[RU] Rückkehr aufs Putorana-Plateau. Ein Wildnisabenteuer.

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  • sibirier
    antwortet
    AW: [RU] Rückkehr aufs Putorana-Plateau. Ein Wildnisabenteuer.

    Zitat von Fjellfex Beitrag anzeigen
    Ziehen von den russischen Abenteurern auch viele im Winter los?
    ...
    Eine Tour im Spätwinter
    Rob hat schon beantwortet. Natürlich! Ab Mitte Februar bis ungefähr Mitte März ist die beste Zeit dazu.

    Zitat von Robtrek Beitrag anzeigen
    Eine einheitliche Meinung zu dem Thema gibt es dort aber nicht.


    Oh ja! )))) Ich würd lieber das Thema "Bären in Russland" hier an der Stelle gleich schliessen oder in einem anderen Thread weiterführen. Das ist das blödeste und bestrittenste Thema in russischen touristischen Foren Gleich wie die Geschichte mit dem Djatlow-Pass.
    Tausende...nein...Hunderttausende Seiten Streit und theoretisches "bla-bla-bla".

    Bitte nicht hier wieder!

    OT: PS. Ich nehme mein Gewehr meistens mit. Zu 98% zwecklos. Auf einen Bären würde ich nie schiessen(nur wenn nichts übrig bleibt oder es handelt sich um eine geplante Jagd), ein angeschossener Bär wird tödlich gefährlich und bis er stirbt...

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  • Robtrek
    antwortet
    AW: [RU] Rückkehr aufs Putorana-Plateau. Ein Wildnisabenteuer.

    Zitat von janphilip Beitrag anzeigen
    Ich habe bisher immer eine Notfall Tröte (die ist echt ultra laut ) oder Bären-Spray dabei wenn kein Heli Flug ansteht.
    Ich würde aber bei solchen Touren ernsthaft überlegen ein Großkaliber Gewehr mitzunehmen.
    Wie sind deine Überlegungen hinsichtlich einer Schusswaffe auf Tour?
    Ich beantworte deine Frage in dem Sinne "Was wird in RU in der Realität gemacht". Einfach als Info ohne Wertung.

    Einheimische, die in den Taigadörfern leben, gehen ohne Gewehr (und meistens auch Hund) praktisch nicht in den Wald. Grund: Jagdgelegenheiten für Elch, Rentier, Enten und Gänse wahrnehmen, sowie Selbstschutz. Für letztgenannten Punkt haben die auch die notwendigen Nerven und Schießerfahrung. Fast jeder hat auch Geschichten zu erzählen, einige mit nicht so gutem Ausgang für den Menschen. Da komme ich nochmal am Ende der Tour auf ein konkretes Beispiel.

    Russische Touristen, z.B. aus Moskau: wer ein Gewehr besitzt, nimmt es oft mit. Nach meiner Beobachtung ist das nicht die Mehrzahl, aber eine starke Minderheit. Motive sind Entenjagd und Selbstschutz. Es gibt vereinzelte Berichte, wo Touristen gezielt auf Bären geschossen haben, das ist aber die berühmte Ausnahme von der Regel. Warnschüsse in die Luft, um sehr neugierige Bären zu vertreiben: ja, das passiert, z.B. der Bär ist am anderen Flussufer, riecht und hört das Lagerleben und schwimmt zielstrebig rüber. Dieser Abschreckungsknall ist ja auch der Sinn bei der Bärenpatrone. Die bürokratische Prozedur, wie das Gewehr am Flughafen abgegeben und nach der Landung wieder erhalten wird, ist für Einheimische in Maßen umständlich. Wie das für Ausländer läuft, bzw. ob überhaupt - keine Ahnung.

    Bärenspray mit der nötigen Reichweite ist ne gute Sache, aber ich wüsste nicht, wo man dort sowas kaufen kann. Superlaute Notfall Tröte - hab ich schon probiert, hatte leider keinen Effekt.

    Fazit: die Mehrzahl der russischen Touristen geht ohne Waffe und kommt heile zurück. Eine einheitliche Meinung zu dem Thema gibt es dort aber nicht.

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  • Bambus
    antwortet
    AW: [RU] Rückkehr aufs Putorana-Plateau. Ein Wildnisabenteuer.

    Zitat von janphilip Beitrag anzeigen
    ...
    Ich würde aber bei solchen Touren ernsthaft überlegen ein Großkaliber Gewehr mitzunehmen.
    Ist als Bären Abwehr wenigsten wirklich zu gebrauchen, Warnschüsse sollen Berichten zufolge eigentlich immer helfen und kann halt auch als Jagdwaffe gebraucht werden um die Essensvorräte aufzustocken.
    Und wenn man mal mit unangenehmen Menschen in Kontakt kommt ist es auch gut sich wirklich verteidigen zu können.
    Wie sind deine Überlegungen hinsichtlich einer Schusswaffe auf Tour?
    Ad 1, du m,ußt damit auch in Streßsituationen zurecht kommen können. Zum Anderen, in unangenehmen Situationen auf eine Schußwaffe vertrauen zu wollen erscheint mir nicht zielführend. Zudem sind die Anderen vermutlich in der Überzahl - kein durchdachter Plan. Zudem sinkt dann die Hemmschwelle der Anderen, selber die Waffe einzusetzen. Da ist mehr mit angemessenem Auftreten und Konzilianz zu erreichen.

    Zudem - du muß die Waffe dann ja immer mehr oder weniger griffbereit haben (siehe die Saceh mit 2 Rucksäcken).

    Im Ganzen scheint mir das viel zu kurz gedacht, von administrativen Problemen, die Waffe und Munition über die Grenzen zu bekommen mal ganz zu schweigen. Imho - forgetit.

    PS. zum Nahrungserwerb eine Waffe - dann sollte man wenigsten ausreichend Jagderfahrung haben...

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  • SiSler
    antwortet
    AW: [RU] Rückkehr aufs Putorana-Plateau. Ein Wildnisabenteuer.

    Zitat von JulianD Beitrag anzeigen
    Ich finde den Faden viel zu schade für die xte Silberrückengroßkaliber-Diskussion; lassen wir doch Robotrek weiterschreiben, während du in einem anderen Thread deinen Fantasien freien Lauf lassen kannst.
    ... volle Zustimmung meinerseits

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  • JulianD
    antwortet
    AW: [RU] Rückkehr aufs Putorana-Plateau. Ein Wildnisabenteuer.

    Zitat von janphilip Beitrag anzeigen
    Ich habe bisher immer eine Notfall Tröte (die ist echt ultra laut ) oder Bären-Spray dabei wenn kein Heli Flug ansteht.
    Ich würde aber bei solchen Touren ernsthaft überlegen ein Großkaliber Gewehr mitzunehmen.
    Ist als Bären Abwehr wenigsten wirklich zu gebrauchen, Warnschüsse sollen Berichten zufolge eigentlich immer helfen und kann halt auch als Jagdwaffe gebraucht werden um die Essensvorräte aufzustocken.
    Und wenn man mal mit unangenehmen Menschen in Kontakt kommt ist es auch gut sich wirklich verteidigen zu können.
    Wie sind deine Überlegungen hinsichtlich einer Schusswaffe auf Tour?
    Moment, ich geh mal eben Bier holen.
    Ich finde den Faden viel zu schade für die xte Silberrückengroßkaliber-Diskussion; lassen wir doch Robotrek weiterschreiben, während du in einem anderen Thread deinen Fantasien freien Lauf lassen kannst.

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  • Robtrek
    antwortet
    AW: [RU] Rückkehr aufs Putorana-Plateau. Ein Wildnisabenteuer.

    Zitat von Fjellfex Beitrag anzeigen
    Ziehen von den russischen Abenteurern auch viele im Winter los?
    Eine Tour im Spätwinter, wenn die Tage wieder länger und die Temperaturen nicht mehr ganz so kalt sind, könnte Vorteile haben:
    - Bären noch in Winterruhe, und somit hätte man eine Riesensorge weniger
    ...
    Warst du schon mal im Winter dort auf Tour?
    Ich war mal im April auf Ski in den Buryatischen Bergen am Baikalsee und im Magadan-Gebiet am Pazifik. Teilweise 7 m lockerer Schnee - schwierig, wenn man umgekippt ist und wieder auf die Ski drauf muss. Als ob man aus dem Meer auf den rettenden Baumstamm hoch will. Die Bären sind im April schon wach. Die anderen Punkte von dir sind richtig.

    Typische Regionen, wo die Russen viele Wintertouren machen, sind z.B. Ural, Kuznetskyi Alatau, Ergaki. Es gibt auch erfahrene Gruppen, die machen mit Pulkas Extremtouren von 1 Monat, z.B. Durchquerung des Anabar-Plateaus (NE von Putorana) oder Verhoyansk Range (ein riesige Gebirgskette in Yakutien). Aber sowas ist dann nochmal viel seltener als Sommertouren in diesen Gebieten.

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  • janphilip
    antwortet
    AW: [RU] Rückkehr aufs Putorana-Plateau. Ein Wildnisabenteuer.

    Zitat von Robtrek Beitrag anzeigen
    Falls es passiert, habe ich die Bärenpatrone als Abschreckmittel dabei, besser als nichts.
    Ich habe bisher immer eine Notfall Tröte (die ist echt ultra laut ) oder Bären-Spray dabei wenn kein Heli Flug ansteht.
    Ich würde aber bei solchen Touren ernsthaft überlegen ein Großkaliber Gewehr mitzunehmen.
    Ist als Bären Abwehr wenigsten wirklich zu gebrauchen, Warnschüsse sollen Berichten zufolge eigentlich immer helfen und kann halt auch als Jagdwaffe gebraucht werden um die Essensvorräte aufzustocken.
    Und wenn man mal mit unangenehmen Menschen in Kontakt kommt ist es auch gut sich wirklich verteidigen zu können.
    Wie sind deine Überlegungen hinsichtlich einer Schusswaffe auf Tour?

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  • Fjellfex
    antwortet
    AW: [RU] Rückkehr aufs Putorana-Plateau. Ein Wildnisabenteuer.

    Ziehen von den russischen Abenteurern auch viele im Winter los?
    (Muß ja nicht gleich 2 Monate durchs Putorana sein.)
    Eine Tour im Spätwinter, wenn die Tage wieder länger und die Temperaturen nicht mehr ganz so kalt sind, könnte Vorteile haben:
    - Bären noch in Winterruhe, und somit hätte man eine Riesensorge weniger
    - Mücken gäbe es definitiv nicht
    - Trinkwasser (wie hier auf der Tour) wäre auch kein Problem; Schnee zum Schmelzen gibt es überall
    - Mit einer Pulka könnte man schwere Lasten leichter transportieren, als wenn man alles auf dem Rücken tragen muß

    Warst du schon mal im Winter dort auf Tour?

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  • Robtrek
    antwortet
    AW: [RU] Rückkehr aufs Putorana-Plateau. Ein Wildnisabenteuer.

    Zitat von Freedom33333 Beitrag anzeigen
    Wie oft findet man solche Pfützen? Wäre es nicht, im Sinne des Zufalls, ebenso möglich, einmal mehrere Tage keine zu finden?
    Unwahrscheinlich, aber ja - wäre möglich. Dann muss man halt in den sauren Apfel beißen und außer Plan ins Tal absteigen, bis Wasser auftaucht.

    Zitat von Freedom33333 Beitrag anzeigen
    Das mit dem Bären, krasse Geschichte. Auch hier wieder der Zufallsfaktor - was wenn du auf einen triffst, der schon lange nichts mehr gefressen hat und du alleine bist?
    Ein Treffen in dieser Konstellation wäre nicht wünschenswert. Falls es passiert, habe ich die Bärenpatrone als Abschreckmittel dabei, besser als nichts. Bären kann man überall treffen. Ich weiß nicht, ob du meinen Bericht aus dem Ergaki-Massiv gelesen hast. Der Park ist ungefähr so groß wie Sarek, aber hat 450-600 Bären. Man läuft dauernd auf frischen Bärenspuren. Die tödlichen Zwischenfälle mit Wanderern passierten aber alle ausgerechnet in der "zivilisierten" Parkgegend, die der Zugangsstraße am nächsten liegt. Auf der anderen Seite der Bergpässe in der Wildnis klappt es anscheinend besser, sich gegenseitig aus dem Weg zu gehen. Darauf hoffe ich bei allen meinen Touren, ich will natürlich am liebsten 2 Monate lang keinen einzigen Bären sehen. Auf der Putorana-Tour kommt aber noch mehr davon.

    Zitat von Freedom33333 Beitrag anzeigen
    Was machst du eigentlich, wenn du dir dort das Bein brichst? Würde da ein Helikopter hingeschickt oder wäre das schon nicht mehr per Helikopter erreichbar? Wie sähe dann eine Rettungsmission aus? So oder so, eine gewöhnliche Versicherung würde das niemals zahlen und dann dürften die Kosten extrem sein.
    Man sieht, du bereitest dich für eine Mitreise vor und stellst genau die Fragen, auf die es ankommt.

    Wo wir im Moment auf dem Plateau sind, das ist noch in Heli-Reichweite. Der SOS-Knopf von meinem Satellite Communicator verbindet direkt mit GEOSresponse in den USA. Bei denen kannst du auch eine Versicherung für 30 $ im Jahr abschließen, Heli-Rettung wird abgedeckt. Natürlich habe ich die Tour auch direkt beim russischen Rettungsdienst in Krasnojarsk registriert und alle entsprechenden Handynummern und E-Mail Adressen vor der Tour in Erfahrung gebracht und auf dem Communicator gespeichert. So könnten ich oder meine Frau auch direkt mit den russischen Behörden kommunizieren. Ich vertraue aber in erster Linie auf die bewährten Notfallprotokolle von GEOS. Wie schnell ein Heli dann bei dir eintrifft, hängt von vielen Faktoren ab, u.a.: ist am Heliport in Norilsk Flugwetter; werden die Helis gerade anderweitig für Waldbrandbekämpfung gebraucht; besteht eine Versicherung, die die Kosten abdeckt, oder müssen die Verwandten erst Vorauszahlungen an den russischen Rettungsdienst machen. Solche Situationen hab ich alles schon in der einen oder anderen Form erlebt. Im Putorana kommen wir später auch noch auf das Thema Heli-Rettung zu sprechen.

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  • janphilip
    antwortet
    AW: [RU] Rückkehr aufs Putorana-Plateau. Ein Wildnisabenteuer.

    Zitat von Freedom33333 Beitrag anzeigen
    So oder so, eine gewöhnliche Versicherung würde das niemals zahlen und dann dürften die Kosten extrem sein.
    Ohne entsprechende Bergekostenversicherung sollte man solche Trips nicht machen.
    Generell sollte man immer vorher klären wie das mit der Bergung im jeweiligen Land geregelt ist.
    Wenn der Staat nicht zahlt dann sollte man dringend eine Bergekostenversicherung abschließen.
    Ich empfehle das im Rahmen einer Unfallversicherung zu machen. Die kostet im Jahr zwischen 100 und 200 €. Deckungssummen sind da von 15 bis 100 t€ und unbegrenzt alles dabei. Kann man sich in Ruhe überlegen was man braucht.
    Der DAV bietet zwar zum Beispiel auch eine an, die zahlt aber nur am Berg.
    Da muss man definitiv das Kleingedruckte genau durchlesen!

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  • Freedom33333
    antwortet
    AW: [RU] Rückkehr aufs Putorana-Plateau. Ein Wildnisabenteuer.

    Meine Güte. Da gibt es ja doch so einige Variablen finde ich. Wie oft findet man solche Pfützen? Wäre es nicht, im Sinne des Zufalls, ebenso möglich, einmal mehrere Tage keine zu finden?

    Das mit dem Bären, krasse Geschichte. Auch hier wieder der Zufallsfaktor - was wenn du auf einen triffst, der schon lange nichts mehr gefressen hat und du alleine bist? Ich weiß nicht ob ich das noch unter kalkulierbares Risiko zählen würde, aber mir fehlen natürlich die Einblicke. Du wärst da ja quasi fast alleine durchgelaufen wenn sich nichts ergeben hätte.

    Was machst du eigentlich, wenn du dir dort das Bein brichst? Würde da ein Helikopter hingeschickt oder wäre das schon nicht mehr per Helikopter erreichbar? Wie sähe dann eine Rettungsmission aus? So oder so, eine gewöhnliche Versicherung würde das niemals zahlen und dann dürften die Kosten extrem sein.

    Jedenfalls, vielen Dank natürlich für den tollen Bericht und das Teilen hier im Forum.

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  • Fjellfex
    antwortet
    AW: [RU] Rückkehr aufs Putorana-Plateau. Ein Wildnisabenteuer.

    Zitat von Robtrek Beitrag anzeigen
    Na ja, Fjellfex, "Furcht" im Sinne von "Sehr großen Respekt" empfinde ich persönlich in der Wildnis schon. Wenn ich am Fluss Wasser schöpfe oder morgens das Boot prall aufblase, schau ich mir schon immer mal wieder über die Schulter. Wie der Hai den Surfer mit einer Robbe verwechselt, kannst du in geduckter Position am Fluss auch wie leichte Beute erscheinen. Solche Zwischenfälle sind in Sibirien gar nicht so selten vorgekommen, z.B. im Magadan-Gebiet oder im Amur Oblast. Ich halte es da mit Benedict Cumberbatch (Sherlock, Season 4, The Abominable Bride):

    “Fear is wisdom in the face of danger, it is nothing to be ashamed of.”
    Ich sprach ja auch von der skandinavischen Wildnis. Vor den Bären in Russland oder Nordamerika hätte ich schon Schiss... drum fahre ich dort nicht hin.
    Ansonsten bilde ich mir ein, das Risikolevel selber bestimmen zu können. Im Zweifel lieber einen Umweg zu viel machen...

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  • Robtrek
    antwortet
    AW: [RU] Rückkehr aufs Putorana-Plateau. Ein Wildnisabenteuer.

    Zitat von Fjellfex Beitrag anzeigen
    Mich haben schon viele gefragt, ob ich auf meinen Touren nicht Angst habe. (So ganz alleine, Bären usw...)
    Hab mich in der skandinavischen Wildnis aber immer wohl gefühlt.
    Angst kenne ich eher auf dem Heimweg vom Flughafen auf deutschen Autobahnen mit all den Rasern, Dränglern und durchgeknallten LKW-Fahrern...
    Na ja, Fjellfex, "Furcht" im Sinne von "Sehr großen Respekt" empfinde ich persönlich in der Wildnis schon. Wenn ich am Fluss Wasser schöpfe oder morgens das Boot prall aufblase, schau ich mir schon immer mal wieder über die Schulter. Wie der Hai den Surfer mit einer Robbe verwechselt, kannst du in geduckter Position am Fluss auch wie leichte Beute erscheinen. Solche Zwischenfälle sind in Sibirien gar nicht so selten vorgekommen, z.B. im Magadan-Gebiet oder im Amur Oblast. Ich halte es da mit Benedict Cumberbatch (Sherlock, Season 4, The Abominable Bride):

    “Fear is wisdom in the face of danger, it is nothing to be ashamed of.”

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  • Fjellfex
    antwortet
    AW: [RU] Rückkehr aufs Putorana-Plateau. Ein Wildnisabenteuer.

    Zitat von Robtrek Beitrag anzeigen
    Das Risiko steigt, sobald man wieder in der Zivilisation ist.
    Mich haben schon viele gefragt, ob ich auf meinen Touren nicht Angst habe. (So ganz alleine, Bären usw...)
    Hab mich in der skandinavischen Wildnis aber immer wohl gefühlt.
    Angst kenne ich eher auf dem Heimweg vom Flughafen auf deutschen Autobahnen mit all den Rasern, Dränglern und durchgeknallten LKW-Fahrern...

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  • Robtrek
    antwortet
    AW: [RU] Rückkehr aufs Putorana-Plateau. Ein Wildnisabenteuer.

    Zitat von JulianD Beitrag anzeigen
    Eine Frage zum Wasser: habt ihr das direkt getrunken oder gefiltert bzw. behandelt? Das sieht teilweise wenig einladend aus.
    Soweit ich mich erinnere, haben wir das Wasser immer so getrunken. Ich hab auf solchen Touren immer ein paar Micropur-Tabletten dabei, aber die kommen fast nie zum Einsatz. Das Risiko steigt, sobald man wieder in der Zivilisation ist. Ich hab mir in Russland schon zwei Mal direkt nach einer Tour eine Lebensmittelvergiftung eingefangen. Letztes Jahr musste ich damit sogar zum Notarzt.

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  • Robtrek
    antwortet
    AW: [RU] Rückkehr aufs Putorana-Plateau. Ein Wildnisabenteuer.

    Zitat von rumpelstil Beitrag anzeigen
    Interessant finde ich ja auch, dass deine Methode mit den zwei Rucksäcken nicht langsamer zu sein scheint als ein (Monster-) Rucksack.
    Am Anfang waren wir gleich schnell oder ich sogar etwas schneller. Später geriet ich mehr und mehr ins Hintertreffen, da wir erstmal den Proviant aus den Rucksäcken von Sergei und Lena gegessen haben, um die leichter zu machen.

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  • rumpelstil
    antwortet
    AW: [RU] Rückkehr aufs Putorana-Plateau. Ein Wildnisabenteuer.

    Du hast auch eine sehr packende und doch unaufgeregte Art zu schreiben.

    Interessant finde ich ja auch, dass deine Methode mit den zwei Rucksäcken nicht langsamer zu sein scheint als ein (Monster-) Rucksack.

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  • sibirier
    antwortet
    AW: [RU] Rückkehr aufs Putorana-Plateau. Ein Wildnisabenteuer.

    Sehr spannend 👍

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  • JulianD
    antwortet
    AW: [RU] Rückkehr aufs Putorana-Plateau. Ein Wildnisabenteuer.

    Genial!
    Und war für eine Tortur mit diesen Monsterrucksäcken.
    Eine Frage zum Wasser: habt ihr das direkt getrunken oder gefiltert bzw. behandelt? Das sieht teilweise wenig einladend aus.

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  • Robtrek
    antwortet


    Durch Sümpfe und Mücken - Burelom - Erster Anstieg aufs Plateau -
    Die Wasserflaschen sind leer - Hilflos im Angesicht der Gefahr


    Der drei Tage lange Weg von Vladimirs Hütte zum Fuß des Plateaus wird uns allen als eine der furchtbarsten Etappen in Erinnerung bleiben. Abgebrannter Wald, Wurzeln und Steine, Sumpf, kein Horizont. Und es ist heiß. An ein Abnehmen des Kopfnetzes ist außerhalb des Zelts nicht zu denken. Bis spät in die taghelle Polarnacht schwirren und summen die Mückenwolken um uns herum.



    Unser Rhythmus pendelt sich schnell ein. Sergei kann seinen 50 kg Monsterrucksack in dem schwierigen Gelände nur etwa 100 m weit tragen, dann muss er absetzen und ausruhen. Er schafft es nicht, das schwere Teil ohne femde Hilfe zurück auf die Schultern zu bringen, deshalb bleibt Lena ständig bei ihm.



    Ich gehe mein eigenes Tempo, ungefähr doppelt so schnell wie die anderen. Im Durchschnitt schaffe ich 300-400 m, bevor ich erschöpft meinen Rucksack absetzen muss. Sofort geht es zurück, um den zweiten zu holen. Der Rückweg ist gleichzeitig die Erholungsphase. Es ist nicht einfach, den zweiten Rucksack in der dichten Taiga wiederzufinden. Man muss unterwegs versuchen, sich markante Wurzelstöcke oder Bäume zu merken. Es ist wichtig, sich dabei immer auch umzudrehen, denn was auf dem Hinweg wie eine unverwechselbare Wegmarke aussieht, kann aus der Gegenrichtung völlig unscheinbar wirken.

    Immer öfter schalte ich mein GPS ein, ein fast 20 Jahre altes Ding, das aber seinen Zweck erfüllt. Man kann eine Position speichern und sieht einen Pfeil, wie weit man in welche Richtung zu ihr gehen muss. Das Handy mit der 1:200.000 Karte schalte ich für solche Zwecke nicht ein, da der Akku zu schnell verbraucht wäre. Das Handy kommt nur dann zum Einsatz, wenn die eigene Position auf der Karte genau bestimmt werden muss, um die weitere Marschrichtung festzulegen.



    Außer dem Gelände, den Mücken und der Orientierung gibt es noch ein Problem: Trinkwasser! Man sollte erwarten, dass viele Bäche vom Plateau hier herunterfließen, aber wir finden keine. Das Eis auf den Flüssen und Seen bricht Mitte bis Ende Juni auf. Jetzt ist es Mitte Juli, und es gibt schon kein Wasser mehr. Es muss in den letzten Wochen sehr heiß gewesen sein. Schließlich finde ich gegen Abend einen kleinen Bach und nicht weit davon auch einen Lagerplatz mit geeignetem Boden.



    Mehr Probleme: mein Vitaminvorrat schimmelt mir unter den Händen weg. Die Knoblauchzehen sollten eigentlich zwei Monate lang halten und sahen im Supermarkt von Krasnojarsk so richtig gut aus! Lena und Sergei werfen nur einen kurzen Blick drauf: "China-Knoblauch, der hält nicht." Kein Wunder, dass "Made in China" in Russland generell als Synonym für Ramschware gilt.



    Rast im Sumpf. Da ich wegen meines größeren Tempos immer als Scout vorausgehe, sehe ich Sergei und Lena oft mehrere Stunden lang nicht. Wir finden uns durch lautes Rufen wieder, und auch Lenas rosa Mückennetz hilft ungemein. Das getrennte Gehen ist hier nicht so gefährlich, denn im Gegensatz zum sonstigen Sibirien hatte ich auf der Putoranatour 2016 zwei Monate lang keinerlei Bärenspuren gesehen. Erst auf der Flussfahrt gegen Ende zeigte sich damals ein Bär. Im typischen Bärengebiet würden wir dichter zusammenbleiben, auch wenn das unser Tempo halbieren würde.



    Wir haben wieder einen kleinen Bach gefunden und nicht weit davon einen Hügel mit festem Untergrund. Unsere Abende verlaufen mit Kochen und Erzählen. Lena ist Englischlehrerin, Sergei Arzt. Beide sind schon in Rente, arbeiten aber weiter. Das ist in Russland durchaus üblich, da die Renten sehr schmal sind. Man merkt, dass Lena ihren Beruf mit Herz und Seele liebt. Die beiden haben ein Rückflugticket von Tura nach Krasnojarsk für den 30.8. gebucht, und einen Tag später von Krasnojarsk nach Kurgan. Am 2.9. ist Schulbeginn, für jeden Lehrer ein ganz wichtiger Feiertag. Lena macht klar, dass wir es rechtzeitig zum Flug nach Tura schaffen MÜSSEN. Oh-oh... dazu schweige ich mal lieber. Der Weg ist noch weit.

    Sergei hat als Offizier der sowjetischen Armee in der DDR gedient, ungefähr zur selben Zeit wie ich als einfacher Soldat auf der anderen Seite. Er bezeichnet sich selber als "Anarchist" und hat damals seine Vorgesetzten durch Dienst "streng nach Vorschrift" so lange provoziert, bis er in die SU zurückgebracht und aus der Armee entlassen wurde. In Vladimirs Hütte hatte es schon eine kleine Konfrontation mit dem Kapitän unseres Motorboots gegeben. Der entpuppte sich als ein ziemlich überzeugter Putin-Anhänger und warf Sergei in einer langen Wodkanacht immer wieder vor, kein Patriot zu sein. Solche Szenen habe ich aber auf meinen Reisen ganz selten erlebt. Die übergroße Mehrheit der Russen, mit denen ich zu tun hatte, liebt aufrichtig ihr Land, aber nicht ihre Regierung. Die herrschende Elite wird meist als hochgradig korrupt bezeichnet, einzig interessiert am Machterhalt für weitere Selbstbereicherung. Damit einher geht die Einsicht, dass man als gemeines Volk am gegenwärtigen System kaum etwas ändern kann. Man zieht sich ins Private zurück und will von Funktionären aller Art einfach in Ruhe gelassen werden. Sergei und Lena machen da keine Ausnahme.



    Meine Rucksäcke sind zwar längst nicht so schwer wie der von Sergei, aber jeweils 30-35 kg habe ich auch zu tragen. Zusätzlich nehme ich Sergei seine Paddel ab, denn die verhaken sich in der Taiga gerne an den Ästen - kein Vergnügen bei 50 kg auf dem Buckel. Ich kann den Rucksack immerhin ohne fremde Hilfe aufsetzen. Dazu geht man aus dem Sitzen heraus zunächst auf die Knie und richtet sich dann auf.












    Am Nachmittag des dritten Tages erreichen wir endlich den Fuß des Plateaus. Hier müssen wir ein formidables Hindernis umgehen: Burelom! Dieses russische Wort bezeichnet Wald, der vom Sturm geknickt ist. Oft geschieht dies, wo die Lärchen durch Waldbrand bereits geschwächt waren.



    Burelom ist der Albtraum des Trekkers. Wer mit schwerem Gepäck mehr als einen Kilometer am Tag schafft, kann sich glücklich schätzen.



    Der Beginn des Anstiegs. Wir blicken zurück auf die Kureika, wo Vladimirs Hütte liegt. Viel Distanz haben wir in den letzten drei Tagen nicht überwunden. Und Lena muss am 30.8. in Tura sein...



    Unser Camp auf einem kleinem Hügel in der Nähe eines Wasserlaufs. Hier bläst ein leichter Wind, der es erlaubt, das Mückennetz endlich einmal hochzukrempeln.






    Dieses Bild habe ich aufgenommen, um mir die Position des vorausgetragenen ersten Rucksacks zu merken. Wegen des großen blauen Paddels ist er aus der Distanz jetzt besser zu sehen.



    Der Anstieg erfolgt in mehreren Stufen, unterbrochen durch Blockfelder, Sumpf, und Burelom.






    Die Aufgabe des Scouts ist es, gegen Abend Wasser zu finden, sonst kann nicht gekocht werden. Dazu gehe ich im Zickzack und stoße nach langer Suche schließlich auf diesen versteckten Tümpel.



    Wie blöd! Das GPS habe ich in der Deckeltasche des zweiten Rucksacks vergessen. So finde ich die Wasserstelle niemals wieder. Eine schnell errichtete Pyramide als Wegmarke hilft aus der Patsche.






    Hier oben ist das Gelände schon offener, und starker Wind kommt auf: unser Freund gegen die Mücken.



    Bei 600 m erreichen wir endlich die Baumgrenze. Zum Spaß trage ich mal für eine Weile Sergeis Rucksack. Es gelingt mir sogar, ihn ohne Hilfe aufzusetzen. Wow, das ist Arbeit für Titanen! Man muss sehr langsam und vorsichtig über die Blockfelder aufsteigen. Ziemlich hohes Verletzungsrisiko.



    Blick auf das Tal des Yaktali, durch das vor drei Jahren der Weg nach Norden führte.






    Das Plateau liegt auf ca. 1100 m. Bis dahin fehlen uns noch 300 Höhenmeter.






    Lenas Frühstücksportion im Vergleich zu meiner. Und ich bekomme später noch den Nachschlag!



    Lenas Rucksack ist übrigens auch ganz schön schwer, ich schätze um die 30 kg. Erstaunlich, was sie leistet, ohne richtig zu essen. Überhaupt sind die beiden "Stadtmenschen", keineswegs sportbegeistert.



    Großflächige Hochmoore verhindern, dass ich aus den Gummistiefeln in meine Bergschuhe wechseln kann. Die Bergschuhe kommen erst ganz oben auf dem Plateau zum Einsatz, wo Blockfelder aus sehr spitzen Steinen das Laufen in den Gummistiefeln zur Qual machen.



    Die Mittagspause, der Höhepunkt des Marschtages. Wir richten es so ein, dass wir uns dafür immer bei einem meiner Rucksäcke treffen. Auf dem Plateau essen wir mittags nur kalt, um Gas zu sparen.






    Weithin sichtbar dient das blaue Paddel als Wegweiser.



    Als Lagerplatz für diesen Abend peile ich einige Schneereste an. Und richtig, dort findet sich etwas Wasser. So sparen wir das Gas, um den Schnee zu schmelzen.






    Kurz vor Mitternacht oben auf dem Plateau über unserem Lager. Hier wird die Orientierung wieder schwierig. Alles sieht ziemlich gleich aus.



    Rechts auf der Karte sieht man den Oberen Beldunchana-See, wo wir vom Plateau wieder runter wollen.



    Sergei visiert mit dem Kompass die Höhe 1268 an. An ihr müssen wir auf dem Weg zum See vorbei. Ich habe mich immer gefragt, warum auf den sowjetischen Karten die Höhe einiger Berge mit besonders großen Ziffern ausgewiesen ist, obwohl sich in der Nachbarschaft andere Berge mit deutlich größerer Höhe befinden. Sergei weiß es: die hervorgehobenen Berge eignen sich am besten für Artilleriebeobachter!

    Sergei kommt mit seiner Kompassmethode zu dem Schluss, dass die Höhe 1268 ein ganz anderer Berg ist als der, den ich dafür halte. (Eine Woche später stellt sich heraus, dass wir beide total daneben lagen.)

    Wer einmal einen Blick auf die von uns benutzte Karte mit der Höhe 1268 werfen will, der kann hier in 1:200.000 schauen. Man kann auch bis zu 1:1 Mio. herauszoomen, oder im Menü rechts zu verschiedenen Satellitenansichten wechseln.






    Wenn wir kein Wasser finden, verschieben wir die Mittagspause nach hinten. Jetzt ist es allerdings schon 19 Uhr - der Hunger siegt. Wasser ist nirgendwo in Sicht.



    Ein 180° Panorama der trostlosen Landschaft auf dem Plateau, die urweltlich wirkt und trotz allem irgendwie beeindruckt. Man erwartet fast, das aus der nächsten Senke plötzlich ein Dinosaurier auftaucht. Großes Bild zum Anklicken hier. Wer will, kann das Panorama auch als 30 sec. Video anschauen, es gibt die Atmosphäre vielleicht besser wieder.






    Gegen 21 Uhr sehen wir eine Rentierherde (20 sec. Video). Sie bewegt sich geschlossen hin und her, als ob Wölfe Jagd machen. Auf die Entfernung können wir aber nichts Genaues erkennen.



    Schon seit Stunden haben wir kein Wasser mehr gesehen. Unsere Flaschen sind leer, der Durst nimmt zu. Und weit und breit keine vielversprechende Stelle. Wir schwärmen in verschiedene Richtungen aus. Nach langer Suche ist es Sergei, der endlich fündig wird.



    Das Wasser reicht gerade so fürs Abendessen und Frühstück.






    Obwohl das Plateau flach erscheint, gibt es doch immer wieder kleine Schluchten. Hier beginnen Bergbäche, die jetzt kein Wasser führen.



    Der Abstieg und Wiederanstieg ist jedesmal zeitraubend und schwierig.



    Am Horizont stehen seit Tagen die gleichen Tafelberge. Wir scheinen ihnen kaum näherzukommen.



    Von Wasserstelle zu Wasserstelle ziehen sich die Marschtage dahin. Es tut mir leid, von diesem Abschnitt keine interessanteren Fotos zeigen zu können, aber so sieht es hier oben nun mal aus.






    Jeden Tag wiederholen Lena und Sergei unzählige Male die gleiche Prozedur: einer muss dem anderen helfen, den schweren Rucksack hochzuwuchten.






    Wer glaubt, das Mücken auf steinigen Hochwüsten nicht existieren können, wird hier eines Besseren belehrt. Das Kopfnetz bleibt im Dauereinsatz.






    Überraschend finde ich Spuren von Menschen, die ersten seit Beginn unserer Tour.



    Rentierzüchter oder vielleicht Rentierjäger - beides gibt es hier schon lange nicht mehr.









    Wir steuern gezielt die auf der Karte verzeichneten Senken an. Dort findet sich am ehesten Wasser.






    Mittagessen: Salami, Knoblauch, Halva, Zwiebackwürfel, Cracker. Satt wird man davon nicht (wenn man Robtrek ist; Sergei und Lena anscheinend doch).



    Von dieser Seite ist es einfach nur ein weiteres Blockfeld. Ein Hindernis, das überwunden werden muss.



    Aber inmitten der Steine gibt es eine Oase. Wir konnten sie zum Glück von oben sehen, als wir am Rand der kleinen Schlucht standen.



    Vor dem Anstieg zum letzten Pass. Das Tal dahinter führt schon zum Oberen Beldunchana-See.



    Auf dem Pass. Vor uns liegt das Tal des Flusses Horon, das zum See führt. Jeden von uns zieht es hinunter zu garantiertem Wasser und Feuerholz, aber das wäre ein Fehler. Stattdessen werden wir am oberen rechten Talrand entlanggehen. Auf dem Plateau kommt man viel schneller voran, und vom Bericht einer Gruppe aus Belarus weiß ich, dass die senkrechten Wände im Canyon des Horon ein Dutzend oder mehr schwieriger Furten erforderlich machen.

    Der Pass bedeutet für uns ungefähr Halbzeit auf dem Plateau. 10 Tage sind wir jetzt unterwegs, bis zum Abstieg liegen weitere 8 Tage vor uns.






    Auch diesen kleinen See hatten wir aus einer Stunde Entfernung von oben erspäht. Der moosige Untergrund ist leider feucht, aber sonst gibt es hier nur Steinblöcke, auf denen man nicht zelten kann.



    Am nächsten Tag kommen wir auf der ebenen Grasterasse ungewohnt schnell voran. Ich habe meinen ersten Rucksack in einem Zug zwei Kilometer vorgetragen und bin schon mit dem nächsten unterwegs. Sergei und Lena sind irgendwo weit hinter mir. Ich gehe diesmal weiter oben am Hang, wo es weniger sumpfig ist. Endlich kommt der vorgetragene Rucksack in Sicht. Was ist das, spielen mir meine Augen einen Streich? Ich mache schnell die Kamera fertig. Ist da eben ein schwarzer Punkt hinter dem Steinhügel verschwunden, vor dem ich meinen Rucksack deponiert hatte?



    Nach fünf Minuten ist alles klar. Ein dunkler Bär trollt sich hinter dem Steinhügel hervor. Ich schätze die Entfernung auf 400 m. Der Wind bläst von rechts das Tal des Horon aufwärts, deshalb hat er meinen Rucksack und mich nicht gewittert. Der Bär kam anscheinend von oben und läuft Richtung Talrand. Hoffentlich verschwindet er, bevor Sergei und Lena ihm auf der Grasterasse begegnen.
    Der gelbe Kreis markiert meinen vorgetragenen Rucksack, der rote den Bären.






    Zum Glück entfernt sich der Bär immer weiter und hat bald den Talrand erreicht.



    Er ist noch nicht ganz verschwunden, da kommen Sergei und Lena in Sicht. Ich blase in die Trillerpfeife und mache mit den Armen Zeichen, dass sie zu mir kommen sollen. Endlich bemerken sie mich, zögern ein wenig... und setzen dann ihren Weg in Richtung auf den Bären fort!
    Der gelbe Kreis markiert Sergei und Lena, der rote den Bären.



    Zum Glück verschwindet der Bär jetzt ganz im Tal des Horon. Als Sergei und Lena endlich bei mir ankommen, sind sie total überrascht. Sie haben das Tier gar nicht bemerkt und konnten sich nicht erklären, warum ich ihnen Zeichen machte. Ich gehe die 100 m zu dem Steinhügel und hole meinen vorgetragenen Rucksack zu unserer erhöhten Position. Da taucht plötzlich der Bär wieder auf. Inzwischen weht der Wind von uns in seine Richtung. Er hat uns wohl gewittert (15 sec. Video).



    Unschlüssig bewegt sich der Bär im Zickzack. Aber er kommt dabei immer näher. Wir machen das, was man in so einem Fall tut: die Rucksäcke vor uns aufstellen und dicht zusammenbleiben, um als große Masse zu erscheinen; Abschreckmittel bereithalten. Ich entsichere die Bärenpatrone, Sergei hat ein Falschfeuer (eine Fackel). Lena und Sergei wiederholen in einem fort: "Bär, geh bitte deiner Wege, wir wollen nichts von dir!" Sie sprechen leise, denn wir dürfen nichts tun, was das Tier als Aggression oder Schwäche auffassen könnte. Auf keinen Fall dürfen wir weglaufen.



    Es sind bange Minuten. Uns ist allen klar, dass wir ziemlich hilflos sind. Die Entscheidung über das, was weiter geschieht, liegt nicht mehr bei uns. Dieser Bär hat mit großer Wahrscheinlichkeit noch nie Menschen gesehen. Vielleicht will er uns untersuchen, Bären sind neugierig. Ich habe in der Taiga sehr viele Blockhütten gesehen, die von Bären innen total "aufgeräumt" wurden. Die Tiere kommen durchs Fenster. Wenn das vergittert ist, reißen sie am Dach die Blechplatten weg, wo das Loch fürs Ofenrohr ist. In der Hütte bleibt nichts unberührt, egal ob essbar oder nicht - alles ist hinterher verwüstet. Meine Lebensmittel sind in Plastikflaschen, aber wie hat Lena die Salami verpackt? Wenn wir für diesen Bär irgendwie interessant riechen, kann das unbeabsichtigt zur Katastrophe führen. Wer kann sich schon kontrolliert still verhalten, wenn so ein Koloss plötzlich schnell näherkommt. Wenn einer von uns in Panik wegläuft, wird das Raubtier aller Erfahrung nach zuschlagen.



    Der Bär geht vor uns hin und her. Mal wendet er sich ab, mal dreht er wieder in unsere Richtug. Es steht außer Zweifel, dass er uns gewittert hat und vom Talrand gezielt 400 m zurück in unsere Richtung gelaufen ist. Wirken wir groß genug, um Respekt einzuflößen?



    Das Gefühl der Hilflosigkeit wird durch das offene Gelände verstärkt. Kein Baum, auf den man sich retten könnte. Wir können im Ernstfall, wenn das Tier unter 50 m herankommt, wirklich gar nichts tun, außer auf die Wirkung der Abschreckmittel zu hoffen.



    Endlich, endlich hat das Tier genug von uns gerochen und zieht langsam weiter. Nicht, ohne sich noch ein paarmal unschlüssig umzudrehen. Lena ist ziemlich bleich im Gesicht. Es war ihre erste Begegnung mit einem Bären. Insgesamt sind dabei 40 Minuten vergangen.



    Als das Tier schon weit weg ist, nehmen wir die Kameras wieder zur Hand und machen voller Erleichterung Fotos. Ich feuere dem Bären eine Patrone hinterher. Der Knall scheint ihn nicht zu beeindrucken. Eine Garantie für die Wirkung kann sowieso niemand geben, jedes Tier ist anders. Aber ich vertraue dem Knall mehr als den sonst empfohlenen Abschreckmitteln wie Trillerpfeife oder Klappern mit Metall auf Metall. Die haben bei früheren Touren absolut keine Wirkung erzielt.

    Das Erlebnis war für alle sehr unangenehm. Wer hätte gedacht, dass ein Bär sich hier oben in der Steinwüste herumtreibt? Wir werden in den nächsten Tagen dichter zusammenbleiben. Eine solche Begegnung ist Abenteuer genug, mehr braucht auf dieser Tour mit Sicherheit keiner von uns!

    Aber: noch trennen uns beinahe 50 Tage Wildnis vom Ziel unserer Reise...


    (Fortsetzung folgt demnächst)

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