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Bequem unterwegs in Schottland: April 2013
Vorab: Das hier ist kein Trekking-Reise-Bericht. Hier wird viel Auto gefahren und in Häusern übernachtet. Es gibt keine Abenteuer, wenig Erschöpfung, keine Zeltplatzsuche. Dafür gibt es um so mehr schlechtes, richtig schlechtes Wetter. Der kälteste Frühling seit 1979, sagt die BBC. Ich glaube es ihnen nur zu gerne. Dazu Sturm, Regen, Hagel, Schnee… Ich hatte zwar nur so eine vage Vorstellung von dem, was ich machen wollte, aber zelten gehörte definitiv dazu. Nun ja, ab und zu bekam das Zelt frische Luft.
Was ich damit sagen will: Wer hier einen Reisebericht wie z.B. meinen Knoydart-Bericht von 2010 erwartet, möge doch gleich einen anderen Thread lesen. Das hier ist eher ein Schottland-Bericht für Softies, Fußkranke und dergleichen. Wie ich es jedoch geschafft habe, mir trotzdem das rechte Knie zu schrotten (gerissener Außenmeniskus und angerissenes Kreuzband, mit diversen Neben-Wehwehchen), ist mir schleierhaft.
Noch mehr Vorgeplänkel:
Normalerweise bin ich in Schottland zu Fuß und mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs. Zumindest bei den Reisen ohne Mr Borderli. Unter diesen Voraussetzungen plane ich auch diesen Urlaub. Den Flug von Frankfurt nach Aberdeen buche ich, als ich im letzten Herbst mit Mr Borderli in Lochinver bin. Lufthansa hatte ein Angebot, dem ich nicht widerstehen konnte. Nun gut, der Flug ist da, die Planung hat ja noch etwas Zeit. Im Winter gehe ich in die Detailplanung - der Nordwesten soll es werden, irgendwie von Lochinver rauf zur Sandwood Bay, davor noch einige Schlenker in Assynt. Nach einem ausgiebigen Studium der Busverbindungen dort oben stelle ich fest: Nein, so ist das nicht machbar. Da müsste ich viel auf Straßen laufen, oder mich mit einem einzigen Bus am Tag arrangieren. Das ist mir alles viel zu umständlich. Ich schiebe die Planungen zur Seite und überlege, was ich sonst noch machen will. Ein Blick auf die to-do-Liste zeigt mir, dass ich einige Punkte abhaken könnte, wenn ich mit dem Auto unterwegs wäre. Der Gedanke setzt sich hartnäckig fest. Irgendwann, nach ein paar besonders frustrierenden Wochen im Büro, sage ich mir: „Tu dir was Gutes, miete dir ein Auto, und mache dir eine schöne Zeit!“. Bevor ich es mir anders überlegen kann, buche ich einen Mietwagen ab Aberdeen Airport. In den letzten Wochen vor dem Abflug kommen mir manchmal Bedenken: Bin ich inzwischen so ein „Softie“ geworden? Urlaub mit Auto - das ist doch nichts für mich. Oder etwa doch? Ach was, denke ich, ich mache das einfach.
Viel Zeit investiere ich nicht in die Planung. Da ich nur auf die Lufthansa-Gewichtsbeschränkung (20kg plus Handgepäck sind schon recht viel) achten muss, und nicht darauf, was mein oller Rücken schleppen kann, packe ich jede Menge Wanderkarten ein, und dazu noch ein paar kleine Büchlein mit Touren in den verschiedensten Regionen. Nach so vielen Jahren Schottland-Reisen ist mein Regal ganz gut bestückt. Ich lasse alles auf mich zukommen. Lediglich ein paar Übernachtungen in der Nähe von Fort William buche ich vor; das B&B in das ich will, hat nur zwei Einzelzimmer, da gehe ich auf Nummer sicher.
Die einzige Planung, die sonst noch fest ist, ist ein Treffen in Aviemore mit Rainer und Stompy. Die beiden beenden ihre Wanderung dort an meinem Anreisetag.
Jetzt aber - die Reise geht los.
Wie immer bin ich viel zu früh am Flughafen. Nun gut, der Frankfurter Flughafen ist groß, und ich kann mein Gepäck jederzeit abgeben. Ich laufe herum, kaufe mir eine Zeitung, sitze herum, betreibe „people watching“, und bekomme Hunger. Daheim habe ich angesichts der frühen Stunde nicht gefrühstückt. Dann überlege ich mir, dass es im Flugzeug sowieso etwas zu essen gibt. Mein Magen muss noch etwas warten. Es wird Zeit, das Gate aufzusuchen. Dort erfahre ich, dass der Flieger voraussichtlich eine halbe Stunde Verspätung hat. Es hätte schlimmer kommen können. Aus der halben Stunde wird eine ganze Stunde. Am Flugzeug muss ich das Handgepäck abgeben; selbst der kleine Tagesrucksack ist zu groß für die Gepäckfächer des ausgebuchten Cityliners. Mit 80 Passagieren ist der fliegende Bus voll besetzt. Vor der Startbahn stehen wir im Stau, was weitere Verspätung bedeutet. Mein Magen protestiert recht laut, was mir einen schrägen Blick der Sitznachbarin einbringt. Leute, ich habe Hunger, macht doch endlich mal! Dann, endlich, ist es so weit, wir heben ab. Bald gibt es Essen, denke ich. Ah, die Flugbegleiterin mit dem Getränkewagen startet, und hinter ihr ist ihre Kollegin mit dem Frühstück. Mir fällt die Kinnlade runter. Das kann doch nicht wahr sein. Statt des auf der Strecke Frankfurt - Edinburgh üblichen Brotes (oder dergleichen) gibt es hier einen Becher Joghurt. Joghurt.
Ich fasse es nicht. Hätte ich mir doch besser am Flughafen etwas gekauft. Nun ja, besser als nichts.
Der Landeanflug in Aberdeen, bei den vom Wetterbericht angekündigten Sturmböen, gehört zu den schlimmsten, die ich bisher erlebt habe. Der Flieger schaukelt und wackelt und braucht ewig zum landen. Der Joghurt ist kurz davor, meinen Magen wieder zu verlassen. Schließlich setzt das Flugzeug auf, rau und rumpelig, aber wir sind unten.
Dann geht alles schnell. Keine langen Warteschlangen an der Passkontrolle, und als ich danach aus der Toilette komme, kreiselt mein Rucksack schon auf dem Gepäckband. Der Flughafen ist wirklich klein und überschaubar. Ich glaube, auf dem benachbarten Heliport ist mehr los.
Beim Abholen meines Mietwagens im brandneuen Car-Rental-Centre muss ich mir sagen lassen, dass ich wegen der Verspätung hätte anrufen sollen. Bitte? Wie auch immer, ich erhalte die Schlüssel für einen kleinen blauen Peugeot. Noch ist er blitzsauber und weiß nicht, was ihn erwartet. Ich übrigens auch nicht - also das mit dem erwarten, meine ich. Gewohnheitsmäßig schließe ich die linke Tür auf und wundere mich, dass die Zentralverriegelung nicht „klack“ macht. Etwas fassungslos, und sicherlich zur Freude zweier in der Nähe stehender Europcar-Angestellter
, stehe ich vor dem Beifahrersitz. Hm, ja, da war doch was. Gut, ich finde dann die Fahrerseite, bringe den Rucksack auf der Rückbank unter (der Kofferraum ist dafür etwas zu klein), kontrolliere das Auto auf Kratzer und sonstige äußerlich erkennbare Schäden, tausche die Wanderstiefel gegen Turnschuhe, und steige ein. So, mal sehen wie das so funktioniert, mit der Schaltung auf der anderen Seite. Ah, Gurt und Handbremse suche ich auch jeweils auf der falschen Seite. Das kann ja heiter werden. Ich drehe zwei Runden auf dem kleinen Parkplatz, und kenne dann zumindest die beiden ersten Gänge und den Rückwärtsgang. Zum Glück ist Aberdeen nicht Edinburgh, und der Flughafen ist so weit außerhalb, dass ich mit dem Stadtverkehr gar nicht in Berührung komme. Auf der A96 ist so gut wie nichts los, also ideale Bedingungen.
Es stürmt, aber der Himmel ist blau, die Straße ist trocken, ich habe Urlaub und ich fahre gemütlich durch die Gegend. Wo kommt der Stau denn plötzlich her? Ich weiß es bis heute nicht, aber ich stehe eine ziemlich lange Zeit in der Schlange, bevor es langsam weitergeht. Dann noch ein Stau, und noch einer, und plötzlich sehe ich von einer Hügelkuppe aus unter den weißen Wolken eine große braune Wolke. Das sieht schön aus, aber was in aller Welt ist das?? Kurz darauf erfahre ich es: Ein Sandsturm! Die - wortwörtlich - staubtrockene Erde wird von den Feldern entlang der Moray Küste vom Sturm weggetragen und macht das Autofahren zu einer Herausforderung. Streckenweise geht es nur im Schritttempo voran, und am Straßenrand bilden sich die ersten Verwehungen. Manchmal ist die Sicht noch recht gut, dann beträgt sie nur wenige Meter, und wenn die Straße an einer Wiese oder einem Wald vorbeiführt, kann man normal fahren. Wesentlich später als geplant, und völlig fertig mit den Nerven, erreiche ich Inverness.
Der Plan war, im Supermarkt Vorräte einzukaufen für die nächsten Tage, und dann weiterzufahren nach Aviemore, um dort Rainer und Stompy zu treffen. Das wird nichts, tut mir leid!
Ich bin fix und fertig! Heute fahre ich nirgendwo mehr hin, das geht einfach nicht. Ich würde den Autoschlüssel am liebsten wegwerfen. Stattdessen fahre ich zum SYHA Hostel und habe Glück: Der Parkplatz ist fast leer, und ich habe einen Schlafsaal für mich alleine. Schnell sende ich eine PN an Stompy, und dann muss ich nochmal los - allerdings zu Fuß. Ich brauche eine Gaskartusche, und vor allem etwas zu Essen. Außer dem armseligen Lufthansa-Joghurt habe ich heute noch nichts gegessen.
Schade, dass aus dem Treffen nichts geworden ist. Aber ich wäre bestimmt keine gute Gesellschaft gewesen - nicht nach diesem Tag!
Es stürmt weiter. Morgens verlasse ich das Hostel schon zeitig, und kaufe im Supermarkt die Vorräte für die nächsten Tage ein. Praktisch, wenn man nicht alles in den Rucksack packen und selbst schleppen muss, sondern einfach die Einkaufstüten im Kofferraum versenken kann. Weiter geht die Reise in Richtung Torridon. Kurz hinter Inverness halte ich an und schalte das Navi aus. Ab hier brauche ich weder ein Navi noch eine Straßenkarte. Bei Achnasheen kommt zum starken Wind noch Regen, dann Graupel, und irgendwann auch Hagel.
Ich halte am Parkplatz, bei dem der Weg zum Coire Mhic Fhearchair beginnt, und immer noch regnet es. Wird schon aufhören, denke ich mir, und packe mich wasserfest ein. Dazu noch Mütze und Handschuhe; so warm war ich im letzten Oktober nicht eingepackt! Nur mit dem Daypack ziehe ich los. Den Plan, dort oben zu zelten, habe ich schon im Auto verworfen. Weder Regen noch Sturm hören auf; beides wird immer schlimmer. Der Sturm nimmt an Stärke zu, der Regen wird zu Graupel, und es ist lausig kalt. Noch kommt der Wind von hinten. Als der Pfad die Richtung wechselt, kommt er von der Seite und wirft mich beinahe um. Wenige Minuten später schafft es eine weitere Böe: Rumms, ich liege am Boden. Das Aufstehen ist etwas schwierig, und ich warte, bis sich diese Böe ausgetobt hat. Es reicht mir. Muss das denn sein? Es ist kalt. Nass. Stürmisch. Und eine Besserung ist nicht in Sicht. Ich stehe dort, wo ich im letzten Herbst zeltete, und schreie meinen Frust in den Wind.
Danach geht es mir besser, und ich gehe zurück zum Auto. Der Regen peitscht mir entgegen, und ich kann nur mit halb geschlossenen Augen nach unten schauen. Beim Versuch, den weiteren Verlauf des Weges zu erkennen, treffen die Regentropfen schmerzhaft auf meine Augen. Dann erreiche ich endlich den Parkplatz. Weg mit den Schuhen, Socken, Handschuhen, weg mit der Regenjacke, der Regenhose und der Mütze. Ich ziehe die Turnschuhe an, kuschele mich in die Primaloftjacke und lasse den Motor an, um das Auto aufzuheizen (ich Umweltsünder…
). Mir ist so kalt, dass mir die Zähne klappern. Gut. Was nun? Einen Zeltplatz suchen? Ich zeige mir selbst einen Vogel. Ich bin zur Erholung hier, und nicht, um mich zu bestrafen.
Also dann: nicht zelten. Gibt es Hostels in der Nähe? Torridon und Carn Dearg, allerdings sind beide um diese Uhrzeit noch geschlossen. Da brauche ich vor 16.00 Uhr nicht anzukommen. Egal, mir ist eiskalt, und ich fahre jetzt einfach drauflos. Die Heizung und das Gebläse des Autos laufen auf Hochtouren, und irgendwann, kurz vor Gairloch, wird mir etwas warm. Gairloch - da war doch was. Da ist doch das nette B&B, in dem ich im letzten Herbst übernachtete. Von dem kleinen Parkplatz gegenüber sehe ich das „Vacancies“-Schild im Fenster und Licht im Flur. Ich eile im strömenden Regen über die Straße, klingele, und schon gibt es eine tolle Begrüßung. Klar, Shirley erinnert sich an mich. Ob ich dasselbe Zimmer haben will wie beim letzten Mal? Und ich trinke doch Kaffee, oder? Sie zeigt mir das Zimmer, drückt mir die Schlüssel in die Hand, und verschwindet in der Küche.
Als ich mein Gepäck aus dem Auto ins Zimmer gebracht habe, ist der Kaffee schon fertig. Wir unterhalten uns noch eine Weile, und dann dekoriere ich alle im Zimmer verfügbaren Heizkörper mit nassen Socken, Handschuhen, Schuhen usw. und richte mich häuslich ein. Draußen regnet und stürmt es immer noch. Nein, mich bringt heute niemand mehr vor die Haustüre!
Ein deutliches Zeichen für das äußerst schlechte Wetter ist die Tatsache, dass das einzige Foto des heutigen Tages von einem Parkplatz aus aufgenommen wurde.

Regenwolken von Borderli auf Flickr
Der Wetterbericht verheißt weiteren Regen. Erst am Freitag soll es vorübergehend besser werden. Ich frage Shirley, ob ich noch eine Nacht bleiben kann. Kein Problem!
Am nächsten Tag sieht es nach dem Frühstück gar nicht mal so schlecht aus. Es stürmt zwar immer noch, aber im Moment regnet es nicht. Ich beschließe, etwas Zeit an den Stränden zu verbringen. Zuerst fahre ich nach Sands. Beeindruckende Wellen sind das heute! Ich gehe am Strand auf und ab, und verbringe viel Zeit damit, den feinen Nieselregen vom Objektiv zu wischen. Schön ist es trotzdem!

Sands von Borderli auf Flickr

Sands von Borderli auf Flickr
Nächster Halt. Gairloch. Auch hier sind die Wellen beeindruckend. Auf dem Weg zurück vom Hafen zum Auto fängt es an zu regnen. Endlich wieder Regen!
Nun gut, was tun mit dem angebrochenen Tag? Ich beschließe, auf der Küstenstraße meine Fähigkeiten im Linksfahren auszubauen und mich mit dem „kleinen Blauen“, meinem „Schnauferle“, etwas anzufreunden. Unterwegs halte ich in Poolewe, hole mir eine Zeitung, und fahre weiter. Die Idee hatten schon andere: Auf einem Parkplatz mit Aussicht im warmen Auto sitzen und Zeitung lesen. Gut, dass mir Shirley meine Thermoskanne mit Kaffee gefüllt hat. Es regnet, hagelt, graupelt, und dann stürmt es so stark, dass das Auto wackelt. Ich zockele die Straße entlang, und bekomme so langsam ein Gefühl für das Autochen, die vielen Kurven und die Steigungen. Der Wasserfall kurz nach Corrie Hallie, den ich schon im letzten Urlaub mit Mr Borderli so klasse fand, hat nach dem vielen Regen ordentlich viel Wasser.

Wasserfall von Borderli auf Flickr
Kurz vor Braemore mache ich noch eine Zeitungs-Pause und fahre dann wieder in Richtung Gairloch. Unterwegs bekomme ich sogar einen Schneeschauer geboten - klasse, was mir das Wetter so alles zeigt. Ein weiterer Strandspaziergang bei Little Gruinard, und dann fahre ich zurück. Das Haus ist leer, die Haustüre ist nicht abgeschlossen, nur meine Zimmertüre hat Shirley abgeschlossen. Die Krönung dieses Faulenzer-Tages ist eine Kanne Tee und ein Fernsehabend. Immerhin: Morgen soll das Wetter gut werden!
Beim Frühstück leistet mir Shirleys Mann Gesellschaft. Welche Pläne ich für heute habe, will er wissen. Ich will zum Loch na h-Oidhche laufen, und dort, am Ende des Lochs, wo es keine Wege mehr gibt, zelten. Am Samstag will ich zurück, da ich ab diesem Tag schon ein Quartier bei Fort William gebucht habe. Er ist skeptisch: Nach zwei Tagen und Nächten mit starkem Regen hat der Abhainn Loch na h-Oidhche Hochwasser; es kann also schwierig bis unmöglich sein, durch den Fluss zu kommen. Und zelten am Südende des Loch? Er kennt dort keine geeigneten Plätze. Dort gibt es nur Felsen, Wasser und Sumpf, aber keine halbwegs trockenen, halbwegs ebenen Stellplätze für Zelte. Über Müsli, Toast und Kaffee diskutieren wir das Thema noch ein wenig, und schließlich überzeugt er mich, jedenfalls teilweise. Flussquerung vielleicht, zelten nein. Ich parke das Auto an dem bei Walkhighlands vorgeschlagenen Parkplatz und laufe mit dem Tagesrucksack los. Auf dem gut ausgebauten Track (im Herbst 2010 Mr-Borderli-getestet) komme ich gut voran, von den zahlreichen Fotostopps abgesehen.

Lochan a' Chleirich von Borderli auf Flickr

Flowerdale von Borderli auf Flickr

Baosbheinn von Borderli auf Flickr
Okay, Shirleys Mann hatte recht: Der Abhainn Loch na h-Oidhche hat Hochwasser. Ich laufe in voller Montur durch. Das Wasser ist eiskalt, und die Strömung ist vom Feinsten. Zum Glück ist das eine Landrover-Furt, und der Untergrund hält keine Überraschungen bereit. Gut, geschafft, sah schlimmer aus als es war.

Abhainn Loch na h-Oidhche von Borderli auf Flickr
Weiter geht’s.

Blick nach Letterewe von Borderli auf Flickr
Am Bootsschuppen mache ich eine kurze Pause im Windschatten und gedenke der Nudeln, die mir im Herbst 2010 an diesem Ort vom Löffel geweht wurden. Irgendwo in den Weiten des www bin ich mal über einen Bericht gestolpert, in dem ein Wanderer schreibt, dass er hier beim Bootsschuppen sein Akto aufgebaut hat. Ich sehe nur Sumpf und Steine. Kein Platz für ein Zelt, jedenfalls nicht im Trockenen. Der Landrovertrack von hier zur Poca Buidhe lässt mich daran zweifeln, ob hier überhaupt ein Landrover fahren kann. Die geladenen Gäste der Poca Buidhe werden wohl eher mit dem Boot dorthin befördert.

Poca Buidhe von Borderli auf Flickr

Poca Buidhe von Borderli auf Flickr
An der Hütte hängt ein Schild, das sie als ausschließlich privates Gebäude ausweist. Als Bothy ist sie demnach nicht vorgesehen. Mit CCTV soll sie innen ausgestattet sein, wow!
Kurz hinter der Hütte hört der Weg auf. Ab und an sind noch Spuren eines Pfades erkennbar, aber auch diese sind dann zu Ende. Der Wind hat fast aufgehört. Um mich herum ist nur noch Stille und Wildnis. Land aus Felsen und Wasser. Leichter Wind, Sonne, Stille. Die Fernsicht ist hervorragend, die Umgebung einfach atemberaubend. Hierher muss ich nochmal kommen, für eine mehrtägige Tour, und vielleicht auf der anderen Seite des Baosbheinn wieder Richtung Norden laufen. Irgendwo wird sich ein Stellplatz für das Zelt schon finden. Heute finde ich keinen - allerdings suche ich auch nicht sehr intensiv danach. Ich nutze das gute Wetter aus und mache das, worauf ich mich vor dem Urlaub schon gefreut habe: Eine Pause mit Aussicht. Ich suche mir einen Felsen, mache es mir darauf bequem, koche einen Kaffee, und genieße die Aussichten, die Stimmung, die Stille. Der Foto bleibt erst mal in der Tasche. Beinn an Eoin, Loch na h-Oidhche, Baosbheinn, und vor mir, am anderen Ende dieser Wildnis, Beinn Eighe mit dem Coire Mhic Fhearchair. Dazwischen kleine blaue Seen, und über allem blauer Himmel mit weißen Wölkchen. Nach dem Kaffee lasse ich mein Gepäck beim Felsen und ziehe mit der Kamera los.

Loch na h-Oidhche von Borderli auf Flickr

Gorm Loch Fada und Beinn Eighe von Borderli auf Flickr

Beinn Eighe von Borderli auf Flickr
Wieder zurück, höre ich plötzlich das Klappern von Steinen. Ich erschrecke. „Hello!“ Ein sportlicher Wanderer erscheint auf der benachbarten Kuppe. Er kommt vom Beinn an Eoin und will über den Baosbheinn wieder zurück. Ich dagegen mache, von so viel sportlichem Eifer völlig unbeeindruckt, weiterhin Pause. Wer weiß, wie oft ich das noch machen kann, bei dem angekündigten schlechten Wetter. Schon nimmt der Wind wieder zu, und Wolken ziehen auf. Seufz. Ich packe meine Sachen zusammen und begebe mich auf den Rückweg.

Loch na h-Oidhche von Borderli auf Flickr
Am Abhainn Loch na h-Oidhche werden die Füße wieder nass. Auf dem Weg zurück zum Auto mache ich mir Gedanken über meinen Schlafplatz für heute Nacht. Ich beschließe, die Campsite in Sands zu testen. Die Rezeption ist bereits geschlossen, als ich ankomme, also suche ich mir auf dem weitläufigen Gelände ein einigermaßen windgeschütztes Fleckchen. Ein paar Wohnmobile und Wohnwagen stehen auf der anderen Seite der Campsite, und etwas oberhalb meines Zeltplatzes sind einige der beheizten Wigwams belegt. Ich bin die einzige, die so bescheuert ist, bei diesen Temperaturen zu zelten. Mein Abendspaziergang führt mich durch die Dünen und am Strand entlang. Der Wind nimmt weiter zu und läuft zur gewohnten Form auf. Aber immerhin, es regnet nicht.

Sands von Borderli auf Flickr

Sands von Borderli auf Flickr

Sands Campsite von Borderli auf Flickr
Vorab: Das hier ist kein Trekking-Reise-Bericht. Hier wird viel Auto gefahren und in Häusern übernachtet. Es gibt keine Abenteuer, wenig Erschöpfung, keine Zeltplatzsuche. Dafür gibt es um so mehr schlechtes, richtig schlechtes Wetter. Der kälteste Frühling seit 1979, sagt die BBC. Ich glaube es ihnen nur zu gerne. Dazu Sturm, Regen, Hagel, Schnee… Ich hatte zwar nur so eine vage Vorstellung von dem, was ich machen wollte, aber zelten gehörte definitiv dazu. Nun ja, ab und zu bekam das Zelt frische Luft.
Was ich damit sagen will: Wer hier einen Reisebericht wie z.B. meinen Knoydart-Bericht von 2010 erwartet, möge doch gleich einen anderen Thread lesen. Das hier ist eher ein Schottland-Bericht für Softies, Fußkranke und dergleichen. Wie ich es jedoch geschafft habe, mir trotzdem das rechte Knie zu schrotten (gerissener Außenmeniskus und angerissenes Kreuzband, mit diversen Neben-Wehwehchen), ist mir schleierhaft.

Noch mehr Vorgeplänkel:
Normalerweise bin ich in Schottland zu Fuß und mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs. Zumindest bei den Reisen ohne Mr Borderli. Unter diesen Voraussetzungen plane ich auch diesen Urlaub. Den Flug von Frankfurt nach Aberdeen buche ich, als ich im letzten Herbst mit Mr Borderli in Lochinver bin. Lufthansa hatte ein Angebot, dem ich nicht widerstehen konnte. Nun gut, der Flug ist da, die Planung hat ja noch etwas Zeit. Im Winter gehe ich in die Detailplanung - der Nordwesten soll es werden, irgendwie von Lochinver rauf zur Sandwood Bay, davor noch einige Schlenker in Assynt. Nach einem ausgiebigen Studium der Busverbindungen dort oben stelle ich fest: Nein, so ist das nicht machbar. Da müsste ich viel auf Straßen laufen, oder mich mit einem einzigen Bus am Tag arrangieren. Das ist mir alles viel zu umständlich. Ich schiebe die Planungen zur Seite und überlege, was ich sonst noch machen will. Ein Blick auf die to-do-Liste zeigt mir, dass ich einige Punkte abhaken könnte, wenn ich mit dem Auto unterwegs wäre. Der Gedanke setzt sich hartnäckig fest. Irgendwann, nach ein paar besonders frustrierenden Wochen im Büro, sage ich mir: „Tu dir was Gutes, miete dir ein Auto, und mache dir eine schöne Zeit!“. Bevor ich es mir anders überlegen kann, buche ich einen Mietwagen ab Aberdeen Airport. In den letzten Wochen vor dem Abflug kommen mir manchmal Bedenken: Bin ich inzwischen so ein „Softie“ geworden? Urlaub mit Auto - das ist doch nichts für mich. Oder etwa doch? Ach was, denke ich, ich mache das einfach.
Viel Zeit investiere ich nicht in die Planung. Da ich nur auf die Lufthansa-Gewichtsbeschränkung (20kg plus Handgepäck sind schon recht viel) achten muss, und nicht darauf, was mein oller Rücken schleppen kann, packe ich jede Menge Wanderkarten ein, und dazu noch ein paar kleine Büchlein mit Touren in den verschiedensten Regionen. Nach so vielen Jahren Schottland-Reisen ist mein Regal ganz gut bestückt. Ich lasse alles auf mich zukommen. Lediglich ein paar Übernachtungen in der Nähe von Fort William buche ich vor; das B&B in das ich will, hat nur zwei Einzelzimmer, da gehe ich auf Nummer sicher.
Die einzige Planung, die sonst noch fest ist, ist ein Treffen in Aviemore mit Rainer und Stompy. Die beiden beenden ihre Wanderung dort an meinem Anreisetag.
Jetzt aber - die Reise geht los.
Wie immer bin ich viel zu früh am Flughafen. Nun gut, der Frankfurter Flughafen ist groß, und ich kann mein Gepäck jederzeit abgeben. Ich laufe herum, kaufe mir eine Zeitung, sitze herum, betreibe „people watching“, und bekomme Hunger. Daheim habe ich angesichts der frühen Stunde nicht gefrühstückt. Dann überlege ich mir, dass es im Flugzeug sowieso etwas zu essen gibt. Mein Magen muss noch etwas warten. Es wird Zeit, das Gate aufzusuchen. Dort erfahre ich, dass der Flieger voraussichtlich eine halbe Stunde Verspätung hat. Es hätte schlimmer kommen können. Aus der halben Stunde wird eine ganze Stunde. Am Flugzeug muss ich das Handgepäck abgeben; selbst der kleine Tagesrucksack ist zu groß für die Gepäckfächer des ausgebuchten Cityliners. Mit 80 Passagieren ist der fliegende Bus voll besetzt. Vor der Startbahn stehen wir im Stau, was weitere Verspätung bedeutet. Mein Magen protestiert recht laut, was mir einen schrägen Blick der Sitznachbarin einbringt. Leute, ich habe Hunger, macht doch endlich mal! Dann, endlich, ist es so weit, wir heben ab. Bald gibt es Essen, denke ich. Ah, die Flugbegleiterin mit dem Getränkewagen startet, und hinter ihr ist ihre Kollegin mit dem Frühstück. Mir fällt die Kinnlade runter. Das kann doch nicht wahr sein. Statt des auf der Strecke Frankfurt - Edinburgh üblichen Brotes (oder dergleichen) gibt es hier einen Becher Joghurt. Joghurt.

Der Landeanflug in Aberdeen, bei den vom Wetterbericht angekündigten Sturmböen, gehört zu den schlimmsten, die ich bisher erlebt habe. Der Flieger schaukelt und wackelt und braucht ewig zum landen. Der Joghurt ist kurz davor, meinen Magen wieder zu verlassen. Schließlich setzt das Flugzeug auf, rau und rumpelig, aber wir sind unten.
Dann geht alles schnell. Keine langen Warteschlangen an der Passkontrolle, und als ich danach aus der Toilette komme, kreiselt mein Rucksack schon auf dem Gepäckband. Der Flughafen ist wirklich klein und überschaubar. Ich glaube, auf dem benachbarten Heliport ist mehr los.
Beim Abholen meines Mietwagens im brandneuen Car-Rental-Centre muss ich mir sagen lassen, dass ich wegen der Verspätung hätte anrufen sollen. Bitte? Wie auch immer, ich erhalte die Schlüssel für einen kleinen blauen Peugeot. Noch ist er blitzsauber und weiß nicht, was ihn erwartet. Ich übrigens auch nicht - also das mit dem erwarten, meine ich. Gewohnheitsmäßig schließe ich die linke Tür auf und wundere mich, dass die Zentralverriegelung nicht „klack“ macht. Etwas fassungslos, und sicherlich zur Freude zweier in der Nähe stehender Europcar-Angestellter

Es stürmt, aber der Himmel ist blau, die Straße ist trocken, ich habe Urlaub und ich fahre gemütlich durch die Gegend. Wo kommt der Stau denn plötzlich her? Ich weiß es bis heute nicht, aber ich stehe eine ziemlich lange Zeit in der Schlange, bevor es langsam weitergeht. Dann noch ein Stau, und noch einer, und plötzlich sehe ich von einer Hügelkuppe aus unter den weißen Wolken eine große braune Wolke. Das sieht schön aus, aber was in aller Welt ist das?? Kurz darauf erfahre ich es: Ein Sandsturm! Die - wortwörtlich - staubtrockene Erde wird von den Feldern entlang der Moray Küste vom Sturm weggetragen und macht das Autofahren zu einer Herausforderung. Streckenweise geht es nur im Schritttempo voran, und am Straßenrand bilden sich die ersten Verwehungen. Manchmal ist die Sicht noch recht gut, dann beträgt sie nur wenige Meter, und wenn die Straße an einer Wiese oder einem Wald vorbeiführt, kann man normal fahren. Wesentlich später als geplant, und völlig fertig mit den Nerven, erreiche ich Inverness.
Der Plan war, im Supermarkt Vorräte einzukaufen für die nächsten Tage, und dann weiterzufahren nach Aviemore, um dort Rainer und Stompy zu treffen. Das wird nichts, tut mir leid!

Schade, dass aus dem Treffen nichts geworden ist. Aber ich wäre bestimmt keine gute Gesellschaft gewesen - nicht nach diesem Tag!
Es stürmt weiter. Morgens verlasse ich das Hostel schon zeitig, und kaufe im Supermarkt die Vorräte für die nächsten Tage ein. Praktisch, wenn man nicht alles in den Rucksack packen und selbst schleppen muss, sondern einfach die Einkaufstüten im Kofferraum versenken kann. Weiter geht die Reise in Richtung Torridon. Kurz hinter Inverness halte ich an und schalte das Navi aus. Ab hier brauche ich weder ein Navi noch eine Straßenkarte. Bei Achnasheen kommt zum starken Wind noch Regen, dann Graupel, und irgendwann auch Hagel.
Ich halte am Parkplatz, bei dem der Weg zum Coire Mhic Fhearchair beginnt, und immer noch regnet es. Wird schon aufhören, denke ich mir, und packe mich wasserfest ein. Dazu noch Mütze und Handschuhe; so warm war ich im letzten Oktober nicht eingepackt! Nur mit dem Daypack ziehe ich los. Den Plan, dort oben zu zelten, habe ich schon im Auto verworfen. Weder Regen noch Sturm hören auf; beides wird immer schlimmer. Der Sturm nimmt an Stärke zu, der Regen wird zu Graupel, und es ist lausig kalt. Noch kommt der Wind von hinten. Als der Pfad die Richtung wechselt, kommt er von der Seite und wirft mich beinahe um. Wenige Minuten später schafft es eine weitere Böe: Rumms, ich liege am Boden. Das Aufstehen ist etwas schwierig, und ich warte, bis sich diese Böe ausgetobt hat. Es reicht mir. Muss das denn sein? Es ist kalt. Nass. Stürmisch. Und eine Besserung ist nicht in Sicht. Ich stehe dort, wo ich im letzten Herbst zeltete, und schreie meinen Frust in den Wind.

Danach geht es mir besser, und ich gehe zurück zum Auto. Der Regen peitscht mir entgegen, und ich kann nur mit halb geschlossenen Augen nach unten schauen. Beim Versuch, den weiteren Verlauf des Weges zu erkennen, treffen die Regentropfen schmerzhaft auf meine Augen. Dann erreiche ich endlich den Parkplatz. Weg mit den Schuhen, Socken, Handschuhen, weg mit der Regenjacke, der Regenhose und der Mütze. Ich ziehe die Turnschuhe an, kuschele mich in die Primaloftjacke und lasse den Motor an, um das Auto aufzuheizen (ich Umweltsünder…

Also dann: nicht zelten. Gibt es Hostels in der Nähe? Torridon und Carn Dearg, allerdings sind beide um diese Uhrzeit noch geschlossen. Da brauche ich vor 16.00 Uhr nicht anzukommen. Egal, mir ist eiskalt, und ich fahre jetzt einfach drauflos. Die Heizung und das Gebläse des Autos laufen auf Hochtouren, und irgendwann, kurz vor Gairloch, wird mir etwas warm. Gairloch - da war doch was. Da ist doch das nette B&B, in dem ich im letzten Herbst übernachtete. Von dem kleinen Parkplatz gegenüber sehe ich das „Vacancies“-Schild im Fenster und Licht im Flur. Ich eile im strömenden Regen über die Straße, klingele, und schon gibt es eine tolle Begrüßung. Klar, Shirley erinnert sich an mich. Ob ich dasselbe Zimmer haben will wie beim letzten Mal? Und ich trinke doch Kaffee, oder? Sie zeigt mir das Zimmer, drückt mir die Schlüssel in die Hand, und verschwindet in der Küche.
Als ich mein Gepäck aus dem Auto ins Zimmer gebracht habe, ist der Kaffee schon fertig. Wir unterhalten uns noch eine Weile, und dann dekoriere ich alle im Zimmer verfügbaren Heizkörper mit nassen Socken, Handschuhen, Schuhen usw. und richte mich häuslich ein. Draußen regnet und stürmt es immer noch. Nein, mich bringt heute niemand mehr vor die Haustüre!
Ein deutliches Zeichen für das äußerst schlechte Wetter ist die Tatsache, dass das einzige Foto des heutigen Tages von einem Parkplatz aus aufgenommen wurde.

Regenwolken von Borderli auf Flickr
Der Wetterbericht verheißt weiteren Regen. Erst am Freitag soll es vorübergehend besser werden. Ich frage Shirley, ob ich noch eine Nacht bleiben kann. Kein Problem!
Am nächsten Tag sieht es nach dem Frühstück gar nicht mal so schlecht aus. Es stürmt zwar immer noch, aber im Moment regnet es nicht. Ich beschließe, etwas Zeit an den Stränden zu verbringen. Zuerst fahre ich nach Sands. Beeindruckende Wellen sind das heute! Ich gehe am Strand auf und ab, und verbringe viel Zeit damit, den feinen Nieselregen vom Objektiv zu wischen. Schön ist es trotzdem!

Sands von Borderli auf Flickr

Sands von Borderli auf Flickr
Nächster Halt. Gairloch. Auch hier sind die Wellen beeindruckend. Auf dem Weg zurück vom Hafen zum Auto fängt es an zu regnen. Endlich wieder Regen!


Wasserfall von Borderli auf Flickr
Kurz vor Braemore mache ich noch eine Zeitungs-Pause und fahre dann wieder in Richtung Gairloch. Unterwegs bekomme ich sogar einen Schneeschauer geboten - klasse, was mir das Wetter so alles zeigt. Ein weiterer Strandspaziergang bei Little Gruinard, und dann fahre ich zurück. Das Haus ist leer, die Haustüre ist nicht abgeschlossen, nur meine Zimmertüre hat Shirley abgeschlossen. Die Krönung dieses Faulenzer-Tages ist eine Kanne Tee und ein Fernsehabend. Immerhin: Morgen soll das Wetter gut werden!
Beim Frühstück leistet mir Shirleys Mann Gesellschaft. Welche Pläne ich für heute habe, will er wissen. Ich will zum Loch na h-Oidhche laufen, und dort, am Ende des Lochs, wo es keine Wege mehr gibt, zelten. Am Samstag will ich zurück, da ich ab diesem Tag schon ein Quartier bei Fort William gebucht habe. Er ist skeptisch: Nach zwei Tagen und Nächten mit starkem Regen hat der Abhainn Loch na h-Oidhche Hochwasser; es kann also schwierig bis unmöglich sein, durch den Fluss zu kommen. Und zelten am Südende des Loch? Er kennt dort keine geeigneten Plätze. Dort gibt es nur Felsen, Wasser und Sumpf, aber keine halbwegs trockenen, halbwegs ebenen Stellplätze für Zelte. Über Müsli, Toast und Kaffee diskutieren wir das Thema noch ein wenig, und schließlich überzeugt er mich, jedenfalls teilweise. Flussquerung vielleicht, zelten nein. Ich parke das Auto an dem bei Walkhighlands vorgeschlagenen Parkplatz und laufe mit dem Tagesrucksack los. Auf dem gut ausgebauten Track (im Herbst 2010 Mr-Borderli-getestet) komme ich gut voran, von den zahlreichen Fotostopps abgesehen.

Lochan a' Chleirich von Borderli auf Flickr

Flowerdale von Borderli auf Flickr

Baosbheinn von Borderli auf Flickr
Okay, Shirleys Mann hatte recht: Der Abhainn Loch na h-Oidhche hat Hochwasser. Ich laufe in voller Montur durch. Das Wasser ist eiskalt, und die Strömung ist vom Feinsten. Zum Glück ist das eine Landrover-Furt, und der Untergrund hält keine Überraschungen bereit. Gut, geschafft, sah schlimmer aus als es war.

Abhainn Loch na h-Oidhche von Borderli auf Flickr
Weiter geht’s.

Blick nach Letterewe von Borderli auf Flickr
Am Bootsschuppen mache ich eine kurze Pause im Windschatten und gedenke der Nudeln, die mir im Herbst 2010 an diesem Ort vom Löffel geweht wurden. Irgendwo in den Weiten des www bin ich mal über einen Bericht gestolpert, in dem ein Wanderer schreibt, dass er hier beim Bootsschuppen sein Akto aufgebaut hat. Ich sehe nur Sumpf und Steine. Kein Platz für ein Zelt, jedenfalls nicht im Trockenen. Der Landrovertrack von hier zur Poca Buidhe lässt mich daran zweifeln, ob hier überhaupt ein Landrover fahren kann. Die geladenen Gäste der Poca Buidhe werden wohl eher mit dem Boot dorthin befördert.

Poca Buidhe von Borderli auf Flickr

Poca Buidhe von Borderli auf Flickr
An der Hütte hängt ein Schild, das sie als ausschließlich privates Gebäude ausweist. Als Bothy ist sie demnach nicht vorgesehen. Mit CCTV soll sie innen ausgestattet sein, wow!
Kurz hinter der Hütte hört der Weg auf. Ab und an sind noch Spuren eines Pfades erkennbar, aber auch diese sind dann zu Ende. Der Wind hat fast aufgehört. Um mich herum ist nur noch Stille und Wildnis. Land aus Felsen und Wasser. Leichter Wind, Sonne, Stille. Die Fernsicht ist hervorragend, die Umgebung einfach atemberaubend. Hierher muss ich nochmal kommen, für eine mehrtägige Tour, und vielleicht auf der anderen Seite des Baosbheinn wieder Richtung Norden laufen. Irgendwo wird sich ein Stellplatz für das Zelt schon finden. Heute finde ich keinen - allerdings suche ich auch nicht sehr intensiv danach. Ich nutze das gute Wetter aus und mache das, worauf ich mich vor dem Urlaub schon gefreut habe: Eine Pause mit Aussicht. Ich suche mir einen Felsen, mache es mir darauf bequem, koche einen Kaffee, und genieße die Aussichten, die Stimmung, die Stille. Der Foto bleibt erst mal in der Tasche. Beinn an Eoin, Loch na h-Oidhche, Baosbheinn, und vor mir, am anderen Ende dieser Wildnis, Beinn Eighe mit dem Coire Mhic Fhearchair. Dazwischen kleine blaue Seen, und über allem blauer Himmel mit weißen Wölkchen. Nach dem Kaffee lasse ich mein Gepäck beim Felsen und ziehe mit der Kamera los.

Loch na h-Oidhche von Borderli auf Flickr

Gorm Loch Fada und Beinn Eighe von Borderli auf Flickr

Beinn Eighe von Borderli auf Flickr
Wieder zurück, höre ich plötzlich das Klappern von Steinen. Ich erschrecke. „Hello!“ Ein sportlicher Wanderer erscheint auf der benachbarten Kuppe. Er kommt vom Beinn an Eoin und will über den Baosbheinn wieder zurück. Ich dagegen mache, von so viel sportlichem Eifer völlig unbeeindruckt, weiterhin Pause. Wer weiß, wie oft ich das noch machen kann, bei dem angekündigten schlechten Wetter. Schon nimmt der Wind wieder zu, und Wolken ziehen auf. Seufz. Ich packe meine Sachen zusammen und begebe mich auf den Rückweg.

Loch na h-Oidhche von Borderli auf Flickr
Am Abhainn Loch na h-Oidhche werden die Füße wieder nass. Auf dem Weg zurück zum Auto mache ich mir Gedanken über meinen Schlafplatz für heute Nacht. Ich beschließe, die Campsite in Sands zu testen. Die Rezeption ist bereits geschlossen, als ich ankomme, also suche ich mir auf dem weitläufigen Gelände ein einigermaßen windgeschütztes Fleckchen. Ein paar Wohnmobile und Wohnwagen stehen auf der anderen Seite der Campsite, und etwas oberhalb meines Zeltplatzes sind einige der beheizten Wigwams belegt. Ich bin die einzige, die so bescheuert ist, bei diesen Temperaturen zu zelten. Mein Abendspaziergang führt mich durch die Dünen und am Strand entlang. Der Wind nimmt weiter zu und läuft zur gewohnten Form auf. Aber immerhin, es regnet nicht.

Sands von Borderli auf Flickr

Sands von Borderli auf Flickr

Sands Campsite von Borderli auf Flickr
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