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  • StevePeacewalker
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    • 26.06.2011
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    • Meine Reisen

    [CZ] [DE] Auf der Elbe von Decin bis Hamburg

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    Mitreisende
    Flusswandern auf der Elbe

    Im Faltboot vom Elbsandsteingebirge nach Hamburg

    "Touren im deutschsprachigen Raum habe ich eigentlich keine mehr auf meiner Liste.", sagte ich zu meinem Mitpaddler Guido während wir gemeinsam den Allier hinuntertrieben. "Nee, ich auch nicht. Nach all den Kilometern die ich da schon gepaddelt bin, wird das irgendwann ziemlich langweilig. Außerdem sind Tagestouren nicht wirklich mein Ding. An größeren Flüssen gibt es bei uns den Rhein, die Donau und die Elbe. Den Rhein bin ich mal von Karlsruhe bis zu mir heim nach Köln gepaddelt. Oben noch ganz nett aber stellenweise auch verdammt hässlich. Wildzelten kannst du da auch eher schlecht. Die Donau ist auch nichts für mich, jede Menge Staustufen und dann auch noch durch Bayern und Österreich. Aber die Elbe... Ja die Elbe wäre noch ne Maßnahme."


    Unterwegs im Elbsandsteingebirge


    Wir starteten unsere Elbtour in Decin, einem mittelgroßen tschechischen Ort, etwa 15 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt. Guido war kurz vor der Tour plötzlich auf die Idee gekommen, die Tour erst in Dresden zu starten. Er hatte Angst sich beim Umsteigen am Bahnhof seinen Rücken wieder zu beleidigen, der noch von unserer letzten Tour in Italien schmerzte. Mir erschien es aber völlig absurd in Dresden zu starten, da ich unbedingt das Elbsandsteingebirge sehen wollte und die Elbe hinter Dresden bald nur noch durch flaches eintöniges Gelände fließt. Abgesehen davon stellte sich die Frage auch gar nicht, denn es gab einen Nachtzug mit dem Guido von Köln bis nach Decin fahren konnte ohne sich den Strapazen eines Umstiegs stellen zu müssen.



    Blick auf die Elbe in Decin


    Schlauerweise hatte sich der Mann gleich ein Schlafabteil gebucht, während ich aus Kostengründen in einem Sechs-Personen-Abteil anreiste. Zwar waren wir darin nur zu dritt, aber was nützte das schon wenn man die verflixten Sitze nicht flachlegen konnte? Eine Weile kauerten wir alle drei wie die Affen in unseren Sitzen, bis ich schließlich meine Matte auf dem Boden des Abteils ausrollte. Vorher hatte ich bereits versucht im leeren Schaffnerabteil zu schlafen, aus dem ich aber recht schnell wieder verjagt worden war. Ich erwog noch einen Aufenthalt in der Gepäckablage, ließ es dann angesichts der grimmig dreinblickenden Securitys aber doch bleiben. Irgendwann kam der Zug auch in Decin an und das Leiden hatte ein Ende. Diesmal war ich es, der aus dem Zug wankte und sich den schmerzenden Rücken hielt.



    Die grüne Landschaft des Elbsandsteingebirges


    Als Guido zwei Stunden später ankam machten wir uns gleich auf den Weg hinunter zur Elbe. Diese ist hier noch ein verhältnismäßig überschaubarer Fluss und fließt mit rascher Strömung in ihrem engen Bett. Der Aufbau der Boote ging diesmal schon wesentlich besser von der Hand. Die aufmüpfigen Spanten meines Nortik Argo wurden in weiser Voraussicht gleich mit Kabelbindern festgezurrt. Guido war diesmal mit seinem Folbot Cooper unterwegs. Sein Argo war ab Werk undicht gewesen und befand sich bereits seit nunmehr zwei Monaten in Reparatur. Die Elbe schlängelte sich durch die Hügel des Elbsandsteingebirgens wie ein braunes Band. Diese Landschaft ist zwar durchaus schön, doch der Fluss wirkte auf mich wie ein von Hügeln und Häusern gesäumter Kanal der von Eisenbahnschienen und Straßen begleitet wird.



    Abendstimmung in unserem ersten Camp


    Am ersten Abend stellten wir unser Lager am Rande einer Wiese auf. Wildzelten im Elbsandsteingebirge ist gar nicht so einfach, da das Tal neben den Gleisen und der Straße wenig Platz bietet. Abends lagen wir zufrieden in unseren Zelten und erholten uns von der Anreise. "Guido, wir kriegen Besuch!", rief ich meinem Zeltnachbarn zu, als zwei Fahrzeuge wenige Meter neben unseren Zelten zum Stehen kamen. "Super, irgendwelche Jugendlichen die sich hier jetzt die ganze Nacht lang die Birne zusaufen, das hat uns jetzt noch gefehlt." Als das Gelage schon im vollen Gange war, schnappte ich mir irgendwann mein Zelt mit sämtlichen Inhalt und machte mich aus dem Staub. Dreißig Meter weiter baute ich es wieder auf und konnte endlich in Ruhe schlafen.



    Schloss Pillnitz an der Elbe


    "Hab gar nicht mitgekriegt wie du gestern Abend abgehauen bist.", grinste Guido am nächsten Morgen beim Frühstück. "Hab noch einige Zeit lang durch die Zeltwand mit dir kommuniziert. Als keine Antwort kam war ich ziemlich verwundert wie du beim Lärm schon hast einschlafen können. Gottseidank fing es wenig später richtig an zu schütten und die Bande hat die Flucht ergriffen. Der eine Kasper kam mit seinem Auto kaum noch aus der Wiese raus weil die Räder durchgedreht haben. Habe schon befürchtet dass letztenendes noch der Abschleppdienst anrücken muss." Auf diesem Flussabschnitt waren noch jede Menge Paddler unterwegs. Bei den meisten handelte es sich allerdings um Leihbootfahrer die dem Flusslauf nur bis Dresden folgen wollten. Die Landschaft wurde langsam flacher und gegen Abend kamen wir in Dresden an.



    Blick auf das historische Zentrum Dresdens


    Wir quartierten uns bei einem Kanuverein ein und machten einen Tag Pause in dieser wunderschönen Stadt. Das immer wieder als "Elbflorenz" bezeichnete Dresden wurde im zweiten Weltkrieg durch Bombenangriffe der Alliierten schwer in Mitleidenschaft gzogen. In jüngster Vergangenheit wurden jedoch zahlreiche Restaurierungsmaßnahmen in die Wege geleitet wie zum Beispiel der Wiederaufbau der Frauenkirche. Der Besuch von Dresden hat sich für mich mehr als gelohnt. Leider verfinsterte sich während meiner Besichtigung plötzlich der Himmel und kurz darauf schüttete es wie aus Kübeln. Während sich das Wetter draußen austobte, betrat ich zum ersten Mal in meinem Leben eine Globetrotter Filiale und war tief beeindruckt. Guido war beim Kanuclub geblieben um an seinem Faltboot herum zu basteln. Aus unerklärlichen Gründen waren plötzlich die Luftschläche seines Gefährts undicht geworden. Der Kerl ist mit seinen Booten wirklich vom Pech verfolgt.



    Historische Altstadt Dresdens.


    Am nächsten Tag ließen wir Dresden hinter uns und setzten unsere Reise auf der Elbe fort. Nachdem das langgezogene Stadtgebiet endlich zu Ende war, wurde die Landschaft wieder richtig schön. Die Flussufer sind hier teilweise dicht bewaldet, grasende Kühe und vorbeiziehende Weinberge sorgten für zusätzliche Abwechslung. Am Abend kamen wir bei einem Kanuclub in Meißen unter. Der Platzwart erzählte uns von dem furchtbaren Hochwasser welches hier im letzten Jahr gewütet hatte und schüttelte traurig seinen weißen Schopf. "Das Problem ist dass man die Stadt kaum schützen kann. Selbst wenn man sie von vorne vom Wasser abriegeln würde, direkt daneben mündet ein Bach in die Elbe und wenn der auch überläuft kommt das Wasser von vorne und von hinten."



    Stadtgebiet von Meißen.


    Wir schlenderten noch ein wenig durch die Altstadt von Meißen doch Guido verlor schon bald die Lust und kehrte zum Kanuclub zurück. Die Nacht wurde wieder ziemlich laut da sich direkt neben dem Verein eine Art Skaterbahn befand. "Lass uns heute wieder wildzelten.", sagte ich am nächsten Morgen zu Guido. "Ich will jetzt endlich wieder einmal in Ruhe schlafen." Gegen Mittag passierten wir den letzten Ausläufer des Elbsandsteingebirges und erreichten die norddeutsche Tiefebene. Hier schlug uns das erste Mal heftiger Wind entgegen, der nun bis zum Ende der Tour unser ständer Begleiter werden sollte. Zwischen Dresden und dem Elbsandsteingebiege hatte reger Ausflugsschiffsverkehr geherscht, von dem nun schlagartig nichts mehr zu spüren war.



    Blick auf die Elbe unterhalb von Meißen


    Durch die norddeutsche Tiefebene

    Abends fanden wir einen vermeintlich guten Lagerplatz. Guido weigerte sich jedoch standhaft hier zu bleiben da es sich seiner Meinung nach um eine Schafweide handelte. "Mir ist alles egal, aber Schafe, da habe ich keine Lust drauf. Außerdem warst du es doch der wieder mal in Ruhe schlafen wollte." Ein wenig später fanden wir einen Lagerplatz der grundsätzlich optimal gewesen wäre. Leider war am gegenüberliegenden Ufer irgendwo eine Veranstaltung mit volkstümlicher Musik und so wurden wir schließlich von Helene Fischer & Co. in einen unruhigen Schlaf gesungen.



    Zu Gast beim Kanuclub Torgau.


    Die Elbe durchfloss nun eine sehr ruhige Gegend. Ihre Ufer wurden von Buhnen gesäumt hinter denen sich große Mengen von Sand abgelagert hatten. Riesige Schafherden wanderten über die Wiesen und ich war froh dass es noch nicht an der Zeit war ein Lager zu suchen. Am Abend kamen wir beim Kanuclub in Torgau unter. Ich unternahm noch einen kleinen Stadtbummel während Guido mit einem jungen Radfahrer diskutierte ob Pution denn nun ein lupenreiner Diktator, oder ein lupenreiner Demokrat sei. Während der Fluss immer größer wurde blieb die Landschaft gnadenlos fad und unspektakülär. Eine Buhne sah aus wie die nächste und am Abend hatten wir oft das Gefühl kaum vorwärts gekommen zu sein. Guido stöhnte: "Schönster Weitwanderfluss Deutschlands, mein lieber Herr Gesangsverein. Aber jetzt ist es zu spät um herum zu jammern, da müssen wir jetzt durch."



    Gute Zeltmöglichkeiten auf Sandbänken.


    Allerdings hatte die Elbe auch ihre guten Seiten. Die Landschaft um den Fluss war angenehm ruhig und hinter den Buhnen fanden sich große Sandanhäufungen auf denen man immerhin ganz passabel zelten konnte. Der Wind war nun unser ständiger Begleiter. Er blies uns tagsüber um die Ohren und rüttelte in der Nacht an unseren Zelten. Die Nächte waren bereits recht kühl und auch morgens beim Frühstück saßen wir oft stocksteif vor unseren Zelten. Am nächsten Tag lenkte Guido plötzlich panisch sein Boot in den Schutz einer Buhne. Er hatte weiter flussabwärts ein Boot der Wasserschutzpolizei erspäht. Entgegen der geltenden Vorschrift waren unser Boote nicht gekennzeichnet und die Vorstellung deswegen zwanzig Euro locker machen zu müssen, trieb Guido die Schweißperlen auf die Stirn.



    Spaziergang durch die Altstadt Wittenbergs.


    Erst nach einer halben Stunde des guten Zuredens konnte ich meinen völlig verstörten Mitpaddler schließlich zur Weiterfahrt bewegen. Gegen Mittag erreichten wir das Stadtgebiet von Wittenberg wo wir uns abermals bei einem Bootsclub einquartierten. Guido übernahm stets die Anmeldeformalitäten ebenso wie die Kommunikation mit den Eingeborenen. Leider waren fast sämtliche Sehenswürdigkeiten Wittenbergs hinter großen Gerüsten verschwunden. Im Jahr 2017 ist es genau 500 Jahre her dass Luther seine Thesen an das Portal der Schlosskirche geschlagen hat und bis zur Jubiläumsfeier muss die Stadt dementsprechend aufpoliert werden.



    Abendliche Kochzeremonie auf Sandbank.


    Während unserer Reise fochten Guido und ich regelmäßige und teils sehr hitzige Diskussionen über die Qualität der Ufergastronomie aus. Während Guido das Essen als "deutsche Hausmannskost" bezeichnete, war ich über Reis mit Mayonese und Wassermelone als Beilage zum Schnitzel doch einigermaßen schockiert. Das Wetter wurde mit jedem Tag unfreundlicher. Regenschauer fegten über das Land und auch der Wind blies uns ununterbrochen um die Ohren. Schließlich erreichten wir Magdeburg was in etwa die Hälfte der Gesamtstrecke ausmachte. Dort quartierten wir uns bei einem Kanuclub ein, der an einem Altarm der Elbe lag. "Ich warne dich gleich mal vor dass es sich hierbei um eine verdammt hässliche Stadt handelt.", hatte mich Guido schon im Vorfeld der Tour gewarnt.



    Hundertwasserhaus in Madgdeburg.


    Magdeburg war zugegebenermaßen alles andere als eine Perle. Während unseres Spaziergangs durch die Stadt bekam Guido dann plötzlich Probleme mit seinem Fuß und musste im hiesigen McDonalds mit Eis und Kaffee wieder aufgepäppelt werden. Als wir am nächsten Tag weiterpaddelten sah die Stadt, aus der Flussperspektive betrachtet, eigentlich ganz hübsch aus. Die Elbe wird hier in einen engen Kanal gepresst. Dementsprechend stark war auch die Strömung und hohe Wellen schlugen uns entgegen. Wenig später überquerte der Mittellandkanal den Fluss welcher die längste künstliche Wasserstraße Deutschlands ist. Dieser Kanal verbindet das Land mit den Niederlanden, Belgien, Luxemburg, Frankreich und der Schweiz auf der einen, sowie mit Polen und Tschechien auf der anderen Seite.



    Blick auf den Hafen von Tangermünde.



    "Lass uns in den Hafen paddeln und beim örtlichen Bootsclub um Quartier fragen.", schlug Guido vor als wir uns dem Hafen von Tangermünde näherten. Eigentlich hatten wir wildzelten wollen, aber das Wetter war derart unangenehm dass keiner von uns wirklich scharf darauf war. Wir durften in einem Raum des Bootshauses auf dem Boden schlafen und in weiser Voraussicht legte ich mich gleich in den Aufenthaltsraum um Guidos Geschnarche nicht die ganze Nacht ertragen zu müssen. Neben uns waren noch zwei weitere Paddler anwesend und einer von ihnen sagte beim Abendessen: "Irgendetwas von eurem Zeug stinkt da ganz bestialisch. Wäre schön wenn ihr das noch entfernen könntet." "Das habe ich auch schon gemerkt.", sagte Guido. "Habe gleich das Fenster aufgemacht, wahrscheinlich ist das irgendwas von unsere Klamotten." "Die sind aber auch empfindlich.", sagte er später zu mir. "Der eine Opa hat ja gleich ganz böse gekuckt als wir nach unserer Ankunft nicht gleich Duschen gegangen sind."



    Das Rathaus von Tangermünde.


    Irgendwann in der Nacht flüchtete dann auch einer der anderen beiden aus dem Schlafraum und verbracht die Nacht in einer der Garderoben. "Bist du auch vor deinem schnarchenden Kumpel geflüchtet?", fragte er mich am nächsten Morgen. "Das ist ja n'lebendes Sägewerk." Und sein älterer Mitpaddler fügte hinzu: "Und das allerschlimmste war sein verflixter Kopfpolster der die ganze Zeit geknirscht hat." (Guido schläft stets mit dem Kopf auf einem leeren Plastikweinschlauch.) "Aber hauptsache er schläft mit Ohrstöpseln! Eigentlich hätte er abhauen müssen. Wenn wir nochmal mit euch wo übernachten müssen, kriegt er 'ne Ansage!" An dieser Stelle sei noch vermerkt dass der Balkon des Clubhauses eine heimtückische Falle ist. Als ich morgens zum Fotografieren hinausging musste ich feststellen, dass die Tür wenn mal erst draußen war von außen nicht mehr zu öffnen ist. Gottseidank musste ich nur eine halbe Stunde draußen in der Kälte fristen bis mich wieder jemand hinein ließ.



    Ortskern von Tangermünde.


    Tangermünde entpuppte sich übrigends als sehr sehenswerte Stadt. Der Ortskern besteht zum Großteil aus Backsteinarchitektur und einigen hübschen Fachwerkhäusern. Am liebsten wären wir gar nicht wieder aufgebrochen denn der Wind hatte nun seinen Höhepunkt erreicht. Mittags machten wir eine kurze Pause in einem Gehölz, doch die Böen waren so stark, dass wir es nicht lange aushielten. Gegen Abend verfinsterte sich schließlich der Himmel und das Wasser nahm die Farbe von Quecksilber an. Ich sah noch eine Art Druckwelle übers Wasser jagen und der Wind traf mich seitlich wie eine Faust. Mit beiden Händen klammerte ich mich an mein Paddel um zu verhindern dass es mir aus der Hand gerissen wurde. "Lass uns anlanden!", brüllte Guido von hinten. "Diese Böen schmeißen uns noch um! Sind wir hier im Naturschutzgebiet?" "Negativ.", gab ich zurück. "Und wenn, dann ist mir das jetzt auch egal ich bin doch nicht so bescheuert und fahre in diesen Sturm."



    Nach einem heftigen Regenguss färbt sich der Himmel wieder blau.



    Schließlich fanden wir ein Lager auf einer Sandbank und verkrochen uns sogleich in den Zelten. Das Wetter wurde zwar wieder besser aber keiner von uns hatte Lust bei dieser Kälte draußen herum zu sitzen. Auch am nächsten Tag waren die Verhältnisse unverändert. Wir setzten unseren Weg durch die Ebene fort, ließen Wittenberge rechts liegen und versuchten erneut ein Camp zu finden. Leider fehlten hier die sonst zahlreich vorhandenen Sandbänke. Guido hatte schließlich keine Lust mehr und steuerte ein kleines Gehölz an. "Sieht nicht schlecht aus hier drin, aber da ist irgendetwas auf dem Boden." "Das kannst du vergessen! Hier bleibe ich sicher nicht! Das ist doch alles total zugeschissen hier!", murrte ich wütend und deutete auf die braunen Kugeln, die in kleinen Häufchen den Boden großflächig bedeckten. "Ach das ist doch bestimmt was anderes, vielleicht Samen von irgendwelchen Bäumen.", versuchte mich Guido zu beschwichten. "Also wenn das hier keine Scheiße ist, was soll das sonst sein?", knurrte ich Guido an und hielt ihm ein paar der braunen Pellets unmittelbar unter die Nase. "Ist ja gut! Ist ja gut!!! Lass uns weiterfahren.", lenkte er schließlich ein. Wenig später ging er erneut an Land. "Genau das gleiche hier! Wahrscheinlich sind das irgendwelche Ziegen- oder Schafweiden.



    Camp im Schutz der Ufervegetation.


    Letztendlich fanden wir doch noch einen geigneten Platz. Wir konnten gerade noch in unsere Zelte flüchten als es auch schon wie aus Eimern zu gießen begann. Als ich am nächsten Morgen meine Augen aufschlug fielen Sonnenstrahlen durch die Zeltwand. Der Wind hatte jedoch keineswegs abgeflaut, er rüttelte stärker den je an unseren Zelten. "Das sieht echt übel aus!", rief ich Guido durch die Zeltwand zu. Die Elbe türmte hohe Wellen auf und weiße Schaumkronen tanzten auf dem Wasser. An diesem Tag war der Wind so stark, dass schon das Anheben des Paddels mit einer extremen Kraftanstrengung verbunden war. Es gab immer wieder so genannte "Hot-Spots" an denen der Wind so stark war, dass wir kaum gegen ihn ankamen. Diese Bereiche wechselten sich regelmäßig mit ruhigeren Passagen ab, in denen wir uns wieder erholen konnten. Am Abend fegten dann noch zwei Regenschauer über uns hinweg. Guido war so weit zurückgefallen, dass ich ihn nicht mehr sehen konnte. Einige Zeit später wurde mir langsam kalt vom Warten auf dem Fluss und als ich eine geeignete Stelle fand, baute ich gleich mein Zelt auf. Guido kam einige Zeit später an. Er hatte sein Ladegerät in einer Kneipe unterwegs liegen lassen und war noch einmal zurück gelatscht um es zu holen. Am Abend verzogen sich dann überraschend die Wolken und wir konnten den Tag in der Abendsonne ausklingen lassen.



    Einer der wenigen sonnigen Abende.



    Die Elbe war mittlerweile zu einem breiten Fluss angeschwollen, den Schiffsverkehr konnten wir allerdings immer noch an unseren Händen abzählen. Abends steuerten wir den Hafen von Hitzacker an. Der Hafenmeister bot uns an direkt im Hafengelände unsere Zelte aufzubauen. Abgesehen von dem kleinen Kahn auf dem er sein Büro hatte, herrschte im Hafenbecken jedoch gähnende Leere. Wir erkundeten das Ortsgebiet von Hitzacker und kehrten auf "Hiddos Arche" ein, einer schwimmenden Kneipe die am örtlichen Fluss vor Anker liegt. Als wir am nächsten Tag unsere Boote beluden fielen uns gleich die vielen Krebspanzer auf, die hier überall herumlagen. Dabei handelte es sich um die Überreste chinesischer Wollhandkrabben. Die Larven dieser Tiere wurden vor langer Zeit im Ballastwasser von Schiffen eingeschleppt. In den Flüssen Deutschlands fanden sie so gute Lebensbedinungen, dass in den dreißiger Jahren bereits 500 Tonnen von ihnen aus der Elbe gefischt wurden. Um ihre Eier abzulegen wandern die Tiere von den Flüssen zurück ins Meer. Wehre und andere Hindernisse werden entweder überklettert oder über den Landweg umgangen. In Norddeutschland und Holland wird die Wollhandkrabbe vereinzelt in Aquakulturen für den Verzehr gezüchtet.



    Alleine im Hafen von Hitzacker.


    Der Wind ließ nun wieder nach und so kamen wir in den darauf folgenden Tagen gut vorwärts. Auf unserem Weg nach Hamburg machten wir Pause in netten niedersächsischen Dörfern hinterm Deich und froren uns abends in unseren Camps den Hintern ab. Die Strömung nahm nun stetig ab, dafür waren immer mehr Schiffe auf dem Fluss unterwegs. Einige der Frachter warfen äußerst unangenehme Wellen und langsam hatten wir die Nase voll. Als wir am Abend völlig erschöpft in Geesthacht ankamen wollte keiner von uns mehr weiterfahren. "Da drüben ist ein Campingplatz, ich schaue mal ob wir die Tour hier beenden können.", sagte Guido und schlenderte davon. Irgendwie war es mir trotzdem nicht recht bereits hier aufzuhören, da Hamburg nur mehr knapp 20 Kilometer entfernt und damit zum Greifen nahe war. Ich überlegte gerade wie ich Guido umstimmen könnte, da kehrte dieser bereits zurück. "Dieser Campingplatz ist nur für Wohnmobile, wir fahren weiter.", sagte Guido und auch ihm war anzusehen, dass er darüber eigentlich ganz froh war.


    Endspurt nach Hamburg


    Wir kletterten wieder in unsere Boote und näherten uns der Schleusenkammer der Staustufe Geesthacht. Dieses Kraftwerk ist das Größte seiner Art in ganz Norddeutschland. Alleine der Wartebereich vor der Schleuse hat gigantische Ausmaße und wir kamen uns zwischen den großen Schiffen reichlich verloren vor. Also postierten wir uns erstmal am Rand des Beckens und warteten bis die Schleuse zur Einfahrt freigegeben wurde. Nachdem die motorisierten Schiffe allesamt in die Schleuse eingefahren waren, sahen wir unsere Zeit als gekommen und preschten hinterher. Dabei entdeckten wir, dass es links vor der Schleuse einen eigenen Wartebereich für den Sportbootverkehr gibt, den wir von weiter hinten nicht gesehen hatten. Die Schleusung selbst nahm etwa eine halbe Stunde in Anspruch und verlief völlig problemlos. Unmittelbar hinter dem Kraftwerk quartierten wir uns am linksufrig gelegenen Campingplatz Stove ein.



    Campingplatz Stover Strand.


    Dieser entpuppte sich als Platz der allerschlimmsten Sorte. Ein Meer aus Wohnmobilen dehnte sich in alle Richtungen aus und um zur Rezeption zu kommen, musste man schon ein ganzes Stück marschieren. Wir bauten unser Lager zwischen ein paar Bäumen auf, der einzige Ort wo keine Wohnmobile hinkonnten. Dafür wurde der Ort dem Geruch nach zu schließen vermehrt als Hundeklo verwendet. "Ich bin mir nicht sicher ob die elf Euro für diesen Platz gerechtfertigt waren.", murrte Guido. Wir hatten vorher noch mit dem Gedanken gespielt direkt hinter der Schleuse unsere Zelte aufzubauen. Nun war es allerdings nicht mehr zu ändern und im Schutz der Bäume schliefen wir dann eigentlich auch recht gut. Auf den letzten Kilometern bis Hamburg fuhren wir mit der Tide im Rücken zwischen einigen mehr oder weniger großen Schiffen.

    Da wir uns stets außerhalb der Fahrrinne hielten konnten wir trotzdem entspannt paddeln ohne um unser Leben fürchten zu müssen. Die Elbe verläuft hinter Geesthacht zwischen hohen Deichen und ist landschaftlich genau so unspektakulär wie davor. Beim WV Süderelbe, wenige Kilometer vor der Trennung zwischen Nord- und Süderelbe hoben wir unsere Boote schließlich ein letztes Mal aus dem Wasser. Als wir dort ankamen herrschte jedoch gerade Ebbe und als ich aus meinem Boot stieg versank ich bis zu den Knien im stinkenden Schlick. Guido weigerte sich überhaupt sein Boot zu verlassen und steuerte schließlich eine flussaufwärts liegende Buhne an um sich nicht die Füße schmutzig zu machen. Der Schlick der hier zu Tage kam war allerdings wirklich eine ziemliche Sauerei. Ich hatte alle Hände voll zu tun mein Boot für den Transport wieder halbwegs sauber zu bekommen.



    Ende der Tour beim WV Süderelbe.



    Das Wetter spielte mittlerweile derartig verückt dass wir bestimt vier Mal in die Zelte flüchten mussten bevor wir unsere Boote endlich verladefertig hatten. Die Nacht verbrachten wir noch auf dem Zeltplatz und am nächsten Tag ließen wir uns mit dem Taxi nach Hamburg kutschieren. Es war gar nicht so einfach jemanden zu finden der bereit war uns von hier abzuholen, doch bei einer Harburger Taxigesellschaft hatte Guido dann doch Erfolg. Die Dame brachte uns direkt zur Jugendherrberge "Auf dem Stintfang" wo uns Guido für drei Nächte einquartiert hatte. Wir verbrachten noch ein paar tolle Tage in Hamburg und auch das Wetter war uns nun wieder mehr als hold. Obwohl die Elbe landschaftlich wenig abwechslungsreich und das Wetter meist lausig war, hat uns die Tour viel Spaß gemacht. Wir haben zahlreiche nette Orte besichtigt, die Gastfreundschaft zahlreiche Kanuclubs in Anspruch genommen und auch die Ufergastronomie ohne all zu große Schäden überlebt.




    Im Faltboot auf der Elbe


    Videoporträt unserer Reise in den Norden


  • Gast-Avatar

    #2
    AW: [CZ] [DE] Auf der Elbe von Decin bis Hamburg

    Sehr schön, hat mir gefallen! Schön auch, dass meine Heimatstadt (und Gegend) gewürdigt wurde.

    Die Elbe mit Faltboot habe ich noch nicht geschafft, steht aber auf meiner langen Liste. Immerhin bin ich früher öfter zwischen Dresden und Elbsandsteingebirge gerudert.

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    • November
      Freak

      Liebt das Forum
      • 17.11.2006
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      • Meine Reisen

      #3
      AW: [CZ] [DE] Auf der Elbe von Decin bis Hamburg

      Wir sind neulich auch zwischen Bad Schandau (Elbsandsteingebirge) und Dresden unterwegs gewesen. Als sehr lästig empfand ich den Verkehr von Motorbooten und Ausflugsschiffen auf dem Fluss.
      Die Elbe unterhalb Dresdens würde mich durchaus auch mal interessieren.
      Wer sich nicht in Gefahr begibt, kommt darin um.

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      • kanuwanderer
        Gerne im Forum
        • 14.03.2011
        • 58
        • Privat

        • Meine Reisen

        #4
        AW: [CZ] [DE] Auf der Elbe von Decin bis Hamburg

        Hallo,
        vielen Dank für den interessanten Bericht. Hättet ihr eigtl. die Möglichkeit gehabt, jedesmal an Wassersportvereinen oder Campingplätzen zu nächtigen ? Das Wildcampen ist eher nicht so mein Ding in Deutschland. Für den Notfall ja, aber ansonsten geniesse ich gern abends den Luxus einer Dusche, etc.

        VG
        Thorsten

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        • Biki
          Erfahren
          • 10.12.2010
          • 328
          • Privat

          • Meine Reisen

          #5
          AW: [CZ] [DE] Auf der Elbe von Decin bis Hamburg

          Wir waren letztes Jahr Pfingsten auf der Elbe unterwegs. Wegen des durchwachsenen Wetters sind wir jede Nacht bei einem der Kanuvereine untergekommen und konnten dort auch die Räumlichkeiten nutzen. Einmal wollten wir gerne wild übernachten, das war dann auch schön und das Wetter an dem Abend passend.
          http://bikibike.wordpress.com/

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          • Mika Hautamaeki
            Alter Hase
            • 30.05.2007
            • 3979
            • Privat

            • Meine Reisen

            #6
            AW: [CZ] [DE] Auf der Elbe von Decin bis Hamburg

            Danke für den Bericht die realistische Einschätzung der Landschaft etc.
            So möchtig ist die krankhafte Neigung des Menschen, unbekümmert um das widersprechende Zeugnis wohlbegründeter Thatsachen oder allgemein anerkannter Naturgesetze, ungesehene Räume mit Wundergestalten zu füllen.
            A. v. Humboldt.

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            • StevePeacewalker
              Erfahren
              • 26.06.2011
              • 247
              • Privat

              • Meine Reisen

              #7
              AW: [CZ] [DE] Auf der Elbe von Decin bis Hamburg

              Zitat von kanuwanderer Beitrag anzeigen
              Hallo,
              vielen Dank für den interessanten Bericht. Hättet ihr eigtl. die Möglichkeit gehabt, jedesmal an Wassersportvereinen oder Campingplätzen zu nächtigen ? Das Wildcampen ist eher nicht so mein Ding in Deutschland. Für den Notfall ja, aber ansonsten geniesse ich gern abends den Luxus einer Dusche, etc.

              VG
              Thorsten
              Servus Thorsten,

              du kannst jeden Tag bei einem Kanuklub übernachten wenn du deine Etappen dementsprechend planst. Die Elbe verfügt über gute Infrastruktur, unterhalb von Meißen finden sich auch viele schöne Zeltplätze auf Sandbänken hinter den Buhnen.

              LG

              Steve

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              • eisen
                Erfahren
                • 03.10.2005
                • 331
                • Privat

                • Meine Reisen

                #8
                AW: [CZ] [DE] Auf der Elbe von Decin bis Hamburg

                Zitat von StevePeacewalker Beitrag anzeigen
                Die Elbe verläuft hinter Geesthacht zwischen hohen Deichen und ist landschaftlich genau so unspektakulär wie davor.
                Schon bei eurer Italientour habe ich mich gewundert, mit welch stoischen Ausdauer ihr so breite und, hm, relativ ereignisarme Flüsse paddelt. Respekt geht raus. Und auch bei diesem Bericht habe ich mich wieder köstlich über all die kleinen Geschichten amüsiert, die dem Dream-Team Guido & Steve passiert sind. Mehr langweilige Flüsse bitte! ;)

                Grüsse,
                Eisen

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                • StevePeacewalker
                  Erfahren
                  • 26.06.2011
                  • 247
                  • Privat

                  • Meine Reisen

                  #9
                  AW: [CZ] [DE] Auf der Elbe von Decin bis Hamburg

                  Zitat von nele85
                  Cooler Bericht, geschrieben wie'n Roman, liest sich richtig gut!
                  Find euer Video übrigens auch sehr sehr schön, darf ich fragen, welche Kamera du benutzt wenn du im Kanu bist? Sehr tolle Bilder!
                  Danke für eure netten Worte, im Boot habe ich mit einer GoPro Hero 3 gefilmt, an Land mit einer Canon Eos 600D & 15 - 85 Objektiv von Canon. Die Videos verlieren durchs digitale Stabilisieren deutlich an Schärfe, ist mir aber noch lieber als verwackelte Aufnahmen. Bis jetzt hatte ich noch keine Lust ein Stativ durch die Gegend zu schleppen.

                  Kommentar


                  • Flummi87
                    Erfahren
                    • 31.07.2014
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                    • Meine Reisen

                    #10
                    AW: [CZ] [DE] Auf der Elbe von Decin bis Hamburg

                    Ich ziehe etwas später nach:

                    Schöner Bericht mit tollen Bildern und amüsanten Schilderungen! Gerne mehr davon.

                    Ich muss hier nochmal editieren:
                    Ich hab mich mal auf deiner Seite und deinem YouTube Kanal umgesehen...tolle Reisen! Mein persönlicher Favorit ist "Vom Lago Magiore bis Venedig" - Das Video ist auch toll gemacht.
                    Zuletzt geändert von Flummi87; 09.02.2015, 17:53.

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                    • Atze1407
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                      • 02.07.2009
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                      #11
                      AW: [CZ] [DE] Auf der Elbe von Decin bis Hamburg

                      Danke für den Bericht und das Video.
                      Wenn du den Charakter eines Menschen kennenlernen willst, gib ihm Macht.
                      Abraham Lincoln

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