Zagori/Vikos-Schlucht 2017

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    Zagori/Vikos-Schlucht 2017

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    Hallo alle zusammen! Nach langer Zeit (immer sieben Monaten) kommt hier endlich mein Reisebericht zu meiner Tour in die Zagori-Region in Epirus (Griechenland)! Bilder stelle lade ich auf meinem Blog hoch: www.landundleuteblog.wordpress.com


    Dienstag, 27. Juni 2017

    Gegen 09:10 Uhr bin ich am Kölner Flughafen. Der Check-In-Schalter ist schnell gefunden. Aber es dauert lang. Erst die vierte Mitarbeiterin (die anscheinend ihren ersten Tag hat) sorgt dafür, dass sich etwas tut. Zwischenzeitlich helfen die benachbarten Schalter aus. Auch an der Sicherheitskontrolle muss ich warten, weil die Dame vor mir partout nicht einsehen will, dass ihr Haarspray nicht ins Handgepäck darf. Am Gate ist es langweilig, aber der Flug vergeht recht schnell. München und die Alpen sind zu sehen. In Thessaloniki schnappe ich mir mein Gepäck und nehme den nächsten Bus in die Innenstadt. Inzwischen muss ich auch nicht mehr andauernd aufs Klo, wie im Zug, am Gate, im Flugzeug… Was habe ich bloß getrunken? In Thessaloniki ist es unwahrscheinlich heiß und ich schleppe mich mit meinem Rucksack durch die Straßen. Schließlich kapituliere ich vor der Hitze und suche mir schnell ein Hotel. Mein Versuch, mir bei den Händlern in den Gassen des Egnatia-Viertels Flip-Flops zu kaufen, ist leider schiefgegangen. Mein Hotelzimmer ist nur neun Quadratmeter groß, aber ich verbringe den Rest des Tages unterstützt von meiner Klimaanlage in seinem Inneren.

    Mittwoch, 28. Juni 2017

    In der Nacht schlafe ich kaum wegen einiger Stechmücken. So lasse ich morgens den ersten Bus nach Ioannina verstreichen und laufe erst spät zur Bushaltestelle. Die vier Kilometer sind in der drückenden Hitze mörderisch. Unterwegs lasse ich meinen Blick über die zahllosen asiatischen Krimskramsläden schweifen. Die Straßen sind gesäumt von Autowerkstätten, Lagern und dergleichen mehr. An einer Tankstelle döst ein Hund in der Sonne, bevor er sich bellend in den Verkehr hinein wagt. Schließlich erreiche ich, nachdem ich an hunderten von Taxis vorbeimarschiert bin, mein Ziel. Der Busbahnhof liegt unter einer riesigen Kuppel mit fast dreißig Bussteigen. Ich muss ein wenig suchen, bis ich den richtigen Ticketschalter gefunden habe, schließlich will ich ja nicht den Fernbus nach Lüdenscheid nehmen (den es hier wirklich gibt). Der Bus ist ein älteres angenehm kühles Modell aus Deutschland. Leider muss ich mir meinen Zweier mit einem Mann teilen, sodass ich die Beine nicht ausstrecken kann und mir irgendwann alles wehtut. In Ioannina will ich nicht viel Zeit verbringen, also mache ich mich auf die Suche nach einem Restaurant und einer Lidl-Filiale, an der wir kurz vorm Ziel vorbeigefahren waren. Das Restaurant entpuppt sich als Metzgerei. Mist. So esse ich bei einem Pizza-Lieferdienst schräg gegenüber. Die Köchin versteht kein Englisch, aber ich tippe auf der Karte einfach auf etwas, das eine Pizza Margerita zu sein scheint und sie nickt. Kurz bevor ich meine Pizza serviert bekomme, setzt sich der Fahrer zu mir.
    Er hat sich mit Hollywood-Filmen selbst Englisch beigebracht – dafür ist es nicht schlecht. Er erzählt von seinem Plan, nach Spanien zu ziehen, um sich dort nach einem Job umzusehen. Ich scheitere daran, ihm auf Englisch verständlich zu machen, dass ich an einem Theater arbeite. Woher soll ich auch wissen, was „Theater“ auf Griechisch heißt? Ich schaffe es ja gerade so, „Guten Tag“ zu sagen. Da fällt mir plötzlich auf, dass „Theater“ doch aus dem Griechischen kommt. Da versteht er mich, als „teatron“ stammele und dabei versuche, möglichst gebildet und sprachgewandt zu klingen. Von meinem Plan, mit dem Taxi nach Zagori zu fahren, hält er allerdings wenig. Zu teuer sei das, lieber solle ich nach einer Mitfahrgelegenheit Ausschau halten. Dennoch weist er mir den Weg die Straße runter zum nächstgelegenen Taxistand. Auf dem Weg dorthin sollte auch die angesteuerte Lidl-Filiale liegen, nur scheint sie spurlos verschwunden zu sein. Fluchen gehe ich in einen anderen Supermarkt und kaufe Kekse, Taschentücher und Gefrierbeutel. 300 Meter weiter erreiche ich den Lidl. Was soll’s. Ich laufe weiter in Richtung Taxistand, da passiere ich das Ortsschild. Ioannina endet einfach. Na toll, denke ich mir, hat der Scherzkeks mich jetzt etwa zum Flughafen geschickt? Drei Minuten später beginnt neben mir die Landebahn… Vor dem winzigen Terminal erspähe ich tatsächlich ein vereinsamtes Taxi. Für 40 Euro lasse ich mich bequem mit Klimaanlage nach Ano Pedina chauffieren. Der Fahrer spricht sogar ein paar Brocken Deutsch. Die Landschaft, die am Fenster vorbeizieht, ist unbeschreiblich schön. Hinter grünen Hügeln ragen schroffe Felsen auf.
    Mein Hotel ist gleich das erste Haus in Ano Pedina. Ich werde freundlich vom Besitzer und seiner Mutter – einer gutmütigen und lebhaften Matrone wie aus dem Bilderbuch – empfangen. Das Zimmer ist geräumig und voll ausgestattet, also richte ich mich in aller Ruhe ein. Abends will ich mir dann das Dorf ansehen, schließlich wird es für die nächsten Tage meine Heimat sein. Direkt neben dem Hotel liegt das kleine Kloster Evaggelistrias. Vorsichtig nähere ich mich dem Eingangstor, da fällt mir eine Nonne auf, die mir einladend zunickt. Sie fragt mich interessiert, woher ich komme, dann erlaubt sie mir, die Kirche zu besichtigen. Als ich das kleine Gotteshaus betrete, bin ich völlig überwältigt. Jeder Quadratmillimeter des schummrigen Baus ist mit Wandmalereien kunstvoll verziert. Obwohl die Kirche recht klein ist, hat sie drei Schiffe und eine Kuppel. Eine imposante goldene Chorschranke schließt den Raum ab. Ich mache viele Fotos, dann aber stecke ich die Kamera weg und lasse den Raum auf mich wirken. Nie zuvor war ich an einem so friedlichen Ort. Auf dem Weg nach draußen bin ich froh, der Nonne noch einmal zu begegnen, denn ich möchte ihr unbedingt danken.


    Anschließend komme ich zu einem kleinen Platz, umgeben von mehreren Restaurants. Hier endet mein Ausflug abrupt. Nicht etwa, weil ich einkehre. Nein, ich komme nicht an den Straßenhunden vorbei. Nach wenigen Augenblicken sitze ich auf dem Boden und zwei hellbraune Welpen klettern begeistert auf mir herum und zotteln mit meinem Kameragurt. Eine ergraute Hündin traut sich nur zögerlich heran. Immer wenn ich versuche sie zu streicheln, schreckt sie zurück. Sie kennt diese Berührungen nicht. Die beiden Kleinen sind da schon mutiger und schlafen bald auf meinem Schoß ein, beobachtet von drei weiteren Hunden aus der Ferne. Nach über einer Stunde trenne ich mich schweren Herzens von ihnen.

    Zurück im Hotel setze ich mich noch für eine Weile auf meinen Balkon. Den Fliegengitterrollladen ziehe ich hinter mir herab, so kann ich schon durchlüften. Als ich hinein will, sitze ich fest. Der Rollladen geht nicht mehr hoch! Ich habe mich ausgesperrt. Soll ich mit dem Handy an der Rezeption um Hilfe bitten? Oder einfach durch das feinmaschige Netz hindurchlaufen? Es gelingt mir, das Gitter aus dem Rahmen zu lösen und mich durch die Lücke zu schieben. Es ist glücklicherweise schnell repariert und ich stelle fest, dass man den Arretier-Mechanismus nur von innen lösen kann. Gut zu wissen. Ich wasche noch schnell meine Unterwäsche und meine Socken, dann nichts wie ab ins Bett.

    Donnerstag, 29. Juni 2017

    Ich schlafe gut und lang – es ist schon nach zehn Uhr, als ich mich endlich auf den Weg mache. Mein Weg führt mich zunächst einmal komplett durch den Ort. Nach etwas mehr als 500 Metern muss ich bereits eine erste Pause einlegen. Es ist schon ungefähr 30° C heiß und es geht steil bergauf. Schließlich zweigt ein Stück hinter der Kirche ein Pfad zu einem weiteren Kloster in den Bergen ab. Auch der Hof des Klosters bietet eine willkommene Gelegenheit für eine kurze Verschnaufpause. Die Kirche ist leider verschlossen, aber ich genieße die Aussicht und den kühlenden Schatten. Hinter der Anlage steigt der Weg dann wieder steil an. Er ist auf die für die Gegend typische Weise geschottert und anstrengend zu gehen. Unglücklicherweise verläuft er überdies durch die pralle Sonne. Immer wieder muss ich mich ausruhen – und stelle dabei fest, dass ich in meinem ganzen Leben noch nicht so viele Schmetterlinge gesehen habe. In allen möglichen Farben, Formen und Größen flattern sie um mich herum und leuchten im Sonnenlicht. Nachdem ich die Kuppe des „Berges“ (ich spreche von ca. 1.200 Metern) hinter mich gebracht habe, geht es gemächlich bergab zu Straße nach Monodendri. Hinter der Kulisse des Dorfes erheben sich die mächtigen Felswände am Eingang der Vikos-Schlucht.


    Monodendri besteht aus hellen Steinhäusern, durchkreuzt von verwinkelten Gassen. Ich bin froh, als ich am Ortseingang einen Souvenirladen mit einem Kühlschrank finde. Bei der Hitze ist Wasser bitter nötig. Über den hübschen Hauptplatz hinweg mache ich mich auf den Weg zum Agia Paraskevi Kloster. Einige Touristen begegnen mir, was mich nicht wundert, da der Ort voller Hotels ist – fast alle mit deutscher Beschilderung. Das Kloster selbst liegt jedoch einigermaßen verlassen da. Lediglich eine Frau hält Wache, verweist mich zum Balkon, ins Atelier des örtlichen Ikonenmalers und in die winzige Klosterkirche. Ich genieße zunächst den spektakulären Blick hinab in die Schlucht. Dann wende ich mich dem Gotteshaus zu. Die Tür ist kaum mehr als 1,50 Meter hoch und ich muss tatsächlich auf die Knie gehen, um hindurch zu kommen. Der Raum ist sehr eng und kann mit der Kirche in Ano Pedina nicht im Entferntesten konkurrieren. Auf einem schattigen Plätzchen innerhalb der Klostermauern halte ich schließlich eine ausgedehnte Siesta. Schließlich kehre ich in den Ort zurück und leiste mir unter einem riesigen Baum auf dem Hauptplatz ein Mittagessen: Steak mit Pommes. Das Steak entpuppt sich als Kotelett und schmeckt köstlich. Statt Hunden gibt es in Monodendri streunende Katzen, die mich umlagern. Schließlich teile ich mein Essen brüderlich mit ihnen. Als ich ihnen einen Happen zuwerfen will, landet er leider auf der Sitzfläche eines Stuhls am Nebentisch. Hoffentlich hat das niemand gesehen. Die Katzen zumindest nicht, das Fleisch bleibt unbeachtet.


    Ich bleibe noch eine Weile sitzen, bekomme einen Nachtisch geschenkt und mache mich endlich auf zur Schlucht. Während der gepflasterte Weg anfangs gut zu gehen ist, fällt der anschließende Pfad steil und anstrengend ab. Die Serpentinen führen mich etliche hundert Meter tief nach unten. Gott sei Dank gehe ich runter und nicht rauf. Moment mal, ich muss ja auch wieder zurückgehen! Immer wieder bieten sich mir unbeschreibliche und absolut atemberaubende Ausblicke in die Schlucht. Überwältigt von dieser außergewöhnlichen Schönheit halte ich immer wieder inne. Am Grund der Schlucht betrete ich das ausgetrocknete Flussbett. Über die losen Kiesel gelange ich bald zu einem letzten verblieben Tümpel: die Gelegenheit für ein erfrischendes Fußbad. Die Frösche schrecken mich nicht ab, wohl aber die beiden Wasserschlangen, wahrscheinlich je eine Würfel- und eine Ringelnatter. Nein danke, auch wenn beide harmlos sind. Stattdessen setze ich mich auf einen Felsen und schieße Fotos.
    Irgendwann kann ich meine Bergtour nicht noch weiter aufschieben und so mache ich mich an den mühevollen Aufstieg. Ich bewältige ihn mit lediglich zwei oder drei kurzen Pausen, dafür muss ich mich nicht schämen. Ich merke jedoch, wie Konzentration und Koordination allmählich nachlassen. In Monodendri gönne ich mir an einer weiteren Souvenirbude ein wenig Ruhe und Wasser. Nach meiner Einschätzung ist der Weg ab jetzt ein Leichtes. Doch ich irre mich. Erst verliere ich einen der Teller meiner Trekkingstöcke, dann verlasse ich (wie vorgesehen) die Straße, biege aber auf den falschen Pfad ab. Weit und breit keine Markierung. Also hinauf auf den nächsten Hügel, ich muss ja auf jeden Fall über die Kuppe. Doch da ist auch nichts. Also rüber auf den nächsten Hügel. Nichts. Ich klettere einen Hügel nach dem anderen durchs Gestrüpp hinauf. Schließlich gebe ich mich geschlagen, kehre zur Straße zurück. Und finde den richtigen Pfad.

    Als ich Ano Pedina erreiche, bin ich am Ende meiner Kräfte angelangt. Die Odyssee durch die Hügel war nach dem Besuch in der Schlucht einfach zu viel. Im Dorf begegne ich einem wunderschönen Hund, der sich begierig streicheln lässt. Als er aber nichts zu fressen bekommt, beginnt er mich spielerisch ins Bein zu beißen. Und er hat gute Zähne. Aua. Nur mithilfe meiner Stöcke lässt er sich abwimmeln. Die anderen Straßenhunde ignorieren mich. An einem Restaurant warnt mich ein deutscher Tourist, ich solle lieber wegen der Flöhe aufpassen. Ich entgegne, dass es dafür wohl schon zu spät sei. Tatsächlich habe ich wohl einen Floh – es gibt Schlimmeres.
    Im Hotel mache ich eine Bestandsaufnahme: Meine Schenkel sind wund, ein Muskel gezerrt, außerdem werde ich morgen einen kräftigen Muskelkater habe. Gegen den Wolf kann ich zumindest etwas machen, denke ich und krame nach der Wundcreme. Das einzige, was ich finde, ist jedoch eine Muskelsalbe. Na, so groß wird der Unterschied schon nicht sein. Wenig später hüpfe ich mit Tränen in den Augen durchs Badezimmer, während meine Schenkel zu verbrennen scheinen. Ich wasche noch schnell mein T-Shirt und hänge es zum Trocknen auf den Balkon. Dann falle ich ins Bett.

    Freitag, 30. Juni 2017

    Natürlich habe ich nicht geschlafen, sondern bis zwei Uhr morgens wachgelegen. Ich fühle mich wie gerädert. Das linke Bein schmerzt vom Hintern bis zur Ferse, ich laufe durch die aufgeriebenen Stellen zwischen meinen Schenkeln wie nach einem tagelangen Ritt auf einem Fass. Da hilft alles nichts – ich bleibe im Bett. Tatsächlich beinahe den ganzen Tag pendele ich zwischen Bett, Balkon und Sessel hin und her. Irgendwann denke ich darüber nach, wohin ich am nächsten Tag gehen möchte, wie gut es ist, dass ich ein blaues T-Shirt und nicht nur ein schwarzes eingepackt habe, dass ich vielleicht… Apropos, wo ist eigentlich mein T-Shirt? Auf dem Balkon jedenfalls nicht mehr. Ein Blick über das Geländer bestätigt meine Befürchtung. Der Wind hat es mitgerissen. Und ausgerechnet auf das Vordach geweht. Direkt neben dem Shirt gibt es aber ein Fenster. Ich mache mich auf die Suche nach dem Sohn der Gastwirtin, kann ihn aber nirgends finden. Also klopfe ich am fraglichen Zimmer an. Keiner da. Ich drücke versuchsweise die Türklinke und siehe da, das Zimmer ist unbewohnt und glücklicherweise unverschlossen. Schnell angele ich mir mein T-Shirt vom Dach und verdrücke mich wieder nach oben, um auf dem Balkon den streitenden Nachbarn aus dem nächsten Haus zu lauschen.
    Abends gehe ich in ein nahegelegenes Restaurant essen. Ich entscheide mich für einen sehr leckeren „Käse-Salat“ als Vorspeise, dann gibt es Keftedes. Ich kämpfe verzweifelt gegen die zahlreichen Fliegen, die mir mein Essen streitig machen wollen. Ich verliere. Das Restaurant wird offenbar von einem Ehepaar betrieben. Die Frau kümmert sich um mein Essen, ihr Mann versucht sich mit mir zu unterhalten. Leider spricht er aber kein Wort Englisch. Trotzdem findet er heraus, in welchem Hotel ich wohne und dass ich aus Deutschland komme. Das Deutsche nur selten nach Ano Pedina kommen, zeigt er mir mit einer abwägenden Geste und zwei bis drei erhobenen Fingern. Normalerweise seien hier eher Israelis und Niederländer zu Gast. Interessiert sieht er mir anschließend dabei zu, wie ich mir ein paar Notizen mache.
    Am Nebentisch sitzt ein etwas älteres britisches Ehepaar. Man halte sie wegen ihres Akzents oft für Australier, erzählen sie einem griechischen Paar. Das kann ich mir kaum vorstellen, sprechen sie doch das mit Abstand britischste British English aller Zeiten. Schließlich beginnt der Brite von einer Bekannten zu erzählen, die Geister sehen könne. So habe sie etwa einmal eine Frau im Kamin verschwinden sehen. Als die Griechen ihn beim Erzählen unterbrechen, weil sie ein unbekanntes Wort buchstabiert bekommen möchten, ist er hörbar brüskiert. Allerdings weiß er auch nicht, wie man das Wort eigentlich genau schreibt. Die nächste Gelegenheit verpasse ich leider, da die Wirtin gerade kassieren kommt. Als ich ein ordentliches Trinkgeld gebe, bedankt sie sich überschwänglich und klopft mir immer wieder kameradschaftlich auf die Schulter. Dann schnappt sie sich wieder ihren Besenstiel, um die sich nähernden Straßenhunde zu verjagen. Ich verabschiede mich unter den wachsamen Blicken der Hunde, die die Terrasse während des Essens belagert und jeden einzelnen meiner Bissen aufmerksam verfolgt haben.

    Samstag, 01. Juli 2017


    Obwohl ich mir wieder einmal vorgenommen habe früher aufzustehen, ist es bereits 10 Uhr, als mich auf den Weg mache. Heute möchte ich nach Kipi gehen, das etwas vor der Schlucht liegt und für seine steinernen Bogenbrücken berühmt ist. Es wird auf jeden Fall eine lange Wanderung werden, aber ich bin zuversichtlich, dass ich sie nach einem Tag Ruhe gut bewältigen werde. Erneut gehe ich durch das Dorf und schnaufe dann fluchend den Bergpfad empor. Anschließend wird es einfacher, denn es geht bergab. Auf dem Weg fange ich an, den liegengebliebenen Müll aufzusammeln. An der Straße gebe ich aber auf, es wird einfach zu viel. Kurz hinter dem Heliport von Monodendri biege ich nach rechts auf eine schmale Straße ab, die mich zum Kloster des Propheten Elias führt – der perfekte Platz für eine Pause, es ist ja schon wieder heiß. Das Kloster ist verlassen und verfallen, nur die beiden Kirchen sind restauriert, aber verschlossen. Über dem überraschend weitläufigen Komplex erhebt sich ein mit Heiligenbildern bemalter Kirchturm. Als ich wieder losmarschiere verfehle ich offenbar den Pfad nach Vitsa (ich bezweifle, dass es er existiert) und schlage mich quer durch den Wald. Auch auf der Straße, die erreiche, wähle ich zunächst irrtümlich die falsche Richtung und bemerke meinen Fehler erst am Ortseingang von Monodendri – und drehe also um. Die Straße führt an einer archäologischen Ausgrabungsstätte vorbei. Das Gelände ist abgesperrt und außer einem Schild, dass es sich um eine der frühesten Siedlungen der Region handele, finde ich leider keinerlei Informationen.

    Vitsa klebt förmlich an einem Berghang. Die Straße windet sich durch den Ort und ich finde ein schönes Plätzchen für eine kurze Verschnaufpause im Schatten. Schließlich erreiche ich die Stufen von Vitsa, die in engen Serpentinen den Hang herab in die Schlucht führen. An ihrem Ende erwartet mich eine erste beeindruckend schöne Steinbrücke aus dem 18. Jahrhundert, die ich in der prallen Sonne überquere. Ich will direkt weiter nach Kipi gehen, da der Weg noch einige Kilometer weit ist. Größtenteils laufe ich auf dem gut markierten Pfad weiterhin in der Sonne. Die Szenerie hätte mit dem ausgetrockneten Flussbett und den kargen Felsen zwischen den Büschen auch als Filmset für einen Winnetou-Streifen dienen können. Fast rechne ich damit, Pierre Brice und Lex Barker zu begegnen. Plötzlich bekomme ich Schüttelfrost. Bei der Hitze ist das kein gutes Zeichen. Mit letzter Kraft schleppe ich mich zu einem schattigen Felsen und trinke Unmengen Wasser. Da ich bald in Kipi sein muss, brauche ich mich ja nicht mehr einzuteilen.

    Autogeräusche, dicht an meinem Rastplatz, lotsen mich zur nahen Straße. Mit neuen Kräften mache ich mich wieder auf. Die Straße überquert eine weitere Brücke, ich nutze jedoch die historische Fußgängerbrücke daneben, die das Flüsschen im Seitental überspannt. Immer weiter geradeaus laufe ich, bis ich an einem Parkplatz fast zusammenbreche. Eine dritte Brücke bietet mir Zuflucht im Schatten. Ich streife mein durchschwitztes T-Shirt ab und brauch meine restlichen Wasservorräte fast vollständig auf. Dann ziehe ich die Karte aus dem Rucksack, um mich besser zu orientieren. Oh Schreck! Ich hätte an der letzten Brücke dem Seitental folgen müssen, jetzt bin ich kilometerweit entfernt von Kipi! Meine Rettung hört auf den Namen Dilofo, ein weiteres Bergdorf. Wenn ich die kleine Brücke überquere und den Pfad dem Berg hinauf folge, müsste ich schon bald da sein. Während ich noch meinen Weg plane, hält ein griechisches Pärchen auf dem Parkplatz, um ein paar Fotos zu machen. Ich komme mit der Frau ins Gespräch. Als sie hört, dass ich seit sechs Stunden durch die schier unerträgliche Hitze wandere, schenkt sie mir eine Flasche Wasser und bietet an, mich mit dem Auto nach Kipi zu fahren. Das Wasser nehme ich gerne an, entschließe mich aber doch, zu Fuß nach Dilofo zu gehen, da der Rückweg dann auch deutlich kürzer ist. Ich rappele mich also auf und kraxele den Hang hinauf. Das unverhoffte Wassergeschenk ist bereits nach wenigen Minuten aufgebraucht und ich schleppe mich kraftlos weiter.

    Als ich den Dorfplatz erreiche, lasse ich mich auf eine Mauer fallen, lege die Füße hoch und versuche meinen geschundenen Kreislauf zumindest halbwegs in den Griff zu bekommen. Ein Hund sieht mir dabei zu, interessiert sich dann aber auch nicht weiter für mich. Ich folge einem Wegweiser zum einzigen Restaurant des Ortes. Sonst ist nur eine griechische Familie, ebenfalls Touristen, hier. Ich mache mich über das kostenlose Wasser her, esse gebratene Pilze mit kiloweise Knoblauch, würzige Würstchen und frittierte Kartoffelscheiben. Eine kurze Internetrecherche überzeugt mich davon, dass ich mir eine ordentliche Hitzeerschöpfung eingehandelt habe. Das viele Schwitzen hat mich einfach zu viele Mineralien und Nährsalze gekostet.
    Der Kellner spricht fließend Englisch und ich bin froh, dass ich mich ein wenig unterhalten kann. Plötzlich steht die Mutter der griechischen Familie neben mir. Höflich fragt sie mich, ob sie mir eine Frage stellen dürfe. Sie will wissen, wo ich heute hergekommen sei und ist offenbar beeindruckt von meiner Wanderung. Ich erzähle ihr, dass ich am nächsten Tag die Vradeto-Stufen gehen will, doch sie rät mir davon ab. Sie sei sie gegangen und sie lägen in der prallen Sonne. Da die Stufen von Vitsa sicherlich recht ähnlich sind, nehme ich den Rat gerne an. Als sie sich wieder an ihren Tisch setzt, versuchen ihre Kinder sie nachzuäffen und mit ihrer Höflichkeit aufzuziehen. Sie bekommt mit, dass ich ihr zuhöre und wir lachen. Außerdem Rat mit den Vradeto-Stufen hat sie mir noch den Tipp gegeben, den Drakolimni – den Drachensee – zu besuchen. Er liegt unterhalb des Astraka-Gipfels bei Papigo. Dorthin werde ich eh umziehen.
    Nach zwei Stunden fühle ich mich gestärkt genug, um nach Ano Pedina zurück zu laufen. Auf der Karte habe ich mir die Route genau angesehen. Sie führt denkbar einfach auf einer schmalen Straße entlang, bis sie auf die Hauptverkehrsstraße trifft: idiotensicher. Ich darf meine Wasservorräte im Restaurant auffüllen, dann frage ich den Kellner nach dem Weg zur Johannes-Kapelle, die mir als Orientierung dienen soll. Er kennt sie jedoch nicht und verweist mich an einige einheimische Männer an einem anderen Tisch. Der Weg ist schnell erklärt. Ob ich nach Vitsa laufen wolle? „Nach Ano Pedina.“ – „Nein.“ Mein Ansinnen wird kategorisch abgelehnt. Das sei heute unter keinen Umständen mehr zu schaffen. Ich könnte frühestens morgen Nacht da sein. Ich versichere jedoch, dass ich dort mein Hotel habe und stapfe unter dem ungläubigen Kopfschütteln der Einheimischen los. Als ich auf eine schmale Straße treffe, wähle ich zunächst mal wieder die falsche Richtung, da ich mich an einer anderen Kreuzung wähne (die Karte im Maßstab 1:50.000 ist da etwas ungenau), aber der Fehler ist schnell korrigiert. An der Johannes-Kapelle finde ich von Kugeln durchsiebte Wanderkarte vor – sympathisch! Zunächst muss ich in Richtung Vitsa gehen, dann die Straße nach links nehmen. Doch diese Straße gibt es nicht. Wahrscheinlich wurde sie nie gebaut…
    Notgedrungen laufe ich also weiter nach Vitsa. In Dilofo war der Weg einmal mit 50 Minuten, einmal mit 1:45 Stunden angegeben. Ich brauche eineinhalb Stunden. Der Weg wird zunehmend anstrengender. Ich klettere kilometerweit im ausgetrockneten Kiesbett eins Gebirgsbachs bergauf. Kurz vor den ersten Häusern des Ortes fluche ich herzhaft. Als ich den Dorfplatz endlich erreiche muss ich eine Pause einlegen. Die Dorfältesten sitzen vor der Taverne zusammen, ein paar Kinder spielen mit einem Rasensprenger. Schon nach wenigen Minuten rappele ich mich wieder auf. Ich muss ja noch weiter. Nun kann ich aber tatsächlich einfach der Hauptstraße folgen. Kurz hinter dem Ortsausgang versichere ich mich noch einmal bei einem älteren Herrn mit Hund, der sich mit zwei Frauen unterhält. Ano Pedina sei etwa drei Kilometer die Straße geradeaus gelegen, bestätigt er mir auf Englisch. Tatsächlich sind es mehr als fünf Kilometer, doch ich wandere bester Laune weiter und singe dabei vergnügt vor mich hin. In voller Lautstärke, es geht schließlich bergab.
    Kurz bevor ich Ano Pedina erreiche wird es langsam dunkel. Auf der einsamen Straße fällt mir ein, dass es in der Gegend Bären und Wölfe geben soll. Ich nehme einen meiner Trekkingstöcke kampfbereit zur Hand und mustere mein Umfeld misstrauisch. Plötzlich bemerke ich auf einer nahen Wiese mehrere große Schatten, die sich bewegen. Ich erstarre. Einer der Schatten sieht mich offenbar, grunzt laut – dann rennt die Rotte Wildschweine ab in den Wald. Gott sei Dank! Ich bin heilfroh, als ich endlich das Hotel erreiche.

    Sonntag, 02. Juli 2017


    Überraschenderweise geht es mir nicht annähernd so schlecht wie vor zwei Tagen. Aber ich schlafe aus, telefoniere mit meiner Familie, wasche und gammele herum. Als es schließlich Abend wird beschließe ich, wieder in das nahegelegene Restaurant zu gehen. Diesmal ist mehr los und eine Kellnerin sprich sogar Englisch. Ich bestelle mir Saganaki – einen gebratenen Käse mit Zitronensaft – und Lamm mit Reis. Alles schmeckt sehr gut, aber das Lamm besteht fast nur aus Knochen und ich habe einige Mühe, das Fleisch abzupiddeln. Das englische Paar verkündet, es sei sein letzter Abend in Ano Pedina. Ich bleibe nach dem Essen noch eine Weile sitzen und arbeite an meinen Notizen, als die Straßenhunde wieder die Terrasse erobern. Zwar werden sie immer wieder von Wirtin verjagt, aber sie geben nicht auf. Besonders der Gerupfte ist auf Freundschaft (sprich: Essen) aus und die Graue ist entsetzt, als ich sie streichele. Die beiden Kleinen folgen mir bis zu meinem Hotel, wo ich sie schließlich davonscheuchen muss. Sie haben sich dauernd in den Saum meiner Leinenhose verbissen.
    Vor dem Eingang sitzt die Inhaberfamilie beim Essen. Als die Wirtin mich kommen sieht drückt sie mir sofort etwas in die Hand, das aussieht wie ein Stück Pizza. Ihr Sohn das sei selbstgemachter „Pie with cheese“. Obwohl ich im Restaurant noch einen sehr süßen und sehr leckeren Nachtisch bekommen hatte, beiße ich herzhaft zu. Es schmeckt absolut köstlich! Ich bedanke mich, dann ziehe ich mich auf mein Zimmer zurück.

    Montag, 03. Juli 2017

    Da ich morgen abreisen werde, gehe ich den Tag noch einmal ruhig an. Ich habe vor, zum Aussichtspunkt Oxia oberhalb der Schlucht zu gehen. Laut Reiseführer sind die Sichtverhältnisse dort gegen Nachmittag/Abend am besten, so mache ich mich erst nach 15 Uhr auf den Weg. Voll ausgerüstet steige ich zum wiederholten Male den überaus anstrengenden nach Monodendri hinauf. Inzwischen benötige ich immer weniger Pausen. In Monodendri ruhe ich mich kurz an einer der Souvenirbuden am Ortseingang aus und trinke etwas, dann mache ich mich auf die Suche nach dem Pfad nach Oxia. Alternativ könnte ich auch acht Kilometer weit die Straße hinauf laufen, aber das will ich nicht. Der Pfad ist schnell gefunden und führt mich zu einem kleinen Wasserwerk. Außer einem jungen Griechen, der mir in Flip Flops entgegen kommt, begegne ich niemandem. Aber wie und wo geht es weiter? Eine rote Markierung im Wald hinter dem Häuschen den Hang steil hinauf. Mangels Alternative folge ich ihr.

    Ich klettere über Stock und Stein, frage mich immer wieder, ob das denn wirklich der Weg sein kann. Ab und an muss ich suchen, wie es weiter geht, aber oftmals weisen Steinmännchen die richtige Richtung. Schließlich höre ich die allgegenwärtigen Schafsglocken, dann stehe ich inmitten einer Herde auf der Straße. Endlich. Leider sind auch die Hunde des Schäfers da, die mich sogleich beißen wollen und verfolgen. Schon früher am Tag bin auf der Straße runter nach Monodendri einem Hirten begegnet, der mir von einem Hang hinab zusah. Weltmännisch hatte ich meinen Hut gelüpft um ihn zu grüßen – und mich gleich darauf blamiert, als er sich zusammenfaltete und ich ihn nicht mehr auf meinen Kopf bekam. „Tourist?“ – „Yes, kalispéra!“
    Bald gerate ich in den „Steinernen Wald“, bizarre Felsgebilde beiderseits der Straße. Hin und wieder fährt ein Auto vorbei. Schon von hier aus kann man die Schlucht gut sehen, doch sie ist dunkel. Direkt über Oxia brauen sich tiefdunkle Wolken zusammen und es sieht nach einem Unwetter aus. Lohnt die Anstrengung, noch weiter zu laufen? Fotos werde ich wohl sowieso nicht machen können. Die Vernunft siegt ausnahmsweise und so kehre ich unverrichteter Dinge um. Diesmal nehme ich jedoch gleich die Straße; um nichts in der Welt will ich meinen Aufstiegspfad hinabklettern müssen.
    Zurück in Ano Pedina beschließe ich, im Hotel und Restaurant Porfyron, dem einzigen farbigen (roten) Haus des Dorfes einzukehren. Ich betrete die Terrasse, auf der ein älteres Ehepaar sitzt. Setze mich hin. Ein Mann erhebt sich mürrisch und tritt an meinen Tisch. Als ich ihn frage, ob ich etwas zu essen bekommen kann, stapft er in die Küche um zu fragen. Als er wiederkommt fragt er mich, ob ich Chicken Pie, Salat und Moussaka wolle. Ich bin sofort einverstanden und nach kurzem deckt seine Frau den Tisch. Von ihr erfahre ich, dass sie eigentlich nur ein täglich wechselndes Menü für die Hotelgäste anbieten. Es schmeckt köstlich!
    Das ältere Paar stammt – wie die Wirtin – aus den Niederlanden, zwischen Rotterdam und Antwerpen. Ich komme schnell mit der Frau ins Gespräch über Griechenlandurlaube und die Gegend. Sie lobt mich überraschenderweise für meine Englischkenntnisse. Eine holländische Familie mit ihrem gehbehinderten Sohn kommt hinzu und ich genieße die letzten Bissen meines wohlverdienten Abendessens. Zur Krönung bekomme ich ein Stück hausgemachten Kirschkuchen. Zum Abschied wünschen mir die älteren Holländer noch eine schöne Zeit, dann gehe ich zurück in mein Hotel. Unterwegs verabschiede ich mich noch schnell von den Straßenhunden. Die beiden Kleinen folgen mir wieder, schließen sich dann aber doch lieber ein paar Kindern an.
    Im Hotel sehe ich den Sohn der Wirtin im Speiseraum sitzen. Das ist gut, denn ich muss ja noch bezahlen 168 € schulde ich dem Hotel. Ich runde auf 180 € auf, da ich mich sehr wohl gefühlt habe. Erst versteht er 170, als wir uns dann aber einig sind, lädt er mich zum Dank auf ein Glas Rotwein an. Seine Mutter weist mir sofort einen Stuhl am Tisch zu und so sitze ich mit meinen Gastwirten zusammen und unterhalte mich angeregt. Die Familie betreibt das Hotel seit 24 Jahren, mit 16 Jahren ist der Speiseraum das Küken des Ensembles. Im Winter kommen eher Griechen nach Zagori, viele haben eigene Häuser in der Region, arbeiten aber in den großen Städten. Der Sohn erzählt von einem Freund, der in den Niederlanden arbeitet und dort immer über das Wetter klagt. Seine Mutter sei Niederländerin. „Aus dem roten Haus?“, frage ich. „Ja, genau.“ Ich erkundige mich nach Wintersport. Den gibt es hier aber zum Glück nicht, erst in Metsovo. Irgendwann kommt noch der Vater hinzu, der Schafe hält und wir trinken seinen selbstgebrannten Tsipouro. Plötzlich macht man mich auf einen kleinen schwarzen Skorpion aufmerksam, der durchs Zimmer krabbelt. Ich bin total aus dem Häuschen und werde ein bisschen ausgelacht, als ich etliche Fotos schieße. Skorpione gebe es hier viele, auch große, praktisch unter jedem Stein. Dass es in Deutschland keine wilden Skorpione gibt, können sie sich kaum vorstellen. Dafür sind die Deutschen als Säufer verschrien. Bis hierher ist vorgedrungen, dass wir auf den griechischen Inseln schon ab dem Morgen Bier trinken…
    Schließlich ziehe ich mich zurück um fertig zu packen und werde mit einem herzlichen „Kalinikta“ verabschiedet.

    Dienstag, 04. Juli 2017

    Mit fast 20 Kilogramm Gepäck auf dem Rücken verabschiede ich mich noch einmal von der Wirtin, dann ziehe ich los. Ein letztes Mal den Berg hinauf. Wie immer mache ich am Dorfplatz und am Kloster Pause, komme insgesamt gut voran, da es nicht so heiß ist. Ich bin sogar ein paar Minuten früher als gedacht in Monodendri. Bereits am Vortag habe ich ein wenig Essen für unterwegs eingekauft. Trotzdem mache ich Rast, trinke etwas, kaufe Postkarten (Briefmarken gibt es nicht) und beobachte ein junges Paar – dem Kennzeichen nach aus Braunschweig. Auf dem Weg bin ich bereits einem Wohnmobil aus Dresden und einem Auto aus Verden begegnet. Ein deutscher Tag sozusagen.
    Ich wandere durch den Ort zum Theater (an dem eine Schlage schnell davonkriecht) und von dort aus hinab in die Schlucht. Doch anstatt wieder umzukehren gehe ich nun weiter in Richtung Papigo. Ich genieße die außergewöhnliche Schönheit der Natur um mich herum: Die schroffen Felsen erheben sich hunderte Meter steil in die Höhe. Der Pfad erinnert an den Beginn im Dschungel von „Indiana Jones – Jäger des verlorenen Schatzes“, ist aber weit anspruchsvoller, als gedacht (Reiseführer: Gutes Schuhwerk und gegebenenfalls Stöcke. Hahaha.). Ich habe vor, unterhalb von Oxia eine Rast einzulegen. Zuvor muss ich aber das felsige Flussbett durchqueren, wenn auch nur für etwa 100 Meter. Danach brauche ich aber eine Pause. Das Gekraxel auf schmalen Felsbändern und zwischen kopfgroßen Kieseln hat mich etwas mitgenommen. Gerade als ich mich hingesetzt habe, kommen mir vier junge Niederländer entgegen. Sie fragen mich, ob ich meinen Hund vermisse. Woher können die das wissen. Aber es geht um einen fremden Hund mit Halsband, der ihnen folgt. Offensichtlich hat er sich verlaufen und sucht Anschluss um aus der Schlucht herauszufinden. Ich erkläre ihnen, dass sie noch zwei Stunden bis Monodendri benötigen werden. Papigo sei noch vier bis fünf Stunden entfernt. Mist. Ich warne sie noch vor dem anstrengenden Abschnitt, den sie aber als „Playground“ ansehen und innerhalb von drei Minuten hinter sich bringen – samt Hund.

    Ich laufe weiter und nach einer Stunde bin ich endlich unterhalb Oxias. Ein Schlauch leitet das Wasser einer Quelle von der anderen Seite der Schlucht herüber. Begierig trinke ich und lasse mich auf einen umgestürzten Baumstamm plumpsen. Eine Viertelstunde lang will ich mich ausruhen, mache mich dann aber doch schon früher wieder auf den Weg. In drei Stunden will ich an der Gabelung Vikos-Papigo sein. Hoffentlich wird der Weg nun einfacher. Teilweise hatte ich richtig klettern müssen und mich notdürftig mit einem vorinstallierten Seil gesichert. Doch nun wird es einfacher, die Schlucht weitet sich ein wenig und immer öfter wird der Pfad zu einem angenehmen Waldweg. Das Tal verändert sich gen Norden zusehends. Es wird trockener, staubiger. Irgendwann nach etwas mehr als zwei Stunden – meine Uhr geht falsch, es ist schwer einzuschätzen – lasse ich mich erschöpft auf den Boden sinken. Das war jetzt Speedhiking, dieses Tempo kann ich nicht halten. Ich gehe weiter. Etwa fünf Minuten später erreiche ich unvermittelt die Weggabelung.

    Mein Weg verläuft nun auf der anderen Seite der Schlucht weiter. Als ich das Flussbett durchquere mache ich mich auf die Suche nach den Quellen des Voidomatis, kann sie aber leider auf die Schnelle nicht finden, nur bemooste Felsen. Also stapfe ich den Hang hinauf. Mehrere hundert Höhenmeter in Serpentinen. Durch die pralle Sonne. Nach jeder Kehre bleibe ich stehen, suche Schatten und schnaufe. Ist das anstrengend! Nach gefühlten zwei Stunden gelange ich endlich auf einen Weg, der einigermaßen eben am Hang entlang führt. Doch es sind noch etliche Kilometer bis zu nächsten Gabelung. Ich fluche, überlege, da es langsam dunkel wird, am Hang zu übernachten, während ich Kiesabbrüche quere. Für die Naturschönheiten um mich herum, wie den beeindruckenden Felsenturm, hinter dem ich hervorkomme, habe ich kaum noch ein Auge. Ich bin völlig am Ende meiner Kräfte. Soll ich den kürzeren Weg nach Mikro Papigo nehmen und jemanden fragen, ob es mich fährt? Nein, ich will direkt nach Papigo gehen.

    Ich durchquere einen Bach, dann geht es weitere 150 Höhenmeter den Hang hinauf. Plötzlich klingelt mein Handy – mein Wirt in Papigo, aber die Verbindung hält nicht. Ich schleppe mich mit Mühe hinauf in den Ort. Dann breche ich auf einer Mauer vor der Kirche förmlich zusammen. Gegenüber im Restaurant sitzen die vier jungen Niederländer aus der Schlucht und grüßen mich fröhlich. Ich rufe den Wirt an und frage, wo das Hotel sei. Es soll an einem großen Parkplatz liegen, doch ich weiß nicht, wo der sich befindet. George (so heißt er) will mir entgegen kommen. Nach ein paar Minuten klingelt mein Handy erneut: Wo ich sei? Immer noch an der Kirche. Dann einfach abwärts. Ich schultere den Rucksack und schleppe mich um die Ecke – und stehe auf dem Parkplatz. Oh. Am anderen Ende winkt mir George zu. Er dachte, ich sei mit dem Auto unterwegs. Als er von meinem Fußmarsch erfährt meint er, ich solle mich ausruhen. Mein Zimmer liegt im Erdgeschoss von einem von insgesamt drei Häusern. George wuchtet noch schnell den Kühlschrank aus meinem Zimmer ins Treppenhaus, damit die anderen Gäste ihn mitbenutzen können. Morgen fährt er nach Ioannina und fragt, ob er mir etwas mitbringen soll. Dann drückt er mir noch eine Broschüre über die Nationalparks Vikos-Aoos und Pindos in die Hand, dann bin ich allein, dusche, wasche und falle ins Bett. Zum Abendessen bin ich einfach zu müde…

    Mittwoch, 05. Juli 2017

    Obwohl ich mich relativ fit fühle, schone ich mich, schlafe aus, mache ein paar Fotos draußen auf dem Parkplatz. Dabei lerne ich George Senior kennen, den Besitzer des Gästehauses. Der andere George ist sein Neffe. Auch er bietet mir an, mir zu helfen, wenn mir etwas fehlen sollte. Ich telefoniere mit meiner Familie, dann mache ich mich auf zum Abendessen. Ich gehe in das Restaurant an der Kirche. Direkt neben mir ist eine lange Tafel eingedeckt, an der bislang kaum jemand sitzt. Als ich Feta, Souvlaki und ein überraschend gutes Weißbier auf Englisch bestelle, spricht mich eine New Yorkerin an, woher ich stamme? Zwar hat sie meinen Akzent („not too strong“) gehört, aber auf Deutschland hätte sie nicht getippt. Die Wirtin legt mein Papierdeckchen vor mich, mit einem gezeichneten Felsen vor den Felsen. Papigo liegt direkt unterhalb der Wand des Tymfi-Gebirges. Ich frage sie, ob sie es selbst gezeichnet habe. Aber das Bild stammt von einem lokalen Künstler. Mein Essen schmeckt sehr gut und ich habe einen Riesenhunger, obwohl ich am Mittag meine gesamten Vorräte aufgegessen habe. Ein Fehler, wie sich noch herausstellen sollte. Schließlich gehe ich ins Bett, denn morgen will ich zum Drakolimni wandern.


    Donnerstag, 06. Juli 2017

    Wie so oft schlafe ich eigentlich viel zu lang, um noch Wandern gehen zu können. Nachts hatten mich einige Wildschweine unter meinem Fenster wachgehalten, bis sie der Hotelbesitzer verjagt hat. Und jetzt ist es definitiv zu heiß. Der Weg beträgt hin und zurück mindestens 10 Stunden, bergauf, oberhalb der Baumgrenze bei 35°C durch die pralle Sonne. Das wäre glatter Selbstmord! Also verbringe ich den Tag erneut in Papigo. Ein winziger Skorpion, weit kleiner als mein Fingernagel, leistet mir in meinem Hotelzimmer Gesellschaft. Ich lese mir interessiert die Broschüre durch, die mir George dagelassen hat. Abends treffe ich mich mit ihm. Ich habe mir einen Bus am frühen Morgen nach Ioannina herausgesucht und möchte noch abends zahlen. George weiß nichts von einem Bus und ruft extra die Verkehrsgesellschaft an – und er hat Recht. Der Busfahrplan, den ich im Internet gefunden hatte, ist völlig veraltet und freitags fährt nichts mehr. Stattdessen bietet er mir an, mich am nächsten Tag mitzunehmen. Dankbar nehme ich an. Dann sehe ich mich noch ein wenig in Papigo um und mache ein paar Fotos. Zum Abendessen gibt es diesmal Bifteki.


    Freitag, 07. Juli 2017

    Ich packe und setze mich vor das Hotel, denn gegen elf Uhr will ich mich mit George treffen. Er holt mich in seinem alten Nissan ab. Der hätte es in Deutschland vermutlich nicht mal mehr in die Nähe des TÜVs geschafft: Die Rückbank, auf die ich meinen Rucksack werfe, besteht aus einem Holzbrett, der Boden aus bloßem Stahl. George ist ehrlich überrascht, dass mein Anschnallgurt noch funktioniert. Auf der Fahrt stelle ich außerdem fest, dass die Tachonadel abhandengekommen ist. Man muss die Geschwindigkeit anhand der vorbeifliegenden Landschaft abschätzen. Wenn George nicht gerade telefoniert unterhalten wir uns. Mal zeigt er mir die albanische Grenze, mal den Voidomatis, den klarsten Fluss Europas. Schon gestern hat er mir erzählt, dass er gerne nach Deutschland reisen würde. Er hat Verwandte in Düsseldorf und Nürnberg. London und Paris hat er besucht, nun will er nach Berlin, „die Hauptstadt Europas“. Zu meiner Überraschung weiß er, dass im September Bundestagswahl ist. Von Angela Merkel ist er sehr angetan.
    Schließlich erreichen wir Ioannina. George setzt mich am Busbahnhof ab und ich besorge mir eine Fahrkarte. Der nächste Bus nach Thessaloniki fährt in zwei Stunden. So schlage ich also die Zeit tot. Im Bus gelingt es mir, einen Zweier ganz für mich allein zu ergattern. Schon unterwegs buche ich ein Hotelzimmer.
    In Thessaloniki laufe ich zu meinem Hotel, versuche aber zunächst im falschen einzuchecken. Schließlich finde ich mein Hotel zwei Häuser weiter und bin einigermaßen entsetzt. Mit den Fotos im Internat hat es rein gar nichts gemein. An der Rezeption werde ich zunächst ignoriert, das winzige Zimmer ist laut, nicht wirklich sauber und gleich neben dem Aufzug. Im Bad läuft Wasser aus der Wand. Ich wasche meine Klamotten durch und flüchte mich in die Innenstadt. Über den Aristoteles-Platz gehe ich hinab ans Meer. Unzählige Menschen sind unterwegs, Thessaloniki pulsiert vor Leben. Entlang des Ufers spaziere ich zum Weißen Turm, über dem der Vollmond leuchtet. Auf der anderen Seite des Thermaischen Golfes erkennt man schemenhaft den Olymp. In einem Restaurant esse ich einen Burger (Gyros ist in Griechenland offenbar eine Seltenheit…), sehe staunend dem unentwegt herumeilenden Assistenten des Kellners zu. Der wünscht mir noch einen schönen Aufenthalt in der seiner Meinung nach tollsten Stadt der Welt. Dann kaufe ich endlich Briefmarken und gehe ins Bett.

    Samstag, 08. Juli 2017

    Vollbepackt mit meinem Rucksack begebe ich mich auf Fotosafari runter ans Wasser. Ich will ein wirklich gutes Bild vom Olymp machen, aber er ist heute leider nicht zu sehen. Also mache ich mich auf den Weg zum Archäologischen Museum – das ich allerdings knapp verfehle. So ende ich am Galeriusbogen. Seine schiere Größe beeindruckt mich, nur ist er leider eher schlecht erhalten. Ich besuche auf die benachbarte Rotunde, die als älteste Kirche der Welt gilt, und bewundere die prächtigen Mosaiken. In der Nähe des Aristoteles-Platzes habe ich am Morgen ein Armband als Andenken gekauft. Kurz darauf wurde ich von einem Jamaikaner angequatscht, der Werbung für ein Reggaefestival machen wollte. Als er erfuhr, dass ich abreise, wünschte er mir „Hakuna matata“ und schenkte mir ein weiteres Bändchen – für das er dann natürlich Geld wollte.


    Nach den römischen Ruinen will ich nun noch die byzantinischen Kirchen besichtigen. Ich suche mir die Agia Sofia aus, mache noch schnell eine Pause im Park, bevor ich hineingehe – da werde ich hinausgeworfen. Mittagspause. Mist. Also mache ich mich statt der Besichtigung mit dem Bus auf zum Flughafen. Ich muss eine Weile warten, bis der Check-In öffnet. Die verschiedenen Schlangen sind ein wenig verwirrend. Neben mir drängelt ein unsympathischer Typ nach vorne. Als ich endlich an der Reihe bin, schiebt sich eine selbstgerechte junge Mutter vor mich, um andere Plätze zu bekommen. Sie braucht für sich, ihren Mann und den Säugling drei Plätze, die nebeneinander liegen. Sie wird dennoch den gesamten Flug über das Kind auf dem Schoß haben. Mit stoischer Ruhe lasse ich auch das über mich ergehen. Der Koffer des Unsympathen ist zu schwer. Karma.
    Das Boarding verzögert sich, der Flug verspätet sich um eine halbe Stunde. Das ärgert mich, weil ich dadurch meinen Zug in Köln verpassen werde. Als wir endlich abfliegen ergattere ich wieder eine Fensterplatz. Wieder sieht man München und die Alpen, diesmal allerdings auch Frankfurt. Dann geht es nach Hause.
    Zuletzt geändert von Gerhard89; 12.03.2018, 18:06.

  • Abt
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    • 26.04.2010
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    #2
    AW: Zagori/Vikos-Schlucht 2017

    Danke für deinen Reisebericht.
    Eine tolle Gegend. Sicher würde ich die heiße Jahreszeit vermeiden.

    Geht das als Rundwanderung zu machen.
    Welche Wanderkarten würdest du empfehlen?
    Gab es Zeltstellen/Möglichkeiten unterwegs mit Wasser?

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    • Gerhard89
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      • 20.12.2016
      • 13
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      #3
      AW: Zagori/Vikos-Schlucht 2017

      Hallo Abt,

      ja, im Sommer ist es dann doch recht warm;) Und ich war genau während einer Hitzewelle da, als es noch mal etwa 10°C heißer war als sonst...
      Die Gegend ist unfassbar schön. Überall gibt es diese kleinen alten Klöster, dazu die einmalige Natur! Ich bin nach jeder Kurve stehen geblieben und habe den Mund vor Staunen kaum zubekommen. Und ich habe niemals so freundliche Menschen getroffen, das war schon eine tolle Reise.
      Die Vikos-Schlucht selbst ist zu lang und zu anstrengend, um sie als Rundwanderung bzw. Hin- und Rückweg zu machen. Man kann sich aber sicherlich am Ende abholen und heimfahren lassen. Zelten ist im Nationalpark streng verboten und wird angeblich auch abends überprüft. Allerdings finden sich sicherlich Plätze, die ein wenig abseits liegen, auf den man notfalls mal eine Nacht verbringen könnte. Unterhalb der Astraka (einer der Tymfi-Gipfel) gibt es auch eine bewirtschaftete Hütte, soviel ich weiß. Bei einer mehrtägigen Trekkingtour würde ich also Hotel-Hopping empfehlen. Jedes Dörfchen (und es gibt um die 40 in der Region) hat Hotels und Pensionen zur Auswahl - das müsste also gut machbar sein. Ich habe mich für zwei Hotels entschieden, um beide Enden der Schlucht kennenzulernen.
      Kartenmaterial gibt es von Aavasi, da gibt es dann auch ein Kartenblatt Zagori (Epirus 3.1) und auch die angrenzenden Gebiete in 1:50.000. Das sollte im Allgemeinen locker reichen. Allerdings sind manchmal schon Straßen verzeichnet, die es gar nicht gibt (die vermutlich aber geplant sind). Dazu der Reiseführer Nord- und Mittelgriechenland aus dem Michael Müller-Verlag und los geht's! Allerdings ist der Vikos/Aoos-Nationalpark nur knapp darin abgehandelt.
      Was das Wasser angeht: In der Schlucht gibt es die Gartenschlauch-Quelle unterhalb des Oxia-Aussichtspunktes, dazu kommen hier und da noch ein paar wenige weitere Quellen (alle in der Karte verzeichnet). Aber ich würde schon immer einen möglichst großen Vorrat mitschleppen - falls möglich.
      Ich werde auf jeden Fall noch mal dorthin fahren. Astraka und Drakolimni stehen ja noch aus, aber auch die Stufen bei Vradeto, Kipi, etc. Da gibt es noch unheimlich viel zu entdecken!

      Gruß,

      Gerhard89

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