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Im mit Betten vollgestopften Schlafsaal der Alpe Soliat waren wir die einzigen Gäste. Unausdenkbar, wäre hier gleichzeitig eine Schulklasse eingelagert worden ...
Beim Frühstück genießen wir das urige Ambiente der Alm: Offenes Feuer in der Küche, ein umgebauter Stall als Gastraum, viel altes Holz um einen herum, draußen quieken die Schweine.
Dann raus in den Regen. Für Mitte Juni ist es ziemlich kalt. Wegen meiner brennenden Fußsohlen laufe ich heute von Beginn an mit den Trekkingsandalen, in die ich noch ein paar Strümpfe zur Dämpfung lege. Vorerst klappt das ganz gut und das Laufen macht überwiegend Freude.
Erstmal gut 1 1/2 Stunden sanft hinab durch die Nadelwälder, wobei wir den Ort Motiers im oberen Areusetal ansteuern, um später die Schlucht Poeta Raisse mitzunehmen. Man könnte von der Alpe Soliat aus auch auf den Jurahochflächen bleiben, um zum Chasseron zu gelangen, aber wir bevorzugen bei der Routenwahl die Abwechslung. Unterhalb der Wälder geht's für ca. 1 Stunde vorwiegend durch Wiesen und an einigen Bauernhöfen vorbei in ein sich vertiefendes Tal hinab.
Am Ende des Tales bildet sich wie so oft im Jura eine felsige Schlucht aus. Der Bach hat viele, kleine Sinterterrassen und stürzt sich schließlich als "Feenwasserfall" eine große Felsstufe hinab.
Wir sind 3 Stunden stramm gewandert, Zeit für eine Kaffee- und Teepause.
Den Ort Motiers lassen wir rechterhand liegen und nehmen den Weg Richtung der Schlucht "Poeta Raisse", die zurück auf die hohen Jurakämme führt. Eine gute Entscheidung, denn der Weg durch diese Schlucht ist fabelhaft. Darüber hinaus auch ohne Eintritt und wider Erwarten menschenleer.
Anfangs überwiegt üppigstes Grün.
Dann geht's für längere Zeit, immer am Bach entlang, durch spannende Felsszenerien.
Oberhalb der Schlucht ein verwunschener Waldpfad, der uns auf eine weitläufige, ca. 1400 m hoch gelegene, vernebelte Wiesenlandschaft führt. Immer wieder Herden von Kühen, tief- zertrampelter Boden, Kuhfladen rechts und links des Pfades.
Pünktlich kurz vorm Ziel, dem Gipfel des Chasseron (1608 m), lichtet sich der Nebel.
Der Gipfel bildet nach Westen eine hohe Kalkklippe über der weiten Juralandschaft. Klasse hier oben. Sogar ziemlich spektakulär.
Nur wollen meine Füße jetzt echt nicht mehr weiter. Seit ca. 30 min brennen sie wie bescheuert. War wohl doch zu viel des Guten?
Zum Glück ist das Ziel erreicht, das Hotel Chasseron, dass unmittelbar unterhalb des Gipfels liegt. Ich humpele in die Gaststube, dann ins Lager, ziehe die Strümpfe aus und sehe vor lauter Blasen kaum noch meine Fußsohlen und Zehen. Scheiße! Recht klar, dass es mit unserer Tour nach Süden dieses mal nicht weitergehen kann.
Ein bisschen traurig sitzen Mischa und ich in der leeren Gaststube und schauen hinunter ins Schweizer Mittelland. Nix los hier, Vorsaison. Die Gastwirte bereiten uns aber ein sehr schmackhaftes Abendessen, bei dem wir die Aussicht genießen und bestaunen. Nach und nach kommt zwischen den Wolkenbänken die Alpenkette hinter dem Lac de Neuchatel zum Vorschein.
Dieser Blick wird unser Abendprogramm - statt des EM-Auftaktspiels Deutschland : Schottland. Kein TV und kein Wifi im Hotel. Die Wirtsleute haben spätabends das Hotel verlassen. Wir sind die einzigen Gäste und haben nur noch Zutritt zu einem Vorraum und zum Lager. Zwischendurch ergattern wir übers Handy ein paar Spielszenen. Immerhin werden wir so Zeuge des 1:0 und des 4:0.
Am nächsten Morgen bleibt uns nur der Weg hinab und die Heimfahrt. Nach ein paar Schritten abwärts hält der Freund der Wirtsleute, der diese hinaufgefahren hat, und fährt uns hinunter nach Sainte Croix. Großes Glück, denn ich konnte kaum laufen. Von dort mit dem Zug nach Yverdon (ein ausgesprochen hübsches Städtchen) und mit der Bahn heimwärts. Mit gemischten Gefühlen. Zwei große Wandertage haben mir wieder vor Augen geführt, dass es kaum etwas gibt, was mich auf so einfache und selbstverständliche Weise ins Hier und Jetzt führt, wie das Unterwegs sein zu Fuß, das beständige, tagesfüllende Schritt vor Schritt setzen auf einer Route in die Ferne.
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