Dienstag, 10.09.19
Verloren im Nebel?
Als ich, früh gegen 6 Uhr, aufwache, weiß ich natürlich nicht, welches Spektakel ich nach Mitternacht verpasst habe.

Das hat den Vorteil, dass ich mich völlig unbeeindruckt mit dem Abbau meines Lagers beschäftigen kann.
Schon gegen 7 Uhr kommt Tillmann bereits startklar den Hang herunter. Hier trennen sich unsere Wege, denn Tillmann will zum Ridock, und für mich geht es auf dem direkten Weg zum Skierffe.
Während des Zeltabbaus ist es sehr neblig, aber die Sicht ist die ganze Zeit recht gut; ich kann mindestens 1000-1500m weit blicken. Deshalb mache ich mir über den Nebel zunächst wenig Gedanken.

Camp 10 am Lulep Vássjájågåsj
Etwa gegen 9 Uhr breche ich auf. Ich habe keine Eile, denn bis zur Hochebene, am Fuß des Skierffe ist es nicht allzu weit. Das sollte ich heute gut schaffen können.
Den Lulep Vássjájågåsj furte ich problemlos gleich auf der Höhe meines letzten Camps. Anschließend halte ich mich weitgehend konstant auf einer Höhe um 1000 Meter, ganz so, wie es Grundsten empfiehlt. Es ist ein gutes Gehen und Vorankommen, obwohl der Nebel langsam dichter wird und eine Orientierung an markanten Geländepunkten immer schwieriger wird.
Mein GPS nützt mir da nur wenig, da ich die kostenlos - heruntergeladene Karte besser vorher noch genauer in Augenschein genommen hätte. Diese ist jedenfalls - trotz der angegebenen Höhenlinien - kaum brauchbar, da nicht einmal der Skierffe namentlich eingezeichnet ist. Es fehlen auch Flüsse und Seen. Merkwürdig, dass mir das vorher nicht aufgefallen ist.

Das kümmert mich im Augenblick aber noch wenig, da ich mich bisher immer auf meine Karten und meinen Orientierungssinn verlassen konnte.
Fotos mache ich heute gar keine mehr. Was soll das auch bringen?
Ich habe schon das eine, oder andere gute Nebel - Foto gesehen, aber auch ganz viele schlechte.
Fotos bei dezentem, oder minimalen Nebel - OK, aber bei dieser Nebelsuppe? Besten Dank, da verzichte ich lieber.
Ich habe offenbar auch so schon genug mit meiner Orientierung zu tun, so sehr, dass mir das Zelt erst im letzten Moment auffällt. Hier plötzlich ein Zelt, und das mitten auf meinem Weg??
Etwas später bemerkt, und ich wäre da mitten hinein gelaufen.


Ja, die Sicht wird zunehmend schlechter.....

Sebastian ( hier im Forum als Sebastianos unterwegs ) ist gerade erst wach geworden und hat die Ruhe weg. Es stellt sich in unserem Gespräch schnell heraus, dass er derjenige gestern war, der dem Elch noch mal ein ganzes Stück näher gekommen ist. Er berichtet von dem tollen Nordlicht, dass er gestern Nacht, gegen 00.30 Uhr, fotografiert hat.
Ich muss bestimmt ein fassungsloses und wohl auch dämliches Gesicht gemacht haben, denn natürlich bekomme ich eine Ahnung davon, was mir da ( wieder mal? ) entgangen ist.

Er will auch heute noch zum Skierffe gehen und erzählt, dass er bei diesen Verhältnissen einem vorher heruntergeladenen GPS - Track folgen will. Ich frage ihn, ob wir nicht zusammen gehen wollen, denn mein GPS gibt leider nicht soviel her. Er meint daraufhin, dass sein Aufbruch noch dauern wird, bestimmt 2 Stunden, das wolle er mir nicht zumuten.
Ich erkenne, dass ich wohl allein weitergehen muss, und wir wünschen uns noch eine gute Tour.
Schon bald erreiche ich den Buovdavárásj, wo ich für die Furt wieder etwas tiefer und recht steil absteigen muss. Auf der anderen Seite geht es dann wiederum steil hinauf.
Zurück auf der Höhe um 1000m stoße ich auf eine Wegmarkierung. Mittlerweile ist die Sicht nur noch um die 100m, doch ich finde erneut eine Wegmarkierung, unmittelbar vor einer weiteren, problemlosen Furt. Noch eine weitere Wegmarkierung folgt, aber dann bleibt es dabei, denn die nächste Markierung kann ich einfach nicht finden.
Ich laufe hier mittlerweile nahezu „blind“ durch die Landschaft, denn die Sicht beträgt nun nur noch 60-80m, meist nur noch um die 50m.
Mittlerweile ist es Nachmittag geworden, doch vom Licht her könnte es auch Abend sein.


Ich befinde mich jetzt in der Geröll - Zone am Gierdogiesjtjåhkkå. Das ist eine echte Steinwüste und im Nebel entpuppt es sich für mich als wahrer Irrgarten.
Bin ich zu niedrig? Ich kann es kaum noch beurteilen. Ich steige ein kleines Stück höher, doch dort ist es ausgesetzt und der Weg führt ins Leere.
So langsam dämmert mir, dass ich mich verrannt, verstiegen, oder was auch immer, habe.
Nein, bitte nicht hier in der Fels Zone, da gibt es für ein ungeplantes Lager kaum Wasser.
Während ich noch mit mir und meiner unerwünschten Situation hadere, höre ich auf einmal Stimmen. Aha, denke ich, ist es jetzt schon soweit?


Stimmen? Es sind eher deren Fetzen und ich kann sie kaum verstehen.
Mir ist klar: Ich müsste jetzt nur rufen und dann würde ich schon weiter sehen. Rufen? Mein Innerstes widersetzt sich, denn ich will doch hier nicht um Hilfe rufen!
Schon wird es still und ich höre nichts mehr….Stille, nichts.
Ich beginne bereits mit mir zu hadern, da meine ich eine erneute Stimme zu erkennen: „Hallo“, rufe ich jetzt ganz spontan, „Tillmann“??
„Nein“, schallt es zurück, „Sebastian“! Ich laufe auf die Stimmen - Quelle zu und dann tauchen Sebastian und zwei weitere, deutsche Wanderer aus dem Nebel auf.
Die beiden Wanderer haben sich Sebastian angeschlossen, obwohl auch sie einen GPS - Track haben. Der ältere der Beiden hat nicht seinen besten Tag und stürzt gerade der Länge nach hin. Uhh.....eine harte Landung war das!
Fluchend rappelt er sich wieder auf. Sebastian erzählt, dass dies nun zum wiederholten Male vorgekommen ist. Die Schienbeine wären schon ganz blau und aufgeschlagen!

Der Gute ist fix und fertig. Wir besprechen mit seinem Kollegen, dass es das Beste ist, wenn die Beiden sich ein Lager suchen und dann morgen, ausgeruht und bei hoffentlich besserer Sicht, ihren Weg fortsetzen.
Sebastian möchte gleich weiter und ich schließe mich ihm nur allzu gerne an.
So turnen wir kreuz und quer durch die Steinwüste am Gierdogiesjtjåhkkå, balancieren im dichten Nebel über nasse Blöcke und rutschigen Boden. Die Stöcke kommen hier voll zum Einsatz und nur Dank ihrer Hilfe kann ich den einen, oder anderen Sturz vermeiden. Sebastian legt ein gutes Tempo vor, und manchmal muss ich mich sputen, ihm zu folgen. Zielsicher findet er eine Markierung nach der anderen und ich bin froh, einen so entschiedenen Scout vor mir zu haben.
An dieser Stelle möchte ich mal meinen Dank loswerden: Sebastian, perfektes pathfinding, du hast mir meinen A…. gerettet!

In diesem Nebel habe ich keine Vorstellung mehr, wie weit es noch bis zur Hochebene vor dem Skierffe ist, doch irgendwann hat das „Herumgeturne“ ein Ende.
Gegen 19 Uhr erreichen wir - na, klar, im dichten Nebel - die Hochebene.
Nach etwas Tappen im Selbigen finde ich einen passablen Platz für mein Camp, bereits außer
Sichtweite ( haha…

Bis zum Wasser sind es etwa 200 Meter, aber das ist mir gerade völlig egal.
Zelt aufbauen, waschen, Wasser holen, einen Tee machen und essen - mehr geht nicht.
Im Schlafsack liegend habe ich keine Muße mehr, über das Erlebte groß zu reflektieren.
Da ist ganz schnell Schicht im Schacht.
Morgen, das haben wir noch schnell ausgemacht, geht jeder wieder auf eigene Faust.
Skierffe bei Nebel? Hmm….geht da was?

Camp 11 auf der Hochebene - bereits am anderen Morgen. Der Skierffe im Hintergrund.....im Nebel.

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