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    • 06.05.2013
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    [IS] Meine Entdeckung Islands - 21 Tage in eigener Initiative

    Liebe Community

    Letzten Monat bereiste ich 21 Tage lang Island, völlig alleine. Es war meine erste solche Reise und auch die längste bisher völlig auf sich gestellt. Ich will meinen Erfahrungsschatz mit euch teilen und fange nun mal an mit dem ersten Teil, den ich schon einige Zeit vor der Reise verfasst habe.

    Viel Spass beim Lesen!

    Für schönere Darstellung, hier klicken für Originalbeitrag.



    Teil I: Einleitung und erste Vorbereitungen

    Fussball und Bankenpleite

    Island verknüpfte ich als Kind eigentlich bloss mit Eiður Guðjohnsen, einem isländischen Fussballspieler, welcher eine Zeit lang als Stürmer mit wuchtigem Abschluss vor dem Tor beim FC Barcelona spielte. Etwas später dann mit der Pleite des Bankensystems, welche weltweit für Aufsehen sorgte.
    Ansonsten setzte ich mich nie mit dem Land auseinander. Mein Interesse wurde geweckt, als ich auf den Film „Heima“ der isländischen Band Sigur Rós stiess. Dieser handelt davon, dass die Band nach einer Welttournee in ihre Heimat zurückkehrt und da einige spontane Gratiskonzerte gibt. Der Film inszeniert nicht nur die Band absolut verblüffend, er zeigt auch die unglaubliche Schönheit deren „Heima“, also ihres Zuhauses. Karge Lavawüsten werden durchkreuzt von reissenden Flüssen, alte Torfgebäude unter dem Boden umgeben von saftig grünen Wiesen, auf denen seelenruhig Schafherden grasen, verlassene Fischfabriken, gelegen vor malerischen Küsten. An einem anderen Ort das krasse Gegenteil: Riesige Eisfelder und keinerlei Anzeichen von vorhandenem Leben. Dampfende Quellen, hochspritzende Geysire. Einsam in der Brandung stehende Leuchttürme und im September das faszinierende Polarlicht. Die Kleinstadt Reykjavik mit ihren Bunten Häusern - Island ist an Kontrasten, welche teilweise geradezu grotesk wirken, kaum zu überbieten.
    Durch die kurze Distanz bis zum Nordpol wird es im Sommer nie wirklich dunkel und im Winter nur wenige Stunden hell. Oft finden an einem Tag vier Jahreszeiten statt, Regen kann sich mit blauen Himmel und Sonnenschein abwechseln, während ein schwerer Schneesturm bloss einige Stunden entfernt liegt. Diese Umstände sind für einen Mitteleuropäer doch ziemlich schwer nachvollziehbar.

    Island ist eine Vulkaninsel, auf der Beständigkeit ein unbekannter Begriff ist. In ihrer Vergangenheit erlebte das Volk mit norwegischer Abstammung schon diverse Naturkatastrophen wie Erdbeben oder verheerende Vulkanausbrüche. Letztere können jederzeit wieder auftreten. Zuletzt sorgte der Ausbruch des Eyjafjallajökull für ein gigantisches Chaos im Flugverkehr, tausende Flüge mussten annulliert werden wegen der ausgetretenen Vulkanasche.

    Lange unterjocht vom dänischen Reich, fand Island den Weg zur Unabhängigkeit und somit auch zur Modernität erst vor etwas mehr als einem Jahrhundert bei der Vergabe einer eigenen Verfassung.
    Inzwischen ist die Modernisierung in vollem Gange, der heutige Isländer strebt nach Materialismus wie die Menschen aus restlicher Welt auch, vielleicht gar etwas mehr, denn der Besitz mehrerer Autos und einem Camper ist üblich und wird als ultimatives Statussymbol angesehen, Wohnungen werden nicht gemietet, sondern praktisch nur gekauft. Viele Jugendliche vertreiben sich die Langweile, indem sie in Auto-Korsos stundenlang ohne Ziel auf der Ringstrasse herumfahren.

    Die grosse Lust der Isländer an Investitionen machte sich durch astronomische Kreditvergaben der Banken bemerkbar und dann später an der grossen Pleite der Banken. Die Isländer scheinen ein besonderes Volk zu sein, welches mit unanfechtbarem Stolz zu seinem Land, dessen Vegetation und vor allem auch zu seiner Sprache steht, sich auf europäischer Bühne nicht in die Schranken weisen lässt und bekannt ist für die enorme Gastfreundschaft. 90% der Isländer glauben an Zauberwesen wie Elfen und Trolle glauben. So kommt es vor, dass Strassen teilweise unlogische Verzweigungen machen und ein Gebiet ganz bewusst umranden, um die darauf wohnenden Wesen nicht zu stören.



    Die Begeisterung für Island

    Mich begeistert mich dieses Land ungemein. Als passionierter Fotograf sehe ich natürlich auch die Chance, eine einmalige Bildserie zu kreieren. Motive dafür sind in einer überwältigenden Anzahl vorhanden. Die Vorstellung, einfach drei Wochen lang alleine unterwegs zu sein, mein gesamtes Hab- und Gut in einem einzigen Rucksack verstaut löst bei mir ein angenehmes Kribbeln aus und definiert auch meine Vorstellung von zukünftigen Reisen. Durch das Land wandern, seine Beschaffenheit zu fühlen, zu hören, zu sehen, sich mit der Natur zu verbinden, fernab von der Zivilisation.
    Obwohl ich so etwas eigentlich noch nie gemacht habe, fühle ich, dass es das Richtige für mich ist und mir gefallen wird. Ganz schön naiv und verträumt, was?



    Seit dem Entscheid, im Juni 3 Wochen nach Island zu reisen vergingen nun 6 Monate. Es verbleiben noch 40 Tage, bis ich nach einem mehrstündigen Flug im nördlichsten Land Europas meinen Flieger verlassen werde, komplett auf mich gestellt. Bis vor kurzem wiegelte ich mich noch in packende Vorstellungen über meine bevorstehende Reise. Nach wie vor freue ich mich ungemein.
    Inzwischen sind aber Zweifel aufgekommen. Seit mehreren Wochen liegt eine Island-Karte ausgebreitet auf dem Parkettboden meines Zimmers. Natürlich habe ich sie studiert, selbstverständlich habe ich mir einen Überblick verschafft über die Insel. Verglichen mit der Schweiz besitzt Island eine zweieinhalb mal grössere Fläche, jedoch bloss ein fünfundzwanzigstes der Bevölkerung.
    Während der Schweiz also durchschnittlich 182 Menschen pro km2 wohnen sind es in Island bloss 2! Diese Zahlen sind äusserst beeindruckend und widerspiegeln wohl auch, wie trostlos dieses Land sein wird. Trotzdem fällt es mir schwer, mir das alles vorzustellen.

    Durch die intensive Beschäftigung mit meiner Ausrüstung verlor ich die präzise Planung des Reiseablaufs nämlich praktisch komplett aus den Augen.
    Ich schaffte mir Trekking-Schuhe an, ein Expeditionszelt, einen Trekking-Rucksack und einen Schlafsack mit Komfortzone bis -10°C, Karte und Reiseführer, jedoch nicht das nötige Wissen, wie meine 21 Tage überhaupt verbringen werde.

    Laugavegur, was sonst?

    Trotz allem fand ich dann eine äusserst attraktive Route. Vom Busterminal in Keflavik nach Skógar und von da an den Laugavegur gehen, der wohl berühmteste Wanderweg auf Island. Mit ungefähr 80 Kilometern ist die Länge eigentlich noch passabel und durchaus machbar. Die Tücken zeigen sich ganz wo anders: Von Skógar aus gilt es erstmal die Fimmvörðuháls, eine Hochebene auf über 1000 Höhenmeter zu überwinden. Keine leichte Sache bei einer Länge von bloss 12km. Der Pfad soll eher schlecht als recht gekennzeichnet sein. Im Juni ist zusätzlich immer noch mit Schnee zu rechnen. Ausserdem soll die Touristen-Saison dann eigentlich erst richtig anlaufen, es ist also nicht sicher, ob die Routen bereits kontrolliert wurden. Dazu kommen mehrere Flüsse, welche durchquert werden wollen: Einen Fluss Furten? Entschuldige mal, dieses Wort war mir bis vor kurzem nicht mal bekannt. Einigen Berichten zufolge erfordert es einiges an Erfahrung und Kraft, um einen Fluss zu furten. Die Schneeschmelze am Mittag lässt den Wasserpegel nach Belieben in die Höhe schiessen. Somit ist es total unberechenbar, auf was man sich einlässt.



    Trotzdem präsentierte ich meine Idee in einem Island-Forum, doch bald wurde meine Unerfahrenheit im Trekking und meine nur vage vorhandene Planung entlarvt, mir wurde auf nette Weise geraten, mir doch eine andere Tour zu suchen. Nebst fehlender Erfahrung auch, weil ich die Route alleine machen würde.

    Die einzige Möglichkeit wäre es, den Laugavegur rückwärts zu gehen, um erst gegen Ende der Tour mit dem Hochland konfrontiert zu werden, wenn vielleicht die Wege bereits kontrolliert sind und das Klima sich ein wenig gebessert hat. Doch - was für ein Sommer erwarten die Isländer überhaupt im 2013?
    Die Fragen häufen sich also an und die Unwissenheit wächst. All dies gilt es nun in der verbleibenden Zeit zu klären.
    Unvorstellbar ist es auch nicht mehr, eine Rundreise zu machen mit dem Bus und jeweils bei ausgewählten Orten Tageswanderungen mit anschliessender Übernachtung durchzuführen. Irgendwie scheue ich mich aber davor, diese 21 Tage genau zu gliedern und jeden Tag einen Plan zu haben, was ich tun werde. Ich würde viel lieber einfach losgehen, und es so nehmen wie es kommt. Ich werde sehen, wohin mich meine Planung führt. Je mehr Wissen ich über Island habe, desto eher kann ich mich in meinen Vorstellungen orientieren.

    Ich notiere meine Ziele für diese Woche:

    Ich gehe wandern in der Schweiz, mache mich vertraut mit meiner bisherigen Ausrüstung und übe schonmal Zelt aufbauen.
    Ich lese einige Tourenberichte und versuche mir ein Bild zu machen über die Realisierung des Laugavegur.
    Ich informiere mich über das Bus-Netzwerk und dessen Fahrpläne.
    blend-werk

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    #2
    AW: [IS] Meine Entdeckung Islands - 21 Tage in eigener Initiative

    Erweiterte Planung
    Die Vorbereitungen laufen bisweilen zäh. Ehrlich gesagt bin ich ein wenig entmutigt durch die scheinbar schlechten Strassenverhältnisse. Während im Norden die Schneeschmelze noch nicht einmal eingesetzt hat, fängt sie im Frühling gerade mal an. Dies resultiert einen nassen, schweren, von Matsch geprägten Boden. Das Wasser kann nicht durch die tieferen Schichten des Grundes abfliessen, da diese immer noch gefroren sind.
    Somit sind die Strassen gesperrt, es ist gar verboten, sie zu befahren. Wahrscheinlich wäre ein Verbot jedoch gar nicht nötig. Ob Pferd, Reifen oder Fuss: Alles würde bloss tief einsinken. Da der Boden jedoch sehr empfindlich ist, wurde wohl vorsorglich ein Verbot ausgesprochen.

    Somit ist auch völlig unklar, ob der Busbetrieb in Richtung südlichem Hochland ab dem 13. Juni aufgenommen wird. Unbeeinflusst durch die aktuellen Verhältnisse, würde er dies nämlich.
    Immerhin bleiben noch genau 4 Wochen bis zu meiner Abreise. Da das Wetter in Island ja sehr wechselhaft ist, glaube ich an das Gute und sage mir wie so mancher Isländer: „Wird schon werden.“
    Doch, lohnt es sich denn nun überhaupt noch, irgendwas zu planen, wenn es später gar nicht realisierbar ist?

    Der erste Tag

    Zumindest habe ich mir ein grobes Programm zusammengestellt. Wenigstens der Anfang schreit nach ein wenig Struktur und Sicherheit. Etwas, zum sich festhalten und nicht völlig verloren und orientierungslos dazustehen. Nach meiner Ankunft in Keflavík will ich erst die Halbinsel Reykjanes erkunden. Unter Island verläuft genau die Grenze der eurasischen- und amerikanischen Platte. Reykjanes, auf deutsch Rauchspitze liegt genau auf dieser Grenze. Diese beiden Platten entfernen sich zwei Zentimeter pro Jahr voneinander weg. Gleichzeitig zur Plattenverschiebung handelt es sich auch um eine Zone des aktiven Vulkanismus. Die Temperaturen in 1000m Tiefe betragen über 300°C. Der Spaltenvulkan Gunnuhver treibt hier sein Wesen und ist seit 2006 wieder aktiver geworden.
    Diese Grenze ist wunderbar zu erkennen an der „Leif - the lucky bridge“. Sie führt genau über diese Spalte hinweg. Nur wenige Kilometer davon entfernt liegt eine bekannte Steilklippe, der Vogelfelsen Hafnaberg. Dieser stemmt sich von der Küste in den Atlantik und wirkt wie ein Schutzschild gegen Wellen. Im Juni brüten dort diverse seltene Vogelarten.
    Ich denke, alleine die äusserst karge und trostlose Landschaft, welche eher der eines verlassenen Planeten gleicht als unserer Erde, besitzt genügend Überzeugungskraft, um mehr als bloss einen Blick darauf zu werfen.
    Ich werde mir nach meiner Ankunft also höchstwahrscheinlich ein Taxi nehmen - und fahre entlang der 44-er Route bis zum Parkplatz vor dem Hafnaberg. Ich möchte die rauen Wellen an die Felsen klatschen hören und den Blick auf den unendlichen Atlantik werfen. Dann werde ich in den Himmel blicken, die salzige Luft einatmen und wohl das erste mal realisieren, wo gerade ich mich überhaupt befinde. Wahrscheinlich werde ich quicken wie ein kleines Schweinchen.
    Danach lässt sich bereits nur noch schwermutig sagen, was genau folgen wird. Bestimmt werde ich einige Zeit da verbringen.
    Jedenfalls werde ich nachher weiter gehen und mir die Brücke, welche die zwei Platten miteinander verbindet ansehen. Ideal wäre es, dann am späten Abend Grindavik zu erreichen und dort auf dem Camping Platz zu zelten. Allerdings wird dies wohl kaum am Ankunftstag zu erreichen sein. Es liegen 15km Luftlinie zwischen diesen beiden Spots, also dem Vogelfelsen und Grindavik. Jedoch führt die Strasse erst bis an die südliche Spitze der Halbinsel.
    Dort liegt allerdings ebenfalls ein interessanter Schauplatz: Es lockt der Reykjanesviti, der älteste Leuchtturm Islands. Dieser befindet sich gerade mal 7km von Hafnaberg entfernt und sollte daher problemlos zu Fuss erreichbar sein. Der Leuchtturm wird bestimmt ein gutes Motiv für ein paar Fotos geben. Und das Terrain scheint zeltbar zu sein.
    Da werde ich Schlaf finden und versuche früh zu schlafen. Am nächsten Morgen will ich möglichst früh aufbrechen, um die ca. 12km bis Grindavik zu meistern. Dort werde ich erstmal sanitäre Anlagen vorfinden und die Möglichkeit haben, meine Vorräte wieder aufzustocken. Von da gibt es eine Busverbindung zur berühmten Blauen Lagune und nach Reykjavik. Ob ich der Lagune einen Besuch abstatte, weiss ich noch nicht. Ehrlich gesagt machen mich alle Touristenmagnete nicht so an, zudem habe ich von Warteschlangen gehört und dem Rat, seinen Besuch vorher zu reservieren. Von solchen Spässen habe ich hier zu Hause schon genug, ich denke, darauf verzichte ich in Island.

    So, während ich nun diesen Blogartikel verfasste, habe ich tatsächlich den Anfang meiner Reise aufgegleist! Dieser hat sich nämlich erst beim Schreiben manifestiert. Ich war zwar vorher schon überzeugt davon, erst auf der Halbinsel Reykjanes zu bleiben, allerdings ohne konkrete Planung.



    Ein paar Worte zur Ausrüstung..

    Ich konnte inzwischen eine Wanderung unternehmen auf den Uetliberg. Dabei nahm ich meinen Rucksack mit und simulierte eine Last von 20kg. Bei insgesamt 300m Anstieg in 10km war ich ziemlich gefordert, und der Rucksack hinterliess leider auch seine Spuren an meinem Körper. Allerdings waren die 20kg durchaus tragbar. Jedoch kann ich es mir nicht vorstellen, diese Last 3 Wochen lang zu tragen. Deswegen steht nun eine radikale Verringerung des Gewichtes an.
    Während essentiellen Dinge wie Zelt, Schlafsack, Isomatte, Gaskocher und Rucksack bloss ca. 7kg wogen, packte ich mein komplettes Kamera-Zubehör mit ein sowie einige schwere Bücher.
    Ich habe mich schweren Herzens entschieden, starke Abstriche zu machen bei meiner Foto Ausrüstung. Ich werde höchstwahrscheinlich bloss den Body und ein Objektiv mitnehmen, sowie einige Ersatzakkus.

    Inzwischen konnte ich mich ein wenig vertraut machen mit dem Zelt und ich habe das Aufbauen eigentlich relativ schnell gelernt. Somit sollte es auch bei schwieriger Witterung möglich sein, innerhalb wenigen Minuten einen sicheren Unterschlupf zu schaffen.
    Ebenfalls habe ich inzwischen davon abgesehen, mit Karte und Kompass zu navigieren. Dies vor allem aus dem Grund, weil ich keine Ahnung habe, wie man einen Kompass angepasst an den magnetischen Missweisungen kalibriert.
    Ich beschaffte mir ein GPS-Navigiergerät, welches darauf abgestimmt ist, beim Trekking verwendet zu werden. Durch absolute Wetterfestigkeit und einer guten Energiebilanz wird es mein ultimativer Begleiter werden. Am MAC zeichne ich wichtige Punkte auf der Karte ein und kann diese danach auf dem Gerät anzeigen.

    Meine Ziele bis Ende Mai:
    -Ich mache noch ein paar Wanderungen
    -Ich senke das Gewicht meines Rucksackes
    -Die Ausrüstung vollständig bis auf Essensrationen
    -Erweiterte Planung des Ablaufs
    -Stetige Überprüfung der Strassenzustände
    Zuletzt geändert von blendwerk; 20.08.2013, 16:02.
    blend-werk

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    • Pluvialis
      Erfahren
      • 21.04.2012
      • 151
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      #3
      AW: [IS] Meine Entdeckung Islands - 21 Tage in eigener Initiative

      Obwohl's noch gar nicht richtig losgegangen ist, ein schöner Bericht! Weiter, bitte!

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      • Muddypaws
        Erfahren
        • 21.02.2012
        • 483
        • Privat


        #4
        AW: [IS] Meine Entdeckung Islands - 21 Tage in eigener Initiative

        Was für ein einladender Beginn! Ich bin gespannt ...

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        • blendwerk
          Anfänger im Forum
          • 06.05.2013
          • 20
          • Privat


          #5
          AW: [IS] Meine Entdeckung Islands - 21 Tage in eigener Initiative

          Für schönere Darstellung, hier klicken für Originalbeitrag.





          Schlussphase & Packliste

          Wenn ich diese Zeilen verfasse, ist bereits alles vorbei und ich befinde mich seit fast drei Wochen wieder in der Schweiz. Wer meinen letzten Beitrag noch las, erhielt ein Bild von mir, welches mich mit grosser Unsicherheit darstellte. Unklarheiten über die vor Ort herrschenden Strassenverhältnisse und die fehlende Erfahrung mit mehrtägigen Wanderungen oder gar dem Reisen als Einzelperson überhaupt waren etwa als gefürchtete Gedanken vorhanden. Die Vorbereitungsphase war sehr lange und im Endeffekt hatte ich mir viele Szenerien im Kopf durchgespielt und mich über Stunden hinweg mit meiner nähernden Reise beschäftigt. Ob sich die Unsicherheiten klärten oder ob ich mich selbst tatsächlich überschätzte und teilweise scheiterte, erfahrt ihr auf den nächsten Seiten!



          Ich beginne ganz von vorne. In den letzten Tagen vor meiner Abreise prüfte ich meine Kondition, aber auch meine Ausrüstung mit einer grössere Wanderung in den Schweizer Bergen. Die Strecke war zwar bloss 10km lang, beinhaltete jedoch über 600 Höhenmeter Anstieg und hob mich an auf insgesamt 2000m über Meer. Auf dieser Höhe befand sich selbst in der Schweiz zu dieser Zeit, also Anfangs Juni noch tiefer Schnee. Überall unter der weissen Decke fand sich durchnässte und aufgeweichte Erde vor, besser auch bekannt als Matsch, welcher seine Entstehung durch das viele Schmelzwasser fand. Kurzum, die Konditionen waren schwierig und ich konnte den Gipfel des geplanten Berges, dem „Chrüz“ im Graubünden leider auch gar nicht ganz besteigen, da es zu viel Schnee hatte und zu gefährlich gewesen wäre.



          Mit zirka 18 Kilogramm Gepäck war mein Rucksack zwar leichter als das endgültig erwartete Gewicht. Auf der Tour selbst hatte ich wenige Probleme. Keine Druckstellen und keine Mühe beim Tragen. Meinen Schuhen erging es da einiges schlechter: Durch den vielen Matsch und den teilweise kniehohen Schnee liess das Nubuk-Leder schnell Feuchtigkeit passieren und meine Füsse fanden sich bald in einem unangenehmen Wasservakuum wieder. Ob dies wohl so oder so bei jedem Schuh, konfrontiert mit diesen Umständen, der Fall sei, oder ob ich einen Fehlkauf getätigt hatte, konnte ich zu diesem Zeitpunkt natürlich nicht sagen. Mit frisch gewechselten Socken ging es jedoch schon wieder ganz gut.




          Das Schlafen im Zelt gestaltete sich als unkompliziert, auch wenn ich den Aufbau noch nicht komplett im Griff hatte, war das Ergebnis trotzdem befriedigend und ich würde den Ablauf bestimmt innerhalb den 21 Tagen perfektionieren können. Der Schlafsack schien mehr als genug zu wärmen und auch die Isoliermatte bestand ihren Test.

          Mein Körper schmerzte jedoch am Tag danach trotz eigentlich geringen Gewichtes an bestimmten Stellen an Schulter und Rücken, welche vom Rucksack hervorgerufen wurden. Diese Tatsache bereitete mir ein wenig Sorgen. Allerdings vertraute ich auf meine zähe Art und reimte mir zusammen, dass dies schon irgendwie funktionieren würde.

          In den allerletzten Tagen vor meiner Abreise fühlte ich nach wie vor keine wirkliche Nervosität. Ich freute mich sehr auf diese Reise und ersehnte den Anfang herbei, da ich langsam auch ein wenig ungeduldig wurde. Am letzten Tag davor kaufte ich den Rest der Lebensmittel ein und vervollständigte meine Reiseapotheke. Ich werde nachfolgend eine detaillierte Packliste präsentieren, allerdings ohne das Gewicht von einzelnen Gegenständen, da ich bloss immer das Gesamtgewicht überprüfte.


          Kleidung und Gepäck
          1x Rucksack (Deuter Air-Contact Pro 60+15L)

          1x Wollmütze (Schweizer Armee)
          1x Sonnenbrille (Polaroid)

          1x Regenjacke (Gore-Tex von Mammut)

          2x T-Shirt (Polyester, Schweizer Armee)
          1x Überrock (Polyester, Schweizer Armee)
          1x Pullover (Polyester, Jack Wolfskin)

          1x Regenhose (Hagelöff)

          2x Unterhose (Polyester, Schweizer Armee)
          1x Thermo-Unterhose (Polyester, Schweizer Armee)
          1x Funktionshose (Jack Wolfskin)

          3x Trekking - Socken (Verschiedene Hersteller)
          1x Trekking - Schuhe (Hanwag Yukon)

          1x Crocs (Imitate)

          Der Rucksack überzeugte mich vollends. Trotz des hohen Gewichtes fühlte er sich stets bequem an. Die vielen Taschen und Verstaumöglichkeiten sind ein Segen. Der Regenschutz hielt stets dicht. In den Rucksack lohnt es sich definitiv genügend Geld zu investieren.

          Die Wollmütze benötigte ich auf Island öfters als vorher gedacht und somit war ich unheimlich froh, sie dabei zu haben. Meine Regensachen hielten soweit alle dicht. Auch hier spart man in Island am falschen Ende.

          Ich hatte somit eigentlich bloss eine Garnitur an Anziehsachen dabei. Dies entschied ich so aus Platzgründen. Kam damit ohne Probleme durch. Klar, nach ungefähr einer Woche riecht halt mal das eine oder andere Kleidungsstück, jedoch konnte ich einmal fast alles Waschen und ich hatte danach keine Probleme mehr.


          Unterkunft und Schlafen
          1x Zelt (Exped Vela I Extreme)
          1x Footprint (Exped Vela I Extreme)
          1x Schlafsack (Mountain Hardwear Thermic Micro -18°C)
          1x Isomatte (Therm-A-Rest Neo-Air 4 Seasons)
          1x Augenbinde
          1x Ohropax Silikon

          21 Tage in einem 1-Mann Zelt mit spärlichen Platzverhältnissen erfordert eine richtige Herangehensweise. Das geringe Packgewicht von 2.5kg und die grandiose Wind- und Wasserfestigkeit waren für mich jedoch absolut überzeugend. Der Rucksack fand seinen Platz jeweils geschützt auf dem Footprint im Aussenzelt. Bei dem Vela I Extreme ist ein Footprint absolut notwendig, da im Aussenzelt keine Unterlage sonst vorhanden ist!
          Die Isomatte war anfangs ein wenig unbequem, allerdings gewöhnte ich mich daran. Der Schlafsack hielt sein Versprechen, ich konnte mit einer Ausnahme jede Nacht in Unterwäsche darin schlafen, umgeben von wohliger Wärme. Augenbinde ist eher optional, geht auch ohne. Ohropax sind jedoch unverzichtbar, besonders auf Camping-Plätzen kann es oft auch spät noch laut zu und her gehen.


          Essen und Trinken
          1x Gaskocher (Primus Eta Power EF)
          2x Plastikbesteck
          1x Salzstreuer
          1x Schwamm

          2x Trinkflasche (SIGG, 1L + 0.75L)

          6x Fertignudeln (Knorr)
          3x Tütensuppe (Knorr)
          6x Schokoladenriegel
          1x 500g Milchpulver
          1x 500g Müsli

          Die Entscheidung, Müsli und Milchpulver mitzuführen stellte sich später als morgendlicher Munter-Macher heraus, zumindest an einigen Tagen. Wer also sowohl Milch, als auch Müsli mag, sollte dies unbedingt auch in Erwägung ziehen. Das Milchpulver liess sich auch mit kaltem Wasser problemlos und ohne zu Klumpen auflösen. Teller benutzte ich nie und vermisste ich auch zu keinem Zeitpunkt. Ass immer direkt aus der Pfanne. Abwaschmittel ist ebenfalls unnötig. Man bekommt das Geschirr des Primus-Set problemlos sauber ohne, auch mit kaltem Wasser.
          Die Tütensuppen benutzte ich zu keinem Zeitpunkt. Mit den Fertignudeln machte ich eigentlich erstaunlich gute Erfahrung. Je nach Vorliebe hat man halt die eine ein bisschen mehr, die andere ein bisschen weniger gern. Vor der Reise ausprobieren lohnt sich hier definitiv. Grundsätzlich gesehen rate ich dazu, die Wassermenge deutlich zu unterbieten bei der Anwendung, da man ansonsten eher eine Suppe hat mit Nudeln, als Nudeln mit einer Sauce. Zudem Salz nicht vergessen - die Gerichte sind von Natur aus ziemlich fad.

          Mit den beiden Trinkflaschen, 1L + 0.75L kam ich sehr gut aus. Ich überlegte oft vor der Reise, ob dies wirklich reichen würde, allerdings gab es eigentlich immer genügend Möglichkeiten, Wasser nachzufüllen.


          Hygiene und Erste Hilfe
          1x Zahnbürse
          1x Zahnpasta
          1x Ein-Weg-Rasierer
          1x Konzentriertes Körperwaschmittel
          1x Konzentriertes Kleiderwaschmittel
          1x Handtuch (Polyester)
          1x Reinigungstücher

          1x Medi-Kit mit grundlegenden Utensilien zur Ersten Hilfe
          1x Desinfizierende Salbe
          5x Valium
          5x Schmerzmittel
          1x Nagelschere

          Das Erste-Hilfe-Set benötigte ich glücklicherweise nie. Das Kleiderwaschmittel würde ich heute ebenfalls zu Hause lassen. Zumindest auf Campingplätzen ist meist Waschmittel vorhanden. Und in der Natur sollte man es eh nicht anwenden, ausserdem hat es da auch wenig Sinn, seine Kleider zu waschen.

          Mit dem Handtuch aus Polyester kam ich ebenfalls gut aus, es handelte sich hierbei um ein spezielles Travel-Handtuch mit geringem Packmass und guter Feuchtigkeitsverarbeitung.
          
Auf Toilettenpapier verzichtete ich komplett, da ich währen meiner ganzen Reise eigentlich immer Zugriff darauf hatte. (Auch auf mehrtägigen Wanderungen, bei den Hütten gab es meist Einrichtungen). Ansonsten glaube ich, dass feuchte Reinigungstücher ihren Dienst auch getan hätten und Toilettenpapier bloss eine Menge Platz weggenommen hätte.


          Orientierung und Unterhaltung
          1x GPS - System (Garmin eTrex 30)
          6x Ersatzbatterien AA

          1x Island-Karte
          1x Notizbuch
          1x Kugelschreiber

          1x Taschenlampe

          1x Buch (Die Brüder Karamasow)

          Das GPS war mein Talisman für die Reise und die Batterien habe ich restlos alle aufgebraucht. Die Karte hingegen benutzte ich bloss jeweils zur Veranschaulichung. GPS-System zur Orientierung reicht vollkommen. Im Notizbuch führte ich Tagebuch, nach einigen Tagen wurde es mir jedoch zu mühselig, da es zu viel war, um alles per Hand aufzuschreiben.
          Die Taschenlampe hätte ich getrost an arme Kinder verschenken können. Kein einziges Mal gebraucht.

          Gelesen habe ich oft, und somit widerspreche ich Leuten, die sagen, wenn man viel gelaufen wäre und am Abend im Zelt liegt, sei die Müdigkeit eh zu stark, um noch zu lesen. Nein, nichts ist schöner, als nach einem anstrengenden Tag am Abend noch einige Seiten eines guten Buches zu lesen.


          Elektronik
          1x Canon 6D
          1x Canon 21-105mm 4.0 L
          1x Polfilter 17mm
          1x Walimex 14mm 2.8
          1x Ladekabel Canon 6D
          3x Ersatzakku Canon 6D
          diverse SD-Speicherkarten

          Die Canon 6D eignete sich gut als Reisekamera. Die Akkulaufzeit war stärker, als ich erwartet hatte. Ich konnte zwei mal einen Akku laden und war somit immer übersättigt mit Stromreserven
          Die Objektivwahl bereute ich zumindest nicht in den Brennweiten. Das Standart-Zoom mit 21-105mm deckte den grössten Bedarf ab. Das 14mm war grandios für Landschaften, allerdings rate ich ab von der Billiglösung von Walimex. Die Bildqualität ist einfach unterdurchschnittlich schlecht, wenn man Objektive von Canon gewohnt ist. Zudem war das manuelle einstellen am Objektiv der Blende sehr mühselig, sowie auch die Brennweite.

          1x Handy (Samsung)
          1x Ladegerät Solar

          Ich verzichtete auf ein Smartphone, und kam damit ohne Probleme klar.
          Ladegerät hatte ich leider nicht komplett mitgeführt, somit ging mir nach kurzer Zeit der Saft aus und ich verharrte ungefähr 5 Tage ohne Handy, bevor ich mir ein neues kaufte.

          Bei dem Gepäck bleibt anzumerken, dass ich Dinge wie Buch, Elektronik oder auch teilweise Mahlzeiten in Zip-Beutel verpackte, um sie vor Wasser und Schäden zu schützen. Dies stellte sich als äusserst effektive und sichere Variante heraus.

          Wie es mit dieser Ausrüstung dann endlich los ging, erfahrt ihr im nächsten Teil!
          blend-werk

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            • 08.10.2012
            • 510
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            #6
            AW: [IS] Meine Entdeckung Islands - 21 Tage in eigener Initiative

            der chrüz noch im matsch, obwohl am mottis schon alles weggetaut war, echter mistschnee dieses jahr. hast du den nordgrat versucht statt den kurzen weg von antönien:-)). schöne fotos! bin gespannt auf die weiteren....

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            • Sisterintherain
              Erfahren
              • 18.06.2013
              • 371
              • Privat


              #7
              AW: [IS] Meine Entdeckung Islands - 21 Tage in eigener Initiative

              Ich lese hier auch ganz gespannt mit. Ich hatte vor ein paar Jahren das Glück, mal im Februar eine Woche Island bereisen zu können und träume seither von einer Tour dort alleine. Sehr anschaulich und spannend, wie Du Deine Unsicherheiten und Überlegungen beschreibst.

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              • blendwerk
                Anfänger im Forum
                • 06.05.2013
                • 20
                • Privat


                #8
                AW: [IS] Meine Entdeckung Islands - 21 Tage in eigener Initiative

                Für schönere Darstellung, hier klicken für Originalbeitrag.



                Tag 1


                Am Tag meiner Abreise erwachte ich früh. Ich wälzte mich noch eine Weile im Bett, konnte aber nicht mehr einschlafen. Schon gestern Abend fiel mir das schwer und heute fühlte ich mich deswegen ziemlich gerädert. Doch, in wenigen Stunden ist es soweit! Kritisch musterte ich meinen gepackten Rucksack und liess mir den gesamten heutigen Tag kurz durch den Kopf gehen. Ich stand auf und eilte noch in ein Elektronikfachgeschäft, besorgte mir da einen Polarisationsfilter für mein 21-105mm Objektiv. Nach längerem recherchieren entschloss ich mich, mindestens einen Filter mitzuführen, obwohl ich bisher nie einen gebraucht habe. Doch die Fähigkeit, Kontraste zu verstärken oder Reflexionen zu vermindern, hörte sich verlockend an.
                Wie bereits in früheren Berichten erwähnt, schaffte ich mir die komplette Ausrüstung neu an. Immer wieder wurde ich von Zweifel eingenommen, ob es denn überhaupt nötig ist, so viel Geld zu investieren. Oftmals fragte ich mich, ob bei Dingen wie Regenhose oder Socken nicht auch eine billigere Lösung ausreichen würde. Besonders stark war dieses Gefühl beim Kauf des Polarisationsfilters, der mich erneut fast 100 Franken kostete.




                Ich entschied mich, nicht mehr darüber nachzudenken, kaufte mir noch etwas zum Frühstücken und ging damit zu einer guten Freundin, welche mich danach auch an den Flughafen begleiten würde. Den Rucksack hatte ich bereits am Vorabend gepackt, nachdem ich den gesamten Inhalt akribisch auf meinem Parkettboden ausgelegt und überprüft hatte. Somit fühlte ich mich äusserst sicher. Das Gewicht war ziemlich beängstigend mit ungefähr 22kg, doch darüber konnte ich mich später noch beklagen. Ich teilte mein Gepäck auf und fügte Kamera, GPS, Notizbuch und andere wichtige Dinge zu meinem Handgepäck hinzu.
                Inzwischen war ich ganz schön nervös. Ich konnte mich auf nichts mehr konzentrieren und somit war auch still sitzen absolut unmöglich. Mein Bauch verkrampfte sich und die Gedanken überschlugen sich ständig. Was mich in solch grosse Aufregung versetzte, konnte ich in diesem Moment nicht genau deuten. War es der Flug oder die gesamte Reise? Es fühlte sich so an, als würde mein ganzer Körper von einem grossen, unbekannten und wilden Strudel aufgesogen.
                Eine fast schon krankhafte Nervosität begleitete mich dann auch auf der Zugfahrt zum Flughafen. Ich witzelte vor meiner Freundin herum und tat so, als ob ich mein GPS-System vergessen hätte. Als ich es dann triumphierend und beruhigend hervorholen wollte, suchte ich es allerdings vergeblich - Ich hatte es tatsächlich zu Hause liegen gelassen! Der Schweiss rannte mir über das Gesicht. Nun begann eine kurze Phase vom grossen Stress, die glücklicherweise durch meine grosszügige Zeitplanung für den Check-In abgefedert wurde. Ungefähr eine Stunde später war ich dann endgültig am Flughafen und hatte bereits eingecheckt. Natürlich nicht ohne mein GPS noch zu Hause geholt zu haben.

                Die Bordkarte lag also in meiner Hand und bald schon verabschiedete ich mich von meiner Freundin. Die Einsamkeit holte mich zum ersten mal ein. Nun war ich also alleine, komplett alleine, und dies für die nächsten drei Wochen. Für einen kurzen Moment entspannte ich mich wieder und ich nahm die stille Atmosphäre nach der Sicherheitskontrolle als beruhigend auf.
                Als ich dann beim Gate selber war, betrachtete ich das Flugzeug und die darauf wartenden Passagiere. Die meisten von ihnen schienen älter zu sein, alle waren eher „casually dressed“ und meine Trekking-Montur, welche ich als einzige Kleidungsgarnitur trug, stach deutlich heraus im Vergleich mit den anderen Outfits. Natürlich liess ich mich dadurch nicht in die Irre führen.
                Ich hatte ein gutes Gefühl bezüglich meiner Vorbereitung und war zuversichtlich, dass ich alles eingepackt hatte und gut gerüstet war.




                Der Flug war unaufregend und unspektakulär, bereits beim Abflug regnete es heftig in Zürich, und eine dichte Wolkendecke hielt an bis Island. Es gab kostenlose Getränke, jedoch nichts zu Essen. Das Personal war äusserst freundlich. Ich kaufte für billige 2000 ISK eine Sim-Karte von Simini. Ich konnte kaum mehr ruhig sitzen und wollte einfach nur noch da sein. Bei der Landung, kurz nach 16 Uhr Ortszeit, machte sich bereits das denkbar schlechteste Wetter bemerkbar, dichte Wolken umgaben das Flugzeug und erst ab ungefähr 500m über Meer sah man Teile der Insel, die Sicht war jedoch vom Regen getrübt und alles machte einen ziemlich grauen Eindruck.
                Trotzdem hüpfte mein Herz, denn nun war ich endlich hier auf Island, nach mehreren Monaten des Fantasierens darüber, wie es wohl sein würde, blickte ich nun mit eigenen Augen auf die Moosüberwachsene Lava-Landschaft.




                Ich verliess das Flugzeug und bald darauf nahm ich mein Gepäck in Empfang. Der grosse Alptraum des am Abflughafen zurückgebliebenen Rucksacks ersparte sich mir also. Ich packte mein Handgepäck in den Rucksack und machte mich erstmal auf, um eine Gaskartusche für mein Kochsystem zu kaufen. Nun geriet ich in eine Art Rausch, denn ich hatte im Vorfeld den ersten Tag äusserst genau geplant. Das grosse Gewicht des Rucksacks raubte mir im ersten Moment den Atem. Mühevoll schleppte ich mich an den Informationsstand fragte die Dame, wo am ehesten ich eine solche Kartusche herbekomme.
                Während ich mühevoll hin- und her schwenkte und irgendwie versuchte, mit dem hohen Gewicht auf dem Rücken still zu stehen, entgegnete sie mir, dass alle Tankstellen solche verkaufen würden - der in einschlägigen Quellen gehörte Traum, dass Abreisende Gaskartuschen auf einem Tisch am Flughafen zurückliessen, bestätigte sich also nicht. Ich trat vor das Flughafengebäude und wurde in Empfang genommen von Wind und leichtem Nieselregen.
                Nachdem ich meine Regenjacke angezogen hatte, überlegte ich nicht lange und trat vor ein Taxi. Der korpulente Fahrer öffnete mir die Türe zu seinem riesigen Gefährt, welches Platz für ungefähr acht Personen bot. Ich war meinen Rucksack auf die Rückbank und stieg vorne ein.
                Nach einem kurzen Dialog machte ich ihm klar, dass er mich erst an die nächste Tankstelle fahren soll und danach zum Hafnaberg. Irgendwie machte er einen denkwürdig unsympathischen Eindruck. Den von mir genannten Ort kannte er nicht. Ich nahm mir vor, diesen auf meinem GPS zu zeigen.
                Als ich ihn fragte, ob er nicht auch ein GPS besässe, zeigte er zwar in die Ecke der Frontscheibe, wo sich ebenfalls ein Garmin Navigationsgerät befand, allerdings machte er keine Anstalten, den von mir genannten Ort einzugeben. Ich zuckte mit den Schultern und zeigte ihm den Ort halt auf meinem GPS. Nachdem ich ihm den Weg ungefähr erklärt hatte, waren wir auch schon in der Ortschaft von Keflavik an einer N1 Tankstelle. Ich mahnte den Fahrer zur Geduld und sprang aus dem Wagen. Von einem mächtigen Adrenalinschub gepusht stürzte ich in die Tankstelle, griff nach einer mittelgrossen Gaskartusche und schnappte mir vor der Kasse ein Thon - Sandwich sowie eine Flasche Wasser - Mist, Wasser! Ich hatte meine Flaschen gar noch nicht aufgefüllt! Beim Bezahlen fragte ich den Verkäufer, ob ich meine Flaschen bei ihm rasch auffüllen darf. Er willigte freundlich ein.

                Als ich zum dritten Mal in das Taxi einstieg, hatte ich sowohl Gas, als auch Wasser in ausreichender Menge. Zufrieden schaute ich aus dem Fenster, während wir nun Richtung Hafnaberg brausten. Während der Fahrt entstand nicht nur ein stärkerer Regen, sondern auch eine Konversation mit dem Taxifahrer. Ich nannte ihm meine Herkunft und erzählte kurz, was ich in Island machen würde. Er erklärte mir stolz, dass er schonmal in Deutschland im Urlaub war und gerne auch mal in die Schweiz fahren würde.
                Der Regen verstärkte sich noch mehr und peitschte nun förmlich gegen die Windschutzscheibe. Ich zog vorsorglich schonmal meine Regenhose an, wobei dies wohl nach einer missglückten akrobatischen Vorstellung glich, denn ich kletterte dafür auf den Rücksitz und musste die Hose erst aus meinem Rucksack hervorsuchen. Das Gemüt des Fahrers schien nun langsam aufgetaut zu sein, denn er schmunzelte und schien sich ab mir zu amüsieren. Als ich ihn danach aufforderte, beim Parkplatz des Hafnaberg anzuhalten, fuhr er auf die Seite und verabschiedete sich nun mit noch breiterem Grinsen von mir, indem er mit seinen Fingern die Form von Island in der Luft nachzeichnete und erfreut „Welcome to Iceland“ flötete in gebrochenem Englisch. Allerdings, und dies ist vielleicht wichtig anzumerken, ohne irgendwelche Schadenfreude. Wohl war er einfach erstaunt darüber, was diese verrückten Touristen in seinem Land immer anstellten. Ich denke, mir würde es nicht anders gehen.







                Ich bezahlte und bedankte mich. Nun stand ich auf diesem menschenleeren Parkplatz einer grauen, trostlosen Landschaft gegenüber, die mich keineswegs an unsere Erde erinnerte, welche ich eigentlich kannte. Die Freude war unglaublich gross. Ich lachte laut aus und ergötzte mich an diesem unglaublich grotesken und einzigartigen Anblick. Wegen des heftigen Windes verzichtete ich darauf, die Tafel mit Informationen zu lesen. Ich stapfte schnurstracks los und betrat die nasse, steinige, teils mit Moos überwachsene Lava. Der Trampelpfad war gut ersichtlich und begleitet durch Steintürme. Dem Rückenwind sei dank, kam ich zügig vorwärts. Die Regenhülle meines Rucksackes erlebte gerade ihren ersten Härtetest.








                Nach ungefähr einer Stunde kam ich dann an der Klippe an. Das Wetter hatte sich keineswegs verändert, es war höchstens noch schlimmer geworden! Nicht einmal die Vögel konnten noch Richtung Landesinnere fliegen. Sie hängten in der Luft und fielen immer wieder zurück. Ich liess mich nieder im Windschutz eines Steinturms und genoss es, einen Moment weder fast fort gewindet, noch verregnet zu werden. Die Klippe wirkte eindrücklich und ich wäre gerne länger verweilt. Mir ging‘s trotz des Wetters weiterhin grossartig: Nun war ich tatsächlich hier, und es fühlte sich unglaublich an, im triefenden Regen auf Lava zu stehen und auf das tosende Meer zu blicken. Nicht mal der Rucksack bereitete mir noch irgendwelche Probleme, ich bewegte mich fast schwerelos, als wäre dieser ein Teil von mir. Ich entschied mich jedenfalls bald, den Rückweg anzutreten. Gierig verschlang ich mein Thon - Sandwich und trank einige Schlücke Wasser. Ich stand jetzt einem neuen Hindernis gegenüber: Dem Gegenwind! Der Regen fiel fast senkrecht gegen mich und fühlte sich in meinem Gesicht an wie Nadeln.





                In weiter Ferne konnte ich tatsächlich den Leuchtturm sehen, zu dem ich eigentlich gehen wollte, sowie das geothermale Kraftwerk. Ob ich auf einen Wetterumschwung hoffen sollte und in diese Richtung gehen soll? Oder wäre es vielleicht vernünftiger, zurück nach Keflavik zu gehen und da den Bus nach Reykjavik zu nehmen? In meinem Kopf brach ein Kampf aus,und ich wollte mich vorerst nicht entscheiden. Der Rückweg war nun wirklich nicht mehr ganz so lustig und ein beträchtliches Stück meines Mutes brach ab. Nur wenige Stunden nach meiner Ankunft erlebte ich also das Wetter in Island in aller Härte. Würde ich mich nun irgendwo alleine im Hochland befinden, ohne das Wissen, dass wenige Kilometer entfernt die Hauptstrasse liegt, wäre ich wohl in einiges grösserer Aufregung.




                Nach der Hälfte des Weges liess ich mich praktisch hinter jedem Steinturm nieder und wartete einige Minuten darauf, ob vielleicht nicht das Wetter plötzlich änderte, wenigstens aber ich nicht solch starken Regen abbekam. Denn inzwischen war mein Regenschutz natürlich äusserst stark gefordert, nach wie vor liess er zwar nicht durch, allerdings wurde durch den Druck des Rucksackes teilweise Wasser durch die Membrane gedrückt. Auch die Schuhe schienen bereits jetzt nicht mehr ganz dicht zu sein.
                Ungläubig schüttelte ich nun den Kopf und bereute es fast schon, vorhin so un beschwert über das Wetter gedacht zu haben. Ich schlug mich durch zurück zur Hauptstrasse. Kein Auto weit und breit. Ich lief los, entlang der Ringstrasse. Der Wind wehte mich jeweils fast fort und machte ein Vorankommen sehr schwierig. Ich fasste jedoch wieder ein bisschen Mut. In grossen Abständen brausten jeweils Autos vorbei, allerdings getraute ich mich nicht, eines zu stoppen und irgendwie wollte ich es auch nicht wahrhaben bereits so hilflos zu sein. Die Richtung, in die ich lief? Natürlich nicht entgegen des Leuchtturms, nein, dieser Gedanke war schon längst vor der Vernunft zerschlagen worden. Abbruch der Tour, zurück zum Flughafen, so schnell es geht! Die Uhr zeigte bereits 8 Uhr an und vor mir lagen noch gute 15 Kilometer bis zum Flughafen. 15 Kilometer! Ich war ziemlich verzweifelt, ja. Trotz allem war ich immer noch in grösstem Erstaunen über das Erscheinungsbild der Landschaft.

                Irgendwann kam ich dann im Dorf Hafnir an. Auf dem restlichen Weg hatte ich bereits viele mögliche Ausgänge meiner Situation im Kopf durchgespielt. Ob Zelten in einem Garten bis zu Übernachten auf einer Kirchenbank war alles vertreten. Als ich dann durch dieses Dorf lief, war ich erstmal erstaunt darüber, wie leblos alles wirkte. Spärlich brannte hie - und da Licht, welches durch meist schmutzige Fenster schimmerte. Viele Gebäude machten einen verlotterten Eindruck oder waren gar komplett leer. In einem Wartehäuschen an der Bushaltestelle fand ich einen provisorischen Unterschlupf. Vielleicht würde hier gar noch ein Bus fahren! Allerdings war der Plan auf isländisch verfasst. Die Zeiten auf dem Plan konnte ich jedoch lesen, und diese schienen zu sagen: „Hey Alter, heut‘ nicht mehr!“.
                Ich legte meinen Rucksack ab und entschloss mich dann zum erst besten Haus zu gehen und zu fragen, ob noch ein Bus fahren würde. Zumindest eine Taxi-Nummer konnte ich erfragen, denn eine solche fehlte mir ebenfalls. Unmöglich war es allerdings, noch weiter zu laufen. Ich war durch und durch nass und fühlte eine ständig wachsende Müdigkeit.
                Ich suchte mir ein Haus aus mit brennendem Licht, und hatte bereits beim ersten Klingeln Erfolg. Ein Hund eilte kläffend in meine Richtung , doch dies ging bald in einem Heulen unter, denn ein korpulenter Junge stürzte sich auf das Maul des Hundes und drückte es gewaltsam gegen den Boden.
                Ein ebenfalls korpulenter Mann, wohl der Vater des Balges, schwenkte mir entgegen und fragte mich, was ich wolle. Nach einem kurzen Gespräch bestätigte sich natürlich die Befürchtung, dass kein Bus mehr fahren würde. Wenigstens bekam ich eine Telefonnummer für ein Taxi diktiert. Als ich diese jedoch auf meinem Handy eingeben wollte, bemerkte ich, dass die Anzeige des Bildschirms völlig blass war. Die Nässe schien bereits in das Gehäuse des Gerätes vorgedrungen zu sein. Das hatte ja gerade noch gefehlt! Ich schaffte es trotzdem, die Nummer einzutippen. Ich bedankte mich und ging von dannen. Auch hier machten die Menschen einen eher unfreundlichen Eindruck.
                Ich rief die erhaltene Nummer an und hörte bald eine unverständliche Frauenstimme am Telefon, welche jedoch nur alle zwei Sekunden erklang und danach einem merkwürdigen Rauschen wich.
                Das war wohl gar nichts - Ich packte meinen Rucksack und trottete verzweifelt zurück auf die Strasse. Was nun? Ich kam mir verloren vor. Nach ungefähr 5 Minuten Laufens auf der Ringstrasse hörte ich hinter mir plötzlich ein Motorengeräusch, ein Auto fuhr ganz langsam neben mich und stoppte schliesslich. Die Fensterscheibe senkte sich langsam und ich erkannte den Mann aus dem Haus von vorhin! Er winkte mich zu sich. Schäumend vor Glück öffnete ich die Tür des Fahrzeuges, warf mein Gepäck hinein und setzte mich neben ihn. Er musste sowieso nochmals ins Dorf, meinte er, um Zigaretten oder so zu holen.
                Dabei war es offensichtlich, dass er sich um mich Sorgen machte und wohl nur deswegen nochmals sein Haus verliess. Doch das war mir in diesem Moment egal. Ich war entzückt von der Barmherzigkeit der Menschheit und war einfach nur froh, bald wieder am Flughafen zu sein.
                Somit wurde ein zweites Mal ein erst unsympathischer Eindruck eines Menschen auf mich umgewandelt in einen durch und durch positiven. Während der Fahrt stellte sich heraus, dass er Fische ankaufte und ursprünglich aus Akureyri kommt. Mit seiner Familie wohne er nun schon einige Jahre hier. Auf die Frage, ob er es mag in Island zu wohnen, machte er seiner Unzufriedenheit über das Parlament Luft und klagte über den schlechten Wert ihrer Landeswährung.
                Ich bedankte mich in aller Form bei ihm, schüttelte ihm kräftig die Hand und hüpfte am Flughafen raus. Dort nahm ich den Flybus nach Reykjavik, welcher mich sogar direkt zum Campinggelände fuhr.
                Damit war ich kaum auf dieser Insel, schon hatte ich das erste Abenteuer erlebt!




                Das Wetter hatte sich inzwischen beruhigt. Es war bereits 23 Uhr und dämmerte vor sich hin.
                Ich checkte ein auf dem Campingplatz und baute mein Zelt auf. Irgendwie fühlte ich nun trotz der grossen Erleichterung auch das Gefühl des Fehlschlags. Anstatt beim ältesten Leuchtturm Islands zu zelten, befand ich mich nun mitten in der Stadt auf einem Campingplatz - so hatte ich mir den Anfang meiner Reise eigentlich nicht vorgestellt. Als ich beim Auspacken meines Rucksackes bemerkte, dass ein Fertiggerichtaufgeplatzt war und nun alles nach „Al Rabiata“ roch, tauchte meine Laune endgültig. Ich kochte eben dieses Gericht noch, allerdings mochte ich kaum einen Bissen davon, denn es schmeckte einfach nur scheusslich. Niedergeschlagen kroch ich in meinen Schlafsack, stopfte zwei Oropax in meine Ohren und montierte die Augenbinde. Bald schlief ich ein.
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                • HonkDerBaer
                  Erfahren
                  • 19.11.2010
                  • 140
                  • Privat


                  #9
                  AW: [IS] Meine Entdeckung Islands - 21 Tage in eigener Initiative

                  Schon bis hier, noch bevor der eigentlichen Tour, ein absolut lesenswerter und kurzweiliger Bericht. Ich bin gespannt wie es weitergeht!

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                  • Trampvan
                    Erfahren
                    • 17.09.2009
                    • 246
                    • Privat


                    #10
                    AW: [IS] Meine Entdeckung Islands - 21 Tage in eigener Initiative

                    Toller Bericht! Sehr schön geschrieben, macht richtig Spaß deine Zeilen zu lesen.
                    Habe schon 'mal auf deiner Homepage vorgelesen ;)
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                    • blendwerk
                      Anfänger im Forum
                      • 06.05.2013
                      • 20
                      • Privat


                      #11
                      AW: [IS] Meine Entdeckung Islands - 21 Tage in eigener Initiative

                      Für schönere Darstellung, hier klicken für Originalbeitrag.



                      Tag 2


                      Ich erwachte bereits um 5 Uhr Morgens, als leichter Nieselregen auf mein Zelt fiel. Meine Träume waren wirr und das Bewusstsein, nun in Island zu sein ziemlich befremdlich.
                      Mehrmals verfiel ich nochmals dem Schlaf, bis ich mich schliesslich um 9 Uhr endgültig aufsetzte und versuchte, meine Gedanken zu ordnen. Weiterhin hörte ich leichte Wassertröpfchen auf mein Zelt prasseln. Meine Laune hatte sich noch nicht gebessert, im Gegenteil. Der Platz im Zelt war eng bemessen, ich schlief unruhig und alles fühlte sich ziemlich unbequem an. Das Leben auf ungefähr zwei mal zwei Meter war gewöhnungsbedürftig, um es nüchtern auszudrücken. Dazu kam, dass ich jetzt vor einer gähnenden Leere stand, ich hatte keinerlei Plan, was ich nun weiter tun würde auf dieser Insel oder besser gesagt, was ich durch die vorherrschenden Wetterkonditionen tun könnte. Am morgigen Tag, also am Donnerstag, dem 13. Juni würden die meisten Bus-Linien öffnen. Doch wahrscheinlich kaum bis in‘s Hochland. Mein Kopf fühlte sich schwer an und am liebsten wäre ich in diesen Minuten einfach nach Hause gegangen. Ich schaute nach draussen, alles schien grau zu sein und ein kühler Wind wehte mir entgegen.



                      Ich wühlte in meinem Rucksack und machte mir Müsli. Meine erste Erfahrung mit dem erst noch gekauften Magermilchpulver. Schmeckte soweit erstaunlich gut. Ich stand auf und wusch mich, ehe ich meinen Tagesrucksack packte. Dies war einer der grossen Vorzüge meines Rucksacks: Die oberste Tasche liess sich abnehmen und innert wenigen Sekunden zu einem eigenständigen Rucksack umfunktionieren.
                      Natürlich vergass ich nicht, meine Schwimmsachen einzupacken, denn bei diesem trüben Wetter würde mir ein warmes Bad bestimmt gut tun. Der Zeltplatz lag eigentlich ziemlich zentral in der Stadt, gleich neben ihm befand sich das grösste Schwimmbad in Reykjavik, das Laugardalslaug. Leider hatte es diese Tage wegen Umbauarbeiten geschlossen. Ich suchte auf meinem Navigationssystem nach weiteren Bademöglichkeiten, und stiess auf den Namen Nauthólsvík.



                      Es war mit einem Schwimmbad-Symbol versehen. Da ich kein Internet zur Verfügung hatte und auch meinen Reiseführer zu Hause liess, konnte ich nichts nachschlagen. Somit wusste ich nicht, was mich erwarten würde, doch ich entschied mich trotz fehlenden Informationen, diesen Punkt als eines meiner Tagesziele zu nehmen, auch weil er so ziemlich am anderen Ende der Stadt lag. Ein weiteres Ziel für Tag 2 war es, am Abend dem Couchsurfing-Treffen im Kaffi Zimsen beizuwohnen. Vielleicht würde ich jemanden kennen lernen, mit dem ich zumindest einige aufschlussreiche Gespräche führen könnte. Natürlich hätte ich auch nichts dagegen, mit jemandem ein paar Tage zu reisen, denn wenn man erstmal komplett alleine in der Fremde ist, sehnt man sich plötzlich doch nach Kontakt mit vertrauten Menschen. Natürlich konnte dies auch bloss eine vorübergehende Empfindung sein, doch an diesem Morgen fühlte ich mich ziemlich einsam, und zwar auf eine eher negative Weise.



                      Ich begab mich Richtung BSI-Bus Terminal, auf dem Weg machte ich einen Zwischenstopp in einem Café und wurde erstmal angenehm überrascht vom freundlichen Umgang der Bedienung, welche ich versuchte zu revanchieren mit den drei isländischen Höflichkeitsfloskeln Góðan daginn, Takk und Bless, also Guten Tag, Danke und Auf Wiedersehen. Dies funktionierte recht gut und ich erntete ein warmes Lächeln von der Frau hinter der Tresen, welche mich darauf aufmerksam machte, dass ich meine Kaffeetasse mehrmals nachfüllen dürfe. Für diesen Preis gab es einen solchen Service in der Schweiz ganz bestimmt nicht. Das Café war ansonsten leer. Ich setzte mich an einen leeren Tisch. Beim Nachführen meines Tagebuchs, welches ich von Hand schrieb, ärgerte ich mich erstmals über das langsame Vorankommen meines Stiftes. Ich hatte bereits so viele Gedanken und Erinnerungen angesammelt welche ich niederschreiben wollte, sodass ich schon jetzt ahnte, niemals damit fertig zu werden.

                      Beim BSI-Bus Terminal holte ich dann die ernüchternde Information ein, dass die Busverbindung in das südliche Hochland wohl erst in etwa 10 Tagen zustande kommen würde. Ich setzte mit einer Broschüre von Reykjavik Excursions hin und stöberte im Angebot. Auf den letzten Seiten gab es einige Bus-Pässe, wobei mir der Ring-Road Passport besonders ins Auge stach, mit welchem man einmal im oder gegen den Uhrzeigersinn um die Insel fahren konnte, immer der Küste entlang. Für ungefähr 35‘000 ISK schien mir dies ein sehr gutes Angebot zu sein. Zudem bestand die Möglichkeit, jederzeit die Reise an einem beliebigen Ort zu unterbrechen und später fortzusetzen. Zusätzliche 10% Rabatt auf fast alle anderen Strecken rundeten das Angebot ab. Ich war sehr überzeugt, kaufte den Pass jedoch vorerst noch nicht, denn meine Reise würde ja sowieso erst Morgen beginnen können.


                      Ich stürzte mich in das Fast-Food Restaurant nebenan und ass erstmal genüsslich einen leckeren Burger mit Pommes. Naja, dies war vielleicht ein wenig gar banal und nicht gerade abenteuerlich, trotzdem genau das, was ich in diesem Moment brauchte. Am Tisch gegenüber sass ein anscheinend betrunkener Mann, welcher immer wieder seine wohl leere Bierdose anhob, um sie an seinen Mund zu führen, sie dann jedoch irritiert über die Inhaltslosigkeit wieder auf den Tisch zu stellen. Er redete entweder einfach vor sich hin oder verwickelte bei Anwesenheit anderer jeden rundherum in ein Gespräch.
                      Nach wenigen Minuten, ich hatte bereits fertig gegessen, setzte er sich zu mir. Damit hatte ich eigentlich gerechnet, ich hatte es sogar gehofft, denn ich schaute ihm schon mehrmals aufmerksam in die Augen, denn er interessierte mich.
Sein Gesicht schien unglaublich freundlich, wenn auch seine Augen förmlich im Alkohol schwammen und er nicht ohne Lallen sprechen konnte. Alles, was ich aus seinen in mangelhaftem Englisch geformten Sätzen entnehmen konnte war, dass er früher als Fischer arbeitete, nun aber arbeitslos war.



                      Ich versuchte ihn zu fragen, ob er mein angepeiltes Schwimmbad kennen würde, worauf er freudig bejahte und es mir wärmstens empfahl. Durch seine fehlenden Sprachkenntnisse langweilte ich mich trotzdem bald und ich ging. Beim Verlassen des Gebäudes wurde meine Aufmerksamkeit jedoch plötzlich auf eine grosse Glaskuppel auf einem Hügel gelenkt.



                      Es sah aus wie eine Wetterstation oder ein Forschungslabor. Ein kurzer Weg durch einen jungen Mini - Wald führte mich hoch. Auf dem Weg erklärte mir bereits ein Isländer, welcher in schnellen Schritten, völlig ausser Atem hochlief, dass dieses Gebäude Perlan hiesse und als Warmwasserspeicher Reykjaviks diente, welcher die komplette Stadt versorgte. Bis zu vier Millionen Liter Warmwasser konnten die riesigen Tanks speichern. Eine unvorstellbare Menge!


                      Im Gebäude selber gab es dann neben einem künstlichen Geysir, mehreren Informationstafeln, einem Restaurant und einer Aussichtsplattform nicht allzu viel zu sehen. Die Architektur war jedoch spannend und ich machte einige Bilder.


                      Bald brach ich auf zu meinem eigentlichen Ziel und entfernte mich in Richtung Nauthólsvík, welcher sich hinter dem Flughafen von Reykjavik zu befinden schien. Auf diesem herrschte übrigens reger Betrieb. Das Bad schien laut Karte direkt am Meer zu liegen - und ich staunte nicht schlecht, als ich mich plötzlich an einem Strand befand, in dessen angrenzenden Wasser Menschen badeten! Später brachte ich in Erfahrung, dass es sich um einen Strand mit künstlich geheiztem Wasser handelte. Das Wasser stammte natürlich aus dem Gebäude von vorhin, dem Perlan! Ich verzichtete auf ein Bad und beschloss, mich zum Hafen zu begeben, wo ich den Treffpunkt des Couchsurfing-Meetings vorfinden würde.



                      Es war bereits nach 16 Uhr, plötzlich setzte starker Regen ein und ich nahm den Bus in das Zentrum der Stadt, wobei ich erstmal scheiterte mit dem Versuch, per Kreditkarte zu bezahlen: Hier musste man entweder mit Bargeld bezahlen oder aber ein Ticket an einer Station kaufen. Automaten gab es an keiner Bushaltestelle, ausser an den grossen Terminals. Der Fahrer drückte jedoch ein Auge zu und liess mich mitfahren.



                      Ich stieg bei Hlemmur aus und ging an den Hafen, wo ich das erste Mal das Konzert- und Konferenzhaus Harpa erblickte. Dieses wollte ich mir allerdings aufsparen, wenn es mal sonnig ist und die Fenster farbig leuchten.

                      Am Meeting selbst befand sich bloss ein einziges Mitglied. Ich erkannte ihn, weil ich bereits schon einmal über sein Profil gestolpert bin, als ich noch zu Hause war. Die Bar machte einen gemütlichen Eindruck. Die Ursache für den geringen Aufmarsch war eine kurzfristige Verschiebung in eine andere Lokalität. Der junge Isländer namens Einar machte jedoch einen sehr sympathischen Eindruck, auch wenn er etwas aussah wie ein dunkler Magier. Ich setzte mich salopp zu ihm und verwickelte ihn in ein Gespräch. Er arbeite als Gärtner und studiere nebenbei, wie man Computerprogramme schreibt. Als äusserst aktives Mitglied auf der Plattform Couchsurfing hätte er fast täglich fremde Surfer bei sich zu Hause. Auch heute war anscheinend ein chinesisches Paar zu Gast bei ihm, welches ich später vielleicht noch kennenlernen würde. All dies erzählte Einar mir in gutem Englisch. Er machte mir klar, dass es ihm in Island äusserst gut gefällt. Im Ausland war er, ausser in den USA, noch kaum. Auf die Frage, ob er dann oft hier wandern gehe oder Ausflüge mache, reagierte Einar ziemlich verdutzt und entgegnete: „Nein, und oftmals..“, brachte er stockend hervor, „..lerne ich mein Land erneut kennen durch die vielen Besucher in meinem Hause, welche sich eifrig über Orte informierten. Anfangs wusste ich nicht mal, wie die Berge hier in der Gegend heissen. Inzwischen weiss ich wenigstens ein paar Namen.“, schloss er ab.
                      Diese Einstellung verwunderte mich doch ein wenig und ich fragte mich, ob es eine typische Erscheinung bei Bewohner dieser Insel wäre. Wir tranken unser Bier aus und er schlug vor, erst zu sich nach Hause und danach in ein Schwimmbad zu gehen. Natürlich willigte ich erfreut ein. Ich besorgte mir Bargeld für den Bus und wir fuhren ein wenig ausserhalb von Reykjavik kurz einkaufen und anschliessend zu ihm nach Hause. Seine Wohnung machte einen einladenden Eindruck und er erklärte mir, dass sie bereits ihm gehöre - natürlich auf Raten gekauft. Mit seinem aktuellen Einkommen würde er sie bis er 100 Jahre alt ist abbezahlt haben, trug er nach längerem Rechnen mit einem breiten Grinsen vor.
                      Er gab mir ein kleines Stück Fleisch von einem Haifisch zum probieren, was er bei jedem Besucher zu tun schien als eine Mutprobe. Ich wollte natürlich weder unfreundlich, noch unmutig wirken und probierte es. Es war ziemlich eklig und hatte einen starken Ammoniak - Geschmack. Da wandte ich mich lieber meiner vorhin gekauften Pizza hinzu, welche ich in seinem Ofen aufgebacken hatte. Hergestellt in Island - und schmeckte leider kaum besser als das Stück Haifisch. Seine Katze schien mehr Spass an der italienischen Spezialität zu haben, sie kaute wie wild auf dem gummigen Teigboden herum.

                      Das Warten auf das chinesische Pärchen schien erfolglos zu bleiben und somit gingen wir zu zweit schwimmen. Auf dem Weg erklärte Einar mir, dass es unüblich sei als Bewohner Reykjaviks im Zentrum der Stadt zu wohnen. Die meisten Leute hätten ihre Wohnung ausserhalb des Zentrums und somit ausserhalb des ganzen Touristenrummels. Wie ich im späteren Verlauf meines Aufenthaltes feststellte, war dies tatsächlich der Fall, die Strassen in Downtown wurden von Touristen beherrscht.
                      Das Schwimmbad war gross und der Eintrittspreis billig. Es gab Pots in verschiedenen Wärmestufen, einen grösseren Pool und natürlich ein Dampfbad. Einar bevorzugte den heissesten Pot mit einer Wassertemperatur von 44°C. Als er mich erst fragte, wie lange ich es wohl in diesem aushalten würde, winkte ich stolz ab und meinte, ich werde wohl kaum Probleme haben mit warmem Wasser. Nun aber wurde mir nach wenigen Sekunden bereits schwummerig und ich spürte, wie mein Kreislauf ächzte unter der hohen Temperatur.
                      Bald schon versuchte ich mich, am Geländer festzuhalten, um bloss einen kleinen Teil meines Körpers im Wasser zu baden, was wohl ziemlich affig aussehen musste.
                      Dann jedoch wurde es mir tatsächlich zu viel und ich sprang kurz darauf in den Pool mit 28°C. Eine willkommene Abkühlung. Das Dampfbad fühlte sich dafür umso besser an. Wir verliessen den Pool einige Zeit später völlig erfrischt, und ich spürte eine wohltuende Müdigkeit, welche sich über meinen Körper legte. Ich verabschiedete mich bald von Einar und machte mich auf den Rückweg zum Campingplatz. Seine Aussage brachte mich nochmals in einen Entscheidungskampf zwischen zweier Arten der Insel-Umkreisung: Bus oder per Anhalter. Er meinte, es wäre sehr leicht, per Anhalter um die Insel zu kommen und er hätte schon viele Surfer bei sich gehabt, welche so reisten. Da ich keinerlei Erfahrung im Hitch-Hiking hatte und eine zuverlässige Art und Weise des Reisens bevorzugte, zumindest in diesen Ferien, fiel meine Entscheidung schliesslich auf den Bus-Pass.
                      Das Wetter hatte sich inzwischen übrigens deutlich gebessert und es schien sogar die Sonne. Trotzdem war die Temperatur immer noch ziemlich kühl. Eigentlich aber ganz angenehm, man musste sich bloss richtig kleiden.


                      Um noch einige Worte über den Camping Platz in Reykjavik zu verlieren: Dieser wies eine sehr gute Ausstattung auf. Es gab eine grosse Anzahl an Toiletten und Duschen, welche kostenlos benutzbar waren, ebenso wie eine Küche. Die Rezeption war immer bedient und das Personal sehr freundlich. Es gab haufenweise Broschüren und es wurden nicht bloss auf das Camping bezogene Fragen beantwortet. Gleich aussen an der Rezeption befand sich ein grosses Regal, in dem Touristen Dinge zurücklassen konnten, welche sie nicht mehr brauchten. So war eine komplette Etage mit Brennsprit und Gaskartuschen eingerichtet, Shampoos und Esswaren waren ebenfalls kostenlos verfügbar sowie Broschüren und Bücher. Der Rasen selbst war gepflegt und bot grosszügigen Platz für viele Zelte, welche sich abgeschottet von jeglichem Lärm aufbauen liessen. Gleich nebenan befand sich das City Hostel von Reykjavik. Jeden Morgen gab es einen Abholservice von Reykjavik Excursions, aber auch von anderen Bus-Unternehmen.



                      Ich verkroch mich bald in mein Zelt und stellte den Wecker auf 6 Uhr, denn der Bus würde bereits um 8 Uhr losfahren und ich musste vorher noch den Pass kaufen sowie den Weg zum Terminal machen. Müde, jedoch äusserst zufrieden mit dem Verlauf des heutigen Tages begab ich mich in einen kurzweiligen, aber tiefen Schlaf. Ich war nun durchaus zuversichtlich eingestellt und freute mich darüber, Gewissheit über den weiteren Verlauf meiner Reise zu haben - einen groben Faden hatte ich nun jedenfalls in der Hand, welcher mich wohl mehr als 10 Tage führen würde.
                      blend-werk

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                      • Hermsi
                        Gerne im Forum
                        • 20.02.2012
                        • 59
                        • Privat


                        #12
                        AW: [IS] Meine Entdeckung Islands - 21 Tage in eigener Initiative

                        Echt ein schöner Bericht hut ab! Die BIlder sind auch toll, besonders die letzten beiden Fotos aus deinem Post vom 25.07 sind einfach nur ein Traum *großeaugenmach*

                        Muss wohl schon wieder ein Land auf meine Liste der Länder setzen die UNBEDINGT mal durchwandert werden müssen! Ich werde deinen weiteren Bericht mir großer Freude erwarten!

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                        • Muddypaws
                          Erfahren
                          • 21.02.2012
                          • 483
                          • Privat


                          #13
                          AW: [IS] Meine Entdeckung Islands - 21 Tage in eigener Initiative

                          Tolle Fotos und ein schöner Bericht!

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                          • blendwerk
                            Anfänger im Forum
                            • 06.05.2013
                            • 20
                            • Privat


                            #14
                            AW: [IS] Meine Entdeckung Islands - 21 Tage in eigener Initiative

                            Für schönere Darstellung, hier klicken für Originalbeitrag.




                            Tag 3

                            Der schrille Weckton meines Telefons liess mich aufschrecken. Sofort machte ich mich daran, meinen ganzen Krempel einzupacken. Der Schlafsack war dabei das mühseligste von allem: Sein Volumen war auch zusammengerollt immer noch sehr gross, eigentlich zu gross für den kleinen Packbeutel. Nach einigen Anläufen schaffte ich es trotzdem. Nach ungefähr 20 Minuten war alles gepackt. Ich fühlte mich wiederum sehr müde und unausgeschlafen. Mein Vorhaben heute, der Beginn meiner Rundreise machte dies jedoch gleichgülti



                            Am BSI Terminal holte ich mir dann den besagten Ringroad-Pass. Dieser war aus wasserfestem Papier gefertigt und machte für seinen Preis einen angemessen hochwertigen Eindruck. Grinsend reichte mir der Angestellte einen Busfahrplan und meinte, dies sei meine Bibel für die nächsten Tage. Ich verstaute ihn und den Fahrplan in meiner Tasche. Ich hatte mich entschlossen, die Reise gegen Süden zu beginnen. Die Strecke gegen Norden hindurch zwischen den zwei Gletschern Langjökull und Hofsjökull war nämlich ebenfalls noch geschlossen. Hoffentlich würde diese Piste bis zu meiner Rückkehr geöffnet sein. Im Terminal selbst überhörte ich eine Gruppe von Franzosen, welche nach den Busverbindungen zu Landmannalaugar fragten. Natürlich war die Antwort dieselbe, wie sie mir vor einem Tag gegeben wurde. Auf die Idee, von Thorsmoerk nach Landmannalaugar zu wandern, riet die Angestellte vehement ab. Es sei sehr gefährlich, da die Bediungen nach wie vor unberechenbar seien. Gespannt lauschte ich dem Gespräch und entschied mich dann wenig später, in den Bus Richtung Skaftafaell einzusteigen. Ja, richtig: Man konnte direkt von Reykjavik nach Skaftafaell fahren, was eigentlich die ganze Südküste entlang war. Wo ich aussteigen würde, war mir zu diesem Zeitpunkt noch nicht gegeben. Ich wollte es aber natürlich möglichst langsam angehen und oft einen Tag an einem Ort verweilen und Zelten.
                            Der Bus war indes gerade mal zur Hälfte oder gar weniger gefüllt, was mir natürlich gefiel. Ich wurde aufmerksam auf die ersten Schweizer, verzichtete jedoch, Bekanntschaft zu schliessen.





                            Der Bus brauste los und die Fahrt wurde bald begleitet von einer durch die Lautsprecher dringende Stimme, welche in gesprochenem Englisch die Tour-Guide des Bus darstellte. Exakt auf die Ortschaft abgestimmt, welche gerade an den grossen Fenstern des Fahrzeuges vorbeizog, gab die Stimme des Isländers ihr Wissen zum Besten und verriet interessante Fakten, etwa zum einzigen isländischen Gefängnis, welches sich bald am Wegrand befand oder zum ehemaligen Skigebiet der Insel. Leider bevorzugte es der Sprecher in einem unglaublich langsamen Tempo vor sich hin zu plaudern, nicht ohne Verzicht an jeder Stelle seiner Sätze einen Witz einbauen zu wollen, welcher die Merkwürdigkeit seines Volkes unterstreichen soll . Dies gelang zwar manchmal, trotzdem empfand ich seine Erklärungen bald schon als mühselig und ich hoffte, diese Funktion im Bus wäre noch nicht für die gesamte Insel verfügbar.



                            Wir gerieten kurz nach Verlassen der Hauptstadt in ein dichtes Nebelfeld, welches typisch für diesen Streckenabschnitt war, wie sich später herausstellte. Die Landschaft bestand hier auch vor allem aus mit gräulichem Moos überwachsene Lava - ein beeindruckendes Bild. Immer wieder konnte man sogar im Innern des Bus einen deutlichen Schwefelgeruch wahrnehmen, etwa wenn man an einer heissen Quelle vorbei donnerte. Der Bus machte regelmässige fahrplangemässe Stops, etwa in Ortschaften oder an Tankstellen. Dies war sehr nützlich um sich zu verpflegen, aber natürlich auch um stets aus- oder einzusteigen.



                            Nach der Besichtigung des Seljalandsfoss, dem ersten Wasserfall welchen ich aus der Nähe betrachten konnte, waren es nur noch ungefähr 40 Minuten bis zu der berühmten Ortschaft Skogar mit einer mickrigen Einwohnerzahl von 25 und dem Skogafoss.




                            Dieser Wasserfall hatte eine Breite von 25 Metern und liess sein Wasser 60m in die Tiefe stürzen.
                            Bereits aus der Ferne war der Beginn des populären Laugavegurs zu sehen. Ein steiler Weg führte hinauf zu der Mündung des Wasserfalls.
                            Unterwegs hatte ich mich kurz mit den Franzosen aus dem BSI-Terminal unterhalten, diese schienen absolut von dem Vorhaben überzeugt zu sein, hier die Wanderung nach Thorsmoerk aufzunehmen. Ich hielt dieses Vorhaben nach wie vor für naiv, denn das südliche Hochland galt als ein gefährliches Gebiet in Island und es gab immer wieder Unfälle. Eigentlich hatte ich besonders den Laugavegur bereits aus meiner Planung ausgeschlossen, da ich sogar die Bus-Strecke nach Thorsmoerk für geschlossen hielt.
                            Mit dichtem Nebel, eher tiefen Temperaturen und einem leichten Nieselregen waren die Bedingungen bereits auf 0m eher zweifelhaft.
                            All dem zu trotz, keimte in mir nun die abenteuerliche Vorstellung wie ein teuflischer Krankheitserreger auf, diese Wanderung zu machen. Es fühlte sich fast schon an, wie eine Pflicht! Und Pflichten sollte man schliesslich nachgehen.
                            Ich füllte meine Trinkflaschen, zog meinen Regenschutz an und bereitete alles vor.
                            Kurze Zeit später kam ich durch einen Zufall ins Gespräch mit einem polnischen Pärchen, welches im gleichen Bus unterwegs war wie ich. Sie befanden sich ebenfalls im Aufbruch und es ergab sich, dass der Weg nach Thorsmoerk zu gehen ein grosser Wunsch ihrer Reise sei. Auf die Frage, ob ich den genauen Wanderweg kennen würde, bejahte ich und zeigte den vorbereiteten Track auf meinem Navigationsgerät. Ich bot ihnen an, mit mir zu wandern und sie willigten erfreut ein. Somit konnte ich ihnen den Weg weisen und sie meine riskante Einsamkeit auf dieser Tour nehmen. Eine Win-Win-Situation, wie man in neudeutsch so schön sagt.



                            Ich stellte mich ihnen also vor und wir führten ein kurzweiliges Gespräch. Hier muss ich vorneweg sagen, dass ich den beiden eigentlich von Anfang an hätte von dieser Wanderung abraten sollen. Grosser Wunsch? Und keinen genauen Plan, wo es durch geht? Was für ein Quatsch. Ein Blick auf ihre Ausrüstung erübrigten jegliche weiteren Hinweise, um sie als nicht qualifiziert für die Bezwingung der Hochebene Fimmvörðuháls zu bezeichnen. Während der Mann zumindest Trekking-Halbschuhe anhatte, wohl aber eher für eine Wanderung in einer trockenen Steppe, hatte die Frau eine Art Turnschuh an.
                            Ihre Rucksäcke machten einen eher billigen Eindruck. Auf die Frage, ob sie ein Zelt und Schlafsäcke hatten, bejahten sie zwar, das geringe Volumen liess aber eher auf etwas anderes schliessen.
                            Ich verschwieg meine Zweifel jedoch, da ich sie nicht verunsichern wollte und keine Lust hatte, jemand neues zu suchen. Zudem gab es ja immer noch die Möglichkeit, wieder umzukehren.
                            Ich zeige euch hier meinen originalen Tagebuch-Eintrag über die Einschätzung der zwei Persönlichkeiten, um es ein wenig greifbarer zu machen.



                            Alle Vorbereitungen waren abgeschlossen und die Wanderung konnte losgehen. Der Weg führte wie bereits erwähnt erst über eine metallene Treppe, die sehr steil zur Mündung des Wasserfalls hinaufführte. Hier mühte ich mich das erste mal ziemlich heftig ab. Insgesamt würde der Anstieg bis zum Pass des Fimmvörðuháls 1116m betragen, was auf einer eher geringeren Distanz von etwas mehr als 10km eine beträchtliche Höhendifferenz ist. Oben gab es dann den Ausblick und den vorbei rauschenden Wasserfall zu geniessen. Die Polen montierten den Regenschutz für den Rucksack. Immerhin das hatten sie dabei. Danach ging es weiter über spärlich mit Gras überwachsene Wiese, die jedoch mit Steinen übersät war.


                            Ein deutlicher eingetretener Pfad führte den Wanderweg voran. Auf diesem waren wir längst nicht alleine, sowohl hinter als auch vor uns gingen eifrige Wanderer voran. Immer wieder kamen uns aber auch welche entgegen. Die meisten wollten wohl bloss den ersten Abschnitt erkunden.


                            Ich ging schnurstracks voran und musste immer wieder mal einige Sekunden inne halten, um meine Begleiter aufholen zu lassen. Der Weg wurde innert kürzester Zeit steiler und teilweise auch schwieriger zu begehen. Der Nebel nahm deutlich zu und auch der Regen wurde stärker. Die niedrige Temperatur zwang mich, meine Wollmütze zu montieren. Das Gewicht meines Rucksacks war zwar hoch, aber irgendwie schien es mir bisher überhaupt nichts auszumachen! Mein Hirn wurde mit einer gesunden Menge an Adrenalin versorgt und ich fühlte mich voller Energie.
                            Trotzdem gerieten wir öfters ausser Atem und legten regelmässig Pausen ein.
                            Der Anblick der Gegend, durch die wir wanderten, war unbeschreiblich. Es fällt mir jetzt im Nachhinein schwer, eine wirklich authentische Beschreibung abzugeben. Links in Laufrichtung rauschte uns der Fluss, die Skoga entgegen, wobei sie sich immer wieder über Felsklippen stürzte und somit bezaubernde Wasserfälle entstehen liess. Durch die kurze Sichtweite kam man sich vor wie auf einem fremden Planeten, zudem war das Gespür für die gegangene Distanz völlig diffus. Einzig das Navigationssystem und die immer weniger werdenden Fussspuren vor uns hielten unsere Orientierungssinne am Leben. Ich zweifelte natürlich nach wie vor daran, dass wir es wirklich bis zum Pass schaffen würden. Es zeichnete sich mehr und mehr ab, dass dies garantierteine zweitägige Wanderung geben würde, alles andere wäre Selbstmord bei diesen schwierigen Konditionen. Wir mussten die insgesamt 20km aufteilen. Ob es jedoch möglich sein würde, in der Hütte zu übernachten oder das Zelt davor aufzustellen, war mir zu diesem Zeitpunkt völlig schleierhaft. Ich hatte mich überhaupt nicht darüber informiert. Zwar las ich öfters mal von einer Hütte und von Leuten, welche vor dieser zelteten, allerdings wusste ich nicht, wie es nun dort aussehen würde. Somit rechnete ich eigentlich immer noch damit, dass irgendjemand aus unserer Gruppe den Rückzug beantragen würde.
                            Die Jacke aus Baumwolle der Polin schien bereits ziemlich durchnässt zu sein - ebenso wie ihre Schuhe. Als ich sie darauf ansprach, meinte sie jedoch, dass ihre Mutter diese Schuhe ihr geschenkt hätte und diese garantiert wasserdicht seien.
                            Nun, was wollte man da noch sagen? Ich liess dieses Argument gelten.
                            Es war eindeutig zu sehen, dass beide die Wanderung von Anfang an unterschätzt hatten und jetzt überrascht wurden durch die Witterung und den steilen Weg.
                            Ich erkundigte mich jedoch immer wieder nach ihrem Befinden und wiederholte mehrmals, dass es jederzeit die Möglichkeit gäbe, zurückzukehren. Sie zeigten sich jedoch zäh und lehnten jedes Mal vehement ab.



                            Spätestens bei dem ersten Bach, welchen wir durchqueren mussten, war es endgültig vorbei mit der Wasserfestigkeit meiner Polska-Freunde: Die Schuhe liessen durch und die Frau gestand dies dann auch ein.
                            Doch, wir gingen munter weiter und wurden dann tatsächlich von einer Gruppe Menschen überholt, von denen ein kleinerer Mann mit einem einfachen Tagesrucksack wandert sowie Turnschuhe und kurze Hosen trug (!!!). Ich traute meine Augen nicht und konnte nur noch den Kopf schütteln. Kein Wunder, starben schon mehrere Menschen hier, man kann das Schicksal auch geradezu leichtsinnig herausfordern.



                            Immer wieder kamen uns aber auch Wanderer entgegen. Jedes mal blieb man einen kurzen Augenblick stehen, begrüsste sich freundlich und tauschte seinen aktuellen Status aus. Man fühlte sich mit jedem, der auf diesem Weg wanderte verbunden und ich genoss diese nicht selbstverständliche Nähe zu fremden Menschen sehr.
                            Eine Gruppe kam gerade vom Gipfel, sie machten uns aufmerksam auf eine mehrere Kilometer lange Strecke, welche noch mit Schnee verdeckt ist. Mit einer skeptischen Handbewegung in Richtung der Schuhe des polnischen Pärchens schloss der ältere Kanadier seinen Hinweis und fügte an, dass dies vielleicht nicht das richtige Schuhwerk sein würde. Ich dankte ihm innerlich für diesen überflüssigen Hinweis und führte die Polen weiter hinauf. Sie sahen weiterhin kein Problem und waren nach wie vor bereit, weiter zu gehen.
                            Ich stellte mir vor, was Menschen aus meinem Umfeld nun wohl gerade machen, etwa meine Freunde, wie sie nun um 14 Uhr am Nachmittag in der Sonne liegen und baden, während ich hier seit Stunden durch den Nebel laufe und versuche, ein Plateau zwischen zwei Gletscher zu erklimmen. Diese Vorstellung konnte kaum absurder sein.



                            Irgendwann hatten wir direkten Zugang zum Fluss und konnten unsere Wasserflaschen auffüllen mit klarstem Gletscherwasser. Danach ging weiter, und es kam zu einigen gefährlichen und besonders steilen Wegstücken, welche wir aber mehr oder weniger ohne Problem überwunden. Inzwischen drängte sich immer öfters die Frage auf, wie weit es denn noch ist. Die polnische Frau sah ein wenig ausgezehrt aus und auch er wirkte sehr angestrengt. Mir ging es genau gleich, die Nässe war unsäglich und ich hatte inzwischen ein wenig kalt, jedoch konnte ich kaum mehr anziehen, als ich schon anhatte.



                            Wir hörten plötzlich Wasser rauschen und in kurzer Entfernung wurde ein Wasserfall sichtbar. Laut meinem GPS würde der Weg nun über diesen Fluss führen. Eine Holzbrücke erstreckte sich darüber - allerdings befand sie sich in ungefähr 4 Meter Höhe!
                            Ein älterer Mann kletterte gerade von ihr herunter mit dem Ausruf: „It‘s going to be fun now!“, während seine Frau unten stand und wartete. Das ältere Pärchen, welches sich kurze Zeit entgegen uns bewegte und wohl den Rückweg aufnahm, fragte uns, ob wir zur Hütte hinauf wollten. Unsicher bejahten wir. Grinsend liefen sie weiter.
                            Der Weg würde nun wohl tatsächlich über diese Brücke führen. Unschlüssig ging ich zur Brücke und betrachtete den Bau. Zwei massive Metallträger schienen das Holz oben darauf zu stützen. Einigermassen stabil sollte sie also sein. Trotzdem, wohl wurde sie schon länger nicht mehr gewartet, was, wenn sie zerbrechen würde?
                            Wir sprachen uns kurz in der Gruppe ab und ich erklärte, dass ich als erster hochklettere, und sie mir dann all die Rucksäcke reichen, denn es handelte sich hier tatsächlich um Klettern, was mit schwerem Rucksack viel zu gefährlich war. Als ich oben war, musste
                            der polnische Mann sich auf die Zehenspitzen stellen und mir den Rucksack entgegenwerfen, ansonsten hätte ich ihn nicht gekriegt.
                            Ich packte meinen Rucksack und ging in schnellen Schritten über die Brücke. Ich getraute mich nicht, Links oder Rechts zu schauen und ging so schnell wie möglich. Mein ganzer Körper zitterte, denn ich hatte Höhenangst. Ich stellte den Rucksack auf die andere Seite der Brücke und nahm kurz darauf den zweiten hochgereichten. Die Polen folgten mir über die Brücke. Ich war unglaublich froh, als ich wieder auf festem Boden stand. Nun war definitiv klar, dass es kein Zurück geben würde. Diese Brücke würde wohl keiner aus meiner Gruppe freiwillig nochmals besteigen.



                            Wir hatten nun schon mehr als die Hälfte geschafft. Das letzte Stück war dann tatsächlich aber nochmals eine harte Probe der körperlichen und mentalen Verfassung. Die Anstrengung nahm stetig zu, vor allem jedoch gesellte sich nun auch Unsicherheit und ein Anflug der Angst hinzu. Es war bereits 16 Uhr, wir wanderten immer noch und hatten keine Ahnung, ob die Hütte uns Schutz bieten würde. Inzwischen war es fast unvorstellbar geworden, am Ende des Tages in dieser Kälte zu zelten.
                            Wie von den entgegenkommenden Wanderer angekündigt, hatten wir die Schmelzgrenze erreicht und das Landschaftsbild war jetzt geprägt von riesigen Schneefeldern und schlammigen Abschnitten, nämlich da, wo dieser Schnee eben gerade geschmolzen war. Und dies war keineswegs ein Ereignis, welches länger in der Zeit zurücklag.

                            Keine Frage, die Mischung von Schnee und Matsch, wie ich sie bereits aus meiner letzten Wanderung in der Schweiz kannte, liess meinen Schuhe keine Chance und durchnässten sie, vorbelastet durch den Regen und das nasse Terrain vorhin, innert wenigen Minuten. Nun wurde es richtig übel, denn die Schuhe meiner restlichen Gruppe waren natürlich noch viel schlimmer dran.
                            Ich versuchte, die beiden irgendwie bei Laune zu halten und kochte für uns in einer Pause ungefähr zwei Liter Glückstee. Dieses warme Getränk tat wirklich unheimlich gut. Der Geschmack von Zimt und Honig kräftigte meinen Körper - zumindest für eine kurze Zeit.
                            „Wir haben es bald!“, oder: „Nur noch ungefähr einen halben Kilometer!“, waren meine sich wiederholenden Zurufe. Dabei wusste ich nicht mal, ob wir es wirklich bald geschafft haben, denn irgendwann bemerkte ich tatsächlich, dass dieses blaue Symbol auf meinem GPS, welches ich seit Anfang der Wanderung anpeilte, gar keine Hütte war, sondern das Zeichen für den höchsten Punkt des Passes!
                            Ich konnte meine eigene Dummheit selbst nicht fassen. Ein schnelles Vorankommen war nun unmöglich, man musste seine Schritte stets mit bedacht platzieren, zudem sank man im Schnee oder Matsch ständig ein, manchmal Knöcheltief.
                            Ich beschleunigte mein Tempo trotzdem und lief den Polen davon, während ich mir selbst gut zuredete und mich fragte, wie ich meine neuste Erkenntnis mit dem GPS ihnen wohl erklären würde. Für einen Idioten würden sie mich dann halten, und ihr naives Urteil über mich als professioneller Schweizer Bergführer wäre dahin! Dies wollte ich auf keinen Fall riskieren. Im Notfall würde ich behaupten, die Hütte wurde wohl vom Wind abgetragen.



                            Es ging noch ungefähr 20 Minuten so weiter, als ich in der Ferne plötzlich die Umrisse eines Dreiecks sah. Mein Herzschlag wurde schneller, ebenso wie mein Tempo. Dies konnte nur eine Hütte sein - Ich rannte los. Kurze Zeit später tauchte eine weitere Hütte aus dem Nebel hervor. Ich stand ehrfürchtig vor einem neuwertigen, aus Holz gebauten Konstrukt, welches ein silbernes Dach aus Aluminium besass. Ich rüttelte an der Tür - und sie war abgeschlossen. Doch dann überprüfte ich das Fenster und entdeckte einige Kerzen auf dem Sims, sowie Menschen innen drin! Sie winkten mich zu sich herein.
                            Ich konnte es nicht fassen und machte mich auf zur anderen Seite der Hütte. Eine Art Veranda, bloss ohne Dach, war an der Vorderseite angebracht. Ich kletterte hinauf und öffnete die Tür. Sie gab mit einem Ruck nach und ich stand im Vorraum einer Holzhütte. Ich ging nochmals hinaus, winkte lachend den Polen, welche sich noch einige Meter zurück befanden, mit beiden Händen zu.


                            In diesem Vorraum lagen überall nasse Kleider, Jacken und Rucksäcke. Der Boden war unheimlich schmutzig. Um komplizierte Beschreibungen zu vermeiden, zeige ich euch hier die Skizze des Grundrisses, welche ich auf der Reise anfertigte.


                            Ich zog mich aus und wechselte meine Kleider komplett. Ich öffnete die Tür zum Gemeinschaftsraum und begegnete ungefähr 6 Menschen, wobei 4 davon die spanische Gruppe bildeten, welche uns vorhin überholt hatten. Sie befanden sich, und ich musste mich mehrmals bei ihnen überzeugen, bereits wieder im Aufbruch. Der Typ mit den kurzen Hosen hatte inzwischen blutende Knie. Ich bot ihm Verbandszeug an, doch er lehnte wie im Rausch ab und begab sich bereits zum Ausgang. Somit waren wir wenig später zu fünft in dem Raum. Die anderen zwei waren ein Pärchen aus Belgien.


                            Ich zitterte immer noch am ganzen Leibe, und zwar aus purer Anstrengung. Nervös lief ich umher und suchte nach der ersten nun „angebrachten“ Handlung. Das Gas der Hütte war leider ausgegangen, wie ich erfuhr, was mir jedoch eigentlich egal war. Es war warm und geschützt vor Feuchtigkeit, das war das wichtigste. Ich packte mein Kochset aus und kochte mir erstmal etwas. Ich glaube, ich hatte noch ein solch umfassend grosses, natürlich eingetretenes Glücksgefühl verspürt. Die Hütte war grosszügig ausgestattet und schien kaum älter als zwei Jahre zu sein.



                            Im Verlauf des Abends kamen noch ungefähr 10 weitere Wanderer in der Hütte an, unter anderem auch die Franzosen aus dem Bus. Ich unterhielt mich mit einigen Menschen, fühlte mich jedoch nicht in der Lage, tiefgreifende Gespräche zu führen. Ich legte alle meine Sachen so aus, dass sie möglichst bald trockneten. Die Schuhe würden wohl kaum bis Morgen trocken sein, das war klar, jedoch würde die Jacke sich wohl ein wenig von der Nässe erholen.


                            Somit legte ich mich bald schlafen in die obere Etage. Ich musste mich nach wie vor erst noch daran gewöhnen, dass es die ganze Nacht hell war. Vor allem auf diesem Pass war dies ein ziemlich schräges Gefühl. Ich musste mehrmals ausserhalb der Hütte pinkeln gehen, und jedes mal freute ich mich darauf, nach aussen zu treten und bloss von Schnee und Stille umgeben zu sein.
                            Ich war unglaublich glücklich, diese Wanderung gestartet zu haben und erlebte wohl bereits am dritten Tag den absoluten Höhepunkt meiner Reise. Ein absoluter Erfolg zeichnete sich ab.
                            Zuletzt geändert von blendwerk; 13.08.2013, 19:27.
                            blend-werk

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                            • Feurio
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                              • 16.06.2009
                              • 670
                              • Privat


                              #15
                              AW: [IS] Meine Entdeckung Islands - 21 Tage in eigener Initiative

                              Was für ein absolut grandioser Bericht! Sehr schön geschrieben, sehr schön fotografiert. Sowohl Text wie die wirklich kunstvollen Bilder bringen sehr eindrucksvoll die Stimmung deiner Reise zum Ausdruck. ich freue mich schon auf die Fortsetzung!
                              Für mehr Natur vor der Haustür!

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                              • blendwerk
                                Anfänger im Forum
                                • 06.05.2013
                                • 20
                                • Privat


                                #16
                                AW: [IS] Meine Entdeckung Islands - 21 Tage in eigener Initiative

                                Für schönere Darstellung, hier klicken für Originalbeitrag.



                                Tag 4: Abstieg nach Básar

                                Mein Rücken schmerzte und meine Beine fühlten sich an, als wären sie aus schwerem Metall. Bei jedem Schritt erklang das Krachen des Eises unter meinen Sohlen. Ich bewegte mich in einem zähen Tempo vorwärts, mein Atem ging schnell und rasselnd.
                                Der Weg wurde immer steiler. Leicht nach vorne gebückt trabte ich vorwärts, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren und nach hinten zu fallen. Der mit Lava vermischte Schnee bot an einigen Stellen die Gefahr auszurutschen.



                                Die Landschaft war indessen atemberaubend und strahlte etwas mysteriöses aus. Auch am heutigen Tage war alles in Nebel gehüllt und der ganze Boden war mehrheitlich mit einer Altschnee-Decke überzogen, welche inzwischen stark vereist war. Somit war praktisch alles in weisser Farbe und der Himmel konnte kaum vom Boden unterschieden werden.
                                Den einen Hang bezwungen, stand bereits der Nächste davor.



                                Ich seufzte angestrengt und warf erstmal meinen Rucksack nieder, setzte mich darauf und trank eine Schlücke aus meiner Wasserfalsche. Meine polnischen Begleiter, immer noch das Pärchen vom vorherigen Tag, tat dasselbe. Die Frau packte dabei einen riesigen Apfel aus, der den Eindruck machte, als stamme er direkt aus dem Labor. Wohl kaum ein Erzeugnis isländischer Landwirtschaft.



                                Ja, meine Verfassung war in der Tat nicht die Beste. Die Wanderung von gestern steckte mir noch tief in den Knochen. Obwohl ich die Nacht als angenehm empfunden hatte und gut schlief, war ich trotzdem noch erschöpft. Meinen Begleiter ging es genauso. Trotzdem war die Laune bei allen gut und wir waren motiviert, heute den zweiten Teil zu schaffen. Die Uhr war bereits auf 10 Uhr. Alle Hüttenbewohner hatten lange geschlafen, so auch wir, doch trotzdem gehörten wir zu den Ersten, die aufbrachen. Eigentlich wollte ich den Abstieg erst alleine machen. Mir fehlte es bereits jetzt ein wenig, alleine unterwegs zu sein. Jedoch hatte ich dem Pärchenam Vortag versprochen, sie nach Básar zu führen.



                                Abgesehen von meinen Schuhen, in denen meine Füsse bereits wieder wie in einem Sumpf zu schwimmen schienen, war meine Ausrüstung fast trocken. Nach dieser Pause machten wir uns auf, um zum höchsten Punkt dieses Hochplateaus zu kommen. Ich hätte nicht gedacht, dass der Anstieg noch so lange andauern würde. Völlig verwegen kam mir natürlich jetzt der Gedanke vor, die ganze Wanderung in einem Tag zu absolvieren. Ich bewunderte die gipfelstürmenden Spanier vom Vortag und fragte mich, wie die das wohl gemacht hatten.



                                Nach über einer Stunde kamen wir dann endgültig oben an. Der Nebel war immer noch vorhanden, doch nun gab es tatsächlich eine kleine Lücke in der Wolkendecke und die Sonne schien ganz schüchtern hindurch. Einzelne blaue Stellen blitzten auf. Durch die Reflexion des Eises war eine Sonnenbrille hier ein hilfreiches Utensil.



                                Wir durchquerten eine grössere Zone, welche völlig von Eis und Schnee befreit war. Hier war die Luft deutlich wärmer, und leichte Rauchschwaden zogen umher. Definitiv kein Nebel. Ob hier wohl ein ehemaliges Eruptionsgebiet lag? Zumindest schien hier irgendwas unter der Lavadecke zu sein, was Wärme erzeugt.



                                Wir füllten unsere Wasservorräte an einem kleinen See auf, wobei dieser eher einer grossen Pfütze glich. Das Wasser schien nicht ganz klar zu sein, doch es schmeckte gut und wir fürchteten keine Gefahr.



                                Der Abstieg selbst bot dann die wohl gefährlichsten Abschnitte der gesamten Tour. Ein extrem Steiler Hang leitete den Abstieg ein. Ich entschied mich nach kurzer Zeit, meine Beine einfach gehen zu lassen und zu rennen. So war der Energieverbrauch am geringsten und ich bewegte mich schnell. Zu schnell, denn ich konnte kaum mehr bremsen und stolperte prompt über einen grösseren Felsbrocken. Ich rappelte mich jedoch unverletzt wieder auf. Der Pole fiel gar hin, obwohl er mit dem Tempo einer Schnecke den Hang runter geschlichen kam.



                                Dann standen wir plötzlich einem unglaublich abenteuerlichen Part gegenüber, es handelte sich um einen äusserst schmalen Weg, welcher direkt hinter einer grösseren Felsgruppe entlang führte. Wenige Zentimeter von diesen Felsen entfernt ging abfallend eines steilen Hanges bestimmt mehr als hundert Meter in die Tiefe. Immerhin wurde eine Metallkette an jeweils zwei Pfosten angebracht, so konnte man sich ein wenig absichern.



                                Solche Abschnitte wiederholten sich noch ein paar Mal, danach war das Schlimmste wohl endgültig überstanden und wir konnten bereits in das Tal von Þórsmörk blicken. Und was uns hier für ein Anblick geboten wurde! Die Wolkendecke riss nun immer weiter auf und durch die blauen Lücken strahlte das gleissende Sonnenlicht zur Erde.



                                Eine klare und beinahe unbegrenzte Sicht liess den Horizont genau erkennen. Die Schönheit dieses Tals ist schwer zu beschreiben. Die farbliche Vielseitigkeit des Gebirges, eine ungewöhnlich üppige Vegetation, alles begleitet durch die friedliche Geräuschkulisse bestehend aus dem Rauschen der Krossá weit unten im Tal und dem Gezwitscher einiger Vögel. Man konnte durchaus meinen, dass man sich hier in einem tropischen Gebiet befindet.



                                Wir verlangsamten unser Tempo und hielten immer wieder inne, um diese zauberhafte Atmosphäre zu geniessen. Ich legte mich wie ein Faultier auf das weiche Moos und liess mein Körper von der Sonne erwärmen. Man, tat das gut! Wir hatten es nun also tatsächlich geschafft und befanden uns in der absoluten Endphase unserer Wanderung.



                                Ich konnte es mir auf keinen Fall vorstellen, nun noch weiter zu wandern, etwa bis Landmannalaugar. Dazu waren meine Energiereserven gerade zu niedrig. Ich wollte mich langsam abkapseln von meinen polnischen Freunden und auf eigene Faust weiterziehen.



                                Im Tal verabschiedete ich mich erstmal von ihnen, natürlich nicht ohne ihnen zu danken und das Beste auf ihrer weiteren Reise zu wünschen. Ich setzte mich irgendwo ins Gras und zog meine Nassen Schuhe aus. Jetzt kamen meine Crocs zu einem ersten grösseren Einsatz. Ich ass einen Kübel voller Corn Flakes und beobachtete meine Umwelt.
                                Hier in Básar gab es einen kleinen Zeltplatz mit Duschen und WC. Entlang eines Kiesweges gab es mehrere Bänke und Tische, auch Grillstellen waren vorhanden. Es existierte eine geräumige Hütte, welche wohl als Gemeinschaftsraum des Camping-Platzes diente.
                                Ging man weiter dem Weg entlang, stiess man dann auf die eigentliche Hütte von Básar, welche Übernachtungsmöglichkeiten bot. Viele Geländewagen durchquerten hier das Gebiet, einer grösser und ulkiger als der andere. Manche konnte man auch bereits als Lastwagen bezeichnen. Auch sonst herrschte hier reger Betrieb, zwar hatte es nach wie vor und überall nicht so viele Touristen, hier aber doch eine erhöhte Anzahl.
                                Ich war ein wenig unmotiviert und unschlüssig über den weiteren Verlauf meiner Reise. Wie bereits erwähnt, war ich mir bewusst, dass diese Wanderung wahrscheinlich einer der Höhepunkte meiner gesamten Reise war und das Erlebnisgefühl nun erstmal wieder ein wenig abflachen würde. Somit tat sich natürlich ein kleines Loch auf, womit ich mich erst mal abfinden musste, denn diese Wanderung war eigentlich genau das, was ich erleben wollte: Ein ultimatives Abenteuer, fernab von meinem Alltag in der mehr oder weniger unberührten Natur dieser Insel. Natürlich hatte ich jetzt Blut geleckt und wollte unbedingt noch die eine oder andere Wanderung durchführen, idealerweise natürlich über mehere Tage hinweg.
                                Doch erstmal musste ich zurück auf die Ringstrasse, vorbei an Skogar, weiter Richtung Osten. Wahrscheinlich würde mein nächster Stopp Vik sein, eine kleine Ortschaft direkt am Meer. Ich entschied mich jedoch, nicht hier zu bleiben und nahm wenig später den Bus. Die Fahrt führte durch das Krossá-Ebene und es gab mehrere Flussläufe zu furten. Der Bus war ausgestattet mit Off-Road rädern, somit war das Durchqueren kein Problem. Bei der nächsten Haltestation stieg ich aus und befand mich dann auf einem unglaublich idyllischen Campingplatz, welcher den schönen Namen Húsadalur trug.



                                Es es handelte sich jedoch nicht bloss um ein Zeltplatz, es gab auch mehrere Hütten und Zimmer, welche nur darauf warteten, gemietet zu werden. Mit 8000 ISK pro Nacht waren die Zimmer für mein Budget jedoch zu teuer, während ich den Preis für eine Hütte an dieser Stelle gar nicht zu erwähnen brauche.
                                Ich entschied mich für mein ach so geliebtes Zelt und bezahlte dafür nur 1500 ISK. Der Service, welcher hier geboten wurde war nahezu Luxus. Das Hauptgebäude war Rezeption, Restaurant, Shop und Gemeinschaftsraum zugleich. Zu jeder Tageszeit wurden hausgemachte Speisen serviert, welche an den grosszügigen Tischen verzehrt werden konnten. Am Morgen ein Frühstücksbuffet und am Mittag und Abend ein Tagesmenü. Dazwischen stand immer Kaffe und Kuchen bereit. Zudem gab es eine Lese-Ecke mit bequemen Couches und Sessel.
                                Wer auf seiner bisherigen Reise das Gefühl bekam, nicht gut ausgerüstet zu sein, konnte sich hier mit lokal hergestellten Kleidungsstücken aus Wolle eindecken. Doch auch Trinkflaschen und Wanderstöcke konnte man erwerben. Angrenzend zum Hauptgebäude gab es WC und Duschen. Die Duschen konnten ohne weitere Bezahlung benutzt werden. Und - Es war eine Sauna vorhanden! Diese konnte man nach Bedarf selbst einschalten.
                                Der Zeltplatz war windgeschützt und man fühlte sich praktisch so, als würde man in der Wildnis zelten.



                                Nachdem ich mein Zelt aufgebaut hatte, legte ich mich erstmal hin, entspannte mich und verarbeitete das Erlebte. Hier, fernab von meiner Heimat gefiel es mir minutenlang einfach dazuliegen und in meiner eigenen Gedankenwelt umherzuwandeln. Ein Gefühl von Ungebundenheit strömte durch meinen Körper. Ich war begeistert und äusserst zufrieden mit dem bisherigen Verlauf meiner Reise und ich freute mich auf die bevorstehende Zeit.
                                Später machte ich mich auf zum Duschen, um anschliessend Gebrauch von der Sauna zu machen. Ich schwatzte mit einigen Leuten und tauschte Erfahrungen auf. Nicht überraschend war bei allen, welche die Wanderung über den Fimmvörðuháls machten die begeisterte Erwähnung der Holzbrücke, die über den reissenden Fluss führte. Jeder schien ungefähr die selben Stellen als besonders knifflig empfunden zu haben und man verstand sich sofort.
                                Am Abend erreichte eine grosse Reit-Gruppe den Zeltplatz. Die ungefähr 20 Pferde wurden hier in ein Lager gebracht. Das Wetter war leider nicht mehr sonnig und es ging ein starker Wind. Ich hoffte darauf, dass in der Nacht kein Regen fallen würde.
                                Später setzte ich mich in den Gemeinschaftsraum und genoss hausgemachten Schokoladenkuchen sowie Kaffe. Ich hatte genügend Zeit, um einige Einträge in mein Tagebuch zu machen und in meinem Buch zu lesen. Morgen würde es weiter gehen, wieder musste ich früh aufstehen um den Bus zu erwischen. Voller Erwartungen legte ich mich bald hundemüde in mein Zelt und schlief augenblicklich ein.
                                Zuletzt geändert von blendwerk; 20.08.2013, 20:31.
                                blend-werk

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                                • dingsbums
                                  Fuchs
                                  • 17.08.2008
                                  • 1503
                                  • Privat


                                  #17
                                  AW: [IS] Meine Entdeckung Islands - 21 Tage in eigener Initiative

                                  Zitat von blendwerk Beitrag anzeigen
                                  Ob hier wohl ein ehemaliges Eruptionsgebiet lag? Zumindest schien hier irgendwas unter der Lavadecke zu sein, was Wärme erzeugt.
                                  Erkenne ich die Ironie nicht oder war dir nicht klar, dass du hier über die wohl bekannteste Lava Europas läufst: Ich sag nur Eyjafjallajökull.

                                  Zitat von blendwerk Beitrag anzeigen
                                  Sieht heftig aus. Warum erinnere ich mich nicht daran? Verdrängung? Route verändert? Gut fotografiert? Egal.

                                  Danke für den schönen Bericht.

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                                  • blendwerk
                                    Anfänger im Forum
                                    • 06.05.2013
                                    • 20
                                    • Privat


                                    #18
                                    AW: [IS] Meine Entdeckung Islands - 21 Tage in eigener Initiative

                                    Zitat von dingsbums Beitrag anzeigen
                                    Erkenne ich die Ironie nicht oder war dir nicht klar, dass du hier über die wohl bekannteste Lava Europas läufst: Ich sag nur Eyjafjallajökull.
                                    Da ist keine Ironie, sondern wohl tatsächlich mein Unwissen (Natürlich war es mir klar, dass ich unmittelbar beim Eyjafjallajökull entlang gehe) beziehungsweise meine Verblüffung, dass sich dies so auswirkt. Ich konnte es irgendwie nirgends zuordnen damals, jetzt wurde es mir aber eben klar.
                                    blend-werk

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                                    • Sisterintherain
                                      Erfahren
                                      • 18.06.2013
                                      • 371
                                      • Privat


                                      #19
                                      AW: [IS] Meine Entdeckung Islands - 21 Tage in eigener Initiative

                                      Danke für den tollen Bericht! Hab stellenweise den Atem angehalten.

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                                      • Lethoz
                                        Anfänger im Forum
                                        • 06.09.2009
                                        • 26
                                        • Privat


                                        #20
                                        AW: [IS] Meine Entdeckung Islands - 21 Tage in eigener Initiative

                                        Wow! Bin sehr begeistert und fühle mich sofort nach Island zurückversetzt.
                                        Deine Situation mit den sehr unbedarften(um nicht zu sagen unvorbereitet und naiven) Wanderern kommt mir bekannt vor...

                                        Ein großartiger Bericht!

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                                        • hambe
                                          Gerne im Forum
                                          • 18.04.2008
                                          • 86
                                          • Privat


                                          #21
                                          AW: [IS] Meine Entdeckung Islands - 21 Tage in eigener Initiative

                                          Tolle Fotos und ein wunderbarer Bericht - Vielen Dank

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                                          • ViviKimi
                                            Gerne im Forum
                                            • 22.03.2013
                                            • 69
                                            • Privat


                                            #22
                                            AW: [IS] Meine Entdeckung Islands - 21 Tage in eigener Initiative

                                            Danke für den wunderschönen Bericht!

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                                            • blendwerk
                                              Anfänger im Forum
                                              • 06.05.2013
                                              • 20
                                              • Privat


                                              #23
                                              AW: [IS] Meine Entdeckung Islands - 21 Tage in eigener Initiative

                                              Ich freue mich übrigens über jeden Kommentar in diesem Thread. Es bereitet mir grosse Freude, dass der Bericht gefällt!

                                              Für schönere Darstellung, hier klicken für Originalbeitrag.




                                              Tag 5: Der schwarze Strand


                                              Ich folgte am Rand der Strasse entlang in die Richtung zu dem Café, welches ich bereits beim Vorbeifahren vom Fenster des Bus aus sah. Es war ein kalter und regnerischer Samstag Morgen, ein noch junger Samstag Morgen. Zumindest für jemanden, der sich eigentlich im Urlaub befindet. In grossen Abständen brausten einzelne Fahrzeug an mir vorbei.



                                              Bald befand ich mich vor diesem Café, welches zu einem Campingplatz zu gehören schien. Dieser lag in der Nähe des Seljalandsfoss. Ich legte meinen Rucksack vor dem Eingang ab und betrat das Gebäude. Innen herrschte bereits reger Betrieb. Kurz nach Betreten stand ich mehreren Waschmaschinen und Tumbler gegenüber, in denen gerade Klamotten in hohem Tempo herumgewirbelt und gewaschen wurde. Eine Tür führte mich zu dem eigentlichen Café. Ich ging zu den Tresen und bestellte mir ein Stück Kuchen und einen Kaffee - der Konsum dieser zwei Komponenten in Kombination könnte auf Island echt noch zur Gewohnheit werden! Als ich erst auf Schlagsahne zum Kuchen verzichten wollte und die Frage des Verkäufers danach verneinte, hob dieser allerdings mit vielsagendem Blick die Augenbrauen und meinte, der Kuchen wäre ohne nur halb so gut. Ich willigte ein - und hatte prompt mehr Schlagsahne auf dem Teller als Kuchen. „Nun denn!“, dachte ich mir und setzte mich - direkt zu meiner nächsten Überraschung - an eine ehemalige Werkbank, vollgekleckst mit eingetrockneter Farbe und unzähligen Löcher und Schrammen, die hier in diesem Café als Tisch fungierte. Der Einfallsreichtum der Isländer schien gross zu sein.
                                              Nach kurzer Zeit kam ich ins Gespräch mit einem Schweizer Pärchen. Tatsächlich schien Island das ultimative Ziel für Paare zu sein. An jeder Ecke gab es Vermählte oder solche, die es bald werden wollen.
                                              Diese zwei waren jedoch von der härteren Sorte, sie planten nämlich sich oberhalb von Skaftafel auf eine Bergtour über2000m zu begeben. Sie seien schon vor über 10 Jahren das erste Mal in Island gewesen und hätten sich damals sofort in dieses Land verliebt. Angezogen von der positiven Mentalität der Bewohner und der wunderschönen Natur, sei dies nun ihr fünfter Island-Trip. Auf meine Frage, ob das Wetter immer eher kalt und regnerisch sei, auch im Monat Juni noch, winkten sie ab. Sie hätten dies so auch noch nicht erlebt, bei ihrem letzten Aufenthalt soll gar eine Woche lang die Sonnen geschienen haben.
                                              In Anbetracht meiner bisher erlebten Wettersituationen hier schien das fast schon unglaubwürdig. Wir liessen das Gespräch ausklingen mit ein paar Diskussionen über Zelte und Ausrüstung.

                                              Beim Warten auf den Anschlussbus, welcher mich weiter der Südküste entlang fahren würde, kam ich zum ersten Mal zur Gelegenheit, auf das Internet zurück zu greifen. Auf dem iPad des Schlagsahne - Maniac schaute ich mir kurz das Wetter für die nächsten Tage an und musste ziemlich ernüchtert akzeptieren, dass es eher schlechter würde. Für Montag schien eine riesige Regenfront über die Insel zu ziehen. Von Sonne weit und breit keine Spur - ausser im Norden. Doch da war ich noch länger nicht. Ich malte mir schon aus, dass das gute Wetter wohl dann im Süden ist, wenn ich im Norden bin und umgekehrt. Ich verliess das Café bald und fuhr dann mit dem Bus weiter. Ich traf auf alte Bekannte: Das polnische Pärchen war ebenfalls hier und peilte die Weiterreise an.

                                              Im Bus selbst lehnte ich mich erstmal zurück und war froh, an der Wärme zu sein. In Skogar gab es die erste Pause. Ich stieg aus und betrachtete den Wasserfall erneut. Eindrücklich, hier startete ich vor zwei Tagen meine Wanderung nach Þórsmörk!
                                              Eine Stunde später befand ich mich bereits in Vik. Während dem Aussteigen wies die Stimme der Audio - Guide darauf hin, dass es gefährlich wäre sich zu nahe am Wasser aufzuhalten, da der Meeresspiegel überraschend rasant steigen könne. Die Haltestelle war direkt an einer Tankstelle, ausgestattet mit einem Shop sowie einem Fastfood Restaurant. In Letzteres begab ich mich gleich nach der Ankunft und ass für einen moderaten Preis einen leckeren BBQ-Burger.
                                              Nebenbei kaufte ich noch Rührkuchen aus deutscher Manufaktur sowie ein paar Snacks.



                                              Danach begab ich mich zum Zeltplatz. Das Wetter war trüb und neblig geblieben. Immer wieder fiel leichter Nieselregen. Nach bloss 10 Minuten befand ich mich bereits auf dem Campingplatz. Dieser gefiel mir jedoch überhaupt nicht. Hier hatte es richtig viele Touristen, auf dem Weg zum Campingplatz lief ich sogar an einem neu gebauten Hotel vorbei. Der Aufenthaltsraum dieses Platzes glich eher einem Provisorium, ausgestattet mit billigem und hässlichem Interieur. Ziemlich schlecht gelaunt stellte ich mein Zelt auf.
                                              Nun war ich beim zweiten Tiefpunkt meiner Reise angelangt. Was würde ich nun überhaupt hier tun? Ich fühlte mich eingepfercht zwischen Touristen und stark abhängig von dem Busfahrplan. Auf dieser Strecke fuhr nämlich bloss einmal pro Tag ein Bus. Wenn wenigstens die Sonne scheinen würde und das Licht somit ein wenig interessanter zum Fotografieren werden würde.
                                              Ich legte mich in mein Zelt, welches ich in diesem Moment mal wieder nicht wirklich mein Freund war. Am liebsten hätte ich es auf den Mond geschossen. Ich versuchte zu lesen, doch sofort überfiel mich eine matte Müdigkeit. Trotzig schlief ich ungefähr zwei Stunden und erwachte völlig konfus durch lautes Stimmengewirr, welches aus der Nähe meines Zeltes erklang.
                                              Ich spähte hinaus und sah einige Jugendliche, welche gleich neben mir einen riesigen Pavillon aufbauten. Schienen von hier zu sein! Ich schloss mein Aussenzelt wieder und legte mich erneut auf die Matratze, versuchte meine Gedanken zu ordnen.
                                              Mir fiel es schwer, einen Entschluss zu fassen und aufzustehen. Ich ass ein wenig von meinem Rührkuchen und las weiter in meinem Buch.


                                              Als es dann bereits 16 Uhr war, überwand ich meine Trägheit und stand auf.
                                              Das war der Nachteil des Reisens auf eigene Faust: Ich musste ständig auf trab sein und mich selbst motivieren, dies und das zu tun, alles genau zu planen und umzusetzen. Nie gab es jemanden nebst mir, der einen Impuls lieferte und nie konnte ich mich einfach treiben lassen.
                                              Ich kleidete mich an und packte meinen Tagesrucksack. Kamera, Regenjacke, Buch und Trinkflasche, sowie meine Schwimmsachen. Bereits im Vorhinein sah ich auf meinem GPS, dass es hier ein Schwimmbad sowie auch einige Wanderwege gibt. Ich machte mich auf und verliess den Campingplatz. Vik schien tatsächlich nicht allzu gross zu sein. Angrenzend zum Meer bildete sich ein Gebirgszug. Der Weg hoch war schon von weitem sichtbar, hin- und wieder fuhr gar ein Auto hoch. Dies sollte mein Ziel sein für heute. Ich war neugierig, was es wohl oben zu sehen gibt.

                                              Als ich auf dem Gehsteig lief, fiel mir eine mit Kapuze verdeckte Gestalt auf der anderen Strassenseite auf. Bald wechselte sie die Strassenseite und befand sich nun vor mir. Ich war mir nicht sicher, ob es sich um eine Frau oder einen Mann handelte. Die Kleider waren schienen alle zu gross zu sein, die Jacke reichte fast bis zu den Knien. Schliesslich drehte sich die Gestalt um und ich blickte in das Gesicht einer Frau. Sie war ungefähr Mitte zwanzig, das Alter liess sich nicht bestimmen. Ihre Haare waren durcheinander und einzelne Fältchen waren sichtbar, die Augen jedoch starrten mich aufmerksam an. Wir führten eine Unterhaltung und sie erzählte, dass sie in London wohnen würde und hier für zwei Wochen in einer Pension arbeite als Allrounder.
                                              Sie fühle sich hier wie zu Hause und möchte so bald wie möglich auf Island ansiedeln.
                                              Als ich erwähnte, dass ich drei Wochen auf der Insel herumreisen würde, erntete ich einen neidischen Blick. Das Gespräch bot sonst kaum interessanten Inhalt und flachte bald ab. Ich brachte die Öffnungszeiten des Schwimmbades in Erfahrung und bekam einige Informationen über meine geplante Wanderung. Ich überlegte mir, ob ich die Frau einladen soll, sich meiner Wanderung anzuschliessen, sah aber dann darüber hinweg.
                                              Ich verabschiedete mich und ging Richtung Schwimmbad. Meine Laune hatte sich nun deutlich gebessert. Dieses Gespräch hatte einen positiven Effekt auf mich und zeigte mir auch, dass es ein Privileg war, einfach mal so drei Wochen auf der Insel herumzureisen.



                                              So lief ich also einiges motivierter durch die Strassen von Vik. Ich beobachtete eine Gruppe von Leuten, welche im Garten einen Apéro abhielten. Sah so aus, als würde es sich um eine Hochzeit handeln. Die Menschen waren tief in Gespräche verwickelt, alles schien in einer äusserst lockeren Atmosphäre zu geschehen. Ich gelangte an einem Fussballfeld vorbei.Hier wurde von mehreren Leuten fleissig das Fliegen eines Gleitschirmes geübt. Auf der Strasse spielten mehrere Jugendliche Fussball.
                                              Als ich dann schliesslich vor dem Schwimmbad einen Abstecher zum Meer machte und mit langsamen Schritten auf dem Strand aus Lava zum Wasser lief, wurde mir auch klar, woher die Bewohner hier ihre Gemächlichkeit nahmen: Der weitläufige Strand, die klare Sicht auf das offene Meer und die markanten Felsen an der rechten Uferseite. Links führte ein Weg aus Steinen weit hinaus in das Meer. Alles strahlte eine ungemeine Ruhe aus, welche man in vollen Zügen uneingeschränkt aufnehmen konnte. Ich lauschte dem Rauschen des Meeres und schloss für einen Moment die Augen, während ich die reine, leicht salzig riechende Luft tief einatmete. Mir lief es kalt den Rücken hinunter. Wie schön es hier doch war!

                                              Ich wandte mich bald ab und ging endgültig Schwimmen. Für lasche 200 ISK war man dabei. Das Schwimmbad war zwar nicht allzu gross, dafür gab es hier keine Touristen. An das komplette Ausziehen und nackt duschen musste ich mich erst noch gewöhnen - fast wäre ich nämlich ohne Badehose nach draussen zum Schwimmbereich gegangen. Dafür erntete ich ein gutmütiges Lächeln eines Isländers. Draussen setzte ich mich in einen Hot Pot und genoss das Bad.



                                              Als ich fertig war, brach ich gleich auf und lief in die Richtung des Berges.
                                              Der Aufstieg war nicht wirklich anstrengend. Trotzdem befand ich mich nach ungefähr 30 Minuten laufen bereits auf einer beachtlichen Höhe und konnte einen irrsinnigen Ausblick geniessen.




                                              Ich fand einen kleinen Vorsprung direkt an der Felswand, welche steil runter bis auf Meereshöhe führte. An dieser Felswand gab es unzählige Vögel, die hier brüteten. Von den populären Puffins, oder Papageientaucher zu gut deutsch, hatte ich jedoch noch keine entdeckt. Hier gefiel es mir ausserordentlich gut.



                                              Man konnte ganz Vik und Umgebung überblicken, hörte trotzdem noch das Rauschen des Meeres und konnte die zahlreichen Spaziergänger am Strand beobachten, welche wie Punkte dahinwanderten. Ich setzte mich an einen Stein und verweilte für längere Zeit.


                                              Ganz oben des Weges gab es dann eine Art Hochplateau, welches sich über einige wenige Kilometer erstreckte. Hier weideten Schafe und es gab eine Funkanlage, welche laut Touristenbroschüre noch aus dem zweiten Weltkrieg stammte, gebaut von dem US-amerikanischen Militär. Die Schafe waren äusserst schreckhaft und fliehten sofort vor mir, als sie mich erblickten.



                                              Ich genoss die Ruhe und den herrlichen Ausblick, ehe ich mich wieder auf den Rückweg machte. Die Geräusche der Vögel waren hier teilweise ganz schön verrückt - und vor allem ungewohnt. Es gab eine Vogel-Art, dessen Zwitschern wie das Geräusch eines digitalen Weckers klang.
                                              Als ich zurück war bei meinem Zelt, war es bereits nach sieben Uhr Abends. Ich kochte mir Pasta und legte mich bald schlafen. Morgen würde es dann weiter nach Skaftafell gehen.
                                              blend-werk

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                                              • Dicentra
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                                                • 23.08.2011
                                                • 72
                                                • Privat


                                                #24
                                                AW: [IS] Meine Entdeckung Islands - 21 Tage in eigener Initiative

                                                Hallo Mario,

                                                toller Bericht! Wann geht´s denn weiter? Wolltest du nicht 21 Tage auf Island verbringen?
                                                Ich war übrigens nur einige Tage nach dir auf der Route von Skogar nach Basar unterwegs, bin im Anschluss allerdings gleich den Laugavegur gewandert.
                                                Ich muss sagen die Strecke von der Küste bis zur Hütte fand ich auch anstrengend aufgrund des widrigen Bedingungen, allerdings eher mental. Haben da offenbar ähnliche Erfahrungen gemacht?
                                                Skaftafell ist wirklich ein "industrieller" Zeltplatz, nicht schön zum Zelten, aber klasse für Wanderungen. Für´s nächste mal: plane 2-3 Tage dort ein und unternimm Tageswanderungen, ist wirklich schön dort!

                                                Grüße!

                                                Oli

                                                P.S:Wenn du magst: auf meiner HP kannst auch einige Bilder meiner Wanderungen sehen
                                                voll was mit ohne Wandern

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                                                • blendwerk
                                                  Anfänger im Forum
                                                  • 06.05.2013
                                                  • 20
                                                  • Privat


                                                  #25
                                                  AW: [IS] Meine Entdeckung Islands - 21 Tage in eigener Initiative

                                                  Für schönere Darstellung, hier klicken für Originalbeitrag.



                                                  Tag 6: Schlafplatz mit Seesicht
                                                  Ich würde gerne anders anfangen in diesem Teil, doch meine Erzählung beginnt wieder einmal damit, dass ich mich im Bus befinde, diesmal in Richtung Skaftafell. Mit einem Blick rechts aus dem Fenster kann man in einiger Kilometer Ferne bereits den Vatnajökull, den grösste Gletscher Europas bestaunen. Seine Grösse ist in der Tat enorm, bedeckt er doch 8% der Fläche Islands.
                                                  Inzwischen hatte ich das Busfahren ein wenig satt. Vor allem, weil mein Bus erst um zwei Uhr Nachmittags ab Vik losfuhr. Ich verbrachte den Morgen damit, am Strand zu sitzen und in meinem Buch zu lesen.



                                                  Dabei hatte ich doch tatsächlich noch einen Papageientaucher gesehen! Es handelte sich aber eher um einen Zufall - ich hatte die lustigen Vögel nämlich keinesfalls gesucht. Doch als ich da so am Meer sass, schoss plötzlich der Kopf eines Puffins aus dem Wasser, verschwand kurz darauf wieder. Dieses Schauspiel wiederholte sich zu meinem Vergnügen einige Male.
                                                  Das Wetter war bis zur Abfahrt windig, der Himmel wolkenverhangen.
                                                  Je weiter der Bus jedoch fuhr, desto besser wurde das Wetter.



                                                  Nun sehnte ich mich nach einem erneuten Abenteuer, einem Erlebnis abseits der strikten Bus-Route. Zusätzlich empfand ich es als störend, dass die Polen nun ständig genau den gleichen Verlauf der Reise hatten wie ich und somit „musste“ man aus purer Höflichkeit immer wieder miteinander reden. Ich glaube, sie dachten ungefähr dasselbe. Die Anonymität ging also ein wenig verloren. Um mich nicht falsch zu äussern: Ich mochte das Pärchen eigentlich sehr und war sehr froh, sie als Gefährten zu haben bei der Wanderung, doch damit hatte es sich auch.
                                                  Natürlich, andererseits war es stets in meiner Macht, die Chronologie der Ereignisse meiner Reise zu steuern. Doch ehrlich gesagt hätte ich nicht gewusst, was ich alleine einen weiteren Tag in Vik machen hätte sollen - bis zum nächsten Tag um 14 Uhr. 48 Stunden für eine solch kleine Ortschaft ist zu grosszügig bemessen.
                                                  Zudem spekulierte ich immer noch darauf, meine Wanderung nach Landmannalaugar in der letzten Woche durchzuführen, somit wollte ich auch nicht zu viel Zeit verlieren und pünktlich zurück sein in Reykjavik.



                                                  Die Fahrt nach Skaftafell dauerte genau zwei Stunden. Der nervige Audio - Guide mit Informationen für Touristen war auf dieser Route bereits nicht mehr in Betrieb. Stattdessen liess der korpulente Busfahrer, welcher bloss noch ein paar wenige blonde Haare auf seinem Haupt besass fröhliche deutsche Ballermann-Hits laufen. Er wippte dazu in seinem Sessel im Rhythmus mit und trällerte hin- und wieder den Gesang mit in einer eigenartiger, aber amüsanten Aussprache.
                                                  Um 16 Uhr erreichte der Bus dann das Ziel. Ich stieg aus und machte mir ein Bild von diesem Ort. Wobei es sich hier nicht etwa um eine Ortschaft handelte, sondern bloss um einen Campingplatz, welcher umzingelt war von Hütten in denen Gletscher-Touren angeboten wurden. Der Campingplatz selbst wirkte indes sehr modern. Es gab ein grosse Verpflegungscenter, neu sanierte Toiletten und Duschen sowie eine grosszügige Kantine, in welcher frische Menüs angeboten wurden.
                                                  Ich checkte den Wetterbericht, welcher in Form eines Blattes an die Scheibe des Gebäudes geklebt war. Das Unwetter verzögerte sich um einen Tag - es war nun für Dienstag angekündigt. Zumindest hier in der Region Skaftafell würde es erst Dienstags regnen.
                                                  Als ich in der Kantine sass und ein Lachs-Sandwich verdrückte, wurde schnell klar: Hier würde ich auf keinen Fall bleiben. Es sah alles langweilig - touristisch aus und ich hatte keine Lust, mich auf eine Gletschertour zu begeben. Der Entschluss, den letzten Bus zum Jökulsarlon zu nehmen schien am meisten Sinn zu machen in dieser Situation. Dort würde ich am Gletschersee mein Zelt aufschlagen. Abseits von jeglichen Touristen. So zumindest meine Vorstellung.



                                                  Ich hatte noch ungefähr eine Stunde Zeit, welche ich nutzte um einen kleinen Fussweg bis zur Gletscherzunge zu gehen. Meinen Rucksack deponierte ich einfach vor dem Camping-Gebäude. Das Vertrauen meinerseits in die Unschuld der Touristen und Isländer war riesig und bisher wurde ich nie enttäuscht. Kriminalität schien es hier nicht zu geben. Zudem war es oft normal, sich beim einfachen Vorbeigehen höflich zu begrüssen. Die Menschen schienen hier tatsächlich in eine Art Harmonie zu finden, welche sich auch auf den Umgang miteinander auswirkte. Ich beobachtete dies auf meiner Reise ständig und war sehr erfreut darüber.
                                                  Vorne angekommen, bot sich mir das Bild eines kleinen Sees und des dahinter liegenden Gletschers. Klar, das war ganz eindrücklich, langweilte mich aber trotzdem irgendwie. Ich bahnte mir den Weg zwischen einer Gruppe Touristen, welches sich gerade gegenseitig vor dem Gletscher fotografierte.

                                                  Als ich den Bus erreichte, stand ein alter Bekannter vor dem Bus: Der korpulente Isländer mit Faible für deutsche Ballermann-Musik! Er fragte mich, wohin ich wollte und ich zeigte ihm darauf meinen Bus-Passport. Als mein Gepäck eingeladen war, stieg ich ein.
                                                  Bisher war ich der einzige im Bus, und dies sollte auch so bleiben: Wenig später verliess der Bus Skaftafaell und begab sich zurück auf die Ringstrasse nach Jökulsarlon. Auf dem Weg kam ich wieder in den Genuss von deutscher Schlagermusik. Ich sprach den Fahrer darauf an und er erzählte mir enthusiastisch, dass er schon einmal in Frankfurt war und da diese Musik entdeckte. Den Namen Frankfurt sprach er witziger Weise „Brankburt“ aus, da in der isländischen Sprache das „F“ als „B“ ausgesprochen wird. Er lobte Deutschland in den höchsten Tönen und fragte mich interessiert, ob ich etwa von da komme. Als ich seine Frage, ob ich die Musik auch mögen würde bejahte, stellte er das Radio noch lauter und wippte noch wilder auf seinem Sessel herum.
                                                  „Das wird die längste Nacht der Welt“ schepperte aus den Lautsprechern und ich fand dies ganz passend für mein Vorhaben am Jökulsarlon zu zelten. Meine Laune besserte sich und ich war froh, diese Entscheidung getroffen zu haben.
                                                  Hinzu kam, dass das Wetter nun merklich besser wurde und mein Gesicht durch die Strahlen der Sonne erwärmt wurden.



                                                  Als wir auf den Parkplatz vor dem Gletschersee einbogen, war ich erstmal völlig aus dem Häuschen, nun tatsächlich hier zu sein. Ich stieg aus und ergriff mein Gepäck, platzierte es vor dem Café und setzte mich kurz. Wie oft hatte ich das Bild der Webcam, welche auf dem Dach des Café‘s befestigt war und diese Kulisse hier aufzeichnete, zu Hause im Internet betrachtet! Nun befand ich mich tatsächlich hier. Dazu schien auch noch die Sonne in einem schönen abendlichen Licht und der Himmel war trotzdem noch bewölkt, was eine attraktive Lichtstimmung ergab. Ich schoss viele Fotos. Das vom Gletscher abgebrochene Eis auf dem See mündete in einen Fluss und gelangte dann in gemächlichen Tempo ins Meer, wo es bald erfasst wurde von den einiges wärmeren Wellen. Ein unglaubliches Naturspektakel.



                                                  Nebenbei gab es hier unzählige Vögel, welche im Wasser fischten. Immer wieder hörte man, wie frisches Eis von der Gletscherzunge am Ende des einigen Kilometer langen Sees abbrach und mit dunklem Grollen ins Wasser fiel. Dazu war ein andauerndes Tropfen aus allen Richtungen zu vernehmen - das schwimmende Eis schmolz schliesslich durch die wärmeren Temperaturen von Luft und Wasser.
                                                  Im Internet hatte ich über ein Verbot gelesen, welches Zelten direkt am Gletschersee untersagt. Ich konnte jedoch das angekündigte Verbotsschild nirgends finden. Trotzdem wollte ich vorerst zum Breidarlon wandern, ein anderer Gletschersee in 10km Entfernung.



                                                  Am Jökulsarlon entlang wandernd stiess ich auf keine Menschenseele mehr. Bald änderte ich meine Pläne. Es war schon nach acht Uhr abends und der Tag war, trotz geringer Aktivität ganz schön anstrengend. Als ich einen schönen Fleck voller Moos fand, baute ich da mein Zelt auf, natürlich mit Sicht direkt auf den See!
                                                  Genüsslich legte ich mich in das Zelt. Die Sonne stand nun schon dicht am Horizont und hüllte alles in ein gelb-orange schimmerndes Gewand. Ich konnte mein Glück kaum fassen; meine Spontanität trug einmal mehr saftige Früchte!
                                                  Während ich Nachtessen kochte und in meinem Buch lies, blickte ich immer wieder fasziniert aus dem Zelt und beobachtete, wie die Stärke der Sonne langsam abnahm. Weit weg von hier hatte es viele dunkle Wolken. Ich hoffte auf die Zuverlässigkeit des Wetterberichtes.
                                                  Ich schlief ein, begleitet durch das Tropfen von Wassers und dem Krachen des Eises, sowie den wenigen kreischenden Vögel. Was andere Menschen in der Stadt zum Entspannen als CD hörten, konnte ich hier live in unbegrenzter Ausführung lauschen.


                                                  Die Angst davor, etwa von hier vertrieben zu werden, existierte eigentlich gar nicht. Schliesslich würde ich der Natur ja nicht schaden und meinen ganzen Krempel wieder mitnehmen. Der Landschaden würde minimal sein.


                                                  Tag 7: Unter Attacke!

                                                  Am nächsten Morgen wurde ich um 10 geweckt durch das laute Dröhnen von Motoren. Wahrscheinlich handelte es sich um Boote, welche auf dem See herumfuhren und mit Touristen Exkursionen durchführten. Ich streckte meine Glieder und stand gemächlich auf, natürlich nicht ohne vorher einen Behälter mit Cornflakes zu essen. Ich räumte alle meine Sachen auf, wusch das Geschirr und packte meinen Rucksack. Das Wetter hatte sich verschlechtert, die Sonne schien nicht mehr und es sah nun eindeutig nach Regen aus. Das Packen meines Rucksackes funktionierte inzwischen schon recht gut. Ich wusste, wo was hingehörte und gar der Schlafsack war innerhalb einer Minute verpackt.
                                                  Heute war übrigens isländischer Nationalfeiertag! Ich war gespannt, wie viel ich davon mitkriegen würde. Der Bus-Betrieb zumindest schien meinen Informationen nach ganz normal von statten zu gehen. Ich hatte nun bis 16 Uhr Zeit, denn erst da fuhr der nächste Bus nach Höfn, meiner nächsten Station. Ich wollte die Wanderung, auf welche ich gestern verzichtet habe heute nachholen und zum Breidarlon trekken.


                                                  Nach wenigen Minuten des Gehens schwirrten jedoch ungefähr 3 Fliegen um mein Gesicht herum. Sie waren unglaublich hartnäckig, angezogen durch den Duft meines Körpers kamen sie immer wieder und wollten mir mitten ins Gesicht sitzen.
                                                  Auch wenn ich versuchte loszurennen, war ich innert kürzester Zeit wieder von Insekten umgeben. Ich hatte keine Angst vor Fliegen - empfand es aber als äusserst lästig. Ich marschierte jedoch weiter und folgte meiner Wanderroute, wobei ich auf einen in ungefähr 12 Stücke gleichmässig gesprengter Stein stiess - ein interessanter Anblick. Ob dies unter dem Einfluss eines Erdbebens geschah?

                                                  Auf dem weiten Feld vor mir konnte ich mehrere grössere Vögel erkennen. Sie schiene friedlich zu sein und sassen einfach da, hin- und wieder flog einer los.
                                                  Plötzlich jedoch kreiste einer von diesen Vögel über mich und liess sich nach einigen Umdrehungen im Sturzflug auf mich fallen! Erschrocken warf ich mich zu Boden, rappelte mich aber sofort auf und blickte wild umher. Ich hörte ein Krächzen und fühlte einen Luftzug direkt über meinem Kopf! Mein ganzer Körper zuckte zusammen, ich beobachtete den Vogel im steigenden Flug.
                                                  Nebst Fliegen wurde ich nun auch von Vögeln verfolgt! Ich rannte los und versuchte ihn abzuhängen. Er flog noch zwei Mal um Haaresbreite über meinen Kopf hinweg und liess dann ab.
                                                  Ich hatte sowas nie erlebt und es veränderte meine Ansicht über Vögel grundlegend. Während diese in meiner Heimat kaum schüchterner sein können, waren sie hier wohl alles andere als an den Menschen gewöhnt. Diese Art hatte immerhin eine Flügeltragweite von ungefähr einem Meter! Mein Herz klopfte ziemlich arg und ich überlegte mir, was ich tun soll. Die Ringstrasse war bloss etwa einen Kilometer entfernt und ich entschied mich wenig später, auf diese zurückzukehren. Auf dem Weg musste ich noch mehreren Vögeln ausweichen. Dann hatte ich es geschafft und befand mich zurück auf der Ringstrasse. Hier gab es wenigstens nur noch Fliegen. Ein wenig belämmert noch von meinem Erlebnis trabte ich dem Strassenrand entlang.

                                                  Als ich wieder beim Parkplatz war, setzte ich mich gleich in das Café. Inzwischen hatte Regen eingesetzt. Ich nahm ein Stück Schokoladenkuchen und trank eine Tasse Kaffee.
                                                  Nun musste ich 6 Stunden hier warten! Ich überprüfte meine Möglichkeiten, etwa um früher hier weg zu kommen und entschied mich, es per Anhalter nach Höfn zu versuchen.


                                                  So stellte ich mich bei der Brücke an den Strassenrand, hielt den Daumen raus und versuchte den sympathischsten Gesichtsausdruck der Welt zu machen, eine Mischung aus Lustigkeit, Fröhlichkeit und vertrauenswürdiger Formierung der Augenbrauen.
                                                  Nach ungefähr einer Stunde brach ich meinen Versuch erfolglos ab. Leider kamen praktisch nur Touristen vorbei, welche entweder überhaupt nicht anhielten, zu wenig Platz hatten oder nicht nach Höfn fuhren. Ich vermutete, dass durch den Nationalfeiertag die Einheimischen kaum unterwegs waren.

                                                  Ich kehrte also zum Café zurück. Wenig später sah ich aus Zufall, dass eben ein Bus der Strætó auf dem Parkplatz einbog. Dies war die selbe Busgesellschaft, welche das Busnetzwerk von Reykjavik unterhält. So wie es schien, war dieser Bus eigentlich eher für Einheimische gedacht.
                                                  Ich zögerte nicht lange und kaufte mir ein Ticket nach Höfn. Der Preis war es mir wert diese drei Stunden des Wartens zu ersparen. Auf der Fahrt wechselten sich Sonnenschein und Regenschauer mehrmals ab. Die Fahrt dauerte nur gut eine Stunde. Bei Höfn handelte es sich um eine weitere kleine Ortschaft, etwa vergleichbar mit Vik, doch etwas grösser. Es war noch ruhiger als sonst, durch den Nationalfeiertag schienen viele Isländer nicht zu Hause zu sein. Der Camping Platz hier war ganz angenehm und gut ausgestattet. Auch hier war ein Shop vorhanden, zudem konnte man an einem PC das Internet benutzen sowie auf einen WLAN - Hotspot zurückgreifen. Ein erneuter Blick auf den Wetterbericht kündigte eine starke Störung mit viel Regen an für diese Nacht.
                                                  Ärgerlich hingegen die Duschen, hier bezahlte man für zwei Minuten 200 Kronen. Nicht, dass dies unbedingt viel wäre, doch es ist unglaublich mühsam, wenn man ständig auf Kreditkarte setzte und dann wegen ein paar Münzen Geld beziehen muss.


                                                  Es fällt mir schwer, noch weitere Worte zu meinem Aufenthalt hier zu verlieren. Als ich ankam, war es bereits 16 Uhr. Ich machte daraufhin einige Besorgungen, telefonierte mit nahestehenden Personen und ging Einkaufen. Alle Läden schlossen bereits um 17 Uhr. Ich erkundete Höfn nur ganz kurz. Das Wetter schien, wie angekündigt, nun eine bedrohliche Wendung zu nehmen. Über einem Berg in der Nähe von Höfn türmte sich eine dichte Wolkendecke auf, welche sich wie ein Hut um diesen herabsenkte. Dies sah sehr eindrücklich aus und schien gar für die Isländer eine ungewöhnliche Erscheinung zu sein.
                                                  Eigentlich wollte ich noch zum Meer gehen, doch auf dem Weg dahin kamen mir zwei Leute entgegen, wild fuchtelnd mit Stöcken und verfolgt von Möwen!
                                                  Mein Erlebnis heute reichte mir vorerst aus und ich entschied mich mein Vorhaben zu streichen.
                                                  Nachdem ich etwas ass, verkroch ich mich bald in mein Zelt. Der Wind war nun noch stärker geworden und einzelne Regentropfen fielen bereits. Ich stabilisierte mein Zelt zusätzlich mit Steinen und stellte mich ein auf eine unruhige, nasse Nacht.
                                                  blend-werk

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                                                  • Sisterintherain
                                                    Erfahren
                                                    • 18.06.2013
                                                    • 371
                                                    • Privat


                                                    #26
                                                    AW: [IS] Meine Entdeckung Islands - 21 Tage in eigener Initiative

                                                    Diese Fotos! Soooo unwirklich, so schön.

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                                                    • s1ndbad
                                                      Gerne im Forum
                                                      • 15.03.2013
                                                      • 54
                                                      • Privat


                                                      #27
                                                      AW: [IS] Meine Entdeckung Islands - 21 Tage in eigener Initiative

                                                      Grandios, ein Bericht zum träumen...Ich hoffe bald kommt Nachschub.

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                                                      • blendwerk
                                                        Anfänger im Forum
                                                        • 06.05.2013
                                                        • 20
                                                        • Privat


                                                        #28
                                                        AW: [IS] Meine Entdeckung Islands - 21 Tage in eigener Initiative

                                                        Für schönere Darstellung, hier klicken für Originalbeitrag.



                                                        Tag 8: Endlich Waschen!

                                                        Mitten in der Nacht wurde ich geweckt durch Regentropfen, die auf mein Zelt prasselten. Ich wälzte mich ächzend auf meiner Matratze. Der erste Härtetest meiner mobilen Unterkunft hatte begonnen! Mit verklebten Augen blickte ich auf meine Uhr, welche gerade mal 3 Uhr anzeigte. Ich schlief noch mehrmals ein und stand schliesslich um 5 Uhr auf. Innert kürzester Zeit hatte ich meine Ausrüstung im Rucksack verstaut und fand mich wenig später an der Tankstelle wieder, wo mich ein Bus abholen würde. Das Zelt war zwar aussen nass, innen wurde ich jedoch komplett verschont und inzwischen hatte der Regen bereits nachgelassen.
                                                        In einer kurvigen Fahrt entlang den Ostfjorde ging es direkt nach Egilsstadir. Auf der Fahrt machte ich die witzige und gleichzeitig auch beängstigende Beobachtung eines amerikanisches Pärchen: Beide waren übergewichtig, und als wir an der ersten Tankstelle anhielten, verliessen sie zusammen den Kleinbus und kamen zurück mit Pringles, Coke und Bier.
                                                        Während der Mann seine Flasche mit Bier trank und gleichzeitig eine Zeitschrift las, in der es nur um Bier ging (Es gab beispielsweise Rezepte, um Mahlzeiten mit Bier zuzubereiten), trank sie Coke, ass gierig Pringles und fotografierte ständig aus dem Fenster des Fahrzeuges. Wahrscheinlich war sie fasziniert von ihrem Spiegelbild auf den Fotos.
                                                        Nach fünf Stunden Fahrt erreichte der Bus Egilsstadir. Das Wetter war hier deutlich besser als in Höfn! Sonnenschein und eine angenehme Wärme.

                                                        Der Campingplatz war hier ein wenig merkwürdig organisiert: Die Rezeption befand sich in einem Restaurant. Der äusserst freundliche Angestellte mit dem Namen Bandera, welcher sowohl kochte, als auch servierte und nebenbei den Campingplatz verwaltete, machte gleich Bekanntschaft mit mir. Von den kapverdischen Inseln stammend, lebte er seit acht Jahren auf Island. Er kam hierher mit seinem Bruder, welcher inzwischen in Norwegen sesshaft wurde, da heiratete und Kinder hatte. Banderea gefiel es hier soweit gut auf Island, doch er bekundete seine Mühe Kontakte zu knüpfen mit den Einheimischen. Dies bestätigte meinen spontanen Eindruck, dass er ein wenig einsam war.
                                                        Ich stellte mein immer noch feuchtes Zelt auf. Der Campingplatz lag mitten in der Ortschaft. Nachdem ich mich eingerichtet hatte, zog ich los und erkundete die Ortschaft. Ich lieh mir dafür ein Fahrrad für ein paar wenige Kronen. Der Wind war allerdings so stark, dass ein angenehmes Fahren in alle Richtungen unmöglich war.
                                                        Eigentlich war auf meinem GPS ein Schiff-Wrack eingezeichnet, welches ich gerne besucht hätte, allerdings war es über 10km weit entfernt. Ich entschied mich stattdessen ins örtliche Schwimmbad zu gehen.
                                                        Dort lernte ich einen äusserst lustigen Mann kennen, einen Spanier, welcher schon seit über 10 Jahren auf Island lebte und hier als Touristenführer arbeitete.
                                                        Er sprach über 8 Sprachen und trug diese auf eindrückliche Weise vor.
                                                        Als ich im Hot-Pot sass, hüpfte er förmlich hinein und aufgrund seiner gigantischen Masse schwappte das Wasser mehrere Sekunden lange über die Ränder des Beckens. Zuerst wandte er sich an ein Pärchen aus den USA, welches ein wenig irritiert war über den Redeschwall des Spaniers. Kurz darauf involvierte er alle, die gerade im heissen Wasser sassen. Es ergab sich ein lustiges Gespräch. So rat er mir beispielsweise, sofort die örtliche Konditorei aufzusuchen, um da nach einem Job zu fragen und gleich darauf hin auf Island einzuwandern.



                                                        Ich kehrte zurück zum Campingplatz. Auf dem Weg ging ich noch einkaufen. Hier gab es sowohl Bonus, als auch Neto, zwei der führenden Supermärkten in Island, wobei mir Bonus allgemein besser gefiel, und dies nicht nur aufgrund der tiefen Preisen, sondern auch aufgrund der grossen Auswahl.
                                                        Die Produkte, welche in Island angeboten werden sind zum grössten Teil importiert, meistens aus skandinavischen Ländern. Es kommt aber auch vor, dass zum Beispiel Toast-Scheiben-Käse aus Polen importiert wird oder Salami aus Spanien eingeschifft wird.
                                                        Natürlich gibt es auch einheimische Produkte. Schokolade wird zum Beispiel in Reykjavik hergestellt - und diese schmeckt gar nicht mal übel! Natürlich kein Vergleich zu echter Schweizer Schokolade.
                                                        Ansonsten fällt auf, dass hier das XXL-Prinzip aus den USA teilweise übernommen wurde. Somit gibt es auch 0.5L Süssgetränke-Dosen oder 2KG Cornflakes Packungen.
                                                        Die Preise für Lebensmittel würde ich übrigens als vergleichbar mit den schweizerischen einschätzen, also ziemlich hoch.


                                                        Tag 9: Fliegenplage, die Erste


                                                        Am nächsten Tag konnte ich das erste Mal auf meiner Reise meine Klamotten waschen. Mühsamerweise konnte man die Waschmaschine des Camping Platzes nur nutzen, wenn man vorher Kleingeld in den Automaten einwarf. Dafür musste ich extra auf die Bank, um danach das Geld in Münzen wechseln lassen in einem Supermarkt.
                                                        Insgesamt genoss ich den Aufenthalt in Egilsstadir, es war ein richtiger Urlaubs-Tag ohne grosse Anstrengungen, aber auch ohne grosse Erlebnisse.



                                                        Im Bus zum Myvatn, meiner nächsten Station, lernte ich einen gleichaltrigen Deutschen namens Thomas kennen. Er war ebenfalls alleine unterwegs auf dieser Insel und blieb sogar noch eine Woche länger als ich. Wir tauschten Erlebnisse aus den bisherigen Reisetagen aus. Thomas machte gerade die Ausbildung zum Primarschullehrer und wurde durch eine Freundin welche bereits hier war inspiriert, nach Island zu gehen. Seine Verwandten, so meinte er, hätten alle ziemlich ehrfürchtig reagiert, als er von seinem Vorhaben dieser Reise erzählte. Was er denn 4 Wochen alleine hier machen würde, war eine Frage von vielen. Das Gespräch war interessant und es war schön, sich mit jemandem auszutauschen, der eigentlich dasselbe erlebte wie ich und teilweise auch die selben Routen gegangen war.
                                                        Als ich den Kleinbus am Myvatn verliess, es war bereits später Nachmittag, stiess ich zusammen mit einem spanischen Pärchen, welches schon am Vortag mit mir im Bus unterwegs war. Sie sahen beide ziemlich verstört aus und ich fragte gleich nach dem Grund dafür, doch noch bevor sie antworten konnten, hatte ich eine Vermutung: Hier gab es Fliegen. Eine Menge Fliegen!
                                                        Das spanische Pärchen beklagte sich darüber, dass man keinen Meter gehen konnte, ohne von diesen Insekten verfolgt zu werden. Die Gegend sei zwar wunderschön, aber so absolut ungeniessbar in Kombination mit dieser Plage. Sie gaben mir den Tipp, ein Moskitonetz zu besorgen. Diesem Rat folgte ich sofort.


                                                        Nur kurze Zeit später war mir klar, dass dies ein ernsthaftes Übel in dieser Gegend war.
                                                        Zusammen mit Thomas ging ich erstmal auf den Zeltplatz, welcher nur wenige Meter von der Touristeninformation und somit auch dem Bus-Terminal entfernt war. Der Platz war wunderschön und lag direkt am See. Hier waren einige Zelte aufgebaut. Ich fragte mich, wie die Menschen das hier wohl aushielten mit den ganzen Fliegen. Stirnrunzelnd gingen wir an einem Menschen vorbei, welcher mit Moskitonetz den Rasen mähte. Ich kam mir vor wie in einem Film, etwa Hitchcocks "Die Vöglel", wo alle in Angst und Schrecken lebten vor einer unkontrollierbaren Plage.


                                                        Wenig später leistete dann mein eigenes Netz sein Debüt indem es meinen Kopf vor diesen lästigen Insekten schützten. Die Rezeption des Camping-Platzes hatte leider geschlossen. Wir besuchten das Touristen-Informationszentrum, um uns über die Gegend schlau zu machen. Ein grosser Raum bot sich uns, welcher gespickt war mit Touristeninformationen und gar Tafeln mit wissenschaftlichen Erklärungen über Vulkanismus und geothermale Energie. Es wurde klar, dass wir uns hier in einem Gebiet befanden, wo der Vulkanismus äusserst starke Einflüsse auf die Umwelt hatte. Anhand eines Videos wurde die Entstehung des imposanten Kraters Hverfjall erklärt. Dieser entstand vor über 2500 Jahren durch den Zusammenstoss von Magma und Grundwasser.
                                                        Unweit davon konnte man die Lava-Formation Dimmuborgir besuchen. Das isländische Volk hält sie als Unterkunft für Elfe und Trolle. Die mystisch anmutenden Gebilde aus erstarrter Lava lassen tatsächlich viel Spielraum für Interpretationen.



                                                        Wir setzten uns nieder und studierten erstmal eine Broschüre mit allen Informationen über Myvatn, dessen Namen auf Deutsch übrigens „Mückensee“ heisst. Der Name trägt der See jedoch nicht wegen den Fliegen, sondern wegen den periodisch in gigantischer Anzahl auftretender Zuckmücken, die teilweise ganze Säulen an den Ufern des Sees bilden. Sie sind unentbehrlich für den Reichtum an Fischen und Enten. Das ganze Gebiet um den See herum unterlag übrigens dem Naturschutz.



                                                        Irgendwie war ich ein wenig überfordert mit der grossen Menge an Dinge, welche nach einer Besichtigung von mir schreiten. Mehrere Krater, die eben erwähnte Lava-Formation und ein Naturbad wo man in Wasser baden konnte, welches über 200m tief aus dem Boden gepumpt wird. Es soll besonders viele Mikroorganismen enthalten, welche eine heilsame Wirkung auf den Körper haben.

                                                        Unweit von hier lag auch der Dettifoss, der grösste Wasserfall in ganz Europa. Die Schlucht Asbyrgi und der Vulkan Krafla rundeten die Gegend ab. Hier könnte man ruhig einige Tage verweilen, bis man wirklich alles gesehen hat.




                                                        Ich wägte ab, was ich als Nächstes tun soll und entschied mich dann auf eigene Faust loszuziehen, während Thomas sich entschied, erst sein Zelt aufzubauen und dann einen kleineren Ausflug zu unternehmen, um dann Morgen eine grössere Wanderung zu absolvieren.
                                                        Trotz des idyllischen Zeltplatzes, eher wegen den lästigen Fliegen, nahm ich mir vor wild in der Natur zu zelten. Ich machte mich auf den Weg zum Krater Hverfjall, welcher unweit vom Zentrum der Ortschaft in bereits sichtbarer Nähe lag.


                                                        Der Weg dahin war gut markiert und auch ziemlich stark abgelaufen. Das Wetter schien einen Wandel durchzumachen, am Horizont konnte man dunkle Regenwolken sehen. Nach kurzer Zeit gab es auch schon die ersten Schauer. In der Ferne hörte man immer wieder das laute Zischen und Krachen, welches wohl von einer Thermalquelle stammte. In diesem Gebiet wurde an vielen Orten Energie aus dem Boden gewonnen. Ich kam dem Krater immer näher, musste dabei einige Zäune übersteigen, dank kleinen Treppchen war dies jedoch kein Problem. Einige wilde Schafe rannten erschrocken weg, als ich an ihnen vorbeiging. Absolut nervtötend waren einfach diese verflixten Fliegen! Sie waren überall und traten hier auf offenen Feldern in noch grösserer Anzahl auf. Es gab kein Mittel sie loszuwerden, man musste ihre Gier nach dem Geruch meines Körpers einfach tolerieren. Mit angezogenem Moskitonetz marschierte ich vorwärts.


                                                        Irgendwie hatte ich grosse Mühe mit dem Tragen meines Rucksacks. Es schien, als wäre ich nicht in Bestform, denn bald schon hatte ich Druckstellen am Rücken sowie auch an den Füssen. Das Gepäck fühlte sich irgendwie sehr schwer an. Beim Aufstieg zum Kraterrand, eine Höhendifferenz von 200m galt es zu überwinden, kam ich heftig ins Schnaufen. Oben angekommen bot sich mir eine wunderschöne Aussicht auf die ganze Gegend Myvatn sowie den Blick in das innere des Kraters. Ich machte mich daran, den Rand des Kraters entlangzulaufen. Als ich in der Mitte war erreichten mich die vorher bemerkten dunklen Wolken und es setzte starker Regen ein. Ich zog meinen Regenschutz an und verräumte meine Kamera. Der Wind blies nun ebenfalls einiges kräftiger. Als ich auf der anderen Seite des Kraterrandes angekommen warkonnte ich auf herrliche Weise Dimmuborgir überblicken. Durch die dunklen Wolken und den Regen, welcher als weisse Wand bis in weiter Entfernung sichtbar war, verstärkte sich die mystische Wirkung der Lavaformationen.

                                                        Hier gab es einen Weg runter und ursprünglich hatte ich geplant, diesen runterzulaufen um danach irgendwo in der Nähe der Lava-Gebilden mein Zelt aufzuschlagen. Doch das Wetter gefiel mir überhaupt nicht. Es war bereits 17 Uhr und mir war nicht danach, nun noch viele Kilometer zu wandern. Fünf hatte ich schliesslich schon hinter mir. Ich änderte meine Pläne und steuerte auf den gleichen Weg zu, welchen ich bereits hochkam.
                                                        Nein, heute bloss keine Anstrengung mehr. Nach einem weiteren Blick auf die Broschüre der Gegend hier verstärkte sich mein Interesse an diesem Naturbad. Da musste ich hin! Da es bis 10 Uhr offen hatte, hatte ich noch jede Menge Zeit um es zu erwandern. Umschwärmt von Fliegen machte ich mich auf den Abstieg.



                                                        Vom Krater bis zum Bad waren es dann noch ungefähr 4 Kilometer. Ich stiess an meine körperlichen Grenzen. Meine Beine waren Schwer und die Füsse schmerzten. Solche Probleme hatte ich nie, als ich auf der Wanderung nach Thorsmoerk war! Ich erreichte das Naturbad und mit meiner Ankunft schossen auch wieder einige Sonnenstrahlen zur Erde. Ich betrat das Foyer mit vor Anstrengung zitterndem Leibe, ziemlich verschwitzt und ausser Atem.



                                                        Nicht wenig verwundert starrten mich die zwei sehr jungen Angestellten an. Ich löste einen Eintritt und hackte nach, ob mein riesiger Rucksack vielleicht irgendwo lagerbar wäre, da ich die Dimensionen der Spinde als zu gering einschätzte. Sie boten mir an, den Rucksack bei ihnen im Büro abzulegen, was ich auch gleich tat. Bei dem hohen Eintrittspreis von 3.200 Kronen war dies jedoch auch zu erwarten.
                                                        Wenig später ging ich entkleidet und frisch geduscht hinaus an die kühle Luft. Der Anblick des Bades war atemberaubend: Über dem türkisfarbenen Wasser schwebte ein dichter Dampf, welcher durchdrungen wurden durch die Strahlen der Abendsonne.
                                                        Ich glitt in das Wasser, welches sich leicht schmierig anfühlte, jedoch warm und wohltuend gleichzeitig war. Der Boden des Beckens war nicht etwa aus Beton, er bestand aus Steinen und fühlte sich so an, als wäre man eben in einem Naturbad! Natürlich verzichtete ich auch nicht auf einen Aufenthalt in der Sauna, ehe ich völlig entspannt mich wieder ankleidete. Die Sonne schien immer noch und ich machte mich daran, zurück in die Ortschaft beim Myvatn zu marschieren.
Auf dem Weg passierte ich dabei mehrere Installationen, welche wohl der geothermalen Energiegewinnungen dienten. Es ergab sich ein eindrückliches Bild, nicht zuletzt weil die Abendsonne die ganze Gegend in ein zauberhaftes Licht hüllte.



                                                        Da hatte ich doch letztens kein Glück mit dem Reisen als Anhalter, wurde ich nun unaufgefordert von einem Pärchen aufgelesen, welches kaum Platz auf dem Rücksitz hatte. Ich nahm das Angebot jedoch dankend an und liess mich zum Campingplatz fahren.







                                                        Nun ging alles ziemlich schnell: Ich baute mein Zelt auf und konnte dabei den Wandel des Wetters beobachten, welcher sich innerhalb wenigen Minuten vollzog: Die Sonne verschwand plötzlich hinter einer Wolkendecke. Die Fliegen verschwanden ebenfalls und auf dem See bildete sich ein dichter Nebel, welcher langsam auf das Ufer überging.
                                                        Dazu ging ein beissender, kalter Wind und ich fror bereits noch bevor ich mit dem Aufbau fertig war.
                                                        Kaum war das Zelt aufgebaut, kam der Inhaber des Campingplatzes und forderte mich auf, zu bezahlen. Als ich ihn fragte, wo denn die Fliegen wären, zuckte er auf rätselhafte Weise mit den Schultern und meinte, immer um acht Uhr würden sie an einen unbekannten Ort verschwinden.
                                                        Der Grund dafür war offensichtlich: Es war ihnen einfach zu kalt in der Nacht und sie zogen sich zurück in die warmen Nester. Was für ein Segen!
                                                        Nachdem dies getan war, setzte ich mich in den den Aufenthaltsraum, welcher in diesem Falle ein beheiztes Zelt war. Dort kochte ich mir etwas zu Essen.
                                                        Die Wanderung hatte es definitiv in sich, ich war sehr müde und konnte kaum noch gerade sitzen.
                                                        Nach dem Essen duschte ich mich, putzte meine Zähne und legte ich mich sofort ins Zelt. Der Nebel war inzwischen sehr dicht und man konnte kaum noch etwas sehen. Wie das Wetter wohl Morgen sein würde? Ich behielt meine Kleider an um nicht zu frieren und schlief auf der Stelle ein.
                                                        Zuletzt geändert von blendwerk; 10.09.2013, 16:37.
                                                        blend-werk

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                                                          • 30.05.2007
                                                          • 3996
                                                          • Privat


                                                          #29
                                                          AW: [IS] Meine Entdeckung Islands - 21 Tage in eigener Initiative

                                                          Ach ja, der Campingplatz Bjark. Die Lage ist wirklich genail, aber die Fliegen sind ein Graus. Als wir dort waren, waren alle Mückennetze ausverkauft und unsere lagen zu Haus, da es ja keine Mücken auf Island gibt
                                                          Aber Bjark selbst ist ein komischer Vogel...unglaublich nett, aber sehr...isländisch???
                                                          So möchtig ist die krankhafte Neigung des Menschen, unbekümmert um das widersprechende Zeugnis wohlbegründeter Thatsachen oder allgemein anerkannter Naturgesetze, ungesehene Räume mit Wundergestalten zu füllen.
                                                          A. v. Humboldt.

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                                                            • 02.11.2011
                                                            • 85
                                                            • Privat


                                                            #30
                                                            AW: [IS] Meine Entdeckung Islands - 21 Tage in eigener Initiative

                                                            Aber Bjark selbst ist ein komischer Vogel...unglaublich nett, aber sehr...isländisch???
                                                            In der Tat - er erklärte für sage und schreibe 30 Minuten (!) in aller Gemütsruhe wie man mit seinen Leihrädern ordnungsgemäß schaltet, bremst und fährt... - dabei juckte es uns gewaltig in den Füßen, so schnell wie möglich aus seiner Garage in die grandiose Landschaft rauszukommen - nach 3 Tagen Dauerregen endlich Sonne...

                                                            Aber Bjarg ist freundlich, sein Camp meiner bescheidenen Meinung nach einer der schönsten im ganzen Land und seine Preise und Vergünstigungen sind vor Ort kaum zu toppen. Dazu die großartige Lage am See und die Nähe zum Supermarkt!

                                                            Bloß schade, dass es kein Shuttle-Service zum Nature-Bath gibt/gab. Taxi gibt es zwar (entgegen Fehlinfo der Touri-Info ... ) war uns aber zu teuer. Die vier Km nach dem erholsamen Bad waren dann nicht so doll und mitgenommen hat uns Gestalten auch keiner ... - der Threadstarter hatte mehr Glück

                                                            @ Threadstarter: Danke für den interessanten Bericht, auch wenn ich die teilweise stark verfremdeten Aufnahmen nicht so mag - aber das rangiert wohl unter Kunst. Bitte nicht übel nehmen, ist nur meine ignorante aber ehrliche Meinung...

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                                                              Dauerbesucher
                                                              • 16.06.2009
                                                              • 670
                                                              • Privat


                                                              #31
                                                              AW: [IS] Meine Entdeckung Islands - 21 Tage in eigener Initiative

                                                              Mich begeistern Deine ungewöhnlichen, lebendigen und stimmungsvollen Bilder ebenso wie Dein zurückhaltender und unblumiger aber offener Erzählstil!
                                                              Für mehr Natur vor der Haustür!

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                                                                Anfänger im Forum
                                                                • 06.05.2013
                                                                • 20
                                                                • Privat


                                                                #32
                                                                AW: [IS] Meine Entdeckung Islands - 21 Tage in eigener Initiative

                                                                Für schönere Darstellung, hier klicken für Originalbeitrag.




                                                                Tag 10: Der gigantische Dettifoss


                                                                Die erste Nacht, welche ich angekleidet in meinem Schlafsack verbrachte, um nicht zu frieren. Ich spürte deutlich, dass ich mich jetzt im Norden des Landes befand. Am Morgen überprüfte ich das Wetter an einem Computer im Touristen-Center. Laut dem Bericht sollte es bis spätestens Mittag in grösseren Mengen regnen. Für eine weitere Wanderung war ich zu müde, zudem hatte ich wenig Lust, im Regen zu wandern. Ich studierte meine Bus-Broschüre und entschied mich dann, einen Abstecher zum Dettifoss zu wagen.


                                                                Die Fahrt dauerte etwas mehr als eine Stunde. Da die Strasse zu der sonst üblich angefahrenen Uferseite des Flusses Jökulsá á Fjöllum noch geschlossen waren, musste der Kleinbus einen Umweg machen über eine mehrere Kilometer lange Lava-Piste. Unterwegs machten wir einen Abstecher zum Viti, einem See am Vulkan Krafla, welcher vor fast 300 Jahren durch eine Dampfexplosion entstand. Das Wasser füllte einen ganzen Krater, schimmerte türkisfarben und schwappte geräuschlos vor sich hin. Der Busfahrer war übrigens erneut recht korpulent, er konnte nicht mehr gerade im Sessel hocken und musste ihn jeweils so einstellen, dass er quasi vor dem Steuerrad lag. Er führte inklusive mir bloss drei Passagiere mit sich und meinte bei jedem Stopp, wir können nun rasch aussteigen und zwei Fotos machen, danach ginge es aber direkt weiter. Jedes Mal als er dies sagte, mimte er eine Kamera in seinen Händen nach, sagte „click-click“ und brach in schallendes Gelächter aus.



                                                                Bei unserer Ankunft auf dem Parkplatz des Dettifoss regnete es immer noch. Ich machte mich auf und lief den kurzen Fussweg bis zum Wasserfall. Trotz des starken Regens hatte es hier einige Touristen. Als ich dem Wasserfall näher kam, welcher mit ungeheuerlichem Getöse über 100m in eine Schlucht donnerte, hielt ich mehrmals ehrfürchtig Inne. Es waren wirklich gigantische Wassermassen, welche durch diesen Fluss transportiert wurden und man konnte sich in etwa die reisserische Kraft des Stroms ausmalen. Welch ein Naturspektakel! Tja, und das war es dann auch schon. Ich kehrte zurück zum Kleinbus und liess mich zum Myvatn zurückchauffieren. Danach wechselte ich das Fahrzeug und stieg gleich beim nächsten Kleinbus ein in Richtung Akureyri. Natürlich hatte ich vorher die Verbindungen genau studiert und dies auch geplant.


                                                                Klar, ich hätte locker noch ein oder zwei Tage beim Myvatn bleiben können, allerdings hatte ich den Drang aufzubrechen und weiterzukommen. Auf dem Weg gab es einen Stopp an einem weiteren Touristenmagnet Islands: Dem Wasserfall Godafoss. Dieser war meiner Meinung nach schöner als der Dettifoss, jedoch niemals so kraftvoll und imposant.


                                                                Ich nickte mehrmals ein auf der Fahrt und befand mich dann irgendwann auf dem Busparkplatz von Akureyri. Hier sah es zum ersten Mal wieder etwas städtisch aus. Ich holte mir einen Stadtplan und überlegte mir, welchen Campingplatz ich wohl wählen soll. Einer lag direkt in der Stadt und einer ein bisschen ausserhalb. Ich entschied mich für den in der Stadt.
                                                                Das örtliche Schwimmbad befand sich gleich nebenan und ein Besuch somit naheliegend. Ich kann nur wiederholen, dass mir die Geschichte mit den Schwimmbäder in Island wirklich ausserordentlich gefiel. Ich könnte mir nichts behaglicheres in einem von rauem Wetter diktierten Land vorstellen als den konstanten Zugang zu warmen Badequellen.


                                                                Beschwingt und entspannt zugleich schlenderte ich danach durch die Stadt und sah mich ein wenig um. Hier gab es viele Geschäfte, Bars und Cafés. Ich ass das erste Mal in Island bei Subway und war erfreut über die niedrigen Preise, zahlte ich in der Schweiz doch jeweils das doppelte.


                                                                Danach setzte ich mich in ein gemütliches Café, führte mein Tagebuch nach und las in meinem Roman. Der Tag ging ruhig und ereignisarm zu Ende. Über Akureyri selbst fällt es mir irgendwie schwer viel zu sagen. Der Charme, den die Stadt laut vielen Touristen und Einwohnern angeblich besitzt, sprang irgendwie nicht wirklich auf mich über. Klar, die Lage an diesem Fjord war einzigartig und die Kulisse mit dem Hausberg Sulur beeindruckend. Trotzdem, irgendwie hob sich der Ort nicht von anderen ab.


                                                                Tag 11: Sonniges Geplänkel am Hafen



                                                                Der elfte Tag meines Aufenthaltes in Island. Nun war die Hälfte der Reise tatsächlich schon vorbei. Ich hatte jedoch noch Grosses vor und machte gleich heute den Anfang. Es sollte nach Husavik gehen, also noch nördlicher als Akureyri schon lag. Ich wollte nochmals einen Versuch unternehmen und meine Autostopp-Jungfräulichkeit verlieren. Thomas, meine Bekanntschaft vom Bus zum Mückensee, war gerade gestern erst von Myvatn nach Husavik getrampt und schrieb mir eine begeisterte SMS von seinen positiven Erfahrung währenddessen. Ich hatte sogar einen konkreten Plan, wie ich am effektivsten um potentiellen Fahrgelegenheiten werbe. Dazu ging ich erst ins örtliche Einkaufszentrum von Akureyri, um mir einen Schreibblock sowie einen dicken, schwarzen Filzstift zu kaufen.


                                                                Auf diesen Block schrieb ich dann in dicken Lettern „Husavik“ darauf. Daraufhin besuchte ich noch das Touristen-Center und holte Informationen über den aktuellen Zustand der Strassen ein. Erfreulicherweise waren die Pisten nach Landmannalaugar nun geöffnet. Meiner geplanten Wanderung stand nun also nichts mehr im Wege.


                                                                Mit breitem Grinsen, voller Zuversicht und dem Notizblock im Anschlag stellte ich mich danach gleich bei der N1 Tankstelle vor der Pseudobrücke hin. Hinter mir befand sich direkt der örtliche Flughafen. Immer wieder flogen tief über meinem Haupt die Propellerflugzeuge von Icelandair hinweg. Insgesamt stand ich bestimmt eine Stunde da. Die meisten Leute lächelten mir gutmütig zu, oft jedoch mit einer Handbewegung, dass sie in eine andere Richtung fahren. Jemand hielt an und meinte, er könne mich einige hundert Meter mitnehmen. Ich lehnte dankend ab.
                                                                Schliesslich aber hielt dann doch jemand an, der in die Richtung Husavik fuhr. Es handelte sich um einen isländischen Lehrer. Er war gerade unterwegs zu der Beerdigung seines Cousins. Erst war mir dies etwas unangenehm und ich wusste nicht Recht, ob ich ihm mein Beileid aussprechen soll oder so tun würde, als wäre nichts. Ihm jedoch schien das ganze ziemlich egal zu sein und somit tuckerten wir flott in seinem schönen Wagen über die Ringstrasse.


                                                                Das Wetter war im Durchschnitt übrigens wieder besser, obwohl es auf der Fahrt immer wieder mal einige Sekunden lang regnete und vereinzelt dunkle Wolken über uns hinwegzogen.
                                                                Ich nahm ja eigentlich an, dass mich der Herr bis nach Husavik fährt! Allerdings hatte ich ihn wohl beim Einsteigen falsch verstanden, denn plötzlich stoppte er und meinte, dass er hier auf diesem Bauernhof aufgewachsen wäre. Ich war gerade mal beim Auto-Museum bei der Kreuzung weg von der Ringstrasse und noch eine gute halbe Stunde von Husavik entfernt! Ein wenig perplex sprach ich trotzdem meinen Dank aus und verliess das Auto. Da stand ich nun also an dieser Strasse und fühlte mich ein wenig verloren. Erste positive Erkenntnis: Keine Fliegen surrten um meinen Kopf! Ich war überrascht und gleichzeitig erfreut. Zweite positive Erkenntnis: Die Sonne schien! Es war angenehm warm und ich konnte meine Pullover ablegen.
                                                                Die Autos kamen in äusserst grosszügigen Abständen. Hier bekam ich von den vorbei rasenden Fahrern weder einen gutmütigen Gesichtsausdruck, noch eine entschuldigende Handbewegung. Als dann ein Auto, welches mit „Wale Watching Husavik“ angeschrieben war an mir vorbeisauste, resignierte ich bereits ziemlich stark.


                                                                Nach über einer Stunde schrieb ich „Akureyri“ auf meinen Notizblock und machte mich in zähen Schritten auf zur Ringstrasse, als plötzlich ein anrasender VW-Bus den Blinker einschaltete und neben mich heranfuhr. Ja, der grösste Kick eines Hitch-Hikers war das taktvolle Leuchten des Blinkers und das Geräusch eines langsamer werdenden Motors sowie bremsenden Rädern eines Autos.
                                                                Völlig aus dem Häuschen öffnete ich die Türe. Ein ziemlich chaotisches Bild bot sich mir. Der Fahrer, wie vorher schon ein Isländer, grinste mich mit vorstehenden Zähnen freundlich an und begrüsste mich. Er befand sich scheinbar auf dem Weg zu einem Familienfest in der Nähe von Husavik. Ich räumte mir erst den Boden vor dem Sitz frei. Da lagen zwei hochwertige L-Objektive von Canon rum, jeweils ohne Deckel. Das nenne ich mal sorgfältige Behandlungsweise! Der hintere Teil des Bus war irgendwie umgebaut worden, stattdessen weiterer Sitze waren zwei Bänke sowie ein Tisch eingebaut. Der Fahrer brauste sogleich los. Ich versuchte eine Konversation zu starten. Er drückte mir gegenüber die Vorfreude auf das Familienfest aus. Es wäre immer sehr lustig bei solchen Zusammenkünften, natürlich würden die Feste nicht mit wenig Alkohol gefeiert. Als Elektriker arbeitete er in Akureyri, war jedoch aufgewachsen in Reykjavik. Hier gefiel es ihm seiner Aussage zufolge jedoch deutlich besser.
                                                                Danach schauten wir gemeinsam gedankenverloren durch die endlose Strasse. Sympathischerweise fuhr er mich sogar nach Husavik und machte dabei einen kleinen Umweg, da er ja gar nicht dahin musste. Ich bedankte mich mehrmals erfreut und stieg aus. Inzwischen herrschte absolutes Bomben-Wetter.


                                                                Klar, die Luft war kalt und der Wind nach wie vor eisig, doch es hatte tatsächlich keine Wolken am kontrastreich blauen und klaren Himmel, welcher diesen wunderschönen Hafenort überzog. Ich schlenderte die Strassen entlang und setzte mich gleich an den erstbesten Tisch auf der Terrasse eines Cafés.


                                                                Hier verzerrte ich einen köstlichen Schokoladenkuchen. Danach wandte ich mich dem Hafen zu und genoss das energievolle Treiben hier. Es wimmelte von Touristen und ein Walbesichtigungs-Organisator reihte sich an den nächsten. Ich lief entlang dem Hafensteg und kam an einer Fischerei vorbei, Setzte mich kurz hin und machte mich mit der Erkenntnis vertraut, dass ich nun gerade mal 250km von Grönland entfernt war.


                                                                Alles gefiel mir ausserordentlich gut und es erfüllte mich schon bloss, einfach nur zu sein, die Umwelt zu beobachten und zu geniessen. Kurze Zeit später setzte ich mich in das Restaurant Gamli Bakur, wo mich Thomas erwartete.



                                                                Mit verschmitzten Lächeln auf beiden Seiten begrüssten wir einander und tauschten unsere Erlebnisse der letzten zwei Tage aus.
                                                                Unsere Pläne unterschieden sich nach wie vor. Er plante, erst von Asbyrgi zum Dettifoss zu wandern und danach als Abschluss den Kjalvegur zu gehen. Wir machten uns danach auf zum örtlichen Leuchtturm, welchen er zwar anscheinend bereits besucht hatte, allerdings nicht ohne von mehreren Möwen angegriffen zu werden, die wohl in der Nähe des Turmes brüteten.



                                                                Der Tag neigte sich bereits dem Ende zu, als ich mich verabschiedete und mich aufmachte zur Ausfahrt der Ortschaft, um erneut als Tramper mitgenommen zu werden. Nach einer Stunde brach ich das Vorhaben jedoch erfolglos ab und entschied mich dazu, den letzten öffentlichen Bus nach Akureyri zu nehmen. Eigentlich wäre ich gerne hier geblieben, doch ohne Zelt machte dies leider wenig Sinn. Ein bisschen wehmütig schaute ich mir die im Abendlicht der Sonne liegende, vorbeiziehende Landschaft an.
                                                                Die Vorstellung, hier in den Ruhestand zu treten, gefiel mir gar nicht mal so schlecht.
                                                                blend-werk

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                                                                  Anfänger im Forum
                                                                  • 06.05.2013
                                                                  • 20
                                                                  • Privat


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                                                                  AW: [IS] Meine Entdeckung Islands - 21 Tage in eigener Initiative

                                                                  Für schönere Darstellung, hier klicken für Originalbeitrag.



                                                                  Tag 12: Reorganisation
                                                                  Am Samstag war eine ganztägige Busfahrt angesagt. Bereits am frühen Morgen ging es von Akureyri los nach Reykjavik. Die Strecke führte durch das westliche Hochland zwischen den beiden Gletschern Langjökull und Hofsjökull hindurch. Zwei drittel der Strecke fuhren wir auf ungeteerten Lava-Pisten und es schien den Busfahrer eine grosse Menge an Vorsicht, Konzentration und Geschicklichkeit zu erfordern, den Bus geschmeidig über die sich teilweise schlängelnde und unvorhersehbare Wege zu manövrieren.



                                                                  In Hveravellir machten wir einen ersten Halt. Das Geothermalgebiet war eng verknüpft mit dem Vulkan, welcher den gleichen Namen trug und unter dem Gletscher Langjökull lag. Die Sonne schien und es war ein wunderbarer Tag. Farbenprächtige Steine und viele kleine Geysire wollten besichtigt werden. Hier war auch der Endpunkt des Kjalvegur, dem populäreren Wanderweg. Ein hübscher Camping-Platz befand sich hier und auch eine Quelle, in welcher man baden konnte.



                                                                  Gerne wäre ich hier eigentlich geblieben, aber inzwischen hatte ich meine Pläne präzisiert: Am Montag soll es los gehen auf die nächste Wanderung, welche ich weiter unten noch erläutern werde.



                                                                  Wir fuhren also bald weiter und hielten erst wieder bei einem weiteren Campingplatz, welcher direkt an einem Fluss lag. Der Name ist mir leider entfallen. Allerdings gab es hier etwas auch in einer besonders grossen Menge: Fliegen. Viele Fliegen. Die Camper zelteten direkt am Fluss und viele hatten ein Tuch in der Hand, welches sie ständig hin- und her wedelten. Als der Bus los fuhr, hatten wir ungewöhnlich viele neue Passagiere: Lauter Fliegen, glücklicherweise waren sie auf die Fenster fokussiert und krabbelten komischerweise ständig ganz an das obere Ende des Fensters, ehe sie wieder in die Mitte fielen und die Aktion wiederholten. Wir tuckerten weiter und die nächste Station war der sagenumwobene Gullfoss.
                                                                  Gehalten wurde hier nicht irgendwie ein wenig Abseits der Strasse im Schotter, sondern auf einem asphaltierten Bus-Parkplatz. Es wimmelte vor Touristen und die Infrastruktur war hier auch deutlich auf Touristen ausgelegt: Neben diversen Geschäften gab es eine Kantine, wo man sich mit Fastfood eindecken konnte.
                                                                  Nicht nur begeisterte Wanderer und Naturliebhaber trotteten die Wege zum Wasserfall hinauf- und hinunter, sondern auch rotzige amerikanische Teenies und Hip-Hopper. Ich warf aus der Ferne einen kurzen Blick auf den Wasserfall und setzte mich dann gleich wieder in den Bus.
Dasselbe dann auch ungefähr 45 Minuten später bei Geysir.



                                                                  Ich hatte einfach keinen Bock auf diese Masse von Touristen und hielt mich davon fern.
                                                                  Versteht mich nicht falsch. Ich bin mir durchaus bewusst, dass ich selbst bloss einer dieser Touristen bin. Und ob man nun in Trainer und Sportschuhen oder Wanderklamotten aufkreuzt, ist natürlich jedem selbst überlassen. Den enormen Wachstum des Tourismus in Island muss man wohl oder übel einfach akzeptieren, schliesslich will jeder dieses wundervolle Land erfahren und jeder hat auch das Recht dazu. Mich stört einzig und alleine, dass diesem Land die Einsamkeit einfach fantastisch steht und die riesigen Ströme von Touristen dieses Bild ein wenig zerreissen. Jedoch muss ich auch sagen, dass ich bisher eigentlich durchaus zufrieden war mit einer geringen Anzahl an Touristen. Wenn man sich ein wenig organisiert und auf die Hot-Spots wie Geysir oder Gulfoss verzichtet, kann man sich wunderbar in der Einsamkeit winden und auf endlose Weiten blicken, ohne menschliches Leben. Hat man dann erst noch ein Auto zur Verfügung, ist man noch viel freier. Juni halte ich somit auch für die perfekte Reisezeit, trotz den Risiken bezüglich Wetter, Temperatur und somit Verfügbarkeit des Strassennetzes. Nun aber zurück in den Bus.
                                                                  Wir fuhren danach noch ungefähr zwei Stunden, ehe wir in Reykjavik waren. Der Zeiger der Uhr stand bereits bei sechs. Ich packte meinen Rucksack und lief zum Camping Platz. Willkommen zurück! Ich befand mich wieder am Ausgangspunkt meiner Reise.
                                                                  Während die Sonne noch schien und eine angenehme Wärme herrschte, stellte ich mein Zelt auf und fing an, meine nächste Wanderung vorzubereiten.


                                                                  Tag 13: Präparation




                                                                  Die Wanderung mit dem Namen Hellismannaleid soll bei Camp Rjupnavellir starten und dann bis zu Landmannalaugar führen. Die Strecke hat eine Gesamtlänge von ungefähr 45 Kilometer. Ich würde sie wie in meinem Guide vorgeschlagen in drei Etappen aufteilen:

                                                                  Etappe 1: Rjupnavellir - Afangagil (17km)
                                                                  Etappe 2: Afangagil Landmannahellir (22km)
                                                                  Etappe 3: Landmannahellir - Landmannalaugar (16km)

                                                                  Ich würde also drei Tage unterwegs sein. Am Montag Morgen plante ich, mit dem Bus bis Camp Rjupnavellir zu fahren und von da an die Wanderung zu beginnen. Je nach Zeitpunkt der Ankunft bei Landmannalaugar würde ich dann noch ein wenig bleiben oder gleich wieder nach Reykjavik zurückkehren. Die Wetterprognosen waren mässig. Am Montag soll es stark regnen. Doch dies war mir egal. Ich war nur schon glücklich, dass ich die Wanderung überhaupt durchführen konnte und nahm alle Wetterbedingungen in Kauf.
                                                                  Am Sonntag ging ich in den örtlichen Bonus einkaufen. Ich rüstete meine Fertigmahlzeiten auf ungefähr 5 Stück auf und kaufte mir unzählige Schokoladenriegel und andere Zwischenverpflegungen. Dazu natürlich auch ein wenig Obst.
                                                                  Ansonsten gab es nicht mehr wirklich viel vorzubereiten. Ich hatte die Route bereits zu Hause auf meinem GPS mit ungefähr 40 einzelnen Wegpunkten gesteckt und wusste, dass mich auf dieser Wanderung keine wirklich gefährlichen Abschnitte erwarten würden. Natürlich, gefährlich konnte es immer werden, wenn jedoch das Wetter einigermassen passt sollte ich problemlos durchkommen.


                                                                  Tag 14: Erste Etappe


                                                                  Am Montag Morgen musste ich natürlich wieder den Bus nehmen, somit verliess ich den Camping-Platz bereits um halb sieben und fuhr danach zum BSI-Terminal. Heute fuhr der erste Bus von Reykjavik Excursions nach Landmannalaugar. Andere Unternehmen fuhren schon seit einer Woche dahin.
                                                                  Ich löste ein Ticket bis Rjupnavellir und gab dem Busfahrer gleich vor Beginn der Fahrt mithilfe einer Karte bescheid, wo er mich rauslassen soll. Im Bus selbst lernte ich einen ziemlich schrägen Deutschen kennen. Er hatte vor, den Laugavegur von Thorsmoerk bis Landmannalaugar innert drei Tagen zu wandern, da er bloss eine Woche hier auf Island war. Ich runzelte die Stirn, aber hielt mich zurück. Als er mir beim ersten Stopp völlig aus dem Kontext gerissen mit einem Augenzwinkern den Tipp gab, ich solle mein Geld doch so wie er mit Medikamentenversuchen an mir selbst verdienen, denn das wäre eine gute Sache, fasste ich mir endgültig an den Kopf und wandte mich von ihm ab.




                                                                  Es dauerte dann auch nicht mehr lange, bis der Busfahrer mich auf der Strasse vor Camp Rjupnavellir rausliess. Mein Rucksack war so schwer wie bei der Ankunft auf Island, also ziemlich schwer. Ich schätzte ihn um die 25kg. Da ich erstmal noch meine Wasserreserven auffrischen wollte, trabte ich den Schotterweg entlang Richtung Camp und sah in kurzer Entfernung bereits einige Hütten.
                                                                  Nur etwa eine halbe Minute war ich aus dem Bus gestiegen, als ich umschwirrt wurde von Fliegen. Es waren bloss drei oder so. Ich hatte eine böse Vorahnung. Als ich zu der Hütte mit Rezeption kam und unter dem Plastikdach stand, dachte ich, es würde nun plötzlich regnen, denn es war ein schnelles Prasseln zu hören. Doch, das konnte gar nicht sein. Kein Regen, nein. Wie gelähmt schaute ich nach oben. Mehrere Hunderte, wenn nicht gar Tausende Fliegen stiessen in panischer Wucht immer wieder gegen das Dach und verfingen sich im Ende einer Ecke. Die gesamte Länge des milchigen Daches flimmerte schwarz. Kurz daraufhin kam ein Isländer aus der Hütte. Er bat mich herein und ich fragte ihn sogleich, was hier los ist. Er bestätigte mir ein hohes Aufkommen von Fliegen und merkte an, dass dies jeden Sommer für ungefähr eine Woche der Fall sei, ehe die meisten von den Fliegen wieder sterben. Ich schluckte leer und bedankte mich. Er fragte mich noch nach meiner Route und ich antwortete ihm. Er merkte an, dass dieser Weg noch sehr unbekannt wäre und ich wohl bloss auf wenige Wanderer treffen würde. Gestern jedoch, da übernachtete eine 10er Gruppe lauter hübscher Mädchen bei ihm in der Hütte, welche den Weg von der anderen Seite gegangen. Er bezeichnete mich als Unglücksrabe, weil ich nicht schon gestern hier gewesen war. Ich lächelte, verabschiedete mich und ging.



                                                                  Das Lächeln jedoch verging mir bald. Meine Mundwinkel hingen ziemlich schnell ganz weit unten. Ich zog nach kurzer Zeit das Moskitonetz über. Was für eine weise Entscheidung es doch war, dieses zu kaufen! Ich lobte mich selbst und wurde für einen Augenblick ein wenig zuversichtlicher. Als ich dann jedoch etwa 10 Minuten gegangen war, entfloh bereits jede Zuversicht wieder. Es waren nicht drei oder zehn Mücken, es handelte sich hier um hundert Mücken gleichzeitig, welche um mich herum schwirrten. Sie hängten sich an mein Moskitonetz, an meine Kleidung, an meinen Rucksack. Sie waren überall! Ein ständiges Summen umgab mich. Meine Moral sank entgegengesetzt der steigenden Anzahl an Fliegen. Ich überlegte mir bereits, die Wanderung abzubrechen, lief aber trotzdem immer weiter.




                                                                  Das Wetter war inzwischen entgegen dem Wetterbericht unglaublich toll, die Wolkendecke riss auf und zum Vorschein kam ein klarer und blauer Himmel legte sich über die wunderschöne Gegend. Rechts des Weges schlängelte sich ein Fluss namens Yrti-Ranga, das Terrain bestand vor allem aus Lavasteinen, allerdings waren hier nicht bloss schwarze Steine, sondern auch weisse vorhanden. Immer wieder, besonders in Flussnähe, gab es grössere Grünflächen. Bald überquerte ich eine Brücke, bald lief ich entlang eines steilen Hanges, bald ging es in unmittelbarer Nähe des Flusses weiter. Die Strecke war tatsächlich vollständig ausgesteckt mit Holzpfählen, welche die Richtung wiesen. Somit hätte ich mein GPS nicht einmal gebraucht eigentlich.



                                                                  Trotzdem, die Gegend konnte noch so schön sein, die Fliegenplage blieb bestehen und sie nahm auch nicht ab. Es war nicht so, dass ständig die selben Fliegen mir nachstellten, nein: Überall, an jeder nur möglichen Stelle des Weges und wohl des gesamten Terrains im Umkreis von hundert Quadratkilometer erhoben sich Fliegen vom Boden und gingen direkt auf mich los. An der Nähe des Flusses war es natürlich besonders schlimm. Ganze Schwärme erhoben sich bei meiner Ankunft und klebten an mir. Ich musste meine Flasche durch das Moskitonetz hindurch trinken, da ich sonst wahrscheinlich mehr Fliegen als Wasser im Mund gehabt hätte.




                                                                  Beim herausnehmen meiner Flasche aus dem Rucksack stellte ich fest, dass die Fliegen bis zum Inneren dessen vorgedrungen waren. Ich verschloss ihn noch besser. Nein, das war echt nicht mehr witzig und irgendwie provozierten mich diese Viecher total! Ich wurde beinahe wütend, ehe ich zur Vernunft fand. Eigentlich war es nämlich ganz einfach. Ich befand mich hier völlig alleine auf einer tollen Wanderroute in mehr oder weniger abgelegener Natur, es gab keine sonstigen Wanderer und das Wetter war prächtig. Und da die Natur nunmal auch Fliegen beinhaltete, musste ich diese wohl oder übel akzeptieren, auch wenn es viel schöner und praktischer wäre, ohne Moskitonetz rumzulaufen. Somit beruhigte ich mich selbst und stärkte meine Moral, auch wenn ich immer wieder kurz in Zweifel verfiel. Schlussendlich musste ich ja auch schlafen und mein Zelt aufbauen! Bei so einer Plage wäre vielleicht ersteres möglich, da es meiner Annahme nach den Fliegen auch hier in der Nacht zu kalt werden würde, allerdings müsste ich damit rechnen, dass beim Aufbau des Zeltes ein ganzer Schwarm ins Innere kommt.




                                                                  Nun, ich widmete meine Aufmerksamkeit wieder der wunderbaren Landschaft. Ich passierte einen attraktiven Wasserfall. Er war nicht wirklich hoch, allerdings ungefähr 200m breit. Das dunkelblaue Wasser rauschte direkt in den Fluss, welcher sich weiter in meine Richtung bewegte. Ich füllte nochmals meine Wasserreserven. Die paar Fliegen im Wasser störten mich dabei nicht so sehr. Inzwischen war es richtig heiss geworden. Mittagszeit war angesagt. Der Weg führte mich vom Fluss weg. Ehe ich mich versah, befand ich mich in einer Art Lavawüste. Hier gab es nichts als kleine Steinchen aus Lava. Hin- und wieder lag auch ein grosser Brocken da. Weiter rechts konnte man nun einen Blick auf den Vulkan Hekla werfen, ein äusserst aktiver Vulkan, welcher vor 13 Jahren das letzte mal Ausbrach. Glaubte man dem Abstand zwischen den Ausbrüchen in den letzten 20 Jahren, wäre nun wieder mal einer angesagt. Während auf seiner Spitze noch eine dicke Schneedecke zu liegen schien, flimmerte hier unten bei mir die Luft über den Lavasteinen. Es war nun sehr heiss und ich fühlte, wie die Hitze sich an meinen Kräften zu schaffen machte. Mittagszeit in der Lavawüste. Mein herz sprang vor Freude. Ich fühlte mich wie ein Entdecker, welcher sich gerade auf einer möglicherweise lebensgefährlichen Expedition befand. Schliesslich war ich doch alleine hier. Ganz alleine. Ich ass einen Schokoladenriegel, um ein wenig Energie zurück zu erhalten. Dieser synthetische Protein-Riegel stillte meinen Hunger oder vielleicht eher, er verdarb mir den Appetit, weil er so eklig war.




                                                                  Als ich ein wenig weiter in die Ebene vorgedrungen war, gab es plötzlich sporadisch auftretende Windböen, welche manchmal jedoch minutenlang anhielten. Diese Windböen waren die Lösung für das Fliegenproblem: Da es sich um junge und kleine Fliegen handelte, waren diese zu wenig stark, um dem Wind entgegen zu fliegen. Sie wurden einfach weggeweht. Natürlich, wenn der Wind nachliess, kamen auch die Fliegen zurück. Ich liess mich hinter einer Lava-Formation nieder. Hier hatte es überall Spinnennetze. Wohl kaum würden die Spinnen hier in Hungersnot kommen. Zumindest nicht in diesen Tagen.
                                                                  Je weiter ich lief, desto öfters blies ein angenehmer Rückenwind, der mich nicht nur voranbrachte, sondern mich auch schützte. Die Landschaft war, um es nochmals zu erwähnen, sagenhaft! Was für eine tolle Wanderroute das war! Und ich war alleine. Völlig alleine. In der Ferne sah ich ungefähr zwei Mal einen 4x4-Wagen umherfahren. Damit hatte es sich aber.




                                                                  Die Zeit schritt unglaublich schnell voran. Erst war es noch Mittag, befand ich mich schon im spätem Nachmittag und kurz vor vier Uhr. Ich näherte mich den Hütten von Afangagil. Ich hatte keine Ahnung, was mich erwarten würde. Das letzte Stück ging kräftig bergauf. Ziemlich erschöpft kam ich oben an. Es blies ein besonders starker Wind. Ich warf meinen Rucksack zu Boden und setzte mich darauf. Endlich konnte ich das Netz ausziehen und die Aussicht in Ruhe geniessen. In weiter Ferne konnte man einige Windräder erkennen. Ansonsten sah alles ziemlich einheitlich aus. Die Farbe grün war jedoch am dominantesten, jedoch in einer sehr subtilen Form.




                                                                  Nachdem ich ausgiebig geruht hatte, begab ich mich den Berg abwärts und befand mich dann bald im Tal. Hier gab es ungefähr 4 Hütten. Gleich bei meiner Ankunft fuhr ein Wagen heran. Ein Engländer mit seiner Tochter stieg aus. Er hatte eine Menge Gepäck dabei und erklärte mir auch gleich den Zweck dessen. Er zeigte auf eine Hütte und meinte, in ungefähr zwei Stunden würde eine Gruppe mit Franzosen hier ankommen, welche von Landmannahellir losgelaufen waren und hier übernachten würden. Um die Last erträglicher zu machen für die scheinbar schon älteren Wanderer würde das Hauptgepäck immer mit dem Auto zur nächsten Übernachtungsstation gebracht.
                                                                  Nicht wenig stolz knallte ich darauf hin meinen riesigen Rucksack auf die Bank, nickte grinsend und setzte mich hin.
                                                                  Er verstand mich schon und merkte sogleich an, dass dies zwar weniger abenteuerlich wäre, dafür würden die Leute am Abend auch nicht völlig „wasted“ sein. Ich blickte auf meine zitternden Beine und muss zugestehen, dass er in diesem Punkt absolut recht hatte.



                                                                  Danach eröffnete sich die Diskussion über die Fliegen, welche für mich aber keinen neuen Informationsgehalt trug ausser der Bestätigung, dass sie in der Nacht definitiv verborgen blieben. Mein Körper fühlte sich gut an, wenn auch ziemlich erschöpft. Schliesslich entschied ich mich trotz den Fliegen, mein sofort Zelt aufzubauen. Dies gelang eigentlich auch problemlos. Im Inneren des Zeltes musste ich dann einige Fliegen erstmal loswerden. Zufrieden und erschöpft legte ich mich auf den blanken Zeltboden, während das Geräusch von landenden Fliegen auf dem Aussenzelt von Minute zu Minute lauter wurde. Zum Glück war mein Zelt völlig dicht und mit Moskitonetzen versehen. Ich war äusserst zufrieden mit meiner Ausrüstung und es war eine hundertprozentig richtige Entscheidung, nicht knausrig mit den Ausgaben zu sein dafür,
                                                                  denn eine gute Ausrüstung war hier wirklich das A und O.
                                                                  Ich kochte danach Nudeln und ass meine erste richtige Mahlzeit heute. Zum Nachtisch gab es deutschen Rührkuchen. Ich kuschelte mich in meinen Schlafsack und wendete mich meinem Buch zu. Ungefähr um acht war es bereits deutlich kühler und die Fliegen schienen sich zu verziehen.
                                                                  Inzwischen waren die Franzosen eingetroffen. Da es sich um ältere Menschen handelte, war kaum Lärm zu vernehmen. Vielleicht waren sie aber auch einfach zu fertig von der Wanderung, um noch grossen Lärm zu verursachen oder sie verzogen sich gleich in die Hütten.
                                                                  Die erste Etappe war vollbracht und ich war äusserst zufrieden mit dem bisherigen Verlauf. Trotz den unvorhergesehenen Schwierigkeiten lief alles glatt. Ich freute mich schon auf den nächsten Tag und schloss bald die Augen.
                                                                  blend-werk

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                                                                    • 670
                                                                    • Privat


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                                                                    AW: [IS] Meine Entdeckung Islands - 21 Tage in eigener Initiative

                                                                    Nice! Mein Lieblingsbericht geht weiter!

                                                                    Deine Verzweiflung mit den Fliegen kann ich sehr gut nachvollziehen; auf meiner Tour im Padjelanta-Nationalpark letzten Herbst gab es auch ganze Wolken von Moskitos, (die noch dazu gestochen haben!) die einen bei jedem Schritt umschwirrt und mich teilweise an den Rand des Wahnsinns gebracht haben.
                                                                    Für mehr Natur vor der Haustür!

                                                                    Kommentar


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                                                                      Anfänger im Forum
                                                                      • 30.09.2012
                                                                      • 15
                                                                      • Privat


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                                                                      Sehr schöner Bericht und natürlich auch Photos ;)
                                                                      War im August diesen Jahres selbst in Island, bin immer noch hin und weg
                                                                      Vl. schaffe ich es auch irgenwann noch einen Bericht zu schreiben!

                                                                      Kommentar


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                                                                        Anfänger im Forum
                                                                        • 23.10.2011
                                                                        • 21
                                                                        • Privat


                                                                        #36
                                                                        AW: [IS] Meine Entdeckung Islands - 21 Tage in eigener Initiative

                                                                        Sehr schöner Bericht, danke . Die Fliegen haben mich ende Juni am Kjalvegur auch einige Nerven gekostet. Leider hatte ich kein Kopfnetz dabei und lässtig wurde es immer bei Pausen, wenn sie versuchten einen in die Nase zu krabbeln.

                                                                        Kommentar


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                                                                          Anfänger im Forum
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                                                                          • 20
                                                                          • Privat


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                                                                          AW: [IS] Meine Entdeckung Islands - 21 Tage in eigener Initiative

                                                                          Für schönere Darstellung, hier klicken für Originalbeitrag.



                                                                          Tag 15: Zweite Etappe
                                                                          Nach dem anstrengenden gestrigen Tag liess ich am nächsten Morgen nichts anbrennen und schlief ordentlich aus. Glücklicherweise konnte ich bei den Hütten auf sanitäre Anlagen zurückgreifen, es gab sogar fliessendes Wasser. Das Wetter war deutlich trüber und die Sonne versteckte sich hinter einer dunklen Wolkendecke. Ich nahm rasch mein Zelt auseinander und packte meine Sachen. Die Franzosen befanden sich ungefähr zeitgleich im Aufbruch. Von den Fliegen fehlte bisher jede Spur. Die Luft war aber auch deutlich kühler und es wehte ein starker Wind.



                                                                          Der erste Teil der heutigen Strecke erwies sich gleich als besonders anstrengend, denn es ging steil bergauf, wobei das Terrain sandig und somit schwer zu begehen war. Die Franzosen bewegten sich in entgegengesetzter Richtung fort und nahmen den Hügel in Anspruch, welchen ich gestern herunter kam. Als sie am höchsten Punkt waren, riefen sie mir zu und schwenkten mit den Armen. Ich war mir ehrlich gesagt nicht ganz sicher, ob sie mich einfach verabschieden wollten oder ob das wilde Herumfuchteln mit den Armen irgend eine Warnung sein sollte. Schliesslich ging ich aber unbeschwert weiter. Kurz nach dem ersten Hügel befand ich mich auf einer grossen Ebene.

                                                                          www.youtube.com/embed/oKjytkubv9Q

                                                                          Ohne eine Menschenseele weit und breit stapfte ich entgegen der Windrichtung durch den Lava-Sand. Die Landschaft war genauso traumhaft wie gestern, und doch komplett anders: Von grün war jetzt nur noch wenig zu sehen, die Umgebung wurde dominiert von schwarz, grau und weiss.
                                                                          Es war bereits Mittag, als ein erster leichter Regenschauer einsetzte. Vorsorglich zog ich mich mal wetterfest an, nicht zuletzt weil auch der Wind deutlich stärker wurde. Durch die geschwungenen Hänge schien der Wind zusätzlich an Schub zu erhalten.



                                                                          Ich ass meinen ersten Schokoladenriegel und setzte mich dabei auf meinen Rucksack. Nicht allzu weit von mir flog ein grösserer Hubschrauber über das Tal, in dem ich mich gerade befand. Wohin dieser wohl fliegt? Womöglich war er drauf und dran, jemanden zu retten. Oder es war bloss eine Touristen-Tour. Der Rhythmus des Weges war nun einige Male ähnlich, erst ging es einen Hang rauf, dann wieder abwärts zu einer grösseren Ebene mit schwarzem Lavasand. Natürlich konnte man wie gewohnt in extreme Ferne blicken. Man fühlt sich ganz schnell klein und unwichtig in dieser scheinbar endlosen Einsamkeit.



                                                                          Ungefähr zwei Stunden später kam ich an einen Fluss, welcher von mir gefurtet werden wollte. Dies kam ein wenig überraschend für mich, denn eigentlich hatte ich nicht damit gerechnet, einen Fluss durchqueren zu müssen.
                                                                          Der Weg war immer noch deutlich markiert und auf der anderen Uferseite warteten bereits die nächsten Holzpfähle auf meine Ankunft. Als ich den Fluss jedoch ablief, bekam ich im ersten Moment schon ein mulmiges Gefühl, denn es gab mehrere Flussläufe und die ganze Situation gestaltete sich als relativ unübersichtlich, zumal das Wasser eigentlich überall den Eindruck machte, als wäre es ziemlich tief. Nachdem ich mehrmals dem Ufer entlanglief entschied ich mich für eine Stelle, welche wohl eigentlich nicht für eine Furt gedacht war, denn der Pfahl, welcher die Fortsetzung des Weges anzeichnete, befand sich anderswo.



                                                                          Hier schien die Strömung schwach zu sein. Die Tiefe des Wassers konnte ich trotzdem nicht eruieren, ich besass keinen Stock oder ähnliches. Zudem war nicht klar, aus was sich der Grund zusammensetzt. Erwarteten mich hier etwa spitze Lavasteine? Egal, nun kamen meine Crocs im Ernstfall zum Einsatz. Sobald ich den Rucksack abgeworfen hatte, zog meine Wanderschuhe sowie auch meine Socken aus und hing sie mir über die Schultern, danach machte ich meine Beine frei, schlüpfte in die Crocs und zog den Rucksack wieder an. Ich schwankte einige Male hin- und her. Die grösste Gefahr war es natürlich im Wasser umzufallen. Der Rucksack würde nass werden und auch ein Aufstehen erheblich erschweren. Ich watete langsam in das Wasser. Meine Schuhe waren sofort voller kleiner Lavasteine und das Wasser hatte eine kniehohe Tiefe. Mein Herz pochte. Ich kehrte nochmals um, leerte meine Schuhe und versuchte es dann erneut. Als ich am anderen Ende des Flussbettes aus dem Wasser watete, sendete mir mein Gehirn erstmal einen ordentlichen Schub Endorphine. Glücklich zog ich meine Crocs aus und wechselte zurück zu den Wanderschuhen.
                                                                          Meine Beine waren bereits müde, als ich den nächsten Teil der Strecke in Angriff nahm. Hier gab es einen riesigen, erstarrten Lavastrom. Die Luft darüber flimmerte bedrohlich.




                                                                          Es folgten weitere Täler und Ebenen, wobei sich jeder Abschnitt in seiner Schönheit übertraf. Im letzten Teil der Etappe lockerte sich die Wolkendecke und die Sonne zeigte sich. Nun ging es nochmals ziemlich stark bergauf, ich bewegte mich im Schneckentempo vorwärts und machte immer mal wieder völlig ausser Atem eine Pause. An zwei kleinen Seen vorbei, galt es auch noch eine ziemlich grosse Decke mit Altschnee zu überwinden.
                                                                          Dies war nicht ungefährlich, denn durch den wahrscheinlich warmen Grund und das Schmelzwasser geschah es, dass der Schnee erst unten wegschmolz und sich sozusagen eine Schneebrücke bildete, welche schon bei der geringsten Berührung einbrechen konnte. Besonders wenn es darunter weit abwärts geht, kann dies Gefährlich werden. Glücklicherweise holte ich mich bei meinem ersten Einsturz einer solchen Brücke bloss dreckige Schuhe, ich landete nämlich im Matsch.

                                                                          www.youtube.com/embed/Z0ugLeoJ7gM

                                                                          Auf der Ebene in weiter Ferne, es war bereits die Ebene, auf der Camp Hellimannasleid lag, bewegte sich in Galopp eine Gruppe Pferden mit ihren Reitern voran. Der Staub wirbelte wild durch die Luft, es ergab sich ein eindrückliches Bild.
                                                                          Um fünf Uhr betrat dann auch ich diese Ebene, allerdings in einem ziemlich desasrösten Zustand. Diese Etappe war die längste der gesamten Wanderung und wohl auch eine der anstrengendsten. Auch hier gab es wieder mehrere Hütten. Ich entschied mich jedoch für einen Zeltplatz in freier Natur, ein wenig abseits der ersten Hüttengruppe. Hellismannaleid lag, so wie ich das glaube, noch weiter hinten. Vielleicht gehörte auch alles zusammen.



                                                                          Ich staunte nicht schlecht, als mir ein Jogger entgegenkam. So wie es schien, liessen sich hier auch Leute nieder, welche mehrere Tage an diesem Ort verweilen. Das Innere der einen Hütte, an welcher ich vorbeilief machte jedenfalls einen adretten Eindruck. Die Reiter, welche ich vor einer Weile gesehen hatte, machten hier auch Rast mit den ganzen Pferden. Ich baute mein Zelt auf und ruhte mich ordentlich aus.



                                                                          Danach dasselbe Prozedere wie am Vortag mit Kochen, Essen und Lesen. Ziemlich bald schlief ich ein. Das Wetter hielt sich soweit noch gut, in der Ferne liessen sich jedoch dunkle Wolken erkennen. Ich fürchtete, dass es bald regnen würde. Ich hatte ja keine Ahnung, was da auf mich zukommen würde.
                                                                          blend-werk

                                                                          Kommentar


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                                                                            Erfahren
                                                                            • 18.06.2013
                                                                            • 371
                                                                            • Privat


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                                                                            AW: [IS] Meine Entdeckung Islands - 21 Tage in eigener Initiative

                                                                            Danke nochmal für den schönen Bericht und die ungewöhnlichen Fotos. Bin gespannt, wie's weitergeht.

                                                                            Kommentar


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                                                                              Gerne im Forum
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                                                                              • 67
                                                                              • Privat


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                                                                              AW: [IS] Meine Entdeckung Islands - 21 Tage in eigener Initiative

                                                                              ein toller Bericht und super Fotos.

                                                                              Ich habe die letzten Abende immer einen Teil bei schöner Musik gelesen. Dein Schreibstil und deine Bilder entführen traumhaft für einen Moment nach Island.

                                                                              große Klasse!

                                                                              Kommentar


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                                                                                Erfahren
                                                                                • 30.03.2012
                                                                                • 401
                                                                                • Privat


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                                                                                AW: [IS] Meine Entdeckung Islands - 21 Tage in eigener Initiative

                                                                                Danke!
                                                                                ...

                                                                                Kommentar


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                                                                                  Erfahren
                                                                                  • 24.01.2008
                                                                                  • 204
                                                                                  • Privat


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                                                                                  AW: [IS] Meine Entdeckung Islands - 21 Tage in eigener Initiative

                                                                                  Woah. Mal wieder ein Bericht, wo ich neidisch auf verschiedensten Ebenen bin.
                                                                                  Zum einen hab ichs selber noch nicht nach Island geschafft... zum anderen ist der Bericht wunderbar geschrieben und die Fotos...
                                                                                  ALL YOUR BASE ARE BELONG TO US

                                                                                  View my flickr

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                                                                                    Anfänger im Forum
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                                                                                    • 20
                                                                                    • Privat


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                                                                                    Für schönere Darstellung, hier klicken für Originalbeitrag.



                                                                                    Tag 16: Dritte und letzte Etappe

                                                                                    Alles rüttelte um mich herum. Meine Füsse fühlten sich an, als würde etwas darauf drücken. Es war laut. Das Flattern des Zeltes und der ungestüm darauf prasselnde Regen bildeten eine lärmige Geräuschkulisse. Plötzlich hellwach, erkannte ich den Ernst der Situation. Mein Zelt wehte wild und wurde auf einer Seite total eingedrückt durch den Wind. Ich hatte den Eindruck, als würde das Zelt in kürzester Zeit wohl einfach weggeblasen. Hastig warf ich einen Blick nach draussen und beobachtete die hektisch tanzenden Grashalme, welche ständig darum kämpften, aufrecht in die Höhe zu ragen, während der Regen wild durch die Luft peitschte, bald nach links, bald wieder nach rechts, jedoch immer in einer ungeheuerlichen Menge. Mühevoll schloss ich das Aussenzelt wieder. Ich hatte das Gefühl, dass der Regen und der Wind jeden Moment zunahmen. Ich lag mich zurück auf meine Matratze und starrte an die Zeltdecke, wo sich immer wieder Wassertropfen bildeten, welche nach kurzer Zeit die Seiten herunterliefen. Innen war jedoch alles trocken. Ich war zuversichtlich, dass dies auch so bleiben würde. Einzig der Wind bereitete mir Sorgen. Um sich die Situation vorstellen zu können, muss man das Video unten einfach kurz ansehen.



                                                                                    Ich war jedoch alles andere als beunruhigt. Würde das Zelt nicht halten, könnte ich immer noch in einer der Hütten um Asyl bitten. Und falls es nicht aufhören würde zu regnen, würde ich halt im Zelt bleiben. Zeit hatte ich ja mehr als genügend. Ich widmete mich meinem Rührkuchen und erfrischte meinen Geist mit ein wenig Dostojewski.
                                                                                    Das Wetter schien sich dann langsam zu beruhigen. Immer wieder spähte ich nach draussen und beobachtete meine Umwelt. Spärlich holperten Geländewagen vorbei, ansonsten war es ruhig. Ich beobachtete eine ganze Familie, welche sich gerade in einer der Hütten gleich vor mir häuslich einrichteten. Plötzlich stapfte jemand auf mein Zelt zu, hob das Aussenzelt und klopfte an das Innenzelt. Ich öffnete. Ein junger Mann stand davor, in gebückter Haltung. Er fragte, wie lange ich noch hier bleiben würde und wie lange ich schon hier sei.
                                                                                    Ein wenig verdutzt gab ich ehrliche Antworten, worauf er mir klar machte, dass dies hier kein Campingplatz sei, der Campingplatz würde sich nämlich weiter vorne befinden. Er bat mich zudem, sobald ich alles aufgeräumt hatte, für meinen Aufenthalt hier zu bezahlen. Satte 1200 ISK!
                                                                                    Ich wähnte mich im falschen Film und fühlte mich ein wenig verarscht. Natürlich war mir klar, dass hier nicht jeder kommen soll und sein Zelt hinter den Hütten aufstellen darf. Allerdings hatte ich weder irgendwelche sanitären Einrichtungen benutzt, noch wusste ich überhaupt davon, dass es hier einen Zeltplatz gibt!
                                                                                    In meinen Wanderführern war immer die Rede von „Zelten in der Nähe der Hütten“, allerdings niemals etwas von „Zelten in der Nähe von Hütten auf einem Zeltplatz, welcher mit einem hohen Preis zu Buche schlägt“!
                                                                                    Irgendwann liess der Regen nach und auch der Wind schien sich zu beruhigen. Ich packte mein Zelt zusammen und ging. Lange war ich hin- und her gerissen, ob ich nun bezahlen soll oder nicht, doch schliesslich setzte sich das kleine Teufelchen in mir durch und ich ging schnurstracks den Wanderweg in Richtung Landmannalaugar.



                                                                                    Wie gestern schon erwartete mich zu Beginn ein sehr starke Steigung. Der Boden war durch den ergiebigen Regen völlig aufgeweicht. Ich stapfte verkrampft hinauf und geriet bloss wenige Minuten nach Beginn der dritten Etappe völlig ausser Atem. Der Wanderweg war auch hier ausgezeichnet markiert. Einen Schokoladenriegel später ging es ein Stück abwärts und ich befand mich auf einer Ebene, auf der ein grösserer See lag. Der Weg führte links am Ufer des Gewässers vorbei.



                                                                                    Auf dem Boden liessen sich die Abdrücke von Hufen erkennen. Wahrscheinlich waren hier die Reiter durchgeritten, welche gestern mit mir das Camp erreichten. Einige Fliegen erhoben sich, um mein Haupt mit ihrer Anwesenheit zu beglücken, jedoch störte mich das kaum mehr. Am Himmel waren einige blaue Wolkenlöcher zu sehen. Trotzdem, die mehrheitlich trüben Farben und der starke Wind liessen eigentlich nichts gutes vermuten. Trüb am Himmel, jedoch mehrheitlich saftig grün war hier der Boden. Im Vergleich zu anderen Flecken, welche ich durchquerte, könnte man den Graswuchs hier als ergiebig bezeichnen.



                                                                                    Auch auf dieser Etappe war die Gegend wunderschön. Mal kreuzte ein kleines Bächlein mit Schmelzwasser meinen Weg, dann gab es eine Fläche mit Schnee, einige hundert Meter weiter ging es wieder bergauf. So wechselten sich die Abschnitte auf abwechslungsreiche Art ab.
                                                                                    Irgendwann kam ich dann zur Piste, welche nach Landmannalaugar führte. Ich befand mich eben auf einem Hügel und sah weiter unten in kurzen Abständen Geländewagen und Bus der Piste entlang fahren.
                                                                                    Innerhalb von 5 Minuten verdunkelte sich der Himmel in beängstigender Weise, von Rechts zog eine Regenfront in rasantem Tempo heran, welche sich dann ergiebig über mich entleerte. Ich machte mich wasserfest und lief tapfer weiter. Kaum 10 Minuten später, ich hatte soeben die Piste überquert, schienen alle Wolken zu verschwinden und der Himmel wurde völlig blau. Die Sonne schien schräg in mein Gesicht.



                                                                                    Gleich nach der Strasse kam der wohl steilste und anstrengendste Teil der ganzen Tour. Ich nahm mir jedoch die nötige Zeit dafür, setzte mich immer wieder hin und betrachtete das Farbenspiel, welches die Sonne herzauberte.
                                                                                    Einmal kämpfte sich ein typischer Hochland-Bus mit riesigen Rädern die steile Piste hinauf. Von weitem sah dies fast schon lebensgefährlich aus. Die Strasse war weder wirklich breit, noch irgendwie gesichert. Nach mehrmaligen Ächzen des Motors schaffte der Bus jedoch dieses Stück.
                                                                                    Ich ging weiter hinauf und erfreute mich dann oben über einen grandiosen Ausblick auf die ganze Umgebung. Viele Berge und Hügel waren noch mit Schnee bedeckt. Es war faszinierend zu erleben, wie umfangreich die Auswirkungen einer vielleicht nur knapp unterschiedlichen Höhendifferenz auf Temperatur und Wetter waren.
                                                                                    Bald schon sah ich in der Ferne Hügel vor mir, dessen Gestein mehrfarbig war. Landmannalaugar war also nicht mehr weit entfernt, dies bestätigte auch mein GPS. Nachdem ich noch einige Schneefelder und Bäche überquert hatte, war ich ungefähr um 17 Uhr beim Abstieg ins Tal, welches zu diesem Zeitpunkt wundervoll sonnendurchtränkt war.



                                                                                    Die unzähligen Farben der Steine kamen so besonders gut zur Geltung. Hier gab es eine Menge Wasser, eine grosse Anzahl von Bächen und kleinen Flüsschen überzog die ganze Fläche. Von etwas weiter hinten drangen ununterbrochen Dampfschwaden in den Himmel. Ich wurde neugierig und wollte die Ursache dafür wissen. Ein dampfendes Loch klaffte in dem Hügel, aus dem mit grossem Druck beständiger Dampf herauskam.


                                                                                    Natürlich handelte es sich um eine heisse Quelle. Auch auf dem Boden gab es eine Stelle, wo ständig Wasser kochte. Diese Fläche war vielleicht etwa so gross wie ein Autorad. Die Steine um diese Stelle herum waren besonders vielfarbig.
                                                                                    Welch schöner Ort das hier war! Kein Wunder, glauben die Isländer an Fabelwesen. Bei solch einer mystischen Natur ist so etwas ja naheliegend.


                                                                                    Ich war erschöpft und müde, schoss einige Bilder von der Umgebung und machte mich dann daran, die Wasserströme zu überqueren. Bei den kleineren Strömen ging das mit einem einfachen Sprung, bei grösseren jedoch landete ich mehrmals im Wasser, meine Schuhe und Hosen bekamen dadurch einiges an Nässe ab. Schliesslich kam ich zum Ausgangspunkt des Laugavegurs. Der Weg war nach wie vor anspruchsvoll, grosse Pfützen und viel Matsch stellten sich mir in den Weg. Einige Touristen erkundeten das Gebiet, hin- und wieder liefen Wanderer mit entschlossener Miene den Wanderweg entlang, entweder vom Campingplatz weg oder zu ihm hin.
                                                                                    Hier war es übrigens deutlich kälter als an anderen Orten, an denen ich die letzten Tage war. Kein Wunder, man befand sich hier auch in einem Tal, welches wohl nicht allzu viel Sonne abkriegte, bereits jetzt war sie nämlich hinter den Hügeln verschwunden.
                                                                                    Ich beeilte mich und durchlief einen stark durchtrampelten Pfad entlang, bis ich mich dann beim Campingplatz von Landmannalaugar einfand.

                                                                                    Ich hatte die Wanderung also geschafft! Glücklich, aber erschöpft ging ich in das Häuschen, welches mit „Rezeption“ angeschrieben war. Bald kam eine junge Frau und bediente mich, ich bezahlte für eine Nacht. Erfreut sah ich ein Plakat, welches für den Reiseführer von Uwe Grunewald warb. Aus diesem Reiseführer entnahm ich nämlich die Wanderung von Camp Rjupnavellir bis hier hin. Daher spreche ich an dieser Stelle einen grossen Dank aus an Uwe, der mich auch vor meiner Reise persönlich beraten hatte und mir einige Tipps gab. Seine Guide über das südliche Hochland Islands kann ich wärmstens empfehlen.



                                                                                    Auf dem Campingplatz herrschte angeregter Betrieb. Der ganze Platz war mit Zelten übersät, alle Zelte waren mit Steinen befestigt. Wohl war der Boden zu ungeeignet, um ihn mit Heringen zu durchbohren. Ich versuchte es trotzdem, und zwar mit Erfolg.
                                                                                    Die ganze Anstrengung und Müdigkeit machten sich bemerkbar. Ich fror und fühlte mich erschöpft. Unschlüssig sass ich erst in meinem Zelt und kochte mir etwas zu Essen. Schliesslich ging ich baden in dem berüchtigten Hop Pot von Landmannalaugar. Eigentlich war es hier wundervoll, doch ich fühlte mich nun echt ein wenig verloren, einsam. Nach der dreitägigen Wanderung, auf der ich sehr gerne alleine unterwegs war und bloss ein Mal mit jemandem sprach, hätte ich mir jetzt jedoch jemanden gewünscht, mit dem ich meine Gedanken austauschen hätte können.
Es schien hier kaum Menschen zu geben, welche alleine reisten. Überall sah man Gruppen oder Pärchen. Meine eher introvertierte Wesensart liess zudem auch kein Vorpreschen in Form eines spontanen Gesprächsbeginn mit einem Fremden zu. Jedenfalls nicht hier und jetzt.
                                                                                    Wenigstens konnte ich ein Telefongespräch führen mit einer guten Freundin, allerdings war das hier alles so anders und aussergewöhnlich, dass es irgendwie wenig Sinn machte, dies mit jemandem zu teilen, der sich irgendwo zu Hause befindet und seinem stumpfen Alltag nachgeht. Später fand plötzlich ein Aufruhr auf dem Camping Platz statt: Ein Bus mit einer Reisegruppe kam an. Lärmend stieg die Gruppe mit riesigen Koffern und Taschen aus, machte sich daran ein riesiges Zelt aufzubauen. Es wurde nun rasch kälter und ich entschied mich, schlafen zu gehen.
                                                                                    blend-werk

                                                                                    Kommentar


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                                                                                      Dauerbesucher
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                                                                                      • 537
                                                                                      • Privat


                                                                                      #43
                                                                                      AW: [IS] Meine Entdeckung Islands - 21 Tage in eigener Initiative

                                                                                      Hallo

                                                                                      ich mag diesen Bericht sehr. Island aus der Sicht eines "Islandneulings" - immer wieder interessant. Aber eines hat mir doch zu denken gegeben:

                                                                                      Ein wenig verdutzt gab ich ehrliche Antworten, worauf er mir klar machte, dass dies hier kein Campingplatz sei, der Campingplatz würde sich nämlich weiter vorne befinden. Er bat mich zudem, sobald ich alles aufgeräumt hatte, für meinen Aufenthalt hier zu bezahlen. Satte 1200 ISK!
                                                                                      Ich wähnte mich im falschen Film und fühlte mich ein wenig verarscht. Natürlich war mir klar, dass hier nicht jeder kommen soll und sein Zelt hinter den Hütten aufstellen darf. Allerdings hatte ich weder irgendwelche sanitären Einrichtungen benutzt, noch wusste ich überhaupt davon, dass es hier einen Zeltplatz gibt!

                                                                                      In meinen Wanderführern war immer die Rede von „Zelten in der Nähe der Hütten“, allerdings niemals etwas von „Zelten in der Nähe von Hütten auf einem Zeltplatz, welcher mit einem hohen Preis zu Buche schlägt“!
                                                                                      Wenn man von Westen her nach Landmannahellir kommt, sieht man tatsächlich erst die Hütten für die Reitergruppen und drei kleine Sommerhaushütten und eine "Sanitärhütte" mit Waschgelegenheit und Toiletten. Der offizielle Zeltplatz bei den Haupthütten und der "i"-Hütte in der die Hüttenwarte wohnen liegt eben etwa zweihundert Meter weiter, etwas von einem Hügel verdeckt. Dort liegt auch die Höhle, von der der Ort seinen Namen hat. OK - soweit so gut.

                                                                                      Landmannahellir liegt, wie große Teile des Laugavegur, im Landschaftsschutzgebiet Fjallabak. Zelten außerhalb der offiziellen Zeltplätze ist nicht erlaubt, wird aber toleriert, wenn kein Zeltplatz in zumutbarere Entfernung liegt. Die Ausnahme gilt eigentlich nur für Reisende, die mit eigener Kraft unterwegs sind (Trekker, Mountainbiker) - für motorisierte Reisende ist immer ein Zeltplatz in zumutbarer Entfernung.

                                                                                      1200 Kronen entsprechen in etwa 8 €. Das ist so der übliche Preis in Island - an der Hütte Áfangagil ist das nicht anders, auch wenn kein Hüttenwart zugegen sein sollte - da gibt es eine Kasse in der man das Geld einwirft. Alle (!) Abfälle (auch menschliche) müssen von Zeit zu Zeit wieder in bewohnte Gebiete gekarrt werden. Und Das Toilettenpapier usw. muss auch in die Wildnis kommen, die Anlagen müssen in Schuss gehalten werden usw., usw. usw. ....
                                                                                      Man bekommt von den Hüttenwarten Auskunft und Hilfe, wenn man braucht.

                                                                                      Also, "ein wenig verarscht", mit Verlaub, braucht sich hier nur der Hüttenwart fühlen.

                                                                                      Dieter

                                                                                      Kommentar


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                                                                                        Anfänger im Forum
                                                                                        • 06.05.2013
                                                                                        • 20
                                                                                        • Privat


                                                                                        #44
                                                                                        AW: [IS] Meine Entdeckung Islands - 21 Tage in eigener Initiative

                                                                                        Zitat von Dieter Beitrag anzeigen
                                                                                        Hallo

                                                                                        ich mag diesen Bericht sehr. Island aus der Sicht eines "Islandneulings" - immer wieder interessant. Aber eines hat mir doch zu denken gegeben:



                                                                                        Wenn man von Westen her nach Landmannahellir kommt, sieht man tatsächlich erst die Hütten für die Reitergruppen und drei kleine Sommerhaushütten und eine "Sanitärhütte" mit Waschgelegenheit und Toiletten. Der offizielle Zeltplatz bei den Haupthütten und der "i"-Hütte in der die Hüttenwarte wohnen liegt eben etwa zweihundert Meter weiter, etwas von einem Hügel verdeckt. Dort liegt auch die Höhle, von der der Ort seinen Namen hat. OK - soweit so gut.

                                                                                        Landmannahellir liegt, wie große Teile des Laugavegur, im Landschaftsschutzgebiet Fjallabak. Zelten außerhalb der offiziellen Zeltplätze ist nicht erlaubt, wird aber toleriert, wenn kein Zeltplatz in zumutbarere Entfernung liegt. Die Ausnahme gilt eigentlich nur für Reisende, die mit eigener Kraft unterwegs sind (Trekker, Mountainbiker) - für motorisierte Reisende ist immer ein Zeltplatz in zumutbarer Entfernung.

                                                                                        1200 Kronen entsprechen in etwa 8 €. Das ist so der übliche Preis in Island - an der Hütte Áfangagil ist das nicht anders, auch wenn kein Hüttenwart zugegen sein sollte - da gibt es eine Kasse in der man das Geld einwirft. Alle (!) Abfälle (auch menschliche) müssen von Zeit zu Zeit wieder in bewohnte Gebiete gekarrt werden. Und Das Toilettenpapier usw. muss auch in die Wildnis kommen, die Anlagen müssen in Schuss gehalten werden usw., usw. usw. ....
                                                                                        Man bekommt von den Hüttenwarten Auskunft und Hilfe, wenn man braucht.

                                                                                        Also, "ein wenig verarscht", mit Verlaub, braucht sich hier nur der Hüttenwart fühlen.

                                                                                        Dieter

                                                                                        Hallo Dieter

                                                                                        Danke für dein Feedback. Nun, ich war mir nicht bewusst, dass auch Landmannahellir bereits in diesem Landschaftsschutzgebiet liegt. Bei den Hütten von Áfangagil hätte ich es durchaus für richtig gehalten, etwas zu bezahlen, da ich bei diesen Hütten ja die sanitären Anlagen benutzt hatte sowie die Verpackung meines Nudelgerichtes und einiger Schokoladenriegel da deponierte. Jedoch sah ich weder eine Kasse, noch jemanden, der für die Hütten verantwortlich war.
                                                                                        Den englischen Reisebegleiter, welchen ich vor der Hütte kennenlernte, erwähnte zudem mir gegenüber mit keinem Wort, dass man hier normalerweise eine Entschädigung für die Erhaltung der Infrastruktur hinterlässt.

                                                                                        Bei Landmannahellir benutzte ich weder sanitäre Einrichtungen, noch deponierte ich etwaigen Abfall bei den Hütten. Diesen trug ich nämlich ständig in Zip-Beutel in meinem Rucksack. Meines Erachtens nach gab es dort bei den Hütten auch gar keine öffentlichen sanitären Anlagen. Daher auch meine Auffassung: Wieso sollte ich für etwas bezahlen, was ich doch gar nicht benutzt hatte?
                                                                                        Wenn du das nun so sagst, kann ich das natürlich durchaus nachvollziehen und in diesem Falle ist es klar der Hüttenwart, welcher benachteiligt ist und nicht ich. Ich sehe den Fehler jedoch eher in der mangelnden Markierung des Campingplatzes sowie in der fehlenden Kommunikation des Mannes, welcher mich zum Bezahlen aufforderte.
                                                                                        blend-werk

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                                                                                          Anfänger im Forum
                                                                                          • 06.05.2013
                                                                                          • 20
                                                                                          • Privat


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                                                                                          Für schönere Darstellung, hier klicken für Originalbeitrag.




                                                                                          Tag 17: Rückkehr nach Reykjavik




                                                                                          Am nächsten Tag ging es zurück nach Reykjavik. Es war ein regnerischer Tag und auf dem Camp von Landmannalaugar war die Luft äusserst kalt. Ich zog mich doppelt so warm an wie normalerweise und begab mich zum Kiosk, wo ich einen Kaffe kaufte. Danach setzte ich mich in den ausrangierten Bus und wärmte mich auf. DIe Zeit bis zur Abfahrt des Cars verging somit recht schnell.





                                                                                          Die Fahrt war teilweise äusserst aufregend, denn es gab mehrere Wasserläufe zu furten, die gar nicht mal so harmlos aussahen und oft eine starke Strömung besassen. Es wurde nochmals deutlich, wie karg und trostlos das südliche Hochland eigentlich ist. Minutenlang fuhren wir einfach durch eine Wüste schwarzer Lava. Durch den Regen und die schlechte Sicht wurde der Eindruck verstärkt, dass man sich gerade irgendwo in diesem Universum befand, auf keinen Fall jedoch auf unserer Erde.
                                                                                          Zurück auf der Ringstrasse, dauerte die Fahrt nur noch etwas mehr als eine Stunde.
                                                                                          In der Hauptstadt grüsste die Sonne und mit ihr angenehme Temperaturen. Der Busfahrer war so freundlich und liess mich, sowie einige andere Passagiere direkt beim Campingplatz von Reykjavik raus. Es war Donnerstag Abend, am Dienstag der nächsten Woche würde ich zurückfliegen. Ich hatte nun eigentlich keine wirklichen Pläne mehr. Vergnügt stellte ich mein Zelt auf und tankte einige Sonnenstrahlen.



                                                                                          Am Abend startete ich im Hostel mit einem öffentlichen Computer bereits einige Anfragen auf couchsurfing.com, um Leute für gemeinsame Aktivitäten zu finden. Dies wollte erst jedoch nicht so ganz gelingen. Das schlechte Wetter erreichte indes auch Reykjavik, allerdings verweilte es bloss für kurze Zeit.



                                                                                          Tag 18: Integration in die Zivilisation

                                                                                          Ich schlief lange, machte mich nach dem Aufstehen erneut alleine auf die Socken und erkundete Reykjavik ein wenig genauer. Ich kaufte mir dabei auch eine Garnitur „normaler“ Klamotten. Nachdem man fast drei Wochen in den selben Kleidern und Schuhe verbrachte und sich so automatisch immer gleich als Tourist outete, war es ein Segen, mal wieder Jeans zu tragen und etwas leichtere Schuhe.
                                                                                          Ich hatte dann wirklich noch Glück mit dem Wetter, es war meistens sonnig und warm. Dies machten meine Spaziergänge in der Stadt natürlich einiges angenehmer.
                                                                                          Reykjavik selbst ist wirklich unglaublich klein. Das florierende Leben des Ortes konzentriert sich eigentlich auf eine grosse Strasse, wo sich gleichzeitig alle Bars und Clubs, jedoch auch die meisten Einkaufsmöglichkeiten finden. Witzig jedoch ist, dass sich auf dieser Strasse mehrheitlich Touristen befinden und nicht etwa Einheimische


                                                                                          Tag 19: Erneuter Stadtbummel & Nachtleben Reykjavik's


                                                                                          Am Abend des vorherigen Tages ergab sich dann doch noch etwas auf Couchsurfing und ich verabredete mich am heutigen Samstag mit einer Finnin, welche eben erst auf Island ankam. Jedoch kam bloss sie auf Island an, ihr Gepäck wurde wahrscheinlich falsch verladen und somit war Heidi ziemlich aufgeschmissen, jedoch keineswegs schlecht gelaunt. Wir verbrachten einen angenehmen Tag, ich erzählte ihr von meinen Erlebnissen, gab ihr Tipps, wir tranken Kaffee, besuchten die berüchtigte Kathedrale, schlichen uns ohne zu Bezahlen in den Lift und genossen den schönen Ausblick auf die ganze Stadt. Abgerundet wurde alles mit einem Besuch im Nationalmuseum von Island. Da gab es eine Menge interessantes zu entdecken. Besonders die alten Fotografien von Island gefielen mir ausserordentlich.



                                                                                          Zuletzt trennten wir uns für eine Weile, um abends ein wenig das Nachtleben von Reykjavik zu erfahren.
                                                                                          Ich schlief bestimmt zwei Stunden in meinem Zelt. Es war 19 Uhr als ich aufstand.
                                                                                          Alkohol hatte ich bereits am Vortag gekauft in einem der staatlichen Shops. Natürlich war ich ein wenig perplex wegen den horrenden Preise, wenigstens erntete ich beim Bezahlen an der Kasse einen mitfühlenden und hilflosen Blick des Verkäufers.



                                                                                          Ich traf mich mit Heidi, der Finnin beim Opernhaus und setzte mich da mit ihr auf einen Steg. Zum ersten Mal in meinem Leben sah ich unten im Wasser eine Qualle in Echt. Ganz schön erstaunt war ich, dass diese so leicht sichtbar waren. Wir zogen weiter in die erste Bar und ich lernte dort eine Schweizerin kennen, welche hier ein wenig verzweifelt nach Arbeit suchte.
                                                                                          Anscheinend gestaltete sich diese Suche als gar nicht mal so einfach, da die isländischen Arbeitgeber ihrer Aussage nach Personal vorzogen, welches einheimisch ist, nicht zuletzt auch aus finanziellen Gründen, da beispielsweise ihre Ausbildung als Kindererzieherin in Island gar nicht existierte oder zumindest nicht in einer Form wie in der Schweiz und sie somit viel mehr erhalten müsste als eine Einheimische.
                                                                                          Ob dies nun wirklich so ist, kann ich an dieser Stelle nicht bestätigen.

                                                                                          Ein nettes Gespräch mit dem Türsteher des Clubs verriet einige Details über die Isländer und ihr Verhalten im Nachtleben. Laut und johlend seien sie und leider oft auch aggressiv, besonders wenn der Alkohol in grossen Mengen fliesse. Er sei schonmal mit einem Messer angegriffen und auch mit einem Stuhl niedergeschlagen worden. Warum dies so sei, konnte er mir nicht wirklich beantworten. Ein wenig verlegen bemerkte er, dass sie halt Wikinger seien. Er betonte, dass es ihm jeweils nicht anders ginge.


                                                                                          Wir zogen weiter, die Sonne verschmolz mit dem Horizont und das Licht hatte eine zauberhafte Farbe. Bei einem kleinen Bänkchen, auf welches wir uns setzten, folgte eine weitere Kuriosität, ein älterer Herr mit aufgesetztem Headset tanzte anscheinend zu Musik, bot uns Zigaretten an. Wir schenkten ihm dafür ein paar Schlücke Bier. Freundlich zwinkerte er uns zu.
                                                                                          Den restlichen Abend fasse ich einfach mal kurz zusammen. Irgendwann ging die Finnin zurück in ihr Hostel, ich machte mich alleine auf die Pirsch und versuchte, den Isländern ein wenig näher zu geraten. Dies gestaltete sich jedoch als ziemlich schwierig und anstrengend. Die Clubs und Bars, es gab nicht unbedingt viele davon, waren meist bis zum Bersten voll. Bereits um zwei Uhr waren die Strassen übersät mit Müll, überall standen junge Menschen, redeten, rauchten und tranken. Grosser Vorteil war, dass kein Eintritt verlangt wurde. Dies wäre bei den horrenden Alkoholpreisen jedoch fast schon grotesk gewesen.
                                                                                          Mit den Isländern selbst ein wirklich anhaltendes Gespräch zu führen war ziemlich schwierig. Alle befanden sich in Gruppen, jeder schien sich zu kennen und jeder gab sich auch damit zufrieden, bloss mit Leuten zu reden, die ihm bekannt waren! Ich kam mir manchmal fast ein wenig belächelt vor: Der kleine, junge Tourist, welcher den Mut besitzt, sich unter das isländische Volk zu mischen und denkt, er könne einfach so Kontakte knöpfen. Irgendwie hatte ich auch das Gefühl, dass mir die Zeit davonlief. Die Nacht wollte einfach nicht kommen und kaum versah ich mich, war es bereits 5 Uhr Morgens, alles machte zu und die Masse drängte auf die Strasse.
                                                                                          Ziemlich betrunken holte ich mir eine riesige Pizza, unterhielt mich noch mit einigen Isländern, genoss den Sonnenaufgang und machte mich dann zu Fuss auf den langen Weg zurück zu meinem Zelt.



                                                                                          Natürlich war diese Situation ein wenig absurd, ich kehrte gerade um 6 Uhr Morgens nach einer durchzechten Nacht alleine auf einen Zeltplatz zurück. Mir sollte es gleich sein, ich schlief einige Stunden, wurde dann aber bald wach durch die Sonne, welche mein Zelt stark erwärmte.


                                                                                          Tag 20: Kaffee, Hot Dog und Faulenzen


                                                                                          Die ersten paar Stunden nach dem Aufstehen räkelte ich mich bloss, lag im Gras herum und genoss das grandiose Wetter. Ich hatte natürlich noch Nachwehen von gestern. Als ich geduscht hatte, machte ich mich auf und besorgte mir etwas zu Essen im Nahegelegenen Supermarkt, welcher glücklicherweise 24 Stunden an 7 Tagen in der Woche geöffnet hatte.
                                                                                          Die Angestellten da waren sehr sympathisch und bereits bei meinem ersten Besuch vor zwei Wochen führte ich nette Gespräche.
                                                                                          Zurück auf dem Campingplatz, telefonierte ich mit meinen Eltern und loggte mich danach wieder bei couchsurfing.com ein. Spontan meldete ich mich auf ein Inserat hin von einer Tschechin, welche erst kürzlich auf Island landete und nun als Au-Pair Mädchen bei einer Mutter mit zwei Kinder wohnte. Nur ungefähr eine Stunde später befand ich mich bereits wieder beim Harpa und traf die junge Frau. Es gefiele ihr leider überhaupt nicht gut bei der Mutter und sie beklagte sich über die starken Stimmungsschwankungen derer.
                                                                                          Ich sprach ihr ein wenig Mut zu. Wir tranken einen Kaffee und sie erzählte mir schwärmerisch von dem Weltbesten Hot Dog, welcher am Hafen von Reykjavik erhältlich sein soll. Bereits J. F Kennedy posierte vor dem Bæjarins Beztu Pylsur, was übersetzt soviel bedeutet wie „Der Beste Hot Dog in der Stadt“.
                                                                                          Wir gingen vorbei, bestellten einen Hot Dog und assen ihn.
                                                                                          Ich empfand ihn als ziemlich lecker, wohl aber ist es heutzutage mehr die Tatsache, dass der Stand seit 1938 existiert und bereits prominenten Besuch bekam, welche Kunden und Touristen anlockt.



                                                                                          Kurz darauf verabschiedete ich mich. Auf dem Rückweg verabredete ich mich zu meiner eigenen Überraschung mit Heidi zum Pferdereiten am Montag.
                                                                                          Sie schwärmte bereits Samstags davon und wollte mich da schon dazu überreden.
                                                                                          Da ich eh nicht wusste, was ich am vorletzten Tag tun soll, erschien mir diese Idee, welche ich anfänglich skeptisch ablehnte, eigentlich als ziemlich spannend und unterhaltsam. Ich war zuvor bloss als Kind einmal geritten und war somit völlig unerfahren.


                                                                                          Tag 21: Auf dem Pferd

                                                                                          Eines sollte man sich unbedingt bewusst sein: In Island steht man als Tourist ohne eigenes Verkehrsmittel immer früh auf. Vielleicht ist das aber auch an anderen Orten so. Dies galt jedenfalls auch für die vorher genannte Pferdetour. Bereits um 8 Uhr sollte der Bus vor einem Hotel nahe des Campingplatzes bereitstehen und uns abholen. Ich war somit bereits um halb sieben wach und trottete erstmal ziemlich übermüdet unter die Dusche und machte mich so gut es ging frisch. Beim nahegelegenen Bäcker kaufte ich mir ein Croissant, welches mit Schinken und Käse belegt war.
                                                                                          Unter einem mit Wolken bedeckten Himmel traf ich Heidi und wir mussten erst eine Weile warten, bis der Bus kam.
                                                                                          Mit Heidi verstand ich mich sehr gut und ich war einmal mehr absolut überzeugt von dem Konzept, welches couchsurfing.com seinen Nutzer bietet. Heidi hatte bloss die ersten beide Nächte bei einem Hostel gebucht, nun übernachtete sie bei einem Isländer zu Hause, den sie über couchsurfing.com fand, erhielt sogar einen Schlüssel für die Wohnung. Sie machte einen glücklichen Eindruck und teilte auch mit, dass sie sich sehr wohl fühle.
                                                                                          Es ist eine einzigartige Art des Reisens, welche mich hoffentlich mein ganzes Leben begleiten wird.


                                                                                          Heidi hatte die Tour bereits am Vortag gebucht. Zwei Stunden würden wir auf dem Pferd verbringen, danach gab es ein kurzes Stück zu wandern. Schliesslich befänden wir uns bei einer heissen Quelle, würden da Lunch essen und ein wenig im heissen Wasser baden.
                                                                                          Nach ungefähr 40 Minuten Fahrt befanden wir uns auf einer Pferderanch. Was wir da noch nicht wussten war, dass die Zuteilung der Anwesenden nicht korrekt erfolgte.
                                                                                          Erst später stellte sich heraus, dass wir auf unserer Tour nun nicht wandern werden, sondern die ganze Zeit auf dem Pferd verbringen! Eigentlich war uns das aber ganz recht so. Die Leiterinnen entschuldigten sich und versprachen, dass wir bloss den Preis für die Wandertour bezahlen.
                                                                                          Die Pferde waren sehr pflegeleicht. Erst hatte ich ein wenig Angst, aber als ich auf meinem Gaul dann sass und nichts erschreckendes passierte, war ich gut gestimmt und freute mich auf die Tour. Das Pferd gehorchte mir dabei nur mässig. Die Leiterinnen der Tour wiesen uns sehr professionell an und führten uns dann auch. Wenn ein Pferd mal nicht gehorchte, dann bestimmt auf eine Leiterin.
                                                                                          Der Weg führte dann in ein Gebirge, welches jedoch nicht unweit von der Ranch lag. Wir waren ungefähr 20 Leute in unserer Gruppe, was sich vielleicht nach viel anhört, trotzdem aber angenehm war.
                                                                                          Die schnellste Gangart war der spezielle Tölt, welcher schon relativ schnell war, sich jedoch ziemlich unbequem anfühlte als Reitanfänger.
                                                                                          Bei den heissen Quellen gab es ein Sandwich und eine Wasserflasche für jeden. Die Pause war mit bloss einer Stunde sehr begrenzt. Hier war es jedoch ziemlich kalt und es regnete immer wieder ein wenig. Viele Wanderer badeten bereits in dem heissen Bach, ich hielt zumindest meine Füsse hinein.



                                                                                          Bald befanden wir uns auf dem Rückweg, welcher über eine andere Route zurück zur Ranch führte. Nachdem ich ungefähr 20 Minuten am Stück Tölt geritten war, fühlte ich mein Hintern fast schon nicht mehr. Der Schmerz war wirklich nicht zu unterschätzen.
                                                                                          Mit dem Bus ging es dann zurück nach Reykjavik.

                                                                                          In etwas mehr als 12 Stunden würde ich bereits fliegen, nämlich am nächsten Morgen um 7.30.
                                                                                          Das Wetter in der Hauptstadt war wieder ein wenig besser. Ich hatte Kontakt mit dem Deutschen, welchen ich beim Myvatn kennenlernte. Wir trafen uns auf ein Sandwich und tauschten erneut Erfahrungen aus. Es ergab sich eine interessante Gesprächsrunde. Ich hatte mein Zelt bereits zusammengepackt und war bereit dazu, schon am Vorabend an den Flughafen zu fahren.
                                                                                          Ich hatte nämlich grosse Angst davor, den Flug zu verpassen oder aus irgend einem Grund den Transfer zum Flughafen nicht zu erwischen oder ganz einfach den Abflug zu verschlafen. Dem wollte ich entgegenwirken, indem ich am Flughafen übernachtete.


                                                                                          Ich nahm also den Flybus zum Flughafen, es war bereits 10 Uhr abends. Eigentlich hatte ich vor, irgendwo vor dem Flughafen zu zelten. Dieses Vorhaben brach jedoch erst ein wenig auseinander. Ich betrat ein Hotel vor dem Terminal, um mich nach den Preisen zu erkundigen. Nachdem ich mich jedoch hinten anstellen musste und bereits mehrere Minuten wartete, änderte ich meine Meinung doch und verliess die Hotellobby fluchtartig.



                                                                                          Nun hatte ich 20 Nächte in meinem Schlafsack verbracht, da werde ich es die letzte doch auch noch irgendwie schaffen. Ich überquerte die Hauptstrasse und lief ein wenig auf dem Moosüberwachsenen Feld. Irgendwann stiess ich auf eine praktische Grube. Dort baute ich mein Zelt auf, stellte den Wecker und schlief dann auch recht zügig ein.


                                                                                          Tag 22: Ab nach Hause!


                                                                                          Frühzeitig und ziemlich übermüdet begab ich mich zum Flughafengebäude. Es war ziemlich kühl und windig, doch die Luft war klar und der Regen blieb aus.
                                                                                          In wenigen Minuten hatte ich meinen Rucksack eingecheckt und befand mich auch schon in der Abflughalle.
                                                                                          Ein Sandwich und ein Getränk weiter sass ich bereits im Flieger und rollte auf dem Flugfeld herum. Es war erstaunlich, wie kurz die Abfolge der startenden Flieger war. Bestimmt 15 Flugzeuge hoben innerhalb einer Stunde ab, alle der Flotte von Icelandair angehörig.
                                                                                          Der Flug kam mir sehr lange vor.



                                                                                          Als ich in Zürich landete, erwarteten mich bereits einige meiner Angehörigen. Die warme Luft machte mir schon nach wenigen Minuten zu schaffen. Es war bestimmt mehr als 25 Grad.
                                                                                          Während ich auf der ganzen Reise eigentlich nie Sehnsucht nach meiner Heimat hatte oder mich speziell nach jemandem von da sehnte, so bekam ich beim Warten auf mein Gepäck einen kleinen Gefühlsausbruch, ich weinte heftig und brauchte einige Minuten, um mich zu beruhigen.
                                                                                          Ich konnte jedoch nicht beurteilen, wieso ich eigentlich weinte. Ich fühlte mich grandios und war überglücklich. War es, weil die Reise vorbei war und weil ich mich nun wieder in der „langweiligen“ Schweiz befand? Oder waren es über die 3 Wochen angestaute Gefühle?
                                                                                          Meine erste grosse Reise war beendet. Was für ein Erlebnis. Ich konnte schon jetzt kaum erwarten, wann es wieder soweit ist und ich mich alleine in die weite Welt wage. Hoffentlich das nächste Mal noch einiges länger als bloss drei Wochen.
                                                                                          blend-werk

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                                                                                            • 670
                                                                                            • Privat


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                                                                                            AW: [IS] Meine Entdeckung Islands - 21 Tage in eigener Initiative

                                                                                            Ein fulminantes Ende für einen wirklich grandiosen Reisebericht! Herzlichen Dank nochmal von mir!
                                                                                            Für mehr Natur vor der Haustür!

                                                                                            Kommentar


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                                                                                              • 2
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                                                                                              AW: [IS] Meine Entdeckung Islands - 21 Tage in eigener Initiative

                                                                                              absolut toller bericht. darf ich fragen wie viel dich das ganze gekostet hat? ich plane mit freunden aktuell für 2014 einen solchen trip allerdings nicht so lange. eher 15 tage ca.

                                                                                              Kommentar


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                                                                                                Anfänger im Forum
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                                                                                                • 20
                                                                                                • Privat


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                                                                                                AW: [IS] Meine Entdeckung Islands - 21 Tage in eigener Initiative

                                                                                                Für den Flug Hin- und Zurück waren es ungefähr 300 Euro über tripsta.de.
                                                                                                Das ganze Equipment hat mich bestimmt mehr als 1000 Euro gekostet, wobei ich vorher rein gar nichts besass, weder Wanderschuhe, noch Schlafsack.
                                                                                                Danach während den drei Wochen ungefähr 700 Euro für Essen, Unterkunft, Reisekosten und andere Spässe.
                                                                                                Also geschätzte 2000 werden es schon gewesen sein.
                                                                                                Muss aber auch sagen, dass ich natürlich deutlich billiger hätte Reisen können auf der Insel selber dann, indem ich mein Essen immer selbst gekocht hätte oder beispielsweise als Hitch-Hiker unterwegs gewesen wäre.
                                                                                                blend-werk

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                                                                                                  Neu im Forum
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                                                                                                  • 2
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                                                                                                  AW: [IS] Meine Entdeckung Islands - 21 Tage in eigener Initiative

                                                                                                  Vielen Dank für die Antwort. Den Flug finde ich ganz ok. Die Ausrüstung an sich würde ich nicht zur Reise zählen, da man diese immer und für andere Touren brauchen kann. Das habe ich damals für meine Finnland-Tour auch nicht zu den Reiseausgaben gerechnet. Und 700 Euro für Verpflegung auf 3 Wochen gesehen finde ich auch nicht allzu schlimm. Bin schon gespannt, wie es uns ergeht Danke nochmal für den sehr hilfreichen und lesenswerten Bericht!

                                                                                                  Kommentar