sowas haben wir lange nicht gesehen. Und direkt an der M15 einen ziemlich großen Busbahnhof. Da sollte doch ein Bus zu finden sein. Wir haben allerdings keine Idee, ob das Busfahren mit Rädern möglich ist. Wir wollen mal fragen. Zunächst treffen wir wieder auf die Njet-Fraktion. Bus, Odessa, Fahrräder – alles njet. Es gibt durchnummerierte Bussteige. Ein Tickethäuschen. Diverse Läden und was man sonst noch so braucht. Dazu Busse jeder Größe mit unterschiedlichen, drangeschriebenen Zielen. Die meisten vom Typ „Marschrutka“. Also nicht groß genug für den Transport von Fahrrädern. Alle immer besetzt bis auf den letzten Platz.

                              Wir beschließen, an den Ticket-Schalter zu klopfen. Und siehe da. Wir treffen auf zwei reizende Bahnhofsvorsteherinnen. Sie verstehen uns auch ohne viele Worte. Zwei nasse Radler wollen nach Odessa. 17.30 Uhr schreiben sie auf ein Stück Papier. Wir nicken erfreut. Und sinken auf eine der überdachten Bänke. Ein bißchen frisch. Aber entspannend. Unterhaltend ist es hier auch. Menschen, Gepäckstücke, Busse jeder Art. Offensichtlich alle ohne Stoßdämpfer. Faszinierend wie sie herangeschaukelt kommen. Mit Werbeaufschriften in allen Sprachen. Eine Sammlung von Gebraucht-Bussen aus ganz Europa.
                              Die beiden freundlichen Frauen machen alles klar für uns. Für insgesamt 10 € nimmt der Bus uns und unsere Räder samt Gepäck mit. So, wie sie sind. Der Fahrer packt sie in den Laderaum. Wir lassen uns in die gemütlichen gepolsterten Sitze fallen und genießen die gute Aussicht. Der Bus fährt über Odessa nach Sewastopol. Da könnte einen doch glatt das Fernweh packen. Aber wir wollen nach Odessa. Auf denn.

                              Viel kriegen wir nicht mehr zu sehen. Es wird bald dunkel. Der Bus brummt die M15 entlang. Ohne Rücksicht auf Verluste und Schlaglöcher. Dabei schaukelt er wie ein Schiff auf hoher See. Und überholt ohne Unterlass. 5 bis 6 LKWs auf einmal. Kein Problem. Freie Sicht? Was für Warmduscher. Treiben sich irgendwelche PKWs vor uns rum – ein Hupen und sie fliehen auf den nicht vorhandenen Seitenstreifen. Da braucht man als Passagier etwas Fatalismus. Der Bus ist übrigens komplett in Türkisch beschriftet. Hat also in der Türkei wohl schon ausgedient.

                              Wir passieren Moldawien problemlos. Wir werden jeweils bei Ein- und Ausreise durchgezählt und angeleuchtet. Mehr nicht. Die Fahrt zieht sich trotzdem ziemlich, weil wir in jedem Ort halten. Die Raucher hechten jeweils nach draußen. Aber irgendwann sind wir in Odessa und bekommen Räder und Gepäck zurück. Ein nettes, junges Paar, das mit uns zusammen ausgestiegen ist, fragen wir nach einem günstigen Hotel. Es ist bereits nach 22 Uhr. Die Busstation ist riesig. Eine von mehreren in Odessa. Hier gibt es auch Übernachtungsmöglichkeiten. Aber die hält man nicht für angemessen. Nachdem wir zunächst die Toilette aufgesucht haben, neigen wir dazu, das auch zu finden. Mit einer Wegbeschreibung zu einem angemessenen Hotel machen wir uns auf den Weg Richtung Innenstadt. Die Stadt ist groß. Überall auf den Bürgersteigen liegen Schlafende. Es gibt viel Verkehr. Die Kreuzungen sind unübersichtlich.

                              Wir stehen zweifelnd an einer Ampel. Ein Radler saust heran. Ein Fahrrad mit Kindersitz. Der Mann mit Pferdeschwanz und Vollbart. Ein großes Kreuz auf der Brust. „You need help?“ Wir erklären unser Anliegen. „Follow me.“ Bis dahin hatten wir uns sehr vorsichtig fortbewegt. Jetzt rasen wir hinter ihm her durch den starken Verkehr. Ohne Rücksicht auf Verluste. Irgendwie machen die Autos uns Platz. Und schon stehen wir vor dem Hotel. Man will uns erst einmal nicht aufnehmen. Unser Begleiter macht das aber klar. Er wird ziemlich laut dabei.

                              Im Fahrstuhl schaffen wir unser Gepäck in den 6. Stock. Unsere Räder bleiben in einer Art Putzkammer im Erdgeschoss. Die Rezeptionistin spricht Englisch. Das Zimmer ist speziell. Ungefähr so groß wie unser Zelt. Ein Bett. Daneben passen gerade noch die Taschen. Eine Schiebetür in eine Miniaturausführung von Bad. Kein Fenster. Die Lüftungsanlage rauscht. Egal. Morgen sehen wir weiter. Wir wollen jetzt eigentlich schlafen. Aber da hören wir deutsche Stimmen auf dem Flur. Und müssen natürlich sofort nachsehen. Drei österreichische Radler. Sofort sind wir wieder topfit und machen uns gemeinsam auf den Weg in eine Kneipe in der Nachbarschaft.

                              Sie sind gerade aus Transnistrien gekommen und wollen von Odessa aus nach Hause. Irgendwie. Wir wollen uns Odessa angucken und dann im Grunde auch nach Hause. Wie, wissen wir noch nicht. Das wird sich finden. Die drei Österreicher waren auch der Grund, weshalb man uns nicht aufnehmen wollte. Man hat nur Platz für drei Räder und der war schon besetzt.

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                              • Enja
                                Alter Hase
                                • 18.08.2006
                                • 4751
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                                #95
                                AW: Die Donau entlang

                                Da war noch die Frage nach der Fahrradwerkstatt in Rousse.

                                Fahrrad-Werkstätten & Service
                                Shimano Service Center, Rousse/ Bulgarien
                                Milen Pashev, 22A Hadjy Dimitar Street, Rousse
                                E-Mail: nrisimha@dir.bg, Mobile: +359889229306
                                Hier kann man sein Rad nicht nur kompetent reparieren lassen, sondern auch sehr günstig Qualitätsersatzteile bekommen, z.B. für Zuhause. Uneingeschränkte Empfehlung und großer Dank an Milen & sein Team!

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                                • Enja
                                  Alter Hase
                                  • 18.08.2006
                                  • 4751
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                                  #96
                                  AW: Die Donau entlang

                                  29.9.2013

                                  Am nächsten Morgen wachen wir sozusagen mit Schweiß auf der Stirn auf. Der Ventilator läuft nicht mehr. Es ist stockdunkel. Das Licht geht nicht. Wir öffnen die Tür zum Gang. Dort ist es etwas heller. Und es gibt Luft. Das Wasser läuft auch nicht. Genauso wenig der Fahrstuhl. Im Nottreppenhaus hört man einen Generator. Das Licht brennt und Luft wird von unten heraufgeblasen. Allerdings stehen hier diverse Hotelgäste und rauchen. An der Rezeption ist man gelassen. Ja, der Strom ist ausgefallen. Nein, man verleiht keine Taschenlampen. Das Wasser wird gepumpt, also gibt es keines ohne Strom. Und Frühstück auch nicht. Einige einheimische Gäste werden ziemlich laut.

                                  Wir beschließen, in der Stadt zu frühstücken, möchten aber gerne für noch eine Nacht buchen. Ein Zimmer mit Fenster. Das können wir um 12 Uhr haben. Aber nicht jetzt. Und nur gegen Vorkasse. Wie gestern abend schon. Dummerweise haben wir kein Bargeld mehr und fürchten, „Bankomat njet“ ohne Strom. Mal gucken. Ausnahmen gibt es jedenfalls auch nicht. Wir können zwar ohne Licht unser Zimmer eher nicht räumen, weil wir unsere Sachen gar nicht finden. Aber egal.
                                  Wir räumen das Feld. Bis 12 Uhr findet sich vielleicht eine Lösung. Das Hotel ist konkurrenzlos preiswert, was in Odessa eher nicht vorkommt und liegt in fußläufiger Entfernung von allen Sehenswürdigkeiten sowie Bahnhof und Busbahnhof. Die Orientierung in Odessa ist leicht. Die Straßen im Zentrum sind ziemlich orthogonal angeordnet. Schilder mit den Straßennamen hängen an jeder Ecke. Und wir haben ein kleines Plänchen im Reiseführer. Draußen genießen wir die frische Luft, sehen aber gleich, dass der Strom nicht nur in unserem Hotel Urlaub genommen hat. Die Ampeln funktionieren nicht. Und vor den Gebäuden stehen Generatoren und brummen vor sich hin. Wie der Verkehr trotzdem irgendwie läuft, ist eindrucksvoll. Die Straßen sind breit und stark befahren. Fußgänger müssen jetzt auch nicht mehr warten, sondern kreuzen einfach den Verkehr. Und kommen heil drüben an. Wir trauen uns erst nicht. Aber es funktioniert.

                                  Richtung Zentrum gibt es viele sehr schöne Bars und Restaurants. Die Preise sind hoch bis extrem hoch. Sowas haben wir seit Wien nicht mehr gesehen. Sehr eindrucksvoll. Wir gönnen uns gleich mal einen Tee für umgerechnet 8 € und genießen die damit verbundenen wunderschönen, sauberen Toiletten, um uns ein wenig zu zivilisieren. Wir suchen im Prinzip W-Lan. Unser Frühstückscafe hat einen Generator in Betrieb. Aber nicht für das üblicherweise vorhandene W-Lan. Der Kellner empfiehlt uns, einen Ortsteil ohne Stromausfall zu suchen. Das könne man, indem man guckt, wo die Ampeln funktionieren. Er zeigt uns auf dem Plan, wo ein anderes Viertel anfängt.

                                  Wir kommen am Busbahnhof vorbei, stellen aber fest, dass von dort aus kein Bus nach L’wiw fährt. Als wir hier die Toiletten aufsuchen, können wir die interessante Erfahrung machen, mit einer Kerze in der Hand ein Steh-Clo zu benutzen. Ansonsten gibt es Fernbusse mit interessanten Zielen. Moskau. Tallin. Wir laufen also weiter zum Bahnhof. Der Bahnhof ist eine Sehenswürdigkeit an sich. Gründerzeit. Schön saniert. Riesige Hallen mit großen Kronleuchtern. Ein Kopfbahnhof. Die Bahnsteige sind problemlos zu erreichen. Vor dem Bahnhof gibt es einen großen Basar. Wir schlendern einmal drüber und nehmen uns vor, noch einmal wiederzukommen.

                                  Jetzt müssen wir erst einmal wieder Richtung Hotel und auf dem Weg dorthin einen funktionierenden Bankomat finden. Mit Maestro-Zeichen. In der Straße, wo die Ampeln funktionieren. Wir schaffen es gerade noch so. Erleichtert schleppen wir unsere Sachen rüber in das neue Zimmer mit Fenster. Um festzustellen, dass es zugeschraubt ist. Also wieder nichts mit frischer Luft. Aber egal, jetzt geht es erst einmal ins Zentrum. Zeit für die berühmte Treppe.

                                  Odessa ist eine relativ junge Stadt. Eine Gründung von Katharina der Großen. Deren Denkmal in der Nähe der Treppe steht. Folgerichtig gibt es viele Jugendstil-Bauten. Sehr viele. Das sind wir auf dieser Reise gewöhnt. Hier finden sich besonders schöne Exemplare. Und im Zentrum sind die meisten auch bereits aufwändig restauriert. Am oberen Ende der Treppe ballt sich der Tourismus. Bimmelbahnen und Kleinbusse werben für Stadtrundfahrten. Und man soll sich mit allerhand Getier fotografieren lassen. Affen, Greifvögel, Tauben, je nach Geschmack. Deren Besitzer glauben uns nicht, dass wir das nicht möchten. Brautpaare posieren für Fotos. Und Kutschen gibt es hier auch.

                                  Die Treppe ist schmaler und steiler als wir sie uns vorgestellt haben. Ursprünglich verband sie mal die Stadt oben auf den Klippen mit dem Hafen unten. Jetzt ist sie völlig eingebaut von allen Seiten. Speziell unten geht eine breite Straße vorbei. Und davor liegt auch nicht der Panzerkreuzer Potemkin, sondern eine Seebrücke mit Casinos und Hotels. Schade irgendwie. Eindrucksvoll ist sie natürlich trotzdem. Genauso wie der weite Blick über das Meer, die Bucht, die Hafenanlagen. Passend scheint auch mal wieder die Sonne. Wir laufen einmal nach unten und dann wieder rauf.

                                  Von den Bimmelbahnen holen wir uns einen Routenplan, dem wir anschließend folgen. Oben an der Abbruchkante entlang verläuft eine Promenade mit einer Allee davor. Viele Menschen genießen hier den Sonntag. Daran entlang stehen verschiedene Paläste und das Opernhaus. Wir würden es gerne besichtigen. Das geht aber nicht. Dafür gehen wir ins Hotel Londonskaya und ins Hotel Petersburzki (oder so ähnlich). Hotels mit dicken Teppichen, ganz im Jugendstil, Kristalllüstern, Spiegeln. Drinnen sitzen orthodoxe Juden mit Schläfenlocken beim Tee. Die ganze Szenerie erweckt den Eindruck, als sei man in eine Art Zeitnische geraten. Das Personal beäugt uns misstrauisch. Offensichtlich sind sie froh, als wir wieder rausgehen. Wir sind nicht die Zielgruppe. Erschwinglich wären die Zimmer hier für uns allemal.

                                  Wir folgen weiter der Bimmelbahn-Route, die uns an allen Sehenswürdigkeiten vorbeiführt. Sehr einladend all die netten Lokale. In einem davon wollen wir essen. Sitzen gemütlich eine Weile herum und gehen wieder. Bedienung gibt es anscheinend nicht. Neben uns am Tisch eine sehr junge Frau mit einem Herrn in deutlich vorgerücktem Alter. Beide äußerst herausgeputzt. „A dream comes true. You. Here beside me. And not far away in contact via the internet.“ Sie guckt skeptisch. Sowas sieht man hier oft.

                                  Die jungen Ukrainerinnen sind alle sehr herausgeputzt und stöckeln unermüdlich akrobatisch über die schwierigen Untergründe. Nachdem wir unsere Runde beendet haben, finden wir ein sehr angenehmes Lokal mit günstigen Preisen. Ich versuche mich mal an einer Hühnersuppe und behalte sie tatsächlich bei mir. Ein Fortschritt. Die netten jungen Leute am Nebentisch machen sich sofort mit ihren Smartphones an eine Internetrecherche zum Thema „wie komme ich von Odessa nach L’wiw“. Auch sie finden keinen Bus. Und empfehlen die Bahn.

                                  Auf dem Weg zurück ins Hotel funktionieren auf einmal alle Ampeln wieder. Der Strom ist zurück. Nun wird auch wieder fleißig gehupt, da es nun wieder Autofahrer im Recht gibt. Schade eigentlich. Im Hotel treffen wir die Österreicher und gehen mit ihnen noch in die Bar um die Ecke. Auch sie haben sich heute die Stadt angeguckt und sind mit dem Thema Heimreise nicht weitergekommen. Ihren Erkenntnissen nach nimmt die Bahn keine Räder mit. Morgen ist auch noch ein Tag. Da werden wir das anpacken.

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                                  • Abt
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                                    • 26.04.2010
                                    • 5726
                                    • Unternehmen

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                                    #97
                                    AW: Die Donau entlang

                                    Intressant war auf unserer eigenen Tour damals von 1986-88 wie Ceaucescu-Rumänien zeitweise ohne Strom funktionierte
                                    Vor diesem Hintergrund verschwinden all unsere westlichen Tagesproblemchen mit Strom.

                                    Waren die Toiletten in den Hotels auf eurer Tour eigentlich durchgängig mit Porzellantrompeten ausgerüstet, oder gab es auch noch diese markanten Fußspuren mit Haltegriffen ?

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                                    • Enja
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                                      • 18.08.2006
                                      • 4751
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                                      #98
                                      AW: Die Donau entlang

                                      Die Fußspuren hatten wir nur auf den ukrainischen Bahnhöfen.....da war das vielleicht auch besser so.

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                                      • Abt
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                                        • 26.04.2010
                                        • 5726
                                        • Unternehmen

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                                        #99
                                        AW: Die Donau entlang

                                        Zitat von Enja Beitrag anzeigen
                                        Die Fußspuren hatten wir nur auf den ukrainischen Bahnhöfen.....da war das vielleicht auch besser so.
                                        Empfohlen wird deren Benutzung immer mit hohen Bergschuhen, nie mit Sandaletten

                                        Bei Galati/Rum. seid ihr an einem botanisch und erdgeschichtlich sehr intressanten kleinem Gebirge vorbeigeradelt, das Macin-Gebirge. Angeblich soll das mal 4000m hoch gewesen sein. Ich kenne es auch nur vom Tramp-Auto aus. Ist immerhin für mich intressant genug, da noch einmal hinzufahren zur entsprechenden Jahreszeit.
                                        In den Klöstern da sollen früher an Lepra Erkrankte untergebracht gewesen sein. Bestimmt keine schöne Begegnung.

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                                        • blauloke

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                                          • 22.08.2008
                                          • 8358
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                                          AW: Die Donau entlang

                                          Schade dass euere Radreise zu Ende geht.
                                          Ich habe immer gerne mitgelesen und bei deinem Schreibstil auch keine Fotos vermisst.
                                          Du kannst reisen so weit du willst, dich selber nimmst du immer mit.

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