• QOM
    Erfahren
    • 26.08.2013
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    [FR] Jakobsweg: Contrexéville - Langres - Dijon - Beaune - Taizé - Cluny

    Tourentyp Trekkingtour
    Breitengrad 47.299349476
    Längengrad 5.09765625
    Land: Frankreich
    Reisezeit: Herbst (2015)
    Wie? Mehrtages-Wandertour
    Route: Contrexéville - Langres - Dijon - Beaune - Taizé - Cluny

    Vorbereitung:
    Nachdem der letzte Abschnitt so rein technisch eigentlich ganz gut gelaufen war, hatte ich mir keine Hausaufgaben mitgenommen.
    Außer, immer brav meinen Teller leer zu essen damit es nicht die ganze Zeit so fies regnen muß.
    Und vielleicht, meinen Start- und Endpunkt mit etwas günstigerer Verkehrsanbidnung zu wählen.

    Die Navigation hatte beim letzten Mal mit dem Outdoor-Reiseführer und selbst gemachten GPS-Tracks hervorragend geklappt (mit einer Ausnahme). Und so habe ich mich dann auch dieses Mal wieder hingesetzt und meine Planung selber zusammengedaddelt.
    Das ging jetzt allerdings etwas fixer von der Hand, denn über weite Strecken ist der Jakobsweg als "waymarked Trail" in der Karte vermerkt - wenngleich auch nicht immer so ganz eindeutig.
    Die aufgezeichneten Tracks der letzten beiden Abschnitte waren hinsichtlich der Höhenangaben völlig falsch, also bin ich nochmal in das Optionstrauma meiner Navigations-App eingestiegen. Dort fand ich eine Einstellung, die die vom GPS gemessen Höhe irgendwie mit den Kartendaten und dem barometrischen Druck abgleicht. Das klingt gut, hoffentlich braucht es nicht zuviel Strom!

    Die Packliste war beim letzten Mal recht gut, mit der gehe ich wieder ins Rennen. Beim eigentlichen Packen bleiben dann ein, zwei Dinge doch noch daheim.

    Die zeitliche Planung ist nicht ganz leicht. Denn je nachdem, welche Fahrplan-Webseite man fragt, gibt es an manchen Tagen eine Bahnverbidnung zum Startpunkt oder auch nicht.
    So entscheide ich mich für den Sonntag als Anreisetag. Denn falls ich da irgendwo strande, geht es am Montagmorgen mit Schulbussen und Berufsverkehr irgendwie weiter.
    Und ich nehme mir dieses Mal zwei Wochen Zeit.

    Anreise:
    Die Anreise beginnt extrem ernüchternd mit dem Versuch, am Freitagabend online eine Fahrkarte für die Bahnfahrt zu erstehen.
    Nach einigen Versuchen finde ich endlich eine Verbindung von Frankfurt nach Metz im Fahrplan der Deutschen Bahn und ab Metz bei SNCF.
    Eine Fahrkarte können mir beide nicht direkt verkaufen. Die Bahn begründet das (auch in ihrer App) damit, daß die Frist bis zur geplanten Abfahrt zu kurzfristig sei.
    Da fragt man sich doch, welche bessere Berechtigung als eine kurzfristige Abreise es für den Erwerb eines Online-Fahrscheins geben mag?!?
    Nun gut, sei's drum...
    Ich drucke die Verbindungsdaten aus und stelle den Wecker 20 Minuten früher um am Hauptbahnhof Zeit für den Fahrkartenerwerb zu haben.
    Das klappt letztlich alles perfekt und reibungslos.
    Trotzdem bin ich eine Weile unterwegs:
    Der Bus bringt mich gegen 9 zur U-Bahn. Die U-Bahn bringt mich kurz drauf zum Frankfurter Hauptbahnhof.
    Fahrkarte kaufen, eine halbe Stunde warten. Dann bringt mich der ICE püntklich nach Mannheim.
    Dort habe ich etwa 20 Minuten zum Umsteigen, es geht weiter per Regionalexpress nach Saarbrücken.
    Der hängt zwischendurch etwas in der Zeit, holt aber wieder auf (!) und so erreiche ich den SNCF-Grenzzug nach Metz ohne Eile.
    In Metz habe ich gut 30 Minuten zum Fahrkartenkauf und Umstieg, und auch das ist locker zu schaffen.
    Der Regionalzug bringt mich an einigen aus dem letzten Abschnitt bekannten Städten vorbei nach Nancy.
    Da wird es kurz spannend, denn der Bus (Schienenersatzverkehr) soll zwar fahren, aber es ist etwas undurchsichtig ab wo.
    Ich gehe zu einem Bus, der etwas abseits stehe und frage dessen dösenden Fahrer ob er eine Idee hat. Glücktreffer. Er hat, denn es ist der gesuchte Bus.
    So warte ich noch ein wenig in der Sonne und mache mich dann auf die abschließende zweieinhalbstündige (!) Busfahrt nach Contrexéville.
    Als ich dort gegen 18:15 ankomme, sind die Bürgersteige schon hochgeklappt.
    Trotzdem gibt es eigentlich nichts zu meckern. Sechs Mal umgestiegen, trotzdem alles pünktlich.
    Contrexéville empfängt mich so, wie ich es im Frühjahr verlassen habe: Menschenleer.
    Immerhin regnet es nicht. Das im Voraus gebuchte Hotel ist leicht zu finden, etwas schwieriger wird es beim Abendessen.
    Ein Vietnamese bietet Buffet, und die Welt ist für mich gerettet.

    Nicht allzu spät wird es dunkel um mich und völlig ruhig in der Stadt...
    Zuletzt geändert von QOM; 08.11.2015, 19:10.
    Ein Post von QOM = Quengelige Outdoor-Memme.
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    #2
    [FR] Jakobsweg: Contrexéville - Bourbonne-les-Bains

    1. / 17.Tag: Contrexéville - Bourbonne-les-Bains

    Montag, 12. Oktober 2015
    Strecke: 40,8km - Etappe: 40,8km - Gesamt: 555,1km
    Gehzeit: 8:45 brutto / 7:30 netto

    Ich weiß über die ersten Tag vor allem Eines: Sie werden relativ lang. Ohne Möglichkeit, irgendwo abzukürzen oder vorher Quartier zu machen.
    Also klingelt der Wecker natürlich früh, und in der ersten Morgensonne stehe ich nach einem ganz ordentlichen Frühstück ausgeschlafen und mit juckenden Füßen in der verlassenen Stadt.

    Kurzentrum, nach dem großen Ansturm.

    Der Weg steigt aus der Stadt heraus an und erklimmt und schon nach wenigen Minuten habe ich die letzten Häuser hinter mir. Es empfängt mich eine leicht neblige, herbstlich-ländliche Stimmung.

    Der Hof erwacht...


    Guten Morgen!

    Sanft geht es weiter auf den Hügel, die Sonne kämpft mit den letzten Nebelschwaden und der Feuchte der Nacht.
    Nach etwa 1,5km habe ich den Eindruck, ein ganzes Stück vor mir einen Schatten mit Rucksack auf dem Weg zu sehen. Aber nur kurz, denn er biegt um die nächste Ecke. Als ich die erreiche, ist er natürlich weg.
    Ich genieße die Morgenstimmung in der Sonne ebenso wie die Rinder auf den Weiden jenseits der Straße, die lautstark Ihren Bauern begrüßen.
    Nach etwa 5km erreiche ich Dombrot-le-Sec, eine Ortschaft fast kürzer als ihr Name. Der Weg ist gut ausgeschildert, und selbst wenn er es nicht wäre, wäre das navigatorisch durchaus zu bewältigen.


    Blick zurück nach Dombrot-le-Sec

    Kurz nach dem Ort biege ich ab auf die ehemalige Römerstraße, und siehe da:
    Der Schatten im Morgennebel war tatsächlich keine Täuschung. Ein ganzes Stück vor mir ist offensichtlich ein weiterer Wanderer unterwegs.
    Unglaublich. Das ist der erste, den ich auf meinem Weg in gleicher Richtung treffe. Und weil meine Füße am ersten Tag wie immer noch etwas zu schnell und ungeduldig sind, hole ich unaufhaltsam auf.
    Diese Situation stellt mich (nach etwas mehr als 500km auf meinem Weg) vor die grundsätzliche Frage, wie man überhaupt mit Menschen umgehen könnte, die man unterwegs tagsüber trifft. Ist ja schließlich der erste.
    Als er einen unüberlegten Biß in sein Baguette wagt, habe ich ihn eingeholt...

    Schnell kommen wir ins Gespräch. Karl kommt aus Hamburg und ist seit Jahren abschnittsweise Richtung Santiago unterwegs. Diesmal seit Metz.
    Netter Kerl mit einer interessanten Geschichte. Ich nehme das zum Anlaß, meine ungeduldigen Füße auf ein vernünftiges Tempo zu mäßigen.
    Die elf Kilometer ehemaliger Römerstraße vergehen im Sonnenschein flugs.


    Geradeaus, wie Römerstraße eben so ist...

    Karl navigiert technologisch etwas anders als ich, aber hier gibt es zunächst nicht viel zu navigieren. Selbst als wir bei Kilometer 18 die Römerstraße verlassen und auf einer Landstraße weiter sollen, sprechen der Pilgerführer und die Beschilderung vor Ort eine klare Sprache.
    Bald erreichen wir Aureil-Maison, das die Hoffnung auf einen Café au lait beim Abbiegen im Ortszentrum zu Nichte macht. Nein, um die Ecke gibt es auch nichts.
    Wir verlassen den Ort - immerhin nicht mehr auf der Römerstraße - durch eine kurzweilige landwirtschaftliche Gegend.


    Nach dem Schatten dieser Bäume werden sich Pilger im Sommer sehnen!


    Aber auch im Herbst sieht das kurzweilig aus!

    Schon bald erreichen wir bei Kilometer 23 den Wald und es geht kräftig bergauf.
    Karls Navigation ist etwas unsicher, meine auch. Bei Kilometer 27,5 steht endgültig fest, daß wir auf dem falschen Weg sind.
    Aber durch kurzen Dialog und beherzten Weg entlang einer Wirtschaftsschneise können wir den halben Kilometer Differenz sehr effizient korrigieren. Das war wahrscheinlich sogar gut so, denn der Pilgerführer hatte vor dem matschigen Waldweg gewarnt, den wir nun verpasst haben.
    Naja, man muß sich ja vielleicht auch nicht gerade gleich am ersten Tag die Schuhe dreckig machen!
    Wir erreichen den geplanten Weg gerade rechtzeitig wieder um den äußerst spektakulär mit einem Holzpfahl markierten Übergang zwischen Vosges und Haute-Marne zu passieren. Da sieht der Wald doch gleich ganz anders aus.
    Das war ein paßgenaues Stück entschlossener Navigation genau an der richtigen Stelle!
    Bei Kilometer 32,5 zeichnet sich mit einer Lichtung ein Ende des ausgedehnten Waldes ab.


    Wessen hier genau gedacht wird, ist nicht so klar ersichtlich. Schaut trotzdem nett aus...


    Blick auf Serqueux

    Wir erreichen den Rand von Serqueux und halten uns sofort wieder Richtung Ortsausgang um nicht von der allzu üppigen Infrastruktur dieser Metropole verführt zu werden. Am Ortsausgang wird es nochmal richtig kurzweilig, denn eine Eselsfamilie empfängt uns gloppierend und vor Freude springend.

    Die folgenden Felder sind ansonsten aber eher ruhig.

    Sieht nicht so lecker aus wie es ist: Französisches Rindvieh, mutmaßlich Bio-Qualität

    Der Weg schlängelt sich Richtung Etappenziel.

    Schon clever eingerichtet, daß es gegen Ende nicht Römerstraßen-geradeaus geht!

    Und schon bald erreichen wir Bourbonne-les-Bains.
    Die Kurstadt empfängt uns mit den Zeichen von Landflucht. Gefühlt jedes fünfte Haus steht zum Verkauf.
    Wir eckeln ein wenig durch die Gassen, bis wir die Mairie finden.
    Dort gibt es einen Stempel und einen Tipp für ein günstiges Hotel etwas stadtauswärts.
    Die zwischendurch passierte Ladenstraße hinterläßt bei uns hinsichtlich der Verpflegung keine Bedenken und das empfohlene Hotel ist erschwinglich und in Ordnung.

    Für mich war der erste Tag nun ein eher langer, Karl ist auch eher "sediert". So nehmen wir das Angebot des Wirtes, uns für einen gedämpften Preis ein "Pilgermenü" anzubieten gerne an. Dreieinhalb Gänge, Wein, gute Nacht!
    Vor dem Ende des Abends verständigen wir uns noch auf die Etappe des nächsten Tages, planen eine leichte Abkürzung gegenüber der vorgesehenen Route.

    Fazit des ersten Tages:
    Es gibt tatsächlich noch andere Menschen auf dem Jakobsweg. Faszinierend!
    Das Treffen mit Karl verhindert, daß ich am ersten Tag durch dauerhaft zu hohes Tempo meine Kräfte verzehre.
    Die Etappe war lang, aber entgegen der intensiven Warnungen im Pilgerführer schon gut zu schaffen.
    Außer einem ernsthaften Aufstieg und einem Abstieg gegen Ende war da nichts außerordentlich kräftezehrendes dabei.
    Eine gute Einstimmung auf die nächsten Tage, die wahrscheinlich auch nicht wesentlich kürzer werden dürften.
    Angehängte Dateien
    Zuletzt geändert von Wafer; 28.11.2020, 23:07.
    Ein Post von QOM = Quengelige Outdoor-Memme.
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      • 26.08.2013
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      #3
      [FR] Jakobsweg: Bourbonne-les-Bains - Langres

      2. / 18.Tag: Bourbonne-les-Bains - Langres

      Dienstag, 13. Oktober 2015
      Strecke: 45,6km - Etappe: 86,4km - Gesamt: 600,7km
      Gehzeit: 10:15 brutto / 8:30 netto

      Bei dem Plan für den heutigen Tag erübrigt sich die Frage nach der charakterlichen Positionierung gegenüber dem Weckerklingeln.
      Die Nacht war ruhig, und so ist das Problem mit dem Aufstehen wesentlich kleiner als erwartet. Auch keine Schmerzen. Bin ich etwa schon tot??
      Das Frühstück ist nett, aber wir halten uns nicht allzu lange damit auf. Mitzunehmen gibt es nicht viel, aber das macht auch nichts, denn der Weg führt uns unmittelbar durch eine Einkaufsstraße.
      Da sind die einschlägigen Geschäfte auch um 8:30 schon geöffnet als wir unseren Weg antreten.
      Karl ist eher der frühe Vogel, aber ich komme auf den ersten Kilometern doch irgendwie hinterher.
      Wir haben uns auf den ersten Stunden gegen die ausgeschilderte und im Pilgerführer beschriebene Route entschieden, denn Umweg und Aussicht schienen uns in keinem Verhältnis zu stehen. Lieber wollten wir durch ein paar morgentliche Höhenmeter einige Kilometer abkürzen.
      Wir laufen also ziemlich bald auf verkehrsbefreiten Straßen durch den morgendlichen Nebelwald zuerst bergauf und dann wieder bergab (klar, der nächste Ort heißt Coiffy-les-Bas, das sollte man im Tal erwarten).


      Der Nebelwald der Haute-Marne am Morgen. Gorillas wären jetzt nett...


      Wenn ich mich recht erinnere, ist der Knotenpunkt zwischen D26 und D158 einer der neuralgischten Punkte im französischen Straßennetz...

      Bei etwa 7km endet der Wald unerwartet und öffnet den Blick auf ein nettes Tal.


      Im Vordergrund: Die ersten herbstlichen Weinberge der Etappe. Im Hintergrund: Coiffy-les-Bas. Theoretisch jedenfalls.


      Nix Spätleese. Hier ist Ende der Saison!

      Schon bald durchqueren wir Coiffy-les-Bas, einen für die Gegend relativ typischen, verschlafenen Weiler.
      Der wird gerade vom Postboten aufgeweckt, der vor jedem Haus hupt um sich anzukündigen.


      Der legendäre Cruising Strip von Coiffy-les-Bas

      Es geht ruhig und ohne navigatorische Schwierigkeiten weiter, und schon bald erreichen wir - bei etwa 13km - in Varennes sur Amace die planmäßige Wegführung wieder.
      Die führt uns wie die ganze Zeit schon über offizielle, praktisch nicht befahrene Straßen durch die nächsten Orte.
      Die Landschaft präsentiert sich selbstähnlich vorweigend als fruchtbares Weideland.


      Grün, grün, grün...

      Der Nebel hat sich verzogen, die Sonne kommt immer mal wieder raus und lullt uns mit netten Farbenspielen ein.


      Hm... Das müßte der Rückblick auf Marcilly-en-Bassigny sein. Oder ist es Orbigny-au-val?

      Meine Routenplanung scheint perfekt, und so kommt es bie Kilometer 26,5 kurz nach Plesnoy zu einem absolut fatalen Navigationsfehler.
      Was auf der Karte während der Planung und auch jetzt im Track wie ein absolut harmloses 150-Meter-Stückchen Wald aussieht, ist ein matschiger Aufstieg ohne Pfad und Weg, gesäumt von Dornenhecken. Absolut unwegsam und ein echter Fehler.
      Wir machen's trotzdem, denn das Motto des Tages lautet "geradeaus wenn's irgendwie geht". Und durch die - mitunter auch mit Bullen und Stieren besetzten - Weiden gehen kaum Wege, die als Alternative in Frage kämen.
      Völlig abgekämpft und naßgeschwitzt oben im Wald angekommen, unterhalten wir uns kurz über unser intellektuelles Vollversagen - so etwas kann ja auch mal schief gehen. Glück gehabt!
      Also: Vorsicht in der Ecke! Plant Euren Track um die Stelle herum!
      Oben empfängt uns ein Feld mit Wintersaat und der erwarteten Straße in Sichtweite.
      Und es wird kurz wieder neblig und windig.
      Auf etwas verschlungenen aber gut zu findenden und beschilderten Wegen erreichen wir Orbigny-au-Mont und Orbigny-au-Val, und damit hat es sich mit dem Auf und Ab für heute erst mal.
      Etwa bei Kilometer 33 biegen wir in Richtung des Liez-Sees ab, auf spätnachmittägliches See-Panorama hoffend.

      Der See läßt sich allerdings eine ganze Weile feiern, bis wir durch das Gebüsch einen ersten Blick auf ihn erhaschen können.
      Ein besonderes navigatorisches Glanzlicht ist die völlig sinnlose Schleife zwischen Kilometer 34,5 und 35,4. Einen Kilometer durchs Gehölz laufen um netto knapp 60 Meter - von einer Seite der mit Stacheldraht eingezäunten Weide zur anderen - zurückzulegen. Nun gut, nach dem fatalen Navigationsfehler hatten wir beschlossen, keine Risiken mehr einzugehen...
      Vom See ist nach wie vor nichts zu sehen, denn das Ufer ist dicht bewaldet. So werden wir immer schneller bis wir etwa bei Kilometer 38 die Freizeit-Infrastruktur des Sees erreichen.
      Auch hier ist der Ausblick eher schlicht, denn die Sonne ist weg und der See hat ziemlich Niedrigwasser.
      Bei knapp 39 Kilometern erreichen wir endlich die Staumauer.


      Blick zurück auf den Liezsee.

      Wir hatten eigentlich gehofft, daß der See der Höhepunkt des Tages würde, aber der Weg hat sich wirklich nicht gelohnt.
      Wir machen eine kurze Pause und blicken nach vorne auf das Tagesziel.


      Auf dem nächsten Hügel: Langres

      Davon trennen uns noch etwa 4km, aber da ist noch ein Tal dazwischen.
      Wir machen uns auf den Weg und kommen bis in die Talsohle wirklich gut voran, obwohl es uns beiden eigentlich schon an der Staumauer gereicht hätte.
      Der praktisch völlig gerade Anstieg von etwa 100 Höhenmetern auf nur zwei Kilometern zieht uns dann aber wirklich die Kraft aus den Knochen.
      Wann hat es eigentlich auch noch angefangen zu Nieseln?
      Und so langsam dämmert's auch.

      Wir erreichen endlich eines der Stadttore.


      Langres. Endlich!

      Die Stadt soll eine der 50 schönsten in Frankreich sein, aber dafür haben wir heute keine Augen mehr. Jetzt zählt nur noch Infrastruktur!
      Die Erbauer von Langres haben die Stadt zur Verteidigung optimal aufgebaut: Total unübersichtlich und verwirrend.
      Dennoch finden wir die Fußgängerzone und in ihr ein Hotel mit akzeptablem Preis. Es gibt ein Zimmer mit zwei Schlafzimmern und gemeinsamem Bad.
      Gemacht, das kriegen wir hin!

      Der Abend endet nach der Dusche bei einem guten Pseudo-Italiener mit einer großzügigen Pizza.
      Danach wird's ziemlich schnell dunkel...

      Fazit des zweiten Tages:
      Gemeinsam ist es unterwegs auch ganz nett!
      Die Etappe war ganz hart an der Grenze dessen, was ich leisten konnte. Konzentration, Kraft, Ausdauer und Füße geben wirklich nicht viel mehr her! Hoffentlich kann ich mich morgen noch rühren!
      Und: So gut die Navigation auch scheint, ihr nie blind vertrauen! Immer Augen auf vor Ort und Mut zur Improvisation!
      Nun gut, damit hat diese Etappe auch ihren groben Navigationsfehler. Das muß wohl einfach ein Mal pro Urlaub sein.
      Angehängte Dateien
      Zuletzt geändert von Wafer; 28.11.2020, 23:07.
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      • DrMatchbox
        Gerne im Forum
        • 30.05.2015
        • 86
        • Privat


        #4
        AW: [FR] Jakobsweg: Contrexéville - Langres - Dijon - Beaune - Taizé - Cluny

        Toll geschriebener Bericht und ordentlich, lange Tagesetappen.
        best regards
        Marc

        http://www.facebook.com/Dr.Matchbox

        Kommentar


        • QOM
          Erfahren
          • 26.08.2013
          • 122
          • Privat


          #5
          AW: [FR] Jakobsweg: Contrexéville - Langres - Dijon - Beaune - Taizé - Cluny

          Hallo Dr. Matchbox,
          Zitat von DrMatchbox Beitrag anzeigen
          Toll geschriebener Bericht und ordentlich, lange Tagesetappen.
          ja, das mit den langen Etappen stimmt.
          Die sind in der Gegend nahezu alternativlos. Denn da ist echt Landflucht!
          Die Infrastruktur ist hinsichtlich sichtbarer Unterkunftsangebote echt dürftig!
          Auch zwischendurch vielleicht mal ein offenes Café wäre teilweise schon nett gewesen.
          Oder vielleicht wenigstens eine Bank oder ein Baumstamm zum Rasten; man wird ja mit der Zeit genügsam...
          Häufig hätte ich etwa die Hälfte der Etappen wählen können, aber das wäre mir zu wenig gewesen.
          Die ersten beiden Tage hatte ich echt Glück mit den Unterkünften, aber danach war es absolut unabdingbar morgens noch das Bett für Abends klar zu machen und die Tagesplanung entsprechend anzupassen.
          Das wird sich in den nächsten Tagesberichten zeigen...
          Ein Post von QOM = Quengelige Outdoor-Memme.
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          Kommentar


          • QOM
            Erfahren
            • 26.08.2013
            • 122
            • Privat


            #6
            [FR] Jakobsweg: Langres - Auberive

            3. / 19.Tag: Langres - Auberive

            Mittwoch, 14. Oktober 2015
            Strecke: 31,2km - Etappe: 117,6km - Gesamt: 631,9km
            Gehzeit: 7:00 brutto / 5:45 netto

            Die Nacht war ruhig und angemessen lang.
            Denn weil Karl heute den Heimweg antreten möchte und ich auch eine etwas kürzere Etappe anstrebe, kann der Tag ruhig etwas langsamer beginnen. Zumal es draußen wenig einladend dunkel und diesig ist.
            Dennoch stehen wir gegen 9 vor der Tür und suchen im Nieselregen eine Stempelstelle.
            Bevor ich mich vor die Tür getraut habe, habe ich das mäßig freundliche Fräulein an der Rezeption noch dafür gewinnen können, einige mögliche Unterkünfte für die Nacht abzutelefonieren. Sie telefonierte recht lange mit meiner Unterkunft für die Nacht und drückte mir eine etwas abstrus wirkende Wegbeschreibung in die Hand. Ich kann mir keinen Reim darauf machen, weiß letztlich nur, daß die Unterkunft nicht in Downtown Auberive ist und ich tagsüber mal besser die Augen offen halten sollte. Immerhin, ich habe ein Bett für die Nacht, ich muß es nur finden.
            Und dort ist auch das Abendessen vereinbart, denn drumherum gäbe es weit und breit Nichts.
            Also los, der Plan ist nun etwa 35km für den Tag, da ist dann am Ende auch noch Zeit, ein wenig nach der Unterkunft zu suchen...


            Diderot, cleverer Sohn der Stadt, hat sich hier bestimmt nie verlaufen!

            Gemeinsam finden wir an einem Gebäude einen Hinweis, daß sich hier in der Region die zwei ältesten Pilgerwege Europas kreuzen.

            Rom oder Santiago?

            Das Haus öffnet sich in einen netten Innenhof, die Brüder aber sind nicht da. Also hier kein Stempel.

            Möglicherweise findet sich hier auch eine Pilgerunterkunft. Wenn man hier jemanden findet...

            Ein Stück weiter erhebt sich die Kathedrale dunkel in den grauen Morgen.


            Da sind die Brüder auch nicht. Oder sie schlafen im Dunkel.

            Drinnen kein Licht, keine Menschenseele, und natürlich auch kein Stempel.
            Die Schilder Richtung Mairie weisen irgendwie auch keine eindeutige Richtung.
            Und so trennen sich unsere Wege:
            Karl hat noch etwas Zeit, muß sich aber schon langsam darum kümmern, wann und wo sein Bus fährt.
            Und ich muß den Weg aus der Stadt finden und sie hinter mir lassen.
            Kurze Umarmung, beste Wünsche, und schon bald ist der andere nur noch ein Schatten im Nebel...

            Ich werfe die Navigation an und versuche in Langres, den richtigen Ausgang zu finden. Der Weg führt mich tatsächlich noch an einigen Schildern vorbei, die glaubahft und gleichlautend die ungefähre Lage der Mairie andeuten, und nachdem ich eine Passantin gefragt habe, versuche ich es doch. Und bekomme meinen Stempel.
            Kurz drauf verlasse ich die Stadt.


            Adieu Langres!

            Es geht bergab ins nächste Tal und vor mir öffnet sich ein großartiges Panorama:


            Langres: Beste Aussichten für den Tag!

            Der nun folgende Tag läßt sich nur als einsam und menschenleer beschreiben.
            Zwar komme ich durch die eine oder andere kleine Siedlung. Aber, wer bei dem Wetter nicht vor die Tür muß, bleibt halt doch daheim.
            Es ist neblig, kühl und etwas windig. Zeitweise fällt der Nebel - es ist schon ein feiner Unterschied zwischen Nebel, Sprühregen und Nieselregen!
            Der Weg führt mich gut zu finden vorwiegend asphaltiert oder hart geschottert mit einigen Metern bergauf und bergab durch landwirtschaftliches Gebiet. Alles sehr weitläufig und ereignislos. Keine Wolken, keine Sonne, keine Tiere, einfach weiter.
            Plus Ultra, wie es Karl dem vierten zugeschrieben wird...
            Etwas lauter ist bei etwa 15km die Überquerung einer Autobahn, aber schon bald ist davon nichts mehr zu hören, denn der Wind kommt aus der anderen Richtung.
            In Perrogney-Les-Fontaines, bei etwa 18km kommt dann eine kleine aber sehr bedeutende Abwechslung.
            Der Tag plätscherte bislang völlig ereignis- und abwechlsungslos vor sich hin, und so erregt der kleine Pfosten mit der Jakobsmuschel dran meine Aufmerksamkeit. Zumal steht er neben einem im Sommer sicher herrlichen Schatten spendenden Baum und ich muß gerade mal für kleine Pilger...
            Mit diesem Schild ergibt der Zettel in meiner Hosentasche plötzlich einen Sinn:


            "Sie müssen den GR7 irgendwann verlassen um die Unterkunft zu finden!"

            In der Tat haben die Wirtsleute dieses Abends an der Stelle, an der man sie anrufen müßte, wenn man jetzt noch keine Unterkunft hätte, ein Schild mit Wegbeschreibung aufgestellt!
            Die Gegend ist erstens überschaubar und zweitens auf der Karte klar zu deuten.
            Ich merke mir also, daß ich dem GR7 bis zur Straße folge und diese dann weiter entlang laufe bis es irgendwo glaubhaft nach links ab geht.

            Kurz bevor ich die Straße erreiche, entdecke ich Spuren eines Barfuß-Wanderers. Zumindest ab dort:


            Ja, aus der Serie hatte ich auch mal ein Paar. Und sie hatten das gleiche Problem...

            Ich bemerke mit Blick auf die Uhr und die vom Telefon aufgezeichnete Durchschnittsgeschwindigkeit, daß ich heute auch einen heißen Socken laufe. Aber mir geht es sehr gut dabei, und hier lenkt auch Nichts, abslout und wirklich Nichts, vom eigentlich Akt des Laufens ab! Also mal munter weiter, wenn's läuft dann läuft's!

            Es geht nun lange und ausgiebig durch den Wald, zwischenzeitlich habe ich die Regenhose übergezogen.
            Bergab läuft es fast von selbst, es gibt auch Nichts, was irgendwie ablenken könnte.
            Bei etwa 26km erreiche ich die Ferme d'Acquenove, einen in die Landschaft geduckten Hof.


            Ja, da leben wohl Menschen. Und sicher auch große Hunde.

            Der Abzweig zum Hof ist eine Kreuzung, und hier haben sich die Wirtsleute des Abends mächtig ins Zeug gelegt.


            Was ist hier waagrecht? Bei dem Wetter gar nicht so leicht zu entscheiden...


            Klare Ansage: 3km immer weiter...

            Es gibt ein Schild, es gibt einen Weg, auf meiner Karte und in echt und er ist nicht allzu matschig. Also gehe ich bergauf und verschwinde bald im mal wieder absolut einsamen Wald.


            Da geht eine Stromleitung lang, also gibt es da hinten irgendwo Zivilisation. Oder es gab sie zumindest mal.

            Mich beschleichen leichte Zweifel, aber da entdecke ich eine Muschel an einem Baum.
            Und so werde ich durch den teilweise sehr dunklen Wald - Mann, bin ich froh, daß es hier keine wilden Tiere gibt! - erst bergauf und dann wieder bergab geleitet.
            Die letzte Stunde zieht sich ein wenig, aber schließlich erreiche ich ein völlig alleine stehendes Haus.


            Weit und breit sonst Nichts. Im Vordergrund übrigens die Straße nach Auberive.


            Hier bin ich wohl richtig!

            Ich nähere mich dem Haus in Erwartung eines der von mir so sehr geliebten großen, freilaufenden Hundes.
            Aber es passiert nichts. Als ich klingele, öffnet mit eine nätte ältere Dame und bittet mich herein.
            Ihr Gemahl sagt nichts, drückt mir einfach nur kurz die Hand ohne Aufzustehen.
            Frau Vollmer führt mich in den ersten Stock in ein kleines Pilgerparadies, echt nett gemacht.
            Recht neu renoviert, eine Mischung zwischen Pension und Herberge. Ich habe einen Raum mit Betten für fünf für mich alleine, bekomme aufgrund meiner Körpergröße sogar noch das längere Bett bezogen.
            Herrlich gemütliche Atmosphäre.
            Wir sprechen uns hinsichtlich des Abendessens ab, und ich ruhe mich noch ein wenig aus.
            Das Abendessen ist eine Gemüsesuppe, aber davon reichlich und mit Wurst - und das ist genau das Richtige, denn nach dem Tag in Niesel und Wind bin ich doch irgendwie durch und durch klamm.
            Und ich erfahre, daß der Herr des Hauses krankheitsbedingt nur durch mühsam handgeschriebene Zettel kommunizieren kann.
            Schade, denn er hätte bestimmt eine Geschichte zu erzählen. Ich erfahre, daß er Mitte der Sechziger mit viel Glück und verletzt über die Mauer aus der DDR geflohen ist, nachdem er trotz einer im System viel versprechenden Pilotenstelle einige Zeit in Bautzen inhaftiert war...
            Er freut sich sichtlich, Deutsch zu hören.

            Schon bald nach dem Abendessen haue ich mich in die Kissen.
            Nach den anstrengenden Tagen davor kann etwas mehr Schlaf nicht schaden.
            Zumal die morgige Etappe wahrscheinlich wieder etwas knackiger wird.
            Denn die Infrstruktur ist wieder mal nicht so dicht. Und die Wirtin des Hauses sagt mir schon, daß die Herberge am geplanten Zielort letztes Jahr dicht gemacht hat; wir müssten am nächstne Morgen ein wenig herumtelefonieren...

            Fazit des dritten Tages:
            Monotoner Tag durch trübes Gallien. Nicht allzu anstrengend.
            Aber es darf ja auch mal etwas weniger sein.
            Der nette Empfang und die Unterkunft am Abend sind auf jeden Fall ein Volltreffer und ein guter Grund, den Verlauf des Jakobswegs in dieser entlegenen Weltgegend nachaltig zu ändern!
            Zumal der Weg an dieser Stelle etwas abkürzt. Ich bin mit etwa 31km im Ziel; nach Auberive wären es um die 35 gewesen.
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            Zuletzt geändert von Wafer; 28.11.2020, 23:07.
            Ein Post von QOM = Quengelige Outdoor-Memme.
            Es gibt schlechtes Wetter!
            Egal, welche Klamotten!
            Laßt Euch da nichts vormachen!

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            • QOM
              Erfahren
              • 26.08.2013
              • 122
              • Privat


              #7
              [FR] Jakobsweg: Auberive - Tarsul

              4. / 20.Tag: Auberive - Tarsul

              Donnerstag, 15. Oktober 2015
              Strecke: 39,3km - Etappe: 156,9km - Gesamt: 671,2km
              Gehzeit: 8:00 brutto / 6:45 netto

              Die Nacht war dunkel und ruhig. Ziemlich absolut.
              Ich komme also gut erholt und nicht allzu spät aus den Federn.
              Verquatsche mich aber beim Frühstück ein wenig mit der anderen Reisenden, die gestern spät angekommen ist.
              Sylvie ist eine eher junge Jugendbuch-Autorin, die gerade ein Buch über die Reise der schwarzen Störche schreibt.
              Schwarze Störche? Ja, die gibt's tatsächlich und sie ziehen gerade hier durch die Gegend.
              Ich schaue sie zweifelnd an: Also gestern war hier so fieses Wetter, daß die meisten Vögel zu Fuß gegangen sind! Da wären mir schwarze Störche sicher aufgefallen! Und der Blick aus dem Fenster verheißt für heute nicht gerade Besseres.
              Sie bleibt dabei, und ich verspreche ihr, unterwegs die Augen aufzuhalten.
              Dann telefoniert die Herbergswirtin freundlicherweise noch mein Zielgebiet ab und findet einen Ort weiter als ursprünglich geplant noch eine Unterkunft. Ja, natürlich möchte ich gerne auch zu Abend Essen.
              Woher sie denn anriefe? Was? Aus Auberive? Das wäre aber weit! - "Keine Sorge, der schafft das schon, der hat lange Beine!"
              Und so stehe ich kurz drauf in der diesigen Kälte. Es sah nach Nebel aus, ist aber Sprühregen, also gleich in die Regenklamotten.
              Zudem ist es fies kalt!
              Ich laufe die ersten Kilometer auf der wenig befahrenen Straße Richtung Vivey um dort auf den geplanten Weg zurückzukommen.
              Nach etwa 3 Kilometern nehme ich erstmalig wahr, daß das, was vom Himmel fällt, teilweise weiß ist.
              An manchen Stellen ist eine Eisschicht auf den Wiesen, ein Transporter, der mir entgegen kommt, ist voller Schnee.
              Na toll, das wird ja Klasse!
              Aber nach ziemlich genau 5 Kilometern wird mir dann an einem direkt an der Straße liegenden Gehöft ziemlich schnell ziemlich warm als eine Kuh neben mir plötzlich einen schreckhaften Satz macht und ich als Ursache dafür einen großen, schnell an Nähe gewinnenden Schäferhund ausmachen kann. Mit strammem Schritt und etwas Glück schaffe ich es gerade noch so aus der Zone, die er als sein engeres Revier zu begreifen scheint, und so macht er sich glücklicherweise nicht die Mühe, bei dem Sauwetter den Hof zu verlassen. Sauviech!
              Auf der Straße geht es bergauf, bergab weiter nach Vivey (bei Kilometer 6), zu sehen gibt es auf den ersten 15 Kilometern eher nichts. Immerhin geht die Temperatur wieder deutlich über den Gefrierpunkt und der Niederschlag wird leichter.


              Kein schöner Land in dieser Zeit...


              Hochgeschwindigkeits-Strecke für Fußpilger: Keine Ablenkung, leicht bergab...

              Dann verläßt er ausgeschilderte Weg kurz die Straße.


              Nett anzuschauen und zu Laufen! Wenn nur die vielen Leute nicht wären!

              Dann erreiche - oder besser passiere - ich die Postkartenidylle von Grancey-le-Chateau:


              In der Sonne ein klassisches Postkartenmotiv der Region


              An einem der Nebengebäude erstmalig zu sehen: Die bunten Dächer auf klassichen Häusern in Burgund


              Will ich da hoch? Och, laß' ma' stecken. Die aussicht wird eh' trübe sein!

              Es geht weiter durch Feld und Wald, teilweise mit kräftigen Steigungen und Gefällen. Ich bemerke, daß ich wieder ein ziemlich irrsinniges Tempo drauf habe als ich beim Prüfen der Richtung aus dem Augenwinkel die Zahl "6,5km/h" auf der Anzeige sehe. Freilich, es geht gerade etwas bergab, aber das kann irgendwie nicht gut sein. Dennoch geht mir's bestens...
              Es gibt ja nix weiter zu sehen außer Wald, Wald, Wald. Die Tiere haben sich verkrochen, es ist zu kühl um irgendwo eine Pause einzulegen, zumal es wieder mal keinerlei halbwegs komfortale Sitzgelegenheit gibt.
              Mann, Mann, Mann...
              Wenn ich mal richtig reich bin, gründe ich eine gemeinnützige Stiftung, die an den von mir begangenen Etappen des Jakobswegs alle 3-4 Kilometer eine kleine Sitzbank aufstellt!

              Etwa bei Kilometer 26 finde ich in Avot eine kurze Rast, bevor es wieder in den großen Wald geht.
              Ist echt schade, daß die Tiere heute alle Pause haben. Man kann sie riechen, man kann die frischen Spuren sehen.
              Aber egal, wie leise ich bin, ich kriege keines zu sehen!

              Bei Kilometer 32 erreiche ich Poiseul-les-Saulx.
              Die Infrastruktur ist zwar auch hier sehr dünn, die Straße leer. Aber hier hat man definitiv ein Herz für Reisende.


              Universelle Versorgungs-Säule. Das Wasser ging, der Strom auch!

              Ein paar Schritte weiter steht das alte Backhaus des Ortes, das der Bürgermeister als Pilerhütte hergerichtet hat.


              Pilgerhütte. die erste ihrer Art auf meinem Weg


              Na, dann ist es ja nich tmehr so weit...

              Drinnen stehen ein paar Stühle, Bilder an den Wänden zeugen von netten Abenden, an denen die Anwohner die Bude für die Pilger eingeheizt haben. Artig trage ich mich mit klammen Fingern und wackeliger Schrift in das Gästebuch ein.


              Alles etwas staubig, aber sehr nett gemacht.

              Nach diesem Kleinod geht es kurz durch Felder, und schon bald stehe ich wieder im Wald.
              Da gibt es auf den letzten Kilometern nicht mehr viel zu navigieren.
              Bei Kilometer 36 komme ich aus dem Wald und erreiche eine recht viel befahrene Straße.
              An dieser Stelle kürze ich ein wenig ab und spare mir den Schlenker über das ursprüngliche Etappenziel Courtivron.
              Tarsul ist in Sichtweite, und schon nach kurzer Zeit bin ich am Abzweig Richtung Ort.
              Die Unterkunft ist leicht zu finden, und der Empfang ist buchstäblich warm:
              Die Wirtsleute sind supernett und erwarten mich mit einem offenen Kaminfeuer in der Wohnküche.
              Praktisch am Eingang nimmt man mir die nassen Schuhe ab und verspricht, sie im Heizungsraum zu trocknen - ja, natürlich achte man darauf, daß sie nicht der direkten Wärme ausgesetzt werden. Ich wäre aber ganz schön schnell gewesen, man hätte mich frühestens in einer Stunde erwartet.
              Ich bin der einzige Gast heute und entsprechend luxuriös ist die Unterbringung: Ich habe ein helles Zimmer mit großem Bett für mich alleine, ebenso das großzügige Bad.
              Wir stimmen uns kurz hinsichtlich der Abendessenszeit ab und ich habe sattsam Zeit, mich unter der vielseitigen Dusche aufzuwärmen und einen laaangen Moment ins Bett zu muckeln.

              Die beiden Wirtsleute sind echt nett und ich werde göttlich bekocht, mit Suppe, Quiche, Salat, Pasta Pesto, Käse, einem Dessert, Kaffe,...
              Eigentlich wolle man ja ein wenig auf die Linie halten, aber wenn schon mal gekocht wäre...

              Ich erfahre, daß mein Timing wirklich gut wäre:
              Am Wochenende beginnt die Jagdsaison. Da würde in den Wäldern, durch die ich in den letzten Tagen gekommen bin, buchstäblich auf alles geschossen, was sich irgendwie bewegt. Die Jäger würden extra aus der Schweiz und Italien anreisen, denn die heimischen wären dem übermäßigen Wildbestand nicht alleine gewachsen. Die Jagdgebiete würden nicht weiter gekennzeichnet, in der Gemeinde würde eine Liste mit den Jagd-Tagen ausliegen aber am Weg gäbe es dann keine Markierungen oder weitere Warnungen. Und Absperrungen oder Jagdhelfer schon garnicht.
              Wer hier in der Gegend wohnt, geht einfach zwischen Mitte Oktober und Ende Februar nicht in den Wald.
              Ich nehme das ungläübig lächelnd mit Small-Talk-Miene auf - später mehr dazu...

              Die Gäste des nächsten Tages wären acht Jäger, auch da hätte ich Glück gehabt, daß ich heute gekommen wäre. Denn morgen wären sie ausgebucht.

              Es ist ein netter Abend, und nach dem Tagespensum und dem eher kühlen Wetter ist es überflüssig zu sagen, daß es um mich herum mal wieder ziemlich schnell Nacht wird.
              Die Hirsche, die angeblich nachts bis fast in den Ort kommen, höre ich nicht röhren.

              Fazit des Tages:
              Mit fast 40 Kilometern und einigem Auf und Ab war es kein leichter Tag, aber ich bin wieder gut vorangekommen.
              Trotz des recht hohen Tempos geht es mir körperlich sehr gut.
              Ich hab' jetzt aber allmählich auch genug Wald gesehen!
              Und sehne mich schon auch mal wieder nach einer Stadt mit etwas Infrastruktur!
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              Zuletzt geändert von Wafer; 28.11.2020, 23:07.
              Ein Post von QOM = Quengelige Outdoor-Memme.
              Es gibt schlechtes Wetter!
              Egal, welche Klamotten!
              Laßt Euch da nichts vormachen!

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              • gargantula
                Erfahren
                • 09.12.2013
                • 222
                • Privat


                #8
                AW: [FR] Jakobsweg: Contrexéville - Langres - Dijon - Beaune - Taizé - Cluny

                Schöner Bericht, ich hoffe es geht bald weiter.
                “Perfektion ist nicht dann erreicht, wenn man nichts mehr hinzufügen, sondern wenn man nichts mehr weglassen kann.”

                (Antoine de Saint-Exupéry, französischer Schriftsteller, 1900 – 1944

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                • Sternenstaub
                  Alter Hase
                  • 14.03.2012
                  • 3583
                  • Privat


                  #9
                  AW: [FR] Jakobsweg: Contrexéville - Langres - Dijon - Beaune - Taizé - Cluny

                  tatsächlich habe ich doch deinen neuen Bericht bisher verpasst. Zum Glück bin ich gerade darüber gestolpert und habe natürlich dann gleich gelesen, was du zu berichten hast.

                  Also bitte bald weiter schreiben, die Fans warten schon.
                  Two roads diverged in a wood, and I—
                  I took the one less traveled by,
                  And that has made all the difference (Robert Frost)

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                  • QOM
                    Erfahren
                    • 26.08.2013
                    • 122
                    • Privat


                    #10
                    [FR] Jakobsweg: Tarsul - Dijon

                    5. / 21.Tag: Tarsul - Dijon

                    Freitag, 16. Oktober 2015
                    Strecke: 34,4km - Etappe: 191,3km - Gesamt: 705,6km
                    Gehzeit: 7:45 brutto / 6:15 netto

                    Die Nacht war dunkel und ruhig. Ziemlich absolut. Ich weiß, daß schrieb ich gestern schon.
                    War sie aber dennoch wieder. Keine Spur von röhrenden Hirschen!
                    Weil heute ja nicht so viel ansteht, lasse ich mir beim Frühstück etwas Zeit und plaudere noch ein wenig mit den Gastleuten.
                    Gegen halb zehn komme ich dann doch auf die Strecke, nachdem ich ordentlich Modell gestanden habe - die beiden fotografieren grundsätzlich alle ihre Gäste, die in das Gästebuch geschrieben haben.


                    Im Hintergrund: Der Erweiterungs-Bau, wenn's mal mehr als etwa Sechs Gäste sind...

                    Aus Tarsul heraus geht es direkt sehr ruhig weiter, sieht man mal von dem Dorfebwohner ab, der seinen weniger gut erhaltenen aber immerhin noch fahrtüchtigen 2CV röchelnd, hustend und röhrend (also das Auto, nicht er!) zum Leben erweckt.
                    Die ersten Kilometer sind landschaftlich nicht Fleisch, nicht Fisch. Am Waldrand entlang geht es bei eher trübem aber noch nicht regnerischen Wetter die ersten 5 Kilometer nach Vernot.
                    Das empfängt mich für einen Ort in dieser Region absolut typisch mit einem Waschhaus auf der zentralen Kreuzung.


                    Hier wird die dreckige Wäsche öffentlich gewaschen. Oder vielmehr sie wurde...

                    Gegenüber ist, na, was wohl?


                    Kirche und Mairie. Moment...wo ist das Kriegerdenkmal??

                    In Vernot mache ich in Verbindung mit dem Pilgerführer einen kleinen Navigationsfehler und halte mich zunächst rechts, in der Hoffnung, dann den Berg hoch zu kommen. Klappt aber nicht. Also zurück in den Ort, am Ortsausgang rechts ab in den Wald und ganz einfach immer geradeaus und bergauf.


                    Navigatorisch äußerst überschaubare Wegführung.

                    Die Kuppe des Hügels erreiche ich bei etwa 10 Kilometern, aber die Aussicht ist mal wieder eher weniger rauschhaft.


                    Wald, Wald, Wald!

                    Immerhin entbietet mir der große Wald einen letzten Gruß, bevor ich ihn verlasse.
                    Suassy empfängt mich zur Mittagszeit eigentlich ganz malerisch aber mit einem nervtötend kläffenden Köter an der Dorfkriche, also werde ich nach kurzer Rast doch nicht seßhaft, sondern ziehe bei etwas ungemütlichem Luftzug weiter.
                    Nach Saussy im Feld vertue ich mich kurz hinsichtlich des Weges, da hat die GPS-Planung mal einen Ausrutscher gehabt.
                    Aber der ist im kommenden letzten Waldstück schon bald vergessen.


                    Schon wieder Wald...

                    Etwa bei Kilometer 16,5 muß ich wieder vom geplanten Weg abweichen - der Besitzer des Waldes hier legt keinen allzu großen Wert auf Gesellschaft und macht das durch Schilder und Zäune ganz eindeutig klar.
                    Entlag der wenig befahrenen Straße erreiche ich bergab ziemlich zügig Messigny-et-Vantoux, das mich eher trübe und mit vielen Lastern (also den Autos jetzt...) Willkommen heißt, denn am Ortseingang ist eine Werkstatt für Nutzfahrzeuge.
                    Im Ort bietet eine Bushaltestelle einen Rastplatz, und ich gönne mir eine Pause.
                    Es ist doch etwas laut und wird im Sitzen schon recht bald kühl, also dehne ich die nicht sonderlich aus.
                    Zumal sich irgendwas im Körper ein wenig seltsam anfühlt, so ein kleiner Hauch von Matschbirne vielleicht? Und ein ganz leichtes Ziehen im rechten Schienbein?

                    Am Ortsausgang von Messigny-et-Vantoux überquere ich das, was eigentlich der Bach hätte sein sollen, dem ich (abweichend von den offiziellen Wegempfehlungen) Richtung Dijon folgen wolte. Ziemlich trockener, tiefer Graben.
                    Nach Vantoux, wo ich das Lager oder die Wagenburg einer soeben angereisten Jagdgesellschaft durchquere, folge ich zunächst dem Weg am Bach entlang.
                    Der Weg ist aber nicht so richtig komfortabel und die Landbesitzer weisen mit Schildern und Zäunen darauf hin, daß sie nicht gestört werden wollen.
                    So ändere ich ab Ahuy (etwa Kilometer 25) den Plan und folge schmaleren Wegen Richtung Dijon, das sich von hier aus wohl kaum noch verfehlen läßt.

                    In Ahuy fällt mir erstmalig ein wirklich großartiges Schild auf, das bei vielen der Helden-Denkmäler angebracht ist:


                    Am Liebsten mag ich die Passage mit dem "freien Universum"!

                    Auf einer Nebenstraße, eher einem Wirtschaftsweg, erreiche ich bei etwa 28km den äußersten Rand des Speckgürtels und halte mich von nun an einfach Richtung Stadtmitte.
                    Das komische Gefühl im Kopf und das Ziehen im Schienbein werden stärker.
                    Verdammt, diese Symptomatik kenne ich doch aus dem letzten Jahr, das wird doch nicht...

                    Ich erreiche blad das geschäftige Stadtzentrum und drehe noch eine Runde, bevor ich das Hotel suche.


                    Park am Réservoir Darcy


                    Empfang durch den kleinen Triumpfbogen

                    Die Fußgängerzone ist für meine der Zivilisation entwöhnten Sinne unverschämt, ja gar untrerträglich bevölert, aber irgendwie doch mitunter ganz malerisch.


                    Fußgängerzone vor dem Markttag

                    Bald schon erahne ich, warum es hier doch so relativ ruhig ist: In der Stadt herrscht recht hohes Aufgebot martialisch ausgestatteter Polizisten. Gerade als ich einen Platz überqueren will, kommen dort drei Wasserwerfer nebst eines Zuges an intergalaktischen Sturmtruppen an.
                    Hier läuft irgendwas, und ich verstehe nicht, was. Also mache ich mich lieber aus dem Staub.
                    Denn die Jungs mit dem Vollkörper-Schutz sehen nicht so freundlich aus wie die deutschen Kollegen. Und wirken noch etwas wortkarger.

                    Nun gut, Dijon ist trotzdem eine nette Stadt...


                    Place de la Liberté


                    Eine der zahlreichen (oder eher zahllosen) Kirchen Dijons


                    ...mit dem lokaltypischen Dach...

                    Die an jeder Ecke präsente Polizei und das dumpfe Pochen in meinem Schienbein bringen mich nach einem kurzen Stempel-Besuch in der Kathedrale in mein leicht zu findendes und nettes Hotel in der Nähe der Église Notre-Dame de Dijon. Mitten in der Stadt und doch sehr ruhig.
                    Und für das Abendessen echt in der Pole-Position, denn die Markthalle mit reichhaltigem gastronomischem Angebot rundherum ist sehr gut zu erreichen.
                    Trotzdem wird es nur der dem Pizzaduft nach viel versprechende Italiener, und schon bald wird es mal wieder Nacht.
                    Nicht, ohne die Hitze im Schienbein zu bemerken.

                    Fazit des fünften Tages:
                    Endlich raus aus den endlosen Wäldern und wieder in der Zivilisation!
                    Keine sonderlich aufregende Etappe mit eher mäßigem, recht kühlem Wetter. Aber immerhin mal wieder nicht naß geworden!
                    Die letzte Etappe hat den Übergang in die Stadt eigentlich ganz gut gelöst und mich recht ruhig in die Mitte der pulsierenden Stadt gebracht.
                    Die Tagesetappe war gut machbar, der Körper scheint jetzt nach den etwas zähen Tagen trotz generell guten Gefühls doch ein wenig mucken zu wollen. Aber das ist in Ordnung, ab morgen geht es mit Infrastruktur eher genüßlich weiter!
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                    Zuletzt geändert von Wafer; 28.11.2020, 23:07.
                    Ein Post von QOM = Quengelige Outdoor-Memme.
                    Es gibt schlechtes Wetter!
                    Egal, welche Klamotten!
                    Laßt Euch da nichts vormachen!

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                    • ronaldo
                      Freak
                      Moderator
                      Liebt das Forum
                      • 24.01.2011
                      • 12506
                      • Privat


                      #11
                      AW: [FR] Jakobsweg: Contrexéville - Langres - Dijon - Beaune - Taizé - Cluny

                      Ja das ländliche Frankreich... hat auch im Niesel seinen Reiz.
                      Gefällt mir, dein unaufgeregter Stil. Los, weiter!

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                      • QOM
                        Erfahren
                        • 26.08.2013
                        • 122
                        • Privat


                        #12
                        AW: [FR] Jakobsweg: Contrexéville - Langres - Dijon - Beaune - Taizé - Cluny

                        Hallo Ronaldo!
                        Zitat von ronaldo Beitrag anzeigen
                        Ja das ländliche Frankreich... hat auch im Niesel seinen Reiz.
                        Gefällt mir, dein unaufgeregter Stil. Los, weiter!
                        Dankedanke!
                        Aber was sollte man da auch Aufgeregtes schreiben?
                        Wenn sich in dem riesigen Wald ja wenigstens mal ein paar Viecher hätten blicken lassen statt nur auf die Wege zu kacken und sich dann wieder im Gehölz zu verbarrikadieren!
                        Oder es an einem Aussichtspunkt auch tatsächlich mal Aussicht auf Aussicht gegeben hätte!

                        Das war bis Dijon Alles in Allem eine herzhaft unaufgeregte Nummer!

                        Mal abgesehen von den freilaufenden Hunden...
                        Ein Post von QOM = Quengelige Outdoor-Memme.
                        Es gibt schlechtes Wetter!
                        Egal, welche Klamotten!
                        Laßt Euch da nichts vormachen!

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                        • QOM
                          Erfahren
                          • 26.08.2013
                          • 122
                          • Privat


                          #13
                          [FR] Jakobsweg: Dijon

                          5. / 21.Tag, die Zweite: Zwangspause in Dijon
                          Samstag, 17. Oktober 2015
                          Strecke: 0km - Etappe: 191,3km - Gesamt: 705,6km
                          Gehzeit: ??

                          Was sich schon beim Zubettgehen abzeichnete wird nach dem Aufwachen zur erdrückenden Gewißheit:
                          Die Symptome sind wirklich die gleichen wie im letzen Herbst, und die zugehörige Seuche scheint auch die gleiche zu sein.
                          Wenn ich jetzt mit etwas Glück und ziemlich schnell einen Arzt finde und den von meiner Selbstdiagnose überzeugen kann, muß ich vielleicht doch nicht direkt heimfahren.
                          Ich verhandele also im Hotel, daß ich meinen Kram noch dort lassen kann, bis ich Bescheid weiß, erfahre den Weg zum nächsten Arzt und kriege von der freundlichen Wirtin sogar noch einen Termin für Barzahler gemacht.
                          Beim Arzt angekommen, werde ich freundlich empfangen und er folgt meinem Diagnosevorschlag etwas erstaunt und prompt.
                          Wundrose, auf französisch und in der internationalen Medizin "Ersipiel", hätte er noch nicht so oft gesehen, aber ja, das wäre wohl eine, da würde wohl im ersten Schritt nur Antibiotikum und mindestens drei Tage absolute Ruhe helfen. Danach könne ich vielleicht vorsichtig weiter.
                          Das Antibiotikum und eine Salbe kriege ich bei der Apotheke um die Ecke, zwischenzeitlich pocht's im Bein ganz ordentlich.
                          Ich erinnere mich an die Szene aus "Casino Royale", in der 007 vergiftet aus dem Casino zu seinem Aston Martin stolpert und nehme die erste Pille direkt auf der Straße ein...
                          Drei Tage Ruhe? Ne, das kommt nicht in die Tüte. So sehr sind wir dann doch nicht zum Spaß hier!
                          Aber das mit dem kurzen Stadtrundgang und dann noch 20km wird dann heute wohl nichts mehr.
                          Ich beschließe, dann heute einen ziemlich ruhigen in Dijon zu machen und zu schauen, ob das Antibiotikum Wirkung zeigt.
                          Wenn ja, geht's morgen vorsichtig weiter. Da ist schließlich kein wilder großer Wald mehr, sondern relativ stetige Zivilisation. Wenn's nicht klappt, kann ich ja immer noch heim fahren.
                          Zurück im Hotel mache ich erst Mal das Zimmer für die kommende Nacht klar und haue mich mit dem Stadtplan aufs Ohr.
                          Beim Aufwachen fällt mir eine gestrichelte Linie im Stadtplan auf, die sich irgendwie durchs Zentrum der Stadt schlängelt.
                          Ich schaue sie mir genauer an und stelle fest, daß es ein Rundweg von etwa 5km entlang der wesentlichsten Sehenswürdigkeiten ist. Na, dann mal los!
                          Für touristisch-unauffälliges Geschlender in einer samstäglich-geschäftigen Stadt bin ich so rein modisch überhaupt nicht ausgerüstet.
                          Unwillg spuckt mein Rucksack aus seinen extremsten Tiefen die leichten Turnschuhe, die Kompressionsstrümpfe und eine Garnitur Leibwäsche zum Wechseln aus. Gute Gelegenheit für den "kleinen Waschtag"!
                          Ich schnalle mir die Kamera um und tapere los.
                          Und da müßt Ihr jetzt halt durch...

                          Der Rundweg ist durch alle paar Meter im Boden eingelassene Messingpfeile idiotensicher gekennzeichnet. Wo es etwas zu sehen gibt und es sich für Touristengruppen empfiehlt, den Blick vom Smartphone in die Höhe schweifen zu lassen, sind im Boden Eulen eingelassen.
                          Der Einstieg ist leicht zu finden; er ist direkt vor dem Hotel.


                          Die Eule spielt in der Innenstadt von Dijon eine wichtige Rolle.


                          Dijon ist voller Kirchen...

                          Die Stadt ist auch heute wieder voller gut ausgerüsteter Polizei-Kräfte. Alle öffentlichen Gebäude sind besonders geschützt.
                          Die Zeitungsstände geben nichts zu der besonderen Sicherheitslage her.
                          Aber der Helikopter, der am Himmel dauerhaft über der Stadt kreist, macht mich schon ein wenig nervös.
                          Nur mich allerdings, die normale Bevölkerung scheint ihn nicht wahrzunehmen.


                          ...und nett aufgemachter Altstadt-Gassen. Im Hintergrund der ehemalige Gerichtssaal.


                          Eingang des Gerichts. Schwer zu sagen, ob das gut erhalten oder liebevoll restauriert ist!


                          Immer wieder nette Geschäfte, auch in den Nebenstraßen.


                          Hier war ich zwar am Vortag schon, hatte aber nicht den rechten Nerv, mir's in Ruhe anzuschauen...


                          Das Innere der Kathedrale ist wieder unglaublich hell.


                          Den Brunnen hatte ich gestern glatt übersehen.


                          Jugenstil-Frösche...


                          Und auch der Park mit der Quelle ist schöner, wenn man nicht vorbei hastet!


                          Echt grottiges Detail des Brunnens.


                          Ein Hauch von Gaudí


                          Fast schon etwas zu schwyzerisch-ordentlich!

                          Das Antibiotikum scheint einzugreifen, und so setzte ich den Runsgang nach einer kurzen Pause bei guter Straßenmusik fort.
                          Natürlich mit einer Kirche.


                          Alles nur Fassade?


                          Nein! Das Gebäude beeindruckt auch drinnen aus der Froschperspektive.


                          Und auch die Mandala-artigen Fenster haben es gut durch die Zeit geschafft!

                          So, jetzt muß ich den Bilderstrom aber mal kurz abreißen lassen um vorab ein paar Takte zum nachfolgenden Artefakt zu sagen:
                          Diese Form der Mariendarstellung war vor etwa 800 Jahren (!) der letzte Schrei. Zwar hat dann jede Generation von Kirchenbaumeistern noch ein wenig daran gerumgedengelt, so daß über den Originalzustand nur gemutmaßt werden kann.
                          Es ist aber dennoch beeindruckend, eine für hiesige Verhältnisse doch eher frühchristliche Darstellung live und für umme aus nächster Nähe sehen zu können.
                          Spirituell gab mir das eher etwas mitgenommene Stück dunklen Holzes jetzt aber dann doch eher weniger.
                          Man glaubt übrigens zu wissen, daß die ursprüngliche Darstellung noch ein Kind beinhaltete.
                          Das wurde entweder irgendwann zensiert oder vom Holzwurm vertilgt.


                          Nich im eigentlichen Sinne schön, aber doch irgendwie beeindruckend: Marienstatue in Dijon.


                          Selbst an trüben Tagen machen diese Fenster ein absolut unglaubliches Licht!


                          Und auch für Jeanne d'Arc gibt es hier eun Plätzchen...

                          Aus der Kirche heraus, links um die Ecke komme ich zu einem der Wahrzeichen von Dijon.
                          Der Chouette (Eule), als solche nach einem Vandalismus-Schaden kaum noch zu erkennen.
                          So abgegriffen, wie sie dennoch ist, ist es wohl gut, sie anzufassen.
                          Das tue ich so rein prophylaktisch.


                          Chouette de Dijon. Sie mit der linken Hand anzufassen erfüllt einen Herzenswunsch.

                          Das mit der linken Hand lese ich erst später im Hotel. Ich habe sie natürlich aus rein praktischen und ergonomischen Gründen mit der rechten Hand angefasst. Hab' ich's jetzt so rein karma-mäßig versaut? Habe ich meine einzige Chance auf meinen ganz persönlichen Wunsch ans Universum vergeigt?
                          Mein Hotel ist um die Ecke, ich komme zum Abendessen nochmal dort vorbei und korrigiere meinen groben Fehler. Gleich mehrfach. Viel hilft viel.


                          Feinkost in gediegenem Ambiente.


                          Detail des außenliegenden Treppenaufgangs-


                          Dijon ist echt der feuchte Traum eines jeden Dachdeckers!


                          Da sagen sich Katz' und Eule gute Nacht...


                          Ein letzter Blick auf die Kirche...


                          ...und eines der bei trübem Wetter nicht ganz so bunten Dächer.

                          Und wieder im Hotel. Mittagsschlaf, Fuß hochlegen.
                          Es passiert an diesem Tag nicht mehr viel. Ich besurfe noch ein paar touristische Details des gerade gesehenen, werfe einen Blick auf die Planung für morgen und finde an der Markthalle ein erschwingliches Menü.
                          Dort erfahre ich übrigens, daß das Polizeiaufgebot tatsächlich nur wegen eines Fußballspiels war, das etwas außerhalb der Stadt stattfand. Man hatte wohl Angst, daß der Enthusiasmus am Rande des Spiels in das geordnete Leben der Stadt schwappt...
                          Damit ist mein Bedarf an Zivilisation und Menschenauflauf erst mal gedeckt.
                          Das Bei ist zwar nicht wesentlich dünner geworden, aber eben auch nicht dicker. Es ist etwas kühler und tut weniger weh.
                          Hoffentlich bleibt das so und ich kann morgen vorsichtig weiter.

                          Sicherheitshalber nehme ich das Antibiotikum mit etwas halbrohem Fleisch und etwas mehr Rotwein ein.
                          Und auch an diesem Abend schlafe ich ziemlich früh und tief.
                          Die eher heftigen Etappen der letzten Tage stecken mir schon noch in den Knochen!

                          Fazit des Tages:
                          Ein Pausentag ist nicht immer pure verlorene Zeit. Aber schon ziemlich.
                          Dijon war ein guter Ort um dort einen Tag zu vertrödeln. Und ich hatte ziemliches Glück, daß mich die Seuche dort gepackt hat.
                          Denn ich hatte schnellen Zugriff auf einen Arzt und eine Apotheke. Das wären in der Gegend, aus der ich gerade kam, eine ganz andere Herausforderung gewesen.
                          Wie sagte Karl? "Auf dem Weg fügt sich das alles immer irgendwie auf ganz wundersame Weise überraschend passend!"
                          Zuletzt geändert von QOM; 20.12.2015, 22:36.
                          Ein Post von QOM = Quengelige Outdoor-Memme.
                          Es gibt schlechtes Wetter!
                          Egal, welche Klamotten!
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                          • QOM
                            Erfahren
                            • 26.08.2013
                            • 122
                            • Privat


                            #14
                            [FR] Jakobsweg: Dijon - Vougeot

                            6. / 22.Tag: Dijon - Vougeot

                            Sonntag, 18. Oktober 2015
                            Strecke: 23,7km - Etappe: 215,0km - Gesamt: 729,3km
                            Gehzeit: 6:45 brutto / 4:45 netto

                            Heute geht es in Dijon recht gemütlich los. Aber ich fühle mich gut genug, um die Stadt zu verlassen und an eine erquickliche Weiterreise zu glauben. Das Antibiotikum vertrage ich gut, und es scheint etwas zu wirken.
                            Gut, dann mal los!
                            Der Weg aus Dijon ist etwas länger als erwartet aber relativ ruhig, bedenkt man, daß ich mich an einer der Ausfallstraßen bewege.
                            Ich hatte mich darauf verlassen, auf dem Weg etwas zum Essen kaufen zu können, aber das ist Sonntagmorgens doch ein wenig dünne.
                            Der Weg regelt das mal wieder auf unglaublich einfache Weise für mich: Kurz bevor es in Chenôve in die ersten Weinberge geht, steht eine einladende Bäckerei offen. Ich versorge mich "g'schwind" mit Proviant für den Tag, fester Überzeugung, abends wieder in reichhaltiger Infrastruktur schwelgen zu können. Wie schnell einen doch die Stadt verweichlicht!
                            Kurz drauf erreiche ich die ersten Weinberge.


                            Ein erster Blick ins Weinland

                            Die Stadt hört abrupt auf und es geht ins Weinland. Die Sonne lacht mir, und so komme ich frohen Mutes gut voran; das Bein macht keinen Ärger.


                            Klassisches Fotomotiv: Taubenschlag in Couchey

                            Aber die Sitten hinsichtlich der Jagd sind hier doch etws gewöhnungsbedürftig.
                            In der einen Furche des Weinberges arbeitet das Personal am Winterschnitt der Weinstöcke.
                            Etwa zehn Furchen weiter kann ich zwischen den Weinstöcken sich vorsichtig vorantastende Fasane erkennen.
                            Weitere fünf Furchen weiter - in unmittelbarer Nähe zur Ortschaft und mit Blickrichtung entlang der Furche in meine Richtung - sehe ich einen Jäger mit Hund. Hinter mir knallt's. Unterhalb des Weges ist noch einer unterwegs.
                            Die spinnen, die Gallier. Nichts wie weg hier!


                            Blick Richtung Fixey: Die ersten Zedern

                            Ich schaue nochmal zurück auf Couchey und mache mich vom Acker.


                            Noch ein Blick auf Couchey: Ach ja...Diese offensichtliche Verarmung der ländlichen Gegenden ist schon beklagenswert!

                            Bunt geht es durch die Weinberge weiter, ab und an eine kleine Ortschaft, und das Wetter hellt sich etwas auf.


                            Gevrey: Netter Rastplatz in einer der folgenden Ortschaften...

                            Aber auch hier gibt es tatsächlich Häuser, auf die keiner mehr Bock hat - der historisch erkämpfte Weinberg wird natürlich weiter bewirtschaftet.


                            In der Nähe von Gevrey: Im Grunde ist hier jeder Weinstock kartografiert und unverzichtbar für den Wein der Lage!

                            Und so geht es weiter Richtung Zielort. Ziemlich ereignislos aber farblich eine sehr schöne Abwechslung zu den ausgedehnten Wäldern der Vortage.


                            Blick zurück auf Gevrey

                            Es geht noch ein kleines Stück durch den Wald, und nach einem merklichen Aufstieg fällt der Weg die letzten fünf Kilometer durch die Weinberge ins Etappenziel Vougeot.
                            Das versprach auf der Karte und im Reiseführer mehrere Restaurants und Hotels.
                            In der Praxis reduzieren sich die Möglichkeiten auf den Singular.
                            Da ist's aber ganz nett, wenngleich das Haus sich leicht gehoben gibt und auf meine Frage nach Essigessenz für einen Wadenwickel recht verwundert reagiert.
                            Es ist aber alles machbar, und so liege ich bald frisch geduscht und sehr früh im Lotterbett, wo ich das Abendessen fast verschlafe.

                            Zum Abendessen gelüstet mich schon ein wenig nach Wein aus der Gegend, aber der Blick auf die Preise verschägt mir schier den Atem.
                            Die lokalen Weine werden zu Flaschenpreisen ab 75 Euro angeboten.
                            Naja, es gibt einen erschwinglichen offenen, und der kommt zum Abschluß des Tages sehr schön weich und voll.

                            Selbstverständlich wird es nach dem Abendessen trotz der Mittagsruhe wieder zügig dunkel um mich.

                            Fazit des Tages:
                            Na also!
                            Gemütlich geht es auch weiter. Nicht schnell, aber mit dem radikalen Wechsel der Landschaft auch ein deutlich gemäßigteres Tempo anzuschlagen, hat seinen Reiz. Zumal es hier auch mehr zu sehen gibt.
                            Das Bein macht halbwegs mit, also geht es morgen dann wohl weiter!
                            Angehängte Dateien
                            Zuletzt geändert von Wafer; 28.11.2020, 23:07.
                            Ein Post von QOM = Quengelige Outdoor-Memme.
                            Es gibt schlechtes Wetter!
                            Egal, welche Klamotten!
                            Laßt Euch da nichts vormachen!

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                            • Einauge
                              Neu im Forum
                              • 11.01.2016
                              • 4
                              • Privat


                              #15
                              AW: [FR] Jakobsweg: Contrexéville - Langres - Dijon - Beaune - Taizé - Cluny

                              Ein schöner Bericht!
                              Einen Verein zur Ausstattung von Grs mit Bänken wollten wir auch schon gründen.

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                              • QOM
                                Erfahren
                                • 26.08.2013
                                • 122
                                • Privat


                                #16
                                [FR] Jakobsweg: Vougeot - Beaune

                                7. / 23.Tag: Vougeot - Beaune

                                Montag, 19. Oktober 2015
                                Strecke: 25,5km - Etappe: 240,5km - Gesamt: 754,8km
                                Gehzeit: 7:45 brutto / 5:00 netto

                                Das mit dem gemütlichen Start in den Tag ist im Grunde keine wirklich schlechte Idee.
                                Nachdem die Morgensonne den kalten Dunst der Nacht vertrieben hat, mache ich mich auf den Weg.
                                Direkt am Ortsausgang habe ich einen sehr schönen Blick auf die bescheideneren Weingüter.


                                Ob es zwischen diesen beiden Gütern schon einen Bürgerkrieg gab?


                                Falls ja, haben sie auf jeden Fall die schlimmsten Zeiten überwunden!

                                Der Weg führt mich durch die pralle Sonne durch Weinberge, immer leicht bergauf und wieder bergab. In den Weinbergen wird wieder gejagt, aber ich sehe das zwischenzeitlich etwas gelassener.
                                In Vosne-Romanée erahne ich die bunten Scheiben der Kirche in der Sonne schon aus der Ferne.
                                Auch, wenn die Kirche inmitten eines großen Friedhofs eher weniger einladend wirkt, gehe ich hinein.


                                Hier kommt die Sonne!


                                Das Licht im Inneren ist einfach herrlich!

                                Aber auch das schöne Licht kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß es eine der etwas muffigeren Kirchen mitten auf einem Friedhof ist...
                                Also weiter!

                                Die endlosen Weinberge in der Sonne mit den gut gepflegten Ortschaften haben teilweise schon etwas synthetisches. Ich fühle mich manchmal ein wenig wie in der aufgeräumten Modelleisenbahn-Landschaft.


                                Nuits St. Georges-

                                Die an diesem Tag durchquerten Ortschaften lesen sich wie ein Wo-ist-wo der teuersten französischen Weinlagen:
                                Comblanchien, Aloxe-Corton...

                                Die Weingüter präsentieren sich absolut bescheiden, man sieht ihnen den über Jahrhunderte durch geschickten Monopolismus erworbenen Reichtum praktisch nicht an.


                                Sehr bescheiden! Zudem verkleinert es die effektive Anbaufläche einer extrem teuren Scholle!


                                Hier war ein Umweg zu laufen, denn der Winzer wollte die Ruhe seiner Reben nicht gestört wissen!

                                Es folgt eine kleine navigatorische Herausforderung, denn der Weg um ein Weingut ist nicht so richtig gut ausgeschildert und der GPS-Track mag nicht so recht zu den Gegebenheiten vor Ort passen. Und es fühlt sich doch etwas seltsam an, zur Jagdzeit querfeldein bis zum nächsten Weg durch den dichten Wald zu pirschen.
                                Es geht aber wieder mal gut, sonst schriebe ich nun nicht, und schon bald lacht mir wieder die pralle Sonne.

                                Der Weg plätschert golden und recht einsam von Ort zu Ort.
                                Gelegentlich sehe ich noch einzelne Eidechsen und glaube, Grillen zu hören.
                                Ab und an schaue ich mich um, gehe ein Stück in einen der Weingärten hinein und nehme mir ein paar der noch hängenden Trauben. Viele sind noch wirklich gut und sehr süß.
                                Für "sonnenwarm" reicht es dennoch nicht mehr ganz. Schnell merke ich, daß Pinot Noir ganz klar meine Lieblingssorte ist.


                                Wieder die pure Bescheidenheit!

                                Dennoch traue ich manchmal meinen Augen kaum.
                                Armut erkennt man hier übrigens daran, daß in den Auffahrten Mercedes statt Porsche stehen. Das Proletariat fährt Audi.
                                Schlechte Jahrgänge an Weinen erkennt man an den fehlenden Jahrgängen oder der bescheidenen Ausstattung der jeweiligen Luxuskarossen.


                                Das ist doch nun wirklich der feuchte Traum eines jeden Dachdeckers!

                                Guter Dinge und ganz bequem erreiche ich Beaune.
                                Die Einfallstraße scheint endlos, gerade und doch irgendwie unübersichtlich.
                                Die Lautstärke ist nervtötend, und so lege ich in einer extrem dunklen und alten Kirche eine Ruhepause ein.
                                Das alte Gemäuer ist zwar wirklich etwas muffig, schirmt aber den Straßenlärm gut ab und steht trutzig als eine Insel der Ruhe gegen die Zeit.
                                Aber es hilft ja nix, da will ich nicht schlafen!
                                Ich erreiche die Mairie, aber die bescheiden mir, daß sie keine Stempel geben würden und auch Hoteltipps besser in der Touristeninformation auf der anderen Seite des Stadtkerns zu erhalten wären.
                                Auf dem Weg durch die Stadt erübrigt sich die Frage nach einem Hotel.
                                Es gibt zwar nicht extrem viele, aber im Grunde ist es erfreulich unkompliziert. Ich komme im Kern der Altstadt unter.
                                Beaune ist wieder eine der Städte, die etwas unübersichtlicher und verwirrender aufgebaut sind.
                                Vermutlich um Fremde fern zu halten.
                                Und so komme ich auf der Suche nach einem Abendessen nicht weit.
                                Ich bleibe einfach im Häuserblock.

                                Bei der Weinkarte allerdings verschlägt es mir echt den Atem!
                                In der Kneipe kostet die Flasche des Weins aus der Gegend - wir reden nicht vom Jahrhundert-Jahrgang! - allen Ernstes 159 Euro. Das ist, so ergibt es die ungläubige Internet-Recherche, ein echter Schnäppchenpreis für Echezeaux Grand Cru.
                                Die haben doch nicht mehr alle Latten am Zaun!
                                Einen Moment überlege ich, auf den Tisch zu springen und "Was sollen wir trinken - sieben Tage lang?" anzustimmen.
                                Dann bestelle ich mir ein Glas Marsannay (6 Euro, mit der geschmacklichen Tiefe und Breite eines ordentlichen Bardolino) und lasse mir das Tagesmenü schmecken.

                                Überflüssig zu sagen, daß es um mich herum schon bald wieder finstere Nacht wird.

                                Ach ja:
                                Das Bein hat durchgehalten. Wellness ist anders, die Schwellung verklebt die Bänder und Sehnen spürbar.
                                Aber der Schmerz hält sich in Grenzen, der Schuh paßt noch und die Laune ist auch noch gut.
                                Also gibt es wieder den Wadenwickel und ab ins Bett!

                                Fazit des Tages:
                                Herrlich sonnige Etappe durch eine teilweise surreale Landschaft. Hier geht es seit Jahrhunderten nur um die ökonomische Optimierung des Weinanbaus.
                                Die verhältnismäßig kurze Tagesetappe läßt Zeit für die Sonne und bringt mich gemütlich weiter.
                                Es ist eigentlich nicht mein gewünschtes Tempo, auch durch die sich immer wiederholende Landschaft scheint es mir etwas langsam voran zu gehen.
                                Aber das Bein sendet das klare Signal "Laß' mal, ich schaffe nicht mehr.". Also ist das wohl mein neues Tempo.
                                Die Wegeführung ist einfach und absolut unspektakulär, und trotz gegenteiliger Befürchtungen hält sich das mit den freiaufenden Hunden auch in Grenzen. Klar, die Weingüter hier wollen ja im Zweifel auch etwas verkaufen!
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                                Zuletzt geändert von Wafer; 28.11.2020, 23:07.
                                Ein Post von QOM = Quengelige Outdoor-Memme.
                                Es gibt schlechtes Wetter!
                                Egal, welche Klamotten!
                                Laßt Euch da nichts vormachen!

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                                • Wafer

                                  Lebt im Forum
                                  • 06.03.2011
                                  • 9533
                                  • Privat


                                  #17
                                  AW: [FR] Jakobsweg: Vougeot - Beaune

                                  Hallo QOM.

                                  Seit Wochen verfolge ich wieder mal deinen Post. Aber nicht weil es so viel zu lesen gibt sondern weil mir die Abstände der Tagesbericht zu groß sind! Aber dafür ist der Bericht mal wieder erste Sahne!

                                  Zitat von QOM Beitrag anzeigen
                                  Armut erkennt man hier übrigens daran, daß in den Auffahrten Mercedes statt Porsche stehen. Das Proletariat fährt Audi.
                                  Das ist bei den Franzosen so: Wer was auf sich hält fährt ein deutsches Auto. Als ich vor ein paar Jahren drüben war, fuhr der Neureiche einen Golf GTI 16 Ventil. Das war der letzte Schrei! Ersatzteile waren sündhaft teuer und selbst auf dem Schrottplatz kaum erschwinglich. Das bildungsdefizitäre Breitenproletariat fuhr dann Franzosen. Fahrzeuge von außerhalb Europas stehen einem nationalbewussten Europäer - pardon: Franzosen! - gar nicht gut zu Gesicht.

                                  Zitat von QOM Beitrag anzeigen
                                  In der Kneipe kostet die Flasche des Weins aus der Gegend - wir reden nicht vom Jahrhundert-Jahrgang! - allen Ernstes 159 Euro. Das ist, so ergibt es die ungläubige Internet-Recherche, ein echter Schnäppchenpreis für Echezeaux Grand Cru.
                                  Ja, da bist du noch einem großen Unterschied unserer französischen Freunde zu uns auf der Spur: Der Franzose gibt einen deutlich größeren Anteil seines zur Verfügung stehenden Geldes für Genüsse für Leib und Seele aus als der Deutsche. Während der Deutsche bevorzugt Billigschwein aus hormongetränkter Massentierproduktion beim Discounter kauft - Geiz ist bekanntlich Geil! - zieht der Franzose es vor auf lokale Quellen zurück zu greifen und auf Qualität zu achten. Das gilt sowohl für die private Küche als auch für die wenigen Male wo er in ein Lokal geht. Wenn, dann eben richtig! Dafür wird der Franzose aber auch im Schnitt ein paar deutliche Jahre älter als wir.

                                  Ich freue mich wie immer auf die nächste Fortsetzung - sehe aber mit Schrecken, dass dein diesmaliges Ende der Etappe immer näher kommt!

                                  Gruß Wafer

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                                  • QOM
                                    Erfahren
                                    • 26.08.2013
                                    • 122
                                    • Privat


                                    #18
                                    [FR] Jakobsweg: Beaune - Chagny

                                    8. / 24.Tag: Beaune - Chagny

                                    Dienstag, 20. Oktober 2015
                                    Strecke: 27,2km - Etappe: 267,7km - Gesamt: 782km
                                    Gehzeit: 7:45 brutto / 5:00 netto

                                    Beaune hat ja schon mal so etwas wie "schön" im Namen.
                                    Und so zeigt sich die Stadt auch am Morgen.
                                    Zudem habe ich herausgefunden, daß es gar nicht so weit weg vom Stadtkern eine Senf-Manufaktur gibt, die regelmäßige Besichtigungen anbietet.
                                    So beginnt ein wirklich sehr schönes, scheinbar planloses Gekreisel um den herrlichen Kern der Altstadt.
                                    Das kostet - wie an dem Verhältnis zwischen Brutto- und Netto-Zeit zu sehen - wirklich viel Zeit, macht aber Spaß.

                                    Es geht los auf dem zentralen Platz in der Nähe des Hotels.


                                    Denkmal des französischen Büromenschen, dem Touristen ein Loch in den Bauch gefragt haben.

                                    Die Statue ist nicht Opfer übermäßiger Korrosion, sondern das ist das Werk eines im Ort sehr bekannten Künstlers.


                                    Es dauert einen Moment, bis man die Statik durchschaut...

                                    Es geht die erste Runde durch die Stadt, vorbei an einem ehemaligen Armenhospiz.


                                    Ehemals ein Ort der Barmherzigkeit, heute ein eher edles Senioren-Stift.


                                    Zur Straße hin ein eher geschlossener Auftritt.

                                    Gleich gegenüber zeigt man, was die Senioren hier jung hält.


                                    Weinkontor in Beaune, rechts auf dem Schild die lokalen Tropfen.

                                    Ich finde meinen Weg auf der Ausfallstraße Richtung Moutarderie, die Zeit bis zur nächsten Führung drängt ein wenig.
                                    Das Haus ist recht leicht zu finden; immer den röhrenden, neuen Mercedes SLS nach. Mann, hier fährt echt die Armut auf den Straßen rum, das ist unglaublich! Fast alle haben nur zwei Sitze im Auto!
                                    In die Moutarderie kann ich leider nur einen kurzen Blick werfen.


                                    Klassiker-Ecke der Senf-Manufaktur

                                    Ausgerechnet heute hat man leider keine Zeit für mich. Erstens hätte der Chef gerade das Fernsehen da und zweitens kämen gleich zwei Schulklassen. Nein, da könne man leider nichts machen, ich sollte doch heute Mittag um drei wieder kommen.
                                    Nein, danke, so schön ist es hier dann auch nicht!

                                    Also kehre ich wieder in den Stadtkern zurück und begebe mich auf die Suche nach Stempelstelle und Kirche.
                                    Beides ist nicht ganz so einfach.
                                    Den Stempel gibt nur das örtliche Tourismusbüro, und zwar dessen Niederlassung außerhalb des Stadtkerns.
                                    Und die Kirche versteckt sich trotz ihrer Größe äußerst geschickt im Gewirr enger Gassen.


                                    Ja, Herrschaftzeiten! Wenn's hier zum Paradies geht, kann die Kirche doch auch nicht weit sein!

                                    Die Suche nach der Kirche allerdings lohnt sich.
                                    Schon von außen macht der Bau einiges her.


                                    Im Gewirr der Gassen komme ich natürlich von hinten...

                                    Die Eingangstüren machen mir anfangs keine großen Hoffnungen, Einlaß zu finden.


                                    Hat was von Indiana-Jones-Geheimtür: Kirchentür in Beaune.

                                    Mit einem beherzten Schub öffnet sich jedoch ein Teil der Tür.
                                    Innen reibe ich mir schon ein wenig die Augen.
                                    Ich hätte eigentlich erwartet, daß es drinnen dunkler wäre als draußen.


                                    Blick in das Hauptschiff der Kirche.

                                    Das Haus lädt mit vielen handwerklich sehr schönen Details und einer sehr angenehmen Grundstimmung zum Verweilen und Besichtigen ein. Sicher lauern auch hier endlose Geschichten.
                                    Denn neben den Seitenschiffen haben sich die traditionsreichsten Familien - mutmaßlich mit-Finanzierer des Gebäudes - eigene Familienkapellen eingerichtet, teilweise mit Grüften. Die meisten sind abgeschlossen - auch in der Ewigkeit ist man gerne unter sich.
                                    Aber auch hier zeigt man, was man hat.
                                    Die Fenster sind atemberaubend.


                                    Die Familie fährt bestimmt jetzt einen mattschwarzen Benz!


                                    Mehr Mut zur Farbe, aber nur ein Doppelfenster. Ja, man muß halt Opfer bringen!

                                    Einen recht exponierten Platz nimmt das "Kind von Beaune" ein. Das hat wohl schon so die eine oder andere Wohltat vollbracht, wovon die zahlreichen Tafeln im Hintergrund künden.


                                    Das "Kind von Beaune". Unglaublich, was hier einfach so frei zugänglich zu besichtigen ist!

                                    Ich setze meinen Rundgang fort...


                                    Sicher haben die güldenen Lettern ausschließlich klerikale Bedeutung und nichts mit Eitelkeit zu tun!


                                    Farben und Motive sind unerschöpflich.


                                    Blick über das Chorgestühl.

                                    Mit Blick auf die Uhr reiße ich mich von der spektakulären Kirche los, natürlich nicht ohne die hochoffizielle Vorderansicht derselben.


                                    Ungewöhnlich weil nicht ganz symmetrisch: Kirchplatz von Beaune.

                                    Hier ist die Stadt etwas weniger eng und verwinkelt. Klar, denn hier muß natürlich auch Platz zum öffentlichen Feiern sein!


                                    Perfekt aufgeräumte und verkehrsberuhigte Altstadt.

                                    Jetzt hab' ich's auch navigatorisch wieder im Griff und ich mache mich auf den Weg stadtauswärts.
                                    Bei Kilometer 3,75 (inklusive des ganzen Getreidels durch die Stadt) bin ich wieder in den Weinbergen.
                                    Perfekter Sonnenschein, die Kälte des Morgens hat sich auch weitgehend verflüchtigt, zumal der Windhauch des Tages tendenziell eher von hinten weht.

                                    Weiter geht es durch die teuersten Weinlagen Frankreichs, die sich beschwipst noch flüssiger aussprechen ließen - könnte man sich davon einen Rausch leisten. Aber man muß es ehrlich sagen: Als eher trinkfester 100kg-Mann wird man sich vom "Mmmmörsoohht!" vor Ende des Kreditkarten-Limits kaum berauschen können!
                                    Aber auch direkt von der Rebe schmeckt die Pinot Noir-Spätlese im Sonnenschein gar vorzüglich!


                                    Volnay. Vor der Ernte sitzt der Gutsherr wahrscheinlich mit der Schrotflinte im Fenster um die Reben zu schützen!

                                    Kurz drauf treffe ich nach einer ausgiebigen Pause in der Sonne, bei der ich wieder ein paar ungewöhnliche, Deutschland unbekannte Mercedes-Extras entdecke (oder hat hierzulande schon mal jemand einen mit Kristallen verzierten Stern und Kühlergrill an der AMG C-Klasse gesehen?) erstmals auf einen Radweg. Also einen ziemlich reinen Radweg, gelegentlich noch genutzt von landwirtschaftlichen Maschinen.

                                    Zuvor streue ich noch einen Rückblick auf Volnay ein, der auch eine mallorquinische Straße zeigen könnte.


                                    Paßt nicht zum edlen Gefährt und ist daher ungefährdet zu bewandern: Landstraße in der Nähe von Volnay.

                                    Es geht landein, landaus durch endlose Weinberge.
                                    Weitgehend menschenleer. Zwar steht hie und da ein Kombi oder es ackert sich eine Maschine durch die Reben. Aber das ist stets so weit weg, daß sich im Grunde nicht der Eindruck weiterer menschlicher Präsenz einstellt.


                                    Endlose Weinberge, eher Weinfelder, durchteilt von einem Radweg.

                                    Der Radweg verspricht schnelles und unbeschwertes Vorankommen. Der Verkehr hält sich in überschaubaren Grenzen.


                                    Am Horizont ist das Ende der Weingegend sichtbar. Später mehr dazu...

                                    Die Kilometer gehen dahin, einer wie der andere, und trotz der entspannten Farbenpracht beginnt sich's doch immer mal wieder ein wenig zu ziehen. Zwischendurch ist die Sonne auch mal weg und es wird kühl, so daß ich mich für die nächste Pause bei Kilometer 17 in eine Bushaltestelle in Chassange-Montrachet zurückziehe.
                                    Was denn? Erst 17 Kilometer? Klar, die Stadtrunde in Beaune hat echt Zeit gekostet!


                                    Room with a view: Bushaltestelle mit Aussicht!

                                    Etwa bei Kilometer 20 verlasse ich das Weinland für heute auf recht seltsame Weise, natürlich nicht, ohne noch eine Handvoll Pinot-Noir-Trauben zu vernaschen.


                                    Vivat Bacchus!

                                    Es geht ein klein wenig bergab, die laut Karte gleich zur Querung anstehende Bahnlinie kommt erst knapp 100 Meter vorher zum Vorschein.
                                    Kurz drauf geht es unter einer Autobahn hindurch und bergauf.

                                    Bergauf?
                                    Wie soll das denn jetzt gehen? Ich soll mich laut Karte doch nun bis zum Fluß oder Kanal halbwegs geradeaus halten und dann dem Gewässer folgen.
                                    Aber warum dann bergauf?

                                    Das meinen die Ernst! Die Wegweisung ist recht klar, und auch das GPS läßt eigentlich keinen Zweifel.
                                    Gemütlich steigt der Weg durch den Ort. Und hier ist alles trocken.


                                    Herzhaft unaufgeregt: Remigny

                                    Ein letztes Mal steigt der Weg herzahft an und führt auf einer Brücke über...einen Kanal!
                                    Der Eindruck der Landschaft wechselt sich innerhalb einiger Schritte komplett.


                                    Gerade noch mitten im Weinland, und schwupps...am Wasser!

                                    Als wäre es nie anders gewesen geht der Kiesweg neben dem vollsynthetischen Gewässer entlang, das nicht den Eindruck erweckt, so richtig lecker zum Baden zu sein.
                                    Nach einem Stück gibt es im Uferbewuchs nochmal so etwas wie ein Fenster zurück:


                                    Rückblick auf das heute durchquerte Weinland

                                    Artig trotte ich die nächsten Kilometer am Ufer entlang, bis ich die nächste Brücke erreiche.
                                    Dort habe ich so eine Idee...
                                    Obwohl es im geplanten Etappenziel Rully eigentlich mehrere Unterkünfte geben sollte, rufe ich vorher doch lieber mal kurz an.
                                    Und telefoniere nur mit Anrufbeantwortern, die mir glaubhaft versichern, man habe gerade weißgott schöneres zu tun als sich mit Gästen zu beschweren.
                                    Glück gehabt, denn auf der anderen Seite der Brücke geht es direkt nach Chagny, wo ich nach ein wenig Suchen ein Hotel finde.
                                    Chagny sah auf der Karte etwas besser ausgestattet aus als es sich dann im realen Leben gibt.

                                    Insbesondere der Keller mit dem reizvollen Namen "La Cave des bières" macht schon echt neugierig. Nur leider hat der zu.

                                    Die Verpflegung des Abends ist dennoch kein Problem.

                                    Fazit des Tages:
                                    Schöner ist's, wenn's schön ist!
                                    Herrliche Etappe durch sonnige Weinberge, netter Start am Morgen, unbeschwertes Wandern.
                                    Das Bein sing zwar nicht gerade das Hohelied, macht aber mit.
                                    Und 27 Kilometer sind eigentlich ja dann doch nicht so schlecht.
                                    Weiter so!
                                    Angehängte Dateien
                                    Zuletzt geändert von Wafer; 28.11.2020, 23:07.
                                    Ein Post von QOM = Quengelige Outdoor-Memme.
                                    Es gibt schlechtes Wetter!
                                    Egal, welche Klamotten!
                                    Laßt Euch da nichts vormachen!

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                                    • Sternenstaub
                                      Alter Hase
                                      • 14.03.2012
                                      • 3583
                                      • Privat


                                      #19
                                      AW: [FR] Jakobsweg: Contrexéville - Langres - Dijon - Beaune - Taizé - Cluny

                                      und einmal mehr stöbere ich hier herum, diese Kirche und auch der Büromensch - echt klasse.
                                      Und da es mir grad mal wieder gut gefällt in deinem Bericht, melde ich mich mit einem Danke!
                                      Two roads diverged in a wood, and I—
                                      I took the one less traveled by,
                                      And that has made all the difference (Robert Frost)

                                      Kommentar


                                      • berlinbyebye
                                        Fuchs
                                        • 30.05.2009
                                        • 1197
                                        • Privat


                                        #20
                                        AW: [FR] Jakobsweg: Contrexéville - Langres - Dijon - Beaune - Taizé - Cluny

                                        Zitat von QOM
                                        Armut erkennt man hier übrigens daran, daß in den Auffahrten Mercedes statt Porsche stehen. Das Proletariat fährt Audi.
                                        Die Fensterscheiben dann aber am liebsten noch mit Handkurbel zu bedienen.

                                        Sehr schöner Bericht.

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                                        • QOM
                                          Erfahren
                                          • 26.08.2013
                                          • 122
                                          • Privat


                                          #21
                                          AW: [FR] Jakobsweg: Contrexéville - Langres - Dijon - Beaune - Taizé - Cluny

                                          Zitat von Sternenstaub Beitrag anzeigen
                                          und einmal mehr stöbere ich hier herum, diese Kirche und auch der Büromensch - echt klasse.
                                          Und da es mir grad mal wieder gut gefällt in deinem Bericht, melde ich mich mit einem Danke!
                                          Zitat von berlinbyebye Beitrag anzeigen
                                          Zitat von QOM
                                          Die Fensterscheiben dann aber am liebsten noch mit Handkurbel zu bedienen.
                                          Sehr schöner Bericht.
                                          Danke Ihr Lieben!
                                          Freut mich, wenn es Euch gefällt.
                                          Für mich war die Reise auch ein echter Knaller.
                                          Gut ausgeschilderter Jakobsweg ohne Pilgerströme.
                                          Aber ich will nicht zuviel vorwegnehmen...

                                          Aber nein! Handkurbeln?!? Am SLS?
                                          Nein, so Rennsport-und Gewichtsfanatisch ist der stilbewußte Franzose dann doch nicht...

                                          Ich verrate aber soviel vorweg...
                                          Die besten Haifisch-Kiemen an einem Auto kommen noch. Ganz am Schluß!

                                          Santé
                                          Ein Post von QOM = Quengelige Outdoor-Memme.
                                          Es gibt schlechtes Wetter!
                                          Egal, welche Klamotten!
                                          Laßt Euch da nichts vormachen!

                                          Kommentar


                                          • QOM
                                            Erfahren
                                            • 26.08.2013
                                            • 122
                                            • Privat


                                            #22
                                            [FR] Jakobsweg: Chagny - Saint Désert

                                            9. / 25.Tag: Chagny - Saint Désert

                                            Mittwoch, 21. Oktober 2015
                                            Strecke: 24,5km - Etappe: 292,2km - Gesamt: 806,5km
                                            Gehzeit: 7:30 brutto / 5:00 netto

                                            Die Nacht in Chagny ist ruhig. Im Hinterhof des Hotels regt sich aber absolut sowas von nichts...
                                            Der Tag begrüßt mich etwas kalt und neblig, so daß ich mir mit dem Frühstück etwas Zeit lasse.
                                            Gerade aus Chagny heraus geht es recht bald durch Felder in einen kleinen Wald.
                                            Bei etwa 3km treffe ich an der Kreuzung auf einer Lichtung auf einige ältere gut bewaffnete Herren mit signalfarbenen Kappen und Hunden. Jäger.
                                            Ich spreche sie kurz an, ob hier heute eine größere Jagd wäre und mein Weg denn durch ihre Jagdgründe ginge.
                                            Sie bescheiden mir kurz, nein, sie würden in die andere Richtung gehen. Aber ob da, wo ich nun lang wolle, noch jemand sei, das wisse man nicht. Schließlich würde jetzt gerade überall gejagt. Am sichersten wäre es, ebenfalls eine Leuchtkappe zu tragen, am besten noch eine Glocke. Na fein!
                                            Die nächsten eineinhalb Kilometer sind nicht ganz so beruhigend, denn der Weg geht durchs Dickicht und man hört immer wieder deutlich Hunde in der Nähe. Na gut, wenn der Hund nur nah genug ist, wird schon keiner auf mich schießen.
                                            Ich freue mich deutlich, Rully zu sehen.


                                            Rully. Ohne Beschuß erreicht.

                                            Als ich es nicht mehr brauche, weist ein Schuld am Wegrand darauf hin, daß Jakobspilger hier unter Umständen gefährlich leben.


                                            Clevere Kombination: Wegweise und Jagdzeichen!

                                            Als ich Rully erreiche, wird der Himmel heller. Ein netter Ort!


                                            Mauerkrone in Rully. Mit Pilger-Schrumpfköpfen aus dem Jagdgebiet?




                                            Nach Rully folgen einige extrem kurzweilige Kilometer durch Weinberge und Buchsbaumhecken. Der Weg schlänglet sich nicht allzu intensiv durch die Landschaft, es geht auch moderat bergauf und bergab. Das ist nicht schnell, macht aber unheimlichen Spaß. Zumal auch immer mal wieder kurz ein wenig mehr Helligkeit durch die Wolken dringt.


                                            Hier wird nicht gejagt. Hier ist Ruhe!

                                            Zwichen den Reben sehe ich vermehrt gelbe Blüten, die mich stark an Raps erinnern. Wie ich in meinem Extrem-Kurzrundgang in der Senf-Manufaktur gelernt habe, ist das aber kein Raps. Sondern Senf.


                                            Schmeckt noch nach nix, sieht aber nett aus: Senfblüten zwischen den Reben.

                                            Und auch mein Freund Bacchus läßt mich nicht im Stich. Ich bevorzuge jetzt deutlich Pinot Noir, und der wächst hier reichlich. Lecker! Zumal jetzt nicht mehr geschossen wird!


                                            Pinot Noir, unvergoren.

                                            Die Wegführung hier ist echt liebevoll und kurzweilig, selbst Feldwege werden kunstvoll vermieden.


                                            Buchsbaum-Dickicht. Im Sommer bestimmt herrlich erfrischender Schatten!

                                            Das Dickicht gibt es auch als Cabrio, da fühlt es sich ein wenig an wie im botanischen Irrgarten. Es gibt allerdings keine Verzweigungen, der Weg ist absolut eindeutig.


                                            Buchsbaum. Kenn man hier als kleines, kugeliges Ziergewächs.

                                            Bei ziemlich genau 10 Kilometern erreiche ich Mercurey.
                                            Auf dem typischen Dorfplatz duckt sich ein altes romanisches Gemäuer. Auf der Treppe mache ich Rast. Und sehe eine Tafel, auf der die Jakobspilger-Tradion dieser Kirche beschrieben wird.
                                            Was denn?!? Dieses schmucklose Gemäuer soll eine der ersten festen Wegstationen hier in der Gegend sein?
                                            Aus Neugier gehe ich um das Gebäude herum. Denn nun interessiert mich das Innere der Kirche doch schon ziemlich sehr.


                                            Romanische Pilger-Kirche in Mercurey

                                            Alle Türen scheinen verschlossen.
                                            Aber über einer Tür (übrigens die im Bild oben sichtbare) ist eine Jakobsmuschel angebracht.
                                            Der Verschluß ist etwas hakelig und - sagen wir es mal so... - gut gegen versehentliches Öffnen im Vorbeigehen gesichert.
                                            Mit ein wenig hin und her öffnet sich die alte Tür doch und läßt mich ins innere der Kirche.
                                            Auch in dieser kleinen Kirche lauern zahlreiche Geschichten. Jede Kirchenbank könnte vermutlich eine lange erzählen, denn in vielen Bänken sind die Namen der dort ansässigen Gemeindemitglieder eingraviert - teilweise über Generationen.
                                            Heiratet man hier aus strategischen Gesichtspunkten nach Rebstöcken und Position in der Kirche?
                                            Ach, ich schweife ab...

                                            An einer der Säulen in der Nähe des regulären Haupteingangs findet sich unter der vor angeblich gut 700 Jahren eingelassenen Jakobsmuschel eine sehr liebevoll gemachte Stempelstelle.


                                            Sehr nett gemachte Pilgerecke in der Kirche

                                            Aus dem Gästebuch erfahre ich, daß die letzten Pilger vor etwa zehn Tagen hier waren. Zumindest die letzten, die nicht einfach an der im Pilgerführer nicht erwähnten Kirche vorbeigetrottet sind.
                                            In der Kirche herrscht absolute Ruhe, und die hat vor einiger Zeit auch jemand sichtlich genossen. :


                                            Spontan kommt mir Lindenbergs "Interview mit Gott" in den Kopf, wenngleich das hier der Marienaltar ist...

                                            Das spirituelle Erlebnis meines Vorgängers läßt sich fast noch mit Händen greifen...

                                            Die Kirche an sich ist wesentlich heller als ich es von dem geduckten Gemäuer erwartet hätte. Und die Luft ist zwar etwas angestaubt aber nicht muffig. Ein sehr schöner Ort, der im Sommer sicher zum angenehm kühlen Verweilen einlädt.


                                            Sauber aber nicht steril: Seitenschiff der Kirche.

                                            Mich aber zieht es dann doch weiter, ich schließe die Tür so vorsichtig und sorgfältig wie ich sie zuvor geöffnet habe und komme wieder in die echte Welt.
                                            Bergab geht es weiter, der Weg ist gut ausgeschildert und flüssig zu gehen.
                                            Und das ist auch gut so, denn ich habe ja erst zehn Kilometer auf der Uhr.


                                            Mal ein wenig rot in den endlosen gelben Weinbergen der letzten Tage!

                                            Die weitere Strecke läßt sich nur als "abwechslungsreich" beschreiben. Allerdings nicht wegen der Menschenmassen; obwohl ich schon einige Menschen treffe.
                                            Irgendwie werden die Weinberge enger und abwechslungsreicher, nicht mehr so glatt und großflächig.


                                            Hinter Mercurey gibt's wieder Pinot Noir!


                                            Auf der Suche nach der perfekten Pinot-Noir-Rebe... (Nervt's schon?)

                                            Eng, teilweise fast wild betten sich die Weinberge in die Landschaft, es wird nicht so sehr um die beste Lage, sondern gegen die umliegende Natur gekämpft.


                                            Randlage "Saint Symphorien".

                                            Hier sitzen (oder saßen) offensichtlich die Verlierer beim Aufbau des regionalen Wein-Kartells...


                                            Ruine einer vor Jahrhunderten mal in der Mitte überbordender Weinberge gelegen habenden Burg "Ancien Chateau de Montaigu" .

                                            Kurz drauf ist es an der Zeit, einen letzten Blick zurück auf die Weinberge zu werfen.


                                            Schluß mit Pinot Noir: So ziemlich der letzte Blick zurück auf die heute durchquerten Weinberge.

                                            Es geht weiter bergauf und rein in den Wald, einfach erst Mal weiter geradeaus bergauf.


                                            Buchsbaumwald: Kurzweilig zu laufen, aber eben nicht schnell...

                                            Irgendwann stehe ich vor einem Weidezaun. Dahinter recht frische Fladen. Kann man an den Fladen erkennen, ob es Stier, Ochs oder Kuh war?
                                            Von den Bewohnern der Weide ist nichts zu sehen.
                                            Der Weg ist ganz klar über die Weide ausgeschildert, der Pilgerführer erwähnt das auch, vor mir ist ein Gatter.
                                            Na gut, Augen auf und weiter (Ihr wißt ja schon, ich hab'd mit Tieren nicht so...).

                                            Die Kuppe des Hügels bei etwa 17 Kilometern ist ein radikaler Landschaftswechsel.
                                            Auf etwa mehr als 400 Metern Höhe kommt schon fast ein wenig Alm-Feeling auf.
                                            Naja, sagen wir's weniger pathetisch: Wald und Weideland wechseln sich pittoresk ab.


                                            Mit etwas weniger Dunst hat man von dieser Weide sicherlich ein herrliches Panorama.

                                            Kurz darauf erreiche ich bergab Russily - ohne Lebende auf der Weide getroffen zu haben.

                                            Dafür ist in Russily eine ganze Menge los, denn da sind gerade ein paar Großfamilien unterwegs. Und auch noch weitere Pilger.
                                            Die sind allerdings gerade im Pausen-Modus, und so wechseln wir nur ein paar freundliche Worte bevor ich weiter ziehe.
                                            Es geht weiterhin kräftig bergab, etwa auf halber Höhe verlasse ich - zwischenzeitlich souverän hundeflüsternd - die offizielle Wegweisung (die Besitzerin des Hundes will mich noch davon überzeugen, daß ich gerade falsch abgebogen und daher auf ihren Liebling getroffen wäre), denn das heute gebuchte Quartier liegt ein Stück ab.
                                            In Saint Désert, was schon ein wenig nach "verlassen" klingt.

                                            Außerdem liegt es - so erfuhr ich heute Morgen - etwas außerhalb des Ortes, an der Straße. Ich weiß allerdings nicht, auf welcher Seite des Ortes. Um nicht in der (zweifelsfrei verlassenen) Ortsmitte eine Münze werfen zu müssen, entscheide ich, den Ort einfach im eleganten Suchkreis anzugehen und mich nicht direkt, sondern eben auf der Durchgangsstraße zu nähern.
                                            Das ist ein überschaubarer Umweg, aber die Überquerung der Autobahn am Anschlußknoten ist nur mäßig angenehm.
                                            Zumal die auf dem letzten Bild sichtbaren Wolken einen etwas unfreundlichen Wind brachten.
                                            Und nach dem heute sehr abwechlsungsreichen Weg ist das Laufen auf der Straße plötzlich soooo öde.

                                            Nun gut, bei etwas mehr als 24 Kilometern erreiche ich staunend die "Domaine des Nesvres", ein beeindruckendes, voll authentisches Gehöft.
                                            Der hüfthohe, kräftig gewachsene, frei laufende Schäferhund stellt micht ebenso authentisch an der Schwelle des offenen Tores.
                                            Ich warte gerne auf die Wirtsfrau, die glücklicherweise auch nicht allzu lange auf sich warten läßt.

                                            Jetzt ist auch der Hund ein ganz lieber und die Dame des Hauses führt mich in mein Gemach, direkt auf der Ecke des Hofes mit direktem Fenster zur angrenzenden Weide.
                                            Auf den ersten Blick sieht es ganz nett aus und ich lasse mich für eine kurze Pause auf's Bett fallen.
                                            Schon bald kommen die Fliegen um mich zu nerven. Viele. Sehr viele.
                                            Ich versuche, sie durch die Fenster zu verscheuchen, und das klappt auch ganz gut.
                                            Das leicht jungsteinzeitlich anmutende Bad bietet immerhin - nach etwas Geduld, denn die Leitungen sind lang und die Mauern dick - eine warme Dusche. Allerdings fühle ich mich durch die zahlreichen Spinnen schon etwas beobachtet. Naja, die kümmern sich dann wenigstens um die Fliegen...

                                            Das Abendessen ist allerdings dann der absolute Knaller:
                                            Ich werde mit den weiteren Gästen (ein englischer Tierarzt mit seiner Frau auf der Durchreise von seinem Ferienhaus in Chamonix) an den offenen Kamin zum Apéritiv gebeten, es werden kleine Canapées gereicht. Abendsprache ist heute Englisch.
                                            Eine nette Runde, die Leute allesamt sehr weit und häufig gereist.
                                            Auf der anderen Seite des beidseitig offenen Kamins wird dann zur Abentafel gebeten.
                                            Es gibt ein nettes Süppchen, Bressehuhn mit Kartoffelgratin, ein Stück Kuchen, Käse, Kaffee und zu allem reichlich einen...Pinot Noir (!!) aus der Region. Und als die Flasche leer ist auch noch einen. Der Hausherr erzählt mir, daß er den Wein nicht nach dem Etikett kauft, sondern die Weinbauern der Nebenlagen kennt und weiß, wer dort in dem Jahr einen guten Roten zu Stande gebracht hat.
                                            Die Runde dauert ein wenig länger, aber ist extrem unterhaltsam.

                                            Zwar gibt es im Ort auch einen Orden, aber die nehmen wohl über Nacht nur Frauen auf.
                                            Und bewirten die wahrscheinlich etwas bescheidener.

                                            So ist es schon recht spät als ich ins Bett komme, und die Fliegen schlafen schon lange.
                                            Ich folge ihnen schnell und pappsatt...

                                            Fazit des Tages:
                                            Wieder eine sehr kurzweilige Etappe in einer völlig veränderten Landschaft.
                                            Durch das etwas unfreundlichere Wetter war's zwischendurch auch mal nicht ganz so angenehm. Aber nun gut, es ist Ende Oktober!
                                            Die Beine und Füße sind in Ordnung, es hätte etwas mehr sein dürfen. Wenn da nicht wieder mal das Problem mit der Unterkunft gewesen wäre.
                                            Aber...wie's auf dem Weg so ist...es hat sich mal wieder alles gut gefügt!
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                                            Zuletzt geändert von Wafer; 28.11.2020, 23:07.
                                            Ein Post von QOM = Quengelige Outdoor-Memme.
                                            Es gibt schlechtes Wetter!
                                            Egal, welche Klamotten!
                                            Laßt Euch da nichts vormachen!

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                                            • Sternenstaub
                                              Alter Hase
                                              • 14.03.2012
                                              • 3583
                                              • Privat


                                              #23
                                              AW: [FR] Jakobsweg: Contrexéville - Langres - Dijon - Beaune - Taizé - Cluny

                                              nu haben wir einen Tag nach gestern *nur mal so anmerk*
                                              Two roads diverged in a wood, and I—
                                              I took the one less traveled by,
                                              And that has made all the difference (Robert Frost)

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                                              • lina
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                                                Vorstand
                                                Liebt das Forum
                                                • 12.07.2008
                                                • 43828
                                                • Privat


                                                #24
                                                AW: [FR] Jakobsweg: Contrexéville - Langres - Dijon - Beaune - Taizé - Cluny

                                                Das ist bestimmt ein literarisches "Morgen"

                                                Aber auch ich warte gespannt auf die Fortsetzung – vielen Dank für’s Berichten, es macht große Freude, das alles zu lesen

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                                                • Sternenstaub
                                                  Alter Hase
                                                  • 14.03.2012
                                                  • 3583
                                                  • Privat


                                                  #25
                                                  AW: [FR] Jakobsweg: Contrexéville - Langres - Dijon - Beaune - Taizé - Cluny

                                                  es würde die Freude aber erheblich steigern, wenn es weiter ginge oder?
                                                  Two roads diverged in a wood, and I—
                                                  I took the one less traveled by,
                                                  And that has made all the difference (Robert Frost)

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                                                  • Sisterintherain
                                                    Erfahren
                                                    • 18.06.2013
                                                    • 371
                                                    • Privat


                                                    #26
                                                    AW: [FR] Jakobsweg: Contrexéville - Langres - Dijon - Beaune - Taizé - Cluny

                                                    Ich liebe diesen Bericht und würde mich auch freuen, wenn's weitergeht!

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                                                    • Matterhorn
                                                      Gerne im Forum
                                                      • 18.02.2016
                                                      • 82
                                                      • Privat


                                                      #27
                                                      AW: [FR] Jakobsweg: Contrexéville - Langres - Dijon - Beaune - Taizé - Cluny

                                                      Ich bedanke mich herzlichst für diesen tollen Bericht und hoffe ebenfalls, dass er noch fortgesetzt bzw. erweitert wird.

                                                      Ich plane zwar vorerst nicht, den französischen Jakobsweg zu gehen, aber ein Freund möchte das im Frühherbst unternehmen und ich werde ihm den Link zur Diskussion gerne weitergeben.

                                                      Kommentar


                                                      • QOM
                                                        Erfahren
                                                        • 26.08.2013
                                                        • 122
                                                        • Privat


                                                        #28
                                                        AW: [FR] Jakobsweg: Contrexéville - Langres - Dijon - Beaune - Taizé - Cluny

                                                        Hallo Leute,

                                                        Danke für Eure freundliche aber dennoch recht bestimmte Ermunterung!
                                                        Zitat von Sternenstaub Beitrag anzeigen
                                                        nu haben wir einen Tag nach gestern *nur mal so anmerk*
                                                        Zitat von lina Beitrag anzeigen
                                                        Das ist bestimmt ein literarisches "Morgen"
                                                        Ja, ich würde sogar fast soweit gehen, zu sagen, es handele sich eher um den Latino-Geist "Manjana"! (Wie schreibt man auf der deutschen Tastatur das "ennje"?)

                                                        Zitat von Sternenstaub Beitrag anzeigen
                                                        es würde die Freude aber erheblich steigern, wenn es weiter ginge oder?
                                                        Zitat von Sisterintherain Beitrag anzeigen
                                                        Ich liebe diesen Bericht und würde mich auch freuen, wenn's weitergeht!
                                                        Zitat von Matterhorn Beitrag anzeigen
                                                        Ich bedanke mich herzlichst für diesen tollen Bericht und hoffe ebenfalls, dass er noch fortgesetzt bzw. erweitert wird.
                                                        Ja, klar! Schließlich muß der Bericht hier fertig werden bevor es - heijajippieeyeahyeah! - an die spezifische Planung für den nächsten Abschnitt geht!
                                                        Allerdings sehen meine Kinder das nicht immer so; insofern ist die Zeit zum Schreiben immer mal wein wenig knapp.

                                                        Versprochen - Ich bleibe dran!

                                                        Ultreia!
                                                        Zuletzt geändert von QOM; 20.02.2016, 22:52.
                                                        Ein Post von QOM = Quengelige Outdoor-Memme.
                                                        Es gibt schlechtes Wetter!
                                                        Egal, welche Klamotten!
                                                        Laßt Euch da nichts vormachen!

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                                                        • Juno234
                                                          Erfahren
                                                          • 03.08.2007
                                                          • 397


                                                          #29
                                                          AW: [FR] Jakobsweg: Contrexéville - Langres - Dijon - Beaune - Taizé - Cluny

                                                          Auch mir gefällt dein Bericht sehr gut

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                                                            Erfahren
                                                            • 26.08.2013
                                                            • 122
                                                            • Privat


                                                            #30
                                                            [FR] Jakobsweg: Saint Désert - Cormatin

                                                            10. / 26.Tag: Saint Désert - Cormatin

                                                            Donnerstag, 22. Oktober 2015
                                                            Strecke: 31,6km - Etappe: 323,8km - Gesamt: 838,1km
                                                            Gehzeit: 8:30 brutto / 6:15 netto

                                                            Die Fliegen lassen mich schlafen. Sogar noch nach der Morgendämmerung.
                                                            So komme ich mit dem Wecker aus dem Bett und erscheine pümktlich zum vereinbarten Frühstück.
                                                            Das Wetter ist nur mäßig attraktiv, und so verschwätzt sich die gemütliche Runde wieder ein wenig.
                                                            Eigentlich wollte ich heute ein wenig früher los, denn die Unterkunftslage für heute war eher dürftig und ich durfte die Etappe nicht nur ein wenig länger, sondern auch auf einer alternativen Strecke planen.
                                                            Um kurz nach halb neun komme ich buchstäblich auf die Straße, natürlich nicht, ohne noch ein paar Bilder des netten Anwesens gemacht zu haben.
                                                            Auf den Bildern sieht's etwas reinlicher aus als im echten Leben...


                                                            Mit etwas Sonne sicher ein ganz herrliches Plätzchen...


                                                            Vorgarten. Über die tatsächlichen Grenzen des Grundstücks schwieg man sich aus.


                                                            Blick zurück. Auf der Ecke: Das Zimmer mit den Fliegen.

                                                            Die ersten vier Kilometer geht es einfach entlang der Straße wieder zurück zum ausgeschilderten Weg. Relativ konstant bergauf.
                                                            Das Wetter drückt auch ein wenig auf die Stimmung. Nun gut. Auch hier gibt's Herbst. So weit südlich bin ich wohl doch noch nicht.
                                                            Insgesamt scheint mir das Mikroklima hier auf der Etappe etwas rauher.
                                                            Und so ist der Wald dann auch nicht aus Buchsbaum, sondern aus den eher etwas robusteren Gehölzen wie Eiche und (Eß-)Kastanie.

                                                            Aber es gibt hier und da noch ein paar nette Aussichten auf Weinberge, allerdings wird die Landschaft "knubbeliger" mit vielen kleinen Wellen und Hügeln.


                                                            Neben-Neben-Neben-Weinlagen...

                                                            Schon bald entscheidet der Himmel, für eine ganze Weile eine neue Version von Regen zu schicken:
                                                            Nebligen Sprühregen, ganz an der Grenze zur Wahrnehmung.
                                                            Lange Zeit läßt der sich sehr komfortabel ignorieren, denn ich laufe einfach nicht gerne in der Regenhose.

                                                            Nach und nach gibt es ein paar Weiden, und eine davon ist tatsächlich mal von ein paar neugierigen Vierbeinern belegt.


                                                            Mmmh...Hast Du was zum Essen dabei? Zeig' mal her!

                                                            Zwischendurch gibt es an den Südhängen auch wieder etwas grün (und Buchsbäume).


                                                            Grün, grün, grün...

                                                            Aber die Feuchtigkeit beginnt doch langsam, alles etwas klamm zu machen.


                                                            Hier ist der Beweis: Da kommt doch Wasser vom Himmel!

                                                            Das Wetter wird weiter trübe, und das ist schade, denn der Hügelrücken wäre sicher gut für einige Fernblicke in die bunte Herbstlandschaft.


                                                            Ausblick ohne Fernblick.

                                                            Ich komme recht gut voran, denn die Pausen sind heute nicht sonderlich lang. Hier gibt's mal wieder nix zum Hinsetzen!
                                                            Ab etwa Kilometer 14 beginnt der Weg, vom Hügelrücken abzusteigen.
                                                            Kurz höre und rieche ich deutlich Wildschweine, ziemlich in der Nähe. Die scheinen sich sogar über mich zu unterhalten.
                                                            Aber die sind nun zur Jagdsaison glücklicherweise scheu.
                                                            Denn wenn man die Sau Grunzen und schnaufen hört, ist man ja eigentlich normalerweise schon etwas zu nah dran...

                                                            Ich komme aus dem Wald und nähere mich Saint-Gengoux-le-National, nicht ohne an einem der malerisch in der Landschaft liegenden Einsiedlerhöfe noch einen mittleren Herzstecker zu kriegen. Irgendwie wußte ich, daß die garantiert einen Hund haben.
                                                            Und so bin ich nicht erschrocken als er plötzlich aus der Ecke geschossen kam. Aber ich hab' wohl die richtige Seite des Weges gewählt und so komme ich zügig aus seinem Intimbereich, bevor er sich's doch noch überlegt. Da hat jetzt aber wieder mal nicht viel gefehlt...

                                                            Kurz drauf werde ich noch mit einer netten Aussicht für meinen Heldenmut belohnt bevor es nach Saint-Gengoux-le-National geht.


                                                            Sorgsam abgegrastes Weideland mit ordentlich abgenagten Bäumen und Hecken.

                                                            Der Jakobsweg wird offiziell am Stadtrand entlang um Saint-Gengoux-Le-National herumgeführt.
                                                            Aber ich wäre jetzt eigentlich gerade so weit, daß ich eine kleine Stärkung gegen Vorlage kleiner Münzen und eine Runde Aufwärmen gebrauchen könnte.
                                                            Außerdem macht der Außenrand der Stadt auch sehr neugierig auf das, was dahinter liegen mag.


                                                            Blick über die Stadt...


                                                            Originelle Lösung für den Eingang...

                                                            Die Stadt ist eng und spielt mit ihren entvölkerten Straßen im Nieselregen ihren morbiden Charme voll aus.


                                                            Farbtupfer im Sandbraunen Stadtbild

                                                            Ich orientiere mich in die Richtung, in der ich eine größere Straße mit üppiger Infrastruktur vermute.
                                                            Es dauert ein Stück, bis sich der Verdacht bestätigen kann.
                                                            Die Stadt taugt zur ungeschminkten Filmkulisse.


                                                            Wird hier jetzt gleich "Chocolat II" gedreht?


                                                            Ja, klar, hier gleich rechts kommt die Chocolaterie hin!

                                                            Im Altstadtkern sind die Türen jedoch zu, ich werde tatsächlich erst auf der Hauptstrßae fündig.
                                                            Nicht sonderlich nett, aber warm.

                                                            Nach der Kaffeepause sagt mir irgendetwas, noch einen kleinen Schlenker durch die Altstadt zu machen.

                                                            Die Straßen sind mit Wimpeln geschmückt, und als ich an der sehr eigenwilligen Kirche vorbeikomme, höre ich von drinnen Musik.


                                                            Eigenwillig, mehr kann an zunächst noch nicht sagen...

                                                            Ich gehe an die Tür und lausche einen Moment. Nein, das ist kein Gottesdienst, der da tönt.
                                                            Also öffne ich vorischtig die Tür und trete ein.
                                                            Die Musik umfängt mich wie eine weiche, um die Schultern gelegte Decke...

                                                            Privatkonzert!

                                                            Ich schaue mich, von der Musik begleitet, noch ein wenig in der Kirche um. Die bietet einen bunten Stilmix:


                                                            Ruhig und doch durcheinander...


                                                            Aaah. Jeanne d'Arc ist auch mal wieder dabei!


                                                            Auch hier eine gewisse Morbidität...

                                                            Schweren Herzens trenne ich mich von der Kirche und der Musik, zumal die Flötistin - sagen kann sie ja nix so lange sie flötet - durch meine Anwesenheit doch ein wenig gestört wirkt.
                                                            Im Tourismusbüro bekomme ich noch einen Stempel, und dann mache ich mich aus dem Ort heraus wieder auf den Weg.
                                                            Weil mein Übernachtungsziel aber nicht direkt auf dem Weg liegt, sondern ein paar Kilometer östlich davon, nehme ich ab Saint-Gengoux-le-National den Radweg, der die letzten zehn Kilometer auf der Trasse einer alten Eisenbahnlinie ziemlich geradeaus nach Cormatin geht.
                                                            Gefühlt zumindest.
                                                            Der Radweg ist benutzt, auch heute, aber nicht allzu rege.


                                                            Blick zurück. Der Blick anch vorne sah gleich aus.

                                                            Die Bahntrasse liegt über lange Strecken leicht unterhalb der umgebenden Landschaft, so daß rechts und links nur die Böschung zu sehen ist.
                                                            Aber auch, wenn sie mal etwas erhaben liegt, viel zu sehen ist durch den dichten Bewuchs nicht.
                                                            Dennoch läßt sich hie und da erahnen, daß sich die Landschaft wieder etwas verändert hat.
                                                            Saftig, feuchtes Weideland.


                                                            "Landschaft" geht anders, aber das frische Grün im Herbst ist trotzdem sehr beruhigend.

                                                            Wenn ich mir's so recht überlege, hat die Landschaft etwas von Modellbahn.
                                                            Und als dann auch noch eine Stahlbrücke zur Überquerung eines Flüßchens kommt, wird das Idyll nahezu perfekt:


                                                            Weideidyll an der Grosne

                                                            Ich trabe weiter, flach geradeaus, leicht in Trance geratend, denn auf dem Asphalt und mit den grünen Böschungen ist jeder Schritt gleich.
                                                            Alle Viertelstunde denke ich mir "Mann, der Ort muß doch jetzt bald mal kommen!". Tut er aber nicht.
                                                            Bis es dann - fast schon überraschend plötzlich - nach links abgabelt.
                                                            Der Weg nach Cormatin zeigt klar, daß man mit der Moderne hier recht behutsam umgeht.


                                                            Brücke nach Cormatin.

                                                            Und weil ich nach dem Geradeaus-Trotten recht gut in der Zeit liege, kaspere ich ein paar Minuten mit dem Selbstauslöser herum.


                                                            Brücke unter voller Traglast.

                                                            Cormatin ist nicht groß, aber recht nett. Eine interessante Mischung aus Straßendorf an der Schnellstraße und historischem Ort.

                                                            Der Dorfplatz, an dem auch das Hotel liegt, ist klassisch frankzösisch gehalten:


                                                            Cormatin, Centre Ville

                                                            Allerdings mit einem netten Detail:


                                                            Um das große Glück kümmert sich die Kirche. Die kleinen Träume gibt es nebenan.

                                                            Am Tagesziel erwartet mich, was auch der Ort ist, nämlich eine wilde Mischung aus Moderne und Renaissance, gemischt mit etwas Bauhaus.
                                                            Aber soll mir recht sein. Das Wasser ist warm, das Bett weich, und ein Restaurant gibt es auch gleich im Haus.
                                                            Das macht die Wahl mal wieder einfach, wenngleich man mir klar zu verstehen gibt, ich solle es ja nicht wagen, nach 7 Uhr zum Essen zu erscheinen, schließlich hätte man ja auch ein Leben. Der Andrang zum Abendessen hält sich dann aber doch in sehr überschaubaren Grenzen.
                                                            Und wieder mal wird es ziemlich schnell Nacht um mich herum...

                                                            Fazit des Tages:
                                                            Herrlich abwechslungsreiche Etappe mit ein paar Kilometern zum Durchbeißen am Ende, im Sommer sicher der absolute Knaller.
                                                            Jetzt, im warmen Spätherbst trotz teilweise etwas isseligen Wetters immer noch sehr, sehr schön.
                                                            Und mal wieder sehr ruhig und einsam; das hatte ich südlich von Dijon eigentlich nicht erwartet.
                                                            Der Unterschenkel hat sich solala mit dem Antibiotikum und der Belastung arrangiert, aber ewig geht das so nicht mehr weiter.
                                                            Das ist so auch in Ordnung, denn morgen ist der letzte Tag der Etappe, und da gibt's nur noch ein paar Kilometer.
                                                            Ach ja: Wenn Ihr in Cormatin Quartier macht, schaut Euch auf jeden Fall auch die Herberge mit angeschlossener Manufaktur an. Das sah netter aus als das Hotel (aber da hatte ich nunmal reserviert).
                                                            Angehängte Dateien
                                                            Zuletzt geändert von Wafer; 28.11.2020, 23:07.
                                                            Ein Post von QOM = Quengelige Outdoor-Memme.
                                                            Es gibt schlechtes Wetter!
                                                            Egal, welche Klamotten!
                                                            Laßt Euch da nichts vormachen!

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                                                              Erfahren
                                                              • 26.08.2013
                                                              • 122
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                                                              #31
                                                              [FR] Jakobsweg: Cormatin - Taizé - Cluny

                                                              11. / 27.Tag: Cormatin - Taizé - Cluny

                                                              Freitag, 23. Oktober 2015
                                                              Strecke: 18,1km - Etappe: 341,9km - Gesamt: 856,2km
                                                              Gehzeit: 6:30 brutto / 3:15 netto

                                                              Schon an der Überschrift und der Gehzeit wird wohl klar, daß diese Etappe etwas speziell war.
                                                              Als erstes hält mich die Bettdecke etwas länger gefangen als normal.
                                                              Das liegt zum einen daran, daß die Tagesetappe planerisch überschaubar ist: Einfach auf der alten Bahntrasse weiter bis Cluny, mit einem kurzen Abstecher nach Taizé. Zum anderen hat mich die Leuchtreklame der auf der anderen Seite des Dorplatzes liegenden Pizzeria in den sehr frühen Morgenstunden um den Schlaf gebracht. Keine Ahnung, warum, schließlich hat sie die ganze Nacht herumgeblinkert und es hat mich nicht die Bohne gestört.

                                                              Nun gut, um knapp vor 10 bin ich auf der Straße.
                                                              Gegnüber gibt es ein museumsreifes Schloß, das auch als solches betrieben wird.
                                                              Ich sehe noch die Laubbläser die Wege säubern, da rollt auch schon der erste Bus an. das vermindert den spontanen Reiz, hinzu kommt noch der äußerst selbst bewußte Eintrittspreis. Nein, Danke!
                                                              Aus Cormatin hinaus wieder auf die Bahntrasse zu finden ist keine große Herausforderung.

                                                              Vor dem Erreichen der Reisegeschwindigkeit empfängt mich ein Stück Modellbahn-Landschaft:


                                                              Modelleisenbahn-Landschaft ohne Modelleisenbahn.

                                                              Auf der Rennstrecke angekommen kann ich von hinten noch einen Blick auf das Schloß von Cormatin werfen:


                                                              Sah von vorne etwas spektakulärer aus - wie halt typische französische Fassaden so sind: Schloß Cormatin

                                                              Und da sehe ich dann tatsächlich auch noch zwei etwas einsame Störche durch die Wiesen staksen:


                                                              Kein schwarzer Storch, aber immerhin mal einer!

                                                              So, jetzt aber genug rumgemacht! Ich beschleunige und begebe mich in den grünen Tunnel.
                                                              Es passiert nicht viel, das Wetter ist freundlich und ich komme gut in Schwung.
                                                              Ab und an eröffnet sich mal ein netter Ausblick.


                                                              Hat was von Highlands: Weideland in der Nähe von Taizé.

                                                              Moment mal, da zoomen wir noch etwas rein.


                                                              Schon erstaunlich, welche Form die Tiere der Landschaft und Natur geben, wenn man sie läßt!

                                                              Ich nähere ich Taizé. Schon ziemlich neugierig.
                                                              Über den Ort habe ich vorher ein wenig gelesen. Das war zwar einerseits ganz interessant, andererseits geben die Brüder auf ihrer Internetseite recht klar zu verstehen, daß sie eigentlich nur an den jüngeren Seelen interessiert sind und die Älteren doch lieber zum Golfen gehen sollen. Außerdem möchten sie keine Tagesgäste, das bringt ihnen zu viel Unruhe.
                                                              Ich mache mir im Vorfeld also kein allzu großen Hoffnungen, Einlaß zu finden. Und bei der Annäherung über die Bahntrasse zeigt mir der Ort auch ziemlich die kalte Schulter.
                                                              Faltterband sagt, daß der Wald bitte wegen Waldarbeiten nicht zu betreten wäre und man gefälligst Ruhe zu halten habe.
                                                              Im Hintergrund dröhnen die Motorsägen. Komische Form von Meditation, die die da zu pflegen scheinen!
                                                              Von dieser Seite ist also kein Reinkommen, ich bleibe auf dem Radweg.


                                                              Klare Ansage der Brüder: "Du kommst hier nicht rein!"

                                                              Ich nähere mich dem Ort also über seine offizielle Seite:


                                                              Ortseinfahrt von Taizé: Hier deutet nichts auf Besonders hin.

                                                              Gleich bei den Häusern geht es rechts kurz steil bergauf durch ein absolut verschlafenes aber sehr herausgeputztes Örtchen.
                                                              Im Ort kommt mir eine Gruppe junger Menschen entgegen, die heiter plappernd Englisch als Brückensprache für das nutzen, was sie mit Händen und Füßen nicht ausdrücken können.
                                                              Kurz drauf nähere ich mich der Anlage der Bruderschaft, den Schildern zum Empfang folgend.
                                                              Der praktische, kahle Bau wirkt verschlossen, ist es aber (natürlich) nicht.
                                                              Vielmehr werde ich am Empfangstresen von einem freundlich lächelnden jungen Herrn taxiert, der meine Frage nach einem Stempel für den Pilgerpaß beantwortet: "Klar bekommst Du hier einen Stempel. Dem Akzent nach bist Du Deutscher, stimmt das?"
                                                              Ich bejahe verdutzt, er fährt fort: "Hast Du's eilig oder willst Du ein wenig über den Ort hier erfahren?"
                                                              Natürlich will ich. Er ruft eine junge Frau, die mich auf eine der schlichten Holzbänke bittet und mir einen Tee aus einem Plastiknapf anbietet.
                                                              "Den gibt's nur hier. Ganz besondere Mischung."
                                                              Ich setze den Rucksack ab und mach's mir - so gut es geht - gemütlich, höre meinen Tee schlürfend zu, wie mir Alex die Idee des Ordens und seiner Arbeit erklärt. Das hab' ich zwar vorher auch schon im Internet gelesen, aber hier ist's einfach netter.
                                                              Sie fragt mich, ob ich gerne ein wenig bleiben möchte, die Mittagsandacht mit ihnen feiern möchte.
                                                              Erstaunt frage ich nach, denn die Brüder hatten ja geschrieben, sie wären an Tagesbesuchern nicht interessiert.
                                                              "Ja, stimmt schon. Aber es ist grade im Lager nicht so voll, wir haben nicht mal 2.000 Leute hier. Außerdem siehst Du nicht wie ein reiner Sightseeing-Tourist aus. Bleib' ruhig und schau' Dich ein wenig um. Kannst ruhig auch hier essen, wenn Du magst."
                                                              Wir unterhalten uns noch einen Moment.
                                                              Schließlich ist der Tee alle und mich hält's vor Neugier kaum noch auf der Bank. Ich mache einen ganz gelassenen Rundgang auf dem Gelände und komme aus dem Staunen nicht heraus.
                                                              Überall sind junge Menschen, meist Franzosen, aber eigentlich aller Herren Länder, unüberschaubar viele auf den ersten Blick. Auf den zweiten Blick erkennt man Gruppen bis maximal 20 Teilnehmer, die miteinander im intensiven Dialog sind. Entweder spielen sie irgendwelche albernen Spielchen, diskutieren angeregt oder wollen gerade irgendwo hin. Trotzdem keine Hektik, kein Geschrei und...keine Mobiltelefone.
                                                              Keiner scheint mich irgendwie zur Kenntnis zu nehmen, die sind alle viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Aber auf eine ansteckend positive Weise. Schon nach kurzer Zeit muß ich einfach anfangen zu lächeln.
                                                              Ich schaue mich auf dem Gelände weiter um und erreiche schließlich die Kirche:


                                                              Die Versöhnungskirche von Taizé. Wirkt von außen eher wie eine Marktbude.

                                                              Der niedrige Komplex kommt von außen eher wie ein Marktgelände daher, weitgehend fensterlos und eher dunkel.
                                                              Durch eine der mäßig passgenau gearbeiteten Schwingtüren an der Seite des Gebäudes finde ich eine ganze Weile vor der Andacht Einlaß und bekomme sofort ein abgegriffenes Gesangbuch in die Hand gedrückt.
                                                              Drinnen empfängt mich ein auf den ersten Blick eher dunkler Raum. Die Luft steht, riecht verbraucht und schon auch ein wenig nach Füßen, obwohl die hier ruhig züchtig verhüllt bleiben dürfen.
                                                              Sitzmöbel gibt es hier keine, der Boden ist mit grobem Filz belegt. In der Mitte ist ein Areal durch etwas Grünzeug abgeteilt.
                                                              In der dunklen Mehrzweckhalle gibt es nur einen Blickfang und das ist der Altarraum. Der ist die einzige wirklich wahrnehmbare Lichtquelle.


                                                              Blick durch die Versöhnungskirche

                                                              Der Rundumblick zeigt Rolltore, durch die der Innenraum erweitert werden kann.
                                                              So rein architektonisch ist das also nicht mit einer der extrem lichtstarken Kathedralen, die ich unterwegs bislang gesehen habe, zu vergleichen.
                                                              Ich bemühe mich, den Raum auf mich wirken zu lassen. Aber da kommt nicht viel.
                                                              Ich finde am Rand eine Stufe, auf die ich mich mit meinen Wanderschuhen setzen kann und nehme den Rucksack zwischen die Knie um die Treppenstufe über mir nicht damit zu blockieren.
                                                              So sitze ich und beobachte, wie sich der Innenraum der Kirche füllt.
                                                              Als er voll ist, öffnen sich einige der Rolltore. Es ist trotz der vielen Menschen sehr ruhig, leichtes Getuschel.
                                                              Leichte Orgelmusik dudelt etwas geistlos vom Band.

                                                              Gott und die Brüder arbeiten hier mit jungen Menschen, also nehmen sie's mit der Pünktlichkeit selber auch nicht so genau.
                                                              Schließlich kommen sie doch, einer nach dem anderen und suchen sich ihren Platz im durch das Grünzeug abgegrenzten "hochklerikalen Bereich". Das ist sehr unterhaltsam anzuschauen, wer eine uniform vor sich hin schluffende Prozession tatteriger Mönche vor dem inneren Auge hat, möge das bitte zur Seite schieben. Es kommen große, kleine, junge, junge, alte, alle Hautfarben, teils schwungvoll und agil, teils alt und gebrechlich, verträumt, konzentriert, schlendernd, schnell, langsam...
                                                              Irgendwann sind wohl alle da und die Andacht beginnt.
                                                              Das geschieht nicht wie in einer geöhnlichen Kriche, indem sich einer erhebt, in den Altarraum tritt und die Versammelten begrüßt.
                                                              Sondern es geschieht, indem die Orgelmusik ausgestellt wird, eine Leuchttafel an der Wand eine Liednummer zeigt und die Menschenmenge unisono ein Begrüßungslied anstimmt.
                                                              Die Herrschaften dort gönnen sich den Luxus eines völlig eigenen Liedguts, das mit Kirchenmusik, wie ich sie bislang kannte, nicht zu vergleichen ist.
                                                              Nach der Begrüßung wird ein kurzer Text - im Grunde nur ein Satz - in etlichen Weltsprachen (mutmaßlich die der bekannterweise versammelten Muttersprachler) angesagt.
                                                              Schweigen.
                                                              Ja, gut tausend Jugendliche können schweigen, auch ohne Mobiltelefone!
                                                              Noch ein Lied. So langsam beginne ich, die unglaubliche positive Energie der hier versammelten Menschenmenge zu spüren und in mich aufzusaugen.
                                                              Unglaublich.
                                                              Weil es äußerlich nichts zu sehen gibt, schließe ich die Augen und lasse den Geist des Augenblicks in mich dringen.
                                                              Noch ein Text, ungefähr gleicher Art.
                                                              Langes, sehr langes, meditatives Schweigen.
                                                              Nun kommt ein Lied, das ich melodisch und textmäßig spontan erfassen kann. Zumindest halbwegs, denn in der Gemeinde entfaltet sich ein extrem vielstimmiger Canon bislang unerhörter Harmonie.
                                                              Mantra-singen De Luxe! (Anders läßt sich das kaum beschreiben.)
                                                              Die Zeit bleibt für mich stehen, ich erfahre eine Art von Erweckung, Erleuchtung, Einsicht oder vielleicht auch nur allertiefster Entspannung, die mir bislang völlig verwehrt war.
                                                              Irgendwann wird der Gesang ganz allmählich leiser und dünner.
                                                              Ich öffne die vertränten Augen wieder - und finde mich in einer ziemlich entleerten Versöhnungskirche.
                                                              Jetzt weiß ich, woher die ihren Namen hat!

                                                              Mantra-Singen De Luxe!

                                                              Ich rappele mich auf und schaue mich noch einen Moment in der wieder völlig unspektakulären Kirche um.
                                                              Passend zum eigenen Befinden ist auch draußen die Sonne herausgekommen und ich entdecke im Herausgehen so ziemlich das einzige schmuckvolle architektonische Detail der Kirche - ihre kleinen, fast ikonenhaften Fenster auf der Südseite:






                                                              Noch immer nicht so ganz zurück im Hier und Jetzt trete ich ins Freie und finde mich im Trubel der Mittagessens-Ausgabe.


                                                              Irgendwo in der vorderen Hälfte des Knäuels gibt es Linsenpapp.

                                                              Weil ja eh' alle Zeit haben, gut drauf sind und am Ende jeder das gleiche kriegt, erübrigen sich drängeln und Schlange-stehen.
                                                              Ich halte mich dennoch ganz bescheiden an mein Baguette.


                                                              Tischkultur in Taizé.

                                                              Die speisenden Menschenmassen verteilen sich ebenso ungezwungen über das Gelände wie zuvor. Gute Laune und Gelächter allerorten.


                                                              Und wer darf's nachher alles spülen?!?

                                                              Ich verabschiede mich von der Bruderschaft durch das Portal des Glockenturms, der - ebenso wie der Rest der gesamten Erfahrung - eher buddhistisch anmutet.


                                                              Der Glockenturm steht abseits der Kirche und ist gleichzeitig das Eintrittsportal des Geländes.

                                                              Schweren Herzens trenne ich mich von dem unglaublich sympathischen Ort, die Tiefe der soeben gemachten spirituellen Erfahrung nur ansatzweise erahnend.

                                                              Jedenfalls weiß ich beim Besuch am Grab des Gründerbruders ganz spontan, wo der Kiesel in meiner Hosentasche auf dieser Reise hingehört.


                                                              Hier ist mir echt ein Stein vom Herzen gefallen. Danke, Frere Roger!


                                                              Darf man vor dem Grab eines Unbekannten frohen Mutes lachen??

                                                              Ich verabschiede mich nach einem weiteren, einsamen stillen Moment von diesem faszinierenden Ort. Hier passiert für die jungen Menschen, die sich darauf einlassen, wirklich etwas ganz Spezielles.

                                                              Ein paar Schritte weiter, durch den Ort den Berg hinab, hat mich die alte Eisenbahntrasse wieder.
                                                              Versonnen trotte ich auf ihr entlang in Richtung meines Reiseziels Cluny.
                                                              Das gibt mir die Gelegenheit, noch ein wenig über das Erlebte der letzten - Moment mal...fast zwei Wochen! - nachzudenken und meine Gefühle dazu zu sortieren, bevor mich die Realität der Zivilisation zurück hat.
                                                              An die erinnert die über ein ganzes Stück parallel geführte TGV-Strecke (müßte Lyon-Paris sein) praktisch im Minutentakt.

                                                              Schon bald habe ich den ersten Blick auf Cluny - einstmals spirituelles Zentrum Europas und päpstlicher Nebensitz mit der seinerzeit größten Kirche der Christenheit.
                                                              Das, was die französiche Revolution aus der Ferne betrachtet davon übrig ließ, ist eher provinziell.


                                                              Erster Blick auf Cluny. In der Mitte: Die Reste der gigantischen Kathedrale.

                                                              Ab hier ist der Weg zum Etappenziel ein Kinderspiel.
                                                              Ich erreiche die enge Innenstadt. Die sieht zwar ganz nett aus, läßt aber die einstige Größe und Strahlkraft nicht mehr erahnen.

                                                              In der Nähe der Kathedrale und Abtei finde ich problemlos ein bequemes Lotterbett für die letzte Nacht unterwegs.


                                                              Kirche aus der Nähe: Vom alten Schmuck blieb nicht viel übrig.

                                                              Entlang des ehemaligen Seitenschiffs der KAthedrale bemüht man sich, den ehemaligen Grundriss zumindest teilweise anzudeuten, aber eine rechte Vorstellung kann man sich aus den Säulenstümpfen nicht machen.


                                                              Das kann jetzt irgendwie alles oder auch nichts sein: Ehemaliges Seitenschiff der Kathedrale.

                                                              Die Fassade der Abtei ist wieder ganz gut hergerichtet, wirkt jedoch schon eher weltlich...


                                                              Abteil von Cluny

                                                              In Sachen Sightseeing ist jetzt aber schon ziemlich die Luft raus. Die Andacht in Taizé war ganz klar das verdiente Ende einer sehr schönen Reise. Das hier ist jetzt nur noch ein klein wenig abhängen und nach Hause kommen!

                                                              Dennoch ergeben sich nach dem Abendessen in der Stadt noch ein paar ganz nette Perspektiven...


                                                              Es wird Abend in Cluny. Alle suchen sich ihren Schlafplatz.


                                                              Taugt zur nächtlichen Filmkulisse: Gasse in der Stadt.


                                                              Die Abtei macht auch nachts eine ganz gute Figur.


                                                              Seitlicher Blick auf den nächstlichen Gebäudekomplex.


                                                              Aber auch abseits der Abtei gibt es schicke Gebäude...


                                                              Und mit diesem etwas verwackelten Blick endet der Tag. Und irgendwie auch die Reise.

                                                              Fazit des Tages:
                                                              Auch auf einer extrem kurzen und in der Strecke absolut übersichtlichen und im Grunde langweiligen Tagesetappe kann man eine ganze Menge erleben.
                                                              Laudate omnes gentes!
                                                              Das reicht als Botschaft für den Tag locker aus!
                                                              Ein wirklich beeindruckender Abschluß einer abwechslungsreichen Reise, den ich besser nicht hätte treffen können.
                                                              Ab nach Hause!
                                                              Angehängte Dateien
                                                              Zuletzt geändert von Wafer; 28.11.2020, 23:07.
                                                              Ein Post von QOM = Quengelige Outdoor-Memme.
                                                              Es gibt schlechtes Wetter!
                                                              Egal, welche Klamotten!
                                                              Laßt Euch da nichts vormachen!

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                                                              • QOM
                                                                Erfahren
                                                                • 26.08.2013
                                                                • 122
                                                                • Privat


                                                                #32
                                                                [FR] Jakobsweg: Cluny - Frankfurt

                                                                11. Tag: Ab nach Hause!
                                                                Samstag, 24. Oktober 2015

                                                                Das Lotterbett der Nacht war erwartungsgemäß breit und weich, die Stadt sehr ruhig.
                                                                Dennoch bin ich schon recht früh wach.
                                                                Ich prüfe nochmals die Busverbindung und meine Vermutung zur Lage der Haltestelle.
                                                                Denn das muß klappen, es fahren nicht so viele Busse.

                                                                Die Stadt sieht heute Morgen auch kaum anders aus als gestern Abend.
                                                                Aber es gibt Touristen, denen man mal kurz den Fotoapparat in die Hand drücken kann.


                                                                So, jetzt will ich aber heim!

                                                                Die Eingangstür der Abtei ist nun zwar auf, aber so rein zeitlich reicht das nicht für eine Führung, sondern lediglich für einen Blick durch die Tür und einen kurzen Blick in den Bücherladen des Museums.
                                                                Da gibt es zwei etwa gleich dicke Bände: Der eine beschreibt den Aufbau von Cluny zum spirituellen Zentrum der Christenheit, der andere die systematische Zerstörung während und nach der französischen Revolution.
                                                                Es bleibt lediglich ein Schatten alter Größe.
                                                                Aber ich finde im Laden ein herrliches Souvenir: "Camous Stellae" ist eine kleine Reihe sehr kunstvoller französischer Comics über die frühen Zeiten des Jakobsweges. Der erste Band beginnt die Geschichte in Le Puy.
                                                                Na, wenn das keine Einladung für die kommenden langen Winterabende ist!


                                                                Fast ein Blick in den Innenhof der Abtei...

                                                                Auf dem Weg durch die Stadt findet sich im Boden noch die Markierung eines anderen Pilgerweges, der durch die Stadt führt.


                                                                Hm...was ist das für ein Pilgerweg?

                                                                Auf dem Weg aus der Stadt heraus zeigt die sich nochmal von ihrer provinziellen Seite:


                                                                Ruhige Nebengasse...

                                                                Durch die etwas geschäftigere Hauptstraße komme ich vor die Mauern der Stadt und werfe einen Blick zurück.


                                                                Letzter Blick auf den Rest der Kathedrale

                                                                Während des langen Wartens auf den Bus kann ich auch noch einen Blick auf die andere Seite des gestern nächtlich gesehenen Teils der Abtei werfen.


                                                                Abtei oder Schloß? Der Übergang ist wohl fließend.

                                                                Die letzte Wartezeit bis zur Abfahrt verkürzt mir die Begegnung mit einem französischen Original.


                                                                So geht das mit den Haifisch-Kiemen am Auto wirklich!


                                                                Platz da!


                                                                Ein Original, im tadellosen Zustand!

                                                                Kurz drauf, es ist jetzt gegen 11, kommt der Bus, der mich ein wenig kreuz und quer nach Macon bringt. Dort allerdings - fast ein fataler Fehler! - nicht zur TGV-Station außerhalb, sondern zum Hauptbahnhof.
                                                                Denn mein TGV fährt von dort pünktlich, mit höchster Geschwindigkeit und dem einmaligen, sänftenhaften Comfort französischer Bahn nach Straßburg. Den Anschluß erreiche ich gemütlich und unproblematisch, und zügig komme ich mit der Regionalbahn über den Rhein und im ICE nach Frankfurt. Der Rest ist tägliche Routine.
                                                                Nicht ganz 8 Stunden später bin ich wieder daheim.
                                                                Das war jetzt eine ganz andere Sache als die gefühlt ewige Hinreise!

                                                                Trotzdem hat mich auch dieser Tag müde gemacht und so hebe ich mir das vollständige Auspacken des Rucksacks für morgen auf.

                                                                Fazit des Tages:
                                                                Hey! Kaum plant man den Ausgangspunkt der Route etwas geschickter, schon hat man auch eine angenehme und zügige Reise!

                                                                Und was sage ich zum ganzen Abschnitt der letzten zwei Wochen?
                                                                Das war eine absolut unglaubliche Reise durch sehr verschiedene Landschaften, und es waren zahlreiche unterschiedliche Stimmungen vertreten.
                                                                In der zweiten Hälfte wurde ich mit Wetterglück für die etwas zähen Tage im großen Wald entschädigt.
                                                                Und das Ende in Taizé hätte ich besser kaum treffen können.
                                                                Das wird sich auf dem "Rest" (1.800km?) des Weges an Intensität kaum übertreffen lassen. Oder zumindest kann ich es mir noch nicht vorstellen.
                                                                Aber das muß es ja auch nicht. Es geht um die Summe der Erfahrungen, und da kommt bestimmt noch mehr.

                                                                Nun gut, jetzt ist die Reise schon fast ein halbes Jahr her, der Frühling steht an, die grobe Panung für den nächsten Abschnitt nimmt Gestalt an - es soll der Weg bis Le Puy werden.

                                                                Dann also bald mehr an dieser Stelle...

                                                                Ultreia!
                                                                Ein Post von QOM = Quengelige Outdoor-Memme.
                                                                Es gibt schlechtes Wetter!
                                                                Egal, welche Klamotten!
                                                                Laßt Euch da nichts vormachen!

                                                                Kommentar


                                                                • Sternenstaub
                                                                  Alter Hase
                                                                  • 14.03.2012
                                                                  • 3583
                                                                  • Privat


                                                                  #33
                                                                  AW: [FR] Jakobsweg: Contrexéville - Langres - Dijon - Beaune - Taizé - Cluny

                                                                  vielen Dank für den Rest deines Berichtes. Neben den stimmungsvollen Bildern und Beschreibungen macht er mich aber als nichtreligiösen Menschen ein Stück weit skeptisch. Wobei es nicht um deine spirituelle Erfahrung geht, die nehme ich dir vollkommen ab (großzügig, nicht wahr ;) ) sondern eher meine Frage an mich selber, wie das auf mich wirken würde. Und das rein äußerliche, was du beschreibst, ruft eben bei mir ein gewisses Unbehagen hervor. Aber vielleicht muss man es selbst erfahren/erleben, um das für sich einordnen zu können.

                                                                  vielen Dank für deinen Bericht und ich bin schon gespannt auf neue.

                                                                  p.s. die glotzende Kuh finde ich übrigens göttlich
                                                                  Two roads diverged in a wood, and I—
                                                                  I took the one less traveled by,
                                                                  And that has made all the difference (Robert Frost)

                                                                  Kommentar


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                                                                    Erfahren
                                                                    • 26.08.2013
                                                                    • 122
                                                                    • Privat


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                                                                    AW: [FR] Jakobsweg: Contrexéville - Langres - Dijon - Beaune - Taizé - Cluny

                                                                    Zitat von Sternenstaub Beitrag anzeigen
                                                                    ...macht er mich aber als nichtreligiösen Menschen ein Stück weit skeptisch. Wobei es nicht um deine spirituelle Erfahrung geht, die nehme ich dir vollkommen ab (großzügig, nicht wahr ;) ) sondern eher meine Frage an mich selber, wie das auf mich wirken würde. Und das rein äußerliche, was du beschreibst, ruft eben bei mir ein gewisses Unbehagen hervor. Aber vielleicht muss man es selbst erfahren/erleben, um das für sich einordnen zu können.
                                                                    So ist das!
                                                                    Ich bin übrigens auch nicht besonders religiös. Eher im Gegenteil. Mir sagt eigentlich keiner, was ich denke und glaube.
                                                                    Mich für diese Art von Stimmung und Erfahrung zu öffnen, war ein Vorgang.
                                                                    Als ich hier losgelaufen bin, konnte ich das auch noch nicht, das ist mir eigentlich am Grab des heiligen Matthias langsam gedämmert, in etwa:
                                                                    "Im Grunde ist es jetzt egal, ob da jetzt noch Knochenstaub in der Kiste ist oder nicht. Wahrscheinlich eher nicht, denn Chemie macht keine Ausnahmen. Aber warum eigentlich erinnert man sich nach 2.000 Jahren noch an einen einzelnen Menschen?"

                                                                    Taizé allerdings war wirklich eine ganz ungewöhnliche Geschichte.
                                                                    Die haben da echt eine Botschaft für den Planeten und seine Bevölkerung, die in ihrer Klarheit und Einfachheit unglaublich ist.
                                                                    (Also die Botschaft jetzt, nicht die Bevölkerung. Die ist in ihrer Einfachheit auch unglaublich...)
                                                                    Und zwar völlig Religions-übergreifend.
                                                                    Das Licht kann ich guten Gewissens in meine kritische Welt tragen.
                                                                    Bob Marley würde da jetzt sagen "Maaan. This really rocked my boat."

                                                                    So, und jetzt weg von diesem spirituellen Gedöns hin zum Praktischen:
                                                                    An diese Kuh muß ich auch jedesmal denken, wenn bei mir mal wieder ein gutes Stück Rind auf dem Tisch liegt!
                                                                    Und in der Gegend - ich habe mich kulinarisch ja seit den überteuerten Weinen kaum noch geäußert - gibt es sehr gutes Fleisch zu durchaus erschwinglichen Preisen.
                                                                    Da läuft mir doch beim Gedanken an die Weiterreise schon das Wasser im Mund zusammen!
                                                                    Zuletzt geändert von QOM; 11.03.2016, 19:35.
                                                                    Ein Post von QOM = Quengelige Outdoor-Memme.
                                                                    Es gibt schlechtes Wetter!
                                                                    Egal, welche Klamotten!
                                                                    Laßt Euch da nichts vormachen!

                                                                    Kommentar


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                                                                      Erfahren
                                                                      • 26.08.2013
                                                                      • 122
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                                                                      Es geht weiter!

                                                                      Hallo, liebe Leser,

                                                                      ich bin wieder da, die letzte Pilgerwäsche ist reif für das Tiefkühlfach und mich packen schon wieder gewisse Gelüste, die etwas mit "Laufen" und "weit" zu tun haben...

                                                                      Aber bevor ich wieder los kann, ist erst Mal Winter und ich kann Euch genussvoll und Stück für Stück berichten, wie es mir bei der Weiterreise diesen Herbst wiederfuhr.

                                                                      Doch leset selbst - und habt ein wenig Geduld.
                                                                      Der Alltag hat mich deftig wieder und der Bericht wird sicher wesentlich langsamer entstehen als Ihr ihn gerne lesen würdet...
                                                                      Zuletzt geändert von QOM; 26.10.2016, 14:42.
                                                                      Ein Post von QOM = Quengelige Outdoor-Memme.
                                                                      Es gibt schlechtes Wetter!
                                                                      Egal, welche Klamotten!
                                                                      Laßt Euch da nichts vormachen!

                                                                      Kommentar