[EE] Einmal quer durchs Buchtenland (Lahemaa-Nationalpark)

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    [EE] Einmal quer durchs Buchtenland (Lahemaa-Nationalpark)

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    Mitreisende
    Einmal quer durchs Buchtenland (Lahemaa-Nationalpark, Estland)



    Reisezeitraum: 19.6.-22.6.2016

    Vor Mittsommer waren mein Freund und ich für ein paar Tage in Nord-Estland unterwegs. Da Estland ja nicht unbedingt das Trekkingziel schlechthin ist, dachte ich, dass das die perfekte Gelegenheit ist, mich an meinen ersten Reisebericht zu wagen. Im Nachhinein hab ich dann allerdings festgestellt, dass es hier im Forum schon zwei Berichte zu Estland gibt. Und zwar ausgerechnet von der Gegend, in der wir auch unterwegs waren. Naja, aller guten Dinge sind wie bekannt drei. Das nächste Mal suchen wir uns dafür ne andere Ecke aus, damit es hier ja nicht den Anschein erweckt, dass es in Estland nur einen einzigen sehenswerten Wanderweg gibt. Versprochen.

    Bei unserer Route handelt es sich mehr oder weniger um den allerersten Abschnitt des recht neuen Fernwegs von Oandu nach Ikla, der quer durch Estland verläuft und dabei auch um die erste Hälfte des Kõrveradas, einem etwas älteren Wanderweg, der mit dem ersten Teil des Fernwegs identisch ist.
    Da ich aber unbedingt auch noch an die Ostsee wollte und sich das Bild vom romantischen Zelten am Meer so in mein Hirn eingebrannt hatte, hatten wir unseren Startpunkt etwas in den Norden verlegt.
    Die geplante Strecke sah letzten Endes wie folgt aus:
    1. Tag: Altja - Mustoja (Anreise abends, < 3km)
    2. Tag: Mustoja - Oandu - Võsu (15km)
    3. Tag: Võsu - Nõmmeveski (18km)
    4. Tag: Nõmmeveski - Kalmeoja (12km)
    5. Tag: Kalmeoja - Viru raba - Loksa tee (< 7km, Abreise nachmittags)

    Wen es mal nach Estland verschlagen sollte, dem kann ich generell diese Seite ans Herz legen: http://loodusegakoos.ee/en. Dort lassen sich alle möglichen Informationen zu verschiedenen Wanderwegen und frei zugänglichen Zelt- und Grillplätzen finden. Wir haben an solchen Plätzen übernachtet und hatten dabei das Glück, das kaum was los war. Ansonsten gilt in Estland aber auch das Jedermannsrecht, d.h. Zelten kann man fast überall.

    OT: Da mein Freund mir beim Berichtschreiben etwas über die Schulter geguckt hat, hat das Forum gleich noch ein neues Mitglied bekommen - Nachtwuchs, der Herr der Wortspiele.

    Tag 0 (18.6.)

    Es ist Samstagmorgen. Wir liegen auf dem Dachboden und hören den Regen auf uns herunterprasseln. Seit gestern schüttet es in Nordestland ununterbrochen. Bestes Wetter, um sich zuhause bei einer Tasse heißer Schokolade eine schöne Zeit zu machen. Aber nicht unbedingt das beste Wetter, um im Waldrand am Meer zu zelten.
    Wir raffen uns letztendlich doch dazu auf, aufzustehen und unsere Sachen zu packen. Heute Abend wollen wir den Bus nach Altja nehmen, von dort aus zum Mustoja-Strand laufen und irgendwo am Meer unser Zelt aufschlagen, bevor es morgen früh weiter Richtung Süden geht.
    Ein letzter Blick auf den Wetterbericht lässt erneut Zweifel aufkommen: Dauerregen bis Sonntagmittag, teilweise sogar Sturmwarnungen. Wir befragen noch den norwegischen und den russischen Wetterdienst, doch alle Vorhersagen sind sich einig – der Regen wird so schnell nicht nachlassen. Als uns dann noch angeboten wird, dass wir heute Abend die Sauna heizen könnten, ist an einen Aufbruch nicht mehr zu denken. Wir beschließen kurzerhand, unsere Tour erst morgen früh zu starten und dann direkt von Altja Richtung Süden zu laufen. Die Ostsee wird also fürs Erste warten müssen.
    Wir nutzen den restlichen Tag, um Busverbindungen rauszusuchen und unsere Rucksäcke zu packen. Da dies so gesehen mein erste Wandertour ist, die sich über mehr als 1-2 Tage zieht, ist meine Ausrüstung dementsprechend verbesserungswürdig. Das etwas sperrige Drei-Mann-Zelt wird im großen 75L-Rucksack verstaut, genau wie einer der beiden Schlafsäcke, etwas Kleidung und ein paar andere Dinge. Die zwei Schlafmatten werden unten am Rucksack angebracht, fertig. Der andere Schlafsack, das Essen und die Gaskartusche kommen in den zweiten, kleineren Rucksack, der eigentlich so gar nicht fürs Wandern gemacht ist, aber mangels Alternativen trotzdem mitkommt.
    Als wir schließlich den Abend in der Sauna ausklingen lassen und uns daraufhin erholt in unser Matratzenlager kuscheln, während es draußen nach wie vor wie aus Kübeln gießt, sind wir doch froh, dass wir diese Nacht ein festes Dach überm Kopf haben.


    Tag 1 (19.6.): Altja – Oandu – Võsu (13,8 km laut GPS)

    Wir stehen früh morgens auf. Es regnet nachwievor, im Fernsehen zeigen die Nachrichten gerade die Auswirkungen des Sturmes von letzte Nacht und wir sind wieder einmal froh, die richtige Entscheidung getroffen zu haben.
    Nach einem ausgiebigen Frühstück machen wir uns auf dem Weg. Zuerst mit dem Zug nach Tallinn, von dort aus mit der Tram zum Busbahnhof, von wo aus wir den Bus nach Altja nehmen wollen. Am Busbahnhof machen wir noch einen kurzen Abstecher zum Supermarkt um die Ecke, um unseren Wasservorrat aufzufüllen. Im Supermarkt haben sie gerade Outdoorzeug im Angebot und wir witzeln, ob wir nicht noch schnell unsere billigen Schaumstoffmatten gegen ein Paar aufblasbare tauschen sollten. (Anmerkung von Nachtwuchs: sein Rücken hätte es ihm gedankt - aber im Nachhinein ist man ja immer schlauer.) Dann geht es auch schon los – wir sitzen im Bus nach Altja, mit uns vielleicht noch eine Handvoll anderer Leute, die allesamt vor uns aussteigen.
    Endlich hält der Bus in Altja. Es ist halb zwölf, es regnet immer noch, doch wir stören uns nicht weiter daran. Altja ist ein kleiner Ort, von dessen Sorte es viele in Estland gibt: wenig Häuser mit viel Grün dazwischen. Wir machen ein paar Fotos und beschließen dann der Einfachheit halber einfach der Straße bis nach Oandu zu folgen, anstatt querfeldein durch die Wälder zu laufen. Viel Verkehr gibt es eh nicht.


    Toomarahva - die einzige Touristenbleibe in Altja


    Zwischen Altja und Oandu

    Auf dem Weg nach Oandu kommen wir an einem kleinem Wanderweg vorbei, dem Koprarada – zu Deutsch Biberweg, ein 1km-langer Rundweg. Wir folgen allerdings weiter der Straße und kommen so recht bald zum Anfang des Kõrverada, dessen erste Hälfte wir innerhalb der nächsten Tage laufen werden. Eigentlich hatten wir vor, noch einen kurzen Abstecher zum Naturzentrum (Oandu looduskeskus) in Oandu zu machen, um eventuell nach besserem Kartenmaterial zu schauen. Doch laut Infotafel hat dieses sonntags eh zu und so müssen wir wohl oder übel mit den Karten auskommen, die ich mir von der RMK-Seite runtergeladen und ausgedruckt hatte.
    Mit dem Anfang des Kõrverada lässt auch der Regen so langsam nach. Und wird dafür leider durch ein anderes, schlimmeres Übel ersetzt – Mücken, die für die nächsten paar Tage unsere mehr oder weniger beständigen Reisebegleiter bleiben.


    Am Anfang des Kõrverada

    Das Kõrve- in Kõrverada steht übrigens für einen großen, unbewohnten Wald mit Mooranteil und fasst den Wanderweg somit recht gut zusammen. Heute führt er uns über alte, kaum befahrene Waldwege und schmale Trampelpfade quer durch dichte Kiefern- und Birkenwälder.


    Die Wegbeschaffenheit für den Rest des Tages




    Wasser haben wir auch gefunden


    Die morsche Treppe müssen wir zum Glück nicht runter...


    Auf der Holzbank daneben hat scheinbar jemand etwas zu lange Pause gemacht


    300g Motivation pur

    Im ganzen Wald begegnen wir keiner einzigen Menschenseele, bis wir schließlich in die Nähe von Võsu kommen, wo ein paar Häuser am Waldrand stehen und hin und wieder auch mal ein Auto vorbeifährt. Wir waren etwas mehr als vier Stunden unterwegs, es ist also erst Nachmittag, als wir unser Zelt am Lagerplatz in Võsu aufschlagen. Wir haben Glück – als wir ankommen, ist ein estnischen Pärchen gerade dabei, das Grillzeug wieder einzupacken und abzufahren. Den Rest des Abends haben wir den ganzen Lagerplatz für uns, der zugegeben mit mehreren Grillstellen und seiner großen Rasenfläche mehr als genug Platz für weitere Camper geboten hätte.





    Der Campingplatz liegt gleich am Võsu-Fluss. Wir nutzen die Gelegenheit, um unseren Campingkocher mit ein paar Fertigsuppen einzuweihen. Um Trinkwasser zu sparen, kochen wir Flusswasser auf… Nur um nach dem Essen auf einem Schild zu lesen, dass es in der Nähe auch eine Trinkwasserquelle gibt.
    “Trinkwasser gibt es auf der anderen Seite des Weges”, steht da auf Estnisch. Nur wo genau? Wir versuchen es zuerst an dem Weg, auf dem wir hergekommen sind, doch dort lässt sich nichts finden. Ein Stückchen weiter führt der Weg zu einer größeren Straße, bis zu der wir laufen. Aber dort eine Trinkwasserquelle? Eher unwahrscheinlich. Also wieder umgekehrt. Zurück am Zeltplatz fällt uns dann auf, dass an der Wiese ja noch ein eher unbefahrener, unscheinbarer Weg vorbeiführt. Wir folgen dem Trampelpfad ins Dickicht auf der anderen Seite und tatsächlich – da ist das Trinkwasser. Gut getarnt hat es sich auf jeden Fall:



    Den Rest des Tages versuchen wir, die Zeit irgendwie herumzuschlagen. Der Herr Nachtwuchs lernt, Feuerholz mit Holz zu hacken (was ihm am Ende sogar gelingt), und ich versuch mich an ein paar Kohlezeichnungen. Als wir die Gegend erkunden, finden wir sogar ein paar Walderdbeeren, die jedoch leider noch nicht wirklich rot sind. Wir kochen noch unser Abendessen – dieses Mal sogar mit Trinkwasser – und stellen fest, dass Fertigkartoffelbrei gar nicht so schrecklich schmeckt wie erwartet. Wir kühlen unsere Füße im kalten Flusswasser und machen ein paar Fotos. Als wir letzten Endes vor den Mücken in unser Zelt flüchten wollen, stellen wir fest, dass dieses mittlerweile von Ameisen erobert wurde, die sich vor allem auf unseren Rucksäcken tummeln, die wir unachtsam vorm Zelteingang abgelegt haben.
    Also schnell noch das Zelt auf die andere Seite der Wiese verlegen, wo zumindest auf dem ersten Blick keine Ameisenhügel in der Nähe sind.


    Der Herr hochkonzentriert am Holzhacken...


    ... "Schau mal, ich kann das sehr wohl!"

    Das Holz haben wir am Ende zwar nicht gebraucht, aber nach so harter Arbeit schläft es sich natürlich gleich viel besser.

    (Fortsetzung folgt...)
    Zuletzt geändert von Schneevogel; 29.06.2016, 22:43.

  • Sternenstaub
    Alter Hase
    • 14.03.2012
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    #2
    AW: [EE] Einmal quer durchs Buchtenland (Lahemaa-Nationalpark)

    danke, dein Bericht beginnt schon einmal sehr spannend. Da bin ich gespannt, wie es weiter geht. Seit langem plane ich eine Ostseeumradelung, wo man ja automatisch in EE vorbei kommt.

    freu mich schon, wenn es weiter geht!
    Two roads diverged in a wood, and I—
    I took the one less traveled by,
    And that has made all the difference (Robert Frost)

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    • Schneevogel
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      • 12.04.2016
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      #3
      AW: [EE] Einmal quer durchs Buchtenland (Lahemaa-Nationalpark)

      Gern geschehen, Sternenstaub! Freut mich, wenn jemand mit dem Geschreibsel hier etwas anfangen kann.

      Ostseeumradelung klingt super, ich bin ja generell gern an der Ostsee unterwegs, auch wenn Radfahren so gar nicht meins ist. Ich freu mich jedenfalls dann schonmal auf den Bericht davon.

      Hier geht es bald weiter. Text für Tag 2 ist schon fertig, nur die passenden Bilder müssen noch rausgesucht werden.

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      • codenascher

        Lebt im Forum
        • 30.06.2009
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        #4
        AW: [EE] Einmal quer durchs Buchtenland (Lahemaa-Nationalpark)

        Mir gefällt das Geschreibsel ebenfalls sehr, freue mich schon auf die Fortsetzung!

        Bin im Wald, kann sein das ich mich verspäte

        meine Weltkarte

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        • Schneevogel
          Erfahren
          • 12.04.2016
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          #5
          AW: [EE] Einmal quer durchs Buchtenland (Lahemaa-Nationalpark)

          Und hier ist sie auch schon, die Forsetzung:

          Tag 2 (20.6.): Võsu – Nõmmeveski (17,3 km laut Karte, 21,3 km laut GPS)

          Nach einer mehr oder weniger erholsamen Nacht und einem leckeren Frühstück (das heißt für mich gibt es lecker Hafebrei, mein Freund hat seit dem Kungsleden allerdings eine Haferbrei-Phobie, daher lebt er von trocken Brot... und Salami ) geht es am nächsten Tag weiter Richtung Nõmmeveski. Heute ist streckenmäßig der längste und auch sonst der erlebnisreichste Tag – also Achtung, es kommen viele Bilder.
          Wir folgen weiter den Markierungen des Weitwanderweges, die uns zunächst zur großen Straße führen, an dem wir an Tag zuvor nach der Trinkwasserquelle gesucht haben. Wir müssen der Straße ein Stückchen folgen, bis wir schließlich in einen Waldweg einbiegen dürfen. Zum Glück ist verkehrsmäßig – wie aus Estland gewohnt – fast gar nichts los, daher ist das Ganze halb so schlimm. Heute ist ein recht warmer Tag und die Mücken fühlen sich in dem recht trockenen Kiefernwäldchen wohl nicht wirklich zuhause, weswegen ich bei unserer ersten Pause beschließe, meine lange Hose doch gegen die kurze zu tauschen.


          Rechts am Baum die weißrote Markierung, die den Fernweg von Oandu nach Ikla kennzeichnet

          Bei unserer Walddurchquerung kommen wir auch alsbald an einem Hof vorbei – dem Lemuselja talu. Schilder auf Estnisch und auf Englisch klären uns darüber auf, dass die Anwohner uns Wanderer ihr Grundstück betreten lassen, solange wir uns zu benehmen wissen. In dem Fall hätten wir auch von den Hunden nichts zu befürchten, diese wären nur neugierig. Als wir das Grundstück überqueren, ist jedoch von den Hunden wie auch von den Herrchen weit und breit nichts zu sehen, der Hof wirkt wie ausgestorben.


          Lemuselja talu

          Im Wald hinter dem Hof auf einer kleinen Anhöhe liegt das Lemuselja-Familiengrab, das müde Wanderer dazu auffordert, sich dort für eine Weile auszuruhen:


          Lemuselja perekalmistu

          Wir machen dort jedoch nicht lange Halt, uns zieht es weiter in den Wald hinein. Wer viel für lichte Kiefernwälder übrig hat, der ist hier in Nordestland im Paradies. Ich selbst wäre es bestimmt auch, wenn wir statt im Juni erst im späten Sommer unterwegs wären. Denn hier gibt es dann vor allem eins: Massen an Blaubeeren.
          Apropos Blaubeeren, so langsam bekommen wir wieder Hunger und so nutzen wir den Unterstand an einer Waldkreuzung, um uns ein paar Fertigsuppen zu kochen. Der Unterstand nennt sich passenderweise Kuueristi-Puhkekoht (Kuueristi- heißt soviel wie 'Sechs-Kreuz'), da sich hier sechs Waldwege kreuzen. Während wir unsere Suppen essen, fährt ein Auto vorbei und wenig später wieder in entgegengesetzte Richtung zurück. Mehr Menschen begegnen wir im ganzen Wald nicht.
          Die Schilder am Unterstand verraten uns, dass wir gerade mal 6km hinter uns gebracht und noch 11km vor uns haben. Wir machen uns deswegen allerdings keine Eile – denn wir haben noch mehr als genug Zeit. Denken wir zumindest.


          Unser Unterstand: Kuueristi-Puhkekoht

          Wir machen uns wieder auf den Weg. Nacht etwa einem Kilometer endet der Wald und wir treffen wieder auf ein paar Höfe. Mein Freund macht ein paar Bilder von einer Ruine am Waldrand, denn wer interessiert sich schon für die schönen Höfe mit den gut erhaltenen Holzhäusern, die daneben stehen?


          Neben der Ruine hat man anscheinend schon angefangen, Holz fürs Mittsommerfeuer zu sammeln.

          Weiter geht es einen Schotterweg entlang. Neben uns Wiesen und Gebüsch, etwas Abwechslung zu den Kiefern und eigentlich auch ganz schön anzusehen. Wir erreichen das Zentrum von Võhma, einer kleinen Ortschaft bestehend aus ein paar Häusern, die wohl in Deutschland nicht einmal den Titel “Dorf” verdient hätte. Laut Wikipedia leben hier ganze 36 Menschen. Immerhin gibt es hier sogar eine Bushaltestelle, deren Bank wir nutzen, um kurz Rast zu machen. Hier fahren fast täglich sogar zwei Busse. Auf der anderen Seite der Straße steht ein Schild: “Võhma pood”. Einen Laden gibt es hier also auch. Eigentlich brauchen wir nichts, da wir nicht damit gerechnet haben, in den paar Tagen auf irgendeinen Laden zu treffen. Doch so ein Eis wäre bei dem Wetter eigentlich ganz schön...
          Wir gehen zum Laden, der jedoch leider alles andere als geöffnet aussieht. Zu den eigentlichen Öffnungszeiten gibt es allerdings auch keine Information. Wäre aber auch zu schön gewesen.


          Der Laden in Võhma


          Võhma

          OT: Nachtrag: Nach unserer Wanderung hab ich nach dem Laden gegooglet und einen recht neuen Artikel gefunden, in dem der Võhma pood als Sehenswürdigkeit empfohlen wird. Anscheinend handelt es sich dabei nicht bloß um einen Dorfladen, sondern gleichzeitig um ein Café/Museum, in dem man auch mal eine kürzere Pause machen und sich vom Besitzer ein paar Lieder auf dem Akkordeon vorspielen lassen kann. Der Haken bei der Sache: der Laden hat keine offiziellen Öffnungszeiten, sondern hat einfach dann auf, wenn der Besitzer zu Hause ist. In unserem Fall war er das anscheinend leider nicht.

          Nach Võhma geht es weiter eine Landstraße entlang. Rechts und links von uns ist nur Wiese, dahinter nachwievor Wald. Neben dem Laden scheint Võhma noch eine weitere Sehenswürdigkeit zu haben: den Tandemägi. Neben der Straße steht ein Schild, dass uns auf ein paar archäologische Fünde hinweist. Hier gibt es auf einer Fläche von 75m x 20m mehrere Steingräber, die teilweise bis in das 1. Jahrhundert n. Chr. zurückdatiert wurden. Von den Gräbern sehen wir allerdings nichts, denn das Gras wächst hier so hoch, dass sich die Fundstelle nicht von den umliegenden Wiesen und Feldern abhebt. In unserem Fall siegt die Vernunft über die Neugier und wir suchen nicht nach den Gräbern, denn man muss es den Zecken ja auch nicht noch leichter machen.


          Bei Tandemägi

          Die Wolken am Himmel ziehen sich zusammen und es sieht so aus, als ob es zu einem Unwetter oder zumindest Regen kommen würde. Vorsichtshalber ziehen wir unsere Jacken an, nur um nach ein paar Metern zu merken, dass es viel zu warm ist, und sie dann wieder auszuziehen. Doch wir haben Glück, die Wolken bleiben zwar über uns, machen jedoch keine Anstalten uns zu begießen. Vorerst bleiben wir trocken.




          Lahemaa - wo selbst die Steine mal Pause machen

          Da der Landweg vorbei an Wiesen und Feldern zwar schön, aber auf Dauer doch etwas eintönig ist, sind wir froh, als es endlich wieder in den Wald geht. Lang hält die Freude jedoch nicht an, denn es gibt noch andere, die sich hier im Wald viel wohler fühlen als zwischen Blumen und Gräsern. Die Mücken haben uns wieder eingeholt und schwirren nun in Scharen um uns herum. In einem Anflug von Wahnwitzigkeit haben wir uns beim Packen gedacht, dass wir das Mückenspray getrost zu Hause lassen können, denn das Zeug würde ja nur bestialisch stinken und sowieso fast nichts bringen. Ich verfluche mich dafür, denn jede einzelne Mücke weniger wäre jetzt eine Erlösung gewesen. Mein Freund versucht, vor den kleinen Vampiren davon zu rennen, doch dies erweist sich nach ein paar Metern als kompletter Fehlschlag, als einer der Blutsauger irgendwie in seinem Auge landet.
          Vollkommen zerstochen sind wir mehr als überglücklich, als wir endlich in der nächsten Ortschaft – Joaveski – ankommen und zumindest den Großteil der Mücken hinter uns gelassen haben. Von dem Stückchen Wald gibt es daher auch keine Bilder, wir hatten ja alle Hände voll damit zu tun, uns die Blutsauger vom Leib zu halten. Vor allem die Laune meines Freundes ist angeschlagen, da sein eines Auge mittlerweile ziemlich rot geworden ist und er das Gefühl nicht loswird, dass er immer noch etwas im Auge hat.

          In Estland gibt es übrigens auch an die 700 Bären, von denen ein großer Teil hier in Lahemaa leben soll. Um als Wanderer einem Braunbären zu begegnen, muss man aber trotzdem einiges an “Glück” haben. In Joaveski bekommen wir dann aber doch einen zu Gesicht.



          Joaveski ist ein kleines, aber schönes Dorf. Es gibt einen Damm mit Brücke und viele Häuser direkt am Wasser. Wir machen kurz Rast am Damm, bevor es weiter durch die Ortschaft geht.


          Ein Rucksack macht Pause


          Joaveski

          Dem Herrn Nachtwuchs scheint es mittlerweile wieder besser zu gehen, denn er greift wieder zur Kamera. Natürlich interessieren ihn die langweiligen, schönen Häuser am Fluss kein Stück, stattdessen landen Perlen estnischer Architektur vor seiner Linse.


          Irgendwas ist hier noch nicht fertig...


          Sowas nennt man dann wohl "leicht windschief".

          Als er den schiefen Schuppen fotografiert, steht der Besitzer selbst im Garten und sieht uns etwas verwirrt an. Ich lächele entschuldigend. Ausländische Touristen, Sie wissen schon. Überhaupt ist hier in Joaveski mehr los als in den Dörfern, durch die wir zuvor gelaufen sind. Ansprechen tut uns aber niemand, denn schließlich sind wir ja in Estland, hier bleibt man für sich.
          In Joaveski müssen wir an eine Straße auf einmal rechts in den Wald einbiegen. Ein unauffälliger Trampelpfad führt uns zwischen die Bäume, teilweise unterbrochen von Holzstegen, die an Moorwanderungen erinnern. Die Holzstege lassen schon erahnen, dass es hier recht feucht ist, und dementsprechend gibt es hier auch wieder viele Mücken. Wir folgen dem Pfad, der schließlich wieder in einem breiterem Waldweg endet. Zu beschäftigt damit, vor den Mücken zu flüchten, schauen wir uns nicht wirklich um, sondern versuchen einfach nur, den Markierungen zu folgen und schnellstmöglich aus dem Wald heraus oder am Lagerplatz anzukommen.
          - Nur, dass da auf einmal keine Wegmarkierungen mehr sind. Wir denken uns nichts dabei, immerhin war es zuvor schon einmal so, dass es ein ganzes Stück lang keine Markierungen gab, denn die sind ja schließlich überflüssig, wenn man einfach nur einem Weg folgen muss. Wir folgen dem breiten Waldweg recht lang und so langsam kommen Zweifel in uns auf, ob wir vor lauter Mücken nicht irgendwo eine Abbiegung verpasst haben. Schließlich stehen wir an einer Kreuzung mit einer größeren Straße. Von den Wegmarkierungen weit und breit nichts zu sehen. Wir beschließen, vielleicht doch einmal die Karten zu Rate zu ziehen, die wir bisher kein einziges Mal benötigt haben. Blöd nur, dass die Karten nur den groben Streckenverlauf zeigen und keine Wege eingezeichnet sind – sie bringen uns also kein Stück weiter. Je länger wir stehen bleiben und überlegen, desto mehr Mücken fallen über uns her und so drehen wir kurzerhand um und laufen zurück in die Richtung, aus der wir gekommen sind. Frustriert ärgern wir uns darüber, wie wir die letzte Abzweigung verpassen konnten, wo der Wanderweg doch sonst überall so offensichtlich markiert war. Und während wir verdrießlich vor uns hinstapfen, fällt meinem Freund auf einmal ein schmaler Pfad neben unserem Weg auf. Wir sehen uns den Pfad genauer an und Volltreffer: wir finden eine Wegmarkierung!


          Links der Weg, dem wir urrtümlich gefolgt sind; rechts davon der unscheinbare Trampelpfad

          Der Rest des Weges macht unseren Frust wieder wett. Wir folgen dem Trampelpfad, der sich durch den dichten Wald schlängelt, während links von uns ein steiler Abhang liegt. Hier fließt der Valgejõgi, der “weiße Fluss”, an dem auch unser nächster Lagerplatz liegt. Da unser Weg parallel zum Fluss verläuft, machen wir einen ziemlichen Umweg, aber immerhin bekommen wir so ein paar schöne Aussichten auf den Fluss unter uns.







          Und dann sind wir endlich da – am Nõmmeveski-Grillplatz. Der Platz selbst liegt oberhalb des Flusses, eine schmale Holztreppe führt zum Wasser hinunter. Hier lässt es sich aushalten. Wir lassen unsere Rucksäcke oben liegen und stürzen uns zuerst in das kühle Nass.




          Völlig zerstochen, aber überglücklich - endlich da!



          Nach der Abkühlung suchen wir nach einem geeigneten Platz für unser Zelt und stellen fest, dass es ein Stückchen weiter noch zwei weitere Grillstellen am Fluss gibt. Wir stellen unser Zelt dort auf – und versuchen dabei, möglichst weit Abstand von umliegenden Ameisenhaufen zu halten, von denen es leider so einige gibt.
          Dann wird es so langsam Zeit, unser Abendessen zubereiten. Dieses Mal schauen wir uns zuerst die Informationen auf den Schildern an und tatsächlich, hier scheint es auch Trinkwasser zu geben: “Trinkwasser lässt sich bei den Ruinen finden, es wird mit einem dünnen Rohr von der Quelle über den Fluss geführt”. Und nein, es liegt nicht (nur) an meiner zugegeben etwas holprigen Übersetzung, die Umschreibung klingt auch auf Estnisch eher kryptisch. Ich geh noch ein Stückchen weiter den Fluss entlang, doch kann weit und breit keine Ruinen entdecken. Und auch nichts, was über den Fluss führt… Als ich mir die Infotafel noch einmal durchlese, stell ich fest, dass der Teil mit dem Trinkwasser sich auf die Brücke und den Wasserfall hier in der Nähe beziehen könnte. Da wir durch unseren kleinen Umweg genug vom Laufen haben, wird die Trinkwassersuche auf morgen verschoben und dafür heute Abend mit Flusswasser auf einem Lagerfeuer gekocht, denn glücklicherweise wird hier auch einiges an Feuerholz bereitgestellt. Immerhin bekommt mein Freund so wieder die Gelegenheit, seine Holzhackkünste unter Beweis zu stellen.



          Mit dem Abendessen geht auch der heutige Tag zu Ende.
          Zuletzt geändert von Schneevogel; 01.07.2016, 15:52.

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          • Schneevogel
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            #6
            AW: [EE] Einmal quer durchs Buchtenland (Lahemaa-Nationalpark)

            Und weiter gehts:

            Tag 3 (21.6.): Nõmmeveski – Kalmeoja (12 km laut Karte, 14,6 km laut GPS)

            Wie euch vielleicht schon aufgefallen ist, lassen wir uns gerne Zeit und hasten nicht von einem Punkt zum anderen, dementsprechend klein sind ja auch unsere Tagesetappen.
            So auch heute Morgen – wir sind zwar schon wach, aber da unser Zelt dieses Mal wirklich im Schatten steht und es drinnen noch angenehm kühl (und vor allem mückenfrei) ist, bleiben wir erstmal noch etwas liegen. Währenddessen hören wir ein Auto vorfahren, genau an unserem Zelt vorbei. Jemand steigt aus und es fängt an zu rumpeln. Natürlich, irgendjemand muss den Platz hier ja mit Feuerholz versorgen. Zu spät fällt uns auf, dass wir denjenigen ja eigentlich nach der Trinkwasserquelle hätten fragen können.


            Links: Aussicht auf den Fluss von unsrem Schlafplatz aus; rechts: der “Feuertod”, der hier an jeder Grillstelle bereitgestellt wird

            Während ich mir mein Frühstück koche (heute sogar mit Walderdbeeren, da wir gestern Abend noch ein paar reife entdeckt haben), kühlt mein Freund seine Füße im Flusswasser und stellt dabei fest, dass er gar nicht zur Pediküre muss, um Fische an sich knabbern zu lassen.


            Ob es sich ohne Hornhaut so gut wandern lässt?

            Nach dem Frühstück bekommt etwas unsere Aufmerksamkeit, das wir gestern vor lauter Erschöpfung völlig außer Acht gelassen haben:



            Am Flussufer hat jemand eine Schaukel am Baum befestigt. Die Schaukel ist nicht mehr als ein Seil mit einem Stück Holz dran, dass einladend zwischen Ufer und Wasser hängt. Nebendran hängt noch ein zweites Seil, ab der Hälfte abgerissen – hier hat wohl jemand sein eigenes Gewicht etwas unterschätzt.
            Mein Freund macht den Anfang...



            Das Seil ist gnädig und er landet nicht mit einem lauten Platscher im Wasser. Somit steht fest, dass an einen frühen Aufbruch jetzt nicht mehr zu denken ist. Abwechselnd schwingen wir uns über den Fluss. Wir haben hiermit offiziell unseren Lieblingszeltplatz gefunden.



            Schweren Herzens verlassen wir Nõmmeveski am Ende doch, nachdem wir noch etwas Flusswasser fürs Kochen unterwegs abfüllen. Unser Trinkwasser wird nämlich langsam knapp und sicher ist sicher – wer weiß, ob wir die Quelle noch finden. Da wir uns nicht erinnern können, an einer Ruine vorbeigelaufen zu sein (es ist ja schließlich praktisch unmöglich, dass eine Ruine Nachtwuchs' Kameralinse entgeht), müsste die mysteriöse Trinkwasserquelle irgendwo am Weg vor uns liegen. Der Wanderweg führt uns weiter den Fluss entlang und tatsächlich, nach 200-300m sind wir am Nõmmeveski juga, dem Nõmmeveski-Wasserfall, wo eine Holzbrücke über den Fluss führt.


            Bei Nõmmeveski juga


            Irgendwo auf der anderen Seite der Brücke solls zum Wasserfall gehen...

            Die Wegmarkierungen wollen uns nach links führen, doch ich hab die Hoffnung nicht aufgegeben, hier doch noch Trinkwasser zu finden und so halten wir uns erstmal rechts, laufen weiter den Fluss entlang. Ein Schild bereitet uns schon mal darauf vor, dass der Wasserfall sich zwar Wasserfall nennt, aber ansonsten nicht sonderlich spektakulär – also nicht hoch – ist. Kleines Land, kleine Wasserfälle, witzelt mein Freund. Pff. Ich muss allerdings zugeben, dass der Nõmmeveski-Wasserfall sogar für estnische Verhältnisse recht klein ausfällt:


            Da ist er, der Wasserfall

            Mit dem Wasserfall erreichen wir nun auch die Ruinen, die tatsächlich alles andere als leicht zu übersehen sind. Es handelt sich dabei um Überreste eines alten Kraftwerks, die sogleich das Herz meines Freundes aufgehen lassen. Mir selbst sind Burgruinen ja lieber, aber ich kann nicht abstreiten, dass das verlassene, zerfallene und halb zugewachsene Kraftwerk irgendwie auch seinen Charme hat. Natürlich wäre es in den Augen einiger sicher um einiges ästhetischer, das alte Ding einfach abzureißen. Aber was der Mensch nicht erledigt, das machen dann eben Natur und Zeit. Viiiiel Zeit.



            Die Ruinen des alten Kraftwerks



            Jetzt macht auch die Beschreibung der Trinkwasserstelle Sinn. Denn während mein Freund seine Augen kaum von den Ruinen losreißen kann, werde ich eine Ecke weiter fündig:


            ”Ich habs gefunden!”



            Nachdem wir unsere Flaschen wieder mit frischem Quellwasser aufgefüllt haben und Nachtwuchs (mehr als) genug Bilder von den Kraftwerkruinen gemacht hat, geht es zurück zum Wanderweg. Dieser führt uns zunächst ein Hügelchen hoch, auf dem sich ein größerer Platz befindet. Hier oben läd ein kleines Häuschen bzw eine überdachte Rundbank dazu ein, nach dem “harten” Aufstieg kurz Rast zu machen. “Schief” ist allerdings gar kein Ausdruck für das Häuschen, dessen Sitzbank quasi im Zickzack hoch und runter verläuft. Nett anzusehen ist es trotzdem.



            Da jedoch ein paar Meter weiter eine große Dorfschaukel steht, ist an Rast nicht zu denken. Ja, richtig, die Schaukel am Fluss war nicht genug! Wir stehen uns gegenüber und es geht rauf-runter, rauf-runter… Ich will gar nicht wissen, was das mit dem GPS in meinem Rucksack anstellt – wobei, wer weiß, vielleicht ist es davon gänzlich unbeeindruckt. Sobald die Schaukel den höchsten Punkt erreicht, hat man – bzw in dem Fall ich, da ich auf der besseren Seite stehe – eine super Aussicht runter auf den Fluss.


            ”Wo bleibst du?”

            Als wir genug vom Schaukeln haben, muss ich noch die Erfahrung machen, dass es gar nicht so leicht ist, mit großem Rucksack auf dem Rücken von so einer Schaukel wieder abzuspringen. Mit festem Boden unter den Füßen geht es dann wieder zurück in den Wald, wo wir daran erinnert werden, welchem Wanderweg wir hier eigentlich folgen.


            Wieder zurück auf dem Kõrverada...


            ... und damit auch wieder zurück im Wald

            Es geht – Überraschung! – also wieder durch Kiefernwälder. An einer etwas lichteren Stelle macht uns ein Schild auf einen Wasserfall aufmerksam. Hier fließt der Vasaristi-Bach vorbei, dessen Wasserfall neben dem großen, wasserreichen Nõmmeveski-Wasserfall oft unbemerkt bleibt. Ja, das steht da wirklich so. Wir steigen die Holztreppe hinunter, machen unten am Bach ein paar Bilder vom Vasaristi-Wasserfall und fliehen dann wieder vor den Mücken nach oben.


            Die Infoschilder hier sind übrigens meist zweisprachig – Estnisch und Englisch


            Vasaristi-Wasserfall

            Wir gehen weiter. Parksi heißt die Ortschaft hier, die wieder einmal aus nicht mehr als ein paar Häusern am Waldrand besteht. Ein Anwohner war hier bei der Gestaltung seines Hofes besonders kreativ. Ein Schild am Wegesrand weist uns daraufhin, dass wir uns hier am Quellwasser bedienen können. Eine Quelle ist hier zwar nicht zu sehen, dafür stehen im Gebüsch daneben zwei Kanister voll mit Wasser, das sich nach genauerem Hinsehen als eher abgestanden erweist. Aber das ist noch nicht alles. Ein Stückchen weiter in der Einfahrt steht ein großer, bunt angemalter Milchbehälter. Milch gibt es dort allerdings leider nicht (mehr) – auf dem Behälter steht auf Estnisch “Milch gibts nicht – Kuh (ist) tot!”. Schade. Dafür steht im Garten ein gedeckter Tisch, der ziemlich einladend aussieht, wäre er nicht ganz so zugewachsen. Da niemand zu Hause zu sein scheint, zieht es uns weiter.


            Ich sehe was, was du nicht siehst und das ist... ein Dorf


            Pause machen könnte man hier auch.




            "Quellwasser - füll deine Becher auf"


            Links: ein Kunstwerk aus angemalten Sägen; rechts: "Es gibt keine Milch, die Kuh (ist) tot"


            Der gedeckte Tisch im zugewachsenen Garten


            Niemand da.

            Kurz nach Parksi kommen wir in die nächste Ortschaft – Murksi. Die Leute hier haben wohl mehr Spaß am Rasenmähen als der Hofbesitzer mit der toten Kuh. Wir kommen an großen Gärten mit Steinmauern, Steinhäufen und Findlingen vorbei. Neben vielen Steinen gibt es hier außerdem noch schöne Häuser, von denen natürlich keins vor der Kamera landet.


            Bei Murksi

            Murksi ist zwar schön anzusehen, aber Waldpfade sind uns dann doch irgendwie lieber als Landstraßen. Außerdem ist es heute auch noch verdammt heiß, so dass wir eher lustlos die Straße entlang trotten und darauf hoffen, bald wieder im Wald zu landen. Aber Pustekuchen. Stattdessen kommen wir auf eine noch festere Straße und sind links und rechts nur noch von Feldern umgeben. Na toll. So langsam wäre es auch Zeit fürs Mittagessen – wir sind ja schon ne Weile unterwegs und bis auf Schokolade und PEZ-Süßigkeiten haben wir seit dem Frühstück nichts gegessen. An einer Straßenkreuzung gibt es wieder einen Unterstand, der jedoch halb zerfallen und recht zugewachsen ist. Wir beschließen also weiterzulaufen und nach einer besseren Stelle zu suchen.


            Sogar die Ameisen suchen den Schatten.

            Irgendwann taucht neben uns wieder Wald auf und wir können im Schatten der Bäume laufen. Sehnsüchtig warten wir darauf, dass eine Wegmarkierung uns wieder in den Wald schickt. Wirklich nachvollziehen kann ich den Streckenverlauf nicht. Zuvor hatten sie ja auch keine Probleme damit, uns über irgendwelche Umwege durch den Wald zu schicken. Oder will man uns zeigen, dass es in Estland nicht nur Trampelpfade, sondern auch gute, feste Straßen gibt, die jedoch kaum befahren werden?


            Links und rechts von Bäumen umgeben und trotzdem nicht im Wald.

            Wie dem auch sei, nach einer Weile Spazieren am Waldrand weist uns eine Markierung endlich den Weg zwischen die Bäume. Den Ausschilderungen nach sind wir mehr als 2km an der Landstraße entlang gelaufen. Was nach wenig klingt, ist bei strahlendem Sonnenschein echt kein Spaß. Aber jetzt sind wir zurück im Wald und vorerst glücklich. Wir finden dann auch bald eine Holzbank, wo wir Mittagspause machen, Fertigsuppen kochen, essen.


            Endlich wieder weg von der Straße!


            Links: es geht steil runter; rechts: bei der Hitze greift selbst der Baum zur Flasche

            Von den Holzbänken gibt es hier einige. Der Weg führt uns ein paar kleine Abhänge hoch und runter und gefühlt nach jedem Aufstieg gibt es eine kleine Holzbank, auf der man sich vom anstrengenden Treppensteigen erholen kann. Außerdem überqueren wir noch den Pudisoo-Fluss, der ehrlich gesagt eher die Größe eines Bachs hat. Der Pfad, dem wir folgen, führt uns zunächst parallel zum Fluss durch den Wald. Irgendwann ist jedoch unter uns nicht mehr der Fluss, sondern scheinbar eine etwas größere Straße, von der hin und wieder Motorgeräusche zu uns dringen. Doch auch die Straße lassen wir bald hinter uns und stapfen weiter durch den Wald. Der Wanderweg führt uns anscheinend in einem großen Bogen zum nächsten Rastplatz – zumindest würde das erklären, warum wir wieder mal das Gefühl haben, einen Umweg zu laufen.


            Zwischen Murksi und Kalmeoja

            Schneller als erwartet sind wir dann aber auch schon am Ziel – was wir an dem Stimmengewirr merken, das uns schon von Weitem erreicht. Scheinbar haben wir dieses Mal weniger Glück und den Platz nicht ganz für uns allein. Und tatsächlich, als wir den Kalmeoja-Grillplatz erreichen, stehen vor einer Grillstelle zwei Autos und eine Gruppe junger Männer scheint hier das gute Wetter auszunutzen. Grillen, chillen, Bierchen killen… Oder wie war das nochmal?
            Da wir nicht wirklich Lust auf die Gesellschaft der Kalmeoja-Dorfjugend haben, meiden wir die Grillstelle und machen es uns an einem Holztisch ein Stückchen weiter gemütlich. Ich bin froh, dass die lieben Leute vom RMK auf die Introvertiertheit ihrer Landsmänner Rücksicht genommen und alle Rastplätze so angelegt haben, dass es an jedem Platz mehrere Grill- und Schlafplätze gibt, so dass man nicht in Gefahr läuft, mit anderen Leuten kommunizieren zu müssen. Wäre da nicht der Alkohol, der es den Esten doch hin und wieder erleichtert, mit Fremden in Kontakt zu treten. Gesprächsfetzen werden zu uns herübergetragen. “Ich gehe jetzt mit den zwei Wanderern quatschen,” verkündet ein Este gerade lauthals. Doch anscheinend hatte er doch ein paar Bierchen zu wenig, den zu uns rüber traut er sich dann doch nicht. Stattdessen hören wir einen Wagen abfahren und kurz darauf wiederkommen. Biernachschub? In dem Fall wird es wohl noch eine ganze Weile dauern, bis wir unsere Ruhe haben.
            Doch Taevataat, der alte Mann im Himmel und estnischer Wettergott, meint es heute gut mit uns. Die Wolken ziehen sich zusammen und wir schaffen es noch, unser Zelt aufzubauen und unser Zeug darin zu verstauen, dann fängt es auch schon an zu regnen. Die Jungs packen hastig zusammen und fahren ab. In der Eile bleiben zwei angebrochene Flaschen Bier und zwei Stücke Fleisch auf dem Tisch zurück. Oder wer weiß, vielleicht waren die ja auch für uns gedacht? Wir lassen das Zeug im Regen stehen und ziehen zur überdachten Bank, wo wir unser Abendessen kochen.
            Der Regen lässt nach und es tröpfelt nur noch. Irgendwann taucht ein Hund zwischen den Bäumen auf, vom Herrchen weit und breit keine Spur. Als wir keine Anstalten machen, ihm zu folgen, verschwindet er aber wieder im Wald.
            Der Rest des Abends verläuft ereignislos. Es ist noch recht früh (naja, zumindest wenn man bedenkt, wieviel Zeit wir unterwegs vertrödelt haben) und wir haben nicht wirklich das Gefühl, heute viel gelaufen zu sein. Wären wir länger unterwegs, hätten wir sicher überlegt, einfach noch ein Stückchen weiterzulaufen. Aber da wir uns das Viru-Moor für den letzten Tag aufheben wollten, bleiben wir doch hier.

            Statt den Esten leistet uns am Ende übrigens jemand anders Gesellschaft:

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            • Schneevogel
              Erfahren
              • 12.04.2016
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              #7
              AW: [EE] Einmal quer durchs Buchtenland (Lahemaa-Nationalpark)

              Und zu guter Letzt:

              Tag 4 (22.6.): Kalmeoja – Viru raba – Loksa tee (etwa 7km)

              Als wir am nächsten Morgen aufwachen, hat sich der Regen endgültig verzogen und ich nutze das gute Wetter, um ein paar Bilder vom Kalmeoja-Rastplatz zu machen. Eigentlich ist es hier nämlich auch ganz schön. Man merkt allerdings, dass wir hier etwas näher an der Zivilisation sind als in Nõmmeveski, denn es verschlägt noch andere Leute hierher: einen Vater, der seinem Sohn kurz den Teich hier zeigt und dann wieder abfährt, ein Pärchen, das mit dem Fahrrad unterwegs ist, und ein paar wenige Autos, die vorbei- und kurz darauf wieder zurückfahren. Man könnte fast sagen, hier ist viel los.


              Unser Zelt am "Strand"




              Die zwei einsamen Bierflaschen stehen immer noch da.




              Von hier sind wir gestern gekommen.

              Heute haben wir tatsächlich alle Zeit der Welt, denn unsere kurze Wanderung ist ja schon fast wieder vorbei. Ich sammel wieder einmal ein paar Walderdbeeren fürs Frühstück, wir essen in aller Ruhe und packen dann langsam zusammen. Wir gehen ein kurzes Stück durch den Wald, überqueren eine Straße und sind dann auch schon am Moor, dem Viru raba, unserer letzten Etappe.


              Der Eingang zum Moor

              Das Viru raba kenne ich noch von früheren Sommern, allerdings war ich selbst seit Jahren nicht mehr hier. In dieser Zeit wurden die Holzstege erneuert und auch ein neuer Aussichtsturm gebaut – vielleicht ist hier deswegen so viel los. Wir begegnen auf unserem Weg durchs Moor um einiges mehr Menschen als in den drei vorherigen Tagen zusammen. Neben estnischen Familien sind hier vor allem ausländische Touristen unterwegs, darunter auch einige Deutsche. Und bevor jetzt jemand ein Bild von riesigen Menschenmassen auf schmalen Holzpfaden im Kopf hat – nein, so schlimm ist es dann doch nicht. Wir sind nach ein paar einsamen Tagen in Wald nur einfach viel zu verwöhnt.









              Bald erreichen wir die Stelle im Moor, an die ich mich nur allzu gut erinnern kann und auf die ich mich schon seit dem Vorabend freue. Hier wird der Holzpfad breiter und bietet mit zwei Holzbänken einen idealen Platz zum Rasten. Aber was noch viel wichtiger ist – der Steg liegt hier direkt am Wasser. Eine Gruppe Schwaben macht hier gerade Pause, als wir ankommen. Sie witzeln, ob das Wasser denn schon warm genug zum Schwimmen ist… Aber wer würde denn in diesem schwarzen Loch schwimmen wollen? Wenn die wüssten...


              Am Moorsee

              Wir warten darauf, dass sie weiterziehen und haben kurz darauf den Steg für uns. Naja, leider nicht für lange, denn aus der anderen Richtung kommt nun eine kleine Gruppe Frauen, die sich zu uns an den Moorsee setzen und ihre Füße ins Wasser halten. Eine gemischte Gruppe, Estinnen und Russinnen. Auch hier ist Schwimmen Gesprächsthema, doch hier ist die Frage eher, ob das Wetter gut genug ist. Denn so warm wie am Vortag ist es nicht, stattdessen ist es recht windig und in der Ferne ziehen dunkle Wolken auf. Dieselben Überlegungen hatte ich selbst auch. Schließlich reiße ich mich doch zusammen, zieh mich bis auf mein Badezeug aus (das ich in weiser Voraussicht schon heut Morgen angezogen habe) und setz mich zurück ans Wasser. Wind kommt auf. Brr, kalt.
              “Wenn du jetzt nicht gehst, gehst du gar nicht mehr,” lacht die Estin neben mir. “Mir selbst wäre das ja zu kalt.” Recht hat sie. Ich lass mich ins Wasser gleiten, schwimm ein paar Züge hinaus und bin Mitten auf dem See. So kalt ist es eigentlich gar nicht. Eigentlich ist es ziemlich angenehm. So angenehm, dass ich so schnell nicht mehr herauswill.


              Im Moorsee

              Eine der Estinnen tut es mir gleich und gesellt sich zu mir in den See. Der Rest schaut uns vom Steg aus zu, während wir beide das kühle Nass genießen. Mein Freund ist immer noch skeptisch. Wie jetzt, im Moor schwimmen gehen? Wer weiß, was da alles im pechschwarzen Wasser lauert. Als ich aber keinerlei Anstalten mache, aus dem Wasser herauszukommen, überwindet er letzten Endes doch seine Angst vor Seemonstern und Moorleichen. Es folgt die Erkenntnis, dass es sich in Mooren doch ganz gut schwimmen lässt. Leider ziehen aber nun doch so langsam dunkle Wolken auf und wir müssen raus aus dem Wasser.


              Im schwarzen Wasser sieht man selbst irgendwie rot aus...


              Der Regen scheucht uns aus dem Wasser.

              - Lektion für heute: Esten lieben ihre Moore und man hat Estland nicht erlebt, wenn man nicht zumindest in einem Moorsee baden war.

              Im Regen setzen wir unseren Weg durchs Moor fort, die Frauengruppe zieht in die andere Richtung weiter. Ziemlich bald erreichen wir den Aussichtsturm, von dem aus man eine gute Aussicht übers Moor hat.


              Der Aussichtsturm im Viru raba...


              ... und die Aussicht von oben




              Also doch Moorleichen!


              ... aber wir sind ja schon aus dem Moor draußen und damit in Sicherheit.

              Wir machen ein paar Bilder, gehen dann weiter und erreichen kurz darauf das Ende des Holzweges und somit auch das Ende des Moors. Von hier aus ist es nur noch ein kurzes Stück bis zur Bushaltestelle Loksa tee, von der aus wir den Bus zurück nach Tallinn nehmen wollen. Ich habe mir die Busverbindungen rausgeschrieben, wir haben mehr als eine Stunde Zeit bis der nächste fährt. Das ist mehr als genug Zeit, aber da ich mir nicht sicher bin, ob wir die Haltestelle gleich finden, gehen wir gleich los. Nach einem kurzen Weg durch den Wald sind wir auch schon an der Straße und kurz darauf an der Bushaltestelle. Das war tatsächlich einfacher als erwartet.

              Aber irgendwie liefen anscheinend die vorherigen Tage zu problemlos ab, immerhin haben wir uns bis jetzt noch keine größeren Dummheiten geleistet. Und so sitzen wir nun an der Bushaltestelle und müssen etwa eine Stunde auf den Bus warten. Etwa zehn Minuten früher stellen wir uns vorsichtshalber schon einmal näher an die Straße, um ja nicht übersehen zu werden. Die Haltestelle Loksa tee befindet sich nämlich an der recht großen und gut befahrenen Straße von Narva nach Tallinn – für estnische Verhältnisse ist das schon eine Autobahn. So einige Busse fahren an uns vorbei, darunter vor allem Fernbusse auf dem Weg nach Tallinn. Aber keiner davon scheint sich für uns zu interessieren. Eine Viertelstunde vergeht. Aus der Viertelstunde wird eine halbe Stunde, dann eine Dreiviertelstunde. Ich bin verwirrt – für große Verspätungen ist der estnische Fern- und Nahverkehr eigentlich so gar nicht bekannt. Ich will die Buszeiten noch einmal an der Haltestelle nachschauen. Doch leider ist Estland ein modernes Land und so klebt statt einem Fahrplan nur eine Mitteilung an unserer Bushaltestelle mitten im Nirgendwo: die Haltestellen sowie Abfahrtzeiten findet man ab jetzt online unter m.peatus.ee. Na toll. Dabei hatte ich zum Wandern doch extra mein altes Nokiahandy mitgenommen, dessen Aku um einiges länger hält als der jedes Smartphones.
              Ich benutze schließlich das Handy und ruf bei meinen Verwandten an. Schaut doch bitte einmal nochmal die Buszeiten nach, irgendetwas hab ich da wohl falsch gemacht. Aber nein, die Zeiten stimmen überein mit denen, die ich mir aufgeschrieben habe.
              Und dann kommt sie auf einmal, die Erkenntnis: die Buszeiten, die stimmen, aber die Uhrzeit auf meinem Handy, die stimmt nicht. Ich hatte das Handy zuletzt bei meinem Urlaub in Deutschland benutzt und danach die Zeit nicht umgestellt. Wir haben also die ganzen letzten Tage nach deutscher Zeit gelebt. Anfürsich kein Problem, wenn nicht die Busse nach estnischer Zeit fahren würden. Und so haben wir tatsächlich fast zwei Stunden auf einen Bus gewartet, der quasi genau zu dem Zeitpunkt abgefahren sein muss, als wir an der Haltestelle ankamen. Aber hey, sowas muss man auch erstmal schaffen. Wo gehts nochmal zum Asche-auf-mein-Haupt-Thread?

              Wir haben jetzt also noch anderthalb Stunden bis zum nächsten Bus, die wir damit verbringen, unsere restlichen Essensvorräte aufzubrauchen. Wir beschließen, dass 20 Minuten mehr auch keinen Unterschied machen, und wollen statt dem nächsten den übernächsten Bus nehmen, um damit direkt in die Tallinner Altstadt statt nur zum Busbahnhof zu fahren.
              Tja, nach anderthalb Stunden kommt auf einmal ein Bus im Rückwärtsgang vorgefahren. Es ist der Fernbus, der uns zum Busbahnhof gebracht hätte. Anscheinend hat der Busfahrer im letzten Moment doch noch gemerkt, dass da jemand an der Haltestelle saß, und sich genialerweise dazu entschieden, rückwärts zur Haltestelle zurückzufahren. Auf einer Schnellstraße. Wir schütteln unsere Köpfe: Nein, wir wollen nicht mit. Der Busfahrer zuckt mit den Schultern und fährt weiter. Wir bleiben zurück und hoffen, dass wir nicht gerade unsere letzte Chance vertan haben, in nächster Zeit irgendwie nach Tallinn zu kommen.
              Wenig später bekommen wir Gesellschaft. Die Gruppe junger Frauen, der wir im Moor begegnet sind, hat mittlerweile ihre Runde beendet und wartet nun mit uns auf den Bus, der kurz darauf auch endlich kommt. Na also! Die Fahrt kostet nur 3€, was mich etwas überrascht (“Wie jetzt, 6€ insgesamt? Nicht pro Person?”) – auf der Hinfahrt haben wir immerhin 6,50€ pro Nase gezahlt. Der Bus fährt runter von der Schnellstraße und wir tuckern gemütlich für anderthalb Stunden durch alle möglichen Dörfer und Vororte Tallinns.

              In Tallinn angekommen machen wir noch einen Abstecher zum legendären Pfannkuchenrestaurant. Danach geht es auch schon mit dem Zug zurück aufs Land, wo wir unsere Wanderung quasi so abschließen, wie wir sie angefangen haben: mit einem Besuch in der Sauna.


              Der letzte Wegweiser auf unsrer Strecke zeigt:
              Hinter uns liegen vier Tage und mehr als 42km.
              Zuletzt geändert von Schneevogel; 01.07.2016, 20:02.

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              • Schneevogel
                Erfahren
                • 12.04.2016
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                #8
                AW: [EE] Einmal quer durchs Buchtenland (Lahemaa-Nationalpark)

                Nachwort

                So, ich hoffe, mit den langen Ausschweifungen und Beschreibungen niemanden allzu sehr gelangweilt zu haben.

                Alles in allem hatten wir vier tolle Tage in Lahemaa. Da ich nun schon seit ein paar Jahren in Estland lebe und mein Freund hier auch nicht mehr allzu fremd ist, wussten wir von Anfang an, worauf wir uns einlassen. Estland ist ein flaches Land mit wenig Menschen und viel Wald und Moor. Große Naturwunder gibt es hier nicht, dafür aber einige schöne Ecken. Es war toll, nach unzähligen Tagesausflügen nun auch mal für längere Zeit unterwegs gewesen zu sein – auch wenn es am Ende nur vier Tage waren. Lust auf mehr ist definitiv vorhanden.

                Was den Wanderweg im Speziellen angeht, so haben wir – wie ich finde – eine gute Wahl getroffen. Wir hatten von Anfang an einen begrenzten Zeitraum und mussten außerdem am Tag danach wieder in Tallinn sein, daher haben wir bewusst nach etwas in Nordestland gesucht, was gut mit dem Bus zu erreichen ist. Außerdem wollte ich mir den Anfang des Oandu-Ikla-Fernweges mal mit eigenen Augen ansehen und nach Jahren endlich mal wieder ins Viru-Moor.
                Wir sind also die erste Hälfte des Kõrveradas gelaufen, dieser führt theoretisch weiter über die Narva-Schnellstraße runter bis nach Aegviidu. Für den zweiten Teil hätten wir sicher nochmal zwei Tage mehr gebraucht. Aber ehrlich gesagt hätte ich mit zwei Tagen mehr lieber noch mehr von Lahemaa mitgenommen, gerade am Meer gibt es zum Beispiel einige schöne Dörfer.
                Am Weg ansich gibt es eigentlich nichts auszusetzen. Die Markierungen waren leicht zu finden (es bedarf schon besonderem Talent – wie wir es scheinbar haben – um sich zu verlaufen ), Karten waren quasi überflüssig. Auch die Zelt- und Grillplätze waren allesamt in guter Verfassung, Trinkwasser gab es unterwegs auch (bis auf den letzten Tag). Die Tagesetappen hätten teilweise ruhig etwas größer sein können, aber das liegt ja in erster Linie an der eigenen Planung.

                Genug geschwafelt. Mehr gibt es eigentlich auch nicht mehr zu erzählen.
                Sollte es jemanden von euch doch mal hierher nach Estland verschlagen – sagt Bescheid.

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                • eisen
                  Erfahren
                  • 03.10.2005
                  • 334
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                  • Meine Reisen

                  #9
                  AW: [EE] Einmal quer durchs Buchtenland (Lahemaa-Nationalpark)

                  Toller Bericht, danke dafür! Und wirklich schöner Weg. An der Wegeführung und Ausstattung der Lager (überhaupt Lager, ha!) könnten sich unsere verschnarchten heimischen "Qualitätswanderweg"-Entwickler mal eine dicke Scheibe abschneiden.

                  Viele Grße,
                  Eisen

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                  • Sternenstaub
                    Alter Hase
                    • 14.03.2012
                    • 3769
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                    #10
                    AW: [EE] Einmal quer durchs Buchtenland (Lahemaa-Nationalpark)

                    liebe Schneevogel, endlich bin ich dazu gekommen, hier weiter zu lesen.

                    Dein Bericht gefällt mir ausgesprochen gut, du hast eine Schreibe, die mir sehr liegt. Vor allem ist es auch spannend, mal etwas aus dieser Gegend zu lesen, ist ja leider sehr selten.
                    Ich muss schon sagen, dass meine geplante Ostseeumrundung (ich liebe das Mare Balticum) nun etwas höher auf meine to-do-Liste gewandert ist.

                    Würde mich freuen, von weiteren Touren zu lesen!

                    lg - Kathi
                    Two roads diverged in a wood, and I—
                    I took the one less traveled by,
                    And that has made all the difference (Robert Frost)

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                    • Schneevogel
                      Erfahren
                      • 12.04.2016
                      • 113
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                      #11
                      AW: [EE] Einmal quer durchs Buchtenland (Lahemaa-Nationalpark)

                      Danke für die lieben Kommentare!

                      Zitat von eisen Beitrag anzeigen
                      An der Wegeführung und Ausstattung der Lager (überhaupt Lager, ha!) könnten sich unsere verschnarchten heimischen "Qualitätswanderweg"-Entwickler mal eine dicke Scheibe abschneiden.
                      Dafür muss man dazu sagen, dass die Lager allesamt recht leicht mit dem Auto zu erreichen und daher nie völlig abgeschieden sind. Dass man wie wir auf Leute trifft, die am selben Platz ne Grillparty veranstalten, ist daher gar nicht mal so unwahrscheinlich. Andererseits kann man so auch leicht Tagesausflüge unternehmen, wenn man mit dem Auto unterwegs ist. Auto am Lager abstellen, für den Rest des Tages in den Wald verschwinden und sobald der große Hunger aufkommt zum Lager zurücklaufen, um da dann zum Abschluss zu Grillen. Hat also alles seine Vor- und Nachteile.

                      Zitat von Sternenstaub
                      Ich muss schon sagen, dass meine geplante Ostseeumrundung (ich liebe das Mare Balticum) nun etwas höher auf meine to-do-Liste gewandert ist.
                      Na dann hab ich ja mein Ziel erreicht.

                      Was weitere Touren angeht, für Ende Juli steht Ungarn auf dem Plan. Da ich mir dafür ursprünglich Tipps hier aus dem Forum geholt hatte und es außerdem kaum Reiseberichte aus der Gegend zu geben scheint, werd ich davon dann vielleicht auch berichten.

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                      • blauloke

                        Lebt im Forum
                        • 22.08.2008
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                        #12
                        AW: [EE] Einmal quer durchs Buchtenland (Lahemaa-Nationalpark)

                        Gut geschriebener Bericht aus einer wenig bekannten Gegend. Klasse!

                        Berichte unbedingt von deiner Ungarn-Tour, da gibt es hier wenig und früher war ich auch öfter mal dort.
                        Du kannst reisen so weit du willst, dich selber nimmst du immer mit.

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                        • Querfeldein
                          Anfänger im Forum
                          • 08.07.2013
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                          #13
                          AW: [EE] Einmal quer durchs Buchtenland (Lahemaa-Nationalpark)

                          Danke für Euren Bericht und die Fotos - machen mir als Neu-Finnen doch gleich Lust, auch mal durch Estland zu wandern. Karten braucht man Eurer Einschätzung nach also nicht unbedingt?

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                          • Schneevogel
                            Erfahren
                            • 12.04.2016
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                            • Meine Reisen

                            #14
                            AW: [EE] Einmal quer durchs Buchtenland (Lahemaa-Nationalpark)

                            Danke für die Blumen!

                            Der Bericht aus Ungarn kommt noch, Bilder geknipst hab ich mehr als genug, nur komm ich dank Semesterbeginn in nächster Zeit wohl nicht zum Schreiben.

                            Zitat von Querfeldein
                            ...machen mir als Neu-Finnen doch gleich Lust, auch mal durch Estland zu wandern.
                            Tervetuloa Pohjois-Viroon! Denn Helsinki gehört ja bekanntlich zu Nordestland.
                            Was Karten angeht... Nun ja, kommt darauf an, wo und wie man unterwegs ist. Wenn man sich an gekennzeichnete Wanderwege hält, braucht man wohl nicht unbedingt Karten. Für kurze Tagesausflüge hab ich grundsätzlich keine dabei (wobei ich da auch nicht auf den "großen" Wanderwegen unterwegs bin), bei mehreren Tagen würd ich sicherheitshalber schon irgendetwas zur Orientierung mitnehmen, wobei es je nach Wanderweg womöglich gar nicht wirklich zum Einsatz kommt. Die Karten für Abschnitte des Weitwanderweges von Oandu nach Ikla kann man soweit ich weiß recht günstig kaufen und grundsätzlich findet man auf der Internetseite loodusegakoos.ee auch recht viel Kartenmaterial zum Runterladen.

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