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Dezember 2009. Eine kleine Tour am Jahresende sollte es werden, auf einem gut beschilderten Weg durch eine abwechslungsreiche Landschaft, gerne in Norddeutschland, dazu gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar.
Nach langwieriger Suche fiel meine Wahl auf den Hünenweg in Niedersachsen. Früher hieß er schlicht und einfach Friesenweg, was aber bei manchem Wanderer zu Verwirrung und Enttäuschung führte, führte dieser Weg doch nicht wie anzunehmen durch, sondern nach Friesland. Dem aktuellen Wanderboom geschuldet erhielt der Weg eine Runderneuerung samt neuer Beschilderung, einer hervorragenden Internetseite, einem Wanderheftchen mit Karten und natürlich einen neuen Namen: der Hünenweg.
Und trotzdem ist an vielen Stellen neben dem geschwungenen h immer noch das F für Friesenweg zu finden.
Sonnabend, 26. Dezember
Wegen rechtzeitiger Buchung ergattere ich noch eine billige Fahrkarte von meinem Weihnachtsort nach Osnabrück. Hier beginnt offiziell der Hünenweg, aber ich habe einfach keine Lust, die ersten 30 km durch relativ stark besiedeltes Land zu gehen und so viele Tage habe ich auch nicht zur Verfügung. Also fahre ich mit der Regionalbahn weiter nach Bramsche, steige dort mittags aus dem Zug und los gehts. Die Luft ist trocken, die Temperaturen sind mild, fast wirkt alles frühlingshaft. Vor kurzem ist die für norddeutsche Verhältnisse recht dicke Schneeschicht leider wieder geschmolzen und trotzdem sind die Wege einigermaßen begehbar; deren Zustand hatte ich mir schlimmer vorgestellt.
Dieser Abschnitt ist nicht sonderlich abwechslungsreich, aber für heute ist mir das egal. Ich will nur laufen, laufen, laufen, immer durch den Wald.
Bevor es völlig dunkel wird, will ich noch eine von diesen praktischen Schutzhütten erreichen, die hier entlang des Weges stehen; die Hütte Ueffeln ist mein Ziel.
Und da steht sie, ein wenig abseits des Weges wird sie zu meinem Lagerplatz für die erste Nacht. Nun könnte ich natürlich der Einfachheit halber meinen Schlafsack gleich in die Hütte legen, aber das mache ich nicht so gerne. Die Pritschen sind schmaler als meine Isomatte und das bedeutet, daß ich nachts unweigerlich runterfallen würde. Und so richtig gemütlich ist es in solch einer Hütte auch nicht, für die Gemütlichkeit habe ich schließlich mein Zelt dabei.
So, jetzt ist der Augenblick gekommen, mein Zelt zu erwähnen, mein neues Zelt; es wird unsere erste gemeinsame Nacht. Da kann keine Hütte, und sei sie auch noch so komfortabel, mithalten. Da hinten steht es, mein schickes grünes So(u)lo, meine Insel.
So, und nun zurück zum eigentlichen Geschehen. Ich liege im Zelt und döse vor mich hin. Ich mag weder lesen, noch Tagebuch schreiben, nicht mal etwas essen, nur daliegen und träumen. Später koche ich mir dann doch noch etwas zu essen, aber die Motivation dazu ist rein rational, Appetit oder gar Hunger habe ich keinen. Mein Argument heißt: wenn ich jetzt nichts koche, habe ich morgen kein Frühstück. Mein System sieht nämlich so aus: ich koche abends deutlich mehr als ich essen will und wärme mir den Rest morgens nach Zugabe von etwas Wasser als leckeres Süppchen wieder auf. Besonders im Winter mag ich das sehr gerne, da kriege ich das Müsli nämlich noch weniger hinter.
10 km
Sonntag, 27. Dezember
Mein kleiner Wecker klingelt nicht und so wache ich auf, als es längst hell ist und komme heute recht spät los. Ist im Sommer alles nicht so schlimm, aber in dieser dunklen Jahreszeit will ich das wenige Tageslicht gerne ausnutzen.
Ich komme nach Ueffeln, eine kleine Stadt mit großen und wohlhabenden Gehöften. Dieser Baustil, der mir noch auf der gesamten Wanderung begegnet, gefällt mir sehr. Obwohl auch Norddeutschland, sehen die mecklenburgischen Dörfer doch so ganz anders aus.
Trotzdem sehe ich zu, daß ich den Ort verlasse, denn bald lockt das erste Hünengrab, das Steingrab Wiemelsberg. Für mich sollte es als Vorgeschmack für die kommenden Gräber dienen. Am Ende des Weges konnte ich aber sagen, dass Wiemelsberg das für mich beeindruckendste Grab war.
Vor allem seiner Lage wegen. Das Grab selbst im dunklen Wald, daneben am Waldrand der freie Blick aufs weite Land.
Nach einer Teepause mache ich mich wieder auf den Weg. Der Himmel ist verhangen, gleichmäßig grau; außerdem nieselt es. Noch macht mir das nichts aus. Ich bin erst den zweiten Tag unterwegs, will mich unbedingt bewegen und erwarte mit Spannung den Steingräberweg Giersfeld. Auf einem Rundweg von nur wenigen Kilometern Länge befinden sich neun Grabanlagen.
Kurz vor Grumfeld bemerke ich, dass ich trotz des trüben Wetters nicht alleine draußen bin und werde auch gleich unmissverständlich auf die Gefährlichkeit diesen Fleckchens Erde aufmerksam gemacht: ein Schild warnt mich vor fliegenden Golfbällen. Nix wie weiter und ab in den Wald, denn gleich in der Nähe beginnt auch schon der langgestreckte Steingräberweg Giersfeld. Insgesamt sind hier sechs Großsteingräber aus der Jungsteinzeit, ein Steinkistengrab aus der Bronzezeit und zwei bronzezeitliche Grabhügel zu sehen. Der wiedereinsetzende Niesel lädt mich jedoch nicht dazu ein, das gesamte Gelände zu erkunden, sondern ich beschränke mich auf die Anlagen, die in Wegesnähe liegen. Besonders interessant fand ich das Steinkistengrab, da ich ein riesiges bronzezeitliches Gräberfeld dieser Art bereits im Sommer in Estland gesehen habe.
Enttäuschend wirkte dagegen das als Besonderheit angepriesene Großsteingrab „Grumfeld West“. Das Grab selbst wirkte ja noch recht imponierend – wenn nur diese Umgebung nicht wäre. Direkt dahinter steht das Gebäude des hiesigen Golfclubs, so dass einfach keine heimeliche, inspirierende Atmosphäre aufkommen will. Ich stehe ein wenig unschlüssig herum und mache mich bald wieder von dannen.
Immer weiter durch Wald und offene Landschaft bis zur Hütte Pausenbank. Doch die ist, wie der Name schon sagt, nicht mein Tagesziel, sondern dient nur dazu, in Ruhe einen Schluck heißen Tee zu trinken. Mit der Dämmerung komme ich an der Hütte im Russeler Holz an. Gut luftig gebaut, windschief und auch von innen bereits völlig nass steht sie am Waldesrand. Aber ich habe ja mein Zelt dabei und so wird es wieder ein gemütlicher Abend.
15 km
Montag, 28. Dezember
Auch nachts und am frühen Morgen hat es wieder geregnet. Ich fange schon an, grummelig zu werden, aber das ist gar nicht nötig. Bald schon hört es auf und im nachhinein werde ich wissen: der gestrige Tag war der wettermäßige Tiefpunkt; von nun an wird alles besser.
Vormittags begegnet mir der kleine Ort Alt Rüssel mit seinen Höfen und kleine Teichen. Die darauffolgende Stadt Ankum ist mit ihren diversen Übernachtungsmöglichkeiten offizieller Etappenort. Ich jedoch brauche diese (noch) nicht und umgehe sie deshalb. Schade eigentlich, denn von weitem grüßt der Artländer Dom. Ankum ist bestimmt ein sehenswertes Städtchen, doch ich nehme mir die Zeit nicht.
So erreiche ich gegen Mittag mit der Mooshütte ein wirklich einladendes Plätzchen. Hier sitze und genieße ich mein Mittagsbrot so lange, dass ich zum ersten Mal froh bin, meine Daunenjacke dabei zu haben. Sicher, es ginge auch ohne, aber gemütlicher ist es schon.
Ohne ein konkretes Tagesziel mach ich mich einfach weiter auf den Weg und haste nicht gesehn liegt schon Klein Bokern vor mir. In meiner Erinnerung ist es das schönste Dorf auf diesem Wege. Schon von weitem ist es, von einem Hügel kommend, zu erkennen. In diesem Moment denke ich nicht daran, ein Photo zu machen und als ich mitten drin bin, getraue ich es mir nicht. Und welches der Häuser sollte ich auch auswählen? Aber es ist Nachmittag und ich muss an meine Wasserversorgung denken. So achte ich, wie die Tage zuvor und danach auch, darauf wer sich im Hof aufhält und spreche ihn darauf an. Am Dorfrand sehe ich einen älteren Man in seinem Garten und frage ihn nach Trinkwasser. Wir plaudern ein wenig über das woher und wohin und er lädt mich noch zu einem Kaffee ein. Zu einer anderen Jahreszeit hätte ich gerne angenommen, aber jetzt wird es bald dunkel, noch scheint dazu die Sonne. Warum sollte ich drinnen sitzen? Auf gehts. Ich habe mir noch ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: die Hütte am Hexentreppchen.
Von nun an nur noch durch Wald. Vorbei an einem Riesenfindling namens Deuvels Brotschapp (Teufels Brotschrank) und einem Hexentanzplatz geht es bei zunehmender Dunkelheit Richtung Tangenschlucht. Als ich bei der Hütte Hexentreppe ankomme brauche ich bereits eine Lampe. Hütte ist auch hier wider schwer übertrieben. Wer sich auf diesem Weg auf die Schutzhütten verlässt, kann sowohl Glück als auch Pech haben; sie sind sehr unterschiedlicher Bauart. Aber immerhin taugt sie dazu, mein Essen dort zu kochen und am nächsten Morgen in Ruhe packen zu können.
22 km
Dienstag, 29. Dezember
War es gestern angenehm mild und sonnig, so ist es heute frisch; über Nacht hat es gefroren. Ich genieße die Stimmung, die so ganz anders ist als gestern und komme so zum Hekeser Hünengrab.
Es ist schon etwas Besonderes, denn es besteht aus zwei durch einen langen Steingang miteinander verbundenen Steinkammern und ist insgesamt fast 100 Meter lang. Die Anlage gefällt mir ausgesprochen gut. Die Stimmung wird jedoch durch einige Waldarbeiter getrübt, die keine 50 Meter entfernt ihre Arbeit mit der Motorsäge verrichten. Klar, es kann nicht jeder Urlaub haben. Am Grab gibt es, wie es sich für eine Anlage dieser Art gehört, einen kleine Picknickplatz und ich lasse mich trotz des Lärms zu einer Teepause nieder. Der verständliche Hinweis zur Müllvermeidung bzw. zur Nutzung der Papierkörbe wird durch einen selten dämlichen Spruch gekrönt: "Wer hier hat seinen Müll verloren, ist wohl in einem Stall geboren." Ein findiger Kerl hat darunter geschrieben: Jesus.
Ein Stück geht es entlang einer inzwischen stillgelegten Bahntrasse, bevor mich schmale Waldwege zu einer erneuten Gruppe von Hügelgräbern führen. In Upberg hole ich mir wieder mein Trinkwasser und frage gleich mal nach dem Wetter. Oh weh, gar schlimmes steht bevor. Die nette Frau zeigt mir die Zeitung, in der für die nächsten Tage dunkle Regenwolken abgebildet sind. Mit einem leichten Groll mache ich mich wieder auf, umgehe die Stadt Berge und versuche, heute noch so viel wie möglich „Strecke zu machen“.
Nach einem längeren, teilweise recht langweiligem Marsch durch den Wald, komme ich endlich zur Wilhelm Korte-Hütte. Korte war ein Förderer des Friesenweges und ihm zu Ehren wurde diese Hütte hier benannt.
19 km
Mittwoch, 30. Dezember
Als ich am Morgen aufwache will ich am liebsten noch weiterschlafen, denn es ist noch recht dunkel. Ein Blick auf die Uhr verrät mir aber, dass hier etwas nicht stimmt. Ich blinzele vorsichtig aus der Tür und ja – Schnee. Juchhu, damit habe ich nach der gestrigen Wetterprognose nun überhaupt nicht gerechnet. Schneller als sonst habe ich heute gefrühstückt, damit ich ja schnell loskomme. Wieder mal packe ich ein nasses Zelt ein, aber was solls. Mit etwas anderem habe ich um diese Jahreszeit ohnehin nicht gerechnet.
Meine erste Station ist das Stift Börstel, ein ehemaliges Zisterzienserinnenkloster.
Nachdem ich aus dem Wald heraus bin, gelange ich direkt ins NSG Hahnenmoor. Ich liebe Moore und so habe ich mich auf diesen Abschnitt schon besonders gefreut. Bei diesem Wetter ist es natürlich noch ein besonderes Erlebnis. Und nicht zu unterschätzen: bei diesen Temperaturen gibt es keine Mücken; im Sommer ist es hier ganz bestimmt nicht lustig. An einem Picknickplatz mache ich erst mal Teepause.
Leider ist das Moor viel zu schnell vorbei, doch bald schon begrüßt mich Herzlake. Dies ist nach mehreren Tagen der erste größere Ort, durch den ich komme und ich habe richtig Lust, hier etwas kleines zu essen. Voller Vorfreude stürze ich mich in das Städtchen. Das erste Etablissement ist ein für mich unerschwingliches Sternehotel und ohnhin nicht das, was ich mir vorgestellt habe. Als nächstes erwartet mich ein gewöhnliches Restaurant – zwischen den Feiertagen geschlossen. Pizzeria – öffnet erst ab 16 Uhr. Bäckerei – mit Stehcafe. Nein danke, sitzen möchte ich dann schon ganz gerne. Ein weiteres Lokal – ebenfalls geschlossen. Das kann doch nicht sein, langsam werde ich sauer. Da entdecke ich noch eine Bäckerei, diesmal mit Sitzecke. Ich wärme mich auf, futtere ein halbes Käsebrötchen, ein Stück Apfelkuchen und einen Milchkaffee - lecker.
Danach laufe ich wie aufgezogen. Mit frisch getankter Energie wandere ich immer entlang der hier begradigten, kanalartigen Hase. Unter anderen Bedingungen wäre es hier vermutlich recht öde, aber unter der leichten Schneedecke läuft es sich wie von alleine und auch der Ausblick ist phantastisch. Ich könnte ewig so laufen, immer weiter, weiter, weiter. Nur dumm, dass es längst dämmert und ich irgendwo mein Zelt aufstellen muss.
Sobald ich die freie Landschaft verlasse und auf meiner Seite den Wald erreiche, biege ich zur Seite ab und finde tatsächlich ein geschütztes Plätzchen. Jetzt fix das Zelt ausgepackt, die Stangen zusammengesteckt – da kommen doch tatsächlich noch Spaziergänger, schauen ein wenig und wollen weiterlaufen. Ich ergreife trotzdem sicherheitshalber mal die Initiative und frage, ob das hier Privatgrund ist und ob man hier zelten könne. Jo, meinten sie, dass hier sei privat, aber das mache nichts, hier würden öfters mal Leute zelten. Ich bin beruhigt und will schon weitermachen, da weisen sie mich noch darauf hin, dass ganz in der Nähe eine große offene Hütte eines Vereines stehe und dass da heute sowieso keiner mehr kommt. Ich könne also ruhig dort übernachten. Na prima, damit habe ich auch heute wieder eine Schutzhütte. Und was für eine. Sie ist riesig und bietet mir eine breite Pritsche mit Fensterblick und meiner Insel einen extra Platz zum trocknen. Selbststehende Zelte haben schon etwas für sich.
18 km
Donnerstag, 31. Dezember
Es schneit. Ich laufe rein nach Haselünne. Vorher komme ich jedoch noch durchs Naturschutzgebiet Wacholderhain. Hier erwartet mich eine Landschaft aus Wiesen, Moorast, Heide und Wacholder, von Mini bis übermannshoch. Dazwischen verstecken sich freilaufende Tarpanpferde und durch einen sichernden Zaun getrennte Highlandrinder. Die Welt ist heute eine Variation in Grau; einfach wundervoll.
Angeregt von gestern suche ich mir auch heute in der alten Kornbrennerstadt Haselünne wieder eine Bäckerei, diesmal ohne jegliche Komplikationen, esse eine Zwiebelsuppe und ein riesen Stück Bienenstich und sehe draußen dem Schneetreiben zu.
Kurz nach Haselünne gabeln sich die Wege. Der eigentliche Hünenweg führt Richtung Norden über Sögel nach Papenburg. Ich habe mich jedoch für den Verbindungsweg Richtung Westen über Meppen nach Emmen in den Niederlanden entschieden. In Meppen soll meine Tour wegen der günstigen Verkehrsanschlüsse enden.
Jetzt stehe ich aber erst noch kurz nach Haselünne und weiß nicht weiter. Ich habe kurz nach der Stadt den richtigen Weg verloren, es nicht gleich gemerkt und kämpfe mich nun irgendwie entlang von Feldwegen und Waldrändern ins Dorf Huden. Dass das passieren konnte liegt zum einen an den überschneiten Wegen, zum anderen aber auch an den nun äußerst schwer zu entdeckenden Wegzeichen. Waren sie bisher gelb mit einem geschwungenen blauen h, so sind sie jetzt auf dem Verbindungsweg nach Emmen weiß – weiß wie der Schnee. Besondere Obacht ist also geboten.
Von hier an ist es nicht mehr schwierig und bald gelange ich über Lahren, wo ich meine Trinkwasservorräte auffrische, wieder an die Hase. Doch ist sie hier nicht wie oberhalb kanalisiert, sondern fliest durch eine renaturierte Auenlandschaft. Dieser Abschnitt lohnt sich sicher in jeder Jahreszeit zu gehen. Nur ist es hier jetzt außergewöhnlich still. Keine Spaziergänger, keine Hunde, kein Wind, nicht mal Vogelgezwitscher ist zu hören; nur das Knirschen meiner Schuhe im frischen Schnee. Auf einem Vogelbeobachtungsturm mache ich Teepause, überquere die Mittelrade und betrete nach längerer Zeit wieder den Wald. Hier sind die Pfade so schmal und versteckt, dass ich froh bin, dass doch schon ein Spaziergänger vor mir da war. Sonst hätte ich sie manchmal kaum gefunden. Unter mir liegen die verschlungenen Altarme der Hase.
Am Flussufer schlage ich für heute mein Nachtlager auf, dieses eine mal wirklich ohne Schutzhütte. Am Silvesterabend kommen noch einige wenige Spaziergänger aus dem nahen Dorf Bokeloh, stören sich jedoch nicht an mir und ich mich nicht an ihnen. Irgendwann in der Nacht höre ich das alte Jahr zu Ende gehen.
22 km
Freitag, 01.Januar
Heute stehe ich früh auf, ist schließlich Neujahr, und laufe die letzten Kilometer entlang der Hase. Ich komme durch Bokeloh, vorbei an der alten St. Vitus-Kirche und hin zur ehemeligen Wittekindsburg. Der Sage nach hat hier die letzte Schlacht zwischen dem Sachsenkönig Widukind und Karl dem Großen stattgefunden. Heute ist nur noch ein riesiger baumbewachsener Hügel zu erkennen.
Auch am Ende durch die Stadt ist der Weg erstaunlich gut markiert, so dass ich mich sogleich zum Bahnhof finde. Es folgen ein kurzer Rundgang durch die noch schlafende Stadt und eine äußerst interessante Zugfahrt zurück nach Dresden.
7 km
Nach langwieriger Suche fiel meine Wahl auf den Hünenweg in Niedersachsen. Früher hieß er schlicht und einfach Friesenweg, was aber bei manchem Wanderer zu Verwirrung und Enttäuschung führte, führte dieser Weg doch nicht wie anzunehmen durch, sondern nach Friesland. Dem aktuellen Wanderboom geschuldet erhielt der Weg eine Runderneuerung samt neuer Beschilderung, einer hervorragenden Internetseite, einem Wanderheftchen mit Karten und natürlich einen neuen Namen: der Hünenweg.
Und trotzdem ist an vielen Stellen neben dem geschwungenen h immer noch das F für Friesenweg zu finden.
Sonnabend, 26. Dezember
Wegen rechtzeitiger Buchung ergattere ich noch eine billige Fahrkarte von meinem Weihnachtsort nach Osnabrück. Hier beginnt offiziell der Hünenweg, aber ich habe einfach keine Lust, die ersten 30 km durch relativ stark besiedeltes Land zu gehen und so viele Tage habe ich auch nicht zur Verfügung. Also fahre ich mit der Regionalbahn weiter nach Bramsche, steige dort mittags aus dem Zug und los gehts. Die Luft ist trocken, die Temperaturen sind mild, fast wirkt alles frühlingshaft. Vor kurzem ist die für norddeutsche Verhältnisse recht dicke Schneeschicht leider wieder geschmolzen und trotzdem sind die Wege einigermaßen begehbar; deren Zustand hatte ich mir schlimmer vorgestellt.
Dieser Abschnitt ist nicht sonderlich abwechslungsreich, aber für heute ist mir das egal. Ich will nur laufen, laufen, laufen, immer durch den Wald.
Bevor es völlig dunkel wird, will ich noch eine von diesen praktischen Schutzhütten erreichen, die hier entlang des Weges stehen; die Hütte Ueffeln ist mein Ziel.
Und da steht sie, ein wenig abseits des Weges wird sie zu meinem Lagerplatz für die erste Nacht. Nun könnte ich natürlich der Einfachheit halber meinen Schlafsack gleich in die Hütte legen, aber das mache ich nicht so gerne. Die Pritschen sind schmaler als meine Isomatte und das bedeutet, daß ich nachts unweigerlich runterfallen würde. Und so richtig gemütlich ist es in solch einer Hütte auch nicht, für die Gemütlichkeit habe ich schließlich mein Zelt dabei.
So, jetzt ist der Augenblick gekommen, mein Zelt zu erwähnen, mein neues Zelt; es wird unsere erste gemeinsame Nacht. Da kann keine Hütte, und sei sie auch noch so komfortabel, mithalten. Da hinten steht es, mein schickes grünes So(u)lo, meine Insel.
So, und nun zurück zum eigentlichen Geschehen. Ich liege im Zelt und döse vor mich hin. Ich mag weder lesen, noch Tagebuch schreiben, nicht mal etwas essen, nur daliegen und träumen. Später koche ich mir dann doch noch etwas zu essen, aber die Motivation dazu ist rein rational, Appetit oder gar Hunger habe ich keinen. Mein Argument heißt: wenn ich jetzt nichts koche, habe ich morgen kein Frühstück. Mein System sieht nämlich so aus: ich koche abends deutlich mehr als ich essen will und wärme mir den Rest morgens nach Zugabe von etwas Wasser als leckeres Süppchen wieder auf. Besonders im Winter mag ich das sehr gerne, da kriege ich das Müsli nämlich noch weniger hinter.
10 km
Sonntag, 27. Dezember
Mein kleiner Wecker klingelt nicht und so wache ich auf, als es längst hell ist und komme heute recht spät los. Ist im Sommer alles nicht so schlimm, aber in dieser dunklen Jahreszeit will ich das wenige Tageslicht gerne ausnutzen.
Ich komme nach Ueffeln, eine kleine Stadt mit großen und wohlhabenden Gehöften. Dieser Baustil, der mir noch auf der gesamten Wanderung begegnet, gefällt mir sehr. Obwohl auch Norddeutschland, sehen die mecklenburgischen Dörfer doch so ganz anders aus.
Trotzdem sehe ich zu, daß ich den Ort verlasse, denn bald lockt das erste Hünengrab, das Steingrab Wiemelsberg. Für mich sollte es als Vorgeschmack für die kommenden Gräber dienen. Am Ende des Weges konnte ich aber sagen, dass Wiemelsberg das für mich beeindruckendste Grab war.
Vor allem seiner Lage wegen. Das Grab selbst im dunklen Wald, daneben am Waldrand der freie Blick aufs weite Land.
Nach einer Teepause mache ich mich wieder auf den Weg. Der Himmel ist verhangen, gleichmäßig grau; außerdem nieselt es. Noch macht mir das nichts aus. Ich bin erst den zweiten Tag unterwegs, will mich unbedingt bewegen und erwarte mit Spannung den Steingräberweg Giersfeld. Auf einem Rundweg von nur wenigen Kilometern Länge befinden sich neun Grabanlagen.
Kurz vor Grumfeld bemerke ich, dass ich trotz des trüben Wetters nicht alleine draußen bin und werde auch gleich unmissverständlich auf die Gefährlichkeit diesen Fleckchens Erde aufmerksam gemacht: ein Schild warnt mich vor fliegenden Golfbällen. Nix wie weiter und ab in den Wald, denn gleich in der Nähe beginnt auch schon der langgestreckte Steingräberweg Giersfeld. Insgesamt sind hier sechs Großsteingräber aus der Jungsteinzeit, ein Steinkistengrab aus der Bronzezeit und zwei bronzezeitliche Grabhügel zu sehen. Der wiedereinsetzende Niesel lädt mich jedoch nicht dazu ein, das gesamte Gelände zu erkunden, sondern ich beschränke mich auf die Anlagen, die in Wegesnähe liegen. Besonders interessant fand ich das Steinkistengrab, da ich ein riesiges bronzezeitliches Gräberfeld dieser Art bereits im Sommer in Estland gesehen habe.
Enttäuschend wirkte dagegen das als Besonderheit angepriesene Großsteingrab „Grumfeld West“. Das Grab selbst wirkte ja noch recht imponierend – wenn nur diese Umgebung nicht wäre. Direkt dahinter steht das Gebäude des hiesigen Golfclubs, so dass einfach keine heimeliche, inspirierende Atmosphäre aufkommen will. Ich stehe ein wenig unschlüssig herum und mache mich bald wieder von dannen.
Immer weiter durch Wald und offene Landschaft bis zur Hütte Pausenbank. Doch die ist, wie der Name schon sagt, nicht mein Tagesziel, sondern dient nur dazu, in Ruhe einen Schluck heißen Tee zu trinken. Mit der Dämmerung komme ich an der Hütte im Russeler Holz an. Gut luftig gebaut, windschief und auch von innen bereits völlig nass steht sie am Waldesrand. Aber ich habe ja mein Zelt dabei und so wird es wieder ein gemütlicher Abend.
15 km
Montag, 28. Dezember
Auch nachts und am frühen Morgen hat es wieder geregnet. Ich fange schon an, grummelig zu werden, aber das ist gar nicht nötig. Bald schon hört es auf und im nachhinein werde ich wissen: der gestrige Tag war der wettermäßige Tiefpunkt; von nun an wird alles besser.
Vormittags begegnet mir der kleine Ort Alt Rüssel mit seinen Höfen und kleine Teichen. Die darauffolgende Stadt Ankum ist mit ihren diversen Übernachtungsmöglichkeiten offizieller Etappenort. Ich jedoch brauche diese (noch) nicht und umgehe sie deshalb. Schade eigentlich, denn von weitem grüßt der Artländer Dom. Ankum ist bestimmt ein sehenswertes Städtchen, doch ich nehme mir die Zeit nicht.
So erreiche ich gegen Mittag mit der Mooshütte ein wirklich einladendes Plätzchen. Hier sitze und genieße ich mein Mittagsbrot so lange, dass ich zum ersten Mal froh bin, meine Daunenjacke dabei zu haben. Sicher, es ginge auch ohne, aber gemütlicher ist es schon.
Ohne ein konkretes Tagesziel mach ich mich einfach weiter auf den Weg und haste nicht gesehn liegt schon Klein Bokern vor mir. In meiner Erinnerung ist es das schönste Dorf auf diesem Wege. Schon von weitem ist es, von einem Hügel kommend, zu erkennen. In diesem Moment denke ich nicht daran, ein Photo zu machen und als ich mitten drin bin, getraue ich es mir nicht. Und welches der Häuser sollte ich auch auswählen? Aber es ist Nachmittag und ich muss an meine Wasserversorgung denken. So achte ich, wie die Tage zuvor und danach auch, darauf wer sich im Hof aufhält und spreche ihn darauf an. Am Dorfrand sehe ich einen älteren Man in seinem Garten und frage ihn nach Trinkwasser. Wir plaudern ein wenig über das woher und wohin und er lädt mich noch zu einem Kaffee ein. Zu einer anderen Jahreszeit hätte ich gerne angenommen, aber jetzt wird es bald dunkel, noch scheint dazu die Sonne. Warum sollte ich drinnen sitzen? Auf gehts. Ich habe mir noch ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: die Hütte am Hexentreppchen.
Von nun an nur noch durch Wald. Vorbei an einem Riesenfindling namens Deuvels Brotschapp (Teufels Brotschrank) und einem Hexentanzplatz geht es bei zunehmender Dunkelheit Richtung Tangenschlucht. Als ich bei der Hütte Hexentreppe ankomme brauche ich bereits eine Lampe. Hütte ist auch hier wider schwer übertrieben. Wer sich auf diesem Weg auf die Schutzhütten verlässt, kann sowohl Glück als auch Pech haben; sie sind sehr unterschiedlicher Bauart. Aber immerhin taugt sie dazu, mein Essen dort zu kochen und am nächsten Morgen in Ruhe packen zu können.
22 km
Dienstag, 29. Dezember
War es gestern angenehm mild und sonnig, so ist es heute frisch; über Nacht hat es gefroren. Ich genieße die Stimmung, die so ganz anders ist als gestern und komme so zum Hekeser Hünengrab.
Es ist schon etwas Besonderes, denn es besteht aus zwei durch einen langen Steingang miteinander verbundenen Steinkammern und ist insgesamt fast 100 Meter lang. Die Anlage gefällt mir ausgesprochen gut. Die Stimmung wird jedoch durch einige Waldarbeiter getrübt, die keine 50 Meter entfernt ihre Arbeit mit der Motorsäge verrichten. Klar, es kann nicht jeder Urlaub haben. Am Grab gibt es, wie es sich für eine Anlage dieser Art gehört, einen kleine Picknickplatz und ich lasse mich trotz des Lärms zu einer Teepause nieder. Der verständliche Hinweis zur Müllvermeidung bzw. zur Nutzung der Papierkörbe wird durch einen selten dämlichen Spruch gekrönt: "Wer hier hat seinen Müll verloren, ist wohl in einem Stall geboren." Ein findiger Kerl hat darunter geschrieben: Jesus.
Ein Stück geht es entlang einer inzwischen stillgelegten Bahntrasse, bevor mich schmale Waldwege zu einer erneuten Gruppe von Hügelgräbern führen. In Upberg hole ich mir wieder mein Trinkwasser und frage gleich mal nach dem Wetter. Oh weh, gar schlimmes steht bevor. Die nette Frau zeigt mir die Zeitung, in der für die nächsten Tage dunkle Regenwolken abgebildet sind. Mit einem leichten Groll mache ich mich wieder auf, umgehe die Stadt Berge und versuche, heute noch so viel wie möglich „Strecke zu machen“.
Nach einem längeren, teilweise recht langweiligem Marsch durch den Wald, komme ich endlich zur Wilhelm Korte-Hütte. Korte war ein Förderer des Friesenweges und ihm zu Ehren wurde diese Hütte hier benannt.
19 km
Mittwoch, 30. Dezember
Als ich am Morgen aufwache will ich am liebsten noch weiterschlafen, denn es ist noch recht dunkel. Ein Blick auf die Uhr verrät mir aber, dass hier etwas nicht stimmt. Ich blinzele vorsichtig aus der Tür und ja – Schnee. Juchhu, damit habe ich nach der gestrigen Wetterprognose nun überhaupt nicht gerechnet. Schneller als sonst habe ich heute gefrühstückt, damit ich ja schnell loskomme. Wieder mal packe ich ein nasses Zelt ein, aber was solls. Mit etwas anderem habe ich um diese Jahreszeit ohnehin nicht gerechnet.
Meine erste Station ist das Stift Börstel, ein ehemaliges Zisterzienserinnenkloster.
Nachdem ich aus dem Wald heraus bin, gelange ich direkt ins NSG Hahnenmoor. Ich liebe Moore und so habe ich mich auf diesen Abschnitt schon besonders gefreut. Bei diesem Wetter ist es natürlich noch ein besonderes Erlebnis. Und nicht zu unterschätzen: bei diesen Temperaturen gibt es keine Mücken; im Sommer ist es hier ganz bestimmt nicht lustig. An einem Picknickplatz mache ich erst mal Teepause.
Leider ist das Moor viel zu schnell vorbei, doch bald schon begrüßt mich Herzlake. Dies ist nach mehreren Tagen der erste größere Ort, durch den ich komme und ich habe richtig Lust, hier etwas kleines zu essen. Voller Vorfreude stürze ich mich in das Städtchen. Das erste Etablissement ist ein für mich unerschwingliches Sternehotel und ohnhin nicht das, was ich mir vorgestellt habe. Als nächstes erwartet mich ein gewöhnliches Restaurant – zwischen den Feiertagen geschlossen. Pizzeria – öffnet erst ab 16 Uhr. Bäckerei – mit Stehcafe. Nein danke, sitzen möchte ich dann schon ganz gerne. Ein weiteres Lokal – ebenfalls geschlossen. Das kann doch nicht sein, langsam werde ich sauer. Da entdecke ich noch eine Bäckerei, diesmal mit Sitzecke. Ich wärme mich auf, futtere ein halbes Käsebrötchen, ein Stück Apfelkuchen und einen Milchkaffee - lecker.
Danach laufe ich wie aufgezogen. Mit frisch getankter Energie wandere ich immer entlang der hier begradigten, kanalartigen Hase. Unter anderen Bedingungen wäre es hier vermutlich recht öde, aber unter der leichten Schneedecke läuft es sich wie von alleine und auch der Ausblick ist phantastisch. Ich könnte ewig so laufen, immer weiter, weiter, weiter. Nur dumm, dass es längst dämmert und ich irgendwo mein Zelt aufstellen muss.
Sobald ich die freie Landschaft verlasse und auf meiner Seite den Wald erreiche, biege ich zur Seite ab und finde tatsächlich ein geschütztes Plätzchen. Jetzt fix das Zelt ausgepackt, die Stangen zusammengesteckt – da kommen doch tatsächlich noch Spaziergänger, schauen ein wenig und wollen weiterlaufen. Ich ergreife trotzdem sicherheitshalber mal die Initiative und frage, ob das hier Privatgrund ist und ob man hier zelten könne. Jo, meinten sie, dass hier sei privat, aber das mache nichts, hier würden öfters mal Leute zelten. Ich bin beruhigt und will schon weitermachen, da weisen sie mich noch darauf hin, dass ganz in der Nähe eine große offene Hütte eines Vereines stehe und dass da heute sowieso keiner mehr kommt. Ich könne also ruhig dort übernachten. Na prima, damit habe ich auch heute wieder eine Schutzhütte. Und was für eine. Sie ist riesig und bietet mir eine breite Pritsche mit Fensterblick und meiner Insel einen extra Platz zum trocknen. Selbststehende Zelte haben schon etwas für sich.
18 km
Donnerstag, 31. Dezember
Es schneit. Ich laufe rein nach Haselünne. Vorher komme ich jedoch noch durchs Naturschutzgebiet Wacholderhain. Hier erwartet mich eine Landschaft aus Wiesen, Moorast, Heide und Wacholder, von Mini bis übermannshoch. Dazwischen verstecken sich freilaufende Tarpanpferde und durch einen sichernden Zaun getrennte Highlandrinder. Die Welt ist heute eine Variation in Grau; einfach wundervoll.
Angeregt von gestern suche ich mir auch heute in der alten Kornbrennerstadt Haselünne wieder eine Bäckerei, diesmal ohne jegliche Komplikationen, esse eine Zwiebelsuppe und ein riesen Stück Bienenstich und sehe draußen dem Schneetreiben zu.
Kurz nach Haselünne gabeln sich die Wege. Der eigentliche Hünenweg führt Richtung Norden über Sögel nach Papenburg. Ich habe mich jedoch für den Verbindungsweg Richtung Westen über Meppen nach Emmen in den Niederlanden entschieden. In Meppen soll meine Tour wegen der günstigen Verkehrsanschlüsse enden.
Jetzt stehe ich aber erst noch kurz nach Haselünne und weiß nicht weiter. Ich habe kurz nach der Stadt den richtigen Weg verloren, es nicht gleich gemerkt und kämpfe mich nun irgendwie entlang von Feldwegen und Waldrändern ins Dorf Huden. Dass das passieren konnte liegt zum einen an den überschneiten Wegen, zum anderen aber auch an den nun äußerst schwer zu entdeckenden Wegzeichen. Waren sie bisher gelb mit einem geschwungenen blauen h, so sind sie jetzt auf dem Verbindungsweg nach Emmen weiß – weiß wie der Schnee. Besondere Obacht ist also geboten.
Von hier an ist es nicht mehr schwierig und bald gelange ich über Lahren, wo ich meine Trinkwasservorräte auffrische, wieder an die Hase. Doch ist sie hier nicht wie oberhalb kanalisiert, sondern fliest durch eine renaturierte Auenlandschaft. Dieser Abschnitt lohnt sich sicher in jeder Jahreszeit zu gehen. Nur ist es hier jetzt außergewöhnlich still. Keine Spaziergänger, keine Hunde, kein Wind, nicht mal Vogelgezwitscher ist zu hören; nur das Knirschen meiner Schuhe im frischen Schnee. Auf einem Vogelbeobachtungsturm mache ich Teepause, überquere die Mittelrade und betrete nach längerer Zeit wieder den Wald. Hier sind die Pfade so schmal und versteckt, dass ich froh bin, dass doch schon ein Spaziergänger vor mir da war. Sonst hätte ich sie manchmal kaum gefunden. Unter mir liegen die verschlungenen Altarme der Hase.
Am Flussufer schlage ich für heute mein Nachtlager auf, dieses eine mal wirklich ohne Schutzhütte. Am Silvesterabend kommen noch einige wenige Spaziergänger aus dem nahen Dorf Bokeloh, stören sich jedoch nicht an mir und ich mich nicht an ihnen. Irgendwann in der Nacht höre ich das alte Jahr zu Ende gehen.
22 km
Freitag, 01.Januar
Heute stehe ich früh auf, ist schließlich Neujahr, und laufe die letzten Kilometer entlang der Hase. Ich komme durch Bokeloh, vorbei an der alten St. Vitus-Kirche und hin zur ehemeligen Wittekindsburg. Der Sage nach hat hier die letzte Schlacht zwischen dem Sachsenkönig Widukind und Karl dem Großen stattgefunden. Heute ist nur noch ein riesiger baumbewachsener Hügel zu erkennen.
Auch am Ende durch die Stadt ist der Weg erstaunlich gut markiert, so dass ich mich sogleich zum Bahnhof finde. Es folgen ein kurzer Rundgang durch die noch schlafende Stadt und eine äußerst interessante Zugfahrt zurück nach Dresden.
7 km
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