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Land: Deutschland
Reisezeit: 03.-07. August 2013
Region/Kontinent: Mitteleuropa
Fast wäre ich ja auch achtlos an ihm vorbeigelaufen. Die weiße Schrift auf der hellgoldenen Plakette war erst in letzter Sekunde zu lesen – und da blieb ich überrascht stehen und sah ihn mir genauer an. In diesem großen, irgendwie unpassend modernen „Oberstdorf Haus“ stand der in Bronze gegossene Kopf von Anderl Heckmair direkt am rechten Treppenaufgang, stoisch und still. Wie viele hier wohl zur Toilette vorbeieilten, ohne ihn zu registrieren? Mir jedenfalls war diese Begegnung doch etwas besonderes, denn die Pioniertaten von einst faszinieren mich noch heute – und Heckmairs berühmtes Zitat versuche ich in meinem allerdings arg bescheidenen Rahmen immer in Ehren zu halten: „Bei meinen bergsteigerischen Unternehmungen hatte ich allzeit den Grundsatz: Es kommt nicht auf die Leistung, sondern auf das Erlebnis an.“
Und so war es auch in diesem Urlaub. Ich war gerade frisch vom Berg herab und noch übervoll der Erlebnisse und Eindrücke, sonnenverbrannt und doch erschöpft. Ich hatte eine schöne Tour gemacht, die jedoch ein wenig von den Plänen, die ich hier ursprünglich geschmiedet hatte, abgewichen war. Trotzdem ein dickes „Danke!“ an die hilfreichen und wichtigen Kommentare und Hinweise!
Dabei sah es anfangs gar nicht so schön aus: Der Wetterbericht versprach in erster Linie Gewitter, so viel das Herz begehrt und wie so allgemein üblich um diese Jahreszeit. Da der Urlaub ursprünglich auch völlig anders Richtung Koblenz verplant war, sich im Juni aber alles änderte und leider nichts mehr umgelegt werden konnte, nahm ich diesen Nachteil in Kauf und zog trotzdem völlig größenwahnsinnig gen Oberstdorf: Ich konnte ja immer noch im Tal bleiben oder aufs Bolsterlanger Horn laufen – irgendwas harmloses war immer drin.

Und das Allgäu empfing mich nach 30 Jahren Abwesenheit gleich mit einem heftigen Gewitter! Als ich Samstag Abends an Sonthofen vorbeirollte, schwappte die dunkelblaue, milchige Suppe bereits dick und schwer aus dem Aubachtal herüber. Da die Campingplätze in Oberstdorf belegt waren, stellte ich mich vorerst vor den Wohnmobilstellplatz und wartete das schlimmste ab, bis ich nach der gefühlten Sintflut, dem Hagel und den Blitzen dann irgendwie rat- und orientierungslos durch das dunkle Örtchen einfach Richtung Fellhornbahn weiterfuhr und kurz hinter dem Ortsausgang einen schmalen, unbeschilderten Parkstreifen fand, wo schon andere Autos standen. Yeah, das war ja wie bestellt! Flugs parkte ich und richtete mich im Auto wohnlich ein, genoss das Gute-Nacht-Bier und verbrachte so neben einem Camping-Bulli mit jungem Pärchen die erste, kalte Nacht im Auto.
Tag 1
Um sechs Uhr klingelte der Wecker. Mistding! Ich krabbelte knurrend aus den Daunen und begann dann doch zu grinsen: Das Wetter war traumhaft schön. Ein klarer, kalter Morgen empfing mich, der Nebel stand auf den Weiden und die Feuchtigkeit begann, aufzusteigen.


Ich zog mich schnell um, schulterte den Rucksack und zog emsig los, erst einmal ins Örtchen rein, um Wasser zu tanken. Ich hatte einiges an Ausrüstung dabei, was sich im Nachhinein als überflüssig erwies, mir jedoch zur Sicherheit dienen sollte, so vor allem der Biwaksack, der Schlafsack und die Isomatte – falls mich doch ein Unwetter überraschte, wollte ich nicht bloß in Regenjacke nahezu schutzlos herumhocken und erfrieren.

Während ich durstig – ohne Wasser gefunden zu haben – die Trettach Richtung Spielmannsau entlang trottete, ging langsam die Sonne auf. Der Nebel hob sich, die Vögel zwitscherten, die Luft wurde wärmer und die Nässe begann, langsam zu schwinden. Ich staunte: So schön war das hier? Und ich hatte das all die Jahre ignoriert? Schäm dich!



In Spielmannsau tankte ich endlich Wasser, trank gleich gefühlte drei Liter, pausierte kurz und stapfte dann wild entschlossen den dschungelartigen, rutschigen Weg weiter. Mir kamen nun viele gebräunte Wanderer entgegen, sicherlich die ersten, die die Hütte verlassen hatten, um abzusteigen. Einige waren offenbar altgediente Veteranen: Helme baumelten hier und da am Rucksack, die technischen Stiefel traten sicher auf die Steine, die deutlich oft benutzten Stöcke klackten auf den Steinen und hinab ging es hurtigeren Schrittes als hinauf. Andere Aufsteiger traf ich auch, denen ging es dann zum Glück nicht anders als mir; wir schwitzten gemeinsam für die Absteiger mit.

Blick zurück aufs morgendliche Spielmannsau

Kleine Rast "Am Knie"

Junge Leute machen Spässkens überm Tobel
Der Tobel war nass. Überall spritzte Wasser herab, nässte die Steine und rauschte unter uns gen Tal. Eine rutschige Angelegenheit! Ich lud Wasser nach, frisch vom Fels, das schmeckte herrlich kühl und lecker. Dann hatte ich den Sperrbach auch schon hinter mir und vor mir eröffnete sich das breite, grüne Panorama des Talkessels, über mir thronte die Hütte, der Himmel war klar und blau, der schroffe Fels grau und zerklüftet – was will man mehr?


Gegen viertel nach elf erreichte ich dann völlig erschöpft die Kemptner Hütte, trank ein alkoholfreies Weizen und genoss das grandiose Rund des Panoramas. Mein Kopf schmerzte leicht, vermutlich eine Kombination aus zu wenig Flüssigkeit, viel zu wenig Schlaf im engen Auto und der Anstrengung in ungewohnter Höhe. Ich beschloss, auf der Hütte zu bleiben und den Mittag auf dem Oberen Mädelejoch zu verdösen, mit Blick auf den Krottenkopf, den ich später auch mal besteigen möchte. Größenwahnsinnig, wie ich gerne in den Planungen werde, wollte ich da ürsprünglich an diesem Vormittag noch mal so eben hoch ...

Für den Nachmittag war noch mehr Gewitter angesagt, hatte es in der Hütte geheißen. Ich legte mich daher faul ins warme Gras der Scharte und nickte sofort ein. Ein Grollen weckte mich und ich sprang auf: Der Ifen war schon nicht mehr zu sehen und die Wolken kamen erstaunlich schnell herüber. Ich packte eilig meinen Kram und stieg zur Hütte ab. Dort nahm ich Quartier, trank ein Bier und machte dann noch ein Nickerchen (es war also definitiv der Schlafmangel). Abends saß ich dann mit meinen netten beiden Lagernachbarn zusammen, die den E5 gingen, wie fast alle anderen hier auch.
- Kehren eigentlich auch andere in der Kemptner Hütte ein? fragte ich grinsend und die anderen lachten.
- Nö, wir haben eigentlich Glück, denn offenbar dürfen hier nur vorgebuchte und geführte E5-Gruppen rein, grinste Stefan und deutete auf eine völlig verschwitze, atemlose Gruppe diverser Familien, die gerade mit einem charmant-smarten, langhaarig-blonden Bergführer (der gerade erst warm geworden war) ihr grandioses Ankommen völlig erschöpft feierte. Wir lachten darüber und verbrachten einen lustigen Abend, bis es gegen halb zehn und diversen „letzten Bieren“ ins Lager ging.

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