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Dies ist der zweite Teil meines Berichts über meine diesjährige Alaska-Reise. Es ging für 17 Tage durch den Denali Nationalpark und darüber hinaus. Die Tour führte mich zunächst über und entlang der Alaska-Range, dann raftete ich den Teklanika River und besuchte abschließend den am Stampede Trail gelegenen „Magic Bus“.
Verzeiht die langen Ladezeiten, ich hatte Schwierigkeiten mit der Auswahl der Bilder...
Die Vorgeschichte dieser Reise ist schnell erzählt: nachdem ich aus den Talkeetna Mountains nach Palmer zurückgekehrt war, brannte mir der Aufbruch in den Denali schon unter den Nägeln. Die Farben des Indian Summers hatten nun, Anfang September, fast ihren Zenit erreicht: es war die beste Zeit zum Trekking in Alaska, auch wenn die Abende und Nächte schon recht kühl wurden. Die Route für meine Tour stand schon lange fest. Es war die gleiche, die ich im Sommer 2010 bereits mit meinem damaligen Reisepartner Christian in Angriff nehmen wollte, damals scheiterte dies jedoch aus Krankheitsgründen. Die Idee, dir wir damals entworfen hatten, gefiel mir aber immer noch: eine relativ lange Tour durch diesen wunderschönen Nationalpark, zwei Überquerungen der majestätischen Alaska-Range, Gletscher-Berührung und Moränen, ein Packrafting-Abschnitt auf dem Teklanika River und zum Abschluss eine Wanderung auf dem Stampede Trail, der zum berühmten „Magic Bus“ führt. 2010 rechneten wir noch mit 21 Tagen für die gesamte Strecke, da ich nun allein war, sollte mir Verpflegung für 19 Tage genügen.
Am 4. September ging es los. Von Palmer bis zum Nationalpark sind es etwa 350 Kilometer, die ich problemlos in weniger als einem Tag hätte trampen können. Stattdessen machten wir – meine Gastgeberin Bev aus Palmer und Becky aus Colorado, mit der ich zuvor in den Talkeetnas unterwegs war – daraus einen kleinen Roadtrip, der uns zuerst nach Osten und dann entlang des Denali Highway zum Park führte. Das Wetter war wechselhaft, mal regnete es, dann schien wieder die Sonne zwischen den Wolken hindurch.
Im Park angekommen kümmerte ich mich im Backcountry Office schnellstmöglich um die Organisation der Route. Ich erhielt meine Genehmigung sowie den obligatorischen „bear resistant food container“: eine schwere und sperrige Plastiktonne, in der alles, was in irgendeiner Weise nach Nahrung riecht, bärensicher aufbewahrt werden kann. Und dann ging es auch schon los. Zu meinem Ausgangspunkt im Park nutzte ich einen der grünen „Camper-Busse“, die alle Overnight Hiker an ihren Startorten rauslassen und andere, die ihren Trek beendet haben, unterwegs aufsammeln und wieder zurück zum Eingang des Parks fahren. Meistens handelt es sich dabei um kürzere Ausflüge mit maximal vier oder fünf Übernachtungen – als der Fahrer meinen Rucksack im hinteren Teil des Busses verlud, merkte er schon an dessen Gewicht, dass ich etwas länger bleiben wollte.
Unterwegs hielten wir kurz am „Sanctuary River Campground“, wo ich schnell aus dem Bus sprang und Nahrung für fünf Tage sowie meine Packrafting-Ausrüstung in einem „food locker“ einschloss. Meine Route führte nach geschätzten 13 Tagen an diesem Ort vorbei und weiter zum Teklanika River. Da ich mein Packraft auf dem ersten Teil der Tour nicht brauchte, erleichterte ich meinen Rucksack etwas und konnte die gesamte Route nun in zwei Abschnitte aufteilen (13+6 Tage).
Weiter ging es mit dem Bus bis zum „Grassy Pass“. Unterwegs hielten wir zwei mal für Grizzly-Bären, die sich abseits der Straße tummelten. Einen Bären von der Straße aus zu sehen ist zwar weniger „aufregend“, als ihm abseits aller Zivilisationsspuren zu begegnen; trotzdem ließ ich es mir natürlich nicht nehmen, ein paar Fotos zu schießen.
Denali Park Road.
Mein Startpunkt „Grassy Pass“ liegt etwa zwei Kilometer hinter dem „Eielson Visitor Center“. Ein kleiner Trail führte mich von der Straße den Hang hinab in das riesige Flussbett des McKinley Rivers, der zu diesem Zeitpunkt nicht allzu viel Wasser führte und leicht zu überqueren war. Da es bereits recht spät am Tage war, folgte ich meiner Route nur noch für etwa fünf Kilometer nach Süden und errichtete mein Lager. Als die Sonne schon unter gegangen war, sah ich am Horizont drei Grizzlies (Mutter mit zwei Jungen) eine nicht weit von mir entfernte Kammlinie entlangrennen. Ich beendete meinen ersten Tag also in der festen Gewissheit, ein paar Grizzlies in unmittelbarer Nähe zu haben. Na das kann ja heiter werden, dachte ich und ging schlafen.
Am nächsten Morgen marschierte ich entlang des Glacier Creek weiter nach Süden, zur Rechten immer die breite Moräne des gigantischen Muldrow Glaciers. Das steinige Flussbett beanspruchte meine volle Konzentration und so war ich überrascht, als ich um eine Ecke bog und plötzlich zwei junge Grizzlies direkt neben mir die Böschung herab auf mich zukamen. Bevor ich in irgendeiner Weise reagierte, hielt ich nach der Mutter Ausschau: sie stand oberhalb der Böschung und beobachtete die Szene genau. Die Kleinen waren etwa acht Meter von mir entfernt, sie hatten mich gesehen, schienen sich aber nicht um mich zu kümmern. Meine größte Sorge war natürlich, dass sie mir noch näher kommen und die Mutter aus Sorge um ihre Jungen irgendwann „dazwischen gehen“ würde. Also hob ich meine Arme, sprach in lauter, aber ruhiger Stimme und ging langsam rückwärts an ihnen vorbei. In etwa 30 Metern Abstand stellte ich mich gut sichtbar auf einen Stein und schoss ein paar Fotos. Da die Tiere mir langsam immer näher kamen, verlagerte ich meinen Beobachtungsort ein weiteres mal. Immer auf der Suche nach Beeren und/oder Erdhörnchen (also Nahrung) folgten sie langsam der Böschung flussaufwärts, also in meine Richtung. Sie hatten offensichtlich kein Interesse an mir, weshalb ich mich ganz auf meine Fotos konzentrieren konnte. Andererseits wollte ich die Grizzlies auch nicht zu nahe kommen lassen und entschied mich nun nach dem zweiten Ausweichen dazu, diesen Ort ganz zu verlassen und weiter zu gehen. Natürlich befand ich mich in absoluter Hochstimmung: die Bären waren mir recht nah gewesen, trotzdem war die Szene absolut friedlich und ich konnte sie genießen, anstatt ängstlich flüchten zu müssen.
Je näher ich dem Hauptkamm des Gebirges kam, desto schlechter wurde das Wetter. Zuerst nahm nur der Wind zu – immer wiederkehrende starke Böen bliesen mir den Sand ins Gesicht und manchmal hatte ich wirklich Mühe, dem Wind entgegenzustehen und meinem Weg zu folgen. Wenig später gesellte sich starker Regen dazu, der auch nicht mehr nachließ. Nach etwa vier Stunden in diesem Wetter war ich völlig nass. Am späten Nachmittag erreichte ich mein Tagesziel: da, wo der Muldrow Glacier weiter nach Westen führt und ich nach Osten zum Anderson Pass aufsteigen wollte, suchte ich nach einem Schlafplatz. Aufgrund des Sturmes fiel mir das nicht gerade leicht. Es gab kaum windgeschützte Stellen und die Böen kamen aus verschiedenen Richtungen die Berghänge herab gefegt. Außerdem war ich nur mit meinem kleinen leichtgewichtigen Terra Nova unterwegs – ein robusteres Geodät hätte mir hier wohl weniger Sorgen bereitet.
Meine Wahl fiel auf eine ebene Stelle hinter einem großen Stein. Doch als ich mit dem Zeltaufbau begann – ich war gerade dabei, das Gestänge in den entsprechenden Kanal einzuführen – erwischte mich eine unerwartet starke Böe, welche die bereits im Boden steckenden Heringe problemlos heraus zog und mein Zelt wer weiß wohin geweht hätte, wenn ich es nicht hätte festhalten können. Inzwischen waren Innen- und Außenzelt natürlich vollkommen durchnässt. Deprimiert und ein wenig verzweifelt packte ich alles provisorisch wieder ein und hielt nach einem besseren Zeltplatz Ausschau. Etwa 20 Minuten später startete ich einen neuen Versuch, diesmal gelang mir der Aufbau. Nachdem mein Zelt einigermaßen sicher stand und ich alles bärensicher verstaut hatte, legte ich mich erschöpft auf meine Matte nieder. In meinem Kopf drehte sich alles um die Machbarkeit der nächsten Etappe: ich musste etwa 500 Höhenmeter zum Anderson Pass bewältigen und, was viel schwieriger war, auf der anderen Seite einen Gletscher überqueren und dann für einige Kilometer auf der zerklüfteten Moräne des West Fork Glaciers ins Tal absteigen. Unterwegs würde es wahrscheinlich keine Zeltmöglichkeit geben, ich rechnete also mit einer langen Etappe, die bei schlechter Sicht (besonders beim Gehen auf der eisigen, durchfurchten Moräne) in einer Katastrophe enden konnte! Ich entschied also, das Weitergehen am nächsten Morgen vom Wetter abhängig zu machen und im Zweifel lieber einen Tag abzuwarten.
Die Nacht war grauenvoll. Ich fand kaum Schlaf, der Sturm hielt mich wach und aus Sorge um einen Gestängebruch richtete ich mich immer wieder auf, um bei den stärksten Böen dem Druck von Innen entgegenzuhalten. Als das Wetter bis 10.00 Uhr morgens nicht besser geworden war, war klar, dass ich den Tag hier verbringen würde. Glücklicherweise klarte es zum Mittag doch noch auf. Der Wind ließ etwas nach und die Sonne kam hin und wieder zum Vorschein. Also verteilte ich meine nassen Sachen zum Trocknen um das Zelt herum. Wie immer ließ ich meine Augen auch hier ständig umherschweifen, um nach Tieren Ausschau zu halten, als ich auf der anderen Seite des Flussbetts schon wieder Bären entdeckte. Und wieder waren es drei Grizzlies, eine Mutter mit zwei Jungen, allerdings waren es nicht die selben, denen ich am Vortag begegnet war. Ich beobachtete sie beim Ausgraben von Erdhörnchen-Höhlen, bis sie sich auf den Weg in meine Richtung machten. Anfangs war ich kaum beunruhigt, doch dann kamen sie mir erstaunlich nahe. Aus Sorge, sie könnten über mein Lager herfallen, blieb ich an Ort und Stelle – laut redend und mit den üblichen Gesten meine Position verteidigend. Letztendlich marschierten die Tiere direkt an mir vorbei bergauf in Richtung des Passes, den ich am nächsten Tag überqueren wollte. Ich stellte mich also schon darauf ein, den Bären noch einmal zu begegnen: entweder würden sie am gleichen Tag oder in der Nacht zurück ins Tal kommen und mein Zelt erneut passieren oder ich würde sie sehen, wenn ich am nächsten Morgen meinen Weg zum Anderson Pass antrete. Eine seltsame Kombination aus Unruhe und Vorfreude machte sich in mir breit, die dazu führte, dass ich den gesamten restlichen Tag sehr wachsam und aufmerksam blieb.
Als mein Zelt am Tag nach dem Sturm trocknete, war es natürlich enorm straff gespannt. Ich habe vergessen, die Abspannungen zu lockern und bin dann auch noch auf eine Leine getreten. Da ist dann eine Schlaufe gerissen. Das Bild zeigt meine provisorische Reparatur.
Während meine Sachen trockneten, nutzte ich meine freie Zeit übrigens zum Fotografieren von Erdhörnchen. Es dauerte lange, bis ich ihnen nah genug war, letztendlich konnte ich aber einige großformatige Aufnahmen von den Tieren machen.
Ohne die drei Bären wiedergesehen zu haben, ging ich früh am Abend schlafen. Über Nacht regnete es, dann klarte es auf und die Temperaturen rutschten in den Minusbereich, was sich am nächsten Morgen in Form von gefrorenen Regentropfen an meinem Zelt widerspiegelte. Zügig packte ich meinen Kram zusammen und begann recht schläfrig mit dem Aufstieg. Es dauerte kaum 20 Minuten, schon kamen mir die erwarteten Grizzlies entgegen. Wir nutzten scheinbar den selben „Pfad“ – ich musste ihnen förmlich aus dem Weg gehen, damit sie passieren konnten. Wahrscheinlich waren sie noch erstaunter als ich darüber, mich wiederzusehen, zumindest ließen dies ihre Gesichtsausdrücke vermuten. Jedenfalls gingen sie in unmittelbarer Nähe an mir vorbei. Noch nie zuvor war ich Grizzlies so nahe gewesen – nun war ich wach!
Ich folgte also meiner Route hinauf zum Anderson Pass. Oben angekommen genoss ich die Aussicht auf die umliegenden Gletscher, trat dann aufgrund der Kälte allerdings recht bald den Abstieg an. Die Überquerung des Gletschers lief problemlos, das Gehen auf der Moräne erwies sich jedoch wiedermal als ermüdend. Es geht ständig auf und ab, überall sind gefährliche Spalten und Furchen, loses Geröll und so weiter... Glücklicherweise hatte ich gute Sicht und kam nach acht Stunden Fußmarsch unbeschadet unten im Tal an. Allerdings änderte sich das Wetter mal wieder: ich konnte mein Zelt gerade noch rechtzeitig aufstellen, bevor ein schwacher, aber konstanter Dauerregen einsetzte, der mich auch in den nächsten beiden Tage begleiten sollte.
Schwer zu erkennen, aber hier entspringt sozusagen der West Fork Chulitna River. Das Wasser strömt aus dem Ende der Gletschermoräne hervor.
Verzeiht die langen Ladezeiten, ich hatte Schwierigkeiten mit der Auswahl der Bilder...
Die Vorgeschichte dieser Reise ist schnell erzählt: nachdem ich aus den Talkeetna Mountains nach Palmer zurückgekehrt war, brannte mir der Aufbruch in den Denali schon unter den Nägeln. Die Farben des Indian Summers hatten nun, Anfang September, fast ihren Zenit erreicht: es war die beste Zeit zum Trekking in Alaska, auch wenn die Abende und Nächte schon recht kühl wurden. Die Route für meine Tour stand schon lange fest. Es war die gleiche, die ich im Sommer 2010 bereits mit meinem damaligen Reisepartner Christian in Angriff nehmen wollte, damals scheiterte dies jedoch aus Krankheitsgründen. Die Idee, dir wir damals entworfen hatten, gefiel mir aber immer noch: eine relativ lange Tour durch diesen wunderschönen Nationalpark, zwei Überquerungen der majestätischen Alaska-Range, Gletscher-Berührung und Moränen, ein Packrafting-Abschnitt auf dem Teklanika River und zum Abschluss eine Wanderung auf dem Stampede Trail, der zum berühmten „Magic Bus“ führt. 2010 rechneten wir noch mit 21 Tagen für die gesamte Strecke, da ich nun allein war, sollte mir Verpflegung für 19 Tage genügen.
Am 4. September ging es los. Von Palmer bis zum Nationalpark sind es etwa 350 Kilometer, die ich problemlos in weniger als einem Tag hätte trampen können. Stattdessen machten wir – meine Gastgeberin Bev aus Palmer und Becky aus Colorado, mit der ich zuvor in den Talkeetnas unterwegs war – daraus einen kleinen Roadtrip, der uns zuerst nach Osten und dann entlang des Denali Highway zum Park führte. Das Wetter war wechselhaft, mal regnete es, dann schien wieder die Sonne zwischen den Wolken hindurch.
Im Park angekommen kümmerte ich mich im Backcountry Office schnellstmöglich um die Organisation der Route. Ich erhielt meine Genehmigung sowie den obligatorischen „bear resistant food container“: eine schwere und sperrige Plastiktonne, in der alles, was in irgendeiner Weise nach Nahrung riecht, bärensicher aufbewahrt werden kann. Und dann ging es auch schon los. Zu meinem Ausgangspunkt im Park nutzte ich einen der grünen „Camper-Busse“, die alle Overnight Hiker an ihren Startorten rauslassen und andere, die ihren Trek beendet haben, unterwegs aufsammeln und wieder zurück zum Eingang des Parks fahren. Meistens handelt es sich dabei um kürzere Ausflüge mit maximal vier oder fünf Übernachtungen – als der Fahrer meinen Rucksack im hinteren Teil des Busses verlud, merkte er schon an dessen Gewicht, dass ich etwas länger bleiben wollte.
Unterwegs hielten wir kurz am „Sanctuary River Campground“, wo ich schnell aus dem Bus sprang und Nahrung für fünf Tage sowie meine Packrafting-Ausrüstung in einem „food locker“ einschloss. Meine Route führte nach geschätzten 13 Tagen an diesem Ort vorbei und weiter zum Teklanika River. Da ich mein Packraft auf dem ersten Teil der Tour nicht brauchte, erleichterte ich meinen Rucksack etwas und konnte die gesamte Route nun in zwei Abschnitte aufteilen (13+6 Tage).
Weiter ging es mit dem Bus bis zum „Grassy Pass“. Unterwegs hielten wir zwei mal für Grizzly-Bären, die sich abseits der Straße tummelten. Einen Bären von der Straße aus zu sehen ist zwar weniger „aufregend“, als ihm abseits aller Zivilisationsspuren zu begegnen; trotzdem ließ ich es mir natürlich nicht nehmen, ein paar Fotos zu schießen.
Denali Park Road.
Mein Startpunkt „Grassy Pass“ liegt etwa zwei Kilometer hinter dem „Eielson Visitor Center“. Ein kleiner Trail führte mich von der Straße den Hang hinab in das riesige Flussbett des McKinley Rivers, der zu diesem Zeitpunkt nicht allzu viel Wasser führte und leicht zu überqueren war. Da es bereits recht spät am Tage war, folgte ich meiner Route nur noch für etwa fünf Kilometer nach Süden und errichtete mein Lager. Als die Sonne schon unter gegangen war, sah ich am Horizont drei Grizzlies (Mutter mit zwei Jungen) eine nicht weit von mir entfernte Kammlinie entlangrennen. Ich beendete meinen ersten Tag also in der festen Gewissheit, ein paar Grizzlies in unmittelbarer Nähe zu haben. Na das kann ja heiter werden, dachte ich und ging schlafen.
Am nächsten Morgen marschierte ich entlang des Glacier Creek weiter nach Süden, zur Rechten immer die breite Moräne des gigantischen Muldrow Glaciers. Das steinige Flussbett beanspruchte meine volle Konzentration und so war ich überrascht, als ich um eine Ecke bog und plötzlich zwei junge Grizzlies direkt neben mir die Böschung herab auf mich zukamen. Bevor ich in irgendeiner Weise reagierte, hielt ich nach der Mutter Ausschau: sie stand oberhalb der Böschung und beobachtete die Szene genau. Die Kleinen waren etwa acht Meter von mir entfernt, sie hatten mich gesehen, schienen sich aber nicht um mich zu kümmern. Meine größte Sorge war natürlich, dass sie mir noch näher kommen und die Mutter aus Sorge um ihre Jungen irgendwann „dazwischen gehen“ würde. Also hob ich meine Arme, sprach in lauter, aber ruhiger Stimme und ging langsam rückwärts an ihnen vorbei. In etwa 30 Metern Abstand stellte ich mich gut sichtbar auf einen Stein und schoss ein paar Fotos. Da die Tiere mir langsam immer näher kamen, verlagerte ich meinen Beobachtungsort ein weiteres mal. Immer auf der Suche nach Beeren und/oder Erdhörnchen (also Nahrung) folgten sie langsam der Böschung flussaufwärts, also in meine Richtung. Sie hatten offensichtlich kein Interesse an mir, weshalb ich mich ganz auf meine Fotos konzentrieren konnte. Andererseits wollte ich die Grizzlies auch nicht zu nahe kommen lassen und entschied mich nun nach dem zweiten Ausweichen dazu, diesen Ort ganz zu verlassen und weiter zu gehen. Natürlich befand ich mich in absoluter Hochstimmung: die Bären waren mir recht nah gewesen, trotzdem war die Szene absolut friedlich und ich konnte sie genießen, anstatt ängstlich flüchten zu müssen.
Je näher ich dem Hauptkamm des Gebirges kam, desto schlechter wurde das Wetter. Zuerst nahm nur der Wind zu – immer wiederkehrende starke Böen bliesen mir den Sand ins Gesicht und manchmal hatte ich wirklich Mühe, dem Wind entgegenzustehen und meinem Weg zu folgen. Wenig später gesellte sich starker Regen dazu, der auch nicht mehr nachließ. Nach etwa vier Stunden in diesem Wetter war ich völlig nass. Am späten Nachmittag erreichte ich mein Tagesziel: da, wo der Muldrow Glacier weiter nach Westen führt und ich nach Osten zum Anderson Pass aufsteigen wollte, suchte ich nach einem Schlafplatz. Aufgrund des Sturmes fiel mir das nicht gerade leicht. Es gab kaum windgeschützte Stellen und die Böen kamen aus verschiedenen Richtungen die Berghänge herab gefegt. Außerdem war ich nur mit meinem kleinen leichtgewichtigen Terra Nova unterwegs – ein robusteres Geodät hätte mir hier wohl weniger Sorgen bereitet.
Meine Wahl fiel auf eine ebene Stelle hinter einem großen Stein. Doch als ich mit dem Zeltaufbau begann – ich war gerade dabei, das Gestänge in den entsprechenden Kanal einzuführen – erwischte mich eine unerwartet starke Böe, welche die bereits im Boden steckenden Heringe problemlos heraus zog und mein Zelt wer weiß wohin geweht hätte, wenn ich es nicht hätte festhalten können. Inzwischen waren Innen- und Außenzelt natürlich vollkommen durchnässt. Deprimiert und ein wenig verzweifelt packte ich alles provisorisch wieder ein und hielt nach einem besseren Zeltplatz Ausschau. Etwa 20 Minuten später startete ich einen neuen Versuch, diesmal gelang mir der Aufbau. Nachdem mein Zelt einigermaßen sicher stand und ich alles bärensicher verstaut hatte, legte ich mich erschöpft auf meine Matte nieder. In meinem Kopf drehte sich alles um die Machbarkeit der nächsten Etappe: ich musste etwa 500 Höhenmeter zum Anderson Pass bewältigen und, was viel schwieriger war, auf der anderen Seite einen Gletscher überqueren und dann für einige Kilometer auf der zerklüfteten Moräne des West Fork Glaciers ins Tal absteigen. Unterwegs würde es wahrscheinlich keine Zeltmöglichkeit geben, ich rechnete also mit einer langen Etappe, die bei schlechter Sicht (besonders beim Gehen auf der eisigen, durchfurchten Moräne) in einer Katastrophe enden konnte! Ich entschied also, das Weitergehen am nächsten Morgen vom Wetter abhängig zu machen und im Zweifel lieber einen Tag abzuwarten.
Die Nacht war grauenvoll. Ich fand kaum Schlaf, der Sturm hielt mich wach und aus Sorge um einen Gestängebruch richtete ich mich immer wieder auf, um bei den stärksten Böen dem Druck von Innen entgegenzuhalten. Als das Wetter bis 10.00 Uhr morgens nicht besser geworden war, war klar, dass ich den Tag hier verbringen würde. Glücklicherweise klarte es zum Mittag doch noch auf. Der Wind ließ etwas nach und die Sonne kam hin und wieder zum Vorschein. Also verteilte ich meine nassen Sachen zum Trocknen um das Zelt herum. Wie immer ließ ich meine Augen auch hier ständig umherschweifen, um nach Tieren Ausschau zu halten, als ich auf der anderen Seite des Flussbetts schon wieder Bären entdeckte. Und wieder waren es drei Grizzlies, eine Mutter mit zwei Jungen, allerdings waren es nicht die selben, denen ich am Vortag begegnet war. Ich beobachtete sie beim Ausgraben von Erdhörnchen-Höhlen, bis sie sich auf den Weg in meine Richtung machten. Anfangs war ich kaum beunruhigt, doch dann kamen sie mir erstaunlich nahe. Aus Sorge, sie könnten über mein Lager herfallen, blieb ich an Ort und Stelle – laut redend und mit den üblichen Gesten meine Position verteidigend. Letztendlich marschierten die Tiere direkt an mir vorbei bergauf in Richtung des Passes, den ich am nächsten Tag überqueren wollte. Ich stellte mich also schon darauf ein, den Bären noch einmal zu begegnen: entweder würden sie am gleichen Tag oder in der Nacht zurück ins Tal kommen und mein Zelt erneut passieren oder ich würde sie sehen, wenn ich am nächsten Morgen meinen Weg zum Anderson Pass antrete. Eine seltsame Kombination aus Unruhe und Vorfreude machte sich in mir breit, die dazu führte, dass ich den gesamten restlichen Tag sehr wachsam und aufmerksam blieb.
Als mein Zelt am Tag nach dem Sturm trocknete, war es natürlich enorm straff gespannt. Ich habe vergessen, die Abspannungen zu lockern und bin dann auch noch auf eine Leine getreten. Da ist dann eine Schlaufe gerissen. Das Bild zeigt meine provisorische Reparatur.
Während meine Sachen trockneten, nutzte ich meine freie Zeit übrigens zum Fotografieren von Erdhörnchen. Es dauerte lange, bis ich ihnen nah genug war, letztendlich konnte ich aber einige großformatige Aufnahmen von den Tieren machen.
Ohne die drei Bären wiedergesehen zu haben, ging ich früh am Abend schlafen. Über Nacht regnete es, dann klarte es auf und die Temperaturen rutschten in den Minusbereich, was sich am nächsten Morgen in Form von gefrorenen Regentropfen an meinem Zelt widerspiegelte. Zügig packte ich meinen Kram zusammen und begann recht schläfrig mit dem Aufstieg. Es dauerte kaum 20 Minuten, schon kamen mir die erwarteten Grizzlies entgegen. Wir nutzten scheinbar den selben „Pfad“ – ich musste ihnen förmlich aus dem Weg gehen, damit sie passieren konnten. Wahrscheinlich waren sie noch erstaunter als ich darüber, mich wiederzusehen, zumindest ließen dies ihre Gesichtsausdrücke vermuten. Jedenfalls gingen sie in unmittelbarer Nähe an mir vorbei. Noch nie zuvor war ich Grizzlies so nahe gewesen – nun war ich wach!
Ich folgte also meiner Route hinauf zum Anderson Pass. Oben angekommen genoss ich die Aussicht auf die umliegenden Gletscher, trat dann aufgrund der Kälte allerdings recht bald den Abstieg an. Die Überquerung des Gletschers lief problemlos, das Gehen auf der Moräne erwies sich jedoch wiedermal als ermüdend. Es geht ständig auf und ab, überall sind gefährliche Spalten und Furchen, loses Geröll und so weiter... Glücklicherweise hatte ich gute Sicht und kam nach acht Stunden Fußmarsch unbeschadet unten im Tal an. Allerdings änderte sich das Wetter mal wieder: ich konnte mein Zelt gerade noch rechtzeitig aufstellen, bevor ein schwacher, aber konstanter Dauerregen einsetzte, der mich auch in den nächsten beiden Tage begleiten sollte.
Schwer zu erkennen, aber hier entspringt sozusagen der West Fork Chulitna River. Das Wasser strömt aus dem Ende der Gletschermoräne hervor.
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