• agricolina
    Erfahren
    • 05.05.2016
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    • Privat


    [SE/NO] Nordwärts. Grövelsjön, Glaskogen. Traum und Alptraum.

    Tourentyp Trekkingtour
    Breitengrad 62.106324
    Längengrad 12.298977
    Nordwärts. Grövelsjön, Glaskogen. Traum und Alptraum.



    Reisezeitraum: 23. August - 16. September 2019


    Der Alptraum

    Die Threema-Nachricht ploppt auf. Hier im Glaskogen Reservat ist bester Empfang. „Lies das mal“, steht über dem Link, den mir ein Freund aus Deutschland schickt. „Tödliche Hundeseuche in Norwegen“ steht da. Es ist Mitte September. Ich bin 1600 Kilometer weg von Zuhause. Nördlich. Zum ersten Mal da oben. Fast. Im Dezember zuvor war ich ein paar Tage dienstlich in Oslo und bin der Stadt, ihrer Luft und ihrem Licht vom ersten Moment an verfallen. Die schneidende Kälte, die Sonnenuntergänge über dem Oslofjord mittags um drei, die Dunkelheit, der Straßengitarrist im Schnee am Hafen, beleuchtet von einem Kreis aus Teelichtern; Licht, Fackeln, Feuer überall.

    Und jetzt die Rückkehr für die erste Nordland-Tour: Schweden, Norwegen, Fjell, alles Neuland. Ich war unterwegs um Grövelsjön, habe auf dem Rückweg Zeit zum Vertrödeln und bin im traumhaften Glaskogen-Naturreservat gelandet. Es ist Saisonende, ich bin auf dem riesigen Areal an Wald und See fast ganz allein. Ich sitze am Feuer, vor mir Böschung und das dunkle Gewässer, hinter mir das WoMo, um mich herum tiefste Stille. Neben mir mein Hund. Coco. Dreieinhalb Jahre alt und mir so nah wie noch keiner unserer Hunde bislang. Ich öffne den Link und lese: „Dutzende Hunde in Norwegen an rätselhaftem tödlichem Brechdurchfall gestorben“. Meist nördlich von Oslo, in der Grenzregion zwischen Norwegen und Schweden. Genau da, wo ich gerade herkomme.

    Viel steht nicht in dem Bericht hinter dem Link. Aber er setzt das Kopfkino in Gang. Hab' ich nicht letzte Woche im Rogengebiet das Pärchen mit dem Hund getroffen, das mich gefragt hat, ob ich von der Hundeseuche gehört habe? Und dann war da doch...

    Ich erstarre. In Grövelsjön hatte ich Kristin kennengelernt, eine deutsche Fernwanderin, die mit ihren zwei Hunden auf ihrer Tour durch Norwegen an der Sjöstugan gestrandet ist, weil einer der Hunde verletzt war. Sie wollte den Winter über dort jobben und hatte mir Tipps für meine Tour gegeben. Aber als ich zurückkam, hatte sie nur noch einen Hund. Der andere, erinnere ich mich entsetzt, war vier Tage nach meinem Tourstart praktisch von einer Stunde auf die andere gestorben, Kristins Zimmer voll von blutigem Erbrochenen und Durchfall, als sie von der Arbeit zurückkam, der Hund nicht mehr zu retten.

    Ich hatte das schon fast wieder vergessen. Ein fieses Gefühl steigt in mir hoch. Meine Coco hatte Schnuffelkontakt zu Kristins Hunden. Ich fange fieberhaft an zu rechnen.Wie lange ist der Kontakt zu dem kranken Hund her, zwei Wochen? Wie lange könnte bei einer Ansteckung die Inkubationszeit sein? Mein Blick fällt auf Coco, die zufrieden vor mir am Feuer liegt. Alles ist gut.



    In der gleichen Nacht, morgens gegen halb vier, bekommt Coco im Wohnmobil grauenhaften Durchfall und fängt an, sich zu erbrechen.




    Der Anfang

    Ihr hier seid schuld. Gäbe es dieses Forum und diese Nordland-Reiseberichte und Fotos nicht, wäre ich nie auf die Idee gekommen, meinen jahrzehntelang gewohnten Urlaubshorizont um 180 Grad zu drehen und nach Norden neu auszurichten. Im Winter 2018 stand der Entschluss fest: Im August/September 2019 geht es erstmals für knapp vier Wochen in den Norden. Nur: Wohin? Weit werde ich nicht kommen. Die Anreise aus dem Südwesten Deutschlands ist selbst in den skandinavischen Süden lang. Mit Hund kommt weder Flug noch Bahnreise wirklich in Frage, denke ich. Bleibt das Wohnmobil. Das schränkt Ziele und Zeit ein. Ich fahre allein. Mehr als eine Woche für An- und Rückfahrt sollte auf keinen Fall draufgehen.

    Also den Radius abgesteckt und eine Region für eine Rucksacktour von etwa 10+2 Tagen gesucht, möglichst autark, aber auf einigermaßen markierten Wegen und mit ein wenig Hütten-Infrastruktur zumindest irgendwo in Reichweite – sicher ist sicher. In den Alpen fühle ich mich ordentlich gelände- und wetterfest, weiß, was ich tue und besser lasse. Aber schließlich habe ich keine Fjellerfahrung. Keine Ahnung, was da oben auf mich zukommt.

    Plan A war dann nach einigem Geschreibe mit Forumsmitgliedern bald klar: Grövelsjön/Rogen-Gebiet. Andreas Tour hier sollte mir als grobe Vorlage dienen. Als mögliche Wetter-Ausweichziele hatte ich mir Jotunheimen oder die Vidda ausgeguckt, ohne detailliert zu planen.


    Anreise und Ankunft

    Mittwochabend los, 4 Stunden Autobahn nach Norden, Nachtstopp zwischen Kassel und Hannover, am nächsten Tag über die Alptraum A1 zwischen Hamburg und Kiel gequält. Donnerstag Nachmittag pünktlich und mit reichlich Reserve am Stena Line Kai in Kiel aufgeschlagen.


    Stena Line Kai, Kiel. Ganz schöner Pott.


    Die Hundekabine war rechtzeitig gebucht, Check-In tiptop organisiert. Doch schon recht aufregend für Mensch und Hund, das alles.


    Hundekabine, mit Napf.


    Einziges Manko: ein erbärmlich stinkendes Hundedeck.


    Wenigstens Frischluft.

    Nicht einmal auf Zehenspitzen wollte Coco die für die Hundegeschäfte vorgesehene Matte betreten. Dann lieber verhalten. Überraschung: Es gibt kein Handynetz und kein kostenfreies Wlan an Bord – da kann ich schon mal abschalten. Am nächsten Morgen dann der erste Bilderbuch-Blick auf Schweden – die Einfahrt nach Göteborg.


    So sieht's da also aus.


    Ich nehme mit dem Auto Kurs über Oslo und Norwegen nach Norden Richtung Femunden und dann über die 221 über die Grenze nach Grövelsjön. Und hallo: Das ist ja schon was ganz anderes hier. Alles neu, alles anders. So kann man Autobahnparkplätze also auch gestalten – warum geht das bei uns nicht?


    Autobahnparkplatz zum ersten...


    ...und zum zweiten. Wer will da schon weiterfahren?

    Je weiter es nach Norden geht, desto weniger Autos und desto mehr Wasser und Wald sehe ich. Stundenlang der Straße nach. Schnurgeradeaus, und das mit nervtötendem Tempo 80. Bei uns fährt man knappe 100 bei Tempo 80, hier fahren sie höchstens 70... und mitten im Nichts sind Radarfallen und Videokameras.


    Immer geradeaus.

    Der Wald rundum sieht zum Teil ganz schön mitgenommen aus. Brände? Käfer? Trockenschäden? Die Straße ist eine einzige Welle. Ein ganz neues Fahrgefühl, bei uns wird fast alles horizontal begradigt. Hier nicht. Am Horizont Berge. Sonst nichts, und davon ganz viel. Was, wenn ich hier eine Reifenpanne habe? Es ist praktisch kein Verkehr.

    Irgendwann stehen Rentiere auf der Straße. Und neben der Straße. Springen vor mir über die Straße. Schlendern auf der Straße.


    Gegenverkehr.


    Echt jetzt?!

    Da ploppt jedes Klischee live auf. Ich bin ganz offensichtlich in einem anderen Film gelandet. Und lasse mir Zeit, übernachte noch mal am Femunden-Strand.


    Femunden.


    Manno!

    Soll ich nicht gleich hier bleiben? Warum hab ich kein Boot dabei? Das frage ich mich später noch öfter. Packraft, ich komme. Unfassbare Natur. Freitagmittag dann erreiche ich Grövelsjön, fahre die Straße von der Fjällstation abwärts zum Parkplatz an der Stjöstugan. Auf einmal bin ich da.


    Drüben Stjöstugan mit WoMo-Parkplatz.

    Die erste Hunderunde geht an den See, alles erkunden, erschnüffeln, erschauen.



    Ich höre: nichts. Auch deswegen bin ich hier. Stille, endlich. Ein Stück den Fluss entlang, zum Sandstrand am See.





    Und gleich der richtige Eindruck: Ich laufe zwar streng genommen auf einem Pfad am festen Ufer, aber eigentlich eine Handbreit tief im Wasser.



    Bei jedem Tritt quietschen die Schuhe. Das Wasser steht sogar am Hang. Das glaubt mir zuhause keiner. Wie geht das denn? Warum läuft es nicht ab? Gibt's hier keine Schwerkraft?

    Ich finde die alte Bootshütte, die ich von den Fotos in Andreas Bericht kenne, die Brücke, die ich als Hintergrund auf meinem Rechnerdisplay habe.





    Echt jetzt – ich bin hier? Mache ich das jetzt wirklich? Schon klar: Ich schreibe gerade genau das gleiche wie alle anderen Premierengänger...

    Mit Erik von der Sjöstugan kläre ich für zwei Tage einen der wenigen Stellplätze, bis ich zur Tour aufbreche. Mit Strom, Toiletten- und Duschenbenutzung. Danach soll das WoMo oben auf den großen Parkplatz kommen, so lange ich auf Tour bin. Zwei Tage will ich mich noch an das Gelände gewöhnen, mich orientieren, Karte und Echtbild in Einklang bringen, Wetter, Wind und Wolkenzug beobachten, Tagestouren machen, Rucksack packen.

    Nächste Premiere: An der Stugan gibt es dieses Nachmittagsangebot für einen Zehner: Våfflor mit Hjortronsylt und Sahne, dazu Kaffee, so viel man mag. Hier lerne ich Kristin kennen, die bis zum Frühjahr hier jobbt und die leckeren Waffeln backt. Dann will sie ihre Tour mit ihren beiden kleinen Hunden fortsetzen. Ein Volltreffer für mich. Sie kennt jeden Weg, jede Tour und das Gebiet, in das ich will. Wir verabreden uns für ihren Feierabend, um meine geplante Runde abzusprechen. Montag will ich aufbrechen. Die Zeit bis dahin verfliegt. Ich kann es kaum abwarten. Und dann steht da der gepackte Rucksack vor dem WoMo. Coco trägt einen Teil ihres Futters selbst. Es geht los.



    Aufbruch.
    Zuletzt geändert von agricolina; 24.01.2021, 21:15.

  • oesine63
    Erfahren
    • 27.11.2013
    • 430
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    #2
    AW: [SE/NO] Nordwärts. Grövelsjön, Glaskogen. Traum und Alptraum.

    Was für eine Einleitung! Einerseits verspüre ich riesige Freude über einen weiteren Bericht aus dem hohen Norden, andererseits gefriert mir das Blut in den Adern wenn ich das mit Coco lese. Ich finde deinen Schreibstil sehr ansprechend (die Fotos sowieso). Drücke euch die Daumen!

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    • ks
      Erfahren
      • 16.03.2015
      • 324
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      #3
      AW: [SE/NO] Nordwärts. Grövelsjön, Glaskogen. Traum und Alptraum.

      Sehr schöne Fotos und spannend geschrieben. Ich freue mich schon auf die Fortsetzung und hoffe das beste für Coco.

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      • andrea2
        Dauerbesucher
        • 23.09.2010
        • 977
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        #4
        AW: [SE/NO] Nordwärts. Grövelsjön, Glaskogen. Traum und Alptraum.

        Hallo agricolina,

        zuerst einmal freue mich sehr, dass du nun mit deinem Bericht beginnst. Ich bin gespannt, inwieweit du dich von unserer Route hast inspirieren lassen.

        Ich muss mich meinen "Vorschreibern" anschließen, du hast einen unglaublich packenden Schreibstil, man ist sofort mit dabei in eurem Urlaub. Die Fotos runden das Gesamtpaket wunderbar ab.

        Aber bitte, bitte erlöse uns von der Ungewisseheit, wie geht es Coco? Es hat mich doch sehr geschockt, wie schlimm das Drama war, das du in einem Nebensatz in meinem Bericht vom letzten Jahr angesprochen hast.

        Zitat von agricolina Beitrag anzeigen
        Überraschung: Es gibt kein Handynetz und kein kostenfreies Wlan an Bord – da kann ich schon mal abschalten.
        Doch, das gibt es, haben sie nur gut versteckt. Zum einen funktioniert es nicht in den Kabinen, man muss also mindestens hinaus auf den Gang. Wenn man dann das Gästewlan ankickt, kommen erst die ganzen Bezahloptionen, erst wenn man runterscrollt, kommt zuletzt eine kostenlose halbe Stunde.

        LG Andrea
        Zuletzt geändert von andrea2; 01.07.2020, 17:50.

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        • Bergahorn
          Erfahren
          • 13.04.2019
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          #5
          AW: [SE/NO] Nordwärts. Grövelsjön, Glaskogen. Traum und Alptraum.

          Oh, es geht los, wie schön! Ich freue mich und bin gespannt auf eure Abenteuer, deine Schreibe und die tollen Bilder haben mich sofort im Geiste mit auf die Reise entführt! Müssen sich aber deine Leser wirklich bis zum letzten Berichtstag um Coco sorgen??? Bitte schreibe bald weiter!!!

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          • Mika Hautamaeki
            Alter Hase
            • 30.05.2007
            • 3996
            • Privat


            #6
            AW: [SE/NO] Nordwärts. Grövelsjön, Glaskogen. Traum und Alptraum.

            Sehr spannender Stil. Und eine Gegend, die ich nie vergessen werde, da auch ich, dort meine erste Tour startete.
            Auch schön zu sehen, dass der alte Windschutz immer noch so ausssieht wie 2001
            So möchtig ist die krankhafte Neigung des Menschen, unbekümmert um das widersprechende Zeugnis wohlbegründeter Thatsachen oder allgemein anerkannter Naturgesetze, ungesehene Räume mit Wundergestalten zu füllen.
            A. v. Humboldt.

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            • agricolina
              Erfahren
              • 05.05.2016
              • 269
              • Privat


              #7
              AW: [SE/NO] Nordwärts. Grövelsjön, Glaskogen. Traum und Alptraum.

              Zitat von oesine63 Beitrag anzeigen
              Was für eine Einleitung! Einerseits verspüre ich riesige Freude über einen weiteren Bericht aus dem hohen Norden, andererseits gefriert mir das Blut in den Adern wenn ich das mit Coco lese. Ich finde deinen Schreibstil sehr ansprechend (die Fotos sowieso). Drücke euch die Daumen!
              Zitat von ks Beitrag anzeigen
              Sehr schöne Fotos und spannend geschrieben. Ich freue mich schon auf die Fortsetzung und hoffe das beste für Coco.
              Zitat von Bergahorn Beitrag anzeigen
              Oh, es geht los, wie schön! Ich freue mich und bin gespannt auf eure Abenteuer, deine Schreibe und die tollen Bilder haben mich sofort im Geiste mit auf die Reise entführt! Müssen sich aber deine Leser wirklich bis zum letzten Berichtstag um Coco sorgen??? Bitte schreibe bald weiter!!!
              Zitat von Mika Hautamaeki Beitrag anzeigen
              Sehr spannender Stil. Und eine Gegend, die ich nie vergessen werde, da auch ich, dort meine erste Tour startete.
              Auch schön zu sehen, dass der alte Windschutz immer noch so aussieht wie 2001
              Vielen lieben Dank euch für die netten und anspornenden Rückmeldungen!

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              • agricolina
                Erfahren
                • 05.05.2016
                • 269
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                #8
                AW: [SE/NO] Nordwärts. Grövelsjön, Glaskogen. Traum und Alptraum.

                Ok, ich habe ein schlechtes Gewissen und bin sehr gerührt wegen der Nachfragen. Tut mir leid, das war als Cliffhanger vielleicht too much. Aber weil der Urlaub schon sehr unter dem Schatten dieses Ereignisses stand, schien es mir dramaturgisch passend, daraus auch die Klammer zu machen.

                Und was wirklich genau so passiert ist: Am Abend bekam ich den Link, in der Nacht wurde Coco krank. Kompletter Gruselfilm. Aber dazu später.

                Hier erst einmal die Entwarnung: Coco schnauft im Moment friedlich zu meinen Füßen. Und dieses Selfie von uns habe ich im Glaskogen Reservat zwei Tage später gemacht.



                Sieht nicht so aus. Ist aber pures Glück, vermutlich beidseitig.

                Bald geht's weiter! Danke fürs mitlesen.

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                • agricolina
                  Erfahren
                  • 05.05.2016
                  • 269
                  • Privat


                  #9
                  AW: [SE/NO] Nordwärts. Grövelsjön, Glaskogen. Traum und Alptraum.

                  Zitat von andrea2 Beitrag anzeigen
                  Hallo agricolina,

                  zuerst einmal freue mich sehr, dass du nun mit deinem Bericht beginnst. Ich bin gespannt, inwieweit du dich von unserer Route hast inspirieren lassen.

                  Doch, das gibt es, haben sie nur gut versteckt. Zum einen funktioniert es nicht in den Kabinen, man muss also mindestens hinaus auf den Gang. Wenn man dann das Gästewlan ankickt, kommen erst die ganzen Bezahloptionen, erst wenn man runterscrollt, kommt zuletzt eine kostenlose halbe Stunde.

                  LG Andrea

                  Und dir, liebe Andrea, noch mal einen ganz lieben Extradank für deine Hilfsbereitschaft, deine Geduld, meine unzähligen Fargen zu beantworten, und die vielen guten Tipps. Hat mir alles sehr geholfen. Ich komme bestimmt gelegentlich noch auf dich zu - das war ja erst der Anfang!

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                  • Fjellfex
                    Fuchs
                    • 02.09.2016
                    • 1511
                    • Privat


                    #10
                    AW: [SE/NO] Nordwärts. Grövelsjön, Glaskogen. Traum und Alptraum.

                    Zitat von agricolina Beitrag anzeigen
                    Ok, ich habe ein schlechtes Gewissen und bin sehr gerührt wegen der Nachfragen. Tut mir leid, das war als Cliffhanger vielleicht too much.
                    Der Cliffhanger war echt ein bißchen krass...

                    Schön, daß man sich jetzt ungetrübt der Vorfreude auf den -Bericht hingeben kann, der sich hier zusammenbraut.

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                    • oesine63
                      Erfahren
                      • 27.11.2013
                      • 430
                      • Privat


                      #11
                      AW: [SE/NO] Nordwärts. Grövelsjön, Glaskogen. Traum und Alptraum.

                      Vielen Dank für die Entwarnung! Jetzt kann ich entspannt genießen

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                      • andrea2
                        Dauerbesucher
                        • 23.09.2010
                        • 977
                        • Privat


                        #12
                        AW: [SE/NO] Nordwärts. Grövelsjön, Glaskogen. Traum und Alptraum.

                        Vielen lieben Dank auch von mir für die Entwarnung.

                        Jetzt freu ich mich uneingeschränkt auf deinen Bericht.

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                        • vobo

                          Vorstand
                          Dauerbesucher
                          • 01.04.2014
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                          #13
                          AW: [SE/NO] Nordwärts. Grövelsjön, Glaskogen. Traum und Alptraum.

                          Also ich fand den Einstieg total spannend - und irgendwo ganz hinten im Kopf habe ich gespürt dass es nicht ganz schlimm ausgegangen ist. Insofern weiter so, ich bin sehr gespannt auf Deine Erlebnisse.

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                          • evernorth
                            Fuchs
                            • 22.08.2010
                            • 1835
                            • Privat


                            #14
                            AW: [SE/NO] Nordwärts. Grövelsjön, Glaskogen. Traum und Alptraum.

                            Ein guter cliffhanger ist immer.....äh...gut!
                            Ich habe auch nicht gleich mit dem Schlimmsten gerechnet...

                            Davon abgesehen: Nicht nur die Aufregung vor dem ersten Mal, nein, überhaupt die Anlage der ganzen Geschichte lässt mich voller Erwartung von Anfang an mitfiebern.
                            Gut geschrieben und herrliche Fotos....da bin ich gespannt.
                            My mission in life is not merely to survive, but to thrive; and to do so with some passion, some compassion, some humor and some style. Maya Angelou

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                            • agricolina
                              Erfahren
                              • 05.05.2016
                              • 269
                              • Privat


                              #15
                              ...nur die Info, dass es hier jetzt und gerade endlich weitergehen sollte, aber ich muss mir erst was überlegen, von meinem alten Macbook lässt sich nichts mehr hochladen in die neue Software

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                              • Blahake

                                Vorstand
                                Fuchs
                                • 18.06.2014
                                • 1591
                                • Privat


                                #16
                                Ich drücke ganz fest die Daumen, dass das bald klappt! Ich freu' mich doch schon so auf Deinen weiteren Bericht!

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                                • agricolina
                                  Erfahren
                                  • 05.05.2016
                                  • 269
                                  • Privat


                                  #17
                                  Montag, 26.8. - Grövelsjön Stjöstugan - Brücke Grøvelåa

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                                  Brücke über den Grövlan

                                  Was erlauben Rucksack!!! Zu schwer, viel zu klein, überall baumelt außen was. Kann ich gar nicht leiden. Dabei habe ich für 10 Tage Proviant und Brennstoff, rund 750 Gramm pro Tag. 17 kg ohne Wasser etwa. Coco trägt in Satteltaschen einen Teil ihres Futters und ihrer Ausrüstung, den Rest trage ich. Dazu die Bauchtasche für Karten, Handy, Kamera, 7-Zoll-Tablet, Powerbank, Kabelzeugs. Mir kommen Zweifel. 55+10 Liter (mein alter Gregory Maven) waren vielleicht doch etwas ambitioniert...? Und außerdem bin ich viel zu spät, es ist schon nach zwölf. Völlig wurscht, ich habe ja Urlaub! Dafür ist das Wetter ideal, nur ein paar dunkle Wolken ziehen schnell über die Berge. Windig ist es. Ich freue mich so!

                                  Der grobe Plan: Grövelsjön, über das Salsfjellet nach Sylen – Grøtådalen - Reva - Bustvålen – Rogenstugan – Tandsjövålen – Slagufjället – Hävlingen - Långfjället – Grövelsjön.

                                  Alles schön auf Wegen, na ja fast, und immer irgendwo ein Hütte in Reichweite.
                                  Aber nach Kartenstudium mit Kristin habe ich mir mehrere Optionen offen gelassen. Schließlich habe ich keine Ahnung, wie schnell ich tatsächlich vorwärts komme und wie das Gelände ist. Vor allem das Grotadalen und weiter über Oasen nach Reva ist für mich ein Unsicherheitsfaktor. Das Gelände soll weglos sein, obwohl auf meiner Karte eine gepunktete Stecke eingetragen ist. Das kann, sagen sie hier, anspruchsvoll sein – aber was heißt das?

                                  An Karten dabei: Outdoorkartan Blad 13 (wasserfest, 1:75000) und die Fjällkartan W51 (1:50000), letztere benutze ich dann aber kaum. Dazu auf dem Tablet via Komoot die ganze Region als offline-Karte. In der Kombination fühle ich mich am wohlsten, ich mag Papierkarten zur Orientierung, aber das kleine Tablet mit dem GPS hat sich öfter schon als sehr hilfreich erwiesen, wenn die Wegführung unklar ist und es mehrere Möglichkeiten gibt.

                                  Also los! Aber kaum habe ich den Rucksack aufgesetzt und die ersten Schritte vom Parkplatz aus Richtung See gemacht, geht mir mein Hund durch. Coco flitzt begeistert durchs Gebüsch, und als nächstes sehe ich ein Dutzend Rentiere keine 100 Meter von der Sjöstugan eher unentspannt davonstieben. Coco lässt sich zurückrufen, aber ich schrumpfe auf Daumengröße – hoffentlich hat das keiner gesehen und ich kriege keinen Ärger. Das schlechte Gewissen lässt mich gleich noch mehr unter dem Rucksack zusammensacken. Kristin hat erwähnt, dass hier auch schon mal ohne großes Fackeln auf frei laufende Hunde geschossen wird. Ufff! Damit habe ich unmittelbar hier an Parkplatz und Sjöstugan echt nicht gerechnet, aber jetzt bleibt der Hund erst mal an der Leine.

                                  Dann stehe ich an der Brücke über den Grövlan - und damit mitten in dem Bild, das ich seit einem halben Jahr als Hintergrund auf meinem Rechner habe. Irgendwer hat mich vom Schreibtisch in diese Szene gebeamt. Hat was. Ist aber schon schräg.

                                  Also ´rüber über die Brücke – und dann aufwärts. Den Weg bin ich vor zwei Tagen schon zum Kennenlernen hochgelaufen Richtung Sjohøgda, aber die anvisierte Besteigung habe ich auf halber Strecke, weglos verloren im Geröll und fast weggeblasen, abgebrochen.

                                  Der Rucksack fühlt sich gut an, nichts drückt, zwickt oder quietscht. Nur wackelt viel außen dran. Dafür krieche ich nur bergauf. Macht mir aber gar nichts. Ich habe mir fest vorgenommen, mich völlig frei zu machen von Kilometerzählerei und festen Zielvorgaben. Ich habe Urlaub, genug Puffertage und bleibe, wo es mir gefällt. Nichts müssen. Und wenn ich merke, hier ist es gar nichts für mich, drehe ich um. Das ist der eigentliche Plan: Irgendwohin, wo es schön ist. Zelt aufbauen, an der Ausrüstung freuen. Und einfach da sein.

                                  Das ist ein echtes Problem. Denn schon auf den ersten zwei Kilometern aufwärts sind die Versuchungen unverschämt. Das ist es traumhaft! Und da! Und dort noch besser – ein Zeltplatz schöner als der andere, sichtlich gut eingelegen, mit Wasseranschluss und Panoramablick...wer will denn da schon vorbeigehen?

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ID: 3015585
                                  Nicht doch hier bleiben?


                                  Das kann ja heiter werden. Ich fange Diskussionen mit mir an, dass das doch auch toll wäre, einfach jeden Tag mal ein, zwei Kilometer weiter – reicht doch auch?

                                  Nix da. Es geht über den Grenzzaun und rauf aufs Salsfjellet. Die Landschaft ändert sich. Es wird steinig. Windig. Wo kommen eigentlich all die Steine her? Steine, soweit das Auge reicht. Da oben bläst es mir ganz schön entgegen. Ich marschiere vor mich hin und grüble, wo man hier überhaupt ein Zelt aufbauen könnte, wenn man müsste.

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                                  Wo kommen die ganzen Steine her?


                                  An der Abzweigung Linnesweg/Richtung Svukuriset kommt mir ein Pärchen entgegen, die ersten Rucksackwanderer, die ich treffe! Wir wechseln ein paar englische Brocken, woher, wohin, ich rufe den Hund - „ach, du bist Deutsche!“ Na dann. Sie haben da irgendwo weit hinten in der Steinwüste unterhalb vom Forbogen das Zelt aufgebaut, keinen geschützten Platz gefunden. „War es nicht ziemlich windig?“ frage ich. Ja, ziemlich, bestätigt er, aber alles gar kein Problem. Sie verzieht das Gesicht, sagt nichts. Ah ja..

                                  Coco und ich suchen uns weiter den Weg durch die Steine. Nicht einfach, einen windgeschützten Platz für ein Päuschen zu finden, es wird dann eine kleine Bachsenke, wir schmeißen alles von uns.

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                                  Coco ist sichtlich froh, dass ich ihr die Taschen mal abnehme, und beginnt eine Wälzorgie. Herrlich ist es hier. Allmählich kommt im Osten tief unten wieder der Grövelsjön in Sicht, der Weitblick darüber hinweg ist fantastisch.

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                                  Grövelsjön, unten am Nordufer Sylen, im Hintergrund Grothogna

                                  Aber nach Sylen runter kommt die erste kleine Bewährungsprobe. Der Wald ist toll, aber das Gelände wird blockiger, steiler. Stöcke und Leine verheddern sich, die Leine bleibt hängen, der Hund muss warten und ist genervt, ich bin genervt, weil ich über Stöcke und Leine stolpere. Der Abstieg nimmt und nimmt kein Ende. Sind dann nicht mal 300 Höhenmeter, kommt mir vor wie das Dreifache. So ist das also hier.

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                                  Brücke über den Grøvelåa - alles von uns schmeißen...

                                  Endlich unten. Als ich die Brücke über den Grøvelåa passiere, will ich gleich danach direkt am Wasser alles fallen lassen – aber da lacht er mich aus einiger Entfernung unwiderstehlich an und ich strahle über alle Backen zurück: mein erster Lagerplatz, eine Wiese ein kleines Stück von der Brücke entfernt, ein bisschen Buschwerk, sogar mit kleiner Feuerstelle. Leider ist die Tabu, es herrscht Feuerverbot in ganz Schweden. Es ist gerade mal 17 Uhr durch, nur neun Kilometer habe ich zurückgelegt. In knapp 3 Stunden reiner Gehzeit. Unterwegs war ich knapp fünf Stunden, aber die Uhr ist gnadenlos und stoppt sofort, wenn ich stehenbleiben. Bescheiden. Aber in den Tagesnotizen steht: „Wurde Zeit. Merke jetzt die Anstrengung.“

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                                  Das da hinten links isser doch!

                                  Ein Pärchen ist gerade am zusammenpacken, sie haben Pause gemacht, wollen noch drei Stunden weiter. Wir wechseln ein paar englische Brocken, ich rufe Coco, „Ach, du bist Deutsche...!“ -...samesame. Sie kommen durch das Grøtådalen und überbringen mir schlechte Nachrichten von meinem geplanten Weiterweg. Von Reva bis Oasen haben sie zum Teil in einer Stunde gerade mal einen Kilometer geschafft, der Weg sei zum Teil nicht auffindbar, sie haben sich verlaufen, die Strecke sei sumpfig, voller Wasserlöcher, und es sei recht mühsam, vorwärtszukommen, die Schuhe nicht mehr trockenzubekommen. Auch den Weg durchs Grotadalen fanden sie rutschig, die Wegfindung nicht einfach.

                                  Ich komme ins Grübeln und berichte von meinen Bedenken – ich bin ja Frischling hier, habe den schweren Rucksack, den Hund an der Leine und bin nicht so sehr aufs Steigen über rutschige Blöcke aus...Wenn ich zu lange brauche bis zur Skebrodstugan, komme ich in das Regengebiet, das am Donnerstag ankommen soll. Das wollte ich eigentlich in einer Hütte abwettern. Aber zwischen Oasen und Reva soll es außer einer Jagdhütte keine Zeltmöglichkeit geben, und im Regen weglos im Sumpf unterwegs sein...? Hmmm...

                                  Wir verabschieden uns, ich baue meine Behausung auf. So lange habe ich auf diesen Moment gewartet. Nach dem Essen lümmele ich draußen auf meinem Chairkit herum. Beim Rucksackpacken hatte ich ihn noch in der Hand, 550g Mehrgewicht, ja oder nein? Bin ich happy, dass ich das Teil mitschleppe!

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                                  Coco ist völlig platt, will kaum was fressen und streckt alles von sich. Bisschen Massage, Pfotenpflege. Sieht gut aus. Ihre Satteltaschen sind noch gut gefüllt, und die Blockfelder waren auch für sie anstrengend. Große rote Ameisen treiben uns ins Zelt, um acht schon liege ich im Schlafsack. Es ist warm, bis auf das Rauschen des Bachs und ein paar Windböen umgibt uns Stille. Kein Mensch, kein Zivilisationsgeräusch. Wie hab ich mich danach gesehnt. Aus dem schwarzen Hundeknäuel, das warm an meine Beine drückt, kommt ab und zu ein tiefer Schnaufer. Ich bin so gerne in meinem Zelt da draußen. Endlich hier! Route? Mach ich morgen.

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ID: 3015593
                                  Da kommen wir her - Blick zurück aufs Salsfjellet

                                  Erkenntnis des Tages: 500 g Mehrgewicht sind gar nix gegen den ChairKit-Luxus!



                                  Dienstag, 27.8. Brücke Grøvelåa - Hävlingen

                                  Die erste Nacht gut verbracht. Aber der Entschluss steht fest: Ich muss endlich auf einen Quilt wechseln. Mein Schlafsack ist ja schon extra Seitenschläfer-eiförmig, aber ich muss nachts die Beine seitlich wegstrecken, sonst bin ich morgens gerädert. Fühle mich wie in einer Zwangsjacke, wenn der Schlafsack ganz zu ist. Das Zelt ist außen nass und bracht eine Weile zum Trocknen.

                                  Die Diskussion mit mir beim Frühstück über die Route endet schon am zweiten Tag mit der Schisser-Entscheidung, dass ich erstens Frischling bin und zweitens Respekt haben darf. Deshalb plane ich um, obwohl das bedeutet, dass ich leider die große Rogenumrundung und auch das Grøtådalen verpassen werde, von dem Andrea2 so geschwärmt hat. In zwei Tagen wäre das kritische Gebiet in meinem Tempo nicht zu schaffen, und ich will nicht stressen und nichts riskieren. Ein bisschen enttäuscht bin ich aber schon von mir.

                                  Also soll es über Hävlingen Richtung Rogen gehen, dann erreiche ich auf jeden Fall eine Hütte, in der ich notfalls den Regen aussitzen kann. Um 10.45h sind wir abmarschbereit. Für mich Murmeltier (Gruß an die Lerchen ) ganz passabel.


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                                  • evernorth
                                    Fuchs
                                    • 22.08.2010
                                    • 1835
                                    • Privat


                                    #18
                                    Ach, toll, es geht weiter. Und so ein schickes Zelt (kommt mir irgendwie bekannt vor )!
                                    Ich freue mich.
                                    My mission in life is not merely to survive, but to thrive; and to do so with some passion, some compassion, some humor and some style. Maya Angelou

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                                    • Fjellfex
                                      Fuchs
                                      • 02.09.2016
                                      • 1511
                                      • Privat


                                      #19
                                      YEAH! Es geht weiter....
                                      Donnerwetter; 10:45 Aufbruch... voll krass.
                                      Und für Routenänderungen braucht es keine Rechtfertigungen. Es geht im Fjäll nicht darum, Kilometer und Höhenmeter zu maximieren, sondern die Freude am unterwegs sein.

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                                      • Bergahorn
                                        Erfahren
                                        • 13.04.2019
                                        • 441
                                        • Privat


                                        #20
                                        Wunderbar, dass es nun endlich weitergeht!!!
                                        Ich kann mir gut Cocos Enttäuschung vorstellen, weil sie die Rentiere nicht hüten durfte. Echt gemein!
                                        Die vielen Steine sind mit Sicherheit versteinerte ehemalig am Rucksack von Steinzeit-Trekkern baumelnde Gepäckstücke, die sie zwecks ul abgeworfen haben. Alles Chairkits... Würde ich ja nie mitschleppen, da mache ich lieber Sitzorigami. Aber wunderbar, wenn es für dich passt!
                                        Freu' mich auf die Fortsetzung!

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                                        • andrea2
                                          Dauerbesucher
                                          • 23.09.2010
                                          • 977
                                          • Privat


                                          #21
                                          Wie schön, dass es weiter geht. Ich bin gespannt welche Runde es wird.

                                          Ich hab das Grøtådalen gar nicht so matschig in Erinnerung. Haben wir den Weg suchen müssen? Ich glaube nicht, aber dazu müsste ich meinen eigenen Reisebericht lesen. Ist ja nun schon ein paar Jahre her. Aber welchen Weg ihr nehmt ist letztlich nicht so wichtig, Hauptsache ihr habt eine schöne Wanderung.

                                          Zitat von agricolina Beitrag anzeigen
                                          Aus dem schwarzen Hundeknäuel, das warm an meine Beine drückt, kommt ab und zu ein tiefer Schnaufer.


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                                          • Mika Hautamaeki
                                            Alter Hase
                                            • 30.05.2007
                                            • 3996
                                            • Privat


                                            #22
                                            Solltest Du nochmal in die Gegend kommen, auf jeden Fall das Grötadalen mitnehmen. Vor allem der Zeltplatz derin Andreas und meinem Bericht erwähnt wird, ist ein Traum.
                                            So möchtig ist die krankhafte Neigung des Menschen, unbekümmert um das widersprechende Zeugnis wohlbegründeter Thatsachen oder allgemein anerkannter Naturgesetze, ungesehene Räume mit Wundergestalten zu füllen.
                                            A. v. Humboldt.

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                                            • Mika Hautamaeki
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                                              • 30.05.2007
                                              • 3996
                                              • Privat


                                              #23
                                              Zitat von andrea2 Beitrag anzeigen
                                              Wie schön, dass es weiter geht. Ich bin gespannt welche Runde es wird.

                                              Ich hab das Grøtådalen gar nicht so matschig in Erinnerung. Haben wir den Weg suchen müssen? Ich glaube nicht, aber dazu müsste ich meinen eigenen Reisebericht lesen. Ist ja nun schon ein paar Jahre her. Aber welchen Weg ihr nehmt ist letztlich nicht so wichtig, Hauptsache ihr habt eine schöne Wanderung.


                                              Andrea, bei meinen drei Besuchen im Grötadalen war der Bereich in der Nähe des Stor Svuku (Grötadalsaetra) ziemlich sumpfig. Weiter Richtung Grövelsjön (Süden) wurde es sehr schnell deutlich trockener, selbst beim ersten Mal (2001) im Dauerregen war es unproblematisch.
                                              So möchtig ist die krankhafte Neigung des Menschen, unbekümmert um das widersprechende Zeugnis wohlbegründeter Thatsachen oder allgemein anerkannter Naturgesetze, ungesehene Räume mit Wundergestalten zu füllen.
                                              A. v. Humboldt.

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                                              • agricolina
                                                Erfahren
                                                • 05.05.2016
                                                • 269
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                                                #24
                                                Zitat von andrea2 Beitrag anzeigen

                                                Ich hab das Grøtådalen gar nicht so matschig in Erinnerung.
                                                In deinem Bericht ist es auch nicht matschig gewesen, ich hatte den nochmal nachgelesen. Ich hatte nur Sorge, weil ich einfach nicht wusste, was mich erwartet.

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                                                • agricolina
                                                  Erfahren
                                                  • 05.05.2016
                                                  • 269
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                                                  #25
                                                  Zitat von Mika Hautamaeki Beitrag anzeigen
                                                  Solltest Du nochmal in die Gegend kommen, auf jeden Fall das Grötadalen mitnehmen. Vor allem der Zeltplatz der in Andreas und meinem Bericht erwähnt wird, ist ein Traum.
                                                  Das mache ich auf jeden Fall, ich habe nach der Rückkehr eure Berichte nochmal nachgelesen und mich so geärgert, dass ich nicht einfach wie geplant durchgelaufen bin...

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                                                    Erfahren
                                                    • 05.05.2016
                                                    • 269
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                                                    #26
                                                    Zitat von Bergahorn Beitrag anzeigen
                                                    Wunderbar, dass es nun endlich weitergeht!!!
                                                    Ich kann mir gut Cocos Enttäuschung vorstellen, weil sie die Rentiere nicht hüten durfte. Echt gemein!
                                                    Die vielen Steine sind mit Sicherheit versteinerte ehemalig am Rucksack von Steinzeit-Trekkern baumelnde Gepäckstücke, die sie zwecks ul abgeworfen haben. Alles Chairkits... Würde ich ja nie mitschleppen, da mache ich lieber Sitzorigami. Aber wunderbar, wenn es für dich passt!
                                                    Freu' mich auf die Fortsetzung!
                                                    Sitzorigami...

                                                    Ja, das mit den Rentieren... Ich hab sie zwischendrin auch mal von der Leine gelassen, ich konnte gar nicht so schnell schauen, wie die den Hang hinauf geflitzt ist, über Stock und Stein zu einem winzigen Punkt wurde und irgendwo am Horizont nach ein paar Schreckminuten dann wieder aufgetaucht ist. Da waren aber keine Rentiere schuld und in der Nähe, sondern einfach dieser aufgestaute Bewegungsdrang vom ewigen Leinelatschen. Die will halt rennen. Da muss ich mir echt was überlegen zwischendrin.
                                                    Zuletzt geändert von agricolina; 31.01.2021, 17:28.

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                                                      • 05.05.2016
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                                                      #27
                                                      Zitat von Fjellfex Beitrag anzeigen
                                                      YEAH! Es geht weiter....
                                                      Donnerwetter; 10:45 Aufbruch... voll krass.
                                                      Hihi , ja, im Urlaub stehe ich extra früh auf

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                                                        • 05.05.2016
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                                                        #28
                                                        Zitat von evernorth Beitrag anzeigen
                                                        Und so ein schickes Zelt (kommt mir irgendwie bekannt vor )!
                                                        Ich freue mich.
                                                        Danke
                                                        Ja, das Zelt hat sich echt bewährt. Warm und ich fühle mich auch bei Wind echt sicher. Einzig fetter Minuspunkt ist das Ein- und Aussteigen bei Regen, finde ich. Ich werde nass vom Eingang und das Innenzelt auch, wenn ich es nicht vorher aushänge und nach hinten schiebe. Und das Ein- und Aushängen des Innenzeltes ist echt grottig mit den winzigen Schnallen, wenns mal nötig ist. Da breche ich mir fast die Finger, das ist ein böses Gewurschtele. Hattest du das modifiziert bei dir?

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                                                          • 05.05.2016
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                                                          #29
                                                          Dienstag, 27.8. Brücke Grøvelåa - Hävlingen
                                                          ca. 13 km




                                                          Weiter geht's...

                                                          Es geht stetig bergan. Buschwerk, Wäldchen, Steine, auf gutem Weg.
                                                          Immer mal wieder dieses herrliche grüne Moos, völlig unwirklich.


                                                          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: IMG_4188.JPG Ansichten: 0 Größe: 191,0 KB ID: 3017375

                                                          Zeit, mal nachzudenken. Hab ich mir das hier so vorgestellt? Nö. Ich hatte nur die Berichte und Bilder im Kopf. Keine Vorstellung, wie sich das anfühlt. Wie die Luft ist. Tatsächlich glaube ich, hier freier zu atmen. Will ich das hier so machen? Absolut! Aber so der meditative Spirit – ichdenkeübermeinlebennachundkommezuwichtigenerkenntnissen – glänzt durch völlige Abwesenheit. Es ist alles zu neu. Und, ganz ehrlich: Das Jetzt und Hier strengt mich auch ziemlich an.

                                                          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: DSC00733.JPG Ansichten: 0 Größe: 133,1 KB ID: 3017376
                                                          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: IMG_4187.JPG Ansichten: 0 Größe: 162,0 KB ID: 3017396

                                                          Es geht zurück über den Grenzzaun nach Schweden, dann ist irgendwann die Hochebene erreicht. Da rechts ragt der Steinhaufen des Pråatha hoch, an dessen steiler Nordflanke der Weg entlang führt. Hatte ich schon mal was von Steinen erwähnt? Gestern, erkenne ich steinschlagartig, war's nicht steinig. Ganz und gar nicht. Nicht im Vergleich zu jetzt.

                                                          Jetzt ist es steinig (denke ich da noch, ich doofer Frischling...) Es weht ein strammer Wind aus West, zum Glück von hinten. 6/8tel Bewölkung habe ich notiert, es ist frisch, ideales Laufwetter. Kein Windschutz hier oben weit und breit. ​​​​​Unweit der verlassenen Hütten und der Rentiergehege am Grötvallsjön machen wir Pause in einer kleinen Bodensenke an einem Bach, halbwegs im Lee. Coco frisst ihre 2 Riegel Trockenfleisch und schläft sofort ein. Hmmm, vielleicht doch zu anstrengend mit den Satteltaschen...? Nach einem heißen Süppchen geht es weiter. Wir haben heute noch keinen Menschen getroffen.

                                                          Hier oben komme ich mir vor wie auf einem anderen Planeten, voller Glück über die Begegnung mit einem Lebewesen meiner Größe fotografiere ich sogar ein einsames Bäumchen.

                                                          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: IMG_4189.JPG Ansichten: 0 Größe: 158,1 KB ID: 3017379
                                                          Es lebt!


                                                          Es kommt mir endlos vor. Dabei sind es nur vier Kilometer, bis Hävlingen in Sicht kommt und der Hang sich neigt.

                                                          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: DSC00734.JPG Ansichten: 0 Größe: 130,9 KB ID: 3017397


                                                          Durch Birkenwäldchen geht es dann endlich abwärts über Stock und Stein.

                                                          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: IMG_4184.jpg Ansichten: 0 Größe: 200,0 KB ID: 3017385
                                                          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: IMG_4185.jpg Ansichten: 0 Größe: 189,3 KB ID: 3017386

                                                          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: IMG_4191.jpg Ansichten: 0 Größe: 344,8 KB ID: 3017387
                                                          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: IMG_4193.jpg Ansichten: 0 Größe: 246,4 KB ID: 3017390
                                                          Zum ersten Mal in meinem Leben sehe ich wild wachsende Preiselbeeren...


                                                          Am Abzweig unten nehme ich den Schlenker Richtung Hävlingenstugorna und überlege kurz - aber eigentlich ist mein Ziel ja mindestens die andere Seeseite. Sind ja nur noch drei Kilometer, denke ich, aber die haben es in sich. Es ist kein schöner entspannter Weg am See entlang, sondern ein einziges Auf und Ab – wenn auch mit verheißungsvollen Ausblicken.


                                                          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: DSC00738.JPG Ansichten: 0 Größe: 201,1 KB ID: 3017382

                                                          Drei forsche junge Männer mit Rucksäcken begegnen mir, als ich die Brücke auf die andere Seeseite quere. Knapper Gruß, Hej! Hej!, und weiter. Die einzigen Begegnungen heute.
                                                          Dann endlich, endlich der angepeilte Windschutz.

                                                          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: DSC00739.JPG Ansichten: 0 Größe: 187,8 KB ID: 3017383
                                                          Ein verschlossenes Häuschen, ein alter und ein neuer Bootsanlegesteg, weiter oben im Wald ein – offenes – Toilettenhäuschen, eine Mülltonne.

                                                          So steht's in meinem Aufschrieb von diesem Tag:
                                                          „Was für eine Quälerei! Aber am Ende finden wir einen Platz, wie er traumhafter nicht sein könnte.“

                                                          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: DSC00736.JPG Ansichten: 0 Größe: 193,3 KB ID: 3017384
                                                          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: IMG_4198.JPG Ansichten: 0 Größe: 189,4 KB ID: 3017389

                                                          Ein wunderbares Plätzchen für mein Zelt mit Seeblick und ein privater Badeplatz ganz für mich alleine. Gut, ein paar Zeltnachbarn habe ich doch...

                                                          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: IMG_4199.JPG Ansichten: 0 Größe: 232,3 KB ID: 3017394
                                                          Zeltnachbarn

                                                          Kaum steht das Zelt, schmeiße ich alles von mir und tauche ins Wasser.

                                                          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: DSC00737.JPG Ansichten: 0 Größe: 183,9 KB ID: 3017391
                                                          Badezimmer

                                                          Es ist kalt, aber nicht eisig - ist auch ganz egal. Endlich sauber! Die Sonne ist noch so warm, dass sie mir das Wasser auf der nackten Haut noch trocknet. Abendessen gibt es auf Bank und Tisch im Windschatten an der Hütte. Mir geht es gut. Ich bin kaputt, aber satt und sauber. Glücklich? Viel fehlt nicht jedenfalls nicht.

                                                          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: IMG_4194.JPG Ansichten: 0 Größe: 171,1 KB ID: 3017392
                                                          Sauber!

                                                          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: IMG_4197.JPG Ansichten: 0 Größe: 174,3 KB ID: 3017393
                                                          Gleich satt!

                                                          Coco hat wieder wenig gefressen und sich sofort ins Zelt verzogen. Macht mir ein wenig Sorgen...

                                                          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: IMG_4200.JPG Ansichten: 0 Größe: 120,1 KB ID: 3017395

                                                          Und dann dämmert es ganz langsam.
                                                          Aber allmählich steigt ein ungutes Gefühl in mir hoch. Irgendwas stimmt hier ganz und gar nicht.



                                                          Angehängte Dateien
                                                          Zuletzt geändert von agricolina; 31.01.2021, 19:10. Grund: ordografie

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                                                            Vorstand
                                                            Fuchs
                                                            • 18.06.2014
                                                            • 1591
                                                            • Privat


                                                            #30
                                                            Oh, so schön! Das grüne Moos, die Weite, der Sonnenuntergang!

                                                            Dass "
                                                            der meditative Spirit – ichdenkeübermeinlebennachundkommezuwichtigenerkenntnissen" ausbleibt, finde ich persönlich nicht schlimm. Ich habe den nie vermisst, lenkt doch sonst viel zu sehr vom hierundjetztdaslebengenießen ab!

                                                            "
                                                            ... allmählich steigt ein ungutes Gefühl in mir hoch. Irgendwas stimmt hier ganz und gar nicht. "

                                                            Geht das hier in diesem Forum jetzt überhaupt nicht mehr ohne diese nervenaufreibenden Cliffhanger?? Wie soll eine alte Frau diese Spannung aushalten??

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                                                            • agricolina
                                                              Erfahren
                                                              • 05.05.2016
                                                              • 269
                                                              • Privat


                                                              #31

                                                              Frau muss doch das Publikum dabei halten, die Konkurrenz ist gerade riesig...
                                                              Putorana, Jämtland, Packrafter am Rogen und in Finnland, jede Menge Sarek, und Angsthasen hoppeln da auch immer wieder durch...

                                                              Ich komme gar nicht hinterher mit Lesen und neuen Wunschzielen, also mal ausgenommen das Putorana...

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                                                                Fuchs
                                                                • 22.08.2010
                                                                • 1835
                                                                • Privat


                                                                #32
                                                                Servus agricolina,

                                                                in meiner bescheidenen Rückschau meiner Touren stelle ich da auch ein gehöriges Missverhältnis fest, zwischen
                                                                „ichdenkeübermeinlebennachundkommezuwichtigenerkenntnissen“ und der knallharten Erkenntnis: In 95% meiner Tour - Zeit bin ich einfach im Hier und Jetzt. Am Anfang fand ich das immer sehr schade, ja enttäuschend. Inzwischen sehe ich es als einen riesigen Gewinn. Ist es nicht genau das, was wir? dort (draußen) wirklich suchen? Ich bin damit derweil sehr einverstanden und genieße es sehr, in meinen Gedanken weit weg von meinem Alltag zu sein.

                                                                Ja, so ein Cliffhanger....der funktioniert doch wieder sehr gut. Da bin ich sehr gespannt.

                                                                Zitat von agricolina Beitrag anzeigen

                                                                Danke
                                                                Ja, das Zelt hat sich echt bewährt. Warm und ich fühle mich auch bei Wind echt sicher. Einzig fetter Minuspunkt ist das Ein- und Aussteigen bei Regen, finde ich. Ich werde nass vom Eingang und das Innenzelt auch, wenn ich es nicht vorher aushänge und nach hinten schiebe. Und das Ein- und Aushängen des Innenzeltes ist echt grottig mit den winzigen Schnallen, wenns mal nötig ist. Da breche ich mir fast die Finger, das ist ein böses Gewurschtele. Hattest du das modifiziert bei dir?
                                                                Zum Chinook: Beim Ein- und Aussteigen bei Regen versuche ich, mich - mehr oder weniger - „galant“ aus dem nicht ganz geöffneten Eingang „hinaus zu winden“. Das gibt in der B - Note meist Punkt - Abzug.
                                                                Meistens regnet es ja nicht....
                                                                Da es ja nur einen Haken hat, habe ich den auch fast immer vorher bereits ausgehängt. Also: Aushängen bringt`s.
                                                                Ja, die winzigen Steckschnallen sind ein Gräuel. Zum Glück hänge ich das Innenzelt eigentlich nie aus, es trocknet auch so im Nu. Sonst hätte ich mir da sicherlich was einfallen lassen.
                                                                My mission in life is not merely to survive, but to thrive; and to do so with some passion, some compassion, some humor and some style. Maya Angelou

                                                                Kommentar


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                                                                  Erfahren
                                                                  • 05.05.2016
                                                                  • 269
                                                                  • Privat


                                                                  #33
                                                                  Erkenntnis von Hävlingen

                                                                  Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: IMG_4206.jpg Ansichten: 0 Größe: 66,8 KB ID: 3019247

                                                                  Langsam verliert der Himmel seine Farbe. Das orangene Leuchten ermattet. Fahle Kälte steigt hoch, die Steine im spiegelglatten Wasser werfen lange Schatten auf der Oberfläche und verwandeln sich in bewegungslose schwarze Seeungeheuer. Absolut nichts ist zu hören. Kein Windhauch, kein Rascheln in den Blättern der Bäume, kein sanftes Plätschern am Ufer, kein Vogel zwitschert, kein Tier ruft. Es ist totenstill.

                                                                  Ich sitze in einer völligen Traumkulisse, aus der jedes Leben gewichen scheint. Die Stille darin trifft mich mit einem Mal wie ein Fausthieb. Was hab ich mir Ruhe gewünscht. Keinen Zivilisationslärm mehr hören, keine ständige Geräuschkulisse, weg von allem sein - das war einer der Wünsche, den ich an diese Tour hatte. Ich liebe es, allein unterwegs zu sein. Und jetzt habe habe ich den Salat und bin der Situation ganz offensichtlich psychisch nicht gewachsen. Damit hätte ich nie gerechnet.

                                                                  Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: IMG_4203.JPG Ansichten: 0 Größe: 76,5 KB ID: 3019267

                                                                  So sehr ich auch die Ohren spitze: Es ist nichts zu hören. Gar nichts. Außer dem Rauschen in meinen Ohren. Als ob jemand den Ton in meinem Leben abgeschaltet hätte. Panik steigt in mir hoch, absurde Gedanken, alle möglichen Horrorszenarien, was, wenn...? Es gibt keinen Netzempfang weit und breit, ich habe keinen Notfallsender dabei, niemand weiß, wo ich bin. Was tue ich hier? Bin ich verrückt? Und fange ich jetzt an, Stimmen zu hören? Was ist das? Kommt da jemand? Was plätschert da? Ich starre ich die Dämmerung und zweifle an meinem Verstand.

                                                                  Bis ich irgendwann verstehe: Es plätschert tatsächlich da auf dem See. Und ab und zu sind entfernte Rufe zu hören zu hören, Und ich sehe zwei kleine hüpfende Lichter, weit links am Ufer. Es müssen Angler sein, die in Ruderbooten da drüben in Ufernähe unterwegs sind. Ihre Rufe und das Eintauchen der Ruder ins Wasser werden durch die Stille zu mir herübergetragen. Noch nie war ich so froh, andere Menschen irgendwo in der Nähe zu wissen.

                                                                  Im Nachhinein denke ich, dass es vielleicht auch die körperliche Anstrengung war, die mir in Kombination mit dieser völlig unerwarteten Stille da für ein paar lange Momente so schwer zu schaffen machte. In den Schlafsack, schwere Gedanken gewälzt. So in der Art: Wenn uns die Götter strafen wollen, erhören sie unsere Gebete.



                                                                  28.8. Hävlingen - Storrödtjärnstugan

                                                                  Am nächsten Morgen ist es immer noch außerirdisch still. Wo sind hier die Vögel, die bei uns die Morgendämmerung begrüßen? Wenigstens hab' ich Coco bei mir. Wir gehen erstmal Blaubeeren und Gedanken sammeln. Beim Frühstück notiere ich: „Ich vermisse Gesellschaft und Geräusche von Menschen. Hätte ich nicht gedacht.“ Meine Stimmung ist so lauwarm. Wenigstens ist das Wetter gut.

                                                                  Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: IMG_4207.JPG Ansichten: 0 Größe: 150,8 KB ID: 3019255

                                                                  Bisher bin ich ganz schön hinter meinen Planungen und Erwartungen an mich zurückgeblieben. Tagesziel sollte eigentlich heute der Rogen sein, der Windschutz am äußersten Südzipfel. Aber es dauert ewig, bis ich loskomme. Das Zelt ist außen patschnass und will nicht recht trocknen. Das Innenzelt abzumachen ist ein Gemurkse, also lasse ich es dran und rolle alles nass ein. Na ja. Hauptsache Aufbruch.

                                                                  Dann geht es aber doch überraschend gut. Das Stimmungstief verfliegt. Der schöne Weg führt durch herrlichen Birkenwald hinauf, ist nur mäßig steinig. Immer wieder kommt die Sonne durch. Und die Querungen über die Bäche sind auch alle begehbar.

                                                                  Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: IMG_4208.JPG Ansichten: 0 Größe: 215,3 KB ID: 3019268

                                                                  Als ich um eine Ecke biege, sitzt eine ältere Frau (also noch älter als ich, muss mich erst noch daran gewöhnen, dass ich das ja auch bin) da. Den Rucksack neben sich und sichtlich erschöpft. Ich mache Trinkpause (ACHTUNG!), wir reden ein bisschen. Sie ist Schwedin (endlich mal eine Einheimische, juhu), warnt mich vor dem Weiterweg. Steine über Steine, sie habe eine halbe Stunde pro Kilometer gebraucht.

                                                                  Hmmmm. Ich werde schon wieder skeptisch. Gut, sie ist ja schon deutlich älter als ich und sieht auch eher zerbrechlich aus. Aber meine Bedenken verfliegen schnell. Ich finde das Gehen in Ordnung, der Weg ist ein markierter Winterweg und macht mir richtig Spaß.

                                                                  Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: IMG_4209.jpg Ansichten: 0 Größe: 179,0 KB ID: 3019253

                                                                  Als die Birken zurückweichen und es Richtung Slagusjön auf endlosem Plankenweg hinauf geht, empfängt mich oben schneidender Wind.

                                                                  Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: IMG_4211.JPG Ansichten: 0 Größe: 131,4 KB ID: 3019252

                                                                  Die Schutzhütte Slagusjön kommt da zum Aufwärmen und Tee kochen gerade recht. Da merke ich, dass mir meine kleine Trinkflasche fehlt. Mist. Das muss bei dem Schwätzchen mit der Schwedin passiert sein.

                                                                  Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: IMG_4213.JPG Ansichten: 0 Größe: 106,4 KB ID: 3019251
                                                                  Die Schaufeln geben mir zu denken...

                                                                  Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: IMG_4214.jpg Ansichten: 0 Größe: 200,5 KB ID: 3019269
                                                                  Endlich mal aus dem Wind raus...


                                                                  Der Himmel wird zusehends grau, die blauen Löcher werden weniger, die Wolken dunkler und dicker. Die drei Kilometer zur Störrodtjärnstugan gehen dann tatsächlich über ein endloses Steinfeld, das kostet mich fast zwei Stunden. Nicht zu fassen. Markierungen sehe ich keine mehr, aber die Richtung ist eh klar. Dann erwischt es mich: Beim Klettern auf eine hüfthohe Steinplatte verliere mit dem schweren Rucksack das Gleichgewicht, es schlägt mich in die Steine. Nichts passiert, der Schreck sitzt trotzdem. Die ersten dicken Tropfen fallen, als ich die Hütten erkennen kann.


                                                                  Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: IMG_4216.JPG Ansichten: 0 Größe: 140,9 KB ID: 3019258

                                                                  Mein Rogen-Plan kommt ins Wanken. Es ist erst früher Nachmittag, aber das Wetter sieht nicht toll aus. Vielleicht doch hier bleiben? So eine Hütte wäre doch auch eine Premiere. Aber mit Hund?

                                                                  Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: Storrödtjärnstugan.jpg Ansichten: 0 Größe: 42,7 KB ID: 3019270
                                                                  Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: Willkommen.jpg Ansichten: 0 Größe: 118,7 KB ID: 3019265

                                                                  Alles kein Problem. Der Entschluss fällt sofort, nachdem mich die Hüttenwartin Ina begrüßt hat – mitsamt ihrem kläffenden kleinen Hund. Außer mir ist niemand da. Links ist der Raum für die Menschen mit Hund, rechts für die ohne Hund, und in der Mitte das Zimmerchen von Ina. Ich nehme ein 4-er-Schlafabteil großflächig in Beschlag, hänge die nassen Sachen auf, schaue mich um und lasse mir von Ina alles erklären.

                                                                  Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: IMG_4222.jpg Ansichten: 0 Größe: 122,6 KB ID: 3019259 Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: Schlafabteil.JPG Ansichten: 0 Größe: 195,5 KB ID: 3019263

                                                                  Wasser holen, Holzhäuschen, Toilettenhäuschen, Vorratsschrank. Strom gibt es nicht. Zuerst muss ich aber bezahlen. Und da haut es mich fast aus den Schlappen. Ein Fünfziger für eine Nacht! Hola. Egal. Ich habe Urlaub, draußen regnet es, mein Zelt ist nass. Da gibt es nichts zu Überlegen. Höchstens, ob ich gleich hier noch in den STF eintrete, dann wird's etwas billiger. Aber eigentlich habe ich nicht vor, noch mehr Hütten zu benutzen, also lasse ich es erst einmal. Ich zahle bar, anders geht's hier nicht. Ina holt einen dicken Ordner aus dem Regal und vergleicht einzeln die Geldscheine mit den Abbildungen. Es gibt offenbar neue Scheine und ich habe noch alte - oder andersrum? Jedenfalls werden meine Scheine angenommen.

                                                                  Im Lauf des Nachmittags trudeln noch drei Belgier und zwei ältere schwedische Pärchen ein. Coco bellt pflichtschuldig bei jedem Neuankömmling, das ist mir total peinlich. Aber Ina, die ihren ebenso aufmerksamen wie lautstarken Kläffer in ihr Zimmer sperrt, wenn neue Gäste kommen, sagt nur: No problem. People talk, dogs bow. Ich mag Ina.

                                                                  Mutig springe ich später noch in einer Regenpause in den See hinter der Stugan. Kalt. Aber ich bin sauber! Als ich zurück in die Hütte komme, strahlen mich alle an. Offenbar konnte man meinen Badeplatz doch von der Hütte aus einsehen, wie ich feststelle... naja, wenn's schon kein Fernsehprogramm gibt...

                                                                  Und dann gönne ich mir aus dem Vorratsschrank eine Dose Köttbullar, die es mit KaPü gibt und dem teuersten Preiselbeerpäckchen meines Lebens. Aber Köttbullar muss man mit Preiselbeeren essen, hat mir Ina erklärt. Dann mache ich das auch so.


                                                                  Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: IMG_4217.jpg Ansichten: 0 Größe: 96,5 KB ID: 3019256

                                                                  Am Abend bullert der Ofen, die Kerze flackert, der Hund schläft und sitze noch lange am Tisch und denke über meine Angst vor der ohrenbetäubenden Stille gestern und den Tag heute nach, der sich nach den morgendlichen Zweifeln am ganzen Tourprojekt immer besser entwickelt hat. Ich bin überhaupt nicht weit gekommen, gerade mal zehn Kilometer. Aber ich bin rundum zufrieden mit dem Tag und meiner Entscheidung. Und ich finde es fantastisch hier drin, trocken und warm inmitten der der nassen Steinwüste draußen und dem Nebel, der über allem hängt.

                                                                  Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: IMG_4220.JPG Ansichten: 0 Größe: 74,3 KB ID: 3019257
                                                                  Angehängte Dateien
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                                                                  Kommentar


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                                                                    Erfahren
                                                                    • 13.04.2019
                                                                    • 441
                                                                    • Privat


                                                                    #34
                                                                    Mensch, da hast du ja eine literarische Perle in die Tasten gehauen, schade, dass du im entscheidenden Moment die zauberhafte Stimmung, die du so gekonnt beschreibst, nicht genießen konntest. Wahrscheinlich wirklich noch "Altlasten" des Alltags, die da in deinem Gemüt für Unruhe sorgten, denn eigentlich ist doch dieser Moment der absoluten Ruhe quasi "zwischen zwei Atemzügen" (die Natur atmet etwas langsamer als unsereins ) etwas ganz Wunderbares und es ist ein Geschenk, ihn erleben zu dürfen. Offensichtlich aber wohl nicht immer - sehr ehrlich, dass du das nicht verschweigst! Aber schön, dass der Tag dann besser wurde und du sicher in der Hütte gelandet bist! Freue mich auch ohne (!) Cliffhanger sehr auf die Fortsetzung!!!

                                                                    Kommentar


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                                                                      Fuchs
                                                                      • 02.09.2016
                                                                      • 1511
                                                                      • Privat


                                                                      #35
                                                                      Das mit dem Stimmungstief war wohl nur schlechte Tagesform. Normalerweise freut man sich doch wie Rumpelstilzchen, wenn man sowas erlebt.
                                                                      Der Spaten beim Rastschutz dient natürlich nicht der Entsorgung allfälliger Leichen! Dem STF ist klar, daß die Übernachtungspreise schon ziemlich gesalzen sind, und deshalb wird durch Positionierung von Spaten den Leuten Gelegenheit zum Goldgraben gegeben, damit sie sich vielleicht sogar mehrere Übernachtungen leisten können.
                                                                      Eine andere Möglichkeit, die Urlaubskasse aufzubessern, ist der Verkauf verfänglicher Bilder... und deshalb haben deine Mitbewohner auch so gestrahlt. Nebenbei ein schönes Kompliment für dich: mit Fotos von mir wären bei denen weitere Zeltnächte angesagt....

                                                                      Kommentar


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                                                                        Fuchs
                                                                        • 10.06.2004
                                                                        • 1232
                                                                        • Privat


                                                                        #36
                                                                        Finde es auch ziemlich interessant zu lesen, wie Du diese Beklommenheit in der abendlichen Stille beschreibst. Da hast Du einen traumhaften Sonnenuntergang, asolute Stille und ein super idyllisches Naturerlebnis. Eigentlich ist sowas ja geradezu dafür gemacht um wirklich tiefes Glück und Zufriedenheit zu empfinden. Aber Du schreibst dann, dass Du Dich dabei unwohl gefühlt hast. Letztendlich reagiert jeder anders auf solche Momente und es lässt sich auch schwer vorhersagen und hängt immer von der Gesamtsiutation ab. Von daher finde ich es gut, dass Du da sehr ehrlich Dein Unwohlsein schilderst. Ich kenne auch dieses Gefühl, dass es unterwegs einfach Momente gibt, wo eigentlich die Rahmenbedingungen super passen und sich tortzdem nicht das passende Glücksgefühl einstellen will.

                                                                        Kommentar


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                                                                          Vorstand
                                                                          Fuchs
                                                                          • 18.06.2014
                                                                          • 1591
                                                                          • Privat


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                                                                          Hey, ich kann das schon nachvollziehen, dass Dir da nicht recht wohl war. Stille ist nicht gleich Stille. (Klingt altklug, sorry) Aber mir ging das mal ähnlich. Als ich mich am Ende meiner Tour 2017 noch südlich von Kvikkjokk querfeldein rumgetrieben habe, hatte ich abends am Zelt, nach einem windigen Tag, auf einmal völlige Stille. Kein Wasserglucksen im benachbarten See, kein Vogelpieps, kein Mückensurren, kein Windhauch, gar nichts. Die feinsten Grashälmchen haben sich nicht ein bisschen bewegt. Da habe ich das schon als gespenstisch empfunden. Ich war gerade Wasser holen und meine eigenen Geräusche kamen mir ganz komisch vor. Wie ein Sakrileg, ich habe mich kaum getraut, diese Stille damit zu durchbrechen. Einen so unheimlich stillen Moment hatte ich in den Jahren zuvor beim Wandern im Fjell noch nie erlebt. Irgendwas, sei es Windrauschen, Wasser in Bächen oder Flüssen, Vogelstimmen, war doch immer zu hören. Klar, es war oft gaanz leise, aber wohl nie wirklich lautlos. Und das ist mir eigentlich erst aufgefallen, seit ich diesen komplett stillen Moment erlebt habe.

                                                                          Kommentar