• Perc
    Erfahren
    • 10.04.2008
    • 119
    • Privat


    [IS] Fjallabak & Laugavegur - die Odyssee

    Warme Worte

    Meine ersten zaghaften Schritte in Island fanden als Teil eines Trios im Juni 2010 statt. In der Wahl unseres Reiseziels waren wir wegen Vorsaison und noch nicht fahrender Busse etwas eingeschraenkt. Das ODS Forum hatte damals schon mit tollen Tipps geholfen, und wir waren so in der Lage, uns eine Tour fuer unsere etwas speziellen Beduerfnisse zusammenstricken zu koennen. Der Bericht zu jener Tour ist auch hier im Forum zu finden.

    Zwei Jahre spaeter waren wir dann bereit es noch einmal drauf ankommen zu lassen, und so startete eine weitere Planungssession im Forum. Kurz zusammengefasst wollte ich zusammen mit einem Freund den Laugavegur laufen, ohne ... tja ... den Laugavegur zu laufen.

    Ueber einige Wochen habe ich im Internet recherchiert und schliesslich einige Leute finden koennen, die Empfehlungen fuer Alternativrouten durch den Fjallabak Nationalpark aussprechen konnten. Die Route sollte in Landmannalaugar starten und Uebernachtungen bei Hattver und Strutslaug beinhalten, bevor es weiter ueber die Piste F210 auf den Laugavegur zwischen Hvanngil und Thorsmoerk gehen sollte.

    Die Hoffnung lag darin, so zumindest fuer einen Teil der Strecke die Schoenheit des Fjallabak Nationalparks abseits der Wanderautobahn geniessen zu koennen, ein Stueck Wuestenpiste mitzunehmen und wenn wir schon dabei sind gegen Ende dann nur noch entspannt und stressfrei den eigentlichen Laugavegur geniessen zu koennen. Das Beste aus allen Welten des Wanderns, sozusagen.

    Nachdem ich 2010 mit meiner Planung aufgrund von Zufaellen und zu ambitionierter Planung trotz einer schoenen Tour etwas auf die Nase gefallen war, stand nun ein zweiter Versuch an. Ich konnte nur hoffen, es dieses mal ein wenig besser hinzubekommen.

    Es war einmal ...

    Donnerstag, 9.8.2012 – Tag 1


    Sexy Anfahrt mit Hekla

    Die Zeltstadt bei Landmannalaugar gruesste uns nach einer – zumindest fuer Busverhaeltnisse - recht attraktiven Anreise als bizarre Mischung aus Everest Basecamp und Fluechtlingslager. So atemberaubend schoen die Landschaft drumherum sein mag, ist Landmannalaugar doch nur Mittel zum Zweck. Wir waren jedenfalls recht froh darueber, von hier direkt auf unsere erste Halbtagesetappe starten zu koennen.


    Noch nicht mal losgelaufen und schon kaputtes Material

    Aber was Rede ich schlecht ueber Landmannalaugar, schliesslich konnten wir uns vom Personal ein Set mit Werkzeug schnorren. Nach einer enorm fordernden Anreise per Flieger und Bus hatte sich Spits Rucksack naemlich ueberlegt, einfach einmal spontan auseinander zu fallen. Ein Glueck, dass uns das so frueh auffiel – der ganze Rucksack hing schief und war nicht vernueftig einzustellen. Zu einem spaeteren Zeitpunkt waer die Auswahl an Werkzeug deutlich geringer ausgefallen und Spit haette sein Handgepaeck in afrikanischer Manie auf dem Kopf balancieren duerfen. Schwein gehabt!


    Startschuss, go go go

    Wir waren direkt nach dem Startschuss sehr ueberrascht zu sehen, wie schnell der Zirkus in Landmannalaugar hinter uns fiel. Durch das Bett des Joekulgilskvisl Richtung Suedosten laufend liessen wir schon nach 15 Minuten die letzten Vorposten der Zivilisation hinter uns und waren ganz unter uns.
    Mit der Landschaft hingegen taten wir uns recht schwer – wenn ich heute darueber nachdenke, ist das immer noch der Fall. Waehrend ich hier sitze und schreibe und an diese unirdischen, erodierten Flusstaeler und Huegel denke, ueberkommt mich ein Gefuehl von ... von totaler Andersartigkeit. Es ist einfach so schwer in Worte zu fassen.


    Wandern wie ein Sir

    Ich wandere recht viel und mein Sinn fuer Groessen, Proportionen und Distanzen war hier vollkommen wertlos. Huegel wirkten doppelt so gross, wie sie waren. Distanzen schrumpften ploetzlich zusammen oder dehnten sich subjektiv in die Laenge. Kurz gesagt waren wir auf dem Planeten Island gelandet und in voelliger Ekstase. Was fuer ein wunderbares Land das alle bekannten Dimensionen zu sprengen scheint.


    Der erste Anstieg mit Blick zurueck auf Landmannalaugar


    Huegel No 1 bezwungen

    Die naechsten vier Stunden liefen wir auf dem Grat einer Huegelkette auf einem markierten Weg zum Skalli und von dort weiter nach Hattver. Vor der Reise hatte ich das Schicksal um wenigstens einen schoenen Tag mit ordentlicher Sicht gebeten und mein Wunsch wurde direkt auf jener ersten Etappe erfuellt. Die Reise liegt nun schon eine ganze Weile hinter mir und seit ich 2010 nach Neuseeland gezogen bin ... also sagen wir mal, dass ich ein wenig verwoehnt in Bezug auf attraktive Landschaft bin.


    Ice, ice baby


    Unser Ausblick fuer Stunden

    Nichts, was ich in den Jahren in Neuseeland gesehen habe, haette mich auf den Blick vorbereiten koennen, den wir auf das Tal bei Hattver bekamen. Bis zum heutigen Tag ist jenes Tal mit seinen Huegeln, die so sehr an geschmolzenes Karamell erinnern, fuer mich der schoenste Ort, den ich je das Glueck hatte sehen zu duerfen.


    Toffee Mountains

    Ich koennte hier endlos weiterreden und das Bild wuerde den Gesamteindruck dennoch unzureichend vermitteln. Hattver wird fuer immer einen Platz in meinem Herzen haben. Was fuer eine herzzerreissend schoene Landschaft. Keine vier Stunden in diesen Trip hatte das Schicksal schon geliefert. Danke!


    Abstieg in das Tal aus Karamell


    Runter, runter, runter


    Gratwanderung

    Als wir uns von diesem emotional positiven Schock erholt hatten, stiegen wir schliesslich Richtung Hattver ab und fanden nach einiger Sucherei schliesslich die online angepriesene Wiese. Dazu sei gesagt, dass ich mir bewusst bin, dass wildes Zelten im Fjallabak eigentlich verboten ist. Diverse Quellen versicherten mir aber, Camping wuerde aufgrund des Mangels an Alternativen bei Hattver jedoch toleriert. Es gibt sogar registrierte Tourbetreiber und Wandervereine, die hier mit dem Segen der Parkverwaltung zelten. ‘Leave only your footprints’ ist fuer die Meisten hier sicher Teil der eigenen Outdoorphilosophie, und so haben wir’s natuerlich ebenfalls gehandhabt.


    Farbschock

    Nach einer leckeren gefriergetrockneten Mahlzeit konnte ich schliesslich ueber all die kleinen Wunder nachdenken, die wir auf dieser kurzen Etappa schon hatten erleben duerfen. Zischende, geothermal aktive Spalten, ein geschmolzenes Tal, unnatuerliche Farbkontraste und nicht zuletzt ein unvergleichliches Gefuehl von erhebender und erhabener Einsamkeit. Das mag alles etwas dramatisch klingen, aber mein Gott, was fuer ein Land. Sonst bin ich eigentlich nicht so ruehrselig.


    Hotel Hattver

    Abseites poetischer Gefuehleduselei hatte Spit leider mit ganz irdischen Problemen in Form von Blasen an den Fuessen, Schmerzen in den Beinen und Erschoepfung zu kaempfen. Die Gelegenheiten sich in den Grosstaedten der rheinischen Tiefebene auf solch einen Trip vorzubereiten, sind ja leider etwas beschraenkt.


    Weiss jemand, wie die Pelzblumen heissen?

    Mit Hoffnung auf baldige Verbesserung schlummerten wir schliesslich friedlich zum Plaetschern des Joekulgilskvisl ein.


    Wie immer: Pasta a la Chef


    .... to be continued
    www.lightforge.co.nz
    Landschaftsfotografie aus Neuseeland und dem Rest der Welt

  • dingsbums
    Fuchs
    • 17.08.2008
    • 1503
    • Privat


    #2
    AW: [IS] Fjallabak & Laugavegur - die Odyssee

    Zitat von Perc Beitrag anzeigen

    Weiss jemand, wie die Pelzblumen heissen?
    Wollgras. Und ich kann mich daran nie sattsehen, bin immer wieder begeistert. Schöner Start, freue mich auf den weiteren Bericht.

    Kommentar


    • BohnenBub
      Erfahren
      • 15.09.2012
      • 295
      • Privat


      #3
      AW: [IS] Fjallabak & Laugavegur - die Odyssee

      Sehr attraktive Ecke!

      Kommentar


      • Atze1407
        Fuchs
        • 02.07.2009
        • 2425
        • Privat


        #4
        AW: [IS] Fjallabak & Laugavegur - die Odyssee

        Ich weiss bisher eigentlich nicht so richtig, was den Leuten immer so in den Norden Europas treibt. Aber wenn ich mir diese Fotos von dieser Landschaft ansehe, kann ich es so langsam verstehen. Es sind wunderschöne Aufnahmen. Ich glaube, ich muss da wohl auch mal hin, um mich vom Virus der Einsamkeit sowie der Schönheit Islands und generell Skandinaviens anzustecken lassen, und um es zu verstehen.

        Ich hoffe es geht hier bald weiter.

        LG
        Atze
        Wenn du den Charakter eines Menschen kennenlernen willst, gib ihm Macht.
        Abraham Lincoln

        Kommentar


        • BohnenBub
          Erfahren
          • 15.09.2012
          • 295
          • Privat


          #5
          AW: [IS] Fjallabak & Laugavegur - die Odyssee

          Zitat von Atze1407 Beitrag anzeigen
          Ich glaube, ich muss da wohl auch mal hin, um mich vom Virus der Einsamkeit sowie der Schönheit Islands
          Einsam ist es da nun leider gerade nicht. Wunderschön aber ohne jeden Zweifel.

          Kommentar


          • evernorth
            Fuchs
            • 22.08.2010
            • 1835
            • Privat


            #6
            AW: [IS] Fjallabak & Laugavegur - die Odyssee

            Da habt ihr euch ja eine feine Ecke in Island ausgesucht.
            Feine Gratwanderung - das gefällt mir gut.
            Hach, ich könnte schon wieder losfahren.....Island...ich komme sicher
            noch einmal wieder.
            My mission in life is not merely to survive, but to thrive; and to do so with some passion, some compassion, some humor and some style. Maya Angelou

            Kommentar


            • Perc
              Erfahren
              • 10.04.2008
              • 119
              • Privat


              #7
              AW: [IS] Fjallabak & Laugavegur - die Odyssee

              Zitat von BohnenBub Beitrag anzeigen
              Einsam ist es da nun leider gerade nicht. Wunderschön aber ohne jeden Zweifel.
              Wir haben die ersten 2,5 Tage niemanden gesehen, von einer Huette mal abgesehen. Sobald man allerdings auf die F210 oder den Laugavegur stoesst, sieht das natuerlich anders aus. Aber dazu in den naechsten Tagen mehr

              Zitat von dingsbums Beitrag anzeigen
              Wollgras. Und ich kann mich daran nie sattsehen, bin immer wieder begeistert. Schöner Start, freue mich auf den weiteren Bericht.
              Danke, macht Sinn, der Name
              www.lightforge.co.nz
              Landschaftsfotografie aus Neuseeland und dem Rest der Welt

              Kommentar


              • Holzfuss
                Gerne im Forum
                • 09.04.2013
                • 57
                • Privat


                #8
                AW: [IS] Fjallabak & Laugavegur - die Odyssee

                Wirklich schöne Fotos!

                Ich kanns kaum erwarten wieder nach Island zu fahren...

                Kommentar


                • peter-hoehle
                  Lebt im Forum
                  • 18.01.2008
                  • 5175
                  • Privat


                  #9
                  AW: [IS] Fjallabak & Laugavegur - die Odyssee

                  Danke für den schönen Anfang.
                  Die Bilder sind wunderschön.
                  Da bekommt man gleich Fernweh.

                  Gruß Peter
                  Wir reis(t)en um die Welt, und verleb(t)en unser Geld.
                  Wer sich auf Patagonien einlässt, muss mit Allem rechnen, auch mit dem Schönsten.

                  Kommentar


                  • Perc
                    Erfahren
                    • 10.04.2008
                    • 119
                    • Privat


                    #10
                    AW: [IS] Fjallabak & Laugavegur - die Odyssee

                    Vielen Dank an euch alle, weiter geht's:

                    Freitag, 10.8.2012 – Tag 2

                    Vor uns lag die Bestie. Der Tag, auf den der Grossteil der Vorplanung entfallen war. Die Frage war: Wie zum Teufel kommt man von Hattver hinunter zum Strutslaug? Ich habe zu dieser Frage keinerlei deutsch- oder englischssprachige Tourenberichte finden koennen, keine Infos in Wanderbuechern und nur den freundlichen Hinweis aus dem ODS Forum, sehr vorsichtig mit der Annahme zu sein, eine gestrichelte Linie auf der Karte bedeute, dass es dort auch tatsaechlich so etwas wie eine bewiesene Route gaebe.


                    Flussbettrallye am fruehen Morgen

                    Irgendwann habe ich einen franzoesischsprachigen Reisebericht finden koennen, der eine Route auf eben jenem Abschnitte beschrieb. In Ermangelung von Franzoesischkenntnissen habe ich mit einer Holterdipolter Uebersetzung von Google Translate arbeiten muessen, was letztlich aber gut genug war. Ich fand dann irgendwann auch einen anderen Deutschen, der ein paar Worte beisteuern konnte.

                    Die Routenbeschreibung der Franzosen war leider sehr vage, weshalb ich kurzerhand mit dem Autor Kontakt aufnahm. Was dann folgte, schien zunaechst recht amuesant. Man bat mich naemlich einen kleinen Aufsatz ueber meine Wandererfahrung, Fitness, Erfahrung mit Routenfindung und einige andere Dinge zu schreiben. Wie man mir dann schnell erklaerte, hatte die Bitte einen durchaus ernsten Hintergrund.

                    Als die Gruppe des Autors in der Region unterwegs war, stiess er zufaellig auf eine kleine Wandergruppe nebst Bergfuehrer. Die gefuehrte Gruppe befand sich auf einer Hattver – Strutslaug Querung und war so freundlich, die Franzosen mitzunehmen.

                    Wie die Jungs erzaehlt bekamen, sollen die Probleme wohl schon mit der Querung des Joekulgilkvisl starten. Dabei sind Wetter (Regen = Querung nicht moeglich), zuviel Sonne (Schmelzwasser = Querung nicht moeglich) und die generelle Tendenz der Region zu beruecksichtigen, sich in recht ueberschaubaren Zeitraeumen massiv zu veraendern. Die Karten bilden die Vielzahl an kleinen Taelern mit Haupt- und Nebenlaeufen im Massstab 1:100k nur unzureichend ab. Hinzu kam, dass der Autor schon einmal ein GPS Log weitergereicht hatte. An einem Tag mit schlechtem Wetter konnte der Empfaenger des Logs dann die vermeindliche Furt nicht finden. Er querte letztlich an der falschen Stelle und stieg auf einen beliebigen Huegel. Der arme Kerl segelte daraufhin dutzende Meter auf seinem Hosenboden nach unten und entschied, es doch besser bleiben zu lassen.

                    Wie sich spaeter herausstellte, war das eben jener Deutsche, mit dem ich zuvor schon gesprochen hatte. Unser franzoesischer Autor hatte also kurz gesagt keinerlei Beduerfnis an einem menschlichen Drama Schuld zu sein. Deshalb die kleine Befragung.

                    Als ich den Test dann irgendwann bestanden hatte, musste ich noch ein Versprechen abgeben: Eben jene Strecke nicht an Dritte weiterzugeben. Wie er erfuhr sei die Region oekologisch sehr empfindlich und wuerde keine Massen an Durchreisenden verkraften. Unser Island soll schoen bleiben usw.
                    So versprach ich im Austausch gegen Informationen die genaue Streckenfuehrung fuer mich zu behalten. Bitte habt also Verstaendnis, wenn der Streckenverlauf nur sehr vage beschrieben ist. Ehrlich gesagt war auch ich letztlich nicht im Stande, die Strecke nachzulaufen und musste mich auf mein eigenes Urteil verlassen. Ich bin sicher, dass es der naechsten Gruppe dort nicht anders ergehen wird. Bei allem anderen als idealen Bedingungen wuerde ich empfehlen es besser sein zu lassen.


                    Das Bild schlaeft unter dem Titel 'Gates of Moria' auf meiner Festplatte

                    Vor uns lag an jenem zweiten Tag eine recht lange Etappe von geschaetzten 15km, mehrere Flussquerungen und etliche Auf- und Abstiege in absolut unzureichend kartografiertem Gelaende. Nach einem recht spaeten Start in den Tag liefen wir ein Stueck an einem der vielen Fluesse entlang und starteten mangels Publikum eine sexy Unterhostenparty mit einer Vielzahl an amuesanten Querungen. Der Wasserstand war am Morgen mangels Regen und vor der nachmittaeglichen Schmelze niedrig genug um gut durch das knietiefe Wasser zu waten.

                    Damit waren dann auch die Alternativplaene B und C hinfaellig, die verschiedene Routen ohne Querungen zurueck zum Laugavegur beinhalteten.


                    Hier sieht man ganz wunderbar, warum wir so oft durch's Wasser durften

                    Haetten wir bei den Querungen an jenem Tag ein Publikum gehabt, es haette sich beschaemt abgewandt oder vor Lachen weggeschmissen. Zwei Deutsche in Unterhosen, die schreiend durch’s Wasser waten. Die ersten fuenf Sekunden waren meist ueberraschend warm. Danach wurde das Wasser graduell eisiger und die Zehen zunehmend tauber. Auf der anderen Seite angekommen dachten wir dann immer, dass unsere Beine jetzt nun aber wirklich schmerzhaft kalt seien.

                    Wir haetten nicht weiter daneben liegen koennen.

                    Denn so richtig fies wurde es erst ein paar Sekunden nach Landgang. Scheinbar braucht das Nervensystem ein paar Sekunden um mit dem Schock klar zu kommen oder etwas in der Art. Ich bin kein Arzt. Ich kann nur sagen, wie es sich anfuehlte. Es folgte eine Welle eisigen Schmerzes in den Beinen, die uns jedes Mal laut aufschreien liess. Das wiederum animierte den jeweils Anderen zu boesartig hysterischem Gekicher – wohlwissend dass man selbst kurz darauf faellig war.

                    So ging es dann die naechsten 1-2 Stunden. Unterhosen, Schmerzensschreie, hysterisches Gekicher voller Schadenfreude. Dazu gibt es uebrigens ein wunderbares Video, das ich jedoch nicht posten werde. Ich bin nicht wild darauf den Rest meines Lebens ueber meine Schulter schauen zu muessen.


                    Gipfelstuermer

                    Der Stimmung wurde dann etwas durch die zu erwartenden Probleme mit der Streckenfuehrung getruebt. Von der beworbenen knoecheltiefen Furt war auf der gespeicherten Koordinate nichts zu sehen und der Fluss hatte seit der franzoesischen Expedition sein Bett scheinbar so drastisch veraendert, dass wir etliche Male queren mussten. Der Fluss wandt sich von linker Steilwand zu rechter Steilwand. Wir hatten keine Chance umher zu laufen.


                    Wind so: Pust, pust!

                    Waehrend dies nur unangenehm war, war es weit bedenklicher, dass ich die zwei bis drei Seitentaeler auf der Karte absolut nicht mit dem halben Dutzend Taelern auf dem harten Boden der Realitaet in Einklang bringen konnte. Wir waren mit der Absicht aufgebrochen uns sklavisch an die empfohlenen Furten und Anstiege zu einem weiten Hochtal zu halten. Rueckblickend haette ich mir die ganze Vorbereitung dann auch sparen koennen. Die Landschaft dort veraendert sich tatsaechlich so schnell, dass selbst die Ranger ihre Probleme bei der Navigation haben, wie man mir spaeter erzaehlte.


                    Spit so: Lach, lach

                    Irgendwann reichte es mir dann und wir entschieden auf den naechsten Huegel zu steigen um eine bessere Uebersicht zu bekommen. Zu unserem Glueck war es ein klarer Tag mit guter Sicht und so konnte ich mit etwas Kartenarbeit irgendwann am Horizont eines unserer Etappenziele ausmachen. Das Problem war nur, dass wir, um dort hinzugelangen, mehrere Huegel und Taeler mit Fluessen zu queren hatten. Was fuer ein Labyrinth!


                    Einer bezwungen, 89 to go

                    Navigatorisch hatten wir von nun an keine Probleme mehr, aber wir brauchten fuer jenen Teilabschnitt ein vielfaches der veranschlagten Zeit. Spit hatte immer noch Probleme mit seinen Beinen und das staendige auf und ab half nicht eben dabei, die Situation zu verbessern.

                    Irgendwann kamen wir dann bei den blauen Bergen von Prengsli vorbei. Was fuer total abgefahrene Farben! Leider waren wir in den Mittagsstunden dort und die Sonne war so grell, dass wir keine vernuenftigen Fotos hinbekommen haben. Schade!


                    Blaugruen

                    Vor dem Aufstieg in Richtung besagten Hochtals lag noch ein letztes Hindernis vor uns – der reissendste Bach von allen. In einem Tal das von zwei engen Felswaenden begrenzt war, blieb uns nur ein Abschnitt von vielleicht 100m fuer die Querung. In ein recht enges Bett gezwungen, hatte der Bach sich tief eingegraben und schaeumte angriffslustig vor sich hin. Ich erlaubte mir hier auf der Suche nach alternativen Querungsmoeglichkeiten den Spass, zurueck auf einen der Huegel zu klettern. Oben angekommen fand ich dann statt einer besseren Stelle fuer eine Querung etwas ziemlich eigenartiges.


                    Kurz bevor das Bein verschwand

                    Mein linkes Bein verschwand ploetzlich an einer Stelle, die genau so nach vertrockneten Steinchen aussah, wie die 20 Quadratkilometer drumherum. Als ich mich befreit hatte, klebte eine eiterartige, klebrige, weiss-gelbe Masse an meinem Bein. Man stelle sich vor, man tauche sein Bein in einen Dany mit Sahne, Geschmacksrichtung Vanille. So sah mein Bein aus. Ich habe absolut keine Ahnung, was mir da passiert ist, und ein Teil von mir hofft, es niemals zu erfahren.


                    Kunstrasen

                    In Ermangelung von Alternativen entschieden wir uns dann an der am wenigstens furchteinfloessenden Stelle zu queren. Ich startete nur mit meinen Stoecken bewaffnet auf einen Erkundungstrip. Die Querung war grenzwertig, mit schaeumendem Wasser bis zum Oberschenkel und starken Unterstroemungen, die recht unsanft an meinen Fuessen zogen. Mit ein wenig Vorsicht, drei Punkten Kontakt zu jeder Zeit, Gesicht stromaufwaerts und in einer diagonalen Linie querend war es dann doch irgendwie machbar.

                    Spit, der zu diesem Zeitpunkt seinen Leistungszenit schon hinter sich gelassen hatte, brach seinen Querungsversuch schliesslich ab. Uns trennen ein paar vertikale Zentimeter und bei recht wildem Wasser kann das schon den Unterschied zwischen ‘unangenehm’ und ‘bin ich lebensmuede oder wie?’ ausmachen. Bei einem zweiten Versuch kamen wir dann als Tandem im Einhakverfahren recht stabil rueber. Wir hatten letztlich Glueck. Haette das Wasser 10cm hoeher gestanden, haetten wir doch auf Plan B zurueckgreifen muessen.


                    Farbwechsel

                    Als wir dann nach dem uns langsam so vertrauten Trocknungsritual schliesslich auf den Gegenhuegel kletterten, fing der Wind an deutlich aufzufrischen. Wir hatten das staubige Labyrinth hinter uns gelassen. Vor uns lag nun weites, offenes Terrain entlang breiter, staendig sanft ansteigender Bergruecken. Sandige Farbtoene wichen langsam dem Pechschwarz erkalteter Lava. Ein paar dunkle Wolken zogen auf, Windboen peitschten Sand in unsere Augen. Von tanzenden Staubteufeln gejagt schalteten wir mit Sonnenbrille und Tuechern verhangen auf Beduinenmodus.


                    Steife Brise

                    Als wir schliesslich auf einem mossbewachsenen Hochtal den Mittelpunkt der Etappe erreicht hatten, fuehlte Spit sich ziemlich ausgelutscht. Kein Wunder, schliesslich hatte jene Haelfte so lange gedauert, wie ich fuer die gesamte Strecke veranschlagt hatte. Wir sprachen kurz darueber, dort einen unserer Reservetage einzubauen und es gut sein zu lassen, aber Spit wollte vom Ehrgeiz gebissen weiterlaufen. Harte Sau! Mein Akku mag ein wenig laenger laufen, aber wenn er leer ist, hab ich keinen Bock mehr.


                    Neongruene Mossbetten. Boing Boing

                    An jenem Punkt war Navigation kein Problem mehr, man konnte zu jedem Zeitpunkt die naechsten 1-2 Stunden deutlich vor sich sehen. Der Mangel an weiteren Ueberraschungen wurde durch ein Uebermass zu bewaeltigender Laufstrecke ausgeglichen. Es ging hoeher und hoeher das Tal hinauf. Schwarze Haenge, leuchtend gruenes Moss, verrueckte kleine braun-rote Quellen die hier beginnen und dort versacken. Einfach ein generelles Uebermass an Farbkontrasten, wie ich sie nie zuvor gesehen hatte.


                    Komisches Zeug blubbert aus dem Boden

                    Etwa neun Stunden in unseren Tag waren wir schliesslich am hoechsten Punk an einem schwarzen, ausgetrockneten See angekommen. Vor uns lagen etliche zu durchquerende Taeler. Die Szenerie wurde nun entgueltig von schwarzem Lavageroell mit einigen gruenen Farbtupfern dominiert und setzte damit den Standard fuer die folgenden Tage.


                    Namenloses Hochtal: Blick zurueck zum Fjallabak

                    Eine Stunde spaeter war dann auch mein Akku leer. Der staendige Wind, nassgeschwitzte Kleidung unter der unverzichtbaren Windjacke und der Mangel an einer ordentlichen, ausgedehnten Mittagspause hatten ihre Spuren hinterlassen.


                    Holmsabotnar

                    Es war mir ein Raetsel, wie Spit es so weit geschafft hatte, da er schon vor etlichen Stunden an jenem Punkt angekommen war. Fuer eine ganze Weile war er erstaunlicherweise richtig gut drauf. Irgendeine Druese hatte alle Pforten geoeffnet.


                    Der hoechste Punkt des Tages am linken Bildrand

                    Wir hatten nur noch unser Etappenziel vor Augen und rannten wie Zombies in den immer staerker auffrischenden Wind. Die letzte Stunde konnten wir zum Glueck einem Trampelpfad folgen und waren wenigstens nicht kognitiv gefordert. Nicht, dass da noch viel zu holen gewesen waere.


                    Sydri-Oefaera


                    Formen und Farben wohin das Auge blickt

                    Nach fast 12h auf der Piste, irgendwas zwischen 18 und 21km Strecke, zig schmerzhaften Bach- und Fluessquerungen und nicht unerheblichen navigatorischen Herausforderungen kamen wir schliesslich kurz vor Sonnenuntergang mit unseren Kraeften am Ende am Strutslaug an.


                    Der suesse Duft des Sieges: Spit wittert unser Etappenziel


                    Letztes Hindernis

                    Vom Rest weiss ich nicht viel zu erzaehlen. Zeltaufbau. Essen. Schlafen. Grundbeduerfnisse befriedigen. Kein Raum mehr fuer etwas anderes.


                    Geschafft. In jeglicher Hinsicht.
                    www.lightforge.co.nz
                    Landschaftsfotografie aus Neuseeland und dem Rest der Welt

                    Kommentar


                    • Ruckie
                      Anfänger im Forum
                      • 23.10.2011
                      • 21
                      • Privat


                      #11
                      AW: [IS] Fjallabak & Laugavegur - die Odyssee

                      Danke schon mal für deinen Bericht. Er verkürzt mir die Zeit und steigert die Vorfreude. In 7 Wochen geht es endlich los.

                      Kommentar


                      • Chouchen
                        Freak

                        Liebt das Forum
                        • 07.04.2008
                        • 20009
                        • Privat


                        #12
                        AW: [IS] Fjallabak & Laugavegur - die Odyssee

                        Ich gebe zu, ich habe den Text bisher nur überflogen und hauptsächlich die Bilder angesehen. Die sind aber erste Sahne!
                        "I pity snails and all that carry their homes on their backs." Frodo Baggins

                        Kommentar


                        • Perc
                          Erfahren
                          • 10.04.2008
                          • 119
                          • Privat


                          #13
                          AW: [IS] Fjallabak & Laugavegur - die Odyssee

                          Danke, das ist lieb.

                          Falls euch meine Fotos gefallen, findet ihr hier und hier mehr. Inhaltlich findet ihr da ueberwiegend Landschaftsfotografie aus Neuseeland. Wuerde mich freuen, wenn ihr mich besucht.
                          www.lightforge.co.nz
                          Landschaftsfotografie aus Neuseeland und dem Rest der Welt

                          Kommentar


                          • evernorth
                            Fuchs
                            • 22.08.2010
                            • 1835
                            • Privat


                            #14
                            AW: [IS] Fjallabak & Laugavegur - die Odyssee

                            Wunderbar - Es geht weiter! Fein, fein.
                            Gute Schreibe ( ein Mann des Wortes, hört, hört ) und sehr eindrückliche Fotos.
                            Tracks of Memory....echt beglückend.
                            My mission in life is not merely to survive, but to thrive; and to do so with some passion, some compassion, some humor and some style. Maya Angelou

                            Kommentar


                            • Holzfuss
                              Gerne im Forum
                              • 09.04.2013
                              • 57
                              • Privat


                              #15
                              AW: [IS] Fjallabak & Laugavegur - die Odyssee

                              Sowohl die Fotos hier als auch die aus Neuseeland machen einfach nur Lust den Rucksack zu packen und loszugehen.

                              Freue mich schon auf mehr!

                              Kommentar


                              • BohnenBub
                                Erfahren
                                • 15.09.2012
                                • 295
                                • Privat


                                #16
                                AW: [IS] Fjallabak & Laugavegur - die Odyssee

                                Der blaue Fels ist ja stark. Ich habe so ein dumpfes Gefühl, dass mich die Ecke in den kommenden Jahren zu sehen bekommt - unsere letztjährige Routenführung lief da ja ganz knapp dran vorbei soweit ich das jetzt nur anhand der Namen und der Erinnerung erkennen kann. Klasse.

                                Kommentar


                                • Dieter

                                  Dauerbesucher
                                  • 26.05.2002
                                  • 537
                                  • Privat


                                  #17
                                  AW: [IS] Fjallabak & Laugavegur - die Odyssee

                                  Hallo,

                                  Danke für diesen tollen Bericht. Gut beobachtet, vernünftig beurteilt und spannend geschrieben. Weiter so!

                                  Als Ergänzung hier ein atemberaubendes, sphärisches Luftbildpanorama, aufgenommen aus einem Hubschrauber in Position ziemlich genau über dem "blauen Fels" oder wie die Isländer ihn nennen dem "græni hryggurin":

                                  http://www.airpano.ru/files/Iceland-Fjallabak/2-2

                                  Das Bild zeigt nicht nur die wirklich einzigartige Schönheit dieser Landschaft, sondern auch deren Unübersichtlichkeit.

                                  Dieter

                                  Kommentar


                                  • MatthiasK
                                    Dauerbesucher
                                    • 25.08.2009
                                    • 923
                                    • Privat


                                    #18
                                    AW: [IS] Fjallabak & Laugavegur - die Odyssee

                                    Mündet der Weg in diesem Delta unterhalb der "Toffee Mountains" wieder in den Laugavegur? Bin dort mal langgelaufen konnte aber dann keine Markierungen mehr sehen und hatte keine Karte, somit hab ich wieder umgedreht. Würde mich interessieren wie es da weitergeht!
                                    3000 Kilometer zu Fuß durch die österreichischen Alpen

                                    Kommentar


                                    • Perc
                                      Erfahren
                                      • 10.04.2008
                                      • 119
                                      • Privat


                                      #19
                                      AW: [IS] Fjallabak & Laugavegur - die Odyssee

                                      Zitat von Dieter Beitrag anzeigen
                                      Hallo,

                                      Danke für diesen tollen Bericht. Gut beobachtet, vernünftig beurteilt und spannend geschrieben. Weiter so!

                                      Als Ergänzung hier ein atemberaubendes, sphärisches Luftbildpanorama, aufgenommen aus einem Hubschrauber in Position ziemlich genau über dem "blauen Fels" oder wie die Isländer ihn nennen dem "græni hryggurin":

                                      http://www.airpano.ru/files/Iceland-Fjallabak/2-2

                                      Das Bild zeigt nicht nur die wirklich einzigartige Schönheit dieser Landschaft, sondern auch deren Unübersichtlichkeit.

                                      Dieter
                                      Vielen Dank Dieter, wenn man dich in Bezug auf Island unterhalten kann, will das sicher was heissen :-)

                                      Das verlinkte Bild ist der pure Wahnsinn. Ich kann exakt den Weg nachvollziehen, den wir gegangen sind. Ich kann fast den Schotter unter meinen Fuessen knirschen hoeren. Von oben sieht es uebrigens recht einfach aus Ich bin nur froh, dass der Fluss am Fusse des blauen Felsens nicht so viel Wasser gefuehrt hat wie im Bild.

                                      Zitat von MatthiasK Beitrag anzeigen
                                      Mündet der Weg in diesem Delta unterhalb der "Toffee Mountains" wieder in den Laugavegur? Bin dort mal langgelaufen konnte aber dann keine Markierungen mehr sehen und hatte keine Karte, somit hab ich wieder umgedreht. Würde mich interessieren wie es da weitergeht!
                                      Es gibt in der Gegend hier und da Trampelpfade, aber von einem Weg mit Markierungen wuerde ich da nicht reden. Selbst die Wege, die auf meiner Karte eingezeichnet waren, existierten zu weiten Teilen nicht. Genau davor hatte Dieter damals auch gewarnt. Von daher hab ich bei der Planung so getan, als sei da ueberhaupt nichts eingezeichnet. Da draussen musst du irgendwie alleine klar kommen koennen.

                                      Richtung Laugavegur ist kein Weg eingezeichnet. Wenn du immer stur nach Westen die Flusstaeler hinauflaufen wuerdest, kaemst du irgendwann auf den Laugavegur. Ob das aber moeglich ist, ist die andere Frage. Das Gelaende ringsum sieht auf der Karte sehr steil aus. Wo die Fluesse durch Engstellen laufen, sieht es sicherlich nicht gut damit aus, drumherum zu klettern. Ich waere da sehr vorsichtig.

                                      Meine erste Wahl waere es von den Toffee Mountains wieder hoch zum Skalli zu laufen und von dort aus nach Nord/Nordwest. Auf meiner Karte sind da Wege eingezeichnet und das Gelaende sieht auf der Karte wesentlich gemaessigter aus als im Tal. Das war jedenfalls mein Plan B.
                                      www.lightforge.co.nz
                                      Landschaftsfotografie aus Neuseeland und dem Rest der Welt

                                      Kommentar


                                      • Perc
                                        Erfahren
                                        • 10.04.2008
                                        • 119
                                        • Privat


                                        #20
                                        AW: [IS] Fjallabak & Laugavegur - die Odyssee

                                        Samstag, 11.8.2012 – Tag 3

                                        Betreibe ich Geschichtsfaelschung, wenn ich unsere Selbstportraits vom vorangegangenen Abend unterschlage? Vermutlich. Wir sahen grausam aus, am Ende mit der Welt in Spits Fall, ich war ‘nur’ angeschwollen und hatte Rueckenschmerzen.

                                        Manche Leute haben eine eigenartige Vorstellung von Spass. Wir scheinen in die Kategorie zu gehoeren. Was soll’s, das war vermutlich der beste Tag, den ich beim Wandern je hatte. Nicht, dass ich die Schmerzen als solche geniessen wuerde, aber irgendwie waren die eindruckvollsten Erlebnisse immer mit ein wenig Schmerz verbunden – oder ‘verdient’ ist hier vielleicht das bessere Wort. Die haertesten Touren sind mir und meinen Freunden oft am lebhaftesten in Erinnerung geblieben. Hier draussen verdient man sich seine Erlebnisse koerperlich, fuer mich ein befreiender Gegensatz zu meinen sonstigen existenziellen Problemen, die sich durch den Gang ins Buero und den Supermarkt einfach beheben lassen.

                                        Am dritten Tag wachten wir recht frueh auf, weil wir eine recht lange Strecke von 20km durch die Wueste zu bewaeltigen hatten. Es war bewoelkt, nieselig und weder am Morgen noch am Vorabend hatten wir Zeit, die heissen Quellen zu geniessen. Was fuer eine Verschwendung. Hinzu kam, dass wir einen Bekannten von mir am Abend auf dem Laugavegur treffen wollten. Im Urlaub durch die Gegen hetzen war eigentlich nicht Teil des Plans gewesen.


                                        Keine heissen Quellen fuer uns. Sorry!

                                        Spit, der am Vortag mindestens 10km auf seinem Zahnfleisch zurueckgelegt hatte, zog am Morgen mit Todesmut von dannen, um schon nach 20 Minuten die Notbremse ziehen zu muessen. Er hatte am Vortag seine Reserven vollkommen aufgebraucht und hatte nun nichts mehr, woraus er noch schoepfen koennte. Die Beine machten einfach nicht mehr mit. Seine Temperaturempfinden schwankte zwischen Kaelte und Schweissausbruch, manchmal innerhalb von zwei Minuten.

                                        Er versuchte es noch ein Stueckchen in Halbschritten aber nach kurzem Kriegsrat beschlossen wir unsere Verabredung sausen zu lassen und einen unserer Ruhetage einzuschieben. Wir hatten die Option auf einen feuchtkalten Tag im Zelt direkt wo wir standen und einer gemuetlichen, warmen Nacht in einer Huette einige Kilometer voraus.


                                        Der erste Huegel des Tages: Spit auf der Suche nach etwas Waerme

                                        In Aussicht auf etwas Waerme entschieden wir uns fuer den etwas laengeren Weg, was auch direkt die Folgeetappe am naechsten Tag verkuerzte. Im immer wieder aufkommendem Regen und dichtem Nebel navigierten wir mit Karte, Kompass und GPS Richtung Strutursskali. Zu der Huette, die ich in meiner schlauen Liste unter ‘FUER NOTFAELLE’ eingetragen hatte, gab es nicht viele Infos. Es hiess, es sei eine private, nicht an irgendeine Vereinigung angeschlossene, vor einigen Jahren errichtete Huette. Ich konnte nur hoffen, vom Internet nicht angelogen worden zu sein.


                                        Abkuerzung

                                        Wir pfuschten uns die naechsten zweieinhalb Stunden ueber einige kleine Huegel (armer Spit), an kleinen Bachbetten entlang ueber schwarze Lava und durch weite Taeler, die mit einer dicken Moosdecke bewachsen waren. Die Landschaft bei diesem Wetter als gespenstisch zu bezeichnen, taete ihr unrecht. Mystisch duerfte das passendere Adjektiv sein. Alleine in seiner kleinen Blase aus Waerme unter ein paar Lagen Stoff durch diese abstrakte, nicht eben lebensfreundliche Maerchenlandschaft zu laufen, vermittelt Verstaendnis fuer die Urspruenge der islaendischen Sagenwelt. Man stelle sich vor in einer gar nicht so weit entfernten Vergangenheit auf einem Gehoeft im Hinterland zu ueberwintern. Kein Wunder, dass die Islaender ein so ueberdurchschnittlich kreatives Volk sind. Welche andere Wahl hatten sie auch?


                                        Betten aus Moos

                                        Jeder Schritt hinaus wird auch zu einem Schritt in sich hinein. Wo sonst kann man mit seinen Gedanken derart alleine sein? Um uns herum wechselte das Gelaende wild zwischen spitzen Bergkegeln, welligen moosbewachsenen Taelern und der schwarzen Totenstille von Lavageroell. Crunch, crunch, crunch.

                                        Bevor ich in Versuchung geraten konnte, mich fuer ein Studium der Philosophie einzuschreiben, tauchte ploetzlich am Fusse des Strutur die Huette aus dem Nebel auf. Zur allgemeinen Erleichterung aller Beteiligten stand ein Auto vor der Tuer. Lustig, wie die Aussicht auf etwas sonst so wenig beachtetes wie Waerme und ein Dach ueber dem Kopf unsere schweren Schritte befluegeln konnte.


                                        Strutur

                                        In der Huette trafen wir auf eine norwegische Reisegruppe. 18 Veterinaere. Nach etwas Warterei auf den Huettenwirt bekamen wir dann die letzten beiden Kojen zugewiesen und der Tag war gerettet. Wir hatten noch einen angenehmen Tag, unterhielten uns mit interessanten Leuten aus fremden Laendern und nahmen noch ein paar Routentipps mit auf den Weg. Sogar etwas frisches Essen konnten wir schnorren. Gegrilltes Lamm und Kartoffeln. Was will man mehr? Eine Dusche waere noch schoen. Die gab's lustigerweise sogar in einem Schuppen. Ich hatte ein wenig Sorge, mich mit der recht abenteuerlichen Konstruktion versehentlich in die Luft zu sprengen. Was soll's, Loeschwasser war ja genug vorhanden. Anschliessend fuehlte ich mich wieder wie ein Mensch.


                                        Bett, Dusche

                                        Leider sollte die Nacht wieder etwas unruhig werden. Spit verbrachte die Haelfte des Tages und die gesamte Nacht im Koma, waehrend ich bis vier Uhr morgens vom laut vor sich hinplaerrenden Radio wachgehalten wurde. Mir war schleierhaft, wie man so ruecksichtslos sein konnte, und wieso zur Axt man die halbe Nacht Wetterberichte oder was-weiss-ich durchgeben muss. Mein Hirn schlief scheinbar schon, sonst waere mir vielleicht aufgefallen, dass etwas ganz und gar nicht stimmte ....


                                        Darth Vader's Kolumne ueber Kim Jong Il.
                                        Zuletzt geändert von Perc; 03.05.2013, 07:31.
                                        www.lightforge.co.nz
                                        Landschaftsfotografie aus Neuseeland und dem Rest der Welt

                                        Kommentar


                                        • Perc
                                          Erfahren
                                          • 10.04.2008
                                          • 119
                                          • Privat


                                          #21
                                          AW: [IS] Fjallabak & Laugavegur - die Odyssee

                                          Ich bin gerade noch ueber einen ganzen Haufen Bilder von Spit auf meiner Platte gestolpert. Ab hier werde ich die Bilder in die Tagesberichte integrieren. Hier ein paar Pics von den Tagen 1-3:





                                          www.lightforge.co.nz
                                          Landschaftsfotografie aus Neuseeland und dem Rest der Welt

                                          Kommentar


                                          • Perc
                                            Erfahren
                                            • 10.04.2008
                                            • 119
                                            • Privat


                                            #22
                                            AW: [IS] Fjallabak & Laugavegur - die Odyssee

                                            Sonntag, 12.8.2012 – Tag 4

                                            Nach fuenf Stunden Schlaflosigkeit bat ich dann gegen 4 Uhr morgens, ob man das Radio nicht ein wenig leiser stellen koenne. Es ist schon ziemlich dumm, wenn man von den gemurmelten Bemerkungen in fremden Sprachen kein Wort versteht.

                                            Denn einer unserer Tieraerzte war am Abend auf der Suche nach einem Handysignal auf einen der umliegenden Huegel in die Wolken geklettert und nicht zurueckgekehrt. Irgendwann meldete sich dann die Bergrettung, die ihn am Telefon hatte. Er lief eine Piste entlang, konnte aber nicht genau sagen, wo er gelandet war. Nach etlichen Stunden fand ihn dann eines der Suchfahrzeuge und am fruehen Morgen hatten wir ihn in ueberraschend guter Laune wieder zurueck.

                                            Er hatte sich beim Abstieg im Nebel in der Richtung vertan und war dann immer weiter von der Huette weggelaufen. Einem seiner Freunde, der ihn suchte, waere fast dasselbe passiert. Und da er nur ‘mal eben’ vor die Tuer wollte, hatte er entsprechend auch keine Navigationsausruestung dabei. Dumme Sache fuer ihn und ein wenig peinlich fuer mich, nicht einfach mal frueher gefragt zu haben.

                                            Als ich dann endlich etwas Schlaf nachgeholt hatte, waren wir nach umfangreicher Verabschiedung von unseren neuen Freunden erst gegen 11 Uhr wieder auf der Piste. Ueber Nacht hatte es sich bei starken Boen und wenig bis keiner Sicht ordentlich eingeregnet. Der Plan sah vor, statt an der Piste entlang lieber die romatische Strecke am Strutsvegur ueber Svartaklof und Einstigsfjall zu nehmen um uns der Huette bei Hvanngil von Nordosten zu naehern.


                                            Die Lust auf Freiheit und Abenteuer ist zurueck

                                            Der Plan verlor sich nach nicht mal einer Stunde zusammen mit dem Strutsvegur. Fuer eine ganze Weile fanden wir immer mal wieder sich verlaufende Teilstuecke, bevor wir dann irgendwann im Nichts bei null Sicht standen. Wir entschieden deshalb, lieber Richtung Suedwest auf die F210 zu laufen, als ein dutzend kleiner Auslaeufer der Berge am suedlichen Fuss des Torfajoekull zu besteigen, von denen wir sowieso keine Aussicht gehabt haetten. Die Aussicht darauf den ganzen Tag nur nach GPS Markern zu laufen war auch nicht berauschend.


                                            Spass (Bild: Spit)

                                            Die naechste Preisfrage war dann, wie wir am besten zur F210 kaemen. Unsere Karte hatte leider kein UTM Raster und bei einem Massstab von 1:100.000 haette ich einen Kartentisch und ein grosses Lineal gebraucht um unsere Position auch nur auf drei Kilometer genau bestimmen zu koennen. So konnte ich nur raten, dass wir uns auf Huegel 17 von 52 befanden, einen Kurs abmessen und per Marschzahl durch den Whiteout bzw. Greyout navigieren. Frueher oder spaeter mussten wir die F210 treffen, da sie die Wueste von West nach Ost durchschneidet.


                                            Lost

                                            Wir haben uns irgendwann in einem flachen Stueck Wueste ohne irgendwelche Gelaendemerkmale den Spass erlaubt, rein nach Gefuehl exakt geradeaus zu laufen. Wie schwer konnte das schon sein?

                                            Innerhalb von 10 Minuten hatten wir eine Kursabweichung von 90 Grad. Die Geschichte von Leuten in der Wueste, die immer im Kreis laufen, kennt ja jeder. Das einmal am eigenen Leib zu erleben, ist jedoch eine absolut empfehlenswerte Lebenserfahrung.


                                            3 ... 2 ... 1 .... PANIK! (Bild: Spit)

                                            Als wir schliesslich auf die F210 stiessen blieb fuer die naechsten Stunden nichts als Kilometer spulen. Sehen konnten wir meist nicht viel, die einzige Abwechselung bestand darin gelegentlich aus der Fahrspur springen zu muessen, um nicht von einem der vielen Gelaendewagen oder den Kolonnen der islaendischen Kavallerie umgeritten zu werden.

                                            Darueber hinaus war unsere Welt recht simpel. Unten schwarz, oben grau, dazwischen gelegentliche fluechtige Blicke auf weit entfernte Berge und Gletscher. Und dabei immer schoen in den Reifenspuren des letzten Fahrzeugs balancieren, um nicht im Sand einzusacken.


                                            Beweisfoto beim in-den-Graben springen

                                            Spit fand auf dem sandigen aber flachen Untergrund sein Tempo und galoppierte froehlich vor mir her, waehrend ich mit mir zu kaempfen hatte. Monotone Geradeausstrecken sind nicht so mein Ding. Meine Beine sehnten sich nach der Abwechselung der Berge. In Abwesenheit irgendwelche Stimuli drehte sich mein Hirn im Kreis und jede Strecke fuehlte sich 3x so lang an. Zaeh wie Kaugummi.


                                            Rennmodus

                                            Kurz vor unserem Tagesziel trafen wir auf zwei eigenartige Metalltrichter, die mitten in der Landschaft auf Betonsockeln standen. Fuer spacige Pferdetraenken waren die Kegel zu undicht und als Skulpturen gaben sich auch nichts her. Es ist sehr eigenartig nach einem Tag in der Natur auf etwas so offensichtlich Kuenstliches ohne jeden ersichtlichen Sinn zu treffen.


                                            Weltraumpferdetraenke

                                            Bei naeherer Inspektion fanden wir schliesslich eine Plakette. Die Pferdetraenken waren Radarreflektoren der European Space Agency. Ich fuehlte mich, als haette ich ein grosses Geheimnis aufgedeckt.

                                            Nach 17 Kilometern und fuenf Stunden kamen wir schliesslich in Hvanngil an und bauten in einer kurzen Regenpause unsere mobilen Eigenheime auf. Gegen Aufpreis goennten wir uns den Spass einen der Aufenthaltsraeume zu nutzen, was bei dem Wetter einen Riesenunterschied machte. Die sehr nette Rangerin des FI, die sich um die Hvanngil Huette kuemmerte, machte uns wenig Hoffnung auf einen baldigen Wetterumschwung. Immerhin hatte sie aber am Morgen noch mit dem Bekannten gesprochen, den wir vor Einschub des Reservetages dort treffen wollten. Wieder einmal hatten wir uns verpasst – im Vorjahr hatten wir in Neuseeland schon einmal einen aehnlich erfolglosen Versuch unternommen.

                                            Eines Tages Martin, eines Tages! :-)


                                            Grau und doch phaenomenal


                                            Making-of (Bild: Spit)

                                            Nach einem ausgedehten Abendessen mit netten Leuten im Warmen und geschnorrtem Kuchen krochen wir irgendwann in unsere Schlafsaecke und freuten uns schon einmal auf die am naechsten Morgen anstehende Furt. Egal, wir hatten einen trocknen, warmen Abend. Manchmal braucht es nicht mehr um zufrieden zu sein.


                                            Fast da

                                            Prassel, prassel, raschel, pfeif. Eine weitere unruhige Nacht wartete.
                                            www.lightforge.co.nz
                                            Landschaftsfotografie aus Neuseeland und dem Rest der Welt

                                            Kommentar


                                            • mehrpower42
                                              Gerne im Forum
                                              • 09.07.2008
                                              • 68
                                              • Privat


                                              #23
                                              AW: [IS] Fjallabak & Laugavegur - die Odyssee

                                              Zitat von Perc Beitrag anzeigen
                                              Hinzu kam, dass der Autor schon einmal ein GPS Log weitergereicht hatte. An einem Tag mit schlechtem Wetter konnte der Empfaenger des Logs dann die vermeindliche Furt nicht finden. Er querte letztlich an der falschen Stelle und stieg auf einen beliebigen Huegel. Der arme Kerl segelte daraufhin dutzende Meter auf seinem Hosenboden nach unten und entschied, es doch besser bleiben zu lassen.

                                              Wie sich spaeter herausstellte, war das eben jener Deutsche, mit dem ich zuvor schon gesprochen hatte. Unser franzoesischer Autor hatte also kurz gesagt keinerlei Beduerfnis an einem menschlichen Drama Schuld zu sein. Deshalb die kleine Befragung.

                                              Ehrlich gesagt war auch ich letztlich nicht im Stande, die Strecke nachzulaufen und musste mich auf mein eigenes Urteil verlassen. Ich bin sicher, dass es der naechsten Gruppe dort nicht anders ergehen wird. Bei allem anderen als idealen Bedingungen wuerde ich empfehlen es besser sein zu lassen.
                                              Das war dann wohl ich...

                                              Mal aus meiner Sicht:

                                              Ich war bei dieser Reise bereits das dritte Mal auf Island, also bei Weitem kein blutiger Anfänger. Ich hatte mit dem Franzosen Kontakt und habe ihn tatsächlich bei meinem Abstieg nach Hattver getroffen. Aber trotz des direkten Kontaktes kann man eben NICHT einfach einem GPS-Track hinterher rennen. Die Landschaft ist wild und ändert sich ständig. Ich habe am Vorabend mit einer Frau vom Landsbjörg, die extra in einem Führer geblättert hat, aber auch keine zusätzlichen Information geben konnte. Mir war also voll bewusst, dass es DER Knackpunkt meiner Tour werden würde! Rückblickend hätte ich nicht besser informiert sein können.

                                              Ich habe die Jökulgilskvísl insgesamt fünf mal gefurtet. Dummerweise habe ich einmal nicht aufgepasst und bin in zu tiefes Wasser gekommen. Die anderen vier Male waren kein Problem, wenn auch anspruchsvoll.

                                              Das Panorama, welches Dieter gepostet hat, zeigt sicherlich eindrucksvoll, wie zerklüftet die Gegend ist. Mit diesem Panorama lässt sich der Weg auch besser planen. Gab es damals leider nicht... Ich bin also nicht "auf irgendeinen Hügel geklettert", sondern habe eine falsche Stelle gewählt. Und dann ging's halt unsanft bergab... Danach habe ich es aber an weiteren Stellen versucht, wobei ich dann beim Furten zu einer vielversprechenden Stelle fast abgesoffen wäre. Erst dieses Ereingnis hat mich zum Unkehren gebracht.

                                              Zusätzlich möchte ich anmerken, dass ich alleine unterwegs war. Zu zweit oder in einer Gruppe mag eine solche Situation auch immer anders wirken!

                                              Diese Gegend ist einfach einmalig und ich möchte wirklich gerne die Tour in Zukunft beenden. Aber - und ich denke Perc wird mir zustimmen - es ist schon eine kräftezehrende Tour mit sehr anspruchsvolle Wegfindung. Auch bin ich von Landmannalaugar direkt durchgegangen und habe nicht in Hattver gecampt. Vielleicht ein Fehler. Daher habe ich ab einem bestimmten Punkt entschieden, umzukehren.

                                              Ich kam mir beim Lesen der Worte von Perc nur etwas "dümmlich" dargestellt vor und musste eben diese Zeilen schreiben.

                                              Ansonsten tolle Bilder, toller Bericht!

                                              Lars

                                              Kommentar


                                              • Perc
                                                Erfahren
                                                • 10.04.2008
                                                • 119
                                                • Privat


                                                #24
                                                AW: [IS] Fjallabak & Laugavegur - die Odyssee

                                                Hallo Lars, schoen von dir zu hoeren. Meine Formulierung war etwas zu salopp gewaehlt, ich wollte dich keinenfalls als duemmlich darstellen. Danke, dass du das richtig gestellt hast. Ich habe deine Emails auch nicht mehr finden koennen und den Zusammenhang aus dem Gedaechtnis rekonstruiert. Scheinbar sind da ein paar Dinge aus dem Kontext geraten. Sorry dafuer!

                                                Deine Schilderungen haben mir letztlich geholfen fuer die Gegend ordentlich vorzuplanen und die Risiken realistisch einschaetzen zu koennen. Dafuer also nochmal vielen Dank
                                                www.lightforge.co.nz
                                                Landschaftsfotografie aus Neuseeland und dem Rest der Welt

                                                Kommentar


                                                • Perc
                                                  Erfahren
                                                  • 10.04.2008
                                                  • 119
                                                  • Privat


                                                  #25
                                                  AW: [IS] Fjallabak & Laugavegur - die Odyssee

                                                  Montag, 13.8.2012 – Tag 5

                                                  Unruhige Naechte entwickelten sich zum Thema der Tour. Der starke Wind hielt mich weite Teile der Nacht wach. Meine nutzlosen Ohrstoepsel wurden nach der Tour in Fruehrente geschickt.

                                                  Am naechsten Morgen erwartete uns dann Nebel statt Regen. Nachdem das klammfeuchte Zelt verstaut war, gab es beim Fruehstueck noch eine umfangreiche Verabschiedung von all den netten Leuten, die wir am Vorabend getroffen hatten. Ich mag es sehr, in einer solch vergaenglichen Situation auf Leute zu treffen, mit denen man fuer nur einen Tag eine tolle Erfahrung teilt. Die Erfahrung, gemeinsam dort draussen gewesen sein zu duerfen.



                                                  Als wir uns endlich losgerissen hatten, schloss uns der Nebel in seine feuchtkalten Arme. Tag Nummer 5 wurde zum Tag, der niemals war. Regen, Sturmboen und Nebel wechselten sich ab und gaben nur wenige kostbare Blicke auf eine Landschaft frei, die an guten Tagen vermutlich geradezu darum gefleht haette, mit offenem Mund bestaunt zu werden.

                                                  Was mich hingegen tatsaechlich zum Staunen brachte, war eine hollaendische Dame in ihren 60ern, die beim furten des Praetutangi zunaechst einen ihrer Schuhe verlor und dann schulterzuckend auf Sandalen weiterlief. Das in einer Wueste mit scharfkantigem Geroell, wohlgemerkt. Ich zitiere aus meinem Tagebuch ‘... die harte Sau’.


                                                  Eine Sekunde vor Schuhexitus

                                                  Der erste Abschnitt auf dem eigentlichen Laugavegur fuehlte sich wie eine Reise in einer Karawane an. Vor uns wie hinter uns eine lange Perlenschnur aus Menschen. Bunte Goretex Farbkleckse auf der schwarzen islaendischen Lavaleinwand.


                                                  Guckense ma' entspannt und natuerlich

                                                  Nach nicht einmal einem halben Tag – der Himmel riss zum ersten Mal ein wenig auf - kamen wir schon auf der Botnar Huette an. Immerhin konnten wir so einen kurzen Blick auf den Myrdalsjoekull erhaschen. Die Emstrur-Botnar Huette liegt in einer spektakulaer zerkluefteten Landschaft am Rande eines weiten Tales. Die Huetten sind kleine Farbtuper auf einem Hang. Die Zeltplaetze wirkten wie nicht mehr als Nachgedanke, versteckt in einer zugigen Rinne.


                                                  Wanderautobahn


                                                  Mehr Wanderautobahn

                                                  Spit reichte dementsprechend sein Veto gegen eine weitere feuchtkalte Nacht ein, wofuer ich ihm im Nachhinein auch sehr dankbar war. Von unserem bequemen Haus mit 20 Betten aus hatten wir einen 1a Panoramablick auf die armen Schweine, die versuchten, im Wind ihre Zelte aufzustellen.


                                                  Tagesziel


                                                  Da sollte es am Folgetag hin gehen

                                                  Ansonsten stellte sich Huettenroutine ein. Quatschen, Nickerchen, Essen und schliesslich Gute Nacht.


                                                  Den Kerl kann man auch keine 5 Minuten alleine lassen
                                                  www.lightforge.co.nz
                                                  Landschaftsfotografie aus Neuseeland und dem Rest der Welt

                                                  Kommentar


                                                  • mehrpower42
                                                    Gerne im Forum
                                                    • 09.07.2008
                                                    • 68
                                                    • Privat


                                                    #26
                                                    AW: [IS] Fjallabak & Laugavegur - die Odyssee

                                                    Hi Dennis,

                                                    Ich habe auch keine böse Absicht hinter deinen Worten vermutet.

                                                    Echt toll, dass ihr so tolles Wetter bei diesem Abschnitt hattet. Es ist eine einmalige Landschaft! Echt schade, dass die anderen Tage offensichtlich nicht mit so tollem Wetter gesegnet waren.

                                                    Lieben Gruß,

                                                    Lars

                                                    Kommentar


                                                    • Perc
                                                      Erfahren
                                                      • 10.04.2008
                                                      • 119
                                                      • Privat


                                                      #27
                                                      AW: [IS] Fjallabak & Laugavegur - die Odyssee

                                                      Dienstag, 14.8.2012 – Tag 6

                                                      Mein erster guter Schlaf seit Tagen war zugleich das Omen fuer den kommenden Wetterwechsel auf unserer letzten Etappe.


                                                      Byebye

                                                      Urspruenglich hatten wir uns die Option offen gelassen, ueber Fimmvoerduhals zu verlaengern. Da wir aber schon einen unserer Reservetage verbraten hatten, reichte die Zeit nicht mehr. Spit hatte auch angekuendigt, auf einen 1000 Hoehenmeter Anstieg nach 6 Tagen auf der Piste nicht irre wild zu sein. Somit konnten wir uns einen entspannten Start in den Tag goennen und erst gegen elf Uhr loslaufen. Die Etappe versprach aehnlich kurz wie die des Vortages zu werden.


                                                      Windkanal mit Aussicht

                                                      Regen und starke Winde wechselten bald zu Spruehregen und Sonne, was uns einige phantastische Regenboegen bescherte. Wie sich spaeter herausstellen sollte, hatte ein Englaender, mit dem wir uns bei Hattver unterhalten hatten, tatsaechlich recht – Thorsmoerk hatte sein eigenes Wetter. Doch dazu spaeter mehr.


                                                      Rainbows and Unicorns

                                                      Wir genossen unseren entspannten Cruise nach Thoersmoerk. Das spannende Tal bei Botnar und den Canyon von Markarfljót liessen wir hinter uns und hatten bei immer weiter aufklarender Sicht einen tollen Blick auf den Myrdalsjoekull, das Einhyrningur und den beruehmt-beruechtigten Eyjafjallajoekull. Ich schwoere, dass ich das Wort gegen Ende der Reise sogar halbwegs richtig aussprechen konnte. Doppel-L ergibt TL. Da soll noch mal einer sagen, ich haette nichts gelernt.


                                                      Schoen, endlich wieder mehr Fotos machen zu koennen


                                                      Wir stolpern in eine neue Klimazone

                                                      Womit wir beim Einhorn, dem Einhyrningur waeren. Meine Phantasie beim Erkennen von Landschaftsmerkmalen mit poetischen Namen wie Hexennase, Jungfernsattel oder Teufelsritze ist recht begrenzt. Genau genommen glaenzt sie durch voellige Abwesenheit. Beim Einhorn war mein grosser Tag endlich gekommen und nun kann ich sagen “Ja, hab ich gesehen, ganz klar ein Einhorn wie aus dem Bilderbuch!”. Kleine Erfolgserlebnisse.


                                                      Aus einem bestimmten Winkel sah der rote Fleck aus wie das Superman Logo. Mir fehlte leider der Zoom


                                                      Wall-of-Death: Das Spit Suchbild

                                                      Auf dem letzten Stueck vor Thorsmoerk erwischte uns dann tatsaechlich noch ein kleines Stueck vom Sommer. Bei 25 Grad warfen wir unsere Polyesterzwiebelschale ab und wateten durch unsere letzte Furt. Die Proenga ist eine kakaobraune Sedimentschleuder, die direkt vom Merkursjoekull gespeist wird. Dank der hohen Temperaturen war das nur halb so unangenehm, wie es bei einem Gletscherfluss haette werden koennen.


                                                      Na, welcher Berg ist das?

                                                      Schwieriger war es da schon mit anzusehen, was unsere Mitwanderer fabrizierten. Mit dem, was ich dort in einer halben Stunde gesehen habe, haette ich ein Buch darueber schreiben koennen, wie man ein Gewaesser mit starker Stroemung nicht quert. Das soll nicht hochnaesig rueberkommen, aber wie leichtsinnig manche Leute mit ihrer Gesundheit und ihrem Leben umgehen, faellt mir manchmal schwer zu verstehen. Weiss jemand, ob es dort oft zu Unfaellen kommt?


                                                      Das Bild packe ich hier nur rein, damit es nicht hinterher wieder heisst, ich stelle nur unvorteilhafte Fotos anderer Leute ins Netz (Foto: Spit)

                                                      Etwa an dieser letzten Furt fand auch der letzte dramatische Wandel in der Farbgebung der Landschaft statt. Nach drei Tagen schwarzer Lava und fast einer Woche ohne nennenswerte Flora liefen wir nun auf leuchtend gruene Vegetation zu.


                                                      Was ich in dutzenden Vietnamfilmen gelernt habe: Es geht nichts ueber trockene Fuesse (Foto:Spit)

                                                      Unsere letzten Meter legten wir durch kleine Birkenwaeldchen(!) zurueck und freuten uns ueber die Empfehlung, doch besser die Campsite in Langidalur zu waehlen. Bei strahlendem Sonnenscheint und warmen Temperaturen konnten wir am Nachmittag entspannt unsere Zelte auf einer saftig gruenen Wiese aufbauen und den Wahnsinnsblick auf die Berge von Thorsmoerk geniessen. Es war ganz angenehm, aus dem Staub raus zu sein.


                                                      Salamander (Foto: Spit)


                                                      Birkenendspurtrallyewald

                                                      Als ich barfuss ueber die Wiese lief und mich ein wenig mit der Umgebung vertraut machte, liefen mir dann noch zwei ziemlich eigenartige Katzen ueber die Fuesse. Wie man mir spaeter erzaehlte, hatte ein Jaeger zwei Polarfuchswelpen beim Huettenwart abgegeben. Die Beiden tollten um die Huette als gaeb’s kein Morgen. Adopt-a-fox.


                                                      Zielfoto


                                                      Letzte Ruhestaette

                                                      Im Nachbarcamp bei Husudalur liessen wir unsere Tour schliesslich bei fester, warmer Nahrung vom All-you-can-eat Buffet ausklingen und trafen sogar die Ein-Schuh-Hollaenderin wieder. Damit fand eine wunderschoene Tour ihr rundes Ende.


                                                      Mini-Polarfuchs


                                                      Omnomnom mit einmal lecker Alles

                                                      Nachwort

                                                      Fast neun Monate sind seit jenem letzten Abend im Hinterland vergangen. Wenn ich heute an die Zeit dort zurueckdenke, war es sicher eine der, wenn nicht die beste Tour, die ich je das Glueck hatte bestreiten zu duerfen.

                                                      Ich denke ich spreche auch fuer Spit, wenn ich sage, dass wir so viel erlebt haben, wie in einer Woche nur moeglich ist. Ohne der endlosen Vielfalt der Natur dort Unrecht tun zu wollen kann man in kurzen Worten sagen, dass wir zwei gelbe, drei schwarze und einen gruenen Tag erleben durften. Im Gegensatz zur Tour von 2009 hatten wir auch die volle Spannbreite Wetter – mit dem angenehmen Nebeneffekt, dass wir dieses Mal nicht um unsere Trinkwasserversorgung bangen mussten.

                                                      Auch persoenlich und zwischenmenschlich haben wir die volle Weite emotionaler Aggregatzustaende erlebt. Euphorie ueber tolle Erlebnisse wechselte mit Frustration ueber die Widrigkeiten des Wetter und daraus resultierender Erschoepfung. Gegensaetzliche Stimmungen fuehrten zur ein oder anderen Verstimmung im Paradies, um wiederum von der Freude ueber gemeinsam bewaeltigte Hindernisse ersetzt zu werden. Ich denke, wir haben uns auf dieser Tour trotz der 12 Jahre, die wir uns schon kannten, noch einmal ein ganzes Stueck besser kennen gelernt. Wir hatten beide unsere noergeligen Momente und trotz hunderter Kilometer Leere um uns herum keine Moeglichkeit einander auszuweichen. Daran waechst man gemeinsam und auch das war letztlich eine positive Erfahrung.

                                                      Kommen wir zu Manoeverkritik. Was wuerde ich heute anders machen? Wie schon 2009 lag auch 2012 das Problem wieder in der aeusserst knapp bemessenen Zeit. Eigentlich bin ich diese pedantisch durchgeplanten Touren Leid, in denen man von Checkpoint zu Checkpoint rast, ohne die Freiheit zu haben, an tollen Orten zu verweilen. Hattver ist so ein Ort, an dem ich gerne einige Tage geblieben waere. Dafuer war leider keine Zeit vorhanden. Hoffentlich wird das beim naechsten Mal anders. Island ist ein absolut phantastisches Land und auf nun zwei Touren habe ich aus Mangel an Zeit gerade einmal an der Ecke ‘unten links’ kratzen koennen.

                                                      Planung war also erforderlich, und da wir genau an der richtigen Stelle gutes Wetter hatten, hat Plan A prima geklappt. Alternativen, wie die zusaetzliche Uebernachtung auf der Strutsskali, waren in die Planung eingeflossen und wir haetten an mehreren Stellen unsere Route aendern koennen. Die zweite Etappe war jedoch deutlich laenger und anstrengender als erwartet. Beim naechsten Mal wuerde ich hier vielleicht einen Tag einschieben, wenn auch nur um mehr Zeit zu haben die Landschaft zu geniessen.



                                                      Das ODS Forum, Lars und ein paar anonyme Franzosen hatten am gelingen dieser Tour einen nicht unerheblichen Anteil gehabt, von daher ein weiteres Mal vielen Dank. Ich hoffe, dass ich mit diesem Bericht fuer ein wenig Unterhaltung sorgen konnte und meine Schuld damit beglichen ist

                                                      Und fuer die Technikinteressierten hier kann ich sagen, dass wir auch mit unserer Ausruestung richtig lagen. Auf der Tour 2009 hatte ich wie ein Hund unter einem unbequemen Rucksack und einigen schweren Ausruestungsteilen gelitten, die ich seither gegen besseres, leichteres Material ausgetauscht hatte. Vor allem meinen Rucksack von Aarn kann ich waermstens empfehlen. Spit und ich haben gegen Ende fuer einen Kilometer die Rucksaecke getauscht und er kann bestaetigen, dass Lasten sich damit halb so schwer anfuehlen. Die Fronttaschen beleidigen zwar das aesthetische empfinden all derer, die bei Jack Wolfskin ihre Nordic Walking Ausruestung kaufen, aber ich moechte ihn gegen Nichts in der Welt eintauschen. Keine verspannten Schultern, keine wundgescheuerten Hueftknochen und dazu hat man seine wichtigsten zwanzig Gimmicks immer im direkten Zugriff ohne den Rucksack absetzen zu muessen. Mein Packgewicht lag inclusive 2L Wasser und Verpflegung fuer sieben Tage bei ca. 18kg.

                                                      Das war’s von mir. Gebt Bescheid, falls ihr Fragen haben solltet.



                                                      Fin
                                                      www.lightforge.co.nz
                                                      Landschaftsfotografie aus Neuseeland und dem Rest der Welt

                                                      Kommentar


                                                      • Nordmeier
                                                        Gerne im Forum
                                                        • 21.07.2011
                                                        • 82
                                                        • Privat


                                                        #28
                                                        AW: [IS] Fjallabak & Laugavegur - die Odyssee

                                                        Schöner Bericht, er weckt Erinnerungen und liest sich gut

                                                        Kommentar


                                                        • ChrisB76
                                                          Gerne im Forum
                                                          • 05.08.2009
                                                          • 95
                                                          • Privat


                                                          #29
                                                          AW: [IS] Fjallabak & Laugavegur - die Odyssee

                                                          Danke für den tollen Bericht! Das weckt die Vorfreude auf meinen Trip :-)

                                                          Ist dein Rucksack von Tragegestell so viel besser oder warum trägt er sich für dich so viel besser?
                                                          Da ich ziemliche Probleme mit der Bandscheibe habe, habe ich mir extra wegen des Tragegestells einen Gregory Palisade gekauft und finde der bringt das Gewicht schon super weg von Rücken.
                                                          Für was besseres bin ich aber immer zu haben

                                                          Grüße,
                                                          Christian

                                                          Kommentar


                                                          • BohnenBub
                                                            Erfahren
                                                            • 15.09.2012
                                                            • 295
                                                            • Privat


                                                            #30
                                                            AW: [IS] Fjallabak & Laugavegur - die Odyssee

                                                            Zitat von ChrisB76 Beitrag anzeigen
                                                            Ist dein Rucksack von Tragegestell so viel besser oder warum trägt er sich für dich so viel besser?
                                                            Schau dir mal genannten Rucksackhersteller an. Du wirst sehen, dass die das Konzept verfolgen nicht nur den Rücken zu beladen, sondern ebenfalls die Brust. Sorgt für bessere Gewichtsverteilung sagen einige. Andere stört, dass sie ihre Füße nicht mehr so gut sehen können.

                                                            Kommentar


                                                            • evernorth
                                                              Fuchs
                                                              • 22.08.2010
                                                              • 1835
                                                              • Privat


                                                              #31
                                                              AW: [IS] Fjallabak & Laugavegur - die Odyssee

                                                              Zitat von BohnenBub Beitrag anzeigen
                                                              Andere stört, dass sie ihre Füße nicht mehr so gut sehen können.
                                                              Hier - Finger in die Höhe schnellt - ! Gewichtsverlagerung hin und her, aber im schwierigen Gelände muss ich manchmal einfach meine Füße sehen, selbst, wenn sie das Letzte sind, was ich sehe.
                                                              My mission in life is not merely to survive, but to thrive; and to do so with some passion, some compassion, some humor and some style. Maya Angelou

                                                              Kommentar


                                                              • ChrisB76
                                                                Gerne im Forum
                                                                • 05.08.2009
                                                                • 95
                                                                • Privat


                                                                #32
                                                                AW: [IS] Fjallabak & Laugavegur - die Odyssee

                                                                Liest sich Interessant! Hatte eigentlich vor meine Kamera vorne zu tragen kann man die irgendwo Probetragen? Wie ist das Tragegestell denn so?

                                                                Kommentar


                                                                • Perc
                                                                  Erfahren
                                                                  • 10.04.2008
                                                                  • 119
                                                                  • Privat


                                                                  #33
                                                                  AW: [IS] Fjallabak & Laugavegur - die Odyssee

                                                                  Ich gehe jetzt mal bewusst nicht auf die Aarn Seite und gebe wieder, was dort beschrieben wird. Was die Rucksaecke so cool macht …

                                                                  1. Die Fronttaschen verlagern den Schwerpunkt genau in deinen Koerperschwerpunkt. Du must dich nicht mehr gegen den Rucksack nach vorne lehnen. Hab gestern noch Bilder von mir mit meinem und mit Spits Rucksack gesehen. Mit meinem steh ich entspannt und gerade, mit seinem lehne ich mich rein.

                                                                  2. Die Schultergurte sind durchgefuehrt. Soll heissen sie sind nicht unten mit dem Rucksack vernaeht sondern durch eine Schlaufe gefuehrt und mit der anderen Seite fest verbunden.
                                                                  Wenn ich auf einem normalen Rucksack eine Schulter anhebe (Gehbewegung, Schultern pendeln), dann hebe ich damit den Rucksack ein wenig an.
                                                                  Mit meinem Rucksack wird einfach die Schlaufe der sich hebenden Schulter laenger und die sinkende Schulter kuerzer. Dadurch hat man keinen Druck auf den Schultern, hat gleichzeitig weiter engen Kontakt, so dass der Sack nicht rumwabbelt. Du hast einfach volle Bewegungsfreiheit. Normale Rucksaecke geben mir mittlerweile ein Zwangsjackenfeeling.
                                                                  Frueher hatte ich immer starke Nackenschmerzen und rote Stellen auf den Schluesselbeinen. Das ist mit dem Aarn fast komplett weg.
                                                                  Wie gut das funktioniert siehst du auch daran, dass die Schultergurte fast keine Polsterung haben.

                                                                  3. Der Beckengurt hat ein Drittel der Dicke von meinem Gregory und ist leicht schaufelfoermig. Er ist hinten nur an einem Punkt mit dem Rucksack verbunden. Der Rucksack ‘haengt’ praktisch an diesem einen Punkt.
                                                                  Das gibt dir wieder mehr Bewegungsfreiheit, man hat nicht dieses Korsagefeeling dick gepolsterter Beckengurte und mit meiner Beckenanatomie funktioniert das prima.
                                                                  Ich hab mit dem Aarn bei schweren Lasten noch keine schmerzenden, blaue Hueftknochen gehabt. Mit dem Gregory war das Standard.

                                                                  Ich hab auch einen Tagesrucksack von Aarn fuer leichtere Lasten. Da nimmt man die Fronttaschen in der Regel nicht mit. Die Punkte 2 und 3 gelten aber trotzdem.
                                                                  Die Sorge, dass man seine Fuesse nicht sehen kann, haben viele Leute. Ich hab da irgendwann mal ausgiebig in Foren recherchiert. Zum Glueck trifft das nicht zu – ich hab das alte Modell, bei dem die Taschen sehr nah beieinander sitzen. Wenn ich nach unten schaue kann ich beide Fuesse sehen. Die Taschen blocken dann meine Sicht auf die Bereiche rechts und links daneben. Ich hab damit jedenfalls nie ein Problem gehabt, und ich renn hier in Neuseeland sehr viel in unwegsamem Gelaende rum.

                                                                  Die neuen Modelle setzen sogar noch etwas weiter aussen an, soll heissen man sieht noch mehr.
                                                                  Die andere Sorgen vieler Leute sind Ventilation und Aufhaengung der Taschen. Ventilation ist kein Thema, da die Fronttaschen Gestaenge drin haben, die leicht vom Koerper weggewoelbt sind. Ich kann trotz Fronttaschen die Arme vor dem Koerper verschranken, wenn ich will. Da ist also genug Platz fuer Luftzirkulation.

                                                                  Zur Aufhaengung – viele Leute gucken sich die Fotos an und bemaengeln, dass es keinen Sinn macht, die Taschen an den Schultern haengen zu haben. Die Taschen ‘stehen’ auf ihren Gestaengen und Mulden im Beckengurt. Die Taschen haben am oberen Ende eine Art offene Kunststoffklammer, durch die der Schultergurt laeuft. Sie verhindern nur, dass die Tasche nicht nach vorne kippt. Es haengt kein Gewicht dran.

                                                                  Euer Hauptproblem wird sein, einen dieser Rucksaecke in Deutschland zu bekommen. Es gab mal einen Vertrieb, der aber eingestellt wurde. Ein Freund von mir hat mal Zubehoer von einem Haendler in Daenemark bestellt. Ich weiss aber nicht, ob das noch moeglich ist. Aarn vertreibt meines Wissens nach hautptsaechlich in Neuseeland und vor allem in den USA. Stellt im Zweifel mal eine Anfrage per email – er oder seine Frau beantworten die Fragen in der Regel selbst. Aarn ist wirklich nur eine kleine Garagenfirma in Neuseeland, er laesst nur kleine Stueckzahlen im Ausland fertigen und von daher sind die Rucksaecke auch leider etwas teurer als der durchschnittliche Deuter.

                                                                  Ach und eine Sache noch: Die Rucksaecke sind erst einmal sauschwer einzustellen, das sie ganz anders funktionieren als andere Rucksaecke. Gute Beratung muss sein, sonst bekommt ihr nicht, was ihr braucht. Auch das duerfte in Europa schwierig werden.

                                                                  Was man mir im Laden aber erzaehlt hat, ist dass unheimlich viele Leute, die Wandern aufgrund koerperlicher Gebrechen aufgegeben hatten, mit einem Aarn wieder losziehen koennen. Wir haben hier viele 60+ Wandervereine, die auf die Dinger absolut abfahren. Auch hab ich schon von mehreren Leuten mit Rueckenproblemen gelesen, die damit wieder raus in die Natur konnten.
                                                                  (Ich sollte von Aarn langsam mal Provision verlangen ….)

                                                                  tl;dr Version
                                                                  Pro: Scheissbequem, leicht, Rentner- und Invalidenfreundlich
                                                                  Contra: Teuer, schwer einzustellen, schwer in Europa zu bekommen
                                                                  www.lightforge.co.nz
                                                                  Landschaftsfotografie aus Neuseeland und dem Rest der Welt

                                                                  Kommentar


                                                                  • Perc
                                                                    Erfahren
                                                                    • 10.04.2008
                                                                    • 119
                                                                    • Privat


                                                                    #34
                                                                    AW: [IS] Fjallabak & Laugavegur - die Odyssee

                                                                    Hier eine Liste mit Retailern und Distributoren. In der Schweiz, Oesterreich und Frankreich scheint es was zu geben:http://aarnpacks.com/buying/
                                                                    www.lightforge.co.nz
                                                                    Landschaftsfotografie aus Neuseeland und dem Rest der Welt

                                                                    Kommentar


                                                                    • ChrisB76
                                                                      Gerne im Forum
                                                                      • 05.08.2009
                                                                      • 95
                                                                      • Privat


                                                                      #35
                                                                      AW: [IS] Fjallabak & Laugavegur - die Odyssee

                                                                      Wow! Danke Jungs für die ausführliche Hilfe. Klingt ja echt nach einer Alternative... Sollte es nächstes Jahr noch mal klappen für längere Zeit nach NZ zu gehen, dann gucke ich mir die auf jeden Fall mal an

                                                                      Gesendet von meinem GT-I9300 mit Tapatalk 2

                                                                      Kommentar


                                                                      • Mika Hautamaeki
                                                                        Alter Hase
                                                                        • 30.05.2007
                                                                        • 3996
                                                                        • Privat


                                                                        #36
                                                                        AW: [IS] Fjallabak & Laugavegur - die Odyssee

                                                                        Einfach ein genialer Bericht! Vielen Dank für die tollen Fotos und den unterhaltsamen Schreibstil!
                                                                        So möchtig ist die krankhafte Neigung des Menschen, unbekümmert um das widersprechende Zeugnis wohlbegründeter Thatsachen oder allgemein anerkannter Naturgesetze, ungesehene Räume mit Wundergestalten zu füllen.
                                                                        A. v. Humboldt.

                                                                        Kommentar