• Gast20200707
    GELÖSCHT
    Dauerbesucher
    • 25.05.2013
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    • Privat


    [AT] Sellraintal Lüsens Schneeschuhtour Wildzelten

    Moin,

    da der Schnee nicht zu uns kommen wollte, mussten wir nun dem Ruf der Berge und dem Schnee ins Lüsenstal folgen. Sinn und Zweck dieser Aktion war es nicht unsere masochistische Ader auszuleben, sondern Ausrüstung, Psyche und Physis auf Herz und Nieren zu prüfen, wie und ob wir mit der Kälte und den Gegebenheiten zurecht kommen würden.

    Das Winterzelten wird ja immer als eine hohe Kunst des Zeltens tituliert und da wir bereits zu allen drei Jahreszeiten gezeltet hatten, musste nun auch die vierte dran glauben. Schneeschuhe und LVS Ausrüstung wurden ausgeliehen und letzteres theoretisch zu Hause uns auch vor Ort getestet. Ob nun Ortovox oder Mammut, beide Geräte waren leicht zu bedienen und ist auch für den größten Technikmuffel keine große Wissenschaft.

    Bei der Planung bezog ich mich auf Tourenskirouten, die meist auf Gipfel führen. Unser Ziel waren diese Gipfel nicht, wären aber ein gutes i-Tüpfelchen gewesen. Wir wussten ja noch nicht einmal, wieviele Kilometer man mit Schneeschuhen und 20 bzw. nahezu 30kg auf dem Rücken schaffen würde. Warum so schwere Rucksäcke? Nun gut, vielleicht war ein Gipfelsturm doch bereits ins Auge gefasst worden. Der Längentaler Weiße Kogel mit 3218m wird als technisch leichter, aber physisch schwerer Berg beschrieben und weist mit seinem kleinen Gletscher Hochtourenflair auf. Mancheiner meint, Gletscherausrüstung sei dort "overdressed" Andere meinen "ein zwingendes Muss". Wir hatten Eispickel, Gurte und Seil dabei. Daher auch das höhere Gewicht.

    Bei mäßiger Wettervorhersage und LWS 3 wollten wir uns dann doch eher defensiv im Gelände verhalten und lieber einen Schritt zurück als vor wagen. Außerdem hatte ich die Route so geplant, dass stets als Backup eine Hütte oder das Auto in der Nähe gewesen wären, sprich einem Tourenabbruch zu jedem Zeitpunkt stand nix im Weg, aber ganz ehrlich, das hatten wir auch nie vor.

    Ab Lüsens dann also Richtung Westfalenhaus der Aufstieg am ersten Tag. Nach 5km und 500hm Camp unterhalb der Hütte am Längentaler Bach. Der Wunschplatz wurde 7x4m platt getreten, die selbst gebastelten Schneeheringe kamen zum Einsatz. Mit etwas Mehraufwand gegenüber dem Sommer stand das Zelt aber bald recht schnell und sicher. Eine Koch- und Kältegrube wurde im Vorzelt gegraben. Am Tag darauf, das Wetter war zum Helden zeugen, machten wir uns auf Richtung Kogel. Wir wählten den linken Weg entlang der Moränen, im Nachhinein wäre der rechte sicherer gewesen. Da wir uns aber zu Fuß und ohne Schneeschuhe auf dem fast schneefreien Moränenrücken bewegten, war die Lawinengefahr nach unserer Einschätzung gering. Auf 2650 Meter Höhe hielten wir inne, meine Freundin hegte Zweifel, den Gletscher ohne Vorkenntnisse zu begehen, ich erinnerte mich an R.Messner's Spruch "Warum ich so erfolgreich bin? Weil ich umkehren kann" Also drehten wir um ohne aber traurig zu sein, der Weg war ja das Ziel. Wir waren an der frischen Luft, hatten das Längental für uns allein und machten uns auf den Rückweg. Zur Strafe gaben wir uns noch die 200hm zum Westfalenhaus und nächtigten eine 2.Nacht im Längental im Zelt. Da mein Daunenschlafsack am Morgen außen sehr feucht war, nutzte ich als VBL Ersatz meinen Notfallbiwaksack, aber auch am nächsten Morgen war der Schlafsack außen noch etwas feucht. Tag darauf stiegen wir wieder nach Lüsens ab, Ausrüstung ablegen, Proviant auffüllen, Weiterfahrt nach Praxmar um von dort aus in den Anstieg zur Lampsenspitze einzusteigen. Wir folgten dem Rodelweg und ließen uns beim Aufstieg Zeit. Auf 2000 Meter Höhe fanden wir 200m abseits des Weges eine windgeschützte Ebene zwischen Zirbenkiefern. Die Nacht zuvor war bedingt durch starke Böen eher unruhig verlaufen, wir wollten es heut mal ruhiger haben. Nun lief alles schon flüssiger, die Fläche eintreten, die Heringe setzen, die Grube graben. Heute musste Schnee aufgekocht werden, aus drei Töpfen komprimiertem Schnee wurde ein Topf Wasser nach ca. 10 Minuten, Benzin war aber in Hülle und Fülle vorhanden, also konnte ich mich auch mit Wasser waschen. Schnee ist zur Körperhygiene denkbar ungeeignet, glaubt mir. Die Nacht hielt dann noch eine Überraschung für uns parat. Es hatte in der Nacht angefangen zu schneien und unsere Träume wurden immer wieder von langsam vom Außenzelt abrutschenden Schneemassen begleitet. Doch irgendwann stoppte dieses Geräusch und wir hörten bald nur noch ein lautes Knacken. Die beiden inneren der vier Gestänge waren unter einer 30cm Neuschneelast zusammengebrochen und wir lagen darunter. Wie Klappmesser sprangen wir auf. In Unterhose und Schuhen beseitigte ich das Außenzelt von den Schneemassen und reparierte das eine Gestänge mit dem Ersatzsegment. Das andere Gestänge kürzte ich um das gebrochene Segment und so hielt es wieder stabil bis zum Morgen. Wir schliefen sehr schwer wieder ein, wachten dafür auch erst 10 Uhr wieder auf. Der Traum von der Lampsenspitze war nun auch dahin, aber dafür waren wir um eine Erfahrung reicher. Wir bauten das Zelt gegen Mittag ab, machten uns mit vielen Erfahrungen und Eindrücken im Gepäck auf den Heimweg.

    Fazit:
    Unterschiedlicher kann bei so einer Tour das Fazit nicht ausfallen. Die Tour hätte bereits nach der ersten Nacht ihr jähes Ende finden können und man hätte wohl nie wieder einen Gedanken an Schnee und Zelten verloren. Ganz ehrlich, ich wusste selbst nicht, wie das Fazit bei uns ausfallen würde. Doch eines ist klar, es war für uns nicht das letzte Mal und gerade verbunden mit dem Interesse an Gletschertouren und Eisklettern wird es eine Fortsetzung geben. Nach drei Nächten in der Kälte ohne Heizung wären wir immer noch bereit gewesen, weitere Nächte draußen zu verbringen. Wir waren weder aus- noch unterkühlt, der vorhandenen Ausrüstung sei Dank. Auf die Frage von vielen Leuten hin, die wir unterwegs trafen, warum wir uns das antun und ob es freiwillig sei, können wir nur entgegnen: So etwas muss man freiwillig machen, sonst wird das zur Tortur. Auf die Frage warum? Ausrüstung, Physis und Kälte testen, für Finnisch Lappland im Winter oder für den einen oder anderen hohen Berg dieser Welt. Theoretisch kann man sich vieles aneignen, aber „learning by doing“ ist immer noch die beste Methode um (aus Fehlern) zu lernen. Wir haben viele, neue Erfahrungen gesammelt, die sicher in unsere zukünftigen Wintertourenplanungen einfließen werden, aber vor allem war es ein unvergessliches erstes Wintererlebnis.

    Wer einen detaillierten Bericht mit noch mehr Bildern mag, der folge dem unteren Link zu unserer Homepage

























    Zuletzt geändert von Gast20200707; 14.02.2016, 18:17.

  • Linnaeus
    Dauerbesucher
    • 21.02.2006
    • 601


    #2
    AW: [AT] Sellraintal Lüsens Schneeschuhtour Wildzelten

    Das kann doch nicht sein:

    Ein Hilleberg bricht unter der Last von 30cm Neuschnee ein und hier gibt es keine seitenlangen Diskussionen, keine Schmäh und kein HB-Bashing (Das gilt jetzt HB, nicht euch! Ihr habt euch wacker geschlagen!)

    Vielen Dank für euren ehrlichen Bericht - von einem HB-Besitzer (kein Keron).

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