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Land: Tadschikistan
Reisezeit: Juli/August 2015
Dauer: 5 Wochen
Geplant war eigentlich, dass ich in diesem Sommer wieder in Alaska als Guide arbeite, aber die Behörden haben kurzfristig irgendwelche Regeln geändert, so dass es mir leider unmöglich war, das entsprechende Visum zu bekommen. Es musste also schnell irgendein Alternativplan her. In Zentralasien war ich zuletzt 2011, danach waren meine Sommer mit dem Job in Alaska verplant. Also entschieden Sofia und ich kurzfristig, ein paar Länder im westlichen Himalaya zu bereisen. Los ging es mit Tadschikistan.

Auf einem vergletscherten Pass im Tajik National Park

Zarojkul

Wenn man nicht gerade auf dem Eis steht, laufen überall Yaks herum.

Karge Berglandschaft im Süden des Landes, an der Grenze zu Afghanistan.

Grenzübergang nach Kirgistan.
Die Idee
Ich war noch nie im Pamir-Gebirge, aber was ich so über Google Earth zu sehen bekam, machte einen vielversprechenden Eindruck. Ich beschäftigte mich für einige Stunden mit der Geografie des Gebirges und suchte mir eine Gegend aus, die mir am interessanten erschien, nämlich den Tajik National Park. Schnell bastelte ich eine Route zusammen, die meiner Einschätzung nach auch im gemäßigten Tempo gut in etwa 15 Tagen machbar sein sollte und dabei nicht allzu viele technische Schwierigkeiten bot. Da diese Tour größtenteils über Pässe und Täler zwischen 4.000 und 5.000 Höhenmeter verlief, war klar, dass zuvor eine kurze Akklimatisationstour nötig sein würde. Auch dafür fand ich eine geeignete Route, die über einen einzigen Pass mit 4.570 m führte und für die wir uns genug Zeit nehmen wollten, um uns ein bisschen an die Höhe und die Ernährungsumstellung zu gewöhnen (dass ich zu Beginn der Reise gleich mal krank werden würde, wusste ich aufgrund früherer Himalaya-Erfahrungen schon vor Reiseantritt).
Als Ausgangspunkt für beide Touren eignete sich Varshedz, ein am Pamir Highway gelegenes kleines Dorf, das wir als unser Base Camp auserkoren. Der Plan war, vor Ort eine Familie zu finden, bei der wir während der Touren ein paar Nahrungsmittel und Ausrüstung zwischenlagern konnten.
Hier ein paar Anhaltspunkte für diejenigen, die unsere Routen im Groben nachvollziehen wollen:
Akklimatisationstour: Beginn – Pass – Ende
Tajik National Park: Beginn – Pass 1 – Pass 2 – Pass 3 - Pass 4 – Ende
Ich übergebe das Wort jetzt an Sofia, die sich großzügigerweise bereit erklärt hat, mir die Schreibarbeit abzunehmen. Nur die Fotos, Bildunterschriften und entsprechend gekennzeichnete Kommentare sind von mir.
Hallo! Einleitend möchte ich Neuling mich hier im Forum gleich mal als Österreicherin outen. Denn auch, wenn es dem deutschen Libertisten nicht passt, kommen hier im Text wohl ein paar Begriffe oder Bezeichnungen vor, die in Deutschland weniger geläufig sein mögen. Doch damit muss er wohl rechnen, wenn er schon die ganze Arbeit des Schreibens abtritt.
Außerdem kann hier noch angemerkt werden, dass sich Gabriels Hauptwohnsitz schließlich auch im schönen Wien befindet und er immer besser im Sprechen dieses entzückenden Dialekts wird…. (Nӕn? Oja!)
Zu Beginn ist zu mir vielleicht noch kurz zu sagen, dass ich bisher erst eine Trekkingreise im August 2014 nach Ladakh, Indien, unternommen und bis auf ein paar Wanderungen und Bergbesteigungen im Alpenraum kaum bzw. wenig Outdoor-Erfahrung habe. Für diese große Reise war ich dementsprechend sehr aufgeregt und gespannt, hatte auch diverse Befürchtungen und Bedenken im Gepäck, aber vor allem Freude und Neugierde auf alles, was kommt und ich mit dem berühmt-berüchtigten Libertisten erleben und erlernen werde.
Okay, und nun geht’s wirklich los:
Von Dushanbe nach Varshedz, 11.07. – 14.07.2015:
Die 17-stündige Anreise von Wien nach Dushanbe ist ungefähr um 06:00 Uhr morgens beendet, als Gabriel und ich in ein kleines Hotel einchecken und erstmal ein paar Stunden schlafen. Danach wird der Bazar der Stadt unsicher gemacht und Essen für etwa 30 Tourtage besorgt, um danach für den folgenden Morgen eine Mitfahrgelegenheit nach Khorog, dem Zentrum der Region Badachschan im Pamir-Gebirge, zu organisieren. Wir kaufen etwa 25kg an Nüssen, Trockenfrüchten, Nudeln, Reis, Buchweizen, Linsen, Bohnen, Öl und Gewürzen – auf Anraten eines ortskundigen Freundes von Gabriel haben wir die Einkäufe in der Hauptstadt erledigt, da in Khorog vieles teurer sei.
Nachdem wir während des Ramadan in einem muslimischen Land unterwegs sind, ist es unter Tags gar nicht so einfach, geöffnete Essensstände oder Ähnliches zu finden; dafür haben nach Sonnenuntergang plötzlich alle Menschen auf der Straße, in den Lokalen und Hauseingängen etwas zu Essen in der Hand. Auf der verzweifelten Suche nach einem geöffneten Restaurant sehen wir durch ein Fenster etwa 25 Männer an zwei voll bedeckten Tafeln schlemmen. Als wir da so rumstehen, werden wir sogleich hinein gewunken. Schnell wird klar, dass es sich um kein Restaurant, sondern ein privates Ramadan-Fest handelt, auch wenn niemand ein Wort mit uns spricht. Es sind nur Männer sichtbar – die Frauen essen traditionell in einem anderen Raum; trotzdem werde ich freundlich an den Tisch gebeten. Nach dem Essen wird uns sogar noch Saft mitgegeben und es untersagt, auch nur eine Spende hier zu lassen.
Glücklich, zufrieden und vor lauter Gastfreundschaft und Herzlichkeit beeindruckt fallen wir müde ins Bett.
Früh am nächsten Morgen geht es nach Khorog; eine 15-stündige Fahrt inklusive Essenspausen und obligatorischer Pannen sowie kurzen Motorenausfällen steht uns bevor. Der öffentliche Transport in Tadschikistan ist über Sammeltaxen geregelt, die abfahren, sobald das Auto (Van, Jeep oder kleiner Bus) voll ist. Die Straße zwischen Dushanbe und Khorog ist in keinem sehr guten Zustand und die Fahrt mit dem Allrad-Jeep gestaltet sich durchwegs – gelinde gesagt –abenteuerlich; mehr als nur einmal fragen wir uns, wie die LKWs diese Hauptverkehrsroute bewältigen mögen. Als es bei Einbruch der Dunkelheit zu einem kurzen, aber sehr heftigen Gewitter kommt, wird durch Regenwasser losgelöstes Geröll auf die Fahrbahn gespült und es kommt für uns etwa von 21:00 bis 22:30 Uhr und ca. 50 Kilometer vor Khorog gezwungenermaßen zu einem Aufenthalt. Hierzu habe ich in mein Tagebuch folgende Zeilen geschrieben:
„Die motivierten Fahrzeuglenker fangen an, durch den Gatsch (Anm.: österreichisch für Matsch) zu waten und mit bloßen Händen Steine auf die überspülten Stellen zu werfen. Gefühlte 3 Minuten später lässt der Eifer jedoch schon nach und es wird erstmal lauthals über die weitere Vorgehensweise beraten. Gabriel und ich beobachten das Geschehen aufgeregt wie kleine Kinder an der Baustelle und knipsen ein paar Bilder, bis schließlich das Militär mit einem kleinen Bagger anrückt und die Misere beseitigt, sodass die Fahrt endlich fortgesetzt werden kann.“

Um 02:00 Uhr nachts checken wir endlich in einem kleinen Hotel ein. Am folgenden Tag genießen wir die Sonne und nutzen unsere Zeit, um durch das Städtchen zu bummeln, essen zu gehen, den Luxus von Internet noch ein wenig zu genießen und werden sogar von einer netten jungen Frau zum Abendessen eingeladen. Roziya nimmt uns kurzerhand einfach mit zu sich nach Hause, als wir verloren nach 18:00 Uhr und Schließung des Bazars nach einem offenen Restaurant suchen. Sie hat den ganzen Tag gefastet und ist vor allem durstig; während sie das Abendmahl zubereitet unterhalten wir uns mit ihrem Mann Feruz über Allah und die Welt. Das Ehepaar und seine beiden kleinen Kinder sind mehr als nur freundlich und offen; sie haben öfters Gäste und scheinen auch unsere Anwesenheit so zu genießen, wie wir die Möglichkeit, bei Ihnen zu sein.
Unserem Plan folgend geht es von Khorog mit dem Taxi weiter Richtung Osten nach Varshedz, einem kleinen Ort auf 3200 m am Pamir Highway. Hier wollen wir für das nächste Monat eine Art „Base Camp“ bei einer Familie aufschlagen, um vor und nach den geplanten drei Touren im Pamir Gebirge Essensvorräte aufzufüllen und etwas zu entspannen. In diesem kleinen Dorf gibt es weit und breit kein Hostel, Homestay oder ähnliches; als wir ankommen, wirkt es, als hätten die Menschen hier auch noch nie Tourist_innen gesehen haben und es war klar, dass unser Unterfangen schwierig werden könnte. Stets von Glück verfolgt (wie das bei Reisen mit Gabriel wohl immer so ist
?) finden wir jedoch innerhalb kürzester Zeit – auch ohne ein Wort russisch, tadschikisch oder pamir zu sprechen – eine Familie, die uns genau das zur Verfügung stellt. Uns wird ein großer Raum im traditionellen Pamir-Stil angeboten, wo wir unsere Sachen lagern können. Am nächsten Morgen brechen wir zur ersten Tour auf.



Was wir am Bazar so finden konnten... Proviant für (deutlich mehr als) 4 Wochen.
Akklimatisationstour 15.07. – 19.07.
Mit dem „Micro-Bus“ fahren wir etwa 10 km Richtung Westen, wo eine Brücke über den Fluss Ghund Richtung Norden führt und wir so in das Tal gelangen, in welchem die fünftägige Akklimatisationstour in der Rushan Range beginnt. Bei strahlendem Sonnenschein, topmotiviert und mit halbwegs leichtem Gepäck ziehen wir los; am ersten Tag schaffen wir es bis zu unserem maximalen Tagesziel und finden einen wunderschönen grünen Zeltplatz mit ein paar Rindern und Murmeltieren ringsum, die uns beim Abendessen Gesellschaft leisten.





Vor dem Einschlafen und vor Allem nachts machen sich Höhe und Anstrengung bei Gabriel mit Durchfall und Erbrechen bemerkbar und am Morgen wird klar, dass wir gleich mal einen Pausentag einlegen. Mit dem Groundsheet des Zelts bauen wir ein Sonnendach, sodass die UV-Strahlung der Beschichtung nichts anhaben kann (ich wusste zuvor gar nicht, an welche Kleinigkeiten und Dinge bei so professioneller Ausrüstung dieser Art alle gedacht werden muss). Während Gabriel darin dann leidend vor sich hin vegetiert, vertreibe ich mir die Zeit mit Fotografie und in-der-Sonne-liegen.

Als der Abmarsch am nächsten Tag ansteht, ist der Libertist wieder fit wie ein Turnschuh, während ich mich hundeelend fühle. Für die gesamte Reise lässt sich eigentlich sagen, dass wir uns mit dem Kranksein immer so gut abgewechselt haben, dass wir nacheinander füreinander da sein konnten. Nun ja, trotz etwas verschwommener Erinnerung dieser Etappe schaffe ich dann doch irgendwie zumindest die 600 Höhenmeter auf die Anhöhe vor dem geplanten Pass. Bis hierher gibt es auch noch Hirtenpfade bzw. Viehwege. Während ich mich im Schatten von der Anstrengung erhole, schlägt das Gabriel-Gersch-Glück sogar auf der Naturtoilette mitten im Nirgendwo zu. Zuerst deute ich den Freudenschrei als Bekanntgabe des Endes der Durchfallära, doch es stellt sich heraus, dass Gabriel auf den großen Felsen hinter unserem Zeltplatz einen kleinen Schatz entdeckt hat. Auf mehreren großen Brocken befinden sich Felsgravierungen, die teilweise den Anschein erwecken, richtig alt zu sein. Sie zeigen vor allem Steinböcken in verschiedensten Proportionen und mit großen Geweihen, teilweise auch den ein oder anderen Menschen, eine reitende Person auf einem Pferd ist auch zu finden. Wir sind beide keine Archäolog_innen oder haben auch nur annährend Expertise in diesem Feld, jedoch haben wir auch an anderen Orten in Tadschikistan ein paar in Stein geritzte Liebesschwüre und Ähnliches gesehen, was weit nicht derart historisch aussieht, geschweige denn von Pilzen überwachsen wäre. Gabriel vergleicht die Gravuren mit denjenigen, die er auf seiner letzten Winterreise in Namibia bestaunte und erzählt mir von deren ungeheurem Wert. Als wir nach unserer Rückkunft unserer „Gastmami“ und einigen anderen Locals von unseren Erfahrungen berichten und Fotos von den Steingravierungen herzeigen, reagieren fast alle überrascht, erfreut und berichten, dass sie das in dieser Gegend noch nie zuvor gehört oder gesehen hatten. Grundsätzlich sind solche Felsgravuren in den Bergen dort aber nicht unüblich.







Die Kühe ringsum sorgen für eine unruhige Nacht, da sie immer wieder nahe ans Zelt kommen. Mitten in der Nacht stolpert einer der Stiere über eine Zeltleine, sodass mich die Schimpftirade des Libertisten unsanft aus dem Schlaf reißt. Dagegen war der Stier vergleichsweise leise…
Am nächsten Tag geht es hauptsächlich über grobes Geröll etwa 300 Höhenmeter bergauf, bis wir den Pass auf 4570 m erreichen. Der Blick in das schmale, saftig grüne Tal auf der anderen Passseite ist beeindruckend und ich genieße die Aussicht, während Gabriel sich Gedanken über den Abstieg auf dem großen Schneefeld macht.




Wir beginnen den Abstieg im Schnee und queren die ganze Breite bis klar wird, dass der steile Abhang weiter unten vereist ist. Also müssen wir leider umkehren und zurück stapfen, um auf der anderen Seite über das Geröll abzusteigen. Geröllig geht es auch weiter und auch wenn sich zwischen der einen und anderen Endmoräne ein kleiner, blauer Gletschersee verbirgt, ist das große Gestein größtenteils sehr mühsam zu begehen und es dauert, bis wir das Ende der Moräne erreichen.



So steigen wir weiter und weiter ab und außer Sumpf ist kein Zeltplatz in Sicht, während bereits die Dämmerung hereinbricht. Zum Glück finden sich Überreste einer Hirtenunterkunft in einer trockenen Ebene, wo wir das Zelt aufbauen und bis wir schließlich unser Abendessen kochen, ist es dunkel. Am nächsten Tag schlafen wir etwas länger als sonst und machen uns unter dunklen Wolken an den Abstieg von etwa 1200 Höhenmetern, der uns über Ziegenpfade zurück nach Varshedz führt, wo wir am frühen Nachmittag ankommen und uns dank des Wasserkochers bei der Gastfamilie sogar eine warme Dusche gönnen.








Zusammenfassend lässt sich sagen, dass diese Tour technisch keine Schwierigkeiten bot, sie uns aufgrund der noch ungewohnten Höhe jedoch anstrengend genug in Erinnerung bleibt.
Kurze Rast in Varshedz 20.07.
In der ersten Nacht zurück bei unserer Gastfamilie in Varshedz kommt Schlechtwetter mit Regen und Wind auf. Durch das Loch des Ofenrohrs regnet es nachts auch in unseren Raum. Mit einem lauten Platsch landet eine Lacke auf dem Tisch; Gabriel schreckt hoch und rettet unsere Kameras so schnell, dass ich es gerade schaffe, die Augen zu öffnen. Zum Glück hat er da so eine Art Notsender für Wichtiges, der auch dann funktioniert, wenn ich tief und fest schlummere.
Auch am Morgen liegt das Tal im Nebel und unsere gewaschene Wäsche scheint kaum zu trocknen. In der Hoffnung auf besseres Wetter planen wir, eine weitere Nacht zu bleiben, Essen umzupacken und Kleinigkeiten im Ort zu besorgen. Die zuvor beschriebene kurze Akklimatisationstour hat nämlich auch offenbart, dass so manche unserer Essenspläne nicht ganz aufgingen. Linsen und Bohnen brauchen trotz Einlegen viel zu lang zum Kochen und auch mit dem Buchweizen waren wir nicht ganz zufrieden; geschmacklich ist der zwar top, aber auch nach 45 Minuten kochen waren die Körner immer noch sehr hart (erst Wochen später haben wir verstanden, dass es gar kein Buchweizen war, den wir da gekauft hatten, sondern Gerste
). Abgesehen davon, hab ich ein persönliches Problem mit dem Frühstücksmahl des Libertisten. Meiner Ansicht nach ist das nur als grausliger Haferschleimgatsch (Übersetzung: eklige Haferflockenpampe) zu bezeichnen und für mich zumindest ist es unmöglich, das täglich morgens vor 06:00 Uhr zu fressen. So ziehen wir los und besorgen mir als Alternativ-Frühstück Instant Nudeln, die ich mit Haferflocken mische und mit Würze als Süppchen am Morgen genießen werde.
Kommentar Libertist: Was Madame da als „grausligen Haferschleimgatsch“ bezeichnet ist in Wahrheit ein geschmacklich erstklassiges und zudem äußerst gesundes Frühstück aus besten Haferflocken, gemischt mit einer erlesenen Vielfalt diverser Nusssorten und Trockenfrüchten, deren fruchtiges Aroma einen kulinarischen Hochgenuss garantieren. Nach nur kurzer Kochzeit verbinden sich diese an sich schon gaumenverwöhnenden Zutaten derart zu einer Symbiose purer Harmonie, dass sie ihre Konsistenz in Perfektion versetzen und leicht zusammenhaften, womit ein angenehmes Essverhalten sichergestellt ist. Wer würde da schon freiwillig chinesische Instant Nudeln fressen wollen?
Den restlichen Tag verwenden wir, um Pläne für die Zukunft zu schmieden bzw. Luftschlösser zu bauen, die ich auch Schnapsideen und Hirngespinste nenne. Gabriels Motto „Dream Big!“ nehme ich mir trotzdem zu Herzen und so steigern wir uns immer weiter in die verrücktesten Geschichten. Abends bereiten wir uns auf den Abmarsch am nächsten Tag nach Bachor vor, von wo aus die zweite Tour starten soll.
Reisezeit: Juli/August 2015
Dauer: 5 Wochen
Geplant war eigentlich, dass ich in diesem Sommer wieder in Alaska als Guide arbeite, aber die Behörden haben kurzfristig irgendwelche Regeln geändert, so dass es mir leider unmöglich war, das entsprechende Visum zu bekommen. Es musste also schnell irgendein Alternativplan her. In Zentralasien war ich zuletzt 2011, danach waren meine Sommer mit dem Job in Alaska verplant. Also entschieden Sofia und ich kurzfristig, ein paar Länder im westlichen Himalaya zu bereisen. Los ging es mit Tadschikistan.

Auf einem vergletscherten Pass im Tajik National Park

Zarojkul

Wenn man nicht gerade auf dem Eis steht, laufen überall Yaks herum.

Karge Berglandschaft im Süden des Landes, an der Grenze zu Afghanistan.

Grenzübergang nach Kirgistan.
Die Idee
Ich war noch nie im Pamir-Gebirge, aber was ich so über Google Earth zu sehen bekam, machte einen vielversprechenden Eindruck. Ich beschäftigte mich für einige Stunden mit der Geografie des Gebirges und suchte mir eine Gegend aus, die mir am interessanten erschien, nämlich den Tajik National Park. Schnell bastelte ich eine Route zusammen, die meiner Einschätzung nach auch im gemäßigten Tempo gut in etwa 15 Tagen machbar sein sollte und dabei nicht allzu viele technische Schwierigkeiten bot. Da diese Tour größtenteils über Pässe und Täler zwischen 4.000 und 5.000 Höhenmeter verlief, war klar, dass zuvor eine kurze Akklimatisationstour nötig sein würde. Auch dafür fand ich eine geeignete Route, die über einen einzigen Pass mit 4.570 m führte und für die wir uns genug Zeit nehmen wollten, um uns ein bisschen an die Höhe und die Ernährungsumstellung zu gewöhnen (dass ich zu Beginn der Reise gleich mal krank werden würde, wusste ich aufgrund früherer Himalaya-Erfahrungen schon vor Reiseantritt).
Als Ausgangspunkt für beide Touren eignete sich Varshedz, ein am Pamir Highway gelegenes kleines Dorf, das wir als unser Base Camp auserkoren. Der Plan war, vor Ort eine Familie zu finden, bei der wir während der Touren ein paar Nahrungsmittel und Ausrüstung zwischenlagern konnten.
Hier ein paar Anhaltspunkte für diejenigen, die unsere Routen im Groben nachvollziehen wollen:
Akklimatisationstour: Beginn – Pass – Ende
Tajik National Park: Beginn – Pass 1 – Pass 2 – Pass 3 - Pass 4 – Ende
Ich übergebe das Wort jetzt an Sofia, die sich großzügigerweise bereit erklärt hat, mir die Schreibarbeit abzunehmen. Nur die Fotos, Bildunterschriften und entsprechend gekennzeichnete Kommentare sind von mir.
Hallo! Einleitend möchte ich Neuling mich hier im Forum gleich mal als Österreicherin outen. Denn auch, wenn es dem deutschen Libertisten nicht passt, kommen hier im Text wohl ein paar Begriffe oder Bezeichnungen vor, die in Deutschland weniger geläufig sein mögen. Doch damit muss er wohl rechnen, wenn er schon die ganze Arbeit des Schreibens abtritt.

Außerdem kann hier noch angemerkt werden, dass sich Gabriels Hauptwohnsitz schließlich auch im schönen Wien befindet und er immer besser im Sprechen dieses entzückenden Dialekts wird…. (Nӕn? Oja!)
Zu Beginn ist zu mir vielleicht noch kurz zu sagen, dass ich bisher erst eine Trekkingreise im August 2014 nach Ladakh, Indien, unternommen und bis auf ein paar Wanderungen und Bergbesteigungen im Alpenraum kaum bzw. wenig Outdoor-Erfahrung habe. Für diese große Reise war ich dementsprechend sehr aufgeregt und gespannt, hatte auch diverse Befürchtungen und Bedenken im Gepäck, aber vor allem Freude und Neugierde auf alles, was kommt und ich mit dem berühmt-berüchtigten Libertisten erleben und erlernen werde.

Von Dushanbe nach Varshedz, 11.07. – 14.07.2015:
Die 17-stündige Anreise von Wien nach Dushanbe ist ungefähr um 06:00 Uhr morgens beendet, als Gabriel und ich in ein kleines Hotel einchecken und erstmal ein paar Stunden schlafen. Danach wird der Bazar der Stadt unsicher gemacht und Essen für etwa 30 Tourtage besorgt, um danach für den folgenden Morgen eine Mitfahrgelegenheit nach Khorog, dem Zentrum der Region Badachschan im Pamir-Gebirge, zu organisieren. Wir kaufen etwa 25kg an Nüssen, Trockenfrüchten, Nudeln, Reis, Buchweizen, Linsen, Bohnen, Öl und Gewürzen – auf Anraten eines ortskundigen Freundes von Gabriel haben wir die Einkäufe in der Hauptstadt erledigt, da in Khorog vieles teurer sei.
Nachdem wir während des Ramadan in einem muslimischen Land unterwegs sind, ist es unter Tags gar nicht so einfach, geöffnete Essensstände oder Ähnliches zu finden; dafür haben nach Sonnenuntergang plötzlich alle Menschen auf der Straße, in den Lokalen und Hauseingängen etwas zu Essen in der Hand. Auf der verzweifelten Suche nach einem geöffneten Restaurant sehen wir durch ein Fenster etwa 25 Männer an zwei voll bedeckten Tafeln schlemmen. Als wir da so rumstehen, werden wir sogleich hinein gewunken. Schnell wird klar, dass es sich um kein Restaurant, sondern ein privates Ramadan-Fest handelt, auch wenn niemand ein Wort mit uns spricht. Es sind nur Männer sichtbar – die Frauen essen traditionell in einem anderen Raum; trotzdem werde ich freundlich an den Tisch gebeten. Nach dem Essen wird uns sogar noch Saft mitgegeben und es untersagt, auch nur eine Spende hier zu lassen.
Glücklich, zufrieden und vor lauter Gastfreundschaft und Herzlichkeit beeindruckt fallen wir müde ins Bett.
Früh am nächsten Morgen geht es nach Khorog; eine 15-stündige Fahrt inklusive Essenspausen und obligatorischer Pannen sowie kurzen Motorenausfällen steht uns bevor. Der öffentliche Transport in Tadschikistan ist über Sammeltaxen geregelt, die abfahren, sobald das Auto (Van, Jeep oder kleiner Bus) voll ist. Die Straße zwischen Dushanbe und Khorog ist in keinem sehr guten Zustand und die Fahrt mit dem Allrad-Jeep gestaltet sich durchwegs – gelinde gesagt –abenteuerlich; mehr als nur einmal fragen wir uns, wie die LKWs diese Hauptverkehrsroute bewältigen mögen. Als es bei Einbruch der Dunkelheit zu einem kurzen, aber sehr heftigen Gewitter kommt, wird durch Regenwasser losgelöstes Geröll auf die Fahrbahn gespült und es kommt für uns etwa von 21:00 bis 22:30 Uhr und ca. 50 Kilometer vor Khorog gezwungenermaßen zu einem Aufenthalt. Hierzu habe ich in mein Tagebuch folgende Zeilen geschrieben:
„Die motivierten Fahrzeuglenker fangen an, durch den Gatsch (Anm.: österreichisch für Matsch) zu waten und mit bloßen Händen Steine auf die überspülten Stellen zu werfen. Gefühlte 3 Minuten später lässt der Eifer jedoch schon nach und es wird erstmal lauthals über die weitere Vorgehensweise beraten. Gabriel und ich beobachten das Geschehen aufgeregt wie kleine Kinder an der Baustelle und knipsen ein paar Bilder, bis schließlich das Militär mit einem kleinen Bagger anrückt und die Misere beseitigt, sodass die Fahrt endlich fortgesetzt werden kann.“

Um 02:00 Uhr nachts checken wir endlich in einem kleinen Hotel ein. Am folgenden Tag genießen wir die Sonne und nutzen unsere Zeit, um durch das Städtchen zu bummeln, essen zu gehen, den Luxus von Internet noch ein wenig zu genießen und werden sogar von einer netten jungen Frau zum Abendessen eingeladen. Roziya nimmt uns kurzerhand einfach mit zu sich nach Hause, als wir verloren nach 18:00 Uhr und Schließung des Bazars nach einem offenen Restaurant suchen. Sie hat den ganzen Tag gefastet und ist vor allem durstig; während sie das Abendmahl zubereitet unterhalten wir uns mit ihrem Mann Feruz über Allah und die Welt. Das Ehepaar und seine beiden kleinen Kinder sind mehr als nur freundlich und offen; sie haben öfters Gäste und scheinen auch unsere Anwesenheit so zu genießen, wie wir die Möglichkeit, bei Ihnen zu sein.
Unserem Plan folgend geht es von Khorog mit dem Taxi weiter Richtung Osten nach Varshedz, einem kleinen Ort auf 3200 m am Pamir Highway. Hier wollen wir für das nächste Monat eine Art „Base Camp“ bei einer Familie aufschlagen, um vor und nach den geplanten drei Touren im Pamir Gebirge Essensvorräte aufzufüllen und etwas zu entspannen. In diesem kleinen Dorf gibt es weit und breit kein Hostel, Homestay oder ähnliches; als wir ankommen, wirkt es, als hätten die Menschen hier auch noch nie Tourist_innen gesehen haben und es war klar, dass unser Unterfangen schwierig werden könnte. Stets von Glück verfolgt (wie das bei Reisen mit Gabriel wohl immer so ist




Was wir am Bazar so finden konnten... Proviant für (deutlich mehr als) 4 Wochen.
Akklimatisationstour 15.07. – 19.07.
Mit dem „Micro-Bus“ fahren wir etwa 10 km Richtung Westen, wo eine Brücke über den Fluss Ghund Richtung Norden führt und wir so in das Tal gelangen, in welchem die fünftägige Akklimatisationstour in der Rushan Range beginnt. Bei strahlendem Sonnenschein, topmotiviert und mit halbwegs leichtem Gepäck ziehen wir los; am ersten Tag schaffen wir es bis zu unserem maximalen Tagesziel und finden einen wunderschönen grünen Zeltplatz mit ein paar Rindern und Murmeltieren ringsum, die uns beim Abendessen Gesellschaft leisten.





Vor dem Einschlafen und vor Allem nachts machen sich Höhe und Anstrengung bei Gabriel mit Durchfall und Erbrechen bemerkbar und am Morgen wird klar, dass wir gleich mal einen Pausentag einlegen. Mit dem Groundsheet des Zelts bauen wir ein Sonnendach, sodass die UV-Strahlung der Beschichtung nichts anhaben kann (ich wusste zuvor gar nicht, an welche Kleinigkeiten und Dinge bei so professioneller Ausrüstung dieser Art alle gedacht werden muss). Während Gabriel darin dann leidend vor sich hin vegetiert, vertreibe ich mir die Zeit mit Fotografie und in-der-Sonne-liegen.

Als der Abmarsch am nächsten Tag ansteht, ist der Libertist wieder fit wie ein Turnschuh, während ich mich hundeelend fühle. Für die gesamte Reise lässt sich eigentlich sagen, dass wir uns mit dem Kranksein immer so gut abgewechselt haben, dass wir nacheinander füreinander da sein konnten. Nun ja, trotz etwas verschwommener Erinnerung dieser Etappe schaffe ich dann doch irgendwie zumindest die 600 Höhenmeter auf die Anhöhe vor dem geplanten Pass. Bis hierher gibt es auch noch Hirtenpfade bzw. Viehwege. Während ich mich im Schatten von der Anstrengung erhole, schlägt das Gabriel-Gersch-Glück sogar auf der Naturtoilette mitten im Nirgendwo zu. Zuerst deute ich den Freudenschrei als Bekanntgabe des Endes der Durchfallära, doch es stellt sich heraus, dass Gabriel auf den großen Felsen hinter unserem Zeltplatz einen kleinen Schatz entdeckt hat. Auf mehreren großen Brocken befinden sich Felsgravierungen, die teilweise den Anschein erwecken, richtig alt zu sein. Sie zeigen vor allem Steinböcken in verschiedensten Proportionen und mit großen Geweihen, teilweise auch den ein oder anderen Menschen, eine reitende Person auf einem Pferd ist auch zu finden. Wir sind beide keine Archäolog_innen oder haben auch nur annährend Expertise in diesem Feld, jedoch haben wir auch an anderen Orten in Tadschikistan ein paar in Stein geritzte Liebesschwüre und Ähnliches gesehen, was weit nicht derart historisch aussieht, geschweige denn von Pilzen überwachsen wäre. Gabriel vergleicht die Gravuren mit denjenigen, die er auf seiner letzten Winterreise in Namibia bestaunte und erzählt mir von deren ungeheurem Wert. Als wir nach unserer Rückkunft unserer „Gastmami“ und einigen anderen Locals von unseren Erfahrungen berichten und Fotos von den Steingravierungen herzeigen, reagieren fast alle überrascht, erfreut und berichten, dass sie das in dieser Gegend noch nie zuvor gehört oder gesehen hatten. Grundsätzlich sind solche Felsgravuren in den Bergen dort aber nicht unüblich.







Die Kühe ringsum sorgen für eine unruhige Nacht, da sie immer wieder nahe ans Zelt kommen. Mitten in der Nacht stolpert einer der Stiere über eine Zeltleine, sodass mich die Schimpftirade des Libertisten unsanft aus dem Schlaf reißt. Dagegen war der Stier vergleichsweise leise…
Am nächsten Tag geht es hauptsächlich über grobes Geröll etwa 300 Höhenmeter bergauf, bis wir den Pass auf 4570 m erreichen. Der Blick in das schmale, saftig grüne Tal auf der anderen Passseite ist beeindruckend und ich genieße die Aussicht, während Gabriel sich Gedanken über den Abstieg auf dem großen Schneefeld macht.




Wir beginnen den Abstieg im Schnee und queren die ganze Breite bis klar wird, dass der steile Abhang weiter unten vereist ist. Also müssen wir leider umkehren und zurück stapfen, um auf der anderen Seite über das Geröll abzusteigen. Geröllig geht es auch weiter und auch wenn sich zwischen der einen und anderen Endmoräne ein kleiner, blauer Gletschersee verbirgt, ist das große Gestein größtenteils sehr mühsam zu begehen und es dauert, bis wir das Ende der Moräne erreichen.



So steigen wir weiter und weiter ab und außer Sumpf ist kein Zeltplatz in Sicht, während bereits die Dämmerung hereinbricht. Zum Glück finden sich Überreste einer Hirtenunterkunft in einer trockenen Ebene, wo wir das Zelt aufbauen und bis wir schließlich unser Abendessen kochen, ist es dunkel. Am nächsten Tag schlafen wir etwas länger als sonst und machen uns unter dunklen Wolken an den Abstieg von etwa 1200 Höhenmetern, der uns über Ziegenpfade zurück nach Varshedz führt, wo wir am frühen Nachmittag ankommen und uns dank des Wasserkochers bei der Gastfamilie sogar eine warme Dusche gönnen.








Zusammenfassend lässt sich sagen, dass diese Tour technisch keine Schwierigkeiten bot, sie uns aufgrund der noch ungewohnten Höhe jedoch anstrengend genug in Erinnerung bleibt.
Kurze Rast in Varshedz 20.07.
In der ersten Nacht zurück bei unserer Gastfamilie in Varshedz kommt Schlechtwetter mit Regen und Wind auf. Durch das Loch des Ofenrohrs regnet es nachts auch in unseren Raum. Mit einem lauten Platsch landet eine Lacke auf dem Tisch; Gabriel schreckt hoch und rettet unsere Kameras so schnell, dass ich es gerade schaffe, die Augen zu öffnen. Zum Glück hat er da so eine Art Notsender für Wichtiges, der auch dann funktioniert, wenn ich tief und fest schlummere.

Auch am Morgen liegt das Tal im Nebel und unsere gewaschene Wäsche scheint kaum zu trocknen. In der Hoffnung auf besseres Wetter planen wir, eine weitere Nacht zu bleiben, Essen umzupacken und Kleinigkeiten im Ort zu besorgen. Die zuvor beschriebene kurze Akklimatisationstour hat nämlich auch offenbart, dass so manche unserer Essenspläne nicht ganz aufgingen. Linsen und Bohnen brauchen trotz Einlegen viel zu lang zum Kochen und auch mit dem Buchweizen waren wir nicht ganz zufrieden; geschmacklich ist der zwar top, aber auch nach 45 Minuten kochen waren die Körner immer noch sehr hart (erst Wochen später haben wir verstanden, dass es gar kein Buchweizen war, den wir da gekauft hatten, sondern Gerste

Kommentar Libertist: Was Madame da als „grausligen Haferschleimgatsch“ bezeichnet ist in Wahrheit ein geschmacklich erstklassiges und zudem äußerst gesundes Frühstück aus besten Haferflocken, gemischt mit einer erlesenen Vielfalt diverser Nusssorten und Trockenfrüchten, deren fruchtiges Aroma einen kulinarischen Hochgenuss garantieren. Nach nur kurzer Kochzeit verbinden sich diese an sich schon gaumenverwöhnenden Zutaten derart zu einer Symbiose purer Harmonie, dass sie ihre Konsistenz in Perfektion versetzen und leicht zusammenhaften, womit ein angenehmes Essverhalten sichergestellt ist. Wer würde da schon freiwillig chinesische Instant Nudeln fressen wollen?
Den restlichen Tag verwenden wir, um Pläne für die Zukunft zu schmieden bzw. Luftschlösser zu bauen, die ich auch Schnapsideen und Hirngespinste nenne. Gabriels Motto „Dream Big!“ nehme ich mir trotzdem zu Herzen und so steigern wir uns immer weiter in die verrücktesten Geschichten. Abends bereiten wir uns auf den Abmarsch am nächsten Tag nach Bachor vor, von wo aus die zweite Tour starten soll.
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