Die Donau entlang

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  • Enja
    Alter Hase
    • 18.08.2006
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    • Meine Reisen

    #61
    AW: Die Donau entlang

    14.9.2013

    Frühstück ist auch noch im Übernachtungspreis inbegriffen. Wir sitzen also allein in einer Art Bahnhofshalle, was der zuständigen Bedienung nicht besonders gefällt. Wir bekommen einen Teller mit unglaublich fettigem Rührei hingeknallt.
    Anschließend packen wir, tragen die vielen Taschen runter und beladen unsere Räder in der Hotelhalle. Vor dem Eingang gibt es zur Treppenvermeidung sogar eine Rampe, die wir gestern abend völlig übersehen haben. Ich schiebe mein Fahrrad um die 90 Grad-Ecke auf die schmale Rampe, setze einen Fuß drauf, stelle fest, dass die Oberfläche aalglatt ist, rutsche weg, kann das schwere Rad nicht mehr halten und krache auf die Rampe. Das Rad liegt auf mir drauf. Als ich es anheben will, stelle ich fest, dass ich es keinen Millimeter bewegen kann, so bin ich eingeklemmt. Drum herum stehen etliche Passanten, die mich gerade noch freudig mit „Hello, Hola, Bonjour“ gegrüßt haben. Nun sehen sie gespannt zu, wie es wohl weitergeht. Helfen möchte niemand. Ich robbe Zentimeter für Zentimeter unter dem Rad heraus. Bis auf ein paar blaue Flecken bin ich noch intakt. Und sauer. Warum hat mir keiner geholfen?

    Kombiniert mit dem Erlebnis gestern abend bestärkt das in mir den Wunsch, dieses Land zu verlassen. Bis Giurgiu ist es nicht mehr weit. Und da gibt es eine Brücke. Die wird wohl kaum nach den Sommerferien eingemottet wie die Fähren.
    Der Rückenwind ist immer noch beträchtlich. Wir radeln mit Hochgeschwindigkeit. Die Strecke ist unverändert. Dorf-grüne Weite-Dorf. Die Dörfer immer noch im Alhambra-Baustil. Kläffende Hunde. Johlende Kinder. Wir wünschen uns definitiv Abwechslung.

    Giurgiu ist groß. Besteht aus Gewerbe und Plattenbauten. Hat eher spätsozialistischen Charme. Und liegt zwar theoretisch an der Donau, ist ihr aber nicht zugewandt. Wir sind jetzt ungeduldig. Deshalb verfahren wir uns gleich mehrmals. Die Passanten, die wir fragen, haben auch keine Idee, wo die Brücke sein könnte. Wir müssen einen weiten Haken schlagen, um die Auffahrt zu finden. Hier ist viel Verkehr. LKW auf LKW rollt in Richtung Bulgarien. Bei gleichem Verkehrsaufkommen in Gegenrichtung. Wir folgen den Wegweisern. Zuerst kommen wir an ein Mauthäuschen. Nein, Räder müssen nichts bezahlen. Also weiter. Noch eine kurze Auffahrt und wir erreichen die Brücke, die ein bißchen altersschwach aussieht. Vor allem ist sie sehr schmal und sehr stark befahren.

    Eigentlich würden wir lieber den Seitenweg benutzen. Aber ein Grenzer verlässt extra sein Häuschen, um uns in Richtung Fahrbahn zu schicken. Pech für die Autos hinter uns. Aber auch hier beschweren sie sich nicht. Die Donau ist hier breit und mehrarmig. Ihre Überquerung nimmt einige Zeit in Anspruch. Irgendwo unterwegs kommt uns ein Reiseradler entgegen. Unterhalten kann man sich hier leider nicht.

    Auf der bulgarischen Seite werden wieder fleißig die Pässe kontrolliert. Dann dürfen wir weiter Richtung Ruse. Wir sind in einer Art Industrie-Hölle gelandet. Mehr oder weniger verfallen. Aber auch Neubauten sind zu sehen. Die Beschriftung ist ausschließlich kyrillisch. Gut, dass wir das gelernt und in Serbien schon geübt haben. Der Straßenzustand ist übel.
    Ruse ist recht groß. Wir durchqueren einen Gewerbegürtel samt großem Hafen. Danach endlose Plattenbau-Viertel und kommen schließlich in die Stadtmitte. Die Fußgängerzone ist ausgesprochen belebt. Es gibt Geschäfte, Restaurants und Cafes jeder Art. Wir nutzen gleich mal einen der vielen Bankautomaten. In Ruse findet gerade ein Rock-Festival statt. Auf den Plätzen sind Bühnen aufgebaut. Überall gibt es Musik und Aufführungen.

    Schließlich finden wir die gut ausgeschilderte Touri-Info und fragen, wie wir am besten in Richtung Campingplatz kommen. Wir erfahren, dass der seit kurzem nicht mehr existiert. Inzwischen ist ein junges deutsches Radlerpärchen aus Dresden aufgetaucht. Ebenfalls auf Quartiersuche. Wir bekommen einen Stadtplan und man zeichnet uns ein, wo wir Hotels in der gewünschten Preislage (möglichst wenig) finden können. Man empfiehlt uns das English Guesthouse. Das liegt gleich um die Ecke.

    Den anderen ist es zu teuer, aber uns gefällt es so gut, dass wir die 30 € bezahlen wollen. Hübsche Zimmer. Schöne Gemeinschaftsräume. Terrasse, Küche, Esszimmer. Und eine angenehme internationale Athmosphäre. Das haben wir uns mal verdient. Morgen wollen wir zu den Felsenklöstern von Iwanowo fahren.

    Jetzt machen wir uns erst einmal auf die Suche nach einer Fahrradwerkstatt. An meinem Rad fehlt eine Schraube an der Schaltung. An dem meines Mannes wackelt das Vorderrad und lässt sich auch nicht festschrauben. Wir bekommen von der netten Wirtin eine Wegbeschreibung und die Adresse des Ladens in kyrillisch aufgeschrieben, damit wir uns durchfragen können. Auf relativ direktem Weg finden wir hin. Eine kleine dunkle Werkstatt. Davor stehen auf dem Bürgersteig diverse Räder. Dazwischen sitzen Menschen und in der Mitte wird an einem Montageständer gearbeitet.

    Wir sollen auf den Meister warten. Schnell schraubt der meine Schaltung wieder fest. An dem Vorderrad scheitert er genauso wie wir vorher. Die Nabe ist wohl nicht mehr zu richten. Er schlägt vor, dass wir ein neues Vorderrad kaufen. Da sind wir skeptisch. Inzwischen sind die Dresdner aufgetaucht. Eines ihrer Räder hat Probleme mit der Gabel. Was genau, kriegen wir nicht mit. Die beiden parlieren „ausländisch“ mit dem Meister. Wohl Russisch.

    An unserem Rad hätten wir nun gerne noch die Schaltung richtig eingestellt. Da hakt es. Der Meister macht sich an die Arbeit. Er tauscht die Schaltzüge aus. Baut das Hinterrad aus. Säubert Kette und Ritzel gründlich. Dabei stellt er fest, dass mehrere Speichen locker sind. Ein Achter. Auf dem Zentrierständer wird sichtbar, dass eine der Speichen aus der Felge gerissen ist. Er macht sich dran, auf einer Drehbank ein passendes Ersatzteil herzustellen. Es ist inzwischen 22 Uhr. Samstag. Er schlägt vor, dass wir am Sonntag mittag wiederkommen sollen. Dann wird das Rad fertig sein. Einverstanden. Sieht nach einer längeren Pause in Ruse aus.

    Wir machen noch einen Spaziergang an der Uferpromenade, wo die Kreuzfahrtschiffe anlegen und durch die reichlich vorhandenen Fußgängerzonen mit ihren hübschen Plätzen und all der Musik. Schließlich kochen wir uns in der Küche etwas zu essen. Trotz der dröhnenden Musik vom nahe gelegenen Platz schlafen wir gut.

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      • 26.04.2010
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      • Meine Reisen

      #62
      AW: Die Donau entlang

      Danke für deine solide Fleißarbeit in Form der Rad-Berichterstattung.

      Ich will hier nicht zu neugierig sein, aber seid ihr später noch über den Baragan http://de.wikipedia.org/wiki/Deporta...4%83gan-Steppe und Babadag gefahren?

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      • Enja
        Alter Hase
        • 18.08.2006
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        #63
        AW: Die Donau entlang

        Ja klar.

        Der Bărăgan wird durch den Fluss Ialomița in Bărăganul Călmățuiului im Norden und den Bărăganul Ialomiței im Süden unterteilt. Er wird die „Kornkammer Rumäniens” genannt, da er wegen der fruchtbaren Schwarzerdeböden (die meist auf Löss liegen) ein großes Getreideanbaugebiet ist. Auf diesen ausgedehnten Flächen werden vor allem Weizen, Sonnenblumen und Mais angebaut
        Das war wohl früher mal anders.

        http://de.wikipedia.org/wiki/B%C4%83r%C4%83gan

        In dem Beitrag sind zwei Fotos. So sieht es dort auch in meiner Erinnerung aus. Von Calafat bis Silistra. Das ist das, was ich mit "grüne Weite" bezeichnet habe. Heute ist das intensiv landwirtschaftlich genutzt. Und als ich noch überlegte, dass man dort sehr schön auch Gemüse in Folientunneln anbauen könnte, da die Donau genug Wasser liefert - kamen wir schon an den ersten vorbei. Wahrscheinlich wird es dort bald so aussehen wie in Südspanien.

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        • Enja
          Alter Hase
          • 18.08.2006
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          #64
          AW: Die Donau entlang

          15.9.2013

          Das Frühstück muss man sich in der Küche unter Benutzung der reichlich vorhandenen Vorräte selbst zubereiten. Der Kreis der Gäste unterhält sich ausgesprochen gut. Man tauscht Informationen aus. Die meisten sind als Backpacker mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs. Wir sitzen noch ein bißchen W-lan-nutzend auf der Terrasse und beschließen um 11 Uhr, dass nun Mittag ist. Die Werkstatt liegt sonntäglich verlassen da. Was nun? Während wir noch überlegen, tauchen weitere Kunden auf. An der Werkstatt ist eine Telefonnummer angeschlagen. Und auf einen Anruf hin taucht der Meister auf. Er nimmt uns einen Block weiter zu einem modernen Gebäude mit einem modernen Fahrradladen mit. Seiner. Hier stehen die teuren Fahrräder zum Verkauf und alles blinkt und blitzt. Unser Fahrrad ist fertig. Für 6 Arbeitsstunden und Ersatzteile sollen wir 20 € bezahlen. Wir verdoppeln das mal. So eine Fahrradwerkstatt hätten wir zu Hause auch gern.

          Ohne Gepäck geht es jetzt stadtauswärts Richtung rückwärts. Wir wollen die Felsenklöster von Iwanowo besuchen. Die richtige Ausfahrt ist schwer zu finden. Im letzten Moment kann ich die kyrillische Schrift des Abzweigs von der Hauptstrecke entziffern. Gleich geht es ordentlich aufwärts nach Sredna Kula und dann wieder abwärts nach Basarbovo. Wir sehen kurz in Richtung des dortigen Felsenklosters, beschließen aber, es für den Rückweg aufzusparen. Und schon geht es in einer langgezogenen S-Kurve wieder bergauf.

          Oben haben wir den ersten Ausblick über die tiefeingeschnittene Schlucht mit den Schlaufen des Rusenski Lom, in dessen Tal die Felsenklöster liegen. Eine Gruppe Mountainbiker ist auf einem Radweg abwärts unterwegs. Vielleicht führt der am Fluss entlang nach Iwanowo? Wir strampeln noch ein ganzes Stück höher und schließlich rollen wir entsprechend lange auf Iwanowo zu. Man hat einen weiten Überblick über Berg und Tal. So haben wir uns Bulgarien vorgestellt. Eine nette Abwechslung nach der rumänischen Tiefebene.

          In Iwanowo picknicken wir erst einmal. Schrieb ich schon, dass die bulgarische Landschaft genauso vermüllt ist wie die rumänische? Dann nehmen wir den Abzweig in Richtung der Klöster. Steil geht es abwärts, hinunter in die Schlucht. Und unten am Fluss entlang weiter. Die Zufahrtsstraße endet an einigen Andenkenbuden mit einem kleinen Bistro. Eine komplette Kreuzfahrtschiff-Busladung ist hier gerade unterwegs. Soviele Touristen haben wir lange nicht gesehen.
          Der Weg in die Kirche führt ein Stück den Fluss entlang, steil nach oben und wieder ein Stück zurück vorbei an diversen Aussichtspunkten, von denen aus man weitere Klöster in den Felshängen sehen kann, die nicht zugänglich sind. Die Felsenkirche selber kostet Eintritt. Der sich absolut lohnt. Sie ist in den Felsen geschlagen und komplett ausgemalt. Die Fresken sind sehr alt und erstaunlich qualitätvoll.

          Wieder zurück am Ansatz der Straße nach oben in Richtung Durchgangsstraße, beschließen wir, noch ein Stück weit unten zu bleiben und dem Fluss zu folgen. Mal weg vom vielen Asphalt. Und gucken, was es hier so zu entdecken gibt. Das artet absolut in Arbeit aus. Wir landen in einem Labyrinth von Wegen, die die landwirtschaftlichen Flächen erschließen, mal mehr, mal weniger befahrbar, bergauf, bergab. Irgendwann landen wir in Krasen. Nachdem wir uns aus der Schlucht wieder zur Straße hochgeschafft haben, geht es nur noch bergab bis Basarbovo. Kurz vor Sonnenuntergang kommen wir am dortigen Kloster an. Es ist noch in Benutzung. Also eine ganz andere Sache als Iwanowo. Ein netter Kontrast.

          Nun sind wir bald wieder in Ruse. Wir verlängern uns den Rückweg noch ein bißchen, indem wir versehentlich auf die Umgehungsstraße einbiegen und „durch“ den Bahnhof wieder in die Innenstadt zurück müssen. Der Bahnhof ist absolut riesig. Wobei hier offensichtlich nur selten Züge fahren. Für uns bedeutet er viele Treppen. Gut, dass unsere Räder heute unbeladen sind. Wir touren noch einmal durch die Stadt. Bewundern die angestrahlten Gebäude und Plätze. Halten kurz auf dem Freiheitsplatz. Und kehren ins English Guesthouse zurück, um hier einen gemütlichen Abend zu verbringen. Am Ende sichten wir noch unsere Habe und sortieren aus. Um das gefährdete Hinterrad zu entlasten. Diverse Karten und Biklines brauchen wir nicht mehr. Und auch das Werkzeug wird stark reduziert. Offensichtlich brauchen wir das nicht.

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          • Abt
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            #65
            AW: Die Donau entlang

            Wie es sich liest, habt ihr die Baragan noch nicht ganz erreicht und seid vorher Richtung Süden nach Bulgarien abgebogen. Ist eh eine langweilige Gegend da. Aber nicht ohne negative Geschichte und darauf wollte ich mal hinweisen.

            War der Donau-Radweg an irgendeiner Stelle in Rumänien überhaupt mal gekennzeichnet oder für Radler ausgebaut? Oder ist der ganze Rummel nur wieder die laue Luft aus einem Windei?

            Kannst du bitte mal die Anschrift des begabten Meisters als Link hier hereingeben?
            Ist dem 0inen oder der anderen vielleicht hilfreich.

            Ich getraue mich fast gar nicht meine gezahlten Übernachtungspreise in Bulgarien zu nennen.

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            • Enja
              Alter Hase
              • 18.08.2006
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              #66
              AW: Die Donau entlang

              Ich habe vom "Meister" eine Visitenkarte mitgenommen. Wenn ich sie finde, kann ich das einstellen.

              Ansonsten hast du recht. Calarasi hatte ich irgendwie im Kopf. Wir sind aber tatsächlich vorher abgebogen. Und in Braila waren wir auch nicht.

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              • Enja
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                #67
                AW: Die Donau entlang

                16.9.2013

                Noch einmal ein gemütliches Frühstück im Guesthouse. Wir haben beschlossen, in Bulgarien zu bleiben. Die netten, gastfreundlichen, zurückhaltenden Bulgaren gefallen uns ausgezeichnet. Und ein wenig Bergtraining wird uns gut tun. Aber zuerst einmal muss das Paket zur Post gebracht werden. Die Post haben wir am Freiheitsplatz schon gesehen. Wir betreten die Schalterhalle und gucken fragend. Man wedelt uns nach nebenan. Dort will man das Paket auch nicht. Zur Tür hinaus und einmal um den Block. Dort werden Pakete aufgegeben. Aber unseres nicht. Nur Pakete, die nicht mehr ein kg wiegen.
                Man schreibt uns mal wieder eine Adresse in kyrillischer Schrift auf und wir fragen uns durch. Es geht zum Bahnhof. Das macht Sinn. Das Areal ist aber riesig. Und hier wissen die Passanten nicht, wo die Post ist. Schließlich finden wir etwas, was danach aussieht. „Njet“, sagt die uniformierte Dame hinter dem Schalter als sie unser Paket sieht.

                Ratlos stehen wir wieder draußen vor der Tür, als uns ein älterer Bulgare anspricht. „Moi, je vais règler ca.“ erklärt er. Er nimmt das Paket und marschiert voran. Die uniformierte Dame ist nun doch zuständig. Liebevoll wird unser Paket rundherum verklebt, beschriftet und mit bunten Aufklebern versehen.

                Uff. Jetzt können wir abreisen. Wir halten uns an die Donau und können so fern der Hauptstraße Richtung Osten fahren. Bald haben wir den Kreisel erreicht, von dem aus der Abzweig auf die Brücke führt. Geradeaus geht es weiter Richtung Silistra. Die Straße ist gut, aber stark befahren. Wie es in der Karte auch markiert ist. Sie steigt an. Kontinuierlich. Marten ist offensichtlich der Büro-Vorort von Ruse. Neue Bürohochhäuser bieten Mietflächen für 1 € / qm an. Die Straße führt schnurgerade am Ort vorbei. Die Orte liegen hier relativ weit auseinander und die Straße umgeht sie. Der Rückenwind ist heute mäßig.

                Es gibt eine Variante direkt am Donauufer. Die ist allerdings als „kaum befahrbar“ gekennzeichnet. Also nichts für uns. In Slivo Pole machen wir den ersten Stopp. In Ortsmitte gibt es eine Art Plaza. Bäume spenden Schatten. Darunter stehen Bänke. Und rundherum ist alles, was man braucht. Läden. Die Post. Das Rathaus. Die Bushaltestelle. Sehr hübsch.
                Wir kommen gut voran. Die Straße wellt auf und ab. Wir passieren Brushlen und Nova Cherna. Die Abstände zwischen den Orten sind groß. Die Straße führt überwiegend durch riesige Maisfelder, die jetzt abgeerntet sind. Ab und zu auch durch Wälder.

                So kommen wir nach Tutrakan. Ein hübsches Örtchen. An der Donau gelegen, bzw. oben drüber. Mit allem, was man so brauchen könnte. Es gibt sogar eine Touri-Info. Und zwei Hotels. Vermutlich wäre es vernünftig, hier zu übernachten. Campingplätze gibt es sowieso nicht. Und da wir ab hier die Ufervariante fahren wollen, in absehbarer Zeit auch keine Hotels mehr. Aber wer will schon vernünftig sein? Wir freuen uns auf die Uferstrecke. Tutrakan hat einen schönen Park am Ufer. Wir suchen uns eine Bank mit großartigem Blick über die Donau ganz in der Nähe von „Panzerkreuzer Potemkin“. Einem großen grauen Betonschiff auf einem Pfeiler. Eine Art Denkmal, dass es hier in der Gegend häufiger gibt.

                Nun müssen wir wieder hoch bis auf die Umgehungsstraße, um dann in einen gekennzeichneten Radweg Richtung Donau einzubiegen. Er ist ordentlich ausgeschildert und frisch asphaltiert. Durch duftende mückenreiche Wälder geht es an mehreren Quellen vorbei abwärts Richtung Donau. Wir füllen unsere Wasserflaschen auf und freuen uns über die Fahrt. So könnte es weitergehen.

                Allerdings ist es schon spät. Die Sonne steht knapp über dem Horizont. In Pozharevo, dem nächsten Dorf, soll es Privatzimmer geben. In der „Villa Relax“. Und siehe da. Sie ist auch ausgeschildert. Die Dorfstraße ist unbefestigt und völlig ausgefahren. Die Villa Relax liegt ganz am anderen Ende und ist komplett eingerüstet. Sie bekommt gerade einen Vollwärmeschutz, wie viele andere Häuser an unserem Weg. Trotzdem will man uns ein Zimmer anbieten. Falls wir nichts essen wollen. Im Haus ist es dunkel und stinkt nach Schweiß. Überall liegen stapelweise speckige Decken und Matratzen. Nein, tut uns leid. Wir wollen nicht wählerisch scheinen, aber das ist uns zuviel. Wir fahren weiter.

                Das nächste Dorf ist Dunavec. Wir fragen eine ältere Frau, die dort auf der Straße steht, ob man hier irgendwo übernachten könne. In Zeichensprache. Sie fragt, ob wir ein Zelt haben. Auch in Zeichensprache. Dann ab Richtung Donau und am Strand zelten. Das machen wir. Der Strand liegt verlassen. Die Donau ist hier besonders malerisch, weil sie diverse grüne Inseln umfließt. Auf den Wellen schaukelt ein Fischerboot. Zwei Fahrräder stehen am Anleger. Und die Sonne färbt den Himmel in den buntesten Farben. Einfach perfekt.

                Wir suchen uns eine schöne Stelle für unser Zelt und lassen uns in unseren Stühlen nieder, um die Aussicht zu bewundern. Die Fischer kommen an Land. Grüßen. Schwingen sich auf ihre Räder und fahren heim. Wir nehmen ein kurzes Bad in der Donau und gehen schlafen.

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                  • Meine Reisen

                  #68
                  AW: Die Donau entlang

                  17.9.2013

                  Der Tag beginnt idyllisch. Ein Bad in der Donau. Frühstück. Bei Sonnenaufgang haben wir den Strand noch für uns. Kurz darauf kommen die beiden Fischer und machen ihr Boot klar. Sie rudern hinaus und bergen die Netze, die sie gestern ausgebracht haben. Anschließend bringen sie die Fische an Land. Der jüngere der beiden rudert wieder hinaus. Der Ältere kommt zu uns. Er spricht fabelhaft deutsch und fragt uns, woher wir kommen.

                  Er ist bis zur Wende in der DDR gewesen. Als Mitglied einer Zigeuernkapelle (so nennt er das, ich weiß, dass das nicht pc ist, zitiere ihn aber). Nach der Wende musste er heim. Natürlich ohne Rentenanspruch. Seitdem fischt er hier und bewirtschaftet seinen Garten. Er ist tiefenentspannt. Schließlich geht er heim und kehrt kurze Zeit drauf mit Birnen aus seinem Garten zurück. Phantastischen Birnen.

                  Wir können uns kaum trennen, freuen uns aber auch schon auf die Weiterfahrt. Am Ende von Dunavec geht es in einer S-Kurve bergauf. Von oben hat man noch einmal eine schöne Aussicht auf „unseren“ Strand und die Donau. In der Ferne sehen wir die beiden Fischer in ihrem Boot sitzen und angeln. Wie in Rumänien sind auch hier diverse Pferde-Wägelchen unterwegs. Das gleiche Modell wird auch von Eseln gezogen. Ein stück geht es durch Wald. Es ist sehr nass. Vor kurzer Zeit muss es hier gewaltig geregnet haben.

                  So kommt es nicht ganz unerwartet, dass der Weg, nachdem der Asphalt endet, ziemlich schlecht zu befahren ist. Auf der Karte ist er als „kaum befahrbar“ eingezeichnet. Zum Teil geht es über Betonplatten, die mehr im Weg liegen, als dass sie einen ebnen. Oder wir mühen uns durch Schlaglöcher, über übles Kopfsteinpflaster oder Schotter. Die Landschaft entschädigt reichlich für diese Anstrengung.

                  Schließlich biegen wir ins Landesinnere ab und finden durch Malak Preslavec wieder eine Asphaltstraße vor. Schon im Dorf geht es steil bergauf. Oben angekommen, biegen wir links und dann wieder rechts in eine Art Feldweg ein. Nun geht es auf immer schlechterem Weg weiter. Die beiden Spuren mit einem Grasbuckel in der Mitte sind tief ausgefahren und ausgewaschen. Mal irgendwie in der Spur mal oben daneben mühen wir uns vorwärts. Und bestaunen die Pferde-Wagen, die hier unterwegs sind. Ein wilder Ritt über Stock und Stein. Da wir keinerlei Wegweiser mehr antreffen, fragen wir uns etliche Male, wenn der Weg mal wieder kaum zu erkennen ist, ob wir uns nicht längst verfahren haben.

                  Schließlich geht es auf noch schlechterem Weg geradezu atemlos steil bergab nach Garvan. Teilweise ist es so steil, dass selbst das Schieben ein Abenteuer ist. Etwas erstaunt biegen wir, unten angekommen, in eine erstaunlich gepflegte, asphaltierte Dorfstraße ein, an der wir die übliche Infrastruktur vorfinden. Die Zivilisation hat uns wieder. Die Orte hier werden eindeutig von der Durchgangsstraße her erschlossen. Die Wege, die wir benutzen, die sie untereinander quer verbinden, sind offensichtlich kaum benutzt.

                  Garvan verlassen wir wieder bergauf. Die Orte liegen in parallel verlaufenden Tälern und wir müssen zwischendurch die dazwischenliegenden Bergzüge überqueren. Nach Popina finden wir immerhin mal eine Asphaltstraße vor. Müssen aber ähnlich steil hoch und auch wieder herunter wie zuvor. Aus Popina heraus gibt es sogar mal wieder einen Radweg-Wegweiser. Wir folgen ihm an einer Hühnerfarm vorbei. Und treffen dahinter auf ein wildes Gewusel von zerfahrenen Wirtschaftswegen und Fahrspuren. Während der Erntezeit haben die großen Maschinen hier offensichtlich die Wege bis zur Unkenntlichkeit zerfahren.

                  Wir folgen einer Spur, die in etwa hinkommen könnte bergauf. Der Weg ist völlig zerfahren und bald so steil, dass wir die Räder kaum hochschieben können. Das wird wohl eher nicht der Radweg sein. Mal gucken, wo wir abbiegen können. Oben angekommen, breitet sich eine weite abgeerntete Ebene aus. Auf der Seite gegenüber geht es steil in eine Art Schlucht. Drüben liegt eindeutig Vetren, unser Ziel. Wir sehen aber keine Möglichkeit, dort hinzukommen.

                  Der Abbruchkante folgend, sehen wir bald darauf auch Srebarna, das nächste Ziel liegen. Sie biegt dann aber ab und auch in dieser Richtung gibt es keinen Weg abwärts in die dazwischenliegende Schlucht. Irgendwann kehren wir um in Richtung Donau. Dort müsste es doch irgendwo klappen. Aber nein. Im Endeffekt finden wir nicht einmal mehr die Stelle, an der es wieder hinunter nach Popina ginge. Wir müssen unsere Taktik ändern. Jetzt gucken wir, wohin die Stromleitungen führen. Und welcher Weg nach einem übergeordneten aussieht. Irgendwo muss man doch hier raus kommen. Wo, ist uns inzwischen egal. Die Sonne prallt. Es gibt keinen Schatten. Wir sind verschwitzt und verstaubt.

                  Irgendwann kommen wir auf die Straße von Popina nach Poljana und damit in Richtung der Durchgangsstraße. Das ist zwar ein Umweg. Aber die Räder rollen jetzt wieder auf Asphalt und wir kommen voran.

                  An Srebarna fahren wir vorbei. Hier gibt es einen großen flachen Sumpfsee, der ein Vogelschutzgebiet darstellt. Unesco-mäßig ganz wichtig und unter Schutz gestellt. Wir sehen es von der Straße aus liegen. Und betreten darf man es sowieso nicht.

                  Über Ajdemir nach Silistra ist es jetzt nicht mehr weit. Das ist gut so. Wir sind ziemlich erschöpft und auf auf der rumänischen Seite gegenüber von Silistra ist ein Campingplatz eingezeichnet. Wir beschließen, in Silistra essen zu gehen, da wir noch ziemlich viel bulgarisches Geld haben wegen der kostenlosen Übernachtung und dann drüben zu übernachten.
                  Silistra liegt mal wieder unten an der Donau. Die Stadt ist gar nicht klein und wir treffen sofort auf die üblichen Discounter in beträchtlicher Größe. Die Innenstadt hat eine belebte Fußgängerzone. Und es regnet dummerweise, was unsere Idee eines Stadtbummels wenig sinnvoll erscheinen lässt. Der Wind frischt stark auf. Am Donauufer ist ein einladender Stadtpark mit einem hübschen Restaurant in einem Pavillon. Wir beschließen, uns dort niederzulassen. Man erklärt uns, wir müssten essen, was alle essen, falls wir etwas essen wollen und wir erklären uns einverstanden.

                  Wir warten lange. Der Wind frischt immer stärker auf. Die Sonnenschirme wehen davon und schließlich serviert man uns in der Dämmerung Fisch, der im wesentlichen roh ist. Irgendwie haben wir auf dieser Reise wenig Glück mit der Gastronomie. Der Kellner kassiert mürrisch einen weit überhöhten Preis, was uns egal ist, weil wir sowieso das Land verlassen wollen. Bulgarien endet hier. Ab jetzt ist auf beiden Donau-Ufern Rumänien.

                  Leider weiß hier auch keiner, wo wir die Fähre nach drüben finden. Wir irren durch diverse Plattenbauviertel bis man uns an einer Tankstelle den richtigen Abzweig zeigt. Es gibt hier zwei Fähren. Eine von Bulgarien nach Rumänien. Die haben wir eigentlich gesucht und nicht gefunden. Und eine von Rumänien nach Rumänien. Um zu ihr zu kommen, muss man erst den Grenzübergang passieren. Dort laufen wir irgendwann im Stockdunklen auf. Nun ist es nicht mehr weit. Und die Grenzer versichern uns, dass die Fähre noch fährt. Wir müssen von der Straße runter, auf einen unbefestigten zerfahrenen Weg und passieren bald eine lange LKW-Warteschlange, an der wir natürlich vorbeifahren. An einem Ticket-Häuschen kaufen wir die Fahrscheine. Und schieben unsere Räder mit Schwung auf die Fähre, die gerade ablegen will.

                  Es ist ein ziemlich großer Ponton. In der Mitte stehen drei LKWs. Auf mehreren Spuren PKWs. Und für uns ist auch noch Platz. Der Ponton wird von einem Schlepper gezogen. „Lights off. We are crossing Danube“ sagt man uns. Unsere Akkus reagieren aber nicht drauf und das scheint auch egal zu sein. Es ist stockfinster. Der Wind pfeift und die Wellen gehen hoch. Das Wasser klatscht über die Fähre. Eine erfrischende Fahrt.

                  Drüben soll direkt der Campingplatz liegen. Was er natürlich nicht tut. Das sind wir jetzt schon gewöhnt. In beiden Richtungen gibt es ausschließlich Gewerbe. Bewacht von großen Hunden, die gleich wieder die Jagd aufnehmen. Und ein Motel. Da checken wir ein. Es ist nicht besonders teuer und aus dem Wind ist inzwischen ein Sturm geworden. Warum also nicht.

                  Das Motel wird gerade renoviert. Über die Treppe sind Bettlaken gehängt, was das Begehen etwas abenteuerlich macht. Aber das Zimmer mit Bad ist in Ordnung. Mal gucken, wie das Wetter morgen ist.

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                    • Meine Reisen

                    #69
                    AW: Die Donau entlang

                    18.9.2013

                    Fazit Bulgarien: Ein nettes Land. Hat uns gut gefallen. Die Leute ganz reizend. Die Landschaft schön. Die Straßen in Ordnung (bis auf einige Ortsdurchfahrten). Sogar mal wieder ausgewiesene Radwege. Rücksichtsvolle Autofahrer. Die Hunde schön weggesperrt. Eindrucksvolle Felsklöster. Das Preisniveau noch einmal unter dem in Rumänien. Und es hat auch niemand was gegen Wildcamping.

                    Die ganze Nacht hat es massiv geschüttet. Am Morgen glücklicherweise nicht mehr. Aber der Wind ist sehr stark. Wir bekommen zunächst einmal mit wunderbarem Blick über die Donau nach Silistra ein wirklich sehr gutes Frühstück serviert.
                    Draußen ist der Wind so stark, dass man sich kaum auf den Beinen halten kann. Wir schieben die Räder zur Fähre. Die Überfahrt macht Spaß. Die Wellen gehen hoch. Und so vom Wasser aus hat man immer die beste Aussicht auf die Landschaft. Die Donau ist hier so breit, dass wir lange unterwegs sind.

                    Die Donau teilt sich hier in zwei Arme. Dem schmaleren folgen wir zunächst in einer langen Allee. Wir passieren Ostrov, was sich irgendwie gar nicht rumänisch anhört. Und tatsächlich sehen hier die Dörfer weiterhin aus wie in Bulgarien. Die Hunde sind schön eingesperrt und kläffen hinter Zäunen. Die Menschen grüßen höflich, springen uns aber nicht an. Wir freuen uns an der Donaunähe der Straße. Die haben wir nicht mehr so oft. Zumal sie jetzt nach Norden abbiegen wird und wir mäßig entschlossen sind, geradeaus über die Berge, die hier der Donau den Weg in das Schwarze Meer versperren, nach Constanta weiterzufahren. In Ion Corvin werden wir uns entscheiden müssen.

                    Zunächst einmal passieren wir eine Seenplatte und beginnen langsam den Aufstieg vom Ufer weg. Der Wind bläst aus Richtung Westen und treibt uns voran. Allerdings ist er so stark, dass das nicht immer hilfreich ist, da die Straße nur selten direkt nach der Windrichtung ausgerichtet ist, so dass der Wind meist mehr oder weniger eine seitliche Komponente hat, was es seher schwer macht, auf der Straße zu bleiben. Wir segeln heute.

                    Am Kloster Dervent machen wir einen Stop. Wenn wir nicht in den bulgarischen Stoppelfeldern so viel Zeit verbracht hätten, hätten wir hier übernachtet und von hier aus vermutlich heute Constanta erreichen können. So wird das wohl eher nicht gehen. Im Kloster Dervent kann man tatsächlich, wenn man entsprechend gekleidet ist, kostenlos übernachten – inklusive vegetarischem Abendessen. Jetzt am Vormittag sehen wir uns die Kirche an. Das Kloster ist so gut wie ladenneu. Viele solcher Klöster stehen an der Straße. Teils sogar noch im Bau. Wer finanziert wohl diesen Bauboom?

                    Weiter geht es bergauf. Der Wind bläst gewaltig. Einen Grat entlang habe ich ernsthaft Bedenken, ob der Wind uns nicht von der Straße fegt. Hier wird jetzt viel Wein angebaut. Was in der sehr kargen Landschaft irgendwie überrascht. Wir umrunden Lipnita und nun geht es abwärts Richtung Baneasa. Praktischerweise durch einen Wald. Da haben wir Windschutz. Auch zwischen Baneasa und Negureni passieren wir immer wieder Waldstücke. Und schon haben wir Ion Corvin erreicht.
                    Die Donau ist von hier aus nicht zu sehen. Die Radweg-Variante, die ihr weiter folgt, biegt nach Norden ab. Und wir entschließen uns endgültig für die Route nach Constanta. Wir erhoffen uns dort einen nach mitteleuropäischem Standard ausgestatteten Campingplatz. Wir sind etwas erholungsbedürftig. Und wollen auch mal wieder unsere Wäsche vernünftig waschen. In Constanta sind vier Plätze eingezeichnet. Einer davon wird hoffentlich existieren. Wir sind da inzwischen vorsichtig geworden.

                    Wir biegen ein in ein Tal, das stramm aufwärts führt. Und hier überholen wir ihn. Den einzigen Fernwanderer, den wir auf unserer Tour sehen. Tapfer marschiert er die Straße entlang. Oben angekommen, blickt man weit über die wellige Landschaft. Die Täler sehen ziemlich eingeschnitten aus. Das lässt vermuten, dass es anstrengend wird.
                    Rasant geht es abwärts nach Urluia. Und gleich wieder bergauf nach Adamclisi. Der Ort sieht ziemlich imposant aus in der weiten, jetzt völlig kargen Landschaft. Zunächst einmal passieren wir die Ruinen der Festung, die sich kilometerweit erstreckt. Bikeline spricht von 22 Türmen. Es sind aber nicht mehr allzuviele Reste erkennbar. Dahinter geht es noch einmal bergauf in den Ort, der eher gewerbebetont als romantisch ist. Die Straße steigt ständig an. Am Ortsausgang gibt es einen Abzweig zum Tropaeum Traiani Monument. Laut Bikeline aus dem Jahr 109. Man sieht es von der Straße aus stehen. Und wir müssen da natürlich dringend hin.

                    Was bedeutet, dass der starke Wind uns nun entgegen steht. Obwohl es bergab geht, müssen wir heftig arbeiten, um überhaupt voranzukommen. Das Ding sieht eher aus als wäre es ein Denkmal aus der näheren Vergangenheit. Römisch jedenfalls nicht. Und davor sitzt ein Rudel Hunde, das bereit ist, das Gelände bis zum letzten Blutstropfen zu verteidigen. Als wir umdrehen, werden wir heftig verfolgt und attackiert. Sehr zur Freude des Wächters der unfreundlichen Stätte. Wir entkommen knapp. Ich suche mir wieder ein Wurfgeschoss für künftige Angriffe.

                    In den nächsten Ort – Delen – geht es bergab. Wir rollen entspannt ein. Und sehen vor der Dorfkneipe die Räder der Belgier stehen. Da können wir natürlich nicht vorbei. Die wollten doch von Giurgiu aus mit dem Zug nach Istanbul. Jetzt sitzen sie hier jedenfalls im Warmen. Umrundet vom halben Dorf und erholen sich. Wir setzen uns dazu. Sie erzählen uns, dass die beiden Männer links und rechts von ihnen der Bürgermeister und sein Stellvertreter sind, die angeboten haben, dass sie – und wir gerne auch – im Rathaus übernachten können. Einer von beiden spricht fließend Französisch. Draußen sei es zu kalt zum Zelten.

                    Da sitzen wir nun. Seit wir uns in Serbien kennen lernten, haben wir uns alle stark verändert. Wir sind jetzt dunkelbraun gebrannt und haben alle stark an Gewicht verloren. Die Haut spannt sich über Arm- und Beinmuskeln. Die Haare sind strubbelig. Ich flechte sie jeden Tag ein und ziehe meinen Buff drüber. Sonst drecken sie ein und verknoten sich, so dass ich sie kaum noch entwirrt bekomme. Die Männer bärtig. Die Klamotten ausgeblichen.

                    Ein Polizeiauto eskortiert uns zum Rathaus. Im Sitzungssaal hat man uns schon Turnmatten ausgelegt. Es gibt sogar eine Dusche. Und eine gut ausgestattete Küche. Was will man mehr. Wir kochen. Die Polizisten bringen frisch gebackenes Brot und Schafskäse. Sowie die unentbehrlichen Tomaten und Paprikas. Schließlich setzen wir uns alle um den Sitzungstisch und teilen, was wir haben.

                    Später kommt der Bürgermeister dazu und erzählt uns von seinem Dorf. Während die beiden Polizisten den Abwasch machen. Wir erfahren, dass nun plötzlich EU-Standards gelten. Zum Beispiel für die Wasserversorgung. Die bisherigen Brunnen mussten durch eine Trinkwasserleitung ersetzt werden. Die ihr Wasser aus einer Tiefenbohrung bezieht. Was zur Folge hat, dass das Wasser so teuer geworden ist, dass die Bewohner es nicht bezahlen können und sie wieder ihre alten Brunnen nutzen. Natürlich konnte nur eine ausländische Gesellschaft diese Bohrung durchführen.

                    Der Bürgermeister arbeitet zudem daran, die Leute daran zu gewöhnen, ihren Müll in aufgestellte Behälter zu werfen, statt in die Landschaft. Die Abfälle werden gesammelt und recycelt. An allen Ecken und Enden ist Arbeitsbedarf. Vor allem sind die Straßen schlecht. Besonders die abseits der Durchgangsstraße, die meist recht gut befahrbar ist. Das Problem mit den Hunden, habe hier die Polizei bereits „erledigt“. Die gäbe es nicht mehr. Wir erfahren viel über die rumänische Gemeindeverwaltung und ihre Widrigkeiten. Er sieht einen Ausverkauf im Gange. Und möchte den gerne verhindern. So kommen wir auf die Geschichte mit dem Gold, dass für einen Bruchteil seines Wertes an einen ausländischen Konzern verkauft wird, während die Umweltbelastungen auf Kosten Rumäniens gehen.

                    Sehr interessant, aber um 2 Uhr klinken wir uns aus und gehen schlafen. Die anderen quatschen bis Sonnenaufgang weiter.

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                    • Abt
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                      #70
                      AW: Die Donau entlang

                      Die Dobrudscha, das ist die Landschaft, die du hier gerade beschreibst, gehörte früher tatsächlich zu Bulgarien.

                      Ich hatte schon einmal die Frage nach einer Sonderkennzeichnung und Ausbau als Radfernwanderweg in Rumänien gestellt. Wie war der Radwanderweg denn ausgebaut?

                      Die vielen Straßenköter sind in Rumänien tatsächlich ein Problem. Allen Hundefreunden hier zum Trotz. Abschießen wäre sicher die humanste Lösung. So ein Hundeleben als Straßenköter ist alles andere als Zuckerlecken und bildet Gefahrenpotential

                      Ein seither verschollenens Forenmitglied war ja extra zu einer umstrittenen Befreiungsaktion oder was auch immer(?) dahin aufgebrochen.
                      Zuletzt geändert von Abt; 25.11.2013, 09:31.

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                      • Enja
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                        #71
                        AW: Die Donau entlang

                        Erschießen ist wohl nicht finanzierbar. So wie wir das erlebt haben, wurden sie in den Dörfern eher erschlagen.

                        Kennzeichnung? Nein. Überhaupt und gar nicht. Ausgebaut? Auch nicht. Der "Radweg" geht ausschließlich über vorhandene Straßen. Insofern ist 100 % asphaltiert. Da auch die in den GTZ-Karten eingetragenen Campingplätze überwiegend nicht existieren und zumindest teilweise auch niemals existiert haben, macht das auf mich den Eindruck, als hätte man mal große Pläne gehabt, die aber nicht zur Ausführung kamen.

                        In Bulgarien haben wir Ansätze vorgefunden. Bis Serbien war alles perfekt durchgezogen.

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                        • Enja
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                          #72
                          AW: Die Donau entlang

                          19.9.2013

                          Die Belgier möchten noch bleiben. Wir gehen duschen und machen uns Frühstück in der Küche. Im Rathaus ist bereits Betrieb. Auf dem Gang sitzen wartende Menschen. Und die beiden Bürgermeister versehen ihren Dienst. Alles etwas ungewohnt. Wir scheinen aber nicht zu stören. So verabschieden wir uns irgendwann und machen uns unter dem Gejohle der Kinder, die noch ein Stück hinter uns her rennen wieder auf den Weg.

                          Es geht weiter über Berg um Berg. In Cobatin biegen wir in eine stärker befahrene Straße ein. Bald darauf kreuzen wir die Autobahn und nähern uns Basarabi, wo wir den Kanal von der Donau zum Schwarzen Meer kreuzen. Ab hier führt eine Bahnlinie neben der nun sehr stark befahrenen Straße her, die schnurgerade und eben auf Constanta zu führt. In einem Wäldchen picknicken wir noch einmal.

                          Dann biegen wir wieder in die Straße ein, um das letzte Stück bis zum Schwarzen Meer unter die Räder zu nehmen. Vor Constanta geht es erst einmal einen langgezogenen Autostrich entlang. Die „Damen“ stehen, auffällig kostümiert an der Straße. Teils sitzen sie auch in Wohnwagen oder Wohnmobilen. Das wäre noch erträglich. Aber Zuhälter und Kundschaft schneiden uns ständig in ihren großen Schlitten bzw. LKWs. So richtig gemütlich ist das nicht.

                          Hier erleben wir auch mal wieder eine böse Hundeattacke. Das Tier verbeißt sich in die Taschen meines Mannes, der es kaum abschütteln kann. Es stürzt sich daraufhin sofort auf mich. Aber nun habe ich wieder einen Stein parat und werfe damit. Das Tier macht augenblicklich kehrt. Und schon hört man einen Pfiff. Die Besitzerin ruft das Tier zu sich. Immer wieder lustig. Oder eben auch nicht an einer so stark befahrenen Straße.

                          Bald unterqueren wir die Umgehungsstraßen und fahren erst durch Gewerbegebiete und dann durch Plattenbau-Quartiere. Wir umrunden diverse Kreisel und landen schließlich bei den einschlägigen Discountern. Wir entscheiden uns diesmal für das große A. Die Preise entsprechen denen in Deutschland. Der Einkauf dort ist also für Rumänen eine teure Angelegenheit. Es läuft gerade die Sonderangebotsaktion „Radfahrer“. Wir könnten uns hier komplett neu ausstatten. Und kaufen uns so ein westenartiges Überziehteil in Leuchtfarben. Wer weiß, was noch kommt.

                          Schließlich kommen wir an eine Kreuzung, deren Linksabbiegerspur mit „Istanbul“ ausgeschildert ist. Sollten wir nicht doch? Nein. In Istanbul waren wir schon oft. Und außerdem wollen wir auf jeden Fall ins Donau-Delta. Wir biegen also rechts ab. Nach Mamaia, wo die Campingplätze sind.

                          Zunächst einmal queren wir das Stadtzentrum von Constanta. Wir entscheiden uns für die Fußgängerzone. Hier kommt man zwar nur langsam voran, aber der Verkehr auf den anderen Straßen ist heftig. Die Stadt spricht uns nicht besonders an. Plattenbauten. Viel Betrieb. Viele Baustellen. Viel Läm. Viel Dreck.

                          Mamaia liegt auf einer gebogenen Landzunge zwischen Meer und Lagune. Hotelbunker liegt neben Hotelbunker. Viele davon sind noch im Bau. Daneben gibt es eine Zone am Strand, die uns ein bißchen an Rimini erinnert. Riesige Selbstbedienungsrestaurants. Kasinos. Ladenzonen. Strandbars. Kinderspielplätze. Jahrmarktzonen. Fast alles ist jetzt geschlossen. Der Wind pfeift zwischendurch. Ein paar wenige Urlauber sind noch unterwegs. Zusätzlich ist alles vermüllt und verfallen.

                          Die Campingplätze liegen eher am Ende. Schließlich kommen wir an einem vorbei. Schön ist er nicht. Und im Rezeptionsgebäude ist auch niemand. Aber…….da stehen zwei Zelte. Und Räder daneben. Wer mag das sein? Neben einem der Zelte werkeln die Engländer am Zerlegen ihrer Räder. Die Freude ist groß. Dass wir die noch einmal treffen, hätten wir nicht gedacht. Sie wollten von Bukarest aus heimfliegen. Weshalb sie jetzt ihre Räder „kartonieren“. Morgen wollen sie mit dem Taxi zum Bahnhof. Und wer sind die anderen?

                          Regen setzt ein. Wir bauen deshalb hurtig unser Zelt auf. Die Engländer schleppen Räder und Kartons ins Waschhaus. Sie versichern uns, dass die anderen Plätze geschlossen sind. Dieser hier ist so etwas ähnliches. Der Platz ist nicht groß und liegt mit einem wenig eingrenzenden Zaun direkt an der Durchgangsstraße. Das Gras ist verdörrt. Dreck fliegt herum. Das Waschhaus ist groß. Für Männer und Frauen gemeinsam. Bei offenen Duschen. Wie gesellig. Es ist groß. Und offensichtlich seit Wochen nicht mehr geputzt. Immerhin fließt in den Duschen reichlich heißes Wasser. Das ist natürlich das Qualitätskriterium Nr. 1.

                          Wir bitten zunächst die Engländer, auf unsere Sachen zu achten und ziehen mit einer Flasche Sekt an den Strand. Wir sind mit dem Fahrrad bis an das Schwarze Meer gefahren. Und ab jetzt geht es Richtung Heimat. Das muss gefeiert werden. Das Wasser ist kalt. Der kalte Wind pfeift uns um die Ohren. Sand und Wasser sind vermüllt. Im Wasser treiben zudem Ölklumpen und tote Quallen. OK. Kein Bad. Muss nicht sein. Feierlich ist es trotzdem.

                          Inzwischen sind die anderen Nachbarn aufgetaucht. Die Dresdner aus Ruse. Sie wollen weiter bis Tulcea und dann irgendwie mit Bussen heim. Deren Freude ist übersichtlich. Sie gehören zu der Fraktion, die meint, dass der Donau-Radweg nur von jungen Leuten befahren werden sollte, weil Ältere zu langsam sind. Und sowieso fehl am Platze.

                          Als letztes taucht noch ein Wohnmobil auf. Leute auf dem Weg nach Moldawien. Tatsächlich ist die Rezeption auch besetzt. Man will dort eine Menge Geld für die Übernachtung. Die Wohnmobilisten überlegen und beschließen, es zu bezahlen. Sie gehen schon mal duschen. Allerdings erscheint der Betreiber mit dem Schlüssel zum Schlagbaum nicht. Und im Gegensatz zu uns ist das für sie ein unüberwindliches Hindernis. Irgendwann reisen sie wieder ab.

                          Es wird dunkel. Und regnet immer stärker. Wir essen alle zusammen im Waschraum. An der Staße ziehen „die Damen“ auf. Offensichtlich sind wir mal wieder auf einem Straßenstrich gelandet. Die Campingplatz-Hundemeute schaltet von „Schoßhund“ auf „Wachhund“. Wann immer jemand von uns den Platz überquert, wird er attackiert. Was bedeutet, dass jeder, der nachts mal raus muss, alle anderen weckt. Dazu gibt es ein starkes Gewitter mit Wolkenbruch und Sturm. Ein rundum gemütlicher Aufenthaltsort.

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                            #73
                            AW: Die Donau entlang

                            Zitat von Abt Beitrag anzeigen
                            Die vielen Straßenköter sind in Rumänien tatsächlich ein Problem. Allen Hundefreunden hier zum Trotz. Abschießen wäre sicher die humanste Lösung. So ein Hundeleben als Straßenköter ist alles andere als Zuckerlecken und bildet Gefahrenpotential
                            OT: Sind sie. Aber Vergiftungs-, Vergasungs-, Verbrennungs-, Totschlagaktionen und was es da sonst noch alles gibt, helfen nicht das Problem zu lösen. Es wird nur um ein paar Jahre nach hinten geschoben. Egal was man macht: Es überleben immer welche und die vermehren sich dann in den folgenden Jahren wie die Karnickel, weil der Populationsdruck weg ist. Dann gibt es einen großen Individuen-"Peak" ein paar Saisons später, nicht selten mit mehr Tieren als vor Tötungsaktionen Damit haben viele Länder und Gemeinden in den letzten Jahrzehnten Erfahrungen gemacht und jeder der ein wenig Ahnung von Populationsökologie hat, hätte es auch vorher wissen können. Nichts desto trotz werden immer noch Hunde (und Katzen) in großangelegten Aktionen umgebracht, vermutlich damit Verantwortliche demonstrieren können "Wir machen was, wir kümmern uns." Bringen tut es nichts. Das einzige was langfristig hilft: Kastrationen von Streunern und Privattieren und verantwortlicher Umgang mit den Tieren, also keine unüberlegten Anschaffungen süßer Welpen, keine einfache Entsorgung durch Aussetzen, wenn der Hund mal nicht mehr so funktioniert und IMO saubere Straßen (kein Müll der als Futter dienen kann) und kein Füttern.
                            Und das hat nichts damit zu tun, dass einem Hunde wichtiger sind als Menschenleben, sondern das ist der Weg von dem langfristig beide profitieren.
                            Meine beiden Hunde habe ich aus Rumänien und aus Portugal. Der Import von Hunden aus dem Ausland hilft kein bisschen die dortige Problematik zu lösen, aber ich habe damit wenigsten jeweils Organisationen unterstützt, die ihr Hauptaugenmerk auf Kastrationen im Herkunftsland legen.
                            "I pity snails and all that carry their homes on their backs." Frodo Baggins

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                              • 18.08.2006
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                              AW: Die Donau entlang

                              Was würdest du den Rumänen empfehlen? Allein in Bukarest gibt es 65000 Straßenhunde. Wer soll die alle einfangen und kastrieren? Wie lange soll das dauern? Und was wird es kosten?

                              Vielleicht haben die, die das machen (von der EU hoch gefördert) eine Chance, wenn sich die schlichte Anzahl verringert?

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                              • Abt
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                                AW: Die Donau entlang

                                Pardon, ich will hier weder einen Hundetread draus machen noch den Faden zerquatschen.
                                Aber das Problem der Straßenköter betrifft hier, wie ich es herausgelesen habe, zu allererst für Rumänien zu.
                                Ich habe das Thema, soweit es die Begegnung mit Hütehunden betraf, bisher etwas überzogen und absurd gefunden.
                                Denn mich hat nie einer davon ernsthaft attakiert und gebissen. Das schiebe ich mal auf gewisse Verhaltensregeln.

                                Aus Enjas Bericht geht hervor, dass Touris regelrecht von den Kötern angefallen werden und die Besitzer dann auch noch im Hintergrund dabeistehen und das billigend in zur Kenntnis nehmen.
                                Zum anderen sind die völlig herrenlosen Hundemeuten, die als Landplage umherziehen.
                                Zumindest in der beschriebenen Ortschaft hat man es ja erkannt und in den Griff bekommen.

                                Dass man im fernen Westeuropa keine Ahnung von den Problemen des Ostens hat, daran können auch Blitzbesuche einiger Minister nichts abändern, die dann mit Hubschraubern das Land überfliegen, um sich einen Überblick zu verschaffen...

                                Sonst würde man wohl auch das riesige soziale Konfliktpotential bemerken, das da bei uns heranreift, wenn man per soundsovielten einfach die Barrieren öffnet und der Nichtadel (wegen der fehlenden Sozialstruktur) aus diesen Ländern hier einfließen kann.
                                Bitte nicht falsch bewerten. Ich bin kein Rassist.

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                                  #76
                                  AW: Die Donau entlang

                                  Ich erinnere mich noch gut an unsere EU-Erfahrungen im letzten Jahr in Nordspanien. Die riesigen Latifundien. Daneben die verfallenen Dörfer. "Die EU macht einige steinreich und alle anderen arm."

                                  Vielleicht ist das in Rumänien in dieser Gegend die nächste Phase. Die neuen Riesen-Felder sind natürlich umzäunt und bewacht. Da ist kein Raum mehr für die Landlosen, um ihren bescheidenen Bedarf einzusammeln. Man könnte noch die Nussbäume am Straßenrand fällen. Und irgendwann wandern all die Pferde-Wägelchen-Kutschierer aus, weil sie keine Existenzgrundlage mehr haben. Und die, die ihre Äcker profitabel verkauft haben, gleich mit. Dann verfallen dort die Dörfer auch. Heute bersten sie noch vor Leben aus allen Knopflöchern.

                                  Die Faszination Rumänien hängt vielleicht auch an all diesen Gegensätzen und Widersprüchlichkeiten. Ich habe neulich gerade einen Film gesehen, wo es auf einmal auf ein rumänisches Ortsschild zuging. Ich hatte beinahe Tränen in den Augen. Ich muss dort unbedingt wieder hin. Obwohl ich am Ende froh war, dort wegzukommen.

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                                  • Baciu
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                                    • 18.07.2013
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                                    #77
                                    AW: Die Donau entlang

                                    Zitat von Enja Beitrag anzeigen
                                    Ich muss dort unbedingt wieder hin. Obwohl ich am Ende froh war, dort wegzukommen.
                                    Na da gehts nicht nur mir so Hatte manchmal auch dermaßen die Schnauze voll nach ner Tour aber irgendwie ziehts einen doch wieder hin

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                                    • Enja
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                                      • 18.08.2006
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                                      #78
                                      AW: Die Donau entlang

                                      20.9.2013

                                      In Anbetracht der ungemütlichen Umstände beschließen wir, anderswo Strandurlaub zu machen. Vielleicht bietet sich auf dem Weg Richtung Delta noch eine Gelegenheit. Wir winken noch den Engländern zu, wie sie ihre Kartons zum Taxi schleppen und brechen dann auf.

                                      Wir folgen der Landzunge bis zum Ende. Dort geht es über eine Brücke ins zugehörige Industriegebiet. Praktischerweise liegt es so, dass man es überall vom Strand aus vor Augen hat. Die Straße führt landseitig an der Bahnlinie entlang dran vorbei und schließlich um eine weitere Lagune herum weg vom Meer nach Corbu. Sobald wir nicht mehr im Schutz der Bebauung sind, steht uns der Wind massiv entgegen. Die lange Straße durch Cerbu liegt genau in Windrichtung. Der Ort gibt uns also kaum Deckung.

                                      Trotzdem wird es mit Erreichen des freien Feldes noch einmal schlimmer. Mit maximal 11 km/h quälen wir uns vorwärts, indem wir quasi alles geben. Die Straße führt gerade aus durch riesige Felder. Ab und zu braust ein Auto vorbei. Und von vorne kommen riesige Schweinetransporter, die einem regelrecht den Atem nehmen, wenn sie mit ihrer Wolke von Diesel und Schweinejauche vorbeifahren. Heute ist wohl Schlachttag.

                                      Auf Sacele zu geht es bergab. Nanu. Wir waren doch auf Meereshöhe gestartet? Wir sehen uns um. Tatsächlich sehen wir Constanta in der Ferne unter uns liegen. Es hat uns also nicht nur der Wind gebremst, sondern auch eine lange Steigung. Hinter Sacele geht es noch einmal über einen Hügel. Dann sehen wir den Lacul Nuntasi vor uns liegen. Wir fahren abwärts drauf zu und an seinem Ufer entlang. Dort ist in unserer Karte eine Premium-Übernachtungsmöglichkeit eingezeichnet. Die gibt es offensichtlich auch nicht oder nicht mehr.

                                      Am Ende des Sees zweigt die Zuwegung zu einer archäologischen Stätte ab. Und dahinter liegt ein Kloster. Die Kirche ist noch im Bau. Wir biegen in den Klosterhof ein, um uns ein bißchen aus dem Wind zu bringen und eine kurze Pause einzulegen. Wir werden sehr freundlich empfangen. Die Mönche und ihre Bauarbeiter möchten uns gerne zum Mittagessen einladen. Da wir noch weiter möchten, lehnen wir ab und werden daraufhin mit Kaffee und Obst bewirtet. Auch dieses Kloster ist sehr neu.

                                      Und wieder geht es bergauf, über einen Hügel, und bergab ins nächste Dorf. Auf den weiten Hügeln wird jetzt gepflügt. Die Ernte ist vorbei. Traktoren jeden Baujahrs sind an der Arbeit und ziehen riesige Staubfahnen hinter sich her.

                                      In Sinoie biegen wir nach Westen ab. Das ändert die Perspektive, was wir begrüßen. Aber der Wind steht uns nun direkt entgegen, so dass wir noch einmal langsamer werden. Jeder Meter will erkämpft werden. Ich zähle jeden Allee-Baum, an dem ich mich vorbeigekämpft habe. Landeinwärts bedeutet natürlich auch: bergauf. In Mihai Viteazu erreichen wir die Hauptstrecke Constanta-Tulcea. Auf direktem Weg sind das gerade mal 100 km. Die Straße ist gut und der dichte Verkehr sehr schnell. Wir auch. Es geht rasant abwärts nach Baia. Geradeaus setzt die Straße an, die nächsten bewaldeten Berge zu erklimmen und wir biegen wieder Richtung Küste ab.

                                      Bei Ceamurlia de Jos erreichen wir das Seengeflecht im Süden des Donau-Deltas. Den Razim-See. Wir sind jetzt am Rand des Biosphärenreservats Donau-Delta unterwegs. Jetzt in Richtung Osten wird das Vorwärtskommen deutlich einfacher. Und so erreichen wir Jurilovca. Mit kyrillischem Ortsschild und eindeutig russischen Häuschen. Ein hübsches Örtchen. Und ganz anders als die, die wir bislang durchfahren haben. Von hier aus soll man per Boot einen Campingplatz am Meer erreichen können. Wir stellen uns vor, dass wir dort vielleicht unseren Strandurlaub verbringen könnten.

                                      In der Mitte von Jurilovca gibt es noch etwas: eine Touri-Info. So etwas haben wir seit Ruse nicht mehr gesehen. Dort versichert man uns, dass man von Gura Portitei nichts weiß. Aber man hat Ahnungen. Wir sollen doch mal am Hafen fragen. Gesagt, getan. Im Hafen liegen viele Boote. Und die Rezeption des Feriendorfes. Einen Campingplatz gibt es allerdings nicht. Man muss 20 € für den Bootstransfer bezahlen. Und dann 20 € pro Nacht für eine Holzhütte am Meer. Wir grübeln. Für eine Nacht lohnt sich das nicht. Aber zwei? Und falls es uns dort nicht gefällt? Sechs polnische Studenten auf Backpacking-Tour treffen ein. Denen ist das zu teuer. Sie drehen um, um in der Kirche zu fragen, wo sie schlafen können.

                                      Der Hafenmeister/Portier von Gura Portitei ist Russe. Mit undurchsichtiger Sonnenbrille. Fleißigem "Njet". Er scheint uns vom geplanten Abenteuer regelrecht abzuraten. Wir drehen erst einmal um. Wir kaufen im Dorf Proviant ein. Und treffen die völlig erschöpften Dresdner. Ihnen ist das zu teuer. Wir empfehlen ihnen, sich den polnischen Studenten anzuschließen. Man hat ihnen gezeigt, wo sie campen dürfen.

                                      Wir entschließen uns nun doch zu Feriendorf und Bootstour. Allerdings vergeblich. Das letzte Boot ist schon abgefahren. Dass es einen Fahrplan gibt, hatte man vergessen, uns mitzuteilen. Wir suchen uns ein Hotel. Es gibt mehrere im Ort. Wir sind anscheinend die einzigen Gäste, so dass wir unsere Räder in der Hotelhalle parken dürfen und den Schlüssel dafür erhalten.

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                                      • Chouchen
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                                        Liebt das Forum
                                        • 07.04.2008
                                        • 20009
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                                        #79
                                        AW: Die Donau entlang

                                        Zitat von Enja Beitrag anzeigen
                                        Was würdest du den Rumänen empfehlen? Allein in Bukarest gibt es 65000 Straßenhunde. Wer soll die alle einfangen und kastrieren? Wie lange soll das dauern? Und was wird es kosten?

                                        Vielleicht haben die, die das machen (von der EU hoch gefördert) eine Chance, wenn sich die schlichte Anzahl verringert?
                                        OT: Ich würde den Rumänen (und jeder Stadt, jedem Land, das davon betroffen ist) empfehlen, sich sachkundige Unterstützung von Biologen, bzw. Ökologen, event. Tierärzten etc. zu holen. Weder (Lokal)-Politiker, die kurzfristig möglichst viele Stimmen klar machen wollen, noch einzelne Tierschützer, die nur das dahinvegetierende Individuum und darüber hinaus nichts sehen, können die Probleme langfristig in den Griff bekommen.
                                        Die Tötungen und allgemein das Hundefängerwesen gibt es übrigens auch nicht umsonst, sondern da fließt richtig viel Geld und da gibt es mafiöse Strukturen. Noch ein möglicher Ansatzpunkt...


                                        Zu den Veränderungen in der Landwirtschaft und im ländlichen Leben die Du zwei Posts vorher beschrieben hat, kann ich den Film "We feed the world" sehr empfehlen. Unter anderem wird die Situation in Spanien und auch in Rumänien (Stichwort "Monsanto") gezeigt. Was ich das Faszinierende an diesem Film finde: Es gibt keinen moralisierenden Kommentar aus dem Off, sondern die Bilder und die Akteuere sprechen für sich. Und das sehr eindringlich.
                                        "I pity snails and all that carry their homes on their backs." Frodo Baggins

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                                        • Enja
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                                          • 18.08.2006
                                          • 4751
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                                          #80
                                          AW: Die Donau entlang

                                          Meine Kenntnisse zum Thema "Hunde in Rumänien" stützen sich ausschließlich auf meine Reiseerlebnisse, das, was man mir in Rumänien erzählt hat und Internetrecherche. Das ist sicher nicht umfassend. Es hieß allerdings, dass ziemlich viel Geld in Sachen Hunde-Kastration in Bukarest ausgegeben wird. In der eher ländlichen Gegend, in der ich unterwegs war, kann ich mir das nicht vorstellen.

                                          Äußerungen à la "das ist doch in der Ecke überall so" kann ich nicht bestätigen. In den umliegenden Ländern war es definitiv nicht auch so.

                                          Nach meinem Eindruck ist in Rumänien "herrenlos" nicht so richtig definiert. Die Hunde gehören wohl irgendwo hin und irgendwem. Das heißt aber nichts. Manche werden gefüttert. Viele nicht. Medizinisch versorgt werden sie wohl eher nicht. All diese Hunde, die einen schwanzwedelnd umgeben, sobald man anhält, sitzen hackevoll mit Parasiten jeder Art. Sind größtenteils völlig abgemagert. Die Hündinnen werfen unablässig. Weshalb sie noch ausgezehrter aussehen. Besonders alt werden die Hunde nicht. Die Straße ist praktisch von toten Hunden gesäumt.

                                          Vielleicht leben sie auf ihre Art sogar artgerechter als die Hunde, die ich hier so kenne.....

                                          Aber unhaltbar ist es trotzdem.

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