TAG 7 | 21.8.2020 FREITAG
Heute wird’s nochmal richtig geil. Nicht nur das Wetter, sondern auch die Landschaft. Zu guter Letzt erwartet mich am Abend dann auch noch die schönste Überraschung, die ich mir wünschen kann. Aber der Reihe nach.

Das gute Wetter vom Vorabend hält noch ein wenig an. Bei Sonnenschein und nur vereinzelten kleinen Wolken geht es in der Früh los. Erstmal nach Osten. In der Nähe von P774 querer ich eine größere, mit Schnee gefüllte Rinne.

Ich versuche die steilen Hänge im Süden zu umgehen, lande aber genau mittendrin. Vielleicht hätte ich auf der Online Karte auch einfach mal weiter rein zoomen sollen. Naja, jetzt haben wir den Salat. Eigentlich wäre ja umkehren schlau gewesen und den ganzen Schlamassel am besten umgehen.

Gerade so sieht es aber noch machbar aus schräg von hier, Richtung NO wieder in weniger haariges Gelände zu kommen. Eine viertel Stunde später, mit viel Suchen und auf allen Vieren die grasigen Stellen hoch erreiche ich menschenfreundlicheres Gelände.

Das hat Nerven gekostet. Noch ein Stück weiter, dann muss ich einen Abstieg zu den Seen bei P728 finden. Mhm, wirklich einfach ist das hier immer noch nicht. Steil geht es über ein Blockfeld mit großen Brocken runter. Das ist mir zu haarig. Ich teile mein Gepäck auf und klettere dreimal runter und wieder hoch. So geht’s auch. Jetzt ist alles unten. Trotz aller guten Vorsätze gibt’s von dieser Schlüsselstelle keine Fotos.

Noch ein paar Schritte und dann ist erstmal Mittagspause. Auch von hier unten kann ich keine wirklich bessere Stelle finden. Jetzt, beim Schreiben des Berichts schaue ich mir nochmal die Online Karte an. Alternativen finden ich keine, wenn man hierher will, dann wohl so wie ich es gemacht habe.

Ach so. Ich habe ja noch gar nicht erwähnt was jetzt der neue Plan ist. Die Wettervorhersage hat mir ja meine eigentliche Route zerlegt. Der aufmerksame Leser wird bemerkt haben, dass ich schonmal die Litlvasshytta erwähnt habe. Das ist erstmal der Plan für heute. Dort will ich die kommenden Tage Regenwetter abwarten und wenn es klappt von dort wieder nach Westen zum Vistvasselva oder den Vistvatnet. Mal sehen.


Nach der Mittagspause geht es erstmal direkt nach Süden, um den Wanderweg ins Eiterådalen zu erreichen. Die namenlose Ebene zwischen Vistfjellet und Vistfjellan ist ein wahres Kleinod. Der rundgeschliffene Fels, überall Bäche – wunderschön. Ein bisschen Geduld braucht man um da hindurch zu navigieren, aber ich genieße es. Noch zumindest. Bald komme ich ganz schön ins Schwitzen und mache nur noch kleine Schritte, mit vielen Pausen dazwischen. War wohl keine schlechte Entscheidung gestern einen Ruhetag eingelegt zu haben.


Als ich dann endlich den Wanderweg erreiche, folge ich ihm nach Osten. Das zieht sich. Hoch auf 900 Hm, eine gefühlte Ewigkeit über zahllose Kuppen. Hier oben weht ein starker, saukalter Wind, der den Wetterwechsel bereits erahnen lässt. Trotzdem ist es sehr schön hier oben, nur richtig genießen kann ich es nicht. An eine längere Pause ist nicht zu denken.



Endlich! Der Abstieg beginnt. Mit grandiosem Ausblick auf das Sæteråsen geht es abwärts. Meist leicht zu gehen, alle paar Meter eine Markierung. Einzig der Abstieg über ein großes, übel steiles Schneefeld erfordert Konzentration und Nerven. Bei Nebel ist die Stelle sicherlich problematisch, weil man die nächsten Markierungen nicht sehen kann und erstmal nicht erwarten würde, dass es da lang geht.



Danach wird der Weg wieder leichter, wenn auch weiterhin steil. Ich genieße es das Hirn ausschalten zu können und einfach von Markierung zu Markierung zu watscheln. Der Blick nach Süden, Richtung Vistmannen und Visttindan wird immer schöner.






Im Tal angelangt geht es in tiefem Matsch durch das Moor. Dieser Weg wird viel begangen. Zumindest ein einziges Mal im Jahr, dann aber von sehr vielen Leuten. Hier wird jährlich, im Rahmen einer Wanderung zum Austerfjorden dem norwegischen Widerstand gedacht. Entsprechend sehen die Pfade im Moor aus. Was für eine Schlammschlacht.
Der Fjellskardelva ist leicht zu furten, aber das mag ein, zwei Tage nach starkem Regen anders aussehen. So komme ich aber mit Steinehüpfen drüber. Am Ufer versuche ich den gröbsten Schlamm von den Stiefeln abzubekommen und mache nochmal kurz Pause.
Noch 5km bis zur Litlvasshytta. Das sollte noch zu schaffen sein, auch wenn ich schon ganz schön am Ende bin. Eineinhalb, vielleicht zwei Stunden. Weiter geht’s durch noch mehr Moor und Matsch, dann endlich festerer Boden.
Ich trete aus einem Wäldchen – und stehe vor einer Hütte. Auf der Karte ist gar nichts eingezeichnet. Ich gehe näher und schaue auf den knorrigen Ast, in den der Name der Hütte geschnitzt ist. Fjellgarden. Ich erinnere mich, den Namen habe ich schonmal gehört. Die Hütte ist von Statskogen, also unverschlossen und kostenfrei. Da gibt es nicht viel zu überlegen. Hier bleibe ich. Einem geschenkten Gaul und so… Ich vermute eh, dass die Litlvasshytta verschlossen ist und ich hab‘ keinen Schlüssel.

Dann werde ich das schlechte Wetter also hier aussitzen. Besser geht’s eh nicht. Außer mir ist auch niemand da. Ich sitze in der späten Sonne, trinke meinen Schnapps und rauche, als mir auffällt, dass hier etwas fehlt.
Etwas essentielles.
Wasser.
Wer baut denn bitte einen Bauernhof, genau das war die Hütte nämlich um 1850 als sie erbaut wurde, irgendwo hin wo es kein Wasser gibt. Ich glaube mich auch nebulös zu erinnern woher mir der Name der Hütte bekannt vorkommt. Aus einem Bericht von jemandem, der da kein Wasser gefunden hat. Der entspannte Teil des Abends hat also wohl noch nicht angefangen.
Ich schnappe mir zwei Kanister und folge dem Pfad talwärts. Zweihundert Meter von der Hütte, ein kleines Rinnsal nur wenige Zentimeter tief und schön bernsteinfarben. Wie alles was hier so aus dem Moor tropft. Das kann es eigentlich nicht gewesen sein, da muss doch noch was Besseres kommen. Ich laufe weiter und weiter. Irgendwann habe ich den Punkt erreicht, an dem ich schon so lange gelaufen bin, dass ich halt ganz bis zum Fluss runter laufe. 100 Hm unter der Hütte und deutlich länger gelaufen als man zum Wasser holen laufen will, komme ich an einer Seilbrücke an. Unter mir tost der Fluss. Jetzt stehe ich fast am Wasser, aber hier gibt es keine Chance Wasser zu holen.
Wieder hoch zur Hütte.
Ich laufe die Wiese ab, folge dem Weg in die andere Richtung, laufe nochmal die Wiese ab. Ich versuche mich am Spurenlesen. Gibt es irgendwo einen Pfad in die Pampa, wo man vielleicht das Wasser holt. Auch nix. Keine Quelle, keine Pumpe, kein Rinnsal.
Ok. Einer der Kanister bleibt hier, stattdessen brauche ich meine Trinkflasche. Wieder runter zu dem Rinnsal das ich schon vor 45 Minuten entdeckt und für ungeeignet befunden habe. Mit der Wasserflasche kann ich gerade so Wasser aus der Pfütze schöpfen, das ich dann in den Kanister gieße. Es dauert ewig bis die 10 Liter voll sind. Wieder hoch. Anstrengend.
Zurück an der Hütte will ich dann schnell den Ofen einheizen. Das kann doch nicht sein. Randvoll mit Müll. Was ist eigentlich bei den Leuten kaputt, die sowas machen?
30 Minuten später habe ich den Dreck in brennbar und Sondermüll sortiert, bin zweimal raus gegangen um die Asche weg zu bringen und habe mit der stumpfen Axt Holz gehackt. Dauert alles ein bisschen länger, bis endlich ein Feuerchen brennt. Mit der Zeit wird es wärmer in der Hütte und ich wasche mich und meine Klamotten. Die Hütte ist ziemlich groß und es gibt kein Licht, weder Kerzen noch Lampenöl. So finde ich es doch bald recht unbehaglich und entscheide mich doch noch mein Zelt hinter der Hütte aufzubauen. Da kann ich wenigstens den Wind und den Regen hören.
Ein langer, ereignisreicher Tag geht zu Ende.
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