[IL][PS] Reise nach Israel und der Westbank

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  • Muskat
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    [IL][PS] Reise nach Israel und der Westbank

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    Auch aufgrund dieses Reiseberichts hatte ich mich im Februar diesen Jahres entschlossen, mal meine bisherigen Reisegewohnheiten(seit 16 Jahren Skandinavien mit dem Rad unterwegs) doch einigermaßen über den Jordan zu werfen, und mal etwas ganz anderes zu tun. Dies bedeutete in meinem Fall zum Beispiel, das erste Mal richtig zu fliegen, fast vollkommen auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen zu sein oder auch in eine Gegend der Welt zu reisen, wo es mit der "Weltsprache" Englisch dünne werden könnte. Viele andere Dinge - die mir bis dato noch gar nicht klar waren - sollten noch hinzukommen.

    Reisezeitraum

    29.05.14 - 08.06.14

    Ausrüstung

    -Irgendein größeres Deuter-Modell für Radfahrer
    -wegen der Erfahrungen mit Radreisen(Gewicht sparen sparen sparen...) nur auf das Wesentliche begrenzte Ausrüstung
    -kleiner Sommerschlafsack
    -wenige Klamotten, dafür Reisewaschmittel aus der Tube
    - Sunblocker 50+
    -Gesamtgewicht irgendwas zwischen 10 und 15kg
    - Dollar, Schekel und auch eine Kopie meiner Ausweisdokumente bzw. der Flugtickets(in einem Spezialversteck : ))

    -----------------------------------------------------


    Die Reise

    Ich hob am 29.05. von Schönefeld aus in Richtung Israel ab, um dann irgendwann mittags Tel Aviv zu überfliegen und dann schließlich in Lod zu landen. Die Sicherheitsvorkehrungen waren da, ich hatte aber irgendwie mit mehr gerechnet. Ein erster Übermut überkam mich, der sich dann aber schnell legte, als ich bei der Passkontrolle fahrlässig die Möglichkeit eines Grenzübertritts in die Westbank erwähnte. Der "Apparat" setzte sich in Gang. Ich wartete knapp zwei Stunden auf meinen Pass und den vorrübergehenden Aufenthaltschein.
    Kaum raus aus dem Flughafenterminal, erschlug mich quasi eine Wand aus trockener heißer Luft. Schnell wieder rein. Durch Vorrecherche im Netz wusste ich, dass der Zug in Israel ein günstiges Verkehrsmittel ist. Ticket gekauft und fertig. Auf dem Bahnsteig wurde es das erste Mal etwas lustig. Zahlreiche Beschilderungen machten auf Rauchverbot oder das Nichttransportieren von großen Gepäckstücken auf den Rollstreppen aufmerksam. Nur, hielt sich irgendjemand daran? Nö.
    Das kam mir doch bekannt vor...




    25 Kilometer weiter links kam dann der Zug auch in Tel Aviv HaHagana_Railway_Station an. Der zentrale Busbahnhof Tel Aviv's befindet sich übrigens gleich um die Ecke.
    Ich dann aus dem Zug raus und gleich umzingelt von noch Pubertierenden mit Sturmgewehren in der einen und dem Smarthpone in der anderen Hand. Ich war fürchterlich beeindruckt von dieser gefühlten Lässigkeit. Ich gewöhnte mich dann schnell an diesen Anblick. Ist das gut?
    Wie auch immer, ich vorbei an Sicherheitsleuten, raus auf die Straße. Was sehe ich als erstes? Fixende Drogenabhängige. Das kann ja was werden.




    Eines der ersten Bilder war dann auch eins, worauf ein - für meinen westeuropäischen Standard - doch ziemlich ramponiertes Haus zu sehen ist. Dieses Bild sollte sich dann alle paar Meter in Tel Aviv wiederholen. Architekten, Bauingenieure und Mitarbeiter von Bauämtern bitte jetzt wegschauen.




    Das nächste Bild zeigt eines der in Tel Aviv weitverbreiteten Elektrofahrräder. Es gibt dafür extra Fahrradläden und das Geschäft - so ließ ich mir sagen - brummt. Das macht auch Sinn. Die ÖVM sind ständig überfüllt und kommen oft zu spät, für Autofahrer sind die Parkplätze rar, die Straßen immer voll und das Zufußgehen wegen der Überwindung von einigen Höhenmetern ein wenig anstrengend. Außerdem sind die Dinger "hip".





    Ok, weiter gehts. Wo befindet sich eigentlich die Touristeninformation? Ein heikles Thema.
    Auf jeden Fall war ich auf dem Weg, mich wegen einer Bleibe kundig zu machen. Als Nichtkreditkartenbesitzer war für mich eine Reservierung im Vorhinein schlicht nicht möglich. Dumm iwar dann auch, dass alle Hostels ausgebucht waren und nur noch Hotels mit abenteuerlichen Preisen "lockten". Ich hatte den "Mann in Weiß" außer acht gelassen. Er hatte noch am Vortag die Stadt in seinem Papamobil unsicher gemacht. Sehr schön. Ich zog meinen wohldurchdachten Plan B aus der Tasche(das hat in Skandinavien 'zig Mal geklappt) und fuhr zurück zum Flughafen. Böser Fehler. Ganz böser Fehler.

    Mann
    allein unterwegs
    gerade erst angekommen
    ohne Reservierungen für Hotels
    mit kleinem Rucksack und wenig Kleidung
    will zum Flughafen zurück und dort übernachten
    ...
    Zwei Stunden Befragungen, Durchsuchungen und Warten später, war ich dem Wahnsinn sehr nahe. Immer die gleichen Fragen. Keiner der Sicherheitsleute und des Flughafenpersonals wollte/konnte mich durchlassen. Ich will doch nur meinen Schlafsack ausbreiten und ein paar winzige Stunden auf dem Airport verbringen. In dem Moment, wo ich dann dem Personal mehr oder weniger deutlich machte, dass sie mich mal gerne haben können, brachen sie die Befragung ab und ließen mich gewähren/schlafen. Das nenne ich mal eine Strategie. Kurzum: Der Tag war ein Schuss in den Ofen, aber eben auch eine wertvolle Erfahrung. Infolgedessen änderte ich meine Planungen und fuhr am nächsten Tag direkt nach Haifa - der Stadt am Mittelmeer mit Israels größtem Hafen.





    Alles war anders als in Tel Aviv. Mehr gibt es eigentlich nicht zu sagen.





    Einer der zahlreichen Militärposten auf einem der Ausläufer des Karmel.





    Ein Musterbeispiel für Israels Baulandschaft. Ein Brücke, mit deren Bau irgendwann begonnen, aber aus Geldmangel(?) nie fertiggestellt wurde. Dergleichen Beispiele sah ich zu Hunderten. Es wird eben alles Geld in die Siedlungen und ins Militär gepumpt. Humor haben die Leute aber - "Broken".





    Ein Blick auf den Westteil der Stadt, ein paar Meter von der berühmten Stella Maris Kirche entfernt





    Ein alter Mann und sein 500'er






    Aussicht von einem der Gärten, die sich in der Nähe des Schreins des Bab befinden




    Hier erkennt man sofort, dass es sich um das deutsche viertel handelt, oder?





    Ein Musikzentrum, an dem ich vorbei ging. Es wurde Jazz gespielt und so blieb ich eine halbe Stunde lang stehen und hörte zu.






    Das war es erst einmal. Demnächst dann mehr.
    Wenn ich es nicht mache, dann macht es ein Anderer...
    Kapitalismus

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    • 13.11.2013
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    #2
    AW: [IL][PS] Reise nach Israel und der Westbank

    Schön, ein Israel-Reisebericht, mein absolutes Traumland.
    HaHagana-Station ist ein Drecksloch, und über die Bauvorschriften (der ganzen Region) hüllt man lieber einen Mantel des Schweigens.

    Super dass ja alles einigermaßen glimpflich gelaufen ist, auch wenn du klare "Israel-Anfänger-Fehler" begangen hast. (Von der Westbank reden, oder der Versuch wieder im FLughafen zu pennen. Warum hast du dich nicht einfach an den Strand gelegt, wenn du eh schon so nah im Zentrum warst?)

    Freu mich wirklich zu hören, was du noch alles erlebst.
    Übrigens, du schreibst, dass du befürchtet hast, mit der Weltsprache Englisch nicht weiter zu kommen. Traf das bei dir dann auch zu? Meiner Meinung nach sprechen die Israelis und auch die meisten Araber sehr gut Englisch, wenn man jetzt nicht Kants Imperativ besprechen will, sondern wissen wo der Bus abfährt, reicht es allemal . Einzig mit den Ultraorthodoxen wirds schwierig, aber wenn die Yiddish sprechen und du Deutsch, versteht man sich mit Hand und Fuß dann doch

    Freu mich auf mehr!

    Grüße
    Daniel
    Auf meinem Blog Longing for the Horizon:
    Pamir Highway 2019 / Sarek 2018 / Padjelantaleden 2017 / 4500km Radtour Berlin-Nordkapp 2017 / Kungsleden 2015 / Kungsleden 2014 / Israel-Hike 2014 und viele kleinere Radtouren (Berlin - Kopenhagen / Prag - Berlin etc.)

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    • Muskat
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      • Meine Reisen

      #3
      AW: [IL][PS] Reise nach Israel und der Westbank

      Nun, ich hatte wegen der aktuellen Ereignisse in Israel, der Westbank und dem Gazastreifen vorübergehend auf eine Weiterführung meines Reiseberichts verzichtet, mich jetzt aber doch dazu entschieden, ihn jetzt fortzusetzen.
      Einige werden nun an Pietätlosigkeit denken, ich möchte aber meine Sicht auf die "Dinge" zum Besten geben - in Form eines Urlaubsberichts. Da bleibt die politische Dimension nicht außen vor. Sie kann es auch nicht.
      ----------------------------------------------------------------------------------------------------------


      Nach einem sehr angenehmen Aufenthalt in Haifa, im örtlichen Hostel(Port Inn), dass leider nur auf den zweiten Blick zu finden war, ging es dann für mich weiter nach Acre(Acco...), welches ich mit dem Zug erreichte. Ohne Smartphone ausgestattet - und das mal grundsätzlich - ist die Informationsbeschaffung eines Touristen in Israel eine echte Herausforderung. Also ging ich vom Bahnhof mal einfach drauf los. Sozusagen immer der Nase nach. Und siehe da - ich erreichte mein Ziel - Old Acre - ohne größere Umwege.





      Die Altstadt hat soviel Schätze zu bieten, dass die Bewohner und die Verantwortlichen teilweise sehr fahrlässig mit ihren Kulturschätzen umgehen. Dies trifft im Prinzip für ganz Israel zu. Hier ist nun die Karawanserei zu sehen. In den letzten Jahren passierte hier gar nichts. Ein Mädchen, das mir dort einen sehr kostspieligen frischen Orangensaft machte, behauptete sogar, das Gelände stehe für mehrere Millionen zum Verkauf. Soll man das glauben?




      Jede Menge schmaler Gassen prägten die Altstadt. Ein starker Kontrast, wenn ich so an meine Stadt denke.



      Und hier haben wir eine typische Baustellenpausenörtlichkeit mit Wasserpfeife, Cola, Bier usw.



      Das neu erbaute Hostel spottet eigentlich seines Namens, denn es ist in meinen Augen ein vollwertiges Hotel mit allem Klimbim. Für etwas über 100 Schekel bekam ich ein Dorm, der aber so aussah, als ob ich Derjenige war, der ihn einweihen dürfte. Da war alles vom Feinsten. Und ich hatte den Raum für mich allein. Aber nur den Raum, denn draußen auf den Fluren, machte eine Hundertschaft Jugendlicher bis weit in die Nacht Terror. Toll. Dafür entschädigte das Frühstück, das inklusive war.




      Am nächsten Tag - auf dem Weg zum "Busbahnhof" - gab es dann ein Ereignis. Ein besonderes Ereignis. Es regnete.



      Am Bahnhof angekommen, fragte ich dann auch gleich nach einer Busverbindung nach Tzefat(Safed). Ein freundlicher Soldat half mir dabei, meine Infos zu bekommen. Auf dem Weg nach Tzefat lernte ich dann nicht nur die israelische Baukunst - wie schon oben erwähnt - näher kennen, nein, ich sah auch Dutzende Obstplantagen und was noch viel eindrücklicher war, ich lernte die Fahrkünste israelischer Busfahrer näher kennen. Ich dachte, ich hätte schon einiges mitgemacht, aber das hat mich dann doch beeindruckt. Ich ringe nach Worten - WIE EINE WILDE SAU! Highlight auf dem Weg nach oben - Tzefat liegt auf knapp 900 Höhenmetern - war dann ein versuchtes Überholmaneuver(Der Bus war voll besetzt) gegen einen anderen Bus - bei mindestens 5 Prozent Steigung und einspuriger Fahrbahn. Man gut, dass ich kein Eiersalat gegessen hatte...

      Dafür belohnte dann der Ausblick auf den See Gallilee und der Blick auf die Stadt, die zu 99 Prozent von Juden bewohnt ist - eines der Zentren in Israel. Das war nicht immer so. So wurden vor ein paar Jahrzehnten - als die Einwohnerzahl stark schrumpfte - Künstler in die Stadt gelockt. Mietfreies Wohnen und andere Vergünstigungen sorgten für das Entwickeln einer größeren Künstlerkolonie. Bildhauer, Maler oder Handwerker stellen hier ihre Exponate, in einem der bekannten tunnelartigen Gänge, aus. Zu erwähnen ist auch hier, dass, wenn sich keine reiche amerikanische oder israelische Stiftung erbarmt, es keine Touristeninformation gibt. Stadtkarten sind nicht zu bekommen, die Hinweisschilder vor Ort sind nur noch schwer lesbar - alles in allem nicht optimal. In der örtlichen Stadtverwaltung hatte man dann doch noch eine Karte für mich - zufälligerweise und auf Hebräisch. Optimal geschmacksneutral.






      Nach einigem Suchen fand ich dann doch noch meine Jugendherberge im Süden der Stadt. Nix wie hin. Schnell noch einkaufen und schon bin ich da. An der Örtlichkeit angekommen, wartete dann die nächste dicke Überraschung auf mich. Als ich auf dem Weg zur Rezeption war, fing mich ein Rabbiner ab und wollte den Grund meines Erscheines wissen. Mit dem Anblick von Dutzenden weiteren Rabbinern, war mir dann schnell klar - dit jibs nich mehr. Aufgrund der Temperaturen - jenseits von 35°C - vor Ort, wurde ich ein wenig ,aber nur ein ganz bisschen, sauer. Ich verließ das Gebäude, nicht ohne einen belehrenden Kommentar abzugeben - "Machense wenigstens dit Schild "Youth Hostel" ab und rufense mal beim Touristenamt an - Hier jibs keen Hostel mehr." Natürlich auf Englisch.

      Aber es kam noch dicker. Froh darüber, im Anschluss doch noch ein Hostel gefunden zu haben, musste ich dann durch die ganze - und ich betone ganze Stadt - gefühlte 15 Kilometer und 800 Höhenmeter überwinden. Ich hatte den schweren Backpack auf dem Rücken, eine nicht minder schwere Einkaufstasche in der Hand und gestrichen die Nase voll.
      So hatte ich mir meinen ersten Backpacking-Urlaub weniger vorgestellt. Augen zu und durch.
      Das Hostel "Safed Inn" war dann erreicht. Es befindet sich in unmittelbarer Nähe eines großen Armeestützpunktes .Wenigstens war ich sicher. Die Qualität der Räumlichkeiten war unter der Rubrik " Schwamm Drüber" einzuordnen, jedoch machte es die Gastgeberin - eine Israelin mit deutschen Wurzeln - mit einigen Sachen wieder gut. Ihr rabenschwarzer Humor wird mir ebenso in Erinnerung bleiben, wie das Haus ihre Mutter. Ein Haus, das von außen komplett mit Kupfer bedeckt war. Die Mutter brachte es zusammen mit ihrem Ehemann aus dem Süddeutschen Raum, zurück ins heilige Land.

      Am nächsten Tag fuhr ich dann weiter nach Tiberias, wo ich eine Nacht verbringen wollte. Auf dem Weg dahin geriet ich dann wieder an so einen Busfahrer...
      In Tiberias angekommen, dämmerte mir wegen der vielen Leute, dass Feiertag sein muss. Es war die Hölle los. Die Stadt quoll über. Alle diese Betonburgen, die rund um den See Gallilee platziert waren, waren gefüllt. Nichts für mich. Kurzentschlossen entschied ich mich direkt nach Nablus weiterzufahren. Der Plan war, über Afula und Jenin in die Stadt zu kommen. Glücklicherweise traf ich dann am Busbahnhof wieder jede Menge junger Soldaten, die ich natürlich mit meinen Fragen löcherte. Sie rieten mir dringend ab, die geplante Route zu nehmen und stattdessen weiter östlich entlang des Jordantals über Bet She'an bis zur Fatzaeh Junction zu fahren. Die Zeit wurde wegen des Shabbats knapp, nach zwei Stunden Wartezeit fuhr dann endlich der Bus vor. Los gings. Es verlief alles wunderbar. Keine Kontrollen, einfach die Straße 90 runterpeitschen.
      Als ich dann an der Kreuzung ausstieg, wurde mir erstmals so richtig klar, was ich vor hatte. Ja, man kann es fast schon als Naivität bezeichnen. Aber ohne diese Naivität , also bei vollem Bewusstsein, dessen, was ich da vor hatte, wäre ich erst gar nicht in den Flieger gestiegen. Ich wäre wahrscheinlich wieder einmal mit dem Rad in Skandinavien unterwegs.
      So stand ich nun an der Kreuzung, den Arm raus haltend, um ein Auto zu erwischen. Es vergingen ewige zehn Minuten bis der/ein Bus kam. Was dann folgte, war erschütternd und wunderschön zugleich.




      Der Fahrt mit dem Bus hinauf in Richtung Nablus war atemberaubend. Ich blickte mich ständig um, nicht fassend, wie beeindruckend der Blick auf das Jordantal sein kann. Überall braunes Gestein, keine Bäume und dann schaust du dahin und bist einfach baff.

      Das ging dann so eine halbe Stunde lang, bis wir von der Hauptstraße abbogen und plötzlich vor einer hochgesicherten Anlage standen. Militär? Nee, ne jüdische Siedlung. Der Bus fuhr durch eine Sicherheitsschleuse mit befaffneten Sicherheitskräften, dann vorbei an einer Gruppe Siedler, die ihr Selbstverteidigungsrecht durch M-16 Sturmgewehre, an der Schulter hängend, Nachdruck verliehen. Es war eine riesige Siedlung, thronend über das Jordantal "geparkt", mit der klaren Aussage: "Wie bleiben hier.". Die Häuser schick, groß. Es fehlt an nichts. Es gibt ein eigenes Schwimmbad, Sprthalle usw.
      Ich dachte mir: Dies ist also "Die Siedlung". Wie konnte ich so naiv sein. Wir durchfuhren noch ein halbes Dutzend solcher Siedlungen, einige durch das amerikanische USAID- Programm unterstützt, andere durch große jüdische Stiftungen in den Vereinigten Staaten. Um das klarzustellen: Ich befand mich seit Patzael auf palästinensischem Territorium. Ein Territorium, dass zwar auf ziviler Ebene selbstbestimmt ist, aber militärisch von den Israelis verwaltet wird. Und DIE bestimmen, wo da eine Siedlung hinkommt und wo nicht. Ganz klare Sache.

      Der Bus fuhr mich bis zur Tappuah Junction - kurz vor Nablus(Shechem). Dort stieg ich aus. Jede Menge gelber Taxis fuhren vorbei. Kenn ich.
      Es ist eine sehr große Kreuzung - links palästinensische Sicherheitskräfte, rechts die Israelis. Ich ging ,weil näher dran , zuden Israelis. Zwei junge Soldaten, mindestens zehn Jahre jünger als ich, aber ihren Gesichtern nach, wesentlich erfahrender mit "Krisensituation". Natürlich. Auf meine Frage, welche Verbindung nach Nablus denn die beste/sicherste sei, entgegneten sie mir mit einer Frage. Habe ich denn nicht die Nachrichten gehört? Ich verneinte. Ok, mein Bester. Gestern kam ein Mann den Hügel runter und schoss mit seiner Pistole auf die Soldaten. Da haben wir kurzen Prozess gemacht...
      Meiner erster Gedanke danach, war der, was einen Menschen dazu bringt, eine solche Tat zu begehen. Man geht nicht einfach so den Hügel runter und drückt ab. Das glaube ich nicht. Auf jeden Fall machte ich noch den Fehler, rüber auf die Blutlache zu schauen, in der der Mann noch vor 15 stunden lag und sein Leben verlor.

      Die beiden Soldaten, neben denen ich stand, blickten mit gekonnter Lässigkeit zu mir rüber und hinterfragten meinen Plan. Das tat ich auch. Sehr kurz. Sie wiesen mich auf die Gefahren hin. Ob ich denn da wirklich hin will. Daraus entwickelte ich eine Art Trotzhaltung. Na, klar. Hand raus gehalten und nur zwanzig Taxen warten müssen. Der Minibus hielt aber nicht direkt vor mir - und den beiden Soldaten, sondern circa 100 Meter weiter. Der Grund: Der Fahrer hatte ganz einfach Schiss inner Buchse - vor den Soldaten ,wie er mir sehr offen zugestand. Die Fahrt nach Nablus war kurzweilig. Vorbei an zerstörten, neu gebauten, wieder zerstörten Häusern. Vorbei an Panzern, SPW's und anderen militärischen Fahrzeugen.
      Und wir fuhren an Autowerkstätten vorbei. Jede Menge Autowerkstätten. Ganz Nablus besteht aus Autowerksstätten. Aus richtig viel Schyce Gold machen ,eben. Ich erzählte dem Fahrer(die Fahrt kostete mich nur 5 NIS)von den Hotels, die ich mir "ausgesucht" hatte. Nach langem Überlegen, erkannte er eines dieser "Hotels". Anführungsstriche, die wirklich passen.
      Das "Chrystal Hotel" wäre einen eigenen Absatz wert. Aber nicht jetzt.
      Nur soviel: Betrogen worden und eine unterirdische Qualität - selbst für palästinensische Verhältnisse. Empfehlenswert ist da dieses Hotel, wo sie alle hingehen und dessen Name mir gerade nicht einfällt.


      Blick aus dem "Hotel"





      Nach einer Nacht, die mit wunderschönen Gesängen, die aus den "Türmen", über Lautsprecher in die Stadt "gesandt wurden, begann, und mit Gewehrsalven- und Mörsergranatenlauten endete, verließ ich fluchtartig das Hotel. Ich war endgültig beeindruckt.

      Mehr demnächst
      Zuletzt geändert von Muskat; 21.07.2014, 19:24.
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        • Meine Reisen

        #4
        AW: [IL][PS] Reise nach Israel und der Westbank

        Vielen dank für deinen Bericht.
        Man hat gerade an so historischen Orten offenbar immer noch nicht verstanden, warum der Fünfte Kreuzzug der eigentlich erfolgreichste war.
        Man hat miteinander gleichberechtigt verhandelt und nicht gekämpft...

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        • KellerWolf
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          #5
          Danke für den interessanten Bericht ich hoffe es geht noch weiter und finde es auch gut das du uns deine persönliche Meinung über deine Erlebnisse schilderst. Leider ist das was man aus Israel und Palästina hört ja meist aus den Medien und dementsprechend eh einseitig.

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          • Muskat
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            #6
            AW: [IL][PS] Reise nach Israel und der Westbank

            Kurz noch eine weitere Situationsbeschreibung des Hotelaufenthaltes in Nablus

            Während ich den Abend ua. damit verbrachte, die 350 verschiedenen Fernsehsender des Hotelzimmerreceivers auszutesten, landete ich irgendwann bei Bloomberg TV, einem Sender, der fast ausschließlich Finanznachrichten in den Fernsehäther jagt.
            Dessen Besitzer ist Michael Bloomberg, ehemaliger Bürgermeister New Yorks und mehrfacher Milliardär.
            Ich schaltete genau zum richtigen Zeitpunkt ein. Es wurde ein einstündiges Interview des Senders mit Bloomberg himself und einem nicht weniger bekannten Menschen mit Namen Blankfein, ausgestrahlt. Die Moderatorin gab den beiden Gästen meiner Ansicht nach ordentlich Feuer - es wurden nicht nur Fragen zum eigentlichen Thema - es wurde irgendein Fond für Kleinunternehmer gegründet - gestellt.
            Und im Laufe des Interviews hörte ich dann ua. Folgendes: Mike Bloomberg: The Harder You Work the Luckier You Get

            Sofort stand ich auf und ging zum Fenster des Zimmers. Ich schob die Fensterscheiben zur Seite und sah herab zu den Ladenbesitzern gegenüber, die ihre Läden bis abends um zehn offen hatten und jeden Müll zu verkaufen versuchten. Am nächsten Morgen um sieben standen sie dann wieder auf der Matte. Ich war drauf und dran denen die Worte Bloombergs um die Ohren zu hauen. Recht hat er, der Mann...
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            • Muskat
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              #7
              AW: [IL][PS] Reise nach Israel und der Westbank

              Wie gesagt, am nächsten Morgen ging es früh weiter. Wie auch in den israelischen Städten, ging ich auch hier ohne Übersichtskarte los. Einfach der Menge folgend. Und so landete ich in der City von Nablus. Ich konnte jede Menge geschäftiges Treiben beobachten. Jeder hatte anscheinend etwas zu erzählen oder zu verkaufen. Ich bereute meine voreiligen Schlüsse über israelische Busfahrer...
              Um halbwegs unbeschadet die Straßen in Nablus zu überqueren, sollte man ein wenig Leichtathlet sein. Ansonsten war es dann mit dem Sein.
              Na ja, auf jeden Fall war mein Vorrat an Schekeln massiv gesunken. Als gute Entscheidung erwies sich, ein paar Hundert Dollar als Notnagel mitzunehmen. Ich ging zum nächsten WU - Shop und tauschte ein Teil davon um. Dort schlug ich quasi zwei fliegen mit einer Klappe und erkundigte mich wegen eines "Busbahnhofs". So richtig verstanden die Leute mich dort nicht. Achselzucken. Wat für ein Busbahnhof? Wir kennen nur den für die gelben Taxen. Warten Sie bitte kurz - ich komme mit und zeige Ihnen, wo der ist...

              Na, besser gehts doch nicht. Ein junger Mann begleitete mich den ganzen Weg über und organisierte das richtige Taxi für mich. Währenddessen erwischte ich mich bei einer - in meinen Augen - typisch kapitalistischen Denkweise. DER will doch bestimmt Geld haben. Nee, will er nicht. Ein herzliches Dankeschön, ein "Germany World Champion" und eine Umarmung taten es dann auch. So lasse ich mich gerne überraschen.
              Angekommen am Taxihof, wurde noch ein zwei Minuten auf den letzten Fahrgast gewartet. Es ist usus, dass ein wenig warten muss, damit dann der Bus voll ist. Das war dann so. Rein in den nagelneuen T5 auf die letzte Sitzbank - neben zwei Frauen ,die fast komplett schwarz verhüllt waren. Man, die müssen ja schwitzen - bei den Temperaturen. Die Männer auf den vorderen Sitzreihen konnten sich ein Grinsen nicht verkneifen. Ich stand darüber. Erst nach ein paar Minuten wurde der Fahrpreis zum Fahrer herübergereicht. 19 NIS für eine Fahrt von Nablus nach Ramallah empfand ich als günstig. Der Fahrer hatte es wieder eilig... Es ging ua. wieder an israelischen Siedlungen vorbei, die auch daran zu erkennen waren, dass zahlreiche große Schilder von USAID dort angebracht waren, um die finanzielle Unterstützung darzustellen und um die Leute aufzuklären... Ich muss aber auch erwähnen, dass USAID auch palästinensische Bauvorhaben unterstützt - aber eben nicht in der Mehrzahl.

              Ramallah hat wie Nablus verschiedene Ministerien der Autonomiebehörde gebaut. Das haben die Palästinenser von den Israelis gelernt. Fakten schaffen ist da die Devise. Und die Gebäude können sich durchaus sehen lassen. Da stehen schon ganz schöne Hütten herum. Wie auch immer, gegen Mittag kam ich in Ramallah an. Kaum aus dem Taxi raus, quatschten mich schon die ersten Leute an ,ob ich denn nicht ein Taxi möchte usw. Nein. nein, nein war dann das Wort, welches ich dann die nächste Stunde wie in Trance hundert Mal wiederholte. Nein, nein, nein. Es nervte einfach. Oder andersrum: Ich war diese Art von Geschäft nicht gewohnt.
              Ich flüchtete mich in einen Laden, der hauptsächlich frischen Tee und Gewürze im Angebot hatte. Beides wurde erst gar nicht umgepackt, es wurde in den großen Säcken gelassen, in denen sie ankamen. Schlaraffenland. Dieser Geruch. Teesorten vermischten sich mit Gewürzsorten. Es duftete nach, ich weiß nicht, allem. Das als Parfüm, dachte ich mir. Tausendmal besser als dieser Chemiekram, den wir so kaufen. Ich hielt einen kurzen Schnack mit dem jungen Verkäufer. Natürlich wurde auch über Fußball geredet. Und er sagte ein gewisses Ereignis voraus...



              Es war bereits Mittag und ich auf dem Weg in Richtung Kontrollpunkt der IDF. Aber wie hinkommen? Rein in ein Taxi, 5 NIS gezahlt und schon war ich da. Dann die Überraschung: Passieren des Kontrollpunktes nur mit fahrbaren Untersatz.
              Arm raus gehalten und zehn Sekunden später saß ich in einem klapprigen Skoda von anno dazumal. Vor mir begrüßten mich zwei Brüder, die aus Ramallah kamen und in Jerusalem eine Wechselstube ihr Eigen nannten. Wir erreichten den Grenzpunkt. Dort standen dann junge Soldatinnen, hübsche Frauen, mit ihren amerikanischen Sturmgewehren und natürlich dem Smartphone. Kurzer Hinweis der Brüder an die Soldaten, ganz dezent natürlich: He is from Germany! Germany! Germany!!!
              Ob das half weiß ich nicht. Auf jeden Fall waren wir im nu wieder unterwegs. Eigenlich wollte ich sofort nach dem checkpoint wieder aussteigen und den Bus nehmen. Das kam aber für die Jungs nicht infrage. Ich vertraute ihnen.

              Das muss irgendsoeine Lebenseinstellung sein, wie damals bei uns die Halbstarken, dass sehr viele, ob Israelis oder Palästinenser, fahren, als ob es kein morgen gibt. Die Herren Brüder lieferten sich mit ihrem Octavia ein Rennen mit einem Mofafahrer. Es wurden alle drei Fahrstreifen genutzt. Ich hielt mich an allem fest, was möglich war. Sag ich jetzt was, oder nicht? Können wir nicht wenigstens auf 140 km/h runtergehen, dachte ich mir... Mir war kotzübel.

              Als wir dann am Damascus Gate ankamen, verabschiedeten wir uns herzlich, ich ging ein paar Meter, um mich dann fast eine halbe Stunde von der Fahrt zu erholen.
              Wenn ich es nicht mache, dann macht es ein Anderer...
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                #8
                AW: [IL][PS] Reise nach Israel und der Westbank

                Wenn ich hier jetzt reell reinschreibe, was ich in diesen Tagen von Israels Siedlungspolitik, Umgang mit seinen Nachbarn und Gechichtserfahrungen denke, flackert bei mir das Licht und ne Pershing knallt mir auf Dach.
                Oder ich bekomme einen Anruf, dass man gern mein Haus zerstören möchte.
                Es ist zum kotzen.
                Aber danke für deine mutige Reise und die zerstörten Landschaften.
                Denkt an den vierten Kreuzzug.
                Wann wird man je verstehn....

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