• ChuckNorris
    Erfahren
    • 03.08.2018
    • 177
    • Privat


    [NO] Ins wilde Herz von Lomsdal-Visten

    Tourentyp Trekkingtour
    Breitengrad 65.801571776
    Längengrad 13.577174963
    Ins wilde Herz von Lomsdal-Visten

    Tosbotnet | Bøna



    ROUTENPLANUNG
    Der erste Teil meiner Route ist der klassische Einstieg in das Gebiet. Von Tosbotnet geht es an den Breivatnet vorbei ins Lomsdalen. Dann weiter nach Norden, dem Henriksdalen folgend.

    Ab hier bin ich dann von den üblichen Routen abgewichen. Statt über den Pass am Vistmanen ins Eiteradalen zu wechseln laufe ich weiter nach Norden und quere das Tal der Saeterelva. Über das Stigfjellet geht es dann wieder aufwärts um schließlich noch das Nordre Austerfjorddalen zu queren. Am Krongelvatnet dann spärlich markiert ziemlich wild in Richtung Bona, wo die Tour endet.

    Dem ursprünglichen Plan nach, wäre ich noch über den Finnknefjellan weiter nach Nordwesten gewandert um letztlich beim Kvannlivatnet nach Visthus abzusteigen. Wegen dem grausigen Wetterbericht habe ich das dann aber gelassen.

    01 - AUFWÄRMEN



    Wie gesagt, der klassische Einstieg. Ich bin ein bisschen anders gelaufen als die eingezeichneten „Wege“ vorschlagen. Die erste Etappe endet an der Brücke über die Nedre Grunnvasselva (die auf keiner der typischen online Karten eingezeichnet ist).

    Wegführung: zuerst auf einem ordentlichen Pfad, der aber immer schlechter wird und dem ich dann irgendwann auch nicht mehr folge. Bis ins Lomsdalen treffe ich immer mal wieder auf Steinmännchen, die meiste Zeit bin ich aber abseits der Maskierungen unterwegs.

    Falls die ganze Strecke markiert sein sollte, dann ist es auf jeden Fall sehr leicht den vorgegebenen Weg zu verlieren. Im Lomsdalen ist die erste Hälfte des Weges eine Rennstrecke, die zweite Hälfte dann aber deutlich weniger begangen. Hier kann ich zwar den Pfad immer sehen, er liegt aber meistens 30 cm tief unter Wasser.

    Gelände: am Anfang, bis auf ca. 340 Hm war alles sumpfig und matschig wie die Sau, es hatte aber die Tage zuvor auch echt viel geregnet. Der Pass ist auf der richtigen Spur nicht schwierig, aber es geht steil in plattigem Gelände abwärts. Die beiden Täler am Anfang und Ende haben beide ihren ganz eigenen Charakter und der höhere Mittelteil ist eine schöne Einstimmung auf das was später noch kommen wird.

    02- INS UNBEKANNTE



    Ich folge noch dem Henriksdalen nach Norden und dann geht es auf meiner selbst entworfenen Route weiter. Ich laufe am Geehpjaevrie nach Norden. Während der Planung hatte ich überlegt, ob sich in der Schlucht der Vistvasselva ein spektakulärer Weg nach Norden finden lassen würde. Ich hatte auch fest geplant das zu erkunden, wusste aber, dass das, wenn überhaupt, dann nur bei sehr niedrigen Wasserständen möglich sein würde. Dafür hat es leider zu viel geregnet, daher habe ich das direkt fallen lassen.

    Der Abstieg ins Saeterelvasdalen (ich nenn das jetzt mal so nach seinem Fluss) gelingt nur durch eine ordentliche Portion Glück. Es soll hier eine alte Route geben, von der nur noch ein paar wenige Steinnmänchen stehen. Zumindest das erste davon habe ich gefunden, dann aber kein einziges mehr.

    Wegführung: komplett unmarkiert und weglos, meistens unübersichtlich und Fortschritt „by trial and error“.

    Gelände: im Henriksdalen steil am Hang entlang. Ziemlich beschissener Untergrund, blockig mit Gestrüpp, keine Übersicht über den weiteren Verlauf. Später viele Seen und der typische Wechsel aus Gras/Moos und abgeschliffenen Felsen. Das Gelände ist ziemlich zerklüftet, vor allem ab dem Sore Vistvatnet gibt es etliche „kleinere“ Schluchten, die auf den Karten überhaupt nicht erkennbar sind. Alles in Allem sollte man wissen was man tut und ruhig bleiben, dann kommt man auch durch.

    03 - ENTSPANNT DEM ENDE ZU



    Das Saeterelvasdalen wird ein bisschen ausführlicher erkundet als eigentlich geplant und dann geht es über das Stigfjellet weiter nach Norden. Landschaftlich ist die Etappe sehr vielseitig und wunderschön. Das Saeterelvasdalen ist fast schon lieblich, das Nordre Austerfjorddalen dagegen ist wild und unerschlossen. Weil ich keine Lust auf einen Umweg habe, nehme ich hier die „P470 - Direttissima“ und bouldere mich die Schlucht nach oben. Den Spaß kann man aber vermutlich weiter östlich umgehen und leichter nach oben kommen.

    Wegführung: alles unmarkiert, im Saeterelvasdalen auf Wildpfaden bzw. sehr selten begangenen Wegen. Ab dem Aufstieg zum Stigfjellet komplett weglos.

    Gelände: das Saeterelvasdalen ist von großen Sumpfflächen geprägt, dazwischen liegen unterschiedlich dichte Wälder. Eigentlich leicht zu gehen, mit teils sehr steilen Passagen im Wald. Der Aufstieg auf’s Stigfjellet ist auch ziemlich steil und unübersichtlich. Oben dann deutlich leichter. Das Nordre Austerfjorddalen ist nicht ganz einfach zu überqueren, zumindest der Aufstieg hat einige Überraschungen parat.

    04 – FIN



    Am Krongelvatnet geht es zwar mit gelegentlichen Markierungen, aber eigentlich weglos nach unten. Man sollte sich nicht davon täuschen lassen, dass oben eine Hütte steht und auf den Karten ein Weg eingezeichnet ist. Dieser sogenannte Weg ist echt beschissen. Große, steile Blockfelder, die von dichtem Moos überwachsen ist, wechseln sich mit weglosen Abschnitten durch den Wald ab. Mehr als eine Handvoll Leute werden hier im Jahr nicht vorbeikommen.

    Wegführung: die paar Markierungen, die es gibt, kann man fast komplett ignorieren, nur die ersten paar hundert Meter ab dem Wasserfall sind relevant. Am besten man geht es danach so an, als wäre es einfach weglos und hält sich im Abstieg links vom Fluss.

    Gelände: fieser als gedacht.
    Zuletzt geändert von ChuckNorris; 24.10.2019, 18:12.

  • ChuckNorris
    Erfahren
    • 03.08.2018
    • 177
    • Privat


    #2
    AW: [NO] Ins wilde Herz von Lomsdal-Visten

    01 – AUFWÄRMEN

    TAG 0 | SAMSTAG 24.8.2019

    Dieses Jahr läuft alles glatt. Mein Rucksack kommt als einer der ersten auf das Band in Bodø. Ich bin inzwischen dekadent genug, dass ich mir für 17€ ein Taxi zum Zeltplatz gönne. So steht mein Zelt bereits 30 Minuten nach der Landung, in Bodøsjoen auf dem Zeltplatz.

    Noch schnell zum Supermarkt, kaum 10 Minuten zu Fuß vom Zeltplatz in der City Nord Mall. Ich muss noch meine Essensvorräte auffüllen, Gas kaufen und ein paar Kleinigkeiten besorgen. Ich habe dieses Jahr einen neuen Kocher dabei, mit dem ich deutlich weniger Gas brauchen werde als bei den letzten Touren. Leider gibt es nirgends die kleinen 100er Kartuschen nur die 230er. Also zwei davon. Eine Kartusche hätte sogar beinahe gereicht, am letzten Tag habe ich die zweite angefangen. Milchpulver ist leider nicht aufzutreiben. Weder im Supermarkt, noch in einem der beiden Outdoorläden. Soweit habe ich trotzdem alles zusammen, was ich brauche. Das Müsli am Morgen wird halt jetzt mit grünem Tee matschig gemacht.

    Inklusive der Kamera, die vorne am Rucksack hängt, komme ich wohl wieder auf ca. 29kg Startgewicht. Dieses Jahr habe ich mit maximal 13 Tagen auf Tour geplant, im Vergleich zum letzten Jahr deutlich kürzer. Trotzdem ist der Rucksack fast gleich schwer. Das neue Zelt ist ein bisschen schwerer. Weil ich diesmal solo gehe muss ich meinen eigenen Kocher mitnehmen und ich hab‘ mir noch den Luxus des Exped Seat Kits für meine Isomatte gegönnt. Dann noch der GPS Messenger für den Notfall und eine größere Powerbank – da kam doch noch einiges zusammen.

    Aus Tradition will ich mich abends noch beim Zeltplatz ans Meer setzen, da merke ich dann aber schon das erste Mal, dass sich die Tour im September anders anfühlen wird, als die vorherigen im Hochsommer. Erstens gibt es jetzt eine Nacht, zweitens wird es schon mit Einbruch der Dämmerung relativ kalt. Also verziehe ich mich bald ins Zelt.



    TAG 1 | SONNTAG 25.8.2019

    Als ich am nächsten Morgen aufwache, schüttet es aus Kübeln. Ich warte eine Weile ab. Kurze Augenblicke, in denen der Regen weniger wird wechseln sich mit lautem Prasseln auf dem Zelt ab. Unter dem knappen Vordach einer der kleinen Hütten auf dem Zeltplatz packe ich meine sieben Sachen und nehme dann ein Taxi zum Bahnhof, wo ich wenigstens im Trockenen warten kann. Dann folgen 5 h Zugfahrt.





    Teile der Strecke bin ich schon vor ein paar Jahren gefahren, ab Mo i Rana ist aber alles neu für mich. Ab Mosjøen führt die Strecke dann ziemlich beeindruckend an der Vefsna entlang. Der Fluss fliest hier durch ein spektakuläres Tal, das zwar nicht unbesiedelt, aber landschaftlich ein wahrer Traum ist. In den Flussschleifen sieht man viele Angler und ruhige Abschnitte wechseln sich mit verblockten Passagen ab.

    In Trofors steige ich dann aus dem Zug in den Bus nach Tosbotnet um. Als ich das Ortsschild von Tosbotnet sehe, drücke ich den Stopp Knopf und der Busfahrer lässt mich raus. Hm – Mist. Das war wohl keine richtige Haltestelle und der Gute wollte mir nur einen Gefallen tun. Ich habe mir Tosbotnet aber auch eher wie ein kleines Dorf vorgestellt, wo es halt im Ort eine Haltestelle gibt. Tatsächlich ist hier nicht viel. Die paar Bauernhäuser sind recht weit verteilt und einen Ortskern gibt es gar nicht.

    So habe ich mir gerade noch 2 km Landstraße zusätzlicheingehandelt. Ist zwar nicht so toll, liegt aber trotzdem bald hinter mir. Ich laufe nicht über das Tal der Leiråa, sondern direkt im Süden die Bekkelia hoch. Der Weg beginnt an einem ausgeschilderten Wanderparkplatz. Hier gibt’s noch das letzte Dosenbier und dann beginnt der Aufstieg.

    Der Weg ist relativ steil, aber es gibt einen deutlichen Pfad. Das hohe Gras und das Gestrüpp neben dem Pfad sind klatschnass. Es hat heute und auch die vergangenen Tage lang und viel geregnet. Schon bald wird der Weg dann auch ziemlich sumpfig. Gottseidank sind überhaupt keine Mücken unterwegs. Auf ca. 280 Hm komme ich aus dem Wald und bin oben auf einem Plateau. Es ist sehr schön hier oben, mit vielen kleinen Tümpeln und dem Blick über den Tosenfjord mit seinen Inseln. Die Wolken sorgen für ein bisschen Dramatik auf den Bildern. Das soll mir recht sein, solange es trocken bleibt bis mein Zelt steht. Ich weiß jetzt schon, dass es später noch anfangen wird zu regnen und bis nächsten Mittag nicht mehr aufhören wird.







    Dummerweise ist hier oben wirklich alles sumpfig. Ich kann keine gute Stelle für das Zelt finden. Kurz darauf kommt dann ein massiver Wasserfall in Sicht. In der Nähe finde ich eine windgeschützte Stelle, wo der Boden zwar äußerst „saftig“ ist, man aber immerhin nicht direkt einsinkt. Gegen 21:00 baue ich hier das Zelt auf. Es ist ungefähr Sonnenuntergang, eine Stunde Dämmerung bleibt noch bis es richtig dunkel wird. Das ist eine völlig neue Erfahrung für mich auf Norwegentour. Bisher war ich immer zur Zeit der Mitternachtssonne unterwegs.

    Zuletzt geändert von ChuckNorris; 23.10.2019, 22:53.

    Kommentar


    • Borgman
      Dauerbesucher
      • 22.05.2016
      • 768
      • Privat


      #3
      AW: [NO] Ins wilde Herz von Lomsdal-Visten

      Sehr cool, das klingt ja nach einer spannenden Mischung aus bekannten und unbekannten Strecken . Ist der Wasserfall Bjørnstokkelva? Von der direkten Route ab Tosbotn hatte ich irgendwo schon mal gelesen, weiß aber nicht mehr, wo genau.

      Und Milchpulver nehme ich immer für den ganzen Urlaub von zu Hause mit, habe irgendwann den Versuch aufgegeben, das in Norwegen zu bekommen.

      Kommentar


      • Fjellfex
        Fuchs
        • 02.09.2016
        • 1511
        • Privat


        #4
        AW: [NO] Ins wilde Herz von Lomsdal-Visten

        Klasse, ein Lomsdal-Visten-Bericht... bin dabei!

        Die Gegend ist wirklich extrem anspruchsvoll: Sümpfe, glatte Felsplatten, Vegetation, Klüfte (welche man nicht anhand der Karte erkennen kann - eher schon anhand der Luftaufnahmen). Und Tourenende in Bønå ist ja auch schön: da gibt es dann zum Abschluß eine hübsche Bootsfahrt durch den Vistenfjord.

        Kommentar


        • ChuckNorris
          Erfahren
          • 03.08.2018
          • 177
          • Privat


          #5
          AW: [NO] Ins wilde Herz von Lomsdal-Visten

          Ist der Wasserfall Bjørnstokkelva?
          Ja, genau das ist er.

          Ich hatte eigentlich auch vor das Milchpulver mitzunehmen. Hab's im Internet bestellt und es ist dann nach meinem Urlaub auch geliefert worden :-)

          Klüfte (welche man nicht anhand der Karte erkennen kann - eher schon anhand der Luftaufnahmen)
          Ich habe auch gedacht, dass man die in den Luftaufnahmen entdecken sollte, war aber nicht wirklich so. Vielleicht hab ich auch die falschen Websites verwendet. Ich war doch öfter überascht wie zerklüftet manche Abschnitte waren, von denen ich es eigentlich nicht erwartet hätte.

          Kommentar


          • Fjellfex
            Fuchs
            • 02.09.2016
            • 1511
            • Privat


            #6
            AW: [NO] Ins wilde Herz von Lomsdal-Visten

            Zitat von ChuckNorris Beitrag anzeigen
            Ich habe auch gedacht, dass man die in den Luftaufnahmen entdecken sollte, war aber nicht wirklich so. Vielleicht hab ich auch die falschen Websites verwendet. Ich war doch öfter überascht wie zerklüftet manche Abschnitte waren, von denen ich es eigentlich nicht erwartet hätte.
            Bei den Planungen für meine Lomsdal-Visten-Tour habe ich mich an die turkart Helgeland gehalten:
            http://tema.webatlas.no/turkarthelgeland
            und hier dann nicht nur an "Kart", sondern auch an "Foto". Alle Klüfte entdeckt man wohl eh nicht, aber zumindest mehr, als anhand der topographischen Karte.

            Kommentar


            • ChuckNorris
              Erfahren
              • 03.08.2018
              • 177
              • Privat


              #7
              AW: [NO] Ins wilde Herz von Lomsdal-Visten

              Jetzt habe ich mir auf deinen Post hin tatsächlich nochmal die Luftbilder angeschaut und du hast völlig recht. Nachdem ich da war kann ich jetzt auch auf den Luftbildern die ganzen Stellen ausmachen die mich vor Ort ein bisschen überrascht haben.

              Ich glaube, mein Fehler war, dass ich bei der Planung die 3D-Ansicht mit Luftbildern auf https://www.norgeibilder.no/ verwendet habe. Eigentlich habe ich bei der Planung auch nur auf die ungefähre Neigung der Hänge geachtet um heraus zu finden ob man da generell sicher hoch oder runter kommen kann. Die "Details" im Gelände habe ich wahrscheinlich durch die 3D Darstellung der gröberen Strukturen dann einfach ignoriert.

              Trotzdem hat am Schluss alles geklappt. Manchmal war es halt einfach ein bisschen anstrengender vorwärts zu kommen :-)

              Kommentar


              • ChuckNorris
                Erfahren
                • 03.08.2018
                • 177
                • Privat


                #8
                AW: [NO] Ins wilde Herz von Lomsdal-Visten

                TAG 2 | MONTAG 26.8.2019

                Um 6:00 Uhr morgens fängt es wieder an zu regnen. Ich will eigentlich nicht schon am Anfang im Regen rumrennen, darum werde ich mich jetzt erstmal noch eine Weile meinem Wallander widmen. Laut Wetterbericht soll es ja gegen 11:00 aufklaren.

                Nicht ganz. Ich lese noch ein paar Kapitel und mache Brotzeit. Irgendwann fällt mir aber dann die Zeltdecke auf den Kopf und ich packe zusammen als der Regen zumindest ein bisschen schwächer wird. Um 13:00 Aufbruch bei Nieselregen.

                Ich muss direkt 20-30 m absteigen und dann nach wenigen Meter gleich wieder dasselbe nach oben. Sowohl der Ab- als auch der Aufstieg sind ziemlich „seifig“ in rutschigem Matsch. Als ich oben neben dem Wasserfall stehe bin ich schon durchgeschwitzt. Ich folge weiter dem Fluss talaufwärts.

                Weil es auch vorher tagelang geregnet hat, ist der unmarkierte Weg am unteren Bjørnstokkvatnan eher ein großes Schlammloch als ein irgendwie brauchbarer Pfad. Die Stellen, an denen irgendwas Grünes am Boden wächst, sind wenigstens mehr oder weniger stabil, so dass man da nicht bis über die Knöchel einsinkt. Der Rest ist nicht so spaßig, da sinkt man auch gerne mal deutlich tiefer ein. Abgesehen davon ist es schon echt schön hier:











                Am oberen Bjørnstokkvatnan geht es dann über nasse, moosige Blockfelder am Ufer entlang. Echt jetzt, muss das gleich so anfangen? Ein paar Tage später wär’s mir wahrscheinlich schon wurscht gewesen, aber heute geht’s doch erst los.

                Ich finde es ja eh immer geil, wie man sich am Anfang einer Tour immer wie der erste Mensch anstellt – also mir geht’s zumindest öfter mal so. Wir standen schon zu fünft vor einem recht angeschwollenen Bach und sind eine geschlagene Stunde daran auf und ab gegangen, bis wir eine Stelle gefunden haben wo man, ohne die Stiefel aus zu ziehen, rüber kann. War halt der erste Bach über den wir rüber wollten. Am nächsten Tag sind wir dann ohne mit der Wimper zu zucken 50 m durch einen Fluss gewatet.

                Auf jeden Fall wird am Ende des Sees das Wetter dann endlich besser. Es kommt sogar hin und wieder die Sonne raus. Ich überrasche ein Ren, das mich vom anderen Ufer anglotzt, aber bis ich die Kamera gezückt habe ist es schon fast wieder weg. Endlich hört der Regen auf, die Gelegenheit nutze ich gleich mal für eine richtige Pause. Vorher bin ich nur ein paar Minuten im Regen gestanden und habe Studentenfutter gemampft.

                Neben einer Stromschnelle, ein paar Meter weiter, koche mir erstmal einen Kaffee und tausche mein verschwitztes Oberteil gegen die trockene Daunenjacke. Ich liebe den neuen Kocher jetzt schon. Raus das Ding, alles was man braucht liegt drinnen. Die Kartusche noch aus dem Rucksack ziehen und keine 2 Minuten später sitze ich mit einem warmen Kaffee genau da, wo ich jetzt sein will.



                Laut Karte müsste ich an dieser Stelle furten und am anderen Ufer weiter zum Pass. Es wäre auch problemlos möglich hier zu furten, ich habe aber keine Lust auf Stiefel ausziehen und den ganzen Rest der Prozedur. Ich bleibe also westlich des Flusses und folge einem Netz aus Rentierpfaden, die mich ganz gut vorwärtsbringen. Immer wieder stoße ich auf eine kleine Gruppe von 5 Tieren, die erstaunlich zutraulich sind und erst weglaufen, wenn ich näher als 10-15 Meter komme.

                Das Tal gefällt mir hier ausgesprochen gut. Am Talboden, wo ich gehe, ist zwar häufig hohes Gestrüpp aber durch die Wildpfade ist das kein Hindernis. Die Landschaft, vor allem nach Westen gefällt mir sehr gut.









                Als ich dann am Pass ankomme bin ich trotzdem ziemlich erledigt. So ein Energiegel und noch ein Kaffee helfen um mich doch nochmal zusammen zu reißen. Ich bin unsicher, welcher Aufstieg über den Pass der richtige ist. Direkt neben mir sind noch zwei Steinmännchen. An einer relativ offensichtlichen Stelle finde ich aber weder einen Pfad, noch weitere Markierungen. Ich denke mir „Na, dann ist das hier wohl falsch.“ Der Pass muss weiter nordöstlich sein, wo das Gelände auch am leichtesten aussieht.

                Das war falsch.

                Die oben erwähnte, offensichtliche Stelle ohne Markierungen, wäre es gewesen. Mein kleiner Umweg beschert mir aber einen fantastischen Blick auf die beiden Breivatnet. Ich gehe oben zurück nach Westen und treffe auch bald wieder auf einzelne Markierungen. Hier steige ich steil vom Pass ab. Obwohl es sehr plattig ist, finden sich immer wieder einzelne Streifen von Gras. Wenn man diesen folgt, ist der Abstieg problemlos, auch wenn es von Oben eher abenteuerlich aussieht.













                Die Verbindung zwischen den beiden Breivatnet, furte ich ganz im Osten und komme rüber ohne die Schuhe ausziehen zu müssen. Nach dem Doping von vorher könnte ich sogar noch ein gutes Stück weiterlaufen. Wieder gibt es aber kaum brauchbare Plätze um ein Zelt aufzustellen und es sieht auch nicht so aus, als würde sich das auf den nächsten 5 km ändern. Ich halte also schonmal die Augen offen und nehme mir vor den ersten guten Platz auch zu nehmen.

                Ungefähr 30 min nach der Furt werde ich dann, ein wenig abseits vom mit Steinmännchen markierten Weg, eine Stelle. Jemand hat mit Steinen schon eine „Zufahrt“ markiert und einen Steinkreis auf einer großen Platte ausgelegt. Das wäre ein super Platz, weil nebenan kein ebenes Stück trockener Boden zu finden ist. Ich habe aber keine Lust ein Tunnelzelt nur mit Steinen aufzustellen. Deswegen baue ich trotzdem auf der Buckelpiste nebenan auf. Das Ufer ist recht steil hier, aber 150 m weiter komme ich leicht runter ans Wasser.



                10 km waren es heute. Dafür, dass ich erst nach dem Mittag los bin ist das eigentlich ganz ok für den Anfang. Laut Wetterbericht werden die nächsten 2 Tage richtig gut. Danach ist ziemlich viel Regen angesagt. Mal sehen was aus meinem Plan so werden wird.

                Landschaftlich war der Tag wirklich ein Traum. Vor allem der Anstieg zum Pass, der Pass selbst und der Blick auf die beiden Seen. Vor dem Schlafengehen gibt es dann auch noch einen herrlich kitschigen Sonnenuntergang:

                Kommentar


                • agricolina
                  Erfahren
                  • 05.05.2016
                  • 269
                  • Privat


                  #9
                  AW: [NO] Ins wilde Herz von Lomsdal-Visten

                  Tolle erste Eindrücke aus einer großartigen Ecke. Lese sehr gerne mit und freue mich auf die Fortsetzung. Vielen Dank.
                  .
                  .. was für Bilder...

                  Kommentar


                  • ChuckNorris
                    Erfahren
                    • 03.08.2018
                    • 177
                    • Privat


                    #10
                    AW: [NO] Ins wilde Herz von Lomsdal-Visten

                    Lese sehr gerne mit und freue mich auf die Fortsetzung.
                    Na dann wollen wir mal für die Fortsetzung sorgen!

                    Kommentar


                    • ChuckNorris
                      Erfahren
                      • 03.08.2018
                      • 177
                      • Privat


                      #11
                      AW: [NO] Ins wilde Herz von Lomsdal-Visten

                      TAG 3 | DIENSTAG 27.8.2019

                      Die Nacht war windig, aber trocken und relativ warm. Der Wecker klingelt um 7:00. Ich habe es nicht eilig, will aber versuchen heute die fehlende Strecke von Gestern aufzuholen. Beim Kaffee sitze ich an den Aufzeichnungen und warte darauf, dass meine nassen Klamotten in der Sonne noch ein bisschen trocknen.



                      Als ich aufbreche, folge ich dem Midre Breivatnet nach NW und freue mich, als ich an meiner geplanten Route tatsächlich wieder ein paar Steinmännchen entdecke. Das ist also meine Richtung.





                      Als ich dann den Nedre Breivatnet unter mir sehe, muss ich mich entscheiden. Es gibt zwei Routen. Bei wenig Wasser kann der Abfluss des Sees im Westen gefurtet werden. Bei hohen Wasserständen wird empfohlen den See östlich zu umrunden.



                      Ich entscheide mich sofort den direkten Weg zu nehmen. Der See ist riesig, das hätte sicher 2 h gedauert. Ich weiß nicht wie hier ein „normaler“ Wasserstand ausschaut, daher habe ich auch keine Ahnung was man als „hoch“ einschätzen würde. Immerhin hat es aber seit 24 h nicht mehr geregnet – wird schon passen.

                      Der See hat nebeneinander zwei Abflüsse, die sich dann sofort wieder zusammenfliesen. Zumindest einen der beiden Abflüsse kann ich aus der Ferne schon gut sehen. Da müsste man eigentlich rüberkommen. Der Abstieg ist dann recht anstrengend, weil steile Platten und viel Gestrüpp. Als ich unten ankomme, sehe ich, dass der erste Fluss nicht trockenen Fußes zu queren ist und suche weiter nach einer besseren Stelle.







                      Hier wird es nicht wirklich besser. Ich mache erstmal lang Mittagspause und habe ein Motivationstief. Nicht so sehr wegen der Furt, die ist nicht tragisch. Ich bin einfach faul und müde und muss mich zwingen weiter zu gehen. Ich mache noch einen Kaffee und sage mir, „Mach’s damit du morgen froh darüber sein kannst es durchgezogen zu haben.“

                      Beide Abflüsse des Sees sind dann auch problemlos zu furten, das geht sicher auch bei mehr Wasser. Ab jetzt komme ich zügig voran. Ich bin zwar lange Zeit weglos unterwegs, treffe aber beim Abstieg ins Lomsdalen wieder auf Steinwarten. Die Lomtjønnan liegen unten im Tal vor mir. Der Blick nach unten lässt eine schöne Route vermuten. Im Tal gibt es sogar einen richtigen Weg - ach was, das ist eine Rennstrecke! Meist geht es über ebenen Steinplatten zwischen den vielen Seen und Tümpeln hindurch.







                      Irgendwann höre ich laut Wasser rauschen und gehe rüber zum Fluss, den man von hier noch nicht sehen kann. Der Medheiforsen stürzt in eine Schlucht. Leider kann man den Wasserfall selbst kaum sehen. Weiter geht’s, bis ich nach insgesamt 12 km nochmal länger Pause mache und mich zur Feier des leichten Weges mit dem Irish Whiskey beschäftige.



                      Klar, kurz darauf wird die Rennstrecke zu einem überfluteten Schlammpfad. Immer wieder sieht man die morschen Überreste alter Brücken in den kleinen aber tiefen Bächen liegen. Der Weg selbst ist stellenweise mit Wasser vollgelaufen, oft gibt es schon eine zweite Wegspur nebenan. Schon bald geht es dann hauptsächlich durch Wald. Ich komme an einer Hütte vorbei, an der wohl eine größere Jugendgruppe campiert.



                      Ich mache den Fehler einfach dem Pfad hinterher zu stiefeln, anstatt mich an die Route auf meiner Karte zu halten. So komme ich aber noch an einem beeindruckenden Wasserfall vorbei, an dem auch noch ein paar Kids gerade mit Baden fertig werden. Schon ein paar Minuten später bin ich wieder allein.





                      Nach einer kurzen, aber abenteuerlichen Kletterei über schlammige Felsen habe ich den Wasserfall umgangen und stehe vor der Brücke. Jetzt geht nicht mehr viel. Ich laufe noch auf die andere Seite und suche einen Platz für mein Zelt. Die Auswahl ist ziemlich bescheiden. Es ist zwar wahnsinnig idyllisch hier, aber der Boden ist mal wieder uneben oder matschig. An der einzigen Stelle die ich finde ist die Erde über dem Felsen nur wenige cm tief. Tja, das muss halt jetzt irgendwie reichen. Es soll ja in der Nacht nicht regnen.



                      Es hat gehalten, aber ich glaube ich habe noch nie ein Zelt so dermaßen beschissen aufgestellt. Irgendwie ist hier auch ein Mückenparadies. Bis jetzt habe ich kaum auch nur eine Mücke gesehen, geschweige denn bin von einer gestochen worden. Hier sind sie aber in Scharen unterwegs. Lange nicht so schlimm wie letztes Jahr im Hochsommer, aber nervig. Trotzdem ist heute Badetag.

                      Kommentar


                      • agricolina
                        Erfahren
                        • 05.05.2016
                        • 269
                        • Privat


                        #12
                        AW: [NO] Ins wilde Herz von Lomsdal-Visten

                        Schade, dass du so wenig Feedback bekommst - ich find's super. Tolle Bilder. Danke.

                        Kommentar


                        • Blahake

                          Vorstand
                          Fuchs
                          • 18.06.2014
                          • 1591
                          • Privat


                          #13
                          AW: [NO] Ins wilde Herz von Lomsdal-Visten

                          Zitat von agricolina Beitrag anzeigen
                          ... ich find's super...
                          Ich auch!

                          Kommentar


                          • ChuckNorris
                            Erfahren
                            • 03.08.2018
                            • 177
                            • Privat


                            #14
                            AW: [NO] Ins wilde Herz von Lomsdal-Visten

                            Freut mich, dass es euch gefällt. Wahrscheinlich werde ich am Freitag den nächsten Teil einstellen.

                            Kommentar


                            • Mika Hautamaeki
                              Alter Hase
                              • 30.05.2007
                              • 3996
                              • Privat


                              #15
                              AW: [NO] Ins wilde Herz von Lomsdal-Visten

                              Zitat von agricolina Beitrag anzeigen
                              Schade, dass du so wenig Feedback bekommst - ich find's super. Tolle Bilder. Danke.
                              Naja, man muss halt auch die Zeit finden alles in Ruhe zu lesen, nicht so husch, husch.


                              Aber zum Bericht: Tolle Bilder, die Ecke kannte ich noch gar nicht, sieht so aus, als wenn ich das auch auf meine lange Liste setzen muss
                              So möchtig ist die krankhafte Neigung des Menschen, unbekümmert um das widersprechende Zeugnis wohlbegründeter Thatsachen oder allgemein anerkannter Naturgesetze, ungesehene Räume mit Wundergestalten zu füllen.
                              A. v. Humboldt.

                              Kommentar


                              • ChuckNorris
                                Erfahren
                                • 03.08.2018
                                • 177
                                • Privat


                                #16
                                AW: [NO] Ins wilde Herz von Lomsdal-Visten

                                TAG 4 | MITTWOCH 28.8.2019

                                Als ich aufstehe haben sich die Mücken zum Glück verzogen. Das Zelt liegt noch im Schatten und ich lasse mir Zeit. Ich frühstücke in Ruhe und wasche meine Sachen. Als alles getrocknet ist breche ich auf.



                                Das Grunnvassdalen habe ich wegen dem angesagten Schlechtwetter gestrichen. Ich will lieber mehr Reservetage haben und verzichte auf meinen Tagesausflug. Ich denke noch kurz darüber nach zumindest einen Blick in das Tal zu werfen, lasse es dann aber bleiben. Wenn ich die drei Kilometer gelaufen wäre, dann hätte ich mich vermutlich nur geärgert, dass ich mich gegen die Route entschieden habe. Lieber habe ich für später nochmal einen Grund das Gebiet auf einer weiteren Tour nochmal zu besuchen.

                                Der Plan für heute ist also ins Henriksdalen zu laufen, das sind nur knappe 4 km. Dort will ich dann mit leichtem Gepäck das Tal erkunden.

                                Jaja, Pläne.

                                Es fängt schonmal so an: ich kann bei der Hängebrücke keine einzige Steinwarte entdecken. Also mal schauen. Ideal wäre gewesen am See 240 entlang zu gehen. Das sehe ich aber erst nachdem ich den nicht so idealen Weg gegangen bin und zurückschaue. Ich bleibe viel zu weit oben bei P278, dann westlich an P455 vorbei. Immer noch keine Steinwarten. Entweder gibt es einfach keine, oder ich bin ewig weit abseits vom „richtigen Weg“. Die 4km haben es richtig in sich und ich brauche über 2 h dafür. Immer wieder muss ich im Gestrüpp nassen Platten ausweichen oder metertiefe Stufen umgehen.

                                Ob man wohl besser unten am Fluss geblieben wäre? Ich kann es mir kaum vorstellen. Das einzige was ich von hier aus sagen kann ist, dass die westliche Seite des Tals unpassierbar ist. Vom ersten Teil des Henriksdalen habe ich keine Fotos gemacht. Immer ein Anzeichen dafür, dass es mich ganz schön angekotzt hat.







                                Zumindest habe ich gegen Ende einen tollen Blick auf die Henriksdalselva, die sich mit dem ein oder anderen Wasserfall Mühe gibt zu gefallen. Das miese Gelände hört aber erstmal nicht auf. Nie habe ich einen anständigen Überblick. Das Vorankommen ist komplett Versuch und Irrtum. Trotzdem, landschaftlich ist es schon sehr geil hier:













                                Nach laaangsamen 6,9 km in 3:20 h komme ich endlich an See 388 an. Da finde ich tatsächlich einen (relativ) trockenen Platz der sogar eben ist. Was für ein Luxus. Als das Zelt steht wird nochmal im See gebadet und dann faulenze ich auf der Luxusliege. Nur hin und wieder schieben sich kleine Wolken vor die Sonne, ansonsten ist es richtig warm.







                                Nachdem ich meine geplanten 4 km geschafft hatte stand ich immer noch irgendwo in der Pampa, darum bin dann noch ein Stück weitergelaufen. Wie eigentlich ständig auf dieser Tour habe ich ziemlich lange nach guten Zeltmöglichkeiten suchen müssen. Meistens war der Boden überall matschig oder, falls er trocken war, dann war es eher eine Buckelpiste. Die Art von „Problem“ habe ich auf meinen vorherigen Norwegen Touren nie gehabt. Zum Glück war die Isomatte mit 7 cm mehr als ausreichend dick um auch die übelsten Buckel halbwegs auszugleichen.

                                Der aktuelle Wetterbericht ist deutlich besser als noch am Vortag. Freitagabend eventuell ein bisschen Regen, Samstag ähnlich und Sonntag wird dann ein richtiger Regentag. Endlich bin ich in der Hinsicht wieder zuversichtlich. Das Wetter war bisher der einzige Punkt, der mich an der Machbarkeit der Tour zweifeln lies.

                                Kommentar


                                • Borgman
                                  Dauerbesucher
                                  • 22.05.2016
                                  • 768
                                  • Privat


                                  #17
                                  AW: [NO] Ins wilde Herz von Lomsdal-Visten

                                  Zitat von ChuckNorris Beitrag anzeigen
                                  Nie habe ich einen anständigen Überblick. Das Vorankommen ist komplett Versuch und Irrtum
                                  Willkommen in Lomsdal-Visten! Ja, in weiten Teilen dieser wunderschönen Gegend sollte man wohl über Freude an geländebedingten Knobelaufgaben und unerschöpflichen Humor verfügen. Wenn ich das richtig sehe, gehst Du im Henriksdal vorerst noch die gleiche Route wie ich damals, da bin ich gespannt, wie Du den nächsten Tag erlebt hast.

                                  Hätte es denn nach Deinen Informationen auf der Strecke eine alte "varderuta" geben sollen, also Steinwarten? Ich kann mich auch an keine erinnern.

                                  Kommentar


                                  • ChuckNorris
                                    Erfahren
                                    • 03.08.2018
                                    • 177
                                    • Privat


                                    #18
                                    AW: [NO] Ins wilde Herz von Lomsdal-Visten

                                    Ich habe nicht wirklich mit Steinwarten gerechnet. Aber ich hatte auch vorher immer mal wieder Abschnitte an denen ich nicht mit Markierungen gerechnet hatte, wo ich dann aber doch welche gefunden habe.

                                    Wenn ich das richtig sehe, gehst Du im Henriksdal vorerst noch die gleiche Route wie ich damals, da bin ich gespannt, wie Du den nächsten Tag erlebt hast.
                                    D.h. ich gehe mal davon aus, du hast dich auch irgendwo über den Hang gekämpft und es gibt keinen leichteren Weg unten am Fluss entlang?

                                    Kommentar


                                    • Meer Berge
                                      Fuchs
                                      • 10.07.2008
                                      • 2381
                                      • Privat


                                      #19
                                      AW: [NO] Ins wilde Herz von Lomsdal-Visten

                                      Wow, sieht nach einer herrlichen Tour mit herrlichem Wetter in herrlicher Landschaft aus!

                                      Kommentar


                                      • Borgman
                                        Dauerbesucher
                                        • 22.05.2016
                                        • 768
                                        • Privat


                                        #20
                                        AW: [NO] Ins wilde Herz von Lomsdal-Visten

                                        Zitat von ChuckNorris Beitrag anzeigen
                                        Ich habe nicht wirklich mit Steinwarten gerechnet. Aber ich hatte auch vorher immer mal wieder Abschnitte an denen ich nicht mit Markierungen gerechnet hatte, wo ich dann aber doch welche gefunden habe.
                                        Das stimmt, es gab einige historische Routen über die Berge, die nicht mehr benutzt werden, in deren Verlauf immer noch alte Steinwarten zu finden sind. Eine Arbeitsgruppe der Nationalparkverwaltung hat sich vor ein paar Jahren die Mühe gemacht, einige dieser alten Routen zusammenzutragen und in diesem Bericht zugänglich gemacht:
                                        http://www.nasjonalparkstyre.no/Docu...%20vedlegg.pdf

                                        Darüber hinaus gib es in den Randgebieten natürlich auch neuere Markierungen, nicht jeder aufgestellte Stein ist historisch.

                                        D.h. ich gehe mal davon aus, du hast dich auch irgendwo über den Hang gekämpft und es gibt keinen leichteren Weg unten am Fluss entlang?
                                        Ja, ich bin genau so gegangen wie Du, westlich der Höhe 455m hoch über dem Fluss. Hier nachzulesen, bei Tag 4. Ich glaube nicht, dass es einen leichteren Weg gibt. Am See 388m hab ich Mittagspause gemacht und wollte den netten Platz überhaupt nicht verlassen...

                                        Kommentar


                                        • ChuckNorris
                                          Erfahren
                                          • 03.08.2018
                                          • 177
                                          • Privat


                                          #21
                                          AW: [NO] Ins wilde Herz von Lomsdal-Visten

                                          Wow, sieht nach einer herrlichen Tour mit herrlichem Wetter in herrlicher Landschaft aus!
                                          Stimmt, aber das Wetter wird sich bald ändern

                                          Kommentar


                                          • ChuckNorris
                                            Erfahren
                                            • 03.08.2018
                                            • 177
                                            • Privat


                                            #22
                                            AW: [NO] Ins wilde Herz von Lomsdal-Visten

                                            Eine Arbeitsgruppe der Nationalparkverwaltung hat sich vor ein paar Jahren die Mühe gemacht, einige dieser alten Routen zusammenzutragen und in diesem Bericht zugänglich gemacht:
                                            http://www.nasjonalparkstyre.no/Docu...%20vedlegg.pdf
                                            Wow, du bist ja ein richtiger Quell der Weisheit. Das ist ein super Link. Das bestätigt auch einige Vermutungen die ich zu anderen möglichen Routen hatte. Das werd ich mir mal als Inspiration aufheben falls es nochmal in die Gegend geht. Ich habe da noch ein paar offene Rechnungen die beglichen werden wollen.

                                            Im nächsten Post wird es dann endlich in für dich neue Gebiete gehen.

                                            Kommentar


                                            • Fjellfex
                                              Fuchs
                                              • 02.09.2016
                                              • 1511
                                              • Privat


                                              #23
                                              AW: [NO] Ins wilde Herz von Lomsdal-Visten

                                              Zitat von ChuckNorris Beitrag anzeigen
                                              TAG 4 | MITTWOCH 28.8.2019
                                              Es fängt schonmal so an: ich kann bei der Hängebrücke keine einzige Steinwarte entdecken. Also mal schauen. Ideal wäre gewesen am See 240 entlang zu gehen. Das sehe ich aber erst nachdem ich den nicht so idealen Weg gegangen bin und zurückschaue. Ich bleibe viel zu weit oben bei P278.
                                              Westlich am See 240 vorbei wäre wohl tatsächlich die beste Route gewesen. Zumindest, wenn man der von mir schon zuvor erwähnten Tourkart Helgeland glauben darf. Dort kann man links im Menü "Stier" (Pfade) aktivieren, und dann bekommt man Routenvorschläge. Das sind meist keine markierten Wege, aber immerhin Routen, auf denen man sich wohl am besten durchschlagen kann.

                                              Kommentar


                                              • ChuckNorris
                                                Erfahren
                                                • 03.08.2018
                                                • 177
                                                • Privat


                                                #24
                                                AW: [NO] Ins wilde Herz von Lomsdal-Visten

                                                Den Link kenne ich ja erst seit die Tour beendet ist
                                                Wobei, so wahnsinnig weit von der dort vorgeschlagenen Route war ich glaube ich gar nicht weg.

                                                Kommentar


                                                • Fjellfex
                                                  Fuchs
                                                  • 02.09.2016
                                                  • 1511
                                                  • Privat


                                                  #25
                                                  AW: [NO] Ins wilde Herz von Lomsdal-Visten

                                                  Ne, weit war´s nicht. Aber da Du ja von "offenen Rechnungen" gesprochen hast, kann es ja sein, daß es Dich nochmal dahin verschlägt.

                                                  Kommentar


                                                  • ChuckNorris
                                                    Erfahren
                                                    • 03.08.2018
                                                    • 177
                                                    • Privat


                                                    #26
                                                    AW: [NO] Ins wilde Herz von Lomsdal-Visten

                                                    TAG 5 | DONNERSTAG 29.8.2019

                                                    Gut, dass ich Gestern Abend noch lange in der Sonne gechillt habe. Warm wird es ab jetzt wohl nicht mehr. Schon Anfang nächster Woche soll die Temperatur dann sogar bis auf 4°C fallen. Nachdem der aktualisierte Wetterbericht erst für 18:00 Regen ankündigt, habe ich es wieder einmal nicht besonders eilig.

                                                    Ich steige neben einem Wasserfall, oder vielleicht besser Sturzbach, auf und folge im Bachbett dem Tal weiter aufwärts. Ziemlich cool, hier kommt man sogar recht gut vorwärts.









                                                    Bei dem kleinen, namenlosen See, der dem Henriksvatnet auf ca. 480 Hm vorgelagert ist, steige ich weglos bis auf 620 Hm Richtung Norden auf. Ich muss ein paar Felsabbrüche und steile Stufen umgehen, bzw. überklettern.





                                                    Scheinbar bin ich zu weit nach unten abgedriftet, obwohl GPS und Höhenmesser die korrekte Höhe zeigen. Auf jeden Fall lande ich in einer Schlucht bei der ich nochmal ein bisschen Kraxeln muss um wieder auf den richtigen Kurs zu kommen. Nix tragisches, 2-3 Meter und nicht ausgesetzt. Das klappt auch mit dem großen Rucksack.





                                                    Kurz darauf sehe ich den Geehpjaevrie und habe endlich klassische Fjäll Landschaft vor mir. Das Gelände ist jetzt halbwegs übersichtlich mit viel Fels. Hier komme ich schnell voran. Die Landschaft ist ein Traum.







                                                    In der Mittagspause entscheide ich dann die Route ein bisschen zu ändern. Ursprünglich wollte ich versuchen der Schlucht der Vistvasselva zu folgen, die am Nordufer des Nordre Vistvatnet beginnt. P657 wollte ich etwa 500 Meter östlich umgehen (der Teil sieht aus der Ferne sogar machbar aus). Es gibt keine Informationen über eine Route durch die Schlucht, aber auf den Luftbildern sah es zumindest potentiell machbar aus, falls der Wasserstand niedrig wäre. Leicht wäre es mit Sicherheit nicht geworden, aber mit der Aussicht auf mehr Regen war klar, dass es nicht zu einem Versuch kommen würde. Immerhin sollen heute Nacht gute 25 Liter / qm runterkommen.

                                                    Stattdessen werde ich westlich von See 684 zum Blankvatnet laufen. Statt also zu den Vistvatnet abzusteigen und am nächsten Tag wieder rauf zu hatschen peile ich See 657 an.

                                                    Der Übergang vom Geehpjaevrie zu der Gruppe kleiner Seen die mein Ziel für heute sind ist stellenweise recht interessant. Es geht quer durch einen zerklüfteten Hang der überwiegend aus blankem Felsen besteht. Mit ein bisschen Vorsicht und der nötigen Ruhe macht das aber richtig Spaß. Von den kniffligeren Stellen gibt es mal wieder keine Fotos.







                                                    Kurz überlege ich noch 4-5 km dran zu hängen, aber beim Blick zurück wird klar, der Regen lässt nicht mehr lange auf sich warten. Ich finde einen passablen Platz am Ufer und richte mich auf schlechtes Wetter ein. Kurz nachdem das Zelt steht geht es auch schon los – gutes Timing.



                                                    Obwohl ich noch genug Zeit zum Aufbauen hatte, steht das Zelt irgendwie nicht so wie ich das gerne hätte. Innen- und Außenzelt sind auf einer Seite bedenklich nah beieinander. Obwohl ich in den Regenpausen immer mal wieder nachjustiere bekomme ich es aber nicht besser hin. Zum Glück hält es auch so, obwohl es inzwischen ziemlich stürmisch geworden ist. Direkt unterm Zelt fließt inzwischen ein kleiner Bach durch. Das war vorhersehbar, es gab aber keine Alternativen. Trotzdem bleibt alles trocken. Es ist inzwischen ziemlich kalt geworden.

                                                    Mit Handschuhen liege ich im Zelt, Karte und Wetterbericht neben mir und versuche einen Plan für die kommenden Tage zu entwickeln. Wie soll es weiter gehen? Das Svartvaskogen muss ich auf jeden Fall überqueren. Das sollte in ein bis zwei Tagen machbar sein. Von da wäre Bona in weiteren zwei bis drei Tage erreichbar. Dann hätte ich aber noch fünf Tage bis zu meinem Rückflug. Andererseits ist die Aussicht bei 4 °C bei Regen in den Bergen rumzuhängen auch nicht so verlockend. Als ich die letzte Zeile in mein Reisetagebuch schreibe denke ich mir dann aber: „Stell dich mal nicht so an, du Weichei. Das bisschen Regen!“

                                                    Kommentar


                                                    • ChuckNorris
                                                      Erfahren
                                                      • 03.08.2018
                                                      • 177
                                                      • Privat


                                                      #27
                                                      AW: [NO] Ins wilde Herz von Lomsdal-Visten

                                                      TAG 6 | FREITAG 30.8.2019



                                                      Um 6:45 klingelt der Wecker, um 7:00 schaue ich das erste Mal aus dem Zelt. Halleluja! Es ist nur noch leicht bewölkt mit viel blauem Himmel. Die Sonne lugt schon fast hinter dem Vistmannen hervor. Es ist zwar noch kühl, aber mit Jacke nicht unangenehm. Gegen 9:30 geht es dann los.







                                                      Vom See 657, an dem ich die Nacht verbracht habe, geht es zuerst nach Norden. Ich habe die vage Information, dass man westlich von See 684 einige Markierungen nach Norden finden können soll.

                                                      Auf der Karte sieht das eigentlich geschenkt aus. Kein Problem. Über den Sattel direkt nördlich und dann auf einer Höhe immer am Hang entlang. In der Realität geht das natürlich nicht ganz so direkt. Inzwischen habe ich mich aber daran gewöhnt und verzichte darauf meinen Kurs regelmäßig zu kontrollieren. Es geht halt nach Norden, wenn der See dann kommt schauen wir weiter. Der Ausblick nach Osten zu den Vistvatnet mit dem markanten Vistmannen im Hintergrund ist atemberaubend schön.

                                                      Von hier oben bekomme ich auch noch einen besseren Blick auf die Passage ins Tal der Vistvasselva, die ich ja eigentlich ausprobieren wollte (4. Bild). Mich juckt’s nochmal kurz in den Fingern aber nein, der Plan muss für ein anderes Mal hintenangestellt werden. Jetzt muss ich erstmal weiter nach Westen.









                                                      Als ich dann den See 684 erreiche hört der Spaß aber auf. Hier ist auf keinen Fall ein direkter Weg nach Norden zu finden. Am südwestlichen Ufer des Sees ist eine steile und tiefe Schlucht, die ich alleine nicht durchsteigen will – zu zweit hätte man da schon darüber reden können. Wieder einmal gibt es von den schwierigsten Hindernissen keine Bilder, dabei habe ich mich dieses Mal schon dazu gezwungen ein bisschen mehr dokumentarisch zu fotografieren als nur ästhetisch. Da muss ich nächstes Jahr nochmal dran arbeiten.

                                                      Auf jeden Fall muss ich der Schlucht jetzt erstmal Richtung Südwesten folgen. Weiter oben wird das Ding flacher. Ich versuche einen Weg zu finden, bei dem ich mehr oder weniger auf einer Höhe bleiben kann anstatt die knapp 100 Hm zu P.821 aufzusteigen. Letzteres wäre vermutlich weniger anstrengend gewesen aber in diese Falle bin ich schon ein paar Mal getappt. Hinterher ist man immer schlauer, lernt aber nicht unbedingt was daraus.

                                                      So kraxle ich also durch eine ziemlich steile Bergflanke aus eigenartig weißem Fels. Immer wieder müssen Blockfelder überquert werden und steile Anstiege auf moosigem Schotter überwunden werden. Zum Glück ist es nicht besonders ausgesetzt. Letztlich stehe ich dann doch fast oben auf P.821, als ich nach etwa 1,5 km endlich über die Schlucht rüberkomme. Die letzten paar hundert Meter waren ein rechtes Labyrinth, zwischen steilen Abhängen, Seen und Tümpeln.

                                                      Ich bin ziemlich erschöpft, die ständige Konzentration ist auf jeden Fall anstrengender als der Aufstieg an sich. Tatsächlich musste ich mit der Zeit immer weiter nach Süden ausweichen. Das Gelände bestimmt den Weg. Endlich finde ich zwischen einigen kleinen Seen, die gar nicht erst auf der Karte verzeichnet sind, einen Durchgang nach Norden. Viele der Seen sind von meterhohen Felsstufen begrenzt die zu steil und zu hoch sind um darüber zu klettern, aber hier kann man im Zickzack weiter. Dann geht es nochmal mit Blick auf den Abgrund eine steile Rampe nach unten, ein Stück weit auf dem Arsch über feuchte Flechten rutschen und dann wieder nach oben.

                                                      Endlich. Ich bin durch. Das obere Ende der Schlucht ist erreicht und ich komme an einem kleinen See an, der wieder nicht in der Karte verzeichnet ist. Hier pfeift der Wind ganz schön durch, aber im Moment ist das trotzdem der perfekte Platz für die Mittagspause. Das größte Hindernis für heute ist geschafft – zumindest glaube ich das im Moment noch.

                                                      Ich lege den Rucksack ab und mache mich auf die Suche nach einem windgeschützten Platz, finde leider keinen und sitze dann doch mitten im Wind bei meiner Brotzeit. Allzu lange halte ich es hier nicht aus und so gibt es nur noch einen schnellen Kaffee bevor ich weiterziehe. So warm und angenehm wie es auf dem Foto aussieht war es nicht wirklich.



                                                      Wenn alles gut geht, dann wird es ab hier jetzt einfacher. Irgendwo sollen ja diese Markierungen sein. Von hier aus kann ich keine logische Route erkennen, also gehe ich noch links am See auf dem Foto vorbei bis zu dem Sattel in der Ferne. Hier, irgendwo zwischen P.809 und P.818 kann ich auf einem Hügel im Norden endlich eine ziemlich große Steinwarte sehen. Ab hier gibt es also Markierungen, alles wird gut!

                                                      Ich steige auf um mir einen Überblick zu verschaffen und hoffe von hier aus die nächsten Steinwarten ausmachen zu können. Von wegen, das war die einzige Markierung die ich den ganzen Tag finden werde. Na gut, so schwer kann das ja nicht werden. Ich weiß ja, dass es westlich des Baches der von See 684 nach Norden fließt entlang gehen muss.

                                                      Zuerst komme ich auch noch ganz gut voran, aber dann versperren mir einige 20-30 Meter tiefe Canyons den Weg. Die kommen hier aus allen möglichen Richtungen und verlaufen kreuz und quer. Es hilft alles nix, irgendwie muss es weiter gehen. Mal steige ich ab und folge den Rinnen einfach bis ich irgendwo wieder einen Weg nach oben finde. Ein anderes Mal finde ich ewig lang keinen Abstieg und muss oben weiter scouten.

                                                      Insgesamt ist die Wegfindung auf dem heutigen Tag die schwierigste während der ganzen Tour. Trotzdem, das Wetter passt und obwohl es vor allem mental anstrengend ist – es geht ja dennoch hauptsächlich bergab, genieße ich es. Manchmal muss man einfach nur ruhig bleiben und sich den Spaß nicht verderben lassen.

                                                      Das scheint sich auch zum Motto des Tages zu entwickeln. Nachdem die Canyons endlich alle durchsteigen sind kommt noch ein letzter felsiger Abstieg. Ich kann mich noch erinnern, dass ich da irgendwo auf einem nassen Stück Moos ausgerutscht bin, könnte aber auf dem Bild jetzt nicht mehr sagen wo genau ich da lang gekommen bin – irgendwo in der Mitte halt. Von unten war dann recht klar wo man einfacher heruntergekommen wäre.



                                                      Hier mache ich nochmal kurz Pause und futtere Studentenfutter. Jetzt wird es eine Weile lang einfach und es geht recht flach abwärts. Ganz da vorne sieht es aber gar nicht so toll aus. Da kommt irgendwie nix mehr!





                                                      Etwas kommt aber doch, nämlich erst eine Stufe von 10 m, dann ein Felssturz an deren Fuß. Hm, hier geht es also nicht weiter. Vielleicht ein Stück weiter rechts? Unter einer markanten, fast senkrechten Wand findet sich eine Route. Obwohl, „Route“ ist vielleicht ein bisschen euphemistisch.



                                                      Ich lege erstmal meinen Rucksack ab und atme ein wenig durch. Fast durch Zufall bin ich an der einzigen Stelle gelandet wo es vielleicht nach unten gehen könnte. Ich gehe ein paar Meter auf und ab um einen besseren Blick nach unten zu haben und wäge ab. Es ist nicht unmachbar. Richtig wohl ist mir zwar nicht, aber eigentlich kann hier nicht wahnsinnig viel passieren.

                                                      Hier über die Steinblöcke kraxeln, dabei den Ästen ausweichen, dann könnte man doch da, auf dem kleinen Streifen Gras weiter. Dann kommen zwar jede Menge nasse Platten, aber auf denen gibt es auch kleine Stellen mit Gras auf denen man halbwegs halt finden sollte. Na gut, die Entscheidung ist gefallen, das Risiko scheint mir vertretbar.

                                                      Noch ein, zwei Mal tief durchatmen, Rucksack festziehen, nochmal nachschauen ob nichts liegen geblieben ist, nochmal durchatmen. Was man nicht alles macht um Zeit zu schinden. So jetzt aber. Los geht’s!

                                                      Die Route klappt. Trotzdem bekommt dieser Hang einen Platz in meiner ewigen Rangliste gruseliger Abstiege, die ich nicht wieder vergessen werde. Als ich die nassen Platten hinter mir lasse wird das Gehen wieder leichter, auch wenn der Boden jetzt triefnass ist. Macht ja auch Sinn, irgendwo muss das ganz Wasser, dass das die Platten runter rinnt ja versickern.

                                                      Unten am Blankvatnet schaue ich mir den Hang dann nochmal aus einer anderen Perspektive an. Ich habe keinen Schimmer wo hier diese angeblich markierte Route runterkommen könnte. Rechts von mir wird der Hang von einer ziemlich beeindruckenden Schlucht zerschnitten. Wie der Bach der in ihr fließt, hat sie keinen Namen.



                                                      Am Blankvatnet schlage ich endlich mein Zelt auf. Die Sonne scheint und überhaupt schleppe ich immer noch viel zu viel Whiskey mit mir rum. Dem muss abgeholfen werden und verdient habe ich mir das nach dem Tag auch. Hier wäre sogar einiges an Feuerholz aufgeschichtet. Scheinbar kommen hier hin und wieder Angler her. Für ein Lagerfeuer bin ich zwar zu faul, aber ich nutze die warme Abendsonne, bade im See und wasche danach meine Klamotten.





                                                      Beim Abstieg habe ich nochmal den Plan geändert. Gestern habe ich mir das schon auf der Karte überlegt. Statt im Ole-Henriksendalen neben dem Wasserfall zu See 563 aufzusteigen, will ich mir das harte Bushgewhacke sparen und einen flacheren Aufstieg im Westen zu P.515 nehmen. Die große Frage dabei: kommt man überhaupt über die Sæterelva rüber und wenn ja, wo? Wie schlimm wird das Bushwhacking hier und was lauert in den Sümpfen?

                                                      Kommentar


                                                      • Roiber
                                                        Gerne im Forum
                                                        • 16.12.2015
                                                        • 80
                                                        • Privat


                                                        #28
                                                        AW: [NO] Ins wilde Herz von Lomsdal-Visten

                                                        Schöne Fotos gepaart mit einem sehr ansprechenden Schreibstil - ich bleibe auf jeden Fall dabei!
                                                        Und auch den Landstrich muss ich mir vormerken. Vielen Dank fürs Mitnehmen!

                                                        Kommentar


                                                        • Freedom33333
                                                          Dauerbesucher
                                                          • 09.09.2017
                                                          • 900
                                                          • Privat


                                                          #29
                                                          AW: [NO] Ins wilde Herz von Lomsdal-Visten

                                                          Tolle Fotos. Irgendwie spricht mich die Landschaft fast mehr an, als das ständige Laufen durch Buschwerk und Sumpf wie ich es in Schweden an vielen Stellen erlebt habe. Jedenfalls könnte ich mir vorstellen, letzteres im nächsten Urlaub vermeiden zu wollen

                                                          Gab es solche Passagen bei dir auch? Oder ist Norwegen generell eher steiniger im Sinne der Fotos von dir und Schweden sumpfiger?

                                                          Kommentar


                                                          • Ljungdalen

                                                            Alter Hase
                                                            • 28.08.2017
                                                            • 3014
                                                            • Privat


                                                            #30
                                                            AW: [NO] Ins wilde Herz von Lomsdal-Visten

                                                            Zitat von Freedom33333 Beitrag anzeigen
                                                            Irgendwie spricht mich die Landschaft fast mehr an, als das ständige Laufen durch Buschwerk und Sumpf wie ich es in Schweden an vielen Stellen erlebt habe.
                                                            Mehr über Bergrücken und weniger durch Täler laufen hilft tendenziell. (Auch in Schottland. & scnr)

                                                            Kommentar


                                                            • Antracis
                                                              Fuchs
                                                              • 29.05.2010
                                                              • 1280
                                                              • Privat


                                                              #31
                                                              AW: [NO] Ins wilde Herz von Lomsdal-Visten

                                                              Zitat von Freedom33333 Beitrag anzeigen
                                                              Tolle Fotos. Irgendwie spricht mich die Landschaft fast mehr an, als das ständige Laufen durch Buschwerk und Sumpf wie ich es in Schweden an vielen Stellen erlebt habe. Jedenfalls könnte ich mir vorstellen, letzteres im nächsten Urlaub vermeiden zu wollen

                                                              Gab es solche Passagen bei dir auch? Oder ist Norwegen generell eher steiniger im Sinne der Fotos von dir und Schweden sumpfiger?
                                                              Generell hat man in Lomsdal-Visten ziemlich viel mit Buschwerk zu tun bzw. einer mitunter ziemlich kräftezehrenden Mischung aus dichter Vegetation, terassierter Landschaft und relativ viel Platten und natürlich Sumpf. Es gibt auch viele enge Canyons. Das macht das Vorankommen und die Wegfindung ziemlich mühsam. Vor allem zwischen 300-ca.600m über dem Meeresspiegel ist das ziemlich ausgeprägt, darüber wird es einfacher. Nach meiner Erfahrung, und was ich selbst erlebt habe, ist es in dieser Ausprägung nicht unbedingt typisch für Norwegen, sondern eher eine Eigenart der Gegend.

                                                              @ChuckNorris:

                                                              D.h. ich gehe mal davon aus, du hast dich auch irgendwo über den Hang gekämpft und es gibt keinen leichteren Weg unten am Fluss entlang?
                                                              Wir sind sowohl im Hendriksdal unten am Fluss entlang (dieses Jahr), als auch oben über den Hang (bei unserer ersten Tour), und nein, unten am Fluss ist es definitiv nicht einfacher. Die Wasserstände waren sehr sehr niedrig, insofern haben wir es gewagt, aber es war sehr anstrengend und kräftezehrend und mitunter leider auch gefährlich, weil es in den Kurven des Canyons teilweise kurze Steilwandpassagen gibt, an denen man nicht entlang gehen kann. Dann bleibt nur schwimmen, oder am teils sehr steilen Hang (unsere Wahl) entlang klettern, um die Passagen zu umgehen.

                                                              Danke für den Bericht.
                                                              Zuletzt geändert von Antracis; 05.11.2019, 22:10.

                                                              Kommentar


                                                              • ChuckNorris
                                                                Erfahren
                                                                • 03.08.2018
                                                                • 177
                                                                • Privat


                                                                #32
                                                                AW: [NO] Ins wilde Herz von Lomsdal-Visten

                                                                Hm, ich versuch mal nach und nach auf die Themen in den verschiedenen Posts einzugehen.

                                                                1) Busch vs. Fels:
                                                                Ob sich hier Norwegen und Schweden grundsätzlich unterscheiden kann ich nicht wirklich beantworten. Ich bin bisher nur kurze Strecken auf der schwedischen Seite der Grenze unterwegs gewesen. An sich gilt aber generell, egal ob Alpen, Kanada, Norwegen, was auch immer: man muss halt rauf auf den Berg, dann wird's auch besser mit dem Busch.
                                                                Bzgl. der "Buschigkeit" würde ich meine Route in Lomsdal-Visten jetzt auch gar nicht als besonderes schlimm betrachten. Als ich vor ein paar Jahren beim Svartisen durch das Glomdalen gelaufen bin, fand ich es dort deutlich schlimmer. Es kommt halt immer auf die genaue Route an.
                                                                Wo ich Antracis aber definitiv zustimme und das haben ja auch schon andere erwähnt, das Gelände ist in Lomsdal-Visten schon deutlich zerklüfteter als in anderen Gegenden im Nordland. Darauf sollte man gefasst sein, sonst hat man vermutlich wenig Spaß an der Sache. Sumpfige Stellen gab es auch einige, wiederum hauptsächlich in den Tälern.

                                                                2) Beste Route im Henriksdalen:
                                                                Wir sind sowohl im Hendriksdal unten am Fluss entlang (dieses Jahr), als auch oben über den Hang (bei unserer ersten Tour), und nein, unten am Fluss ist es definitiv nicht einfacher. Die Wasserstände waren sehr sehr niedrig, insofern haben wir es gewagt, aber es war sehr anstrengend und kräftezehrend und mitunter leider auch gefährlich, weil es in den Kurven des Canyons teilweise kurze Steilwandpassagen gibt, an denen man nicht entlang gehen kann. Dann bleibt nur schwimmen, oder am teils sehr steilen Hang (unsere Wahl) entlang klettern, um die Passagen zu umgehen.
                                                                Sowas ähnliches habe ich mir gedacht. Bin schon gespannt was du dazu noch zu berichten hast - oder gibt's den Bericht schon und ich hab es übersehen?

                                                                Kommentar


                                                                • Antracis
                                                                  Fuchs
                                                                  • 29.05.2010
                                                                  • 1280
                                                                  • Privat


                                                                  #33
                                                                  AW: [NO] Ins wilde Herz von Lomsdal-Visten

                                                                  Zitat von ChuckNorris Beitrag anzeigen
                                                                  Sowas ähnliches habe ich mir gedacht. Bin schon gespannt was du dazu noch zu berichten hast - oder gibt's den Bericht schon und ich hab es übersehen?

                                                                  Nein, war leider beruflich und sportlich nach dem Urlaub so eingespannt, dass es noch keinen Bericht gibt. Habe mir aber vorgenommen, den noch jetzt im Winter zu schreiben, da wir u.a. auch durchs Sødre Austerdalen sind, was es sowohl landschaftlich als auch von der Schwierigkeit in sich hat. Auch der Übergang von dort zum Hendriksdalen war eine Geduldsprobe. Das geplante Grunnvassdalen mussten wir leider lassen, weil dann starke Regenfälle einsetzten.


                                                                  Ein Video von unserer Nord-Südquerung ist auch noch in Arbeit, hoffe, das ist alles dann als Weihnachtsgeschenk fertig. Jetzt freue ich mich aber erstmal über Deinen Bericht.

                                                                  Kommentar


                                                                  • ChuckNorris
                                                                    Erfahren
                                                                    • 03.08.2018
                                                                    • 177
                                                                    • Privat


                                                                    #34
                                                                    AW: [NO] Ins wilde Herz von Lomsdal-Visten

                                                                    Wow, das hört sich mehr als spannend an. Über eine Route vom Henriksdalen nach Westen hatte ich auch nachgedacht. Ich habe nach einer Route rauf auf die Bergkette westlich des Borjedalen gesucht, konnte aber nichts finden was machbar aussah.

                                                                    Dann freue ich mich mal auf Weihnachten. Morgen geht's dann hier auch wieder mit dem nächsten Kapitel weiter.

                                                                    Kommentar


                                                                    • ChuckNorris
                                                                      Erfahren
                                                                      • 03.08.2018
                                                                      • 177
                                                                      • Privat


                                                                      #35
                                                                      AW: [NO] Ins wilde Herz von Lomsdal-Visten

                                                                      TAG 7 | SAMSTAG 31.8.2019

                                                                      Guten Morgen, sagt der Regenbogen und ich grüße höflich zurück. Auf dem letzten Bild von Gestern Abend kann man schon erahnen, dass das Wetter umschlagen sollte. Obwohl es beim ersten Blick nach Draußen arg düster ausschaut bleibt der Weltuntergang erstmal aufgeschoben. Während ich meine Morgenroutine erledige wechseln sich immer wieder Regen und trockene Momente ab. In der Ferne drückt es die Wolken immer wieder tief ins Tal, aber ein richtiges Unwetter bleibt mir wohl vorerst erspart.









                                                                      Um 10:00 bin ich dann fertig mit packen und es geht los. Vor mir liegt das breite Tal der Sæterelva, das wie auch der Platz an dem mein Zelt stand, nicht zum Nationalpark gehört. Das tut der Landschaft aber überhaupt keinen Abbruch.

                                                                      Zuerst steige ich über offenes Gelände ein Stück nach unten ab, dann durch dichteren Wald bis runter in die Ebene. Hier sind weite sumpfige Flächen an deren Rand lichter Wald wächst. Das schmatzende Geräusch meiner Schritte begleitet mich während ich versuche einen möglichst trockenen Weg geradeaus durch den Sumpf zu finden. So richtig gelingt das natürlich nicht, aber meist halten die Grassoden und ich sinke nur selten wirklich tief ein. P.176 umgehe ich westlich durch lichten Wald und stoße dann in der Nähe des Fallforsen auf die Sæterelva.

                                                                      Eigentlich könnte ich schon hier absteigen und den Fluss vermutlich queren, aber ich bleibe noch ein bisschen oben und laufe flussaufwärts durch den Wald. Hier, in einer Flussbiegung, liegt die perfekte Furt. Wie sich herausstellt, habe ich mir völlig umsonst Sorgen gemacht ob die Sæterelva gefurtet werden kann. Der Wasserstand ist niedrig und die Furt breit mit kaum Strömung. Auch weiter im Unterlauf entdecke ich später immer wieder Stellen, an denen der Fluss problemlos gefurtet werden könnte.



                                                                      Ab hier geht es für mich erst einmal ein Stück weiter nach Norden. In dieser Richtung ist auf der Karte ein Bach eingezeichnet. Da will ich hin und im Bachbett absteigen, dann am Nordufer des Flusses weiter nach Westen. So kann ich ein Gebiet mit steilen Felsklippen umgehen, die den direkteren Aufstieg zum Stigfjellet versperren.

                                                                      Hier wächst dichter Wald und unvermittelt stehe ich vor einem enorm steilen Hang. Glücklicherweise ist der Boden bewachsen und überall stehen Bäume rum. Selbst wenn ich hier ausrutschen sollte werde ich nicht weit kommen, bevor mich irgendein Baum auffängt.



                                                                      Nach einigem auf- und abgehen habe ich mich für eine Stelle entscheiden, fahre die Stöcke ganz aus und steige ab. Was zuerst wie das Bett eines kleinen Rinnsales aussah, entpuppt sich später als Wildwechsel auf dem ich über weite Strecken gut vorwärts komme. Überhaupt ist das ganze Tal von Wildpfaden durchzogen, die mir auch später noch helfen werden.

                                                                      Ich steige also weiter ab und sehe schon bald den Fallforsen wieder, diesmal von unten. Immer wieder sehe ich im Schlamm große Tatzenabdrücke. Als neben dem Pfad dann auch noch eine Höhle in einer Felswand auftaucht, rufe ich zur Sicherheit doch mal „Hey Bär!“. Man kann ja nie wissen. Irgendwo südlich des Stigbekken entwickelt sich mein Wildwechsel dann zu einem klar erkennbaren Pfad, der sehr schön am Ufer der Sæterelva entlangführt.





                                                                      Weil es eigentlich ganz chillig ist, so im Wald spazieren zu gehen entscheide ich mich kurzerhand dem Pfad einfach mal bis an sein Ende zu folgen. Ich komme zuerst an der Ruine einer Hütte vorbei, die ruhig vor sich hin rostet. Dann komme ich an einem alten Bauernhof vorbei, der wohl inzwischen nur noch von Jägern genutzt wird.

                                                                      Die Jagdhütten und Einödhöfe in Norwegen haben immer irgendwie einen gruseligen Eindruck auf mich hinterlassen. Im Film hätten die alle ganz gut das Versteck von einem irren Einsiedler sein können. Mit einem solchen Irren hatten wir vor ein paar Jahren schonmal das Vergnügen. Der gute Mann hatte sich ein Stück Sandpapier von einem Bandschleifer um den Kopf geklebt und zwar mit der rauen Seite nach innen. Auf dem Couchtisch lag schon die Kettensäge bereit, aber er hat uns dann doch ein Taxi gerufen anstatt uns zu zerstückeln und als Vorräte für den Winter einzupökeln. Aber ich schweife ab.

                                                                      Hier, hinter dem Hof, wird aus dem Pfad ein Fahrweg, der sich leider 3km weiter am Ufer des Lakselvvatnet als Sackgasse erweist. Ja, ich weiß, das hätte man mit einem Blick auf die Karte auch früher wissen können. Ich habe aber nicht vorgehabt hier überhaupt lang zu kommen, deswegen gab es auch keine Karte für den kleinen Ausflug. Hier komme ich also nicht weiter. Jetzt, beim schreiben dieser Zeilen, sehe ich auf der Karte, dass man den See im Süden hätte umgehen können. Von dort hätte man, immer am Ufer, auf einem Pfad bis nach Aursletta gehen können. Von da gibt es auch eine Fähre zurück in die Zivilisation. Aber dafür ist es noch zu früh. Auf der Fähre werde ich erst in ein paar Tagen sitzen.

                                                                      Also wieder zurück in die Gegenwart und vor allem auf den Rückweg. Zuerst auf dem Fahrweg, wieder an dem komischen Hof vorbei. Das Haus sieht ziemlich leer und verlassen aus, aber der Schuppen steht sperrangelweit offen. Trotzdem ist kein Mensch weit und breit zu sehen. Wenn in dem Moment ein Waldschrat mit einer Axt aus dem Wald gekommen wäre, dann hätte ich wohl den Schreck meines Lebens bekommen und einen ganz und gar unmännlichen Schrei von mir gegeben.

                                                                      Ich folge noch ein paar hundert Meter dem Pfad und nehme dann den erstbesten Wildwechsel der in Richtung Stigbekken nach Norden führt. Als ich die paar Höhenmeter zur Ebene hinauf hinter mir habe, muss ich nochmal Pause machen. Hier ist auch wieder einer der ganz wenigen Plätze auf dieser Tour wo es Mücken in Hülle und Fülle gibt. Das ist mir im Moment aber wurscht. Ich futtere Studentenfutter, mache Kaffee und wappne mich für den Aufstieg. Der kleine Umweg hat doch ganz schön geschlaucht.

                                                                      Der See 494 soll heute mein Zeltplatz werden. Die Route hoch ins Stigjfellet führt ziemlich steil, zwischen nassen Platten und Blockverhau mit Gestrüpp nach oben. Ich Depp habe natürlich nach meiner Pause meine Wasservorräte nicht aufgefüllt. Das rächt sich jetzt. Alle 10 Hm mache ich kurz Pause, die Beine brennen und ich bin schon ziemlich bald ganz schön am Ende. Inzwischen hat es auch wieder leicht zu regnen angefangen.





                                                                      Nach einer gefühlten Ewigkeit, auf halber Höhe des Hangs, erreiche ich endlich einen sumpfigen Tümpel an dem ich meine Wasserflasche füllen kann. Hier mache ich nochmal kurz Pause, aber es ist zu kalt und ungemütlich um hier länger zu bleiben. Die zahlreichen Mücken tun ihr übriges um mich zu vertreiben.







                                                                      200 harte Höhenmeter später, baue ich völlig platt mein Zelt an einer mittelmäßig matschigen Stelle neben meinem Zielsee auf. Unterwegs habe ich mal wieder eine einzelne, einsame Steinwarte entdeckt, sonst aber keine weiteren Markierungen gesehen.







                                                                      Zur Feier des Tages arbeite ich weiter daran, das Gewicht des Whiskeys zu verringern. Ohne Saufkumpan hält das Zeug aber auch ewig! Als ich mir dann Abendessen mache entdecke ich das hier überall Essen rumliegt. Und zwar mein Essen. Na super, der Boden von dem Packsack mit dem Essen hat sich fast komplett abgelöst. Scheiß Frilufts-Klump! Der war nagelneu. Ich nähe also den Boden wieder notdürftig an und wundere mich, wie man bei einem Packsack mit über 20l Volumen den Boden nur verkleben kann. Das hat man davon, wenn irgendein Controller mit BWL Studium bei der Produktenwicklung mitreden darf. Vielen Dank lieber Globetrotter, ich glaube das war’s dann erstmal mit unserer Bekanntschaft.

                                                                      Als ich mit Nähen fertig bin und auch mein Abendessen vertilgt habe ist auch die Mission Whiskeyreduktion weit fortgeschritten. Ganz schön kalt hier, ab ins Bett.

                                                                      Kommentar


                                                                      • Borgman
                                                                        Dauerbesucher
                                                                        • 22.05.2016
                                                                        • 768
                                                                        • Privat


                                                                        #36
                                                                        AW: [NO] Ins wilde Herz von Lomsdal-Visten

                                                                        Sehr spannend! Schon mal herzlichen Dank dafür, dass Du die Strapazen auf Dich genommen hast, die direkte Route vom Henriksdal bis Svartvasskogen zu erkunden. Ich habe versucht, Deinen bisherigen Weg anhand der Luftbilder zu verfolgen. Mit den eingeblendeten 5m-Höhenlinien bei norgeibilder kann man die zahlreichen Hindernisse eigentlich ganz gut erkennen (außer sie sind kleiner als 5 Meter, natürlich , oder im Wald), aber Deinen guten Vorsatz, mehr Fotos von schwierigen Stellen zu machen, finde ich sehr lobenswert . Das ist halt noch mal anschaulicher. Allerdings kenne ich auch aus eigener Erfahrung, dass man bei besonders nervenaufreibenden Passagen nicht immer an ein Foto denkt, da hat man wirklich Anderes im Kopf.

                                                                        Wo Du schon mal einen Abstecher zum Lakselvvatn gemacht hast: wäre es möglich gewesen, Sæterelva nahe der Mündung zu furten? Sieht auf den Luftbildern ziemlich sandig aus. Und warum in aller Welt hattest Du dafür keine Karte? Fast das ganze Nationalparkgebiet ist doch auf einem einzigen Kartenblatt… was hast Du für Karten benutzt?

                                                                        Kommentar


                                                                        • ChuckNorris
                                                                          Erfahren
                                                                          • 03.08.2018
                                                                          • 177
                                                                          • Privat


                                                                          #37
                                                                          AW: [NO] Ins wilde Herz von Lomsdal-Visten

                                                                          Mit den eingeblendeten 5m-Höhenlinien bei norgeibilder kann man die zahlreichen Hindernisse eigentlich ganz gut erkennen
                                                                          Kannst du mir mal helfen und erklären wo man die einschaltet? Ich verstehe kein Norwegisch und finde auch keinen Knopf um die Website auf Englisch zu schalten.

                                                                          Wo Du schon mal einen Abstecher zum Lakselvvatn gemacht hast: wäre es möglich gewesen, Sæterelva nahe der Mündung zu furten?
                                                                          So genau kann ich dir das nicht sagen. In der Gegend hat man den Fluss vom Weg aus nur recht selten gesehen und dort wo ich umgekehrt bin hat es mich nicht interessiert ob man rüber kann. Ich vermute aber mal, dass es direkt an der Mündung eher schlecht aussieht. Wenn du dir die Luftbilder ansiehst und dem Fluss ein Stück weit flussaufwärts folgst, dann wirst du eine Stelle mit einer kleinen Insel finden, kurz dahinter ein Wasserfall. Da würde ich es versuchen. Ansonsten gibts es östlich von Saetra wieder einige Stellen wo man den Fluss sicherlich queren kann.

                                                                          Und warum in aller Welt hattest Du dafür keine Karte?
                                                                          Ich bastel mir meine Karten meistens aus Screenshots von online Karten zusammen, in dem Fall habe ich die von norgeskart.no als Basis genommen. Um ehrlich zu sein, bei dieser Tour habe ich auch gar nicht geschaut ob es auch schon eine fertige Karte gibt die mir genau den Ausschnitt gibt den ich brauche. Als Backup hatte ich noch die OSM mit recht weiträumiger Abdeckung dabei, aber die ist bzgl. Höhenlinien und vor allem der Handhabung auf meinem Garmin nur für Notfälle.

                                                                          Kommentar


                                                                          • ChuckNorris
                                                                            Erfahren
                                                                            • 03.08.2018
                                                                            • 177
                                                                            • Privat


                                                                            #38
                                                                            AW: [NO] Ins wilde Herz von Lomsdal-Visten

                                                                            TAG 8 | SONNTAG 1.9.2019



                                                                            Am Morgen ist es zwar sonnig, aber es weht bereits ein starker Wind, der sich im Laufe des Tages zu noch zu einem Sturm entwickeln wird. Ich lasse es heute ganz langsam angehen. Der Aufstieg von Gestern steckt mir noch ziemlich in den Knochen. Ich gehe nicht den kürzesten, sondern definitiv den mir am leichtesten erscheinenden Weg. Im Rückblick war’s natürlich mal wieder nicht der leichteste. Anstatt einfach schnurstracks nach Norden zu laufen vertue ich mich schon von Anfang an und peile die verkehrte Senke an. So umrunde ich den Kessel mit seinen zahlreichen Seen und Tümpeln anstatt ihn zu queren und komme viel weiter nach Osten, als ich vorhatte.







                                                                            In der Nähe einiger, quer zu meiner Richtung verlaufender kleiner Schluchten mache ich nochmal kurz Pause und checke den Kurs auf dem GPS. Auf einem weiten Bogen umrunde ich, stetig aufsteigend, einen Kessel mit mehreren Seen. Ich merke, dass ich in der Nähe von See 572 gelandet bin und korrigiere meinen Kurs nach Norden. Der Irrweg entpuppt sich aber wie so oft als Glücksfall. So komme ich doch noch am Grunnvatnet vorbei, den ich mir ursprünglich als mögliches Camp vorgemerkt hatte. Landschaftlich hat sich der Umweg auf jeden Fall gelohnt.



                                                                            Sobald ich den Grunnvatnet im Blick habe komme ich wieder schneller voran. Endlich bin ich oben und habe richtig leichtes Gelände vor mir. Der Wind vom Morgen ist allerdings inzwischen zu einem Sturm geworden, obwohl noch die Sonne scheint. Als ich den streberhaft markierten Weg Richtung Austerfjord quere korrigiere ich meinen Kurs nochmal nach Nordwesten.



                                                                            Nachdem ich See 610 passiert habe mache ich im leidlichen Windschatten eines Felsriegels Pause. Irgendwo zwischen den Seen überquere ich den Bach und der Abstieg ins Nordre Austerfjorddalen beginnt.

                                                                            Ich folge also westlich dem Bach abwärts. Das erweist sich als exzellente Entscheidung. Im Osten bei P467 versperrt nämlich eine Steilwand den Weg und der Bach ist hier kaum zu überqueren, da er in einem tiefen, steilen Graben fließt. Auf ungefähr 400 Hm, neben einem kleinen Weiher, beende ich den heutigen Tag schon um 13:00. Ich bin ziemlich gerädert und sehe eigentlich auch keinen Grund heute auf Teufel komm raus Strecke zu machen. Außerdem gefällt es mir hier sehr gut.





                                                                            Wieder einmal spiele ich das übliche Spiel und versuche einen Kompromiss zwischen uneben und matschig zu finden. Die Auswahl an Plätzen ist überschaubar, aber zum Schluss steht das Zelt ganz ordentlich auf einer ebenen aber nassen Stelle.

                                                                            Das Timing ist mal wieder perfekt. Ein paar Minuten später fängt es schon an zu regnen. Den Rest des Tages verbringe ich mit einem spannenden Buch von Neal Stephenson.

                                                                            Kommentar


                                                                            • ChuckNorris
                                                                              Erfahren
                                                                              • 03.08.2018
                                                                              • 177
                                                                              • Privat


                                                                              #39
                                                                              AW: [NO] Ins wilde Herz von Lomsdal-Visten

                                                                              Kannst du mir mal helfen und erklären wo man die einschaltet? Ich verstehe kein Norwegisch und finde auch keinen Knopf um die Website auf Englisch zu schalten.
                                                                              Hat sich erledigt, hab's gefunden. Falls sich sonst noch wer dieselbe Frage stellen sollte: oben rechts die Weltkugel klicken => Sprachauswahl. Danach Tab "Map Layer" und "Basemap Layer", dort Høydekurver einschalten (komisch, dass das nicht auch übersetzt wird).

                                                                              Kommentar


                                                                              • ChuckNorris
                                                                                Erfahren
                                                                                • 03.08.2018
                                                                                • 177
                                                                                • Privat


                                                                                #40
                                                                                AW: [NO] Ins wilde Herz von Lomsdal-Visten

                                                                                TAG 9 | MONTAG 2.9.2019



                                                                                Ein Blick auf den Wetterbericht zeigt trübes Wetter, mit vereinzelten Schauern bis Mittag. Überhaupt haben sich die Aussichten auf schlechtes Wetter in ein paar Tagen verdichtet. Das heißt nochmal den Plan anpassen.

                                                                                Eigentlich wollte ich ja bei Visthus aussteigen. Dafür müsste ich aber den Finnknefjellan überqueren. Mit 866 Metern zwar nicht überwältigend hoch, aber der würde definitiv in den Wolken stecken. Nachdem es auch dort keinen markierten Pfad gibt, wollte ich das Risiko da im Nebel herumzuirren nicht eingehen. Ich hatte zwar keine Bedenken mich zu verlaufen, das GPS war ja dabei. Aber bei schlechter Sicht, zwischen steilen Hängen eine Route zu finden, die einmal quer über den Berg führt und dann noch den richtigen Kamm am Ende der Überschreitung zu finden war mir dann doch zu unwahrscheinlich.

                                                                                Na, so sei es! Neues Ziel ist Bona, das mir schon von Borgman als möglicher Ausstieg empfohlen wurde. Dafür muss ich eigentlich nur noch über das Nordre Austerfjorddalen und dann am Krongelvatnet absteigen. Auf meinen Karten ist da kein Weg eingezeichnet, aber es soll angeblich einen geben. Selbst wenn, da wird man schon runterkommen. Das neue Ziel bedeutet auch, dass ich jetzt noch viel weniger Zeitdruck habe. In aller Theorie könnte ich das sogar in einem Tag schaffen. Das muss aber nicht sein. Ich habe eher vor zum Krongelvatnet zu laufen und da in der Nähe noch eine Nacht zu bleiben. Am nächsten Nachmittag kann ich dann in Bona das Boot nehmen.

                                                                                Heute breche ich dann auch erst gegen 13:00 auf. Genau in dem Moment als ich loslaufe geht der Regen wieder los. Naja, jetzt ist es auch schon egal. Ist ja alles schon zusammengepackt. Ich steige in einem Bogen nach Nordwesten ab. Ich kann zwar meinen geplanten Aufstieg sehen, habe aber keine Ahnung was dazwischen noch auf mich wartet. In der Mitte des Tals liegt noch ein Hügel, der den Blick versperrt. Überhaupt scheint meine Stelle westlich von P.470 hier der einzige mögliche Weg auf die andere Seite zu sein. Weiter im Westen liegen nur Steilwände. Das Foto zeigt den Blick zurück.



                                                                                Die letzten Meter auf meiner Tour wollen dann auch nochmal hart erkauft werden. Irgendwo östlich von P.377 komme ich oben auf dem Hügel an und sehe vor mir eine Schlucht, durch die der Bach fließt. Hm, gar nicht so einfach hier weiter zu kommen. Hier geht auf jeden Fall nix. Ich folge der Schlucht eine Weile nach Westen, bis ich mit Hilfe von ein paar Birken nach unten kraxeln kann. Den Bach zu überqueren ist dann kein Problem mehr.





                                                                                Von hier sehe ich jetzt zwei mögliche Aufstiege: Plan A direkt nördlich von meinem Zeltplatz und Plan B ein wenig weiter westlich, bei einer von Bäumen bewachsenen Rinne, die bis ganz oben führt. Vom Bach aufwärts sind die ersten 50 Hm mit großen Felsblöcken bedeckt. Ganz im Osten wäre es wohl leichter, aber so weit will ich nicht neben dem Bach im Gestrüpp rumturnen. Also Offroad Modus an und rauf.

                                                                                Es ist ein bisschen kniffelig hier eine Route zu finden. Dass alles klatschnass ist macht das klettern nicht unbedingt leichter. Die großen Blöcke sind mehr oder weniger glatt und man kann sich nur an den Bruchkanten ordentlich festhalten. Zwischen den Felsen kommen immer mal wieder kurze Stücke an denen es steil durchs Gestrüpp geht. Richtig weit kann man also nicht fallen. Die größten Blöcke sind vielleicht 3 Meter hoch. Mal wieder gibt es von den schwierigsten Stellen keine Bilder.



                                                                                Nachdem ich jetzt schon ziemlich weit westlich bin folge ich Plan B weiter nach oben. Das war‘s! Die letzten Höhenmeter dieser Tour, im Aufstieg. Hat nochmal Spaß gemacht ein bisschen zupacken zu müssen. Der Blick zurück zeigt nochmal die Schwierigkeiten der Passage (leicht rechts der Bildmitte ging es mehr oder weniger geradeaus durch):





                                                                                Schon bald sehe ich den Krongelvatnet, der mit seinen vielen Inseln unter mir liegt. Gemütlich folge ich dem Nordufer Richtung Abfluss im Westen. Lustig wie sich die Perspektiven ändern. Wie ganz am Anfang der Tour, laufe ich wieder über sumpfigen Boden, aber jetzt ist es halt der gemütliche Ausklang der Tour, nicht der anstrengende Start. Irgendwann werden regelmäßige Markierungen sichtbar und ich überquere die Nationalparkgrenze.





                                                                                Was ist das eigentlich, da drüben am Ufer? Ein Tipi? Das wäre aber ganz schön groß. Tatsächlich steht da eine Hütte und ein paar Boote liegen daneben. Das da könnte mit ein bisschen Glück sogar eine Sauna sein. Die Tür der großen Hütte ist abgeschlossen und es gibt kein Schild. Keine Ahnung ob die einem Wanderverein oder Fischern gehört. Die Sauna ist offen und keine Sauna, sondern eine einfache Schutzhütte die man frei verwenden darf (was ich erst im Nachhinein herausfinde).





                                                                                Ich erkunde noch den Abstieg nach Bona, der entlang der Krongelvasselva steil nach unten führt und sogar markiert ist. Weil es hier oben so schön ist beschließe ich aber noch eine Nacht hier zu bleiben – was eine sehr gute Entscheidung war. Bis nach Bona hätte ich keinen Platz für mein Zelt mehr gefunden. Leider wird es recht bald noch kälter und ziemlich ungemütlich, so dass ich mich ins Zelt verkrieche und mal wieder mit Handschuhen lese.

                                                                                TAG 10 | DIENSTAG 3.9.2019

                                                                                Ahh, letzter Tag. Heute nur noch ganz gemütlich runter nach Bona und am Abend werde ich schon mit einem Bier, frisch geduscht und in sauberen Klamotten am Campingplatz sitzen. Vielleicht gibt’s unterwegs sogar noch irgendwo eine Pizza oder einen Burger oder so.

                                                                                Irgendwann am Nachmittag kommt die Fähre in Bona an. Die genaue Zeit habe ich mir nicht gemerkt. Also schaue ich mal auf den ausgedruckten Fahrplan. Dann schüttle ich den Kopf und schau nochmal genauer hin. Mist! Am Dienstag ist da nur so ein weißer Fleck auf dem Fahrplan. Ok, habe ich also den einzigen Wochentag erwischt an dem nachmittags keine Fähre kommt. Dann bleibe ich wohl noch einen Tag hier oben.

                                                                                Irgendwann am späten Vormittag kommt ein bisschen Action in einen recht unspektakulären Tag, als ein Hubschrauber Brennholz, Bretter und Werkzeug zur nahen Hütte fliegt. Nachdem ich jetzt doch noch einen Tag hier rumhängen werde, beschließe ich doch mal die Sauna anzuheizen. Da weiß ich allerdings noch nicht, dass das eigentlich keine Sauna ist. Sah halt ziemlich ähnlich aus wie die, die ich letztes Jahr in Hellmobotn gefunden habe. Tatsächlich war es aber nur eine zugige Hütte. Ordentlich eingeheizt schwitze ich zumindest vorne, wenn ich den Ofen fast umarme, von hinten zieht’s weiter kalt durch die Ritzen. Nachher ist man immer schlauer. Zum Aufwärmen und für eine Katzenwäsche hat es aber trotzdem gereicht.

                                                                                Ich lasse noch 100 Kronen für die paar Scheite Holz da und der Rest des Tages vergeht ähnlich ereignislos. Daheim sehe ich dann auf der Website des Nationalparks sogar eine Info zu der offenen „Sauna“: „At Krongelvatnet lake there is an open turf-hut.“

                                                                                Jetzt wo ich das hier zusammenschreibe, kommt mir der Tag ziemlich verschenkt vor. Aber damals war’s einfach nur eine Mischung aus schlechtem Wetter, einem guten Buch das fertig gelesen werden wollte und der Aussicht auf ein paar Stunden in einer geheizten Hütte.

                                                                                Kommentar


                                                                                • ChuckNorris
                                                                                  Erfahren
                                                                                  • 03.08.2018
                                                                                  • 177
                                                                                  • Privat


                                                                                  #41
                                                                                  AW: [NO] Ins wilde Herz von Lomsdal-Visten

                                                                                  TAG 11 | MITTWOCH 4.9.2019

                                                                                  So, jetzt aber. Heute wird es doch wohl klappen mit dem Bier, der Dusche und den gewaschenen Klamotten. Irgendwann zwischen 11:00 und 12:00 breche ich auf. Das Boot kommt, laut Fahrplan, um 15:40 unten am Kai an. Wahrscheinlich werde ich viel zu früh da sein und mir noch ein bis zwei Stunden am Anleger um die Ohren hauen müssen. Trotzdem ist es mir lieber auf Nummer Sicher zu gehen.

                                                                                  Den Beginn des Abstiegs habe ich ja schon vorgestern ausgekundschaftet. Deswegen weiß ich auch ungefähr wo ich lang muss. Zumindest am Anfang.

                                                                                  Um überhaupt wieder zum Weg zu kommen muss ich heute allerdings erstmal eine neue Route finden. Es hat in der Zwischenzeit so viel geregnet, dass der „Weg“ den ich vorgestern bis zum Wasserfall genommen habe heute nicht mehr trockenen Fußes zu machen ist. Trotzdem komme ich mit ein bisschen Suchen letztendlich an.

                                                                                  Der Wasserfall wird rechts umgangen und gelegentlich zeigen Markierungen den richtigen Weg an. Dass das hier ein norwegischer Weg ist, erkennt man spätestens als man eine fast trittlose Stufe von 1,20 m Höhe nur mit Hilfe einer nahen Birke hoch kraxeln kann. Wird aber noch besser.





                                                                                  Die Krongelvasselva (nenne ich jetzt mal so) quert man über ein Blockfeld, das den Fluss kurz hinter dem ersten Wasserfall verschüttet hat.



                                                                                  Dann geht es noch ein Stück weit mit Markierungen abwärts. Und dann… ja dann stehe im nassen Unterholz und versuche im Regen irgendwo die nächste Markierung zu finden. Ich gehen ein bisschen auf und ab, versuche etwas auf der anderen Flussseite zu entdecken. Da, das könnte ein Pfad sein, Markierungen sehe ich aber keine. Aber wie soll ich denn da jetzt rüberkommen. Ich ziehe doch jetzt nicht meine Stiefel aus und kämpfe mich hier auf die andere Seite. Das wäre bei der starken Strömung hier sowieso ein ziemlich grenzwertiges Unterfangen.

                                                                                  Ich mache das jetzt einfach so wie die ganze Zeit schon. Hier soll irgendwo ein Weg sein? Mir doch wurscht. Also weglos weiter. Immer wieder muss ich Birken zu Hilfe nehmen um größere Stufen herab zu kommen. Dann über nasse Felsbrocken auf denen ein zentimetertiefer Moosteppich wächst. Ja sorry, leave no trace – geht gerade nicht.



                                                                                  Als ich dann mal kurz anhalte um durch zu schnaufen und mir Schweiß und Regen aus dem Gesicht zu wischen merke ich, dass ich ja doch auf dem „Weg“ stehe. Der ist halt hier so scheiße. Allzu viele Leute können hier im Jahr nicht hochkommen. Man muss tatsächlich ziemlich genau hinschauen, damit man die Stellen mit totem Moos erkennt, die zusammengenommen einen Pfad ergeben – zumindest, wenn man das ganze optimistisch betrachtet.

                                                                                  Das ist also mal wieder einer dieser norwegischen Wege. Schon letztes Jahr habe ich mir gedacht, wenn die Norweger in eine Landkarte einen Wanderweg einzeichnen, dann geht das wahrscheinlich so von statten:

                                                                                  „Meine Schwester kennt einen, dem sein Cousin, der hat erzählt, dass ihm sein Opa gesagt hat, dass der da mal ein Rentier langlaufen hat sehen.“

                                                                                  „Ja, dann trag da mal einen Wanderweg ein!“

                                                                                  Komisch wie sich die Wahrnehmung verschiebt. Allein die Tatsache, dass auf einer Karte ein „Weg“ eingezeichnet ist beeinflusst die Wahrnehmung vor Ort, zumindest bei mir, oft massiv. Wenn da nix eingezeichnet gewesen wäre, hätte ich mir gedacht: „Puh, schwierig aber geht schon.“ Dadurch, dass ich mit einem, wie auch immer gearteten Weg gerechnet hatte wurde daraus direkt ein: „Was für eine Scheiße, die haben ja wohl einen Schatten.“

                                                                                  Eine Weile lang kann ich einer vage erkennbaren Pfadspur über Blockfelder folgen. Spätestens im Wald verliert sich der Pfad dann aber wieder. Ein wenig später finde ich wieder etwas, das Teil eines Weges sein könnte. So geht es eine ganze Zeit lang weiter.

                                                                                  Inzwischen ist eigentlich alles was ich an habe klatschnass. Beim Aufbruch habe ich mir noch gedacht: zieh dir ein Fleece an, es ist kühl und geht eh nur abwärts. Dumm gelaufen das Fleece ist komplett durchgeschwitzt und wird auch recht lange nicht mehr trocken werden.

                                                                                  Am Bonnavatnet erreiche ich endlich den Talboden. Auf einer Landzunge kann ich eine Fischerhütte erkennen, dort wäre auch der erste mögliche Platz um ein Zelt aufzustellen. Hier in der Nähe beginnt auch endlich ein richtiger Pfad. Dieser führt mich, oft sehr schlammig, bis zu einer Brücke über den Fluss – ein paar Kilometer weiter talabwärts. Ab hier geht es auf einem Fahrweg bis nach Bona. Dieses letzte Stück ist dann endlich wirklich einfach zu gehen.



                                                                                  Alles in allem, habe ich für die 7,5 km gute 3 h gebraucht und ich erreiche den Kai mit nur 30 min Reserve.
                                                                                  Ich stehe in der Sonne, freue mich über die gelungene Tour und schaue zwei Delphinen im Fjord zu, bis das Boot kommt.







                                                                                  Und aus.

                                                                                  Kommentar


                                                                                  • Fjellfex
                                                                                    Fuchs
                                                                                    • 02.09.2016
                                                                                    • 1511
                                                                                    • Privat


                                                                                    #42
                                                                                    AW: [NO] Ins wilde Herz von Lomsdal-Visten

                                                                                    Zitat von ChuckNorris Beitrag anzeigen

                                                                                    Und aus.
                                                                                    Ich hoffe doch nicht!
                                                                                    Vielleicht wirst Du Deine "offenen Rechnungen" noch begleichen und uns davon berichten?

                                                                                    Danke schon jetzt für´s Mitnehmen! Da hast Du von Ecken berichtet, in denen kaum einer unterwegs ist, zum Beispiel Dein Abstieg ins Tal des Saeterelva oder die Querung des Nordre Austerfjorddalen ... war spannend zu verfolgen.

                                                                                    Kommentar


                                                                                    • ChuckNorris
                                                                                      Erfahren
                                                                                      • 03.08.2018
                                                                                      • 177
                                                                                      • Privat


                                                                                      #43
                                                                                      AW: [NO] Ins wilde Herz von Lomsdal-Visten

                                                                                      Die offenen Rechnungen will ich auf jeden Fall noch begleichen. Ich überlege auch schon wie ich die alle in einer neuen Route unterbringen kann. Außerdem würde mich auch der Teil westlich des Borjedalen noch reizen aber die Bergkette dort scheint schon arg unzugänglich zu sein.

                                                                                      Ich werde demnächst wahrscheinlich mal einen Planungsthread dazu starten, es gibt hier ja doch einige die sich ziemlich gut in dem Gebiet auskennen.

                                                                                      Kommentar


                                                                                      • Fjellfex
                                                                                        Fuchs
                                                                                        • 02.09.2016
                                                                                        • 1511
                                                                                        • Privat


                                                                                        #44
                                                                                        AW: [NO] Ins wilde Herz von Lomsdal-Visten

                                                                                        Das nenne ich Sportsgeist: die Gegend westlich des Børjedalen ist ja nochmal wilder, als das Terrain, in dem Du unterwegs warst!

                                                                                        Als Planungshilfe neben der schon genannten Turkart Helgeland könnte man noch helgetur.net ("Turkart" anklicken, und dann findet man ein paar Berichte) empfehlen, obwohl es da auch nur ganz wenig über die Ecke gibt.
                                                                                        Aber immerhin was interessantes übers Tal des Saeterelva: 2 Typen haben sich dort mehrere Tage (mit Stützpunkt Telegrafhytta) herumgetrieben. U.a. sind sie Richtung Süden die Kluft des Vistvasselva hochgekrabbelt - soll nicht so schwer gewesen sein...
                                                                                        http://helgetur.net/2016/05/24/saeterdalen-i-visten/

                                                                                        Kommentar


                                                                                        • ChuckNorris
                                                                                          Erfahren
                                                                                          • 03.08.2018
                                                                                          • 177
                                                                                          • Privat


                                                                                          #45
                                                                                          AW: [NO] Ins wilde Herz von Lomsdal-Visten

                                                                                          Besonders spannend finde ich ja, dass die schreiben, der ganze Flusslauf wäre unter Felsbrocken verschüttet. Genauso sieht es auch auf den Luftbildern aus. Da bin ich aber bisher davon ausgegangen, dass die Luftbilder zu einem sehr trockenen Zeitpunkt gemacht wurde.

                                                                                          Hochinteressant.

                                                                                          Kommentar


                                                                                          • Borgman
                                                                                            Dauerbesucher
                                                                                            • 22.05.2016
                                                                                            • 768
                                                                                            • Privat


                                                                                            #46
                                                                                            AW: [NO] Ins wilde Herz von Lomsdal-Visten

                                                                                            Zitat von ChuckNorris Beitrag anzeigen
                                                                                            Die offenen Rechnungen will ich auf jeden Fall noch begleichen.
                                                                                            Da bin ich mal gespannt, was Du als nächstes für eine Tour austüftelst. Mit dieser Tour hast Du ja offenbar schon ein gutes Gespür für die Besonderheiten von Lomsdal-Visten gewonnen, das kommt Dir beim nächsten Mal bestimmt zugute. Danke auch von mir, es hat viel Spaß gemacht, Dir zu folgen. Und wie Fjellfex schon sagt, Du lieferst einige wertvolle Informationen. Ich hatte mich früher schon gefragt, wie man wohl das Nordre Austerfjorddal queren kann.

                                                                                            Aber der Abstieg vom Krongelvatn sieht mir ziemlich gruselig aus, da würde ich doch lieber die Alternativroute ausprobieren, die südlich von Deiner Route am Hang des Krongelvassfjell hochgeht. Wo hast Du eigentlich gelesen, dass es vom Bønnåvatn zum Krongelvatn einen Pfad gibt? Bei Turkart Helgeland (auch meine erste Wahl für die Planung) steht ausdrücklich "ikke sti". Bei der Turkart klicke ich übrigens neben Stier und Hytter auch immer Interessepunkt an, nur dann werden nämlich auch die Brücken angezeigt.

                                                                                            Und an Fjellfex danke für den Link zur Vistvasselva, den Bericht kannte ich noch nicht. Auf den Bildern sieht es so aus, als ob der Fluss nicht nur bei sehr geringem Wasserstand unter dem Geröll verläuft, sie waren ja wohl in einer sehr trockenen Zeit unterwegs, sondern auch im Normalfall. Aber in einer Gegend, wo die Pegel in kurzer Zeit extrem ansteigen können, würde ich mich nicht hundertprozentig darauf verlassen, dass man da immer trockenen Fußes durchkommt.

                                                                                            Kommentar


                                                                                            • ChuckNorris
                                                                                              Erfahren
                                                                                              • 03.08.2018
                                                                                              • 177
                                                                                              • Privat


                                                                                              #47
                                                                                              AW: [NO] Ins wilde Herz von Lomsdal-Visten

                                                                                              Danke für die Blumen, freut mich wenn es euch Spaß gemacht hat den Bericht zu lesen.

                                                                                              Wo hast Du eigentlich gelesen, dass es vom Bønnåvatn zum Krongelvatn einen Pfad gibt?
                                                                                              Gute Frage, weiß ich nicht mehr. Wenn ich nochmal nach Bønnå gehen würde, dann definitiv auch auf der Alternativroute von der du sprichts.

                                                                                              Kommentar