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Ich auch - und bin mir nicht sicher, ob die nun eher verkappte Werbung oder tatsächliche Kritik ist... Mir gefallen die Fotos sehr gut, es ist halt Kunst und keine Reportagequalität, aber darum geht es ihm wohl auch nicht
Tja. Versuchter Rufmord oder ganz verdrehte Form der Eigenwerbung; ich weiß nicht recht, was von beidem ich schlimmer finde. In jedem Fall aber hat die Seite mein Interesse an zwei daraus womöglich resultierenden Diskussionen geweckt: 1. Wie steht es um den Wahrheitsanspruch in der Fotografie (insbes. die Frage, ob i.d. Hinsicht eine Trennung möglich ist, zw. künstlerischer und dokumentarischer Fotografie). Und 2. Wie läßt sich diese Webseite als Beispiel für ethische Entgleisung in die Netzkultur verorten?
In jedem Falle: Seltsam, seltsam und ein bißchen
Was die Frage Nummer 1 betrifft - da werden Vorlesungen drüber geschrieben und gehalten. Ziemlich nutzlos - denn in der Praxis interessiert das kaum jemand.
Ein Beispiel aus dieser Praxis: Nach der Einführung der digitalen Fotografie und der fortgeschrittenen Bearbeitungssoftware wie Photoshop, wurde von Experten erwartet, dass die Dokumentarfotografie einen totalen Glaubwürdigkeitsverlust erleiden würde. Als dieser dann nicht, oder doch bei weitem nicht in dem erwarteten Masse eintrat, war man etwas ratlos.
Es stellte sich dann heraus, dass der Mensch einfach in einem sehr hohen Mass seinem Gesichtsinn vertraut, also dem eigenen Sehen. Da kein anderes Bild-Verfahren aber dem Sehen (bzw dem, was man "Erinnerungsehen" nennen könnten) so nahe kommt, wie die Fotografie, vertrauen die Menschen weiterhin "ihren Augen", auch wenn sie um die inzwischen fast uneingeschränkten Manipulationsmöglichkeiten bei diesem Medium wissen.
Ein zweiter, fast noch interessanterer Grund ist der, dass "der Glaube an Fotografie" tatsächlich wohl auch auf ein christliches Glaubnenskonstrukt zurückgeht: Ab 544 stellte die Kirche Portraits von Jesus in den Raum, die "autographisch" entstanden sein sollten. "Acheiropoieton" wurden die genannt, das heisst so viel wie "nicht von Menschenhand gemacht". (Eine Entstehungslegende für diese Bilder ist die Veronika-Legende). Damit "warb" die Kirche als erste mit der Idee der Fotografie für ihre Sache. Denn wenn diese Bilder nicht von Menschen gemalt worden waren, dann mussten sie von Gott kommen, und deshalb mussten sie "wahr" sein. Das wurde dann auch der populärere Name dieser Bilder: Vera Ikon, svw "das wahre Bild" wurden sie vom Volk genannt. Diese Bilder wurden die Vorläufer und Vorbilder der "heiligen Ikonen".
Man könnte dazu noch viel schreiben, aber ich denke mal, das hier ist schon "zu viel" geworden - Entschuldigung, ist mein Spezialgebiet .
Andreas
"Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin, dass er tun kann, was er will, sondern darin, dass er nicht tun muss, was er nicht will." Jean-Jacques Rousseau
Ich habe gerade mal ein Bild in die Mangel genommen. Das JPG out of cam ist zwar halbwegs korrekt belichtet aber es sieht schlecht aus. Das nächste ist aus dem Raw entwickelt und spiegelt die Landschaft halbwegs so wieder, wie ich sie in Erinnerung hatte. Das letzte ist extremer bearbeitet (Ein Versuch das poppige Bunt von Adamus zu imitieren).
OT: Andreas, gibt's eine Möglichkeit, bei Dir in die Lehre zu gehen? Ich nähme auch ein Volontariat oder eine Assistentenstelle?!
OT: Leider nein - ich arbeite nicht mehr aktiv als Fotograf - 30 Jahre sind genug!
Aber: Wenn ich es in diesem Leben noch mal schaffen sollte, dieses Thema zwischen zwei Buchdeckel zu bekommen, dann schenk ich dir ein Exemplar - versprochen! (zur Zeit siehts wieder mal so aus als ob es endlich was werden könnte ... aber das dauert alles ...)
Andreas
"Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin, dass er tun kann, was er will, sondern darin, dass er nicht tun muss, was er nicht will." Jean-Jacques Rousseau
Wer weiß das schon... das in der Mitte hat meiner Wahrnehmung entsprochen, das erste der der Kamera (als jpg), das letzte gefiel mir während der Bearbeitung ganz gut, weil es irgendwie Aufmerksamkeit erregt (ungewöhnliche Farben), inzwischen ist aber "meine Realität" wieder mein Favorit.
OT: Leider nein - ich arbeite nicht mehr aktiv als Fotograf - 30 Jahre sind genug!
Aber: Wenn ich es in diesem Leben noch mal schaffen sollte, dieses Thema zwischen zwei Buchdeckel zu bekommen, dann schenk ich dir ein Exemplar - versprochen! (zur Zeit siehts wieder mal so aus als ob es endlich was werden könnte ... aber das dauert alles ...)
Andreas
OT: Sehr sehr schade. Aber vielleicht schafft es Dein Buch ja, mich darüber hinwegzutrösten - vielen Dank!
Ich kann übrigens auch bei einer Buchproduktion assistieren/lektorieren. Vielleicht ist ja da ein Job für mich drin?
AW: Marc Adamus und der Wahrheitsanspruch der Fotografie
Huiii...was passiert denn da auf der anderen Seite des Atlantiks. Ich will hier jetzt niemanden verteidigen, aber:
Mich regen diese Diskussionen um das "wahre" Foto auf!!!
Ist Fotografie nicht schon beim Auslösen Manipulation?
Schließlich beeinflusse ich das Bild doch schon mit der Wahl des Films (bzw. Sensor/Speicherformat/interne Verarbeitung), des Objektives, des Ausschnitts, der Belichtungszeit und der Blende. Kann ich da überhaupt noch den Anspruch an Wahrheit haben?
Was ist Wahrheit überhaupt! Wenn ich davon ausgehe, dass das was ich sehe die Wahrheit ist, dann ist das falsch, denn es ist meine subjektive Wahrnehmung. Eine andere Person nimmt diesen Augenblick mit großer Sicherheit ganz anders wahr. Kann Fotografie überhaupt der Wahrnehmung aller und somit der Wahrheit gerecht werden?
Wenn ich (ich bin weiß Gott nur ein kleiner Hobbyfotograf) draußen in der Natur bin, dann versuche ich den Moment mit der Kamera festzuhalten. Aber nicht nur das was ich sehe, sondern auch das was ich fühle, denke, höre – quasi alle Sinneseindrücke möchte ich festhalten. Dies ist natürlich ein hoher Anspruch, aber wenn beim späteren Betrachten des Bildes ein ähnlicher Sinneszustand in mir eintritt, dann ist es für mich ein gutes Foto. Sollten andere Menschen beim Betrachten dieses Fotos ähnlich fühlen, dann ist es für mich sogar ein sehr gutes Foto und ich habe mein Ziel als Fotograf erreicht – ich habe den Moment konserviert – für mich und andere Menschen. Solch ein Foto entspricht für mich dann der Realität. Es ist aber der Moment, den das Foto real zeigt – nicht nur das Gesehene.
Welche Hilfsmittel sind denn nun erlaubt, den Moment festzuhalten? Diese Frage sollte meiner Meinung nach jeder Fotograf für sich selbst beantworten. Andere Fotografen sollten dies aber dann auch akzeptieren.
Ich selber versuche das Foto direkt vor Ort entstehen zu lassen. Das bedeutet, dass ich vor Ort mit Filtern und dem „richtigen“ Objektiv arbeite, um die jeweilige Lichtsituation zu meistern. Dies sind in der Regel Polfilter, Graufilter und Grauverlauffilter. Farbfilter, wie zum Beispiel den Orangefilter, setze ich nur bei der Schwarzweiß-Fotografie auf Film ein.
Zuhause habe ich dann eine Rohdatei eines fast fertigen Bildes, das in Lightroom entwickelt wird. Welche „Schieberegler“ ich dann dafür einsetze, hängt stark vom jeweiligen Foto ab.
Was ist am heimischen Rechner erlaubt. Ich finde (siehe Hilfsmittel), dass darüber nicht gestritten werden sollte. Fotografie ist in den meisten Fällen eine Kunstform. Warum sollte man daher einem Künstler vorschreiben, welche Möglichkeiten er nutzen darf und welche nicht. Ich bin z.B. kein Freund von Entfernen von Bildgegenständen – aber haben das Maler früherer Epochen nicht auch schon gemacht?
Am Ende entscheidet doch der Kunde, ob er ein Foto kauft oder nicht. Wenn ein Marc Adamus mit seinen doch mitunter sehr farbenprächtigen Aufnahmen, Kunden findet, warum nicht?
Auch ich persönlich mag surreal wirkende Aufnahmen, insbesondere die oft als kitschig verschrienen Langzeitbelichtungen am Meer. Im Gegensatz dazu mag ich aber auch dokumentarische Aufnahmen, die z.B. Momente einer Skitour zeigen.
Betrachte ich die Besucherzahlen und Kommentare meiner Fotos bei Flickr, so muss ich feststellen, dass surreal wirkende Fotos weitaus besser bei den Besuchern ankommen als dokumentarische Fotos. Hätte ich nun also das Bedürfnis, meine Fotos zu verkaufen, würde ich wohl eher die surreal und spektakulär wirkenden Fotos bevorzugt schießen. So macht es ein Marc Adamus auch. Ich sehe mir seine Fotos gerne an und bin von manchen durchaus begeistert. Ob ich sie ewig betrachten möchte/kann, ist die Frage, aber das steht hier nicht zur Diskussion.
Eine Frage stellt sich mir immer wieder. Wurde früher, als es nur Schwarzweißfotografie gab, auch so erregt über den Wahrheitsanspruch der Fotografie diskutiert. Zeigen die SW-Fotografien eines Ansel Adams oder eines Vittorio Sella mit ihren starken Kontrasten die Wahrheit, obwohl unsere Welt doch eigentlich bunt ist? Ja, denn sie zeigen den Moment wie ihn der Fotograf wahrgenommen hat.
Abschließend möchte ich noch ein Zitat von Ansel Adams bringen, dass sich jeder vor Augen halten sollte, der mal wieder über den Stil und die Arbeiten eines Fotografen meckert.
“We don`t make a photograph just with a camera; we bring to the act of photography all the books we have read, the movies we have seen, the music we have heard, the people we have loved.”
Ansel Adams
Und noch zwei Aufnahmen: Eine "kitschige" Langzeitbelichtung mit warmen Farben und eine SW-Aufnahme. Die erstere kam sehr gut bei den Flickr-Usern an. Die meisten Kommentare waren allerdings sinnfrei. Die zweite SW-Aunahme, bekam von User "igitursum" den Kommentar: I feel like this really captures the emotion and feeling of climbing a slope like that one. Well done. - durch diesen Kommentar bin ich meinem Anspruch doch schon sehr nahe gekommen
AW: Marc Adamus und der Wahrheitsanspruch der Fotografie
Achtung jetzt kommt ein absoluter Laie.
Kann es sein, daß die Art der Gestaltung der Bilder von Marc ... gerade auch irgendwie modern ist? Die Bilder erinnern mich irgendwie an die Motive die es bei Ikea zu kaufen gibt (das soll keine Beleidigung sein, nur wie ich das als Laie so sehe).
Und wenn man als Fotograph von seine Arbeit leben will, muß man vielleicht einfach auch der Nachfrage gerecht werden?
Froh schlägt das Herz im Reisekittel,
vorausgesetzt man hat die Mittel.
AW: Marc Adamus und der Wahrheitsanspruch der Fotografie
Natürlich verkaufen sich schön gemachte Bilder besser.
Wenn man aus einem eher monotonen Grau einen dramatischen Himmel machen kann- in ein paar Sekunden- was solls.
Ich würde bei den heutigen Möglichkeiten gar keine Filter mehr benutzen.
Beispiel:
ein paar Sekunden Bearbeitung nur... um das perfekt zu modellieren - unten etwas heller machen, Farbkorrektur u.s.w. dauert natürlich länger...
AW: Marc Adamus und der Wahrheitsanspruch der Fotografie
Ich denke mal Fotografen hatten schon immer die Möglichkeit ihre Bilder so zu verändern (jeder Farbvergrößerer hat Farbfilter etc.), der Unterschied ist, dass das inzwischen auch für Amateure möglich ist und deshalb mehr Verbreitung findet. Früher hatte man halt nur einen Fabrfilm und dann das Labor, auf dessen Resultate man angewiesen war...
@Roene: Mir gefallen beide Bilder ausgesprochen gut. Das erste würde ich mir allerdings eher an die Wand hängen, da es künsterlisch ist, das zweite versetzt mich eher in die Situation.
Worauf es ankommt ist in meinen Augen Ehrlichkeit. Wenn ich dokumentarisch fotografiere, dann versuche ich eine nüchterne Darstellung zu gewährleisten, wenn ich künstlerisch fotografiere, dann eine emotionale dann lege ich Wert darauf auch die Stimmung durch eine entsprechende EBV rüber zu bringen.
AW: Marc Adamus und der Wahrheitsanspruch der Fotografie
@Roene: Mir gefallen beide Bilder ausgesprochen gut. Das erste würde ich mir allerdings eher an die Wand hängen, da es künsterlisch ist, das zweite versetzt mich eher in die Situation.
Bei mir wäre es gerade andersrum
Froh schlägt das Herz im Reisekittel,
vorausgesetzt man hat die Mittel.
AW: Marc Adamus und der Wahrheitsanspruch der Fotografie
Hier kommt noch ein Laie. Meine Frage passt vielleicht nicht ganz zum Wahrheitsanspruch, aber wie gehen ambitionierte Laien ans Bild ran? Haben die bei der Motivauswahl und Bildgestaltung ihre "Wahrheit" im Kopf oder, wenn meist auch unbewusst, den im Augenblick aktuellen Trend, oder die "Wahrheit" des Vorbilds?
Werner
Zuletzt geändert von Werner Hohn; 22.03.2009, 15:24.
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