Tourentyp | |
Lat | |
Lon | |
Mitreisende | |
Hier sollte eine GPX-Karte erscheinen! Wenn diese nicht nach wenigen Sekunden nachgeladen wird bitte die Seite aktualisieren.
- Teil I: Tourbeschreibung (november)
- Teil II: Am trägen Fluss (Pfad-Finder)

__________________________________________________________________
Teil I: Tourbeschreibung

Eine Paddelstrecke haben wir gesucht, in Polen sollte es sein, ohne Grundberührungen und Baumhindernisse (das Boot ist schon recht altersschwach), möglichst ohne Umtragestellen, am besten mit der Bahn zu erreichen und – man glaubt es kaum – so richtig schöne Landschaft wollten wir auch noch haben.
Nach ein wenig Recherche blieb da eigentlich nur noch der untere Teil des Notec / Netze und die Warta / Warthe übrig.
Oberhalb von Krzyż ist der Notec für die Schifffahrt kanalisiert und mit zahleichen Schleusen versehen. Ab Krzyż jedoch haben Paddler freie Fahrt durch eine hauptsächlich von Landwirtschaft geprägte Gegend. Sobald das Hochwasser seinen jährlichen Rückzug angetreten hat, wird sicher jedes der wenigen vorbeikommenden Boote von zahlreichen neugierigen Kuhaugen begutachtet.
Nachdem man viele Kilometer lang durch eine beschauliche Landschaft dahin gepaddelt ist, ist der Netzebruch eine willkommene Abwechslung und ein Höhepunkt dieser Tour. In den Überschwemmungsflächen rechts und links des Flusses brüten jedes Frühjahr Unmengen von Wasservögeln. Wenn das Wetter stimmt, kann man das Paddeln auch ganz einstellen, sich einfach nur durch diese Wasserlandschaft treiben lassen und dabei die Vogelwelt ringsherum beobachten. Von Stille kann allerdings keine Rede sein; dieses Viehzeug kann ganz schön Lärm machen.

Bei Santok mündet der Notec in die Warta und von einem Moment zum anderen fährt man anstatt auf einem noch relativ beschaulichen Flüßchen auf einem großen Strom. Etwas respekteinflößend war die Warta schon, aber nach ein paar Paddelminuten haben wir uns an die neue Situation gewöhnt.
Wie auch schon am Notec stehen die Deiche meistens weit vom Ufer ab, sodass ein freier Blick auf die Umgebung möglich ist. Und wie auch dort ziehen ab und zu ein paar Dörfer am Ufer vorbei. Auf einer überhaupt sehr ruhigen Strecke stören lediglich die zwischen Santok und Gorzow Wielkopolski direkt am Ufer verlaufende Straße und Bahnstrecke ein wenig.

Auf den letzten Kilometern kommt man durch den Nationalpark Wartheniederung. Besonders eindrucksvoll ist er ganz sicher zum jährlichen Frühjahrshochwasser; wenn es noch so hoch steht, dass man durch eine riesige Wasserfläche fährt. Bei abklingendem Hochwasser wie in diesem Jahr Ende April wirkt der Fluss doch recht kanalisiert und auch die Vogelwelt lässt sich längst nicht so gut beobachten wie im kleineren Netzebruch, da sich die Tiere doch weitab vom Hauptstrom aufhalten.
Den besten Eindruck gewinnt man ohnehin nicht vom tiefliegenden Boot aus, sondern beim Blick vom Deich während einer Fahrradtour.

Die 122 km von Krzyż bis Kostrzyn sind wir inklusive An- und Abreise in vier Tagen gepaddelt. Wir haben uns dafür aber sehr viel Zeit gelassen. Sie ist auch locker in drei Tagen zu schaffen – vorausgesetzt, der Wind spielt mit. Er hat hier viel mehr Einfluss als die recht geringe Strömung. Bei Westwind hat man insbesondere auf dem letzten Stück der Warta heftig zu kämpfen.
Insgesamt eine wirklich zu empfehlende Paddeltour, sozusagen: Wasserwandern für Kilometerfresser.


___________________________________________________________________
Teil II: Am trägen Fluss
- Auf Netze und Warthe von Krzyz nach Küstrin -
Nach Tatsachen erzählt von Pfad-Finder

Prolog I

Eine halbe Stunde später war das Bootsgerippe aufgebaut. Herr Pfad-Finder nahm seine Schrankwand und versuchte, sie durch die Lücke zu quetschen, die Frau November ihm bedeutet hatte. Nein, sie passte wirklich nicht. Keine Chance. Und es war nur ein schwacher Trost, dass Frau November ihm auftrug, später den großen grünen Seesack mit Bootshaut und Spanten zu tragen.
Prolog II

Nun mussten sie nur noch unter Druck zusammengeklickt werden. Unter viel Druck, um genau zu sein. Und um ganz genau zu sein: Unter mehr Druck, als die mürben Schrauben im rund ein Vierteljahrhundert alten Holz aushielten. Das hässliche Geräusch splitternden Holzes durchbrach die Stille über dem See: Einer der Klapp-Steckverbinder hatte sich aus seiner Position verabschiedet.
Frau November wurde blass und schluckte. Nicht einmal auf Herrn Pfad-Finder konnte sie schimpfen, denn den verhängnisvollen letzten Griff hatte sie selbst getan. 21 Jahre nach dem Untergang der DDR waren die beiden Opfer der sozialistischen Mangelwirtschaft geworden: Rostfreie Stahlschrauben gab es zu wenig, also hatten findige Köpfe Aluminiumschrauben verwendet. Diese waren im Laufe der Jahre morsch geworden, und dort, wo sie nicht selbst brachen, zeigten sie jetzt große Neigung, ihr hölzernes Gefängnis zu verlassen. Es war nichts unwiederbringlich zerstört - nur eben so, dass es ohne Bohrmaschine und neue Schrauben nicht zu reparieren war.
Auf großer Fahrt im kleinen Zug
Am Karfreitag brachen Frau November und Herr Pfad-Finder in aller Frühe auf. Ihre wenigen Habseligkeiten brachten sie auf dem Bootswagen und ihren Rücken unter, während die Hände den Bootswagen in der Spur hielten. "Könnt Ihr uns sagen, wie wir zur Kingsize Bar kommen?", fragte ein Pärchen mit deutlich angeschlagener Zungenmotorik. Nein, Herr Pfad-Finder und Frau November wussten nicht einmal, dass es überhaupt eine Kingsize Bar gibt. "N'schönen Abend noch", wünschten das Pärchen den beiden. Nicht ohne Grund spricht man von Berlin als "the city that never sleeps".
Mit der S-Bahn fuhren Frau November und Herr Pfad-Finder nach Berlin-Lichtenberg. "Bitte achten Sie auf die Höhe der ...", mahnte Frau November vor dem Einsteigen noch, doch bevor sie "...Höhe der Rückenladung" sagen konnte, hatte Herr Pfad-Finder die weit aus dem Seesack herausragenden Paddel gegen die Wagendecke gestoßen.

Im Bahnhof mit dem Namen Kah-Err-Zett-Ypsilon-Zett mit Punkt oder kurz "Kschisch" stiegen sie aus. Sie kauften noch ein wenig Lebensmittel, die Frau November liebevoll im Seesack auf dem Rücken von Herrn Pfad-Finder deponierte. Als da waren: Ein 5-Liter-Kanister mit Wasser, Äpfel und Plätzchen. Und für Herrn Pfad-Finder natürlich noch eine Packung Kekse.
Dann machten sie sich auf den Weg zum Ufer der Netze (Notec). Das heißt - eigentlich wollten sie zur Drawa, doch durch einen klitzekleinen Navigationsfehler von Herrn Pfad-Finder gerieten sie auf die Straße zur Netze. Zu spät bemerkten sie den Irrtum. Ein freundlicher Eingeborener half ihnen aber weiter: Ja, sie könnten ihr Boot auch an der Netze-Schleuse Krzyż einsetzen - seine Schwester wohne dort.

Gerne hätte Herr Pfad-Finder einen echten Stapellauf inszeniert, doch das steinige Ufer und der sensible Faltboot-Boden ließen das wenig ratsam erscheinen. So legten beide Frau Pilsudski vorsichtig ins Wasser. Sie schwamm! Und es waren auch keine Wassereinbrüche zu entdecken. Langsam, Schritt für Schritt, bestiegen sie das Boot. Es hielt immer noch.
Volle Fahrt voraus


So glitten sie von Stunde zu Stunde eleganter durch das grüne Wasser,






Technische Daten: 30,9 km in 7 Stunden brutto.

Schnell bauten sie das Zelt ab und machten ihr Boot startklar.










Dann ging es weiter, aber nicht weit: Beim Blick auf die Landkarte und den polnischen Wasserwanderatlas hatten Frau November und Herr Pfad-Finder festgestellt, dass nur noch wenige Kilometer Strecke verblieben, bevor das Zelten am Flussufer durch Überschwemmungsflächen oder Anlandeverbote unmöglich wurde. Ein angeblicher Biwakplatz erwies sich als unbrauchbar, da von der Straße verlärmt. Zudem ließen die Spuren ahnen, dass hier regelmäßig Angler mit ihren Autos vorbeikamen.
So blieb als Alternative eine Stelle auf dem anderen Ufer einige hundert Meter flussaufwärts, die Herr Pfad-Finder bei der Vorbeifahrt ausgemacht hatte. Doch der Versuch, gegen die Strömung und den gerade jetzt auffrischenden Wind anzukämpfen, scheiterte. Nur im Schneckentempo kamen die beiden voran, während der Wind sämtliches Spritzwasser ins Bootsinnere wehte. Sie beschlossen aufzugeben und auf gut Glück eine Stelle schräg gegenüber anzulaufen, die zumindest nicht ganz nach Schwemmland aussah und auch nicht verschilft war.

Technische Daten: 26,5 km in 6 Stunden brutto

"Am Ostersonntag kommen keine Angler", sagte Frau November. "Ostern ist in Polen der höchste Feiertag." Herr Pfad-Finder war nicht überzeugt. "Wenn die Frau in Ruhe den polnischen Gänsebraten kochen will, schickt sie den Mann zum Angeln." "Na, das glaube ich aber nicht!" entgegnete Frau November. Herr Pfad-Finder ließ sich nicht entmutigen: "Im übrigen: 'Angeln ist Trennungssport.' Das sagt Rainald Grebe, und der weiß solche Sachen ganz genau."
In der letzten Dämmerung, als sie schon im warmen Zelt lagen, wurde Herr Pfad-Finder plötzlich angespannt. "Hörst Du das?" Frau November wusste nicht, wovon Herr Pfad-Finder sprach. "Na das Geräusch!" Hörte sie denn nicht das Wummern und Heulen, das Röcheln und Klackern, das Quietschen und Schaben? Ein leises Zittern ging durch seinen Körper. "Das ist ein Güterzug! Den muss ich fotografieren!" Frau November guckte entgeistert. "Dann mache ich auch ein Foto. Und zwar nicht vom Zug!" Herr Pfad-Finder stellte fest, dass nicht nur seine Füße unbekleidet waren, und gab auf. Frau November konnte manchmal aber auch wirklich gemein sein!
Ostern ist nicht alle Tage


Während sie noch frühstückten, erblickte Herr Pfad-Finder Angler, die sich ans Ufer begaben. Vom Zelt hielten sie aber respektvoll Abstand. Oder wollten sie bloß keinen langen Weg haben, wenn der Gänsebraten fertig war?






Im Hintergrund die Duschkabine. Ein alter polnischer Volksglaube besagt, dass auch ein Faraday‘scher Käfig vor den Blicken Fremder schützt.

Technische Daten: 43 km in 8 1/2 Stunden
Zurück in die Zivilisation


Ein wenig vom letzten Abschnitt enttäuscht landeten sie in Küstrin. Ausgerechnet die als Abbauplatz für Faltboote empfohlene Stelle war noch einmal richtig matschig. Herr Pfad-Finder verkündete, dass er seine Füße gerne noch einmal mit klarem Wasser beNETZEn würde, aber das könne man hier ja nicht erWARTHEn. Frau November machte ein Gesicht wie das Zahlendisplay der Wortspielkasse. Schweigend packte Herr Pfad-Finder die übriggebliebene Zwei-Liter-Flasche Wasser in seinen Seesack.
Mit reichlich zwei Minuten Reserve bis zur Abfahrt erreichten sie schließlich den Bahnhof Küstrin. Im Zug nach Berlin war ab Müncheberg intensives Aus-dem-Fenster-Gucken angesagt. Leute, die in der Bahn stehen müssen, sind wirklich kein schöner Anblick, flüsterte Herr Pfad-Finder Frau November zu. "Wenigstens belegt das Boot keine Sitzplätze!"
Technische Daten: 21,1 km in 5 1/2 Stunden
Kommentar