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Dank Chouchens freundlicher Unterstützung im Vorfeld der Tour und ihrer Dokumentation, was einen erwarten könnte, konnte ja eigentlich gar nichts mehr schief gehen, 2016, zwischen Anfang Mai und Ende Juli, mit dem Liegedreirad, auf dem Weg von Köln nach Formentera ...

Ich habe noch keinen festen Boden unter den Füßen, da bin ich bereits begeistert. Nicht, dass die drei Tage an Bord der Norröna mich mitgenommen hätten. Nicht im Geringsten, von dem Zubettgehen am zweiten Abend vielleicht abgesehen, als mich mit dem Gang zum Buffet ohne ersichtlichen Grund ein flaues Gefühl beschlich. Doch auch dieses Detail beeinträchtigte das große Ganze nicht. Die Überfahrt war äußerst angenehm. Ruhige See, nette Bekanntschaften, anregende Unterhaltungen, ein fesselndes DFB Pokalfinale, der Genuss, an den Shetlands vorbei zu ziehen, im Liegestuhl sitzend, die Beine ausgestreckt, die Sonne im Gesicht, über uns die Basstölpel kreisend.

Dann der Sonnenaufgang in Tórshavn, die Fahrt durch die Inselwelt der Farör – Gänsehaut!

Doch jetzt hier, in den Fjord einlaufend, da ist der Schauer, der mir über den Rücken läuft, nicht minder. Ob sich weniger Härchen sträuben würden, wäre der Fahrtwind nicht gar so frisch oder läge die Temperatur höher als gefühlt nur knapp über dem Gefrierpunkt? Schwer zu sagen. Wahrscheinlich nicht. An sich ist alles stimmig. Ein Teil fügt sich an das andere, wie es anders gar nicht sein kann. Es ist wie ein Puzzle, das langsam zusammen wächst und am Ende ein wundervolles Ganzes ergibt. Allerdings beschränkt es sich hier nicht nur auf das langsam fortschreitende Komplettieren eines Bildes. Es folgt zudem einer perfekten Dramaturgie.
Bis vor wenigen Minuten war von all dem, was nicht nur mir jetzt die Sprache verschlägt, nichts zu erahnen. Da bahnte sich die Fähre ihren Weg nur durch dichten Nebel und ich fürchtete bereits, das Zelt für die erste Nacht irgendwo in der Nähe des Hafens aufschlagen zu müssen, wollte ich nicht riskieren, bei Sichtweiten von unter fünfzig Metern meine Reise unbeabsichtigt und vorschnell im Straßengraben zu beenden. Ein Blick auf die Uhr zeigte zwar bereits, lange sollte es nicht mehr dauern, nur, wer wusste schon, wo wir aktuell herum schippern? Abgesehen von der Besatzung. Und den Neugierigen mit eingeschalteten GPS-Empfängern.
Doch dann mehrten sich die Stimmen derer, dessen Mobilfunkgeräte Signale empfingen. Und plötzlich riss er auf, der Schleier. Wie ein Vorhang, der fällt. Die Bühne: über uns ein strahlend blauer Himmel, links und rechts Felswände, die einige hundert Meter empor ragen, vor uns der Fjord, der sich auf gut 15 Kilometern Länge immer enger zuzieht.

Ich komme mir vor, als sei ich in eine Modellbaulandschaft versetzt. Höfe finden sich fast liebevoll lose am Fuße Schnee bedeckter Hänge verteilt, hier und da ein Fischkutter in Ufernähe auf das Wasser gesetzt, der die über Nacht ausgelegten Netze wieder einholt, und mitten drin der mächtige Pott, auf dessen Außendeck die Passagiere das Eintauchen in diese Szenerie nahezu andächtig verfolgen.

Eine gute Stunde später liegt der Stahlriese fest vertäut am Anleger. Die tiefe Ergriffenheit des ersten Eindrucks ist einer Aufbruchstimmung gewichen. Der Dampfer ist zu verlassen. Hände werden geschüttelt, man schließt sich in die Arme, tauscht Adressen, noch ein gemeinsames Foto, dann sind Kabinen zu räumen, zieht es die Menschen zu ihren Fahrzeugen. Wege, die sich erst vor kurzem kreuzten, trennen sich wieder. Auch wenn die ersten Kilometer an Land noch für alle gleich sind, sie verlaufen für jeden anders.
Meine Idee, quasi als letzter Seyðisfjörður, den Ort im Osten Islands, an dem mich die Fähre ausspuckt, zu verlassen, erweist sich als hinfällig. Ich hatte nicht bedacht, dass der Zoll ein wachsames Auge wirft auf die mehr oder weniger voll beladenen Fahrzeuge, die der Schiffsrumpf hier wieder hergibt. Mich winkt man freundlich vorbei an den Schlangen vor den Abfertigungsschaltern. Zwar ist auch mein fahrbarer Untersatz gut bepackt, doch dass Unmengen an Alkohol oder sonstigen nur limitiert einführbaren Lebens- wie Genussmitteln die Taschen meines Liegedreirades füllen, hält man für unrealistisch. Der nächste Pluspunkt, den sich das Land bei mir verdient. Hier sind keine Menschen am Werke, die stur Dienst nach Vorschrift leisten, hier wird mitgedacht, was mich in eine unbeabsichtigte Startposition versetzt.
Auch der Versuch, mich an das Ende des Fahrerfeldes fallen zu lassen, scheitert. Das Wiederherstellen der ursprünglichen Ordnung im Gepäck sowie das Schlürfen einer Tasse Cappuccino und das Weglöffeln eines Bechers Müsli in der Morgensonne nehmen weniger Zeit in Anspruch als die Kontrollen der mit mir Angelandeten. Entsprechend rollen die Räder wieder, noch lange bevor das letzte motorisierte Vehikel inspiziert ist. Meine Bedenken jedoch, Anführer eines Staus zu werden, erweisen sich als gegenstandslos. Nicht, dass mich die kalte, klare Polarluft beflügelte, Rekord verdächtige Geschwindigkeiten zu erreichen. Ganz im Gegenteil. Die gut 600 Meter Höhenunterschied, die sich auf zehn Kilometer verteilen, lassen mich eher Gefahr laufen, von Fußgängern überholt zu werden als das ich mit Tour-de-France Protagonisten konkurrieren könnte. Nichts desto trotz fühle ich mich bei der Kurbelei prächtig. Den ersten Pass bewältige ich ohne schieben. Dass die Steigungen zwischenzeitlich zehn Prozent erreichen? Macht nichts. Bin dennoch begeistert. Es ist ein Festival für die Sinne. Die Luft, der knatscheblaue Himmel, die Sonne, der erste kleine Wasserfall am Straßenrand nach nur vier Kilometern, die Wasser gefluteten Wiesen, die geschlossene Schneedecke ab 400 Meter Höhe, der Blick auf die umliegenden Gipfel auf dem Pass, die Ruhe – überholt mich nicht gerade ein Auto oder kommt mir eines entgegen, ich höre nur meinen Atem. Bestenfalls noch irgendwo Wasser rauschen. Sonst nichts. Nichts als Stille. Es ist herrlich. Selbst in meinen kühnsten Vorstellungen hatte ich es mir schöner nicht erträumt.

--- Fortsetzung folgt, bei Interesse ---

Ich habe noch keinen festen Boden unter den Füßen, da bin ich bereits begeistert. Nicht, dass die drei Tage an Bord der Norröna mich mitgenommen hätten. Nicht im Geringsten, von dem Zubettgehen am zweiten Abend vielleicht abgesehen, als mich mit dem Gang zum Buffet ohne ersichtlichen Grund ein flaues Gefühl beschlich. Doch auch dieses Detail beeinträchtigte das große Ganze nicht. Die Überfahrt war äußerst angenehm. Ruhige See, nette Bekanntschaften, anregende Unterhaltungen, ein fesselndes DFB Pokalfinale, der Genuss, an den Shetlands vorbei zu ziehen, im Liegestuhl sitzend, die Beine ausgestreckt, die Sonne im Gesicht, über uns die Basstölpel kreisend.

Dann der Sonnenaufgang in Tórshavn, die Fahrt durch die Inselwelt der Farör – Gänsehaut!

Doch jetzt hier, in den Fjord einlaufend, da ist der Schauer, der mir über den Rücken läuft, nicht minder. Ob sich weniger Härchen sträuben würden, wäre der Fahrtwind nicht gar so frisch oder läge die Temperatur höher als gefühlt nur knapp über dem Gefrierpunkt? Schwer zu sagen. Wahrscheinlich nicht. An sich ist alles stimmig. Ein Teil fügt sich an das andere, wie es anders gar nicht sein kann. Es ist wie ein Puzzle, das langsam zusammen wächst und am Ende ein wundervolles Ganzes ergibt. Allerdings beschränkt es sich hier nicht nur auf das langsam fortschreitende Komplettieren eines Bildes. Es folgt zudem einer perfekten Dramaturgie.
Bis vor wenigen Minuten war von all dem, was nicht nur mir jetzt die Sprache verschlägt, nichts zu erahnen. Da bahnte sich die Fähre ihren Weg nur durch dichten Nebel und ich fürchtete bereits, das Zelt für die erste Nacht irgendwo in der Nähe des Hafens aufschlagen zu müssen, wollte ich nicht riskieren, bei Sichtweiten von unter fünfzig Metern meine Reise unbeabsichtigt und vorschnell im Straßengraben zu beenden. Ein Blick auf die Uhr zeigte zwar bereits, lange sollte es nicht mehr dauern, nur, wer wusste schon, wo wir aktuell herum schippern? Abgesehen von der Besatzung. Und den Neugierigen mit eingeschalteten GPS-Empfängern.
Doch dann mehrten sich die Stimmen derer, dessen Mobilfunkgeräte Signale empfingen. Und plötzlich riss er auf, der Schleier. Wie ein Vorhang, der fällt. Die Bühne: über uns ein strahlend blauer Himmel, links und rechts Felswände, die einige hundert Meter empor ragen, vor uns der Fjord, der sich auf gut 15 Kilometern Länge immer enger zuzieht.

Ich komme mir vor, als sei ich in eine Modellbaulandschaft versetzt. Höfe finden sich fast liebevoll lose am Fuße Schnee bedeckter Hänge verteilt, hier und da ein Fischkutter in Ufernähe auf das Wasser gesetzt, der die über Nacht ausgelegten Netze wieder einholt, und mitten drin der mächtige Pott, auf dessen Außendeck die Passagiere das Eintauchen in diese Szenerie nahezu andächtig verfolgen.

Eine gute Stunde später liegt der Stahlriese fest vertäut am Anleger. Die tiefe Ergriffenheit des ersten Eindrucks ist einer Aufbruchstimmung gewichen. Der Dampfer ist zu verlassen. Hände werden geschüttelt, man schließt sich in die Arme, tauscht Adressen, noch ein gemeinsames Foto, dann sind Kabinen zu räumen, zieht es die Menschen zu ihren Fahrzeugen. Wege, die sich erst vor kurzem kreuzten, trennen sich wieder. Auch wenn die ersten Kilometer an Land noch für alle gleich sind, sie verlaufen für jeden anders.
Meine Idee, quasi als letzter Seyðisfjörður, den Ort im Osten Islands, an dem mich die Fähre ausspuckt, zu verlassen, erweist sich als hinfällig. Ich hatte nicht bedacht, dass der Zoll ein wachsames Auge wirft auf die mehr oder weniger voll beladenen Fahrzeuge, die der Schiffsrumpf hier wieder hergibt. Mich winkt man freundlich vorbei an den Schlangen vor den Abfertigungsschaltern. Zwar ist auch mein fahrbarer Untersatz gut bepackt, doch dass Unmengen an Alkohol oder sonstigen nur limitiert einführbaren Lebens- wie Genussmitteln die Taschen meines Liegedreirades füllen, hält man für unrealistisch. Der nächste Pluspunkt, den sich das Land bei mir verdient. Hier sind keine Menschen am Werke, die stur Dienst nach Vorschrift leisten, hier wird mitgedacht, was mich in eine unbeabsichtigte Startposition versetzt.
Auch der Versuch, mich an das Ende des Fahrerfeldes fallen zu lassen, scheitert. Das Wiederherstellen der ursprünglichen Ordnung im Gepäck sowie das Schlürfen einer Tasse Cappuccino und das Weglöffeln eines Bechers Müsli in der Morgensonne nehmen weniger Zeit in Anspruch als die Kontrollen der mit mir Angelandeten. Entsprechend rollen die Räder wieder, noch lange bevor das letzte motorisierte Vehikel inspiziert ist. Meine Bedenken jedoch, Anführer eines Staus zu werden, erweisen sich als gegenstandslos. Nicht, dass mich die kalte, klare Polarluft beflügelte, Rekord verdächtige Geschwindigkeiten zu erreichen. Ganz im Gegenteil. Die gut 600 Meter Höhenunterschied, die sich auf zehn Kilometer verteilen, lassen mich eher Gefahr laufen, von Fußgängern überholt zu werden als das ich mit Tour-de-France Protagonisten konkurrieren könnte. Nichts desto trotz fühle ich mich bei der Kurbelei prächtig. Den ersten Pass bewältige ich ohne schieben. Dass die Steigungen zwischenzeitlich zehn Prozent erreichen? Macht nichts. Bin dennoch begeistert. Es ist ein Festival für die Sinne. Die Luft, der knatscheblaue Himmel, die Sonne, der erste kleine Wasserfall am Straßenrand nach nur vier Kilometern, die Wasser gefluteten Wiesen, die geschlossene Schneedecke ab 400 Meter Höhe, der Blick auf die umliegenden Gipfel auf dem Pass, die Ruhe – überholt mich nicht gerade ein Auto oder kommt mir eines entgegen, ich höre nur meinen Atem. Bestenfalls noch irgendwo Wasser rauschen. Sonst nichts. Nichts als Stille. Es ist herrlich. Selbst in meinen kühnsten Vorstellungen hatte ich es mir schöner nicht erträumt.

--- Fortsetzung folgt, bei Interesse ---
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