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Prolog:
Das Jahr fing hoffnungsvoll an. Bachelorarbeit schreiben und dann den Sommer genießen, so war der Plan. Ein Wanderurlaub, vielleicht in der Hohen Tatra oder mal wieder in den Alpen sollte es werden. Ein Sportunfall mit gebrochenem Arm machte mir Anfang März dann einen Strich durch die Rechnung. Nach OP und Krankengymnastik reifte in mir der Trotz heran und ich dachte mir "Jetzt erst recht". Ein abendliches Skype-Gespräch mit einer guten Freundin ließ dann die Idee in mir aufkeimen, zu ihr nach Österreich, genauer gesagt ins Waldviertel, zu radeln. Verlockender Gedanke. Von Darmstadt aus ungefähr 740 km Gesamtstrecke, das ist machbar. Die kleine wahnsinnige Stimme in meinem Kopf, die solche Vorhaben grundsätzlich immer gut findet wurde in den nächsten Tagen lauter. Einige Tage später, es war Mai, dann der Entschluss: Das mache ich. Ein neues Mountainbike wollte ich mir dieses Jahr sowieso mal zulegen, so könnte ich es dann gleich mal ordentlich einweihen. Somit wurde diese Tour zu der Möhre, die mich beim Schreiben meiner Bachelorarbeit motivieren und bei der Stange halten sollte.
Ihr kennt doch sicher dieses Comic-Bild vom Esel, dem eine Möhre gerade außer Reichweite vor die Nase gehalten wird, damit er weiter vorwärts läuft. Dieser Esel sollte von nun an ich sein.
Im Juli fand ich dann in den Weiten des Internets das Fahrrad, das auf dieser Tour mein treuer Begleiter sein sollte. Aufgrund seiner teilweise etwas abenteuerlichen Teile-Zusammensetzung hatte es bei mir schnell den Spitznamen "Frankenbike" weg.
Letztlich lief die Abgabe meiner Bachelorarbeit auf den 29.9. hinaus und an eben jenem Tage sollte es dann auch direkt auf große Tour losgehen.
Also mal eben per Naviki die Touren geplant. Später habe ich auch komoot getestet und für besser befunden, aber nicht alle Etappenpläne nochmal neu gemacht. Der erste große Fehler dieser Tour, aber dazu später mehr.
Der Plan sah so aus, am Ende der Etappen möglichst bei Freunden und Bekannten unterzukommen, nur dort wo das nicht möglich ist, wollte ich auf Jugendherbergen ausweichen. Vielleicht habe ich zu leidenschaftlich den Ritt von bemme beim Transcontinental Race verfolgt, jedenfalls wollte ich als lange nicht so trainierter und dann noch mit einem Mountainbike die Strecke in 7 Tagen fahren. Das soll jetzt keine Schuldzuweisung sein, für meine Selbstüberschätzung bin ich allein selbst verantwortlich
Der Bericht wird nicht sehr bildreich, da ich leider meine Kamera vergessen habe und deshalb nur ein paar Bilder mit dem Handy geschossen habe.
Tag 1: 29.9.2014
Start: Darmstadt
Ziel: Gemünden am Main
Möhre des Tages: V. nach über 2 Jahren mal wieder sehen und ein großer Topf Spaghetti Bolognese
Bis ich abgegeben habe ist es kurz vor 11 Uhr. Mein Weg führt mich Richtung Messel aus Darmstadt hinaus. Nachdem ich am Oberwaldhaus vorbei bin und mich auch von der Straße nach Dieburg nördlich entferne, fühle ich zum ersten Mal die Stille des Waldes und mir wird klar: Endlich fertig, endlich Urlaub!
Die Landschaft um Messel herum ist eine Mischung aus Wald und offenen Wiesenstücken, stellenweise fühlte ich mich etwas an meine Kindheitserinnerungen von Urlauben in Südengland erinnert. Das Wetter zeigt sich von seiner guten Seite, also Sonne, aber noch nicht zu warm.

Kurz vor Messel
Hinter dem Messeler Bahnhof der erste kleine Dämpfer: Dort wo mein Track sein sollte, ist eine Mülldeponie. Das fängt ja gut an. Benutzt Naviki nicht OpenStreetMap? Sollten die Daten nicht einigermaßen aktuell sein? So eine Mülldeponie entsteht ja nicht von heute auf morgen *grummel*
Vielleicht war der Weg auch einfach nur so zugewachsen, dass ich ihn nicht gesehen habe. Also erstmal ab in den Wald, Umweg suchen. Der ist auch recht schnell gefunden und nach knapp 2 km bin ich wieder auf der geplanten Route, die hier sehr gut fahrbar über einen geschotterten Waldweg an der Bahnstrecke Richtung Aschaffenburg entlangführt. Einige Kilometer weiter komme ich an einer Stelle vorbei, an der gerade eine Kampfmittelräumungsfirma den Wald mit Metalldetektoren absucht. Überall stehen Schilder, dass das Verlassen der Wege wegen Explosionsgefahr verboten ist. Aber ich will ja die Wege nicht verlassen, ich will vorankommen. So grüße ich nur kurz und fahre weiter. Nach etwa 3 km auf der Nebenstraße Richtung Babenhausen lotst mich das Navi wieder in den Wald und über einen schmalen Trail-Abschnitt. Bin ich da nicht eben an einem Minenfeld vorbeigefahren? Etwas mulmig ist mir schon, aber Fahrradspuren auf dem Boden wecken in mir die Hoffnung, hier nicht zu Biker-Frikassee zu werden. Der Trail an sich ist wirklich schön, dennoch fühle ich mich erst besser, als ich wieder einen Hauptweg erreiche. Zwischen Münster und Eppertshausen unterquere ich eine Bundesstraße und die Bahnstrecke Ober-Roden - Dieburg. Die Brücke über die mich das Navi lotsen will ist wegen Bauarbeiten gesperrt, zum Glück treffe ich einen einheimischen Mountainbiker, der mich bis zur nächsten Brücke begleitet und der schwer beeindruckt ist, als ich ihm von meinem Plan erzähle. Zum Abschied wünscht er mir eine gute Fahrt. Bis Babenhausen verläuft der Weg wunderschön gelegen und flach an der Gersprenz entlang und ich gebe etwas Gas.

Genussradeln an der Gersprenz
Am Ortseingang von Babenhausen treffe ich zwei Radreisende mit schwer bepacken Rädern und mit diversen Aufklebern beklebten Packtaschen, die wohl schon etwas länger unterwegs sind. Die beiden fragen mich nach dem Weg nach Eppertshausen und ich erkläre ihnen, wie sie zu dem Radweg an der Gersprenz kommen, über den ich gerade gekommen bin. Babenhausen hat auch eine echt sehenswerte Altstadt. In all den Jahren, die ich nun schon in Darmstadt wohne, war mir nie bewusst, dass so ein Kleinod quasi direkt vor meiner Haustür liegt. Ich kannte die Stadt bisher nur als Grenzbahnhof, bis zu dem mein Semesterticket gilt.
Im erstbesten Supermarkt der meinen Weg kreuzt hole ich mir etwas zu trinken und zwei Sandwiches zum Mittagessen und setze mich damit auf eine Parkbank neben einem Kinderspielplatz. Noch sehe ich ja recht human aus und muss keine Angst haben, dass jemand die Polizei ruft, wenn er mich an so einem Ort sitzen sieht. Ich habe mich am Morgen sogar noch rasiert!
Hinter Harreshausen fluche ich zum ersten Mal kurz, als ich sehe, dass ein Stück des Weges über losen Sand führt. Aber die 2,4 Zoll-Schlappen meines Bikes bewähren sich hier zum ersten Mal und ich wühle mich überraschend leicht durch diese Wegpassage. Bei Stockstadt quere ich den Main, nun führt mich der Weg am Rande Mainaschaffs und Aschaffenburgs entlang. Bis hierhin alles gut gelaufen. Ich klopfe auf Alu (für Holz hätte ich anhalten müssen), dass es so bleibt, denn ich weiß: Hinter Aschaffenburg wird es bergiger, der Spessart wartet auf mich.
So ist es denn auch, nach dem Durchqueren einer Unterführung unter der A3 geht es gleich mal brutal nach oben, erst auf Asphalt, irgendwann auf Schotter. Nachdem ich den ersten Anstieg überstanden habe, entscheide ich mich für eine Riegelpause. Mein Körper verbrät die durch Nahrung zugeführte Energie wie die EU-Bürokraten Steuergeld. Also erstmal Müsliriegel futtern. Inzwischen ist es früher Nachmittag und brüllend heiß. Und ich habe nur eine Wasserflasche dabei, das kann heiter werden.
Zwei Anstiege weiter ist meine Wasserflasche leer. Ich treffe den örtlichen Förster und frage ihn, ob es irgendwo in der Nähe eine Möglichkeit gibt, Wasser zu kaufen. Er verneint, bietet mir aber den Rest aus seiner Wasserflasche an. Dankend nehme ich an. Die Menschen hier in der Gegend werden mir heute noch einige Male den Arsch retten.
Kurz nach der Begegnung mit dem Förster werde ich für die Strapazen des Anstiegs zum ersten Mal mit einer furiosen Abfahrt auf einer Schotterpiste belohnt. Mountainbiking at its best. Ich verstehe langsam, warum in diversen Mountainbikemagazinen so vom Spessart geschwärmt wird. Blöderweise muss ich aber alles was ich heute runterfahre auch immer wieder hoch. Richtig ärgerlich wird es, als ich mich vor Unterafferbach noch verfahre, weil die Navi-Anweisung freundlich ausgedrückt Mist ist, ich eine Abzweigung übersehe und ich so fast 150 Höhenmeter abfahre, anstatt auf der Höhe entlang. Also wieder hoch und den richtigen Weg nehmen. Puh, das kann ja noch heiter werden. Erste Zweifel, ob ich es heute bis Gemünden schaffe kommen auf.
Am Rande von Unterafferbach frage ich eine junge Mutter mit Kinderwagen nach einem Dorfladen. Sie schickt mich zur örtlichen Bäckerei, die auch ein Tante-Emma-Laden ist. Leider ist hier aber Montags geschlossen. Mist.
Wasserflasche noch halb voll, die Sonne brutzelt wie eh und je. Oberhalb des Ortes ziehe ich mein Merino-Unterhemd aus. Lieber ein stinkendes Trikot als mich ohne Möglichkeit des Wassernachschubs totzuschwitzen.
Weiter geht es durch Wenighösbach und Feldkahl, wo ich schließlich einen Anwohner nach Wasser frage. Er lässt sich gar nicht lange bitten und kommt mit einer vollen Flasche raus. Auch er hält meinen Plan, heute noch nach Gemünden zu fahren für sehr ambitioniert. Allerdings sieht er mir auch eher nicht nach einem Sportler aus. Wie auch immer, ich habe Wasser. Überschwänglich bedanke ich mich und fahre weiter. Vorbei an Rottenberg und Eichenberg geht es über Waldwege und stellenweise auch mal recht schwierige Trails weiter. Und ich merke schnell, dass das Wasser aus Feldkahl nicht lange reicht. Zumal jetzt auch die Wege wieder recht schwierig werden, es geht immer wieder langgezogen bergauf und über rumpelige Wege wieder runter. Ich bin so fertig, dass die Konzentration nachlässt und traue mich nicht mehr, schnell abzufahren. Die Scheibenbremsen am Rad leisten in jeder Abfahrt Schwerstarbeit. Laut Karte nähert sich meine Route einer Landstraße an und begegnet dieser an einer Kreuzung. Ich beschließe, mich dort nach Alternativen umzusehen. Durch so schweres Gelände kann ich mein Tagespensum nicht mehr schaffen, das wird mir langsam schmerzlich bewusst. Ich habe leider im September doch mehr Zeit in einem fensterlosen Computerraum der Uni verbracht als mir lieb war. Auch die Möhre des Tages kann mich jetzt nur noch wenig motivieren.
An der Kreuzung weine ich fast vor Freude. Ein Gasthaus!
Hastig kette ich mein Rad an den nächsten Baum und bevor ich richtig sitze ist das erste alkoholfreie Weizen bestellt. Ich muss mich beherrschen, es nicht sofort auf ex zu trinken. Das tut so unglaublich gut. Zu einem zweiten alkoholfreien Weizen gesellt sich ein leckerer Apfelstrudel mit Vanilleeis. Die schon komplett geleert geglaubten Energiespeicher meines Körpers füllen sich zumindest teilweise wieder. Was eine Wohltat.

Yummi!
Ich fülle meine Wasserflasche wieder auf und beschließe, fürs erste auf der geplanten Route zu bleiben. Das stellt sich schon nach wenigen Kilometern als großer Fehler heraus. Der Weg führt mich über einen Trail, der mehr an eine Wildschweinsuhle erinnert und schwer zugewachsen ist. Es sind zwar noch Fahrradspuren zu sehen, aber ich kann mich nicht vorstellen, dass hier in den letzten 2 Jahren jemand hergefahren ist. Na toll. Als mich der Track dann noch über eine steile, mit Brennesseln und Dorngebüsch zugewachsene Abfahrt schickt gebe ich auf. Es reicht. Ich kann nicht mehr. Der Körper ist platt, der Kopf rebelliert. Allzulange wird auch das Tageslicht nicht mehr anhalten. Bei Dunkelheit und komplett fertig über Spessart-Trails? Da hätte ich auch gleich ins Minenfeld fahren und mir die Schinderei der letzten 4 Stunden ersparen können.
Die zugewachsene Abfahrt kommt glücklicherweise an einer Straße heraus. Ein kurzer Blick aufs Navi sagt mir, dass die Straße nach Heigenbrücken führt. Ich weiß, dort gibt es einen Bahnhof. Meine Erinnerung sagt mir, dass von dort auch Züge nach Gemünden fahren. Bis Heigenbrücken geht es fast nur bergab und so lasse ich es rollen. Zum Gas geben, wie ich es normalerweise auf Abfahrten liebe, bin ich schon zu platt.
Der Blick auf den Fahrplan sagt mir, dass bald ein Zug fährt. Leider fällt mir erst kurz vor Abfahrt des Zuges ein, dass ich ja noch eine Fahrradkarte brauche. Während ich noch am Automaten stehe, um diese zu kaufen, fährt der Regionalexpress ein und ohne mich wieder ab. Großartig. Die Stimmung erreicht einen Tiefpunkt. Ich sage V. bescheid, dass ich nicht mehr kann und dass der nächste Zug in die richtige Richtung nur bis Lohr fährt. Sie sagt mir zu, dass sie mich dort abholt. Ich nehme einen großen Schluck aus der Wasserflasche und warte. Endlich mal eine gute Nachricht.

Feierabend in Heigenbrücken
Der Zug nach Lohr fährt ein und ich bin etwas verstimmt, weil er aus Modus-Wagen besteht. Die Dinger sind sowieso schon unbequem, selbst wenn man von einem hohen Bahnsteig und mit leichtem Gepäck einsteigt. Muss man aber von einem niedrigen Bahnsteig wie in Heigenbrücken ein beladenes Fahrrad hineinwuchten, ist es eine Tortur. Ich halte nicht viel von Bahn-Bashing, aber das geht mal gar nicht
Als ich in Lohr ankomme, ist V. kurz danach auch da und sammelt mich und das Frankenbike ein und bringt mich nach Gemünden. Nach einer Dusche mache ich mich hungrig über die Spaghetti Bolognese her und genieße ein leckeres Weizen. Anschließend logge ich mich noch kurz bei Komoot ein und plane die nächsten Etappen um. Dann falle ich ins Bett und schlafe sofort ein.
Gefahrene Strecke heute: 82,8 km
Tagesschnitt: 14,1 km/h
Lehre des Tages: Wer bei Naviki als Tourart "Mountainbike-Tour" eingibt, sollte wissen, was er tut!
Das Jahr fing hoffnungsvoll an. Bachelorarbeit schreiben und dann den Sommer genießen, so war der Plan. Ein Wanderurlaub, vielleicht in der Hohen Tatra oder mal wieder in den Alpen sollte es werden. Ein Sportunfall mit gebrochenem Arm machte mir Anfang März dann einen Strich durch die Rechnung. Nach OP und Krankengymnastik reifte in mir der Trotz heran und ich dachte mir "Jetzt erst recht". Ein abendliches Skype-Gespräch mit einer guten Freundin ließ dann die Idee in mir aufkeimen, zu ihr nach Österreich, genauer gesagt ins Waldviertel, zu radeln. Verlockender Gedanke. Von Darmstadt aus ungefähr 740 km Gesamtstrecke, das ist machbar. Die kleine wahnsinnige Stimme in meinem Kopf, die solche Vorhaben grundsätzlich immer gut findet wurde in den nächsten Tagen lauter. Einige Tage später, es war Mai, dann der Entschluss: Das mache ich. Ein neues Mountainbike wollte ich mir dieses Jahr sowieso mal zulegen, so könnte ich es dann gleich mal ordentlich einweihen. Somit wurde diese Tour zu der Möhre, die mich beim Schreiben meiner Bachelorarbeit motivieren und bei der Stange halten sollte.
Ihr kennt doch sicher dieses Comic-Bild vom Esel, dem eine Möhre gerade außer Reichweite vor die Nase gehalten wird, damit er weiter vorwärts läuft. Dieser Esel sollte von nun an ich sein.
Im Juli fand ich dann in den Weiten des Internets das Fahrrad, das auf dieser Tour mein treuer Begleiter sein sollte. Aufgrund seiner teilweise etwas abenteuerlichen Teile-Zusammensetzung hatte es bei mir schnell den Spitznamen "Frankenbike" weg.
Letztlich lief die Abgabe meiner Bachelorarbeit auf den 29.9. hinaus und an eben jenem Tage sollte es dann auch direkt auf große Tour losgehen.
Also mal eben per Naviki die Touren geplant. Später habe ich auch komoot getestet und für besser befunden, aber nicht alle Etappenpläne nochmal neu gemacht. Der erste große Fehler dieser Tour, aber dazu später mehr.
Der Plan sah so aus, am Ende der Etappen möglichst bei Freunden und Bekannten unterzukommen, nur dort wo das nicht möglich ist, wollte ich auf Jugendherbergen ausweichen. Vielleicht habe ich zu leidenschaftlich den Ritt von bemme beim Transcontinental Race verfolgt, jedenfalls wollte ich als lange nicht so trainierter und dann noch mit einem Mountainbike die Strecke in 7 Tagen fahren. Das soll jetzt keine Schuldzuweisung sein, für meine Selbstüberschätzung bin ich allein selbst verantwortlich

Der Bericht wird nicht sehr bildreich, da ich leider meine Kamera vergessen habe und deshalb nur ein paar Bilder mit dem Handy geschossen habe.
Tag 1: 29.9.2014
Start: Darmstadt
Ziel: Gemünden am Main
Möhre des Tages: V. nach über 2 Jahren mal wieder sehen und ein großer Topf Spaghetti Bolognese
Bis ich abgegeben habe ist es kurz vor 11 Uhr. Mein Weg führt mich Richtung Messel aus Darmstadt hinaus. Nachdem ich am Oberwaldhaus vorbei bin und mich auch von der Straße nach Dieburg nördlich entferne, fühle ich zum ersten Mal die Stille des Waldes und mir wird klar: Endlich fertig, endlich Urlaub!
Die Landschaft um Messel herum ist eine Mischung aus Wald und offenen Wiesenstücken, stellenweise fühlte ich mich etwas an meine Kindheitserinnerungen von Urlauben in Südengland erinnert. Das Wetter zeigt sich von seiner guten Seite, also Sonne, aber noch nicht zu warm.

Kurz vor Messel
Hinter dem Messeler Bahnhof der erste kleine Dämpfer: Dort wo mein Track sein sollte, ist eine Mülldeponie. Das fängt ja gut an. Benutzt Naviki nicht OpenStreetMap? Sollten die Daten nicht einigermaßen aktuell sein? So eine Mülldeponie entsteht ja nicht von heute auf morgen *grummel*
Vielleicht war der Weg auch einfach nur so zugewachsen, dass ich ihn nicht gesehen habe. Also erstmal ab in den Wald, Umweg suchen. Der ist auch recht schnell gefunden und nach knapp 2 km bin ich wieder auf der geplanten Route, die hier sehr gut fahrbar über einen geschotterten Waldweg an der Bahnstrecke Richtung Aschaffenburg entlangführt. Einige Kilometer weiter komme ich an einer Stelle vorbei, an der gerade eine Kampfmittelräumungsfirma den Wald mit Metalldetektoren absucht. Überall stehen Schilder, dass das Verlassen der Wege wegen Explosionsgefahr verboten ist. Aber ich will ja die Wege nicht verlassen, ich will vorankommen. So grüße ich nur kurz und fahre weiter. Nach etwa 3 km auf der Nebenstraße Richtung Babenhausen lotst mich das Navi wieder in den Wald und über einen schmalen Trail-Abschnitt. Bin ich da nicht eben an einem Minenfeld vorbeigefahren? Etwas mulmig ist mir schon, aber Fahrradspuren auf dem Boden wecken in mir die Hoffnung, hier nicht zu Biker-Frikassee zu werden. Der Trail an sich ist wirklich schön, dennoch fühle ich mich erst besser, als ich wieder einen Hauptweg erreiche. Zwischen Münster und Eppertshausen unterquere ich eine Bundesstraße und die Bahnstrecke Ober-Roden - Dieburg. Die Brücke über die mich das Navi lotsen will ist wegen Bauarbeiten gesperrt, zum Glück treffe ich einen einheimischen Mountainbiker, der mich bis zur nächsten Brücke begleitet und der schwer beeindruckt ist, als ich ihm von meinem Plan erzähle. Zum Abschied wünscht er mir eine gute Fahrt. Bis Babenhausen verläuft der Weg wunderschön gelegen und flach an der Gersprenz entlang und ich gebe etwas Gas.

Genussradeln an der Gersprenz
Am Ortseingang von Babenhausen treffe ich zwei Radreisende mit schwer bepacken Rädern und mit diversen Aufklebern beklebten Packtaschen, die wohl schon etwas länger unterwegs sind. Die beiden fragen mich nach dem Weg nach Eppertshausen und ich erkläre ihnen, wie sie zu dem Radweg an der Gersprenz kommen, über den ich gerade gekommen bin. Babenhausen hat auch eine echt sehenswerte Altstadt. In all den Jahren, die ich nun schon in Darmstadt wohne, war mir nie bewusst, dass so ein Kleinod quasi direkt vor meiner Haustür liegt. Ich kannte die Stadt bisher nur als Grenzbahnhof, bis zu dem mein Semesterticket gilt.
Im erstbesten Supermarkt der meinen Weg kreuzt hole ich mir etwas zu trinken und zwei Sandwiches zum Mittagessen und setze mich damit auf eine Parkbank neben einem Kinderspielplatz. Noch sehe ich ja recht human aus und muss keine Angst haben, dass jemand die Polizei ruft, wenn er mich an so einem Ort sitzen sieht. Ich habe mich am Morgen sogar noch rasiert!
Hinter Harreshausen fluche ich zum ersten Mal kurz, als ich sehe, dass ein Stück des Weges über losen Sand führt. Aber die 2,4 Zoll-Schlappen meines Bikes bewähren sich hier zum ersten Mal und ich wühle mich überraschend leicht durch diese Wegpassage. Bei Stockstadt quere ich den Main, nun führt mich der Weg am Rande Mainaschaffs und Aschaffenburgs entlang. Bis hierhin alles gut gelaufen. Ich klopfe auf Alu (für Holz hätte ich anhalten müssen), dass es so bleibt, denn ich weiß: Hinter Aschaffenburg wird es bergiger, der Spessart wartet auf mich.
So ist es denn auch, nach dem Durchqueren einer Unterführung unter der A3 geht es gleich mal brutal nach oben, erst auf Asphalt, irgendwann auf Schotter. Nachdem ich den ersten Anstieg überstanden habe, entscheide ich mich für eine Riegelpause. Mein Körper verbrät die durch Nahrung zugeführte Energie wie die EU-Bürokraten Steuergeld. Also erstmal Müsliriegel futtern. Inzwischen ist es früher Nachmittag und brüllend heiß. Und ich habe nur eine Wasserflasche dabei, das kann heiter werden.
Zwei Anstiege weiter ist meine Wasserflasche leer. Ich treffe den örtlichen Förster und frage ihn, ob es irgendwo in der Nähe eine Möglichkeit gibt, Wasser zu kaufen. Er verneint, bietet mir aber den Rest aus seiner Wasserflasche an. Dankend nehme ich an. Die Menschen hier in der Gegend werden mir heute noch einige Male den Arsch retten.
Kurz nach der Begegnung mit dem Förster werde ich für die Strapazen des Anstiegs zum ersten Mal mit einer furiosen Abfahrt auf einer Schotterpiste belohnt. Mountainbiking at its best. Ich verstehe langsam, warum in diversen Mountainbikemagazinen so vom Spessart geschwärmt wird. Blöderweise muss ich aber alles was ich heute runterfahre auch immer wieder hoch. Richtig ärgerlich wird es, als ich mich vor Unterafferbach noch verfahre, weil die Navi-Anweisung freundlich ausgedrückt Mist ist, ich eine Abzweigung übersehe und ich so fast 150 Höhenmeter abfahre, anstatt auf der Höhe entlang. Also wieder hoch und den richtigen Weg nehmen. Puh, das kann ja noch heiter werden. Erste Zweifel, ob ich es heute bis Gemünden schaffe kommen auf.
Am Rande von Unterafferbach frage ich eine junge Mutter mit Kinderwagen nach einem Dorfladen. Sie schickt mich zur örtlichen Bäckerei, die auch ein Tante-Emma-Laden ist. Leider ist hier aber Montags geschlossen. Mist.
Wasserflasche noch halb voll, die Sonne brutzelt wie eh und je. Oberhalb des Ortes ziehe ich mein Merino-Unterhemd aus. Lieber ein stinkendes Trikot als mich ohne Möglichkeit des Wassernachschubs totzuschwitzen.
Weiter geht es durch Wenighösbach und Feldkahl, wo ich schließlich einen Anwohner nach Wasser frage. Er lässt sich gar nicht lange bitten und kommt mit einer vollen Flasche raus. Auch er hält meinen Plan, heute noch nach Gemünden zu fahren für sehr ambitioniert. Allerdings sieht er mir auch eher nicht nach einem Sportler aus. Wie auch immer, ich habe Wasser. Überschwänglich bedanke ich mich und fahre weiter. Vorbei an Rottenberg und Eichenberg geht es über Waldwege und stellenweise auch mal recht schwierige Trails weiter. Und ich merke schnell, dass das Wasser aus Feldkahl nicht lange reicht. Zumal jetzt auch die Wege wieder recht schwierig werden, es geht immer wieder langgezogen bergauf und über rumpelige Wege wieder runter. Ich bin so fertig, dass die Konzentration nachlässt und traue mich nicht mehr, schnell abzufahren. Die Scheibenbremsen am Rad leisten in jeder Abfahrt Schwerstarbeit. Laut Karte nähert sich meine Route einer Landstraße an und begegnet dieser an einer Kreuzung. Ich beschließe, mich dort nach Alternativen umzusehen. Durch so schweres Gelände kann ich mein Tagespensum nicht mehr schaffen, das wird mir langsam schmerzlich bewusst. Ich habe leider im September doch mehr Zeit in einem fensterlosen Computerraum der Uni verbracht als mir lieb war. Auch die Möhre des Tages kann mich jetzt nur noch wenig motivieren.
An der Kreuzung weine ich fast vor Freude. Ein Gasthaus!
Hastig kette ich mein Rad an den nächsten Baum und bevor ich richtig sitze ist das erste alkoholfreie Weizen bestellt. Ich muss mich beherrschen, es nicht sofort auf ex zu trinken. Das tut so unglaublich gut. Zu einem zweiten alkoholfreien Weizen gesellt sich ein leckerer Apfelstrudel mit Vanilleeis. Die schon komplett geleert geglaubten Energiespeicher meines Körpers füllen sich zumindest teilweise wieder. Was eine Wohltat.

Yummi!
Ich fülle meine Wasserflasche wieder auf und beschließe, fürs erste auf der geplanten Route zu bleiben. Das stellt sich schon nach wenigen Kilometern als großer Fehler heraus. Der Weg führt mich über einen Trail, der mehr an eine Wildschweinsuhle erinnert und schwer zugewachsen ist. Es sind zwar noch Fahrradspuren zu sehen, aber ich kann mich nicht vorstellen, dass hier in den letzten 2 Jahren jemand hergefahren ist. Na toll. Als mich der Track dann noch über eine steile, mit Brennesseln und Dorngebüsch zugewachsene Abfahrt schickt gebe ich auf. Es reicht. Ich kann nicht mehr. Der Körper ist platt, der Kopf rebelliert. Allzulange wird auch das Tageslicht nicht mehr anhalten. Bei Dunkelheit und komplett fertig über Spessart-Trails? Da hätte ich auch gleich ins Minenfeld fahren und mir die Schinderei der letzten 4 Stunden ersparen können.
Die zugewachsene Abfahrt kommt glücklicherweise an einer Straße heraus. Ein kurzer Blick aufs Navi sagt mir, dass die Straße nach Heigenbrücken führt. Ich weiß, dort gibt es einen Bahnhof. Meine Erinnerung sagt mir, dass von dort auch Züge nach Gemünden fahren. Bis Heigenbrücken geht es fast nur bergab und so lasse ich es rollen. Zum Gas geben, wie ich es normalerweise auf Abfahrten liebe, bin ich schon zu platt.
Der Blick auf den Fahrplan sagt mir, dass bald ein Zug fährt. Leider fällt mir erst kurz vor Abfahrt des Zuges ein, dass ich ja noch eine Fahrradkarte brauche. Während ich noch am Automaten stehe, um diese zu kaufen, fährt der Regionalexpress ein und ohne mich wieder ab. Großartig. Die Stimmung erreicht einen Tiefpunkt. Ich sage V. bescheid, dass ich nicht mehr kann und dass der nächste Zug in die richtige Richtung nur bis Lohr fährt. Sie sagt mir zu, dass sie mich dort abholt. Ich nehme einen großen Schluck aus der Wasserflasche und warte. Endlich mal eine gute Nachricht.

Feierabend in Heigenbrücken
Der Zug nach Lohr fährt ein und ich bin etwas verstimmt, weil er aus Modus-Wagen besteht. Die Dinger sind sowieso schon unbequem, selbst wenn man von einem hohen Bahnsteig und mit leichtem Gepäck einsteigt. Muss man aber von einem niedrigen Bahnsteig wie in Heigenbrücken ein beladenes Fahrrad hineinwuchten, ist es eine Tortur. Ich halte nicht viel von Bahn-Bashing, aber das geht mal gar nicht

Als ich in Lohr ankomme, ist V. kurz danach auch da und sammelt mich und das Frankenbike ein und bringt mich nach Gemünden. Nach einer Dusche mache ich mich hungrig über die Spaghetti Bolognese her und genieße ein leckeres Weizen. Anschließend logge ich mich noch kurz bei Komoot ein und plane die nächsten Etappen um. Dann falle ich ins Bett und schlafe sofort ein.
Gefahrene Strecke heute: 82,8 km
Tagesschnitt: 14,1 km/h
Lehre des Tages: Wer bei Naviki als Tourart "Mountainbike-Tour" eingibt, sollte wissen, was er tut!
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