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So, mal wieder eine Kleinigkeit von mir. Kurze Zusammenfassung: Im Februar 2011 ging ich allein auf dem Lykischen Weg entlang der türkischen Küste. Es war recht einfaches Trekking, das durch landschaftliche und kulturelle Reize bestach, gleichzeitig allerdings wenig „echte Wildnis“ bot. Leider wurde ich nach zwei Wochen von einem Hund angegriffen und ins Bein gebissen, woraus sich gewisse Komplikationen ergaben und ich die Reise abbrechen musste.
Die Idee einer Reise durchs Taurus-Gebirge entsprang wohl eher einem Kompromiss aus meinen Möglichkeiten, die mir für Februar 2011 zur Verfügung standen: ich wollte eine kostengünstige Reise in eine relativ warme Gegend unternehmen und den nötigen Planungsaufwand dafür so gering wie möglich halten. Circa vier Wochen sollten es werden. Da meine Vorbereitungen für die großen Sommerunternehmungen (Himalaya und Alaska) bereits im Winter auf Hochtouren liefen, konnte ich für die Organisation dieses einen Reisemonats nicht viel Zeit aufbringen, wollte aber dennoch ein Gebirge kennenlernen, das mir bisher fremd war. Der Süden der Türkei bot sich als gut zu erreichendes Reiseziel an. Schnell wurde ich auf den Lykischen Weg aufmerksam: ein markierter Weitwanderweg, der die beiden Städte Fethiye und Antalya miteinander verbindet und in den meisten Teilen nah der Küste verläuft. Ausgehend davon, dass ich ein Liebhaber von unberührter Wildnis, weglosem Gelände und unkonventionellen Reisezielen bin, hielten sich meine Erwartungen an diese Reise zugegebenermaßen in Grenzen, dennoch hoffte ich auf eine spannende Zeit mit angenehmen Wetterbedingungen und interessanten kulturellen Aspekten.
Am 11. Februar flog ich nach Antalya und brachte eine Nacht im Zentrum der Stadt zu. Das Stadtbild interessierte mich wenig, zumal alles stark auf den Besuch west- und mitteleuropäischer Touristen abgestimmt zu sein schien. Mit dem Bus fuhr ich am nächsten Tag nach Fethiye und weiter bis zum Einstiegsort des Lykischen Weges. Das Wetter war gut: bei 15 bis 18 Grad lief ich in kurzer Hose und T-Shirt, nur in schattigen Pausen zog ich mir die Jacke an. Mit Blick auf die Lagune von Ölüdeniz ging ich bergan und verbrachte die erste Nacht an einer am Weg gelegenen Zisterne. Brunnen und Zisternen dienen auf diesem Weg übrigens als primäre Wasserquellen. Ich hatte einen Wasserfilter von Katadyn dabei, den ich immer dann einsetzte, wenn die Wasserqualität aufgrund der Umgebung (Treibhäuser etc.) besonders fragwürdig wirkte oder ich es mit stark verschmutzten Quellen zu tun hatte. Allgemein kann man wohl sagen, dass sich das Wasser auch in dieser Gegend fast überall ungefiltert trinken lässt – zumindest ist das meine Erfahrung.
Nachts sank das Thermometer durchschnittlich auf annehmbare 5 bis 8 Grad ab. Schnell gewöhnte ich mir an, schon vor Sonnenaufgang aufzustehen, damit ich um etwa 7.30 Uhr aufbrechen und die doch recht kurzen Tage nutzen konnte, schließlich war es zu dieser Jahreszeit um 18.00 Uhr bereits wieder fast völlig finster.
Tags darauf ging ich über den Pass und stieg wieder knapp 600 Höhenmeter nach Kabak ab, anschließend ging es wieder hinauf. Überhaupt wartet der Lykische Weg in einem Großteil seiner Etappen mit vielen Höhenmetern auf, wobei er stets einfach zu laufen und gut markiert ist. So verging die Zeit. Ich lief durchschnittlich 25 Kilometer am Tag und achtete darauf, mein Zelt stets an Orten mit Zugang zu Wasser und nicht in unmittelbarer Nähe von Dörfern und Siedlungen aufzustellen. Hin und wieder wurde ich von Einheimischen zum Tee eingeladen. Ja, die Türken sind ein freundliches und hilfsbereites Volk, wobei ich auch festhalten muss, dass mich die Gastfreundschaft des Nachbarlands Georgien im Vorjahr unverhältnismäßig stärker zum Staunen brachte. Das mag vielleicht auch daran liegen, dass man sich in der Türkei mittlerweile an den Tourismus gewöhnt hat diesem möglicherweise nicht in allen Belangen wohlwollend gegenüber steht.
Die Etappe(n) um den Ort Kumluova hätte ich mir im Nachhinein gerne erspart. Wer ein großes Interesse an historischen Orten hegt, mag von den berühmten Ausgrabungen in Pydnai, Letoon und Xanthos wohl begeistert sein, für mich waren sie das Entlanglaufen auf Straßen sowie das Aufeinandertreffen mit dem „klassischen Tourismus“ jedenfalls nicht wert. Die unzähligen Treibhäuser dieser Gegend zerstören das Landschaftsbild und ich gab mir die allergrößte Mühe, schnell wieder ins bergige Hinterland abzutauchen. Dort lief man anschließend immer wieder an einem alten römischen Aquädukt entlang, was aufgrund der Abgeschiedenheit deutlich angenehmer war. Besonders gut gefiel mir der spätere Aufstieg ins Hochland von Bezirgan und die Etappe über den Teil dieser Hochebene.
Schon bald wurde das Wetter recht wechselhaft: es regnete oft, manchmal sogar sehr stark und nachts wurde der Himmel oft lange Zeit von den Blitzen heftiger Gewitter erhellt. An einem Nachmittag war der Regen so stark, dass alle ebenen Flächen (potentielle Zeltplätze) völlig überschwemmt waren und ich glücklicherweise auf einen verlassenen Stall traf, in dem ich Unterschlupf fand. Da ich nicht wusste, welches Kleintier in dieser Behausung noch zu Gast war, stellte ich in darin zusätzlich mein Zelt auf und schlief trocken unter dem Wellblechdach, auf das der Regen trommelte.
Am nächsten Tag schien die Sonne und ich marschierte Richtung Kaş. Dort angekommen quartierte ich mich erstmals auf dieser Reise in ein Hostel ein, da es schon spät am Tage war und ich noch einkaufen musste. Bei guten Wetter folgte ich am Tag darauf meinem Weg entlang der Küste, vorbei an einer kleinen Bucht und bis hin zu einer Zisterne, an der ich mein Zelt aufschlug. Der darauf folgende Morgen ließ Niederschlag vermuten.
Blick in eine Zisterne.
Etwa eine Stunde nach meinem Aufbruch – der Weg führte mich gerade auf einer Schotterpiste durch das dünn besiedelte Hinterland der lykischen Küste – kamen zwei große Hunde laut bellend auf mich zu gerannt. Ich sprach in beruhigendem Ton zu den Tieren und ging in normalen Schritttempo weiter. Plötzlich kam mir einer der Hunde gefährlich nahe. Sein Fell war dunkel und um seinen Hals lag eine starke Kette aus Metall: ich vermute, dass es ich um einen Haus- bzw. Wachhund handelte. Als ich mich gerade nach ihm umdrehte sprang er auf mich zu und biss mir in den rechten Unterschenkel, direkt unter die Wade. Ich spürte einen starken Schmerz, unterdrückte aber einen Schrei und ging zügig weiter. Nach einer weiteren Minute, in der mir der Hund bellend folgte, ließ er von mir ab und verschwand. So bald ich mich sicher fühlte, warf ich einen Blick auf die Wunde: die Zähne des Tieres hatten die Haut größtenteils nur oberflächlich aufgekratzt, nur an einer Stelle schienen sie tiefer ins Fleisch eingedrungen zu sein. Es blutete leicht und ich fühlte einen deutlichen Schmerz. Dennoch war meine Bewegungsfreiheit nicht eingeschränkt und ich muss zugeben, dass ich dem Zwischenfall zu diesem Zeitpunkt keine größere Bedeutung einräumte, weshalb ich einfach weiter lief. Zwar wusste ich, dass bei Tierbissen die Gefahr einer Infektion bestand und zu meiner Schande musste ich mir auch eingestehen, mir nicht im Klaren über meinen aktuellen Impfschutz zu sein. Dennoch war ich recht unbesorgt und hielt es für sehr unwahrscheinlich, dass von diesem kleinen Zwischenfall eine Gefahr ausgehen würde.
Im Regen erreichte ich vier Stunden später die kleine Siedlung „Purple House“ bei Aperlai. Der Eigentümer spricht etwas Englisch und nachdem ich ihm von dem Biss erzählte, mahnte er zur Vorsicht. Es sei sehr ratsam, ein Krankenhaus aufzusuchen und die entsprechenden Impfungen durchzuführen, meinte er. Ich zeigte mich zwar etwas widerwillig, aber einsichtig und so ließ ich mich von ihm erst per Boot und dann mit dem Taxi gegen eine nicht unerhebliche Bezahlung nach Demre ins Krankenhaus bringen.
Ohne großen bürokratischen Aufwand bekam ich sofort eine Tetanus-Impfung und eine Spritze gegen Tollwut. Man erklärte mir, es seien noch vier weitere Tollwut-Impfungen nötig, für die ich auch genaue Termine erhielt. Manchmal vergebe man nur drei, im Zweifelsfall aber auch mal fünf Tollwut-Impfungen – bei mir wollte man wohl auf Nummer sicher gehen. Inwieweit es mir gelingen konnte, meinen weiteren Reiseverlauf so einzurichten, dass ich zu den entsprechenden Tagen ein türkisches Krankenhaus aufsuchen konnte, wusste ich nicht – es gab ja in dieser Gegend nur wenige größere Orte und ich hatte keine Ahnung, ob sich dies organisatorisch realisieren lassen würde. Ich schob den Gedanken zunächst beiseite und ließ mich zurück nach Aperlai führen, wo ich die Nacht zubrachte.
Noch bevor die Bewohner der Siedlung am nächsten Morgen ans Tageslicht traten, setzte ich schon meinen Weg fort. Das Wetter war schlecht, doch ich entschied, weiter zu gehen. Unglücklicherweise schmerzte mein rechter Oberarm stark von dem Einstich einer der Impfungen. Im Laufe des Vormittages fühlte ich eine zunehmende Schwäche, welche ich ebenfalls auf die Injektionen zurückführte. Ich wusste, dass man sich nach Impfungen besser keiner größeren Anstrengung unterziehen sollte und da der Himmel sowieso mehr und mehr zuzog, baute ich mein Zelt bereits am frühen Nachmittag auf und entschied, mich auszuruhen. Kaum lag ich im Zelt, entlud sich ein Gewitter in meiner Nähe und es regnete in Strömen. Ich war froh nun darüber, zuvor wenigstens noch so viel Aufmerksamkeit an den Tag gelegt zu haben, mir einen geeigneten Zeltplatz zu suchen: während an vielen Stellen bereits das Wasser nicht mehr versickern konnte und sich großflächige Wasserlachen bildeten, drohte mir auf einem leicht erhöhten Fleckchen Wiese keine Gefahr.
Aufgrund der Schmerzen im Arm schlief ich nicht besonders gut und die körperliche Schwäche hielt auch am nächsten Tag an, als ich mich auf den Weiterweg nach Demre begab.
Da mein Zelt nass war, der Himmel wolkenverhangen blieb und auch der Schlafsack feuchter und feuchter wurde, entschied ich mich für eine Pension. Auf dem Weg zum Internetcafé spielte ich erstmals mit dem Gedanken, die Reise vorzeitig abzubrechen. Obwohl mir dieser Einfall prinzipiell widerstrebte, nahm ich mir vor, zumindest in Erfahrung zu bringen, ob es möglicherweise einen günstigen Flug nach Deutschland gab, den ich kurzfristig buchen konnte. Und ja, es gab einen solchen Flug. Nach zwei Stunden intensiven Abwägens rang ich mich letztendlich dazu durch, eher heim zufliegen. Diese Entscheidung fiel mir wirklich nicht leicht, aber ich traf sie aus zwei Gründen:
1. Ich konnte es nicht riskieren, irgendwo abseits der Zivilisation einen ernsten Schwächeanfall zu bekommen - nach Impfungen sollte man sich bekanntlich nicht überanstrengen und gerade bei den folgenden Etappen ging es von Meereshöhe bis über 1600 Meter in die Berge. Außerdem wurde per Mail aus meiner Heimat noch einmal zur Vorsicht geraten: schließlich verlaufen Tollwut- und Tetanus-Impfektionen in der Regel tödlich. Die Krankenhaustermine hätte ich nicht ohne Weiteres genau einhalten können - ich hätte flexibel sein müssen und wäre wohl mal einen Tag zu früh oder zu spät zur Impfung gekommen. Inwieweit ich damit irgendetwas aufs Spiel gesetzt hätte, weiß ich nicht, das Risiko wollte ich jedenfalls nicht eingehen. Gleiches gilt für das Entzündungsrisiko der Wunde: es erschien nicht unwahrscheinlich, dass durch den Biss bestimmte Keime eingedrungen waren und ich Antibiotika brauchen würde.
2. Die Wetteraussichten waren miserabel: in den niederen Lagen regnete es noch mindestens zwei weitere volle Tage und die hohen Berge waren verschneit. Selbst nach dem Regen würde es ein oder zwei trockene Tage dauern, bis man wieder vernünftig voran kommt, da der lehmige Boden das Wasser nicht vernünftig aufnehmen konnte und man somit ständig im Schlamm ging (das hatte ich vorher zu Genüge getestet!). Das Wetter war kein triftiger Grund, die Reise abzubrechen, erleichterte aber die Entscheidung.
Eine aufwendigere Reise (beispielsweise in Alaska) hätte ich aufgrund dieses Zwischenfalls wohl nicht abgebrochen, aber in diesem Fall hielten sich die durch das vorzeitige Reiseende verursachten Kosten und Umstände in Grenzen, so dass ich nicht allzu lange mit mir haderte. Trotzdem empfand ich die Situation gewissermaßen als deprimierend, handelte es sich doch im Grunde genommen nur um eine kleine Verletzung.
Nun ja, ich verbrachte eine weitere Nacht in Demre, besuchte am Morgen darauf das Krankenhaus um mir die zweite Tollwut-Impfung verabreichen zu lassen und brach dann mit dem Bus nach Antalya auf. Nach einigen Stunden in der Innenstadt und einer Nacht am Flughafen, saß ich am 26. Februar um 6.00 Uhr morgens im Flieger nach Nürnberg und bereits am frühen Nachmittag wurde ich in meiner Heimat empfangen.
Schon kurz darauf stellte sich eine seltsame Schwellung im Bereich der Wunde ein, die bei leichtem Druck mit deutlichen Schmerzen einherging. Vom Arzt bekam ich tatsächlich Antibiotika verschrieben und sollte vorerst von sportlichen Aktivitäten Abstand nehmen. Spätestens jetzt wusste ich, dass ich die richtige Entscheidung getroffen hatte.
In Anbetracht des frühzeitigen Abbruchs der Reise stehe ich meiner Zeit auf dem Lykischen Weg natürlich mit gemischten Gefühlen gegenüber. Zum einen führte mich die Tour durch tolle Landschaftsabschnitte, in denen ich die meiste Zeit über allein war (nur zwei andere Wanderer traf ich auf dem Weg an). Obgleich sich mein Interesse an kulturellen oder historischen Sehenswürdigkeiten in Grenzen hält, war es doch eine willkommene Abwechslung zu früheren Touren, ab und zu auf ein Dorf oder ein antikes Bauwerk zu treffen. Trotzdem vermisste ich die Wildnis, die beim Großteil meiner Reisen die wesentliche Essenz ausmachen. Paradoxerweise führte gerade der Umstand, dass ich allein unterwegs war, dazu, mich nach unberührter Natur und einsamer Bergwelt zu sehnen - „allein“ fühlte ich mich nur, wenn ich in Städten oder Dörfern rastete; ansonsten kam ich sehr gut damit zurecht. Ich denke, mein Bedarf nach markierten Wegen, Reisen in „normal besiedelte Gebiete“ und übrigens auch nach aggressiven, frei herumlaufenden Hunden ist bis auf Weiteres gedeckt. In Zukunft sollen wieder „echte“ Wildnisreisen auf dem Programm stehen – die Türkei und ähnliche Urlaubsziele sind dabei vorerst wohl nicht die erste Wahl.
Die Idee einer Reise durchs Taurus-Gebirge entsprang wohl eher einem Kompromiss aus meinen Möglichkeiten, die mir für Februar 2011 zur Verfügung standen: ich wollte eine kostengünstige Reise in eine relativ warme Gegend unternehmen und den nötigen Planungsaufwand dafür so gering wie möglich halten. Circa vier Wochen sollten es werden. Da meine Vorbereitungen für die großen Sommerunternehmungen (Himalaya und Alaska) bereits im Winter auf Hochtouren liefen, konnte ich für die Organisation dieses einen Reisemonats nicht viel Zeit aufbringen, wollte aber dennoch ein Gebirge kennenlernen, das mir bisher fremd war. Der Süden der Türkei bot sich als gut zu erreichendes Reiseziel an. Schnell wurde ich auf den Lykischen Weg aufmerksam: ein markierter Weitwanderweg, der die beiden Städte Fethiye und Antalya miteinander verbindet und in den meisten Teilen nah der Küste verläuft. Ausgehend davon, dass ich ein Liebhaber von unberührter Wildnis, weglosem Gelände und unkonventionellen Reisezielen bin, hielten sich meine Erwartungen an diese Reise zugegebenermaßen in Grenzen, dennoch hoffte ich auf eine spannende Zeit mit angenehmen Wetterbedingungen und interessanten kulturellen Aspekten.
Am 11. Februar flog ich nach Antalya und brachte eine Nacht im Zentrum der Stadt zu. Das Stadtbild interessierte mich wenig, zumal alles stark auf den Besuch west- und mitteleuropäischer Touristen abgestimmt zu sein schien. Mit dem Bus fuhr ich am nächsten Tag nach Fethiye und weiter bis zum Einstiegsort des Lykischen Weges. Das Wetter war gut: bei 15 bis 18 Grad lief ich in kurzer Hose und T-Shirt, nur in schattigen Pausen zog ich mir die Jacke an. Mit Blick auf die Lagune von Ölüdeniz ging ich bergan und verbrachte die erste Nacht an einer am Weg gelegenen Zisterne. Brunnen und Zisternen dienen auf diesem Weg übrigens als primäre Wasserquellen. Ich hatte einen Wasserfilter von Katadyn dabei, den ich immer dann einsetzte, wenn die Wasserqualität aufgrund der Umgebung (Treibhäuser etc.) besonders fragwürdig wirkte oder ich es mit stark verschmutzten Quellen zu tun hatte. Allgemein kann man wohl sagen, dass sich das Wasser auch in dieser Gegend fast überall ungefiltert trinken lässt – zumindest ist das meine Erfahrung.
Nachts sank das Thermometer durchschnittlich auf annehmbare 5 bis 8 Grad ab. Schnell gewöhnte ich mir an, schon vor Sonnenaufgang aufzustehen, damit ich um etwa 7.30 Uhr aufbrechen und die doch recht kurzen Tage nutzen konnte, schließlich war es zu dieser Jahreszeit um 18.00 Uhr bereits wieder fast völlig finster.
Tags darauf ging ich über den Pass und stieg wieder knapp 600 Höhenmeter nach Kabak ab, anschließend ging es wieder hinauf. Überhaupt wartet der Lykische Weg in einem Großteil seiner Etappen mit vielen Höhenmetern auf, wobei er stets einfach zu laufen und gut markiert ist. So verging die Zeit. Ich lief durchschnittlich 25 Kilometer am Tag und achtete darauf, mein Zelt stets an Orten mit Zugang zu Wasser und nicht in unmittelbarer Nähe von Dörfern und Siedlungen aufzustellen. Hin und wieder wurde ich von Einheimischen zum Tee eingeladen. Ja, die Türken sind ein freundliches und hilfsbereites Volk, wobei ich auch festhalten muss, dass mich die Gastfreundschaft des Nachbarlands Georgien im Vorjahr unverhältnismäßig stärker zum Staunen brachte. Das mag vielleicht auch daran liegen, dass man sich in der Türkei mittlerweile an den Tourismus gewöhnt hat diesem möglicherweise nicht in allen Belangen wohlwollend gegenüber steht.
Die Etappe(n) um den Ort Kumluova hätte ich mir im Nachhinein gerne erspart. Wer ein großes Interesse an historischen Orten hegt, mag von den berühmten Ausgrabungen in Pydnai, Letoon und Xanthos wohl begeistert sein, für mich waren sie das Entlanglaufen auf Straßen sowie das Aufeinandertreffen mit dem „klassischen Tourismus“ jedenfalls nicht wert. Die unzähligen Treibhäuser dieser Gegend zerstören das Landschaftsbild und ich gab mir die allergrößte Mühe, schnell wieder ins bergige Hinterland abzutauchen. Dort lief man anschließend immer wieder an einem alten römischen Aquädukt entlang, was aufgrund der Abgeschiedenheit deutlich angenehmer war. Besonders gut gefiel mir der spätere Aufstieg ins Hochland von Bezirgan und die Etappe über den Teil dieser Hochebene.
Schon bald wurde das Wetter recht wechselhaft: es regnete oft, manchmal sogar sehr stark und nachts wurde der Himmel oft lange Zeit von den Blitzen heftiger Gewitter erhellt. An einem Nachmittag war der Regen so stark, dass alle ebenen Flächen (potentielle Zeltplätze) völlig überschwemmt waren und ich glücklicherweise auf einen verlassenen Stall traf, in dem ich Unterschlupf fand. Da ich nicht wusste, welches Kleintier in dieser Behausung noch zu Gast war, stellte ich in darin zusätzlich mein Zelt auf und schlief trocken unter dem Wellblechdach, auf das der Regen trommelte.
Am nächsten Tag schien die Sonne und ich marschierte Richtung Kaş. Dort angekommen quartierte ich mich erstmals auf dieser Reise in ein Hostel ein, da es schon spät am Tage war und ich noch einkaufen musste. Bei guten Wetter folgte ich am Tag darauf meinem Weg entlang der Küste, vorbei an einer kleinen Bucht und bis hin zu einer Zisterne, an der ich mein Zelt aufschlug. Der darauf folgende Morgen ließ Niederschlag vermuten.
Blick in eine Zisterne.
Etwa eine Stunde nach meinem Aufbruch – der Weg führte mich gerade auf einer Schotterpiste durch das dünn besiedelte Hinterland der lykischen Küste – kamen zwei große Hunde laut bellend auf mich zu gerannt. Ich sprach in beruhigendem Ton zu den Tieren und ging in normalen Schritttempo weiter. Plötzlich kam mir einer der Hunde gefährlich nahe. Sein Fell war dunkel und um seinen Hals lag eine starke Kette aus Metall: ich vermute, dass es ich um einen Haus- bzw. Wachhund handelte. Als ich mich gerade nach ihm umdrehte sprang er auf mich zu und biss mir in den rechten Unterschenkel, direkt unter die Wade. Ich spürte einen starken Schmerz, unterdrückte aber einen Schrei und ging zügig weiter. Nach einer weiteren Minute, in der mir der Hund bellend folgte, ließ er von mir ab und verschwand. So bald ich mich sicher fühlte, warf ich einen Blick auf die Wunde: die Zähne des Tieres hatten die Haut größtenteils nur oberflächlich aufgekratzt, nur an einer Stelle schienen sie tiefer ins Fleisch eingedrungen zu sein. Es blutete leicht und ich fühlte einen deutlichen Schmerz. Dennoch war meine Bewegungsfreiheit nicht eingeschränkt und ich muss zugeben, dass ich dem Zwischenfall zu diesem Zeitpunkt keine größere Bedeutung einräumte, weshalb ich einfach weiter lief. Zwar wusste ich, dass bei Tierbissen die Gefahr einer Infektion bestand und zu meiner Schande musste ich mir auch eingestehen, mir nicht im Klaren über meinen aktuellen Impfschutz zu sein. Dennoch war ich recht unbesorgt und hielt es für sehr unwahrscheinlich, dass von diesem kleinen Zwischenfall eine Gefahr ausgehen würde.
Im Regen erreichte ich vier Stunden später die kleine Siedlung „Purple House“ bei Aperlai. Der Eigentümer spricht etwas Englisch und nachdem ich ihm von dem Biss erzählte, mahnte er zur Vorsicht. Es sei sehr ratsam, ein Krankenhaus aufzusuchen und die entsprechenden Impfungen durchzuführen, meinte er. Ich zeigte mich zwar etwas widerwillig, aber einsichtig und so ließ ich mich von ihm erst per Boot und dann mit dem Taxi gegen eine nicht unerhebliche Bezahlung nach Demre ins Krankenhaus bringen.
Ohne großen bürokratischen Aufwand bekam ich sofort eine Tetanus-Impfung und eine Spritze gegen Tollwut. Man erklärte mir, es seien noch vier weitere Tollwut-Impfungen nötig, für die ich auch genaue Termine erhielt. Manchmal vergebe man nur drei, im Zweifelsfall aber auch mal fünf Tollwut-Impfungen – bei mir wollte man wohl auf Nummer sicher gehen. Inwieweit es mir gelingen konnte, meinen weiteren Reiseverlauf so einzurichten, dass ich zu den entsprechenden Tagen ein türkisches Krankenhaus aufsuchen konnte, wusste ich nicht – es gab ja in dieser Gegend nur wenige größere Orte und ich hatte keine Ahnung, ob sich dies organisatorisch realisieren lassen würde. Ich schob den Gedanken zunächst beiseite und ließ mich zurück nach Aperlai führen, wo ich die Nacht zubrachte.
Noch bevor die Bewohner der Siedlung am nächsten Morgen ans Tageslicht traten, setzte ich schon meinen Weg fort. Das Wetter war schlecht, doch ich entschied, weiter zu gehen. Unglücklicherweise schmerzte mein rechter Oberarm stark von dem Einstich einer der Impfungen. Im Laufe des Vormittages fühlte ich eine zunehmende Schwäche, welche ich ebenfalls auf die Injektionen zurückführte. Ich wusste, dass man sich nach Impfungen besser keiner größeren Anstrengung unterziehen sollte und da der Himmel sowieso mehr und mehr zuzog, baute ich mein Zelt bereits am frühen Nachmittag auf und entschied, mich auszuruhen. Kaum lag ich im Zelt, entlud sich ein Gewitter in meiner Nähe und es regnete in Strömen. Ich war froh nun darüber, zuvor wenigstens noch so viel Aufmerksamkeit an den Tag gelegt zu haben, mir einen geeigneten Zeltplatz zu suchen: während an vielen Stellen bereits das Wasser nicht mehr versickern konnte und sich großflächige Wasserlachen bildeten, drohte mir auf einem leicht erhöhten Fleckchen Wiese keine Gefahr.
Aufgrund der Schmerzen im Arm schlief ich nicht besonders gut und die körperliche Schwäche hielt auch am nächsten Tag an, als ich mich auf den Weiterweg nach Demre begab.
Da mein Zelt nass war, der Himmel wolkenverhangen blieb und auch der Schlafsack feuchter und feuchter wurde, entschied ich mich für eine Pension. Auf dem Weg zum Internetcafé spielte ich erstmals mit dem Gedanken, die Reise vorzeitig abzubrechen. Obwohl mir dieser Einfall prinzipiell widerstrebte, nahm ich mir vor, zumindest in Erfahrung zu bringen, ob es möglicherweise einen günstigen Flug nach Deutschland gab, den ich kurzfristig buchen konnte. Und ja, es gab einen solchen Flug. Nach zwei Stunden intensiven Abwägens rang ich mich letztendlich dazu durch, eher heim zufliegen. Diese Entscheidung fiel mir wirklich nicht leicht, aber ich traf sie aus zwei Gründen:
1. Ich konnte es nicht riskieren, irgendwo abseits der Zivilisation einen ernsten Schwächeanfall zu bekommen - nach Impfungen sollte man sich bekanntlich nicht überanstrengen und gerade bei den folgenden Etappen ging es von Meereshöhe bis über 1600 Meter in die Berge. Außerdem wurde per Mail aus meiner Heimat noch einmal zur Vorsicht geraten: schließlich verlaufen Tollwut- und Tetanus-Impfektionen in der Regel tödlich. Die Krankenhaustermine hätte ich nicht ohne Weiteres genau einhalten können - ich hätte flexibel sein müssen und wäre wohl mal einen Tag zu früh oder zu spät zur Impfung gekommen. Inwieweit ich damit irgendetwas aufs Spiel gesetzt hätte, weiß ich nicht, das Risiko wollte ich jedenfalls nicht eingehen. Gleiches gilt für das Entzündungsrisiko der Wunde: es erschien nicht unwahrscheinlich, dass durch den Biss bestimmte Keime eingedrungen waren und ich Antibiotika brauchen würde.
2. Die Wetteraussichten waren miserabel: in den niederen Lagen regnete es noch mindestens zwei weitere volle Tage und die hohen Berge waren verschneit. Selbst nach dem Regen würde es ein oder zwei trockene Tage dauern, bis man wieder vernünftig voran kommt, da der lehmige Boden das Wasser nicht vernünftig aufnehmen konnte und man somit ständig im Schlamm ging (das hatte ich vorher zu Genüge getestet!). Das Wetter war kein triftiger Grund, die Reise abzubrechen, erleichterte aber die Entscheidung.
Eine aufwendigere Reise (beispielsweise in Alaska) hätte ich aufgrund dieses Zwischenfalls wohl nicht abgebrochen, aber in diesem Fall hielten sich die durch das vorzeitige Reiseende verursachten Kosten und Umstände in Grenzen, so dass ich nicht allzu lange mit mir haderte. Trotzdem empfand ich die Situation gewissermaßen als deprimierend, handelte es sich doch im Grunde genommen nur um eine kleine Verletzung.
Nun ja, ich verbrachte eine weitere Nacht in Demre, besuchte am Morgen darauf das Krankenhaus um mir die zweite Tollwut-Impfung verabreichen zu lassen und brach dann mit dem Bus nach Antalya auf. Nach einigen Stunden in der Innenstadt und einer Nacht am Flughafen, saß ich am 26. Februar um 6.00 Uhr morgens im Flieger nach Nürnberg und bereits am frühen Nachmittag wurde ich in meiner Heimat empfangen.
Schon kurz darauf stellte sich eine seltsame Schwellung im Bereich der Wunde ein, die bei leichtem Druck mit deutlichen Schmerzen einherging. Vom Arzt bekam ich tatsächlich Antibiotika verschrieben und sollte vorerst von sportlichen Aktivitäten Abstand nehmen. Spätestens jetzt wusste ich, dass ich die richtige Entscheidung getroffen hatte.
In Anbetracht des frühzeitigen Abbruchs der Reise stehe ich meiner Zeit auf dem Lykischen Weg natürlich mit gemischten Gefühlen gegenüber. Zum einen führte mich die Tour durch tolle Landschaftsabschnitte, in denen ich die meiste Zeit über allein war (nur zwei andere Wanderer traf ich auf dem Weg an). Obgleich sich mein Interesse an kulturellen oder historischen Sehenswürdigkeiten in Grenzen hält, war es doch eine willkommene Abwechslung zu früheren Touren, ab und zu auf ein Dorf oder ein antikes Bauwerk zu treffen. Trotzdem vermisste ich die Wildnis, die beim Großteil meiner Reisen die wesentliche Essenz ausmachen. Paradoxerweise führte gerade der Umstand, dass ich allein unterwegs war, dazu, mich nach unberührter Natur und einsamer Bergwelt zu sehnen - „allein“ fühlte ich mich nur, wenn ich in Städten oder Dörfern rastete; ansonsten kam ich sehr gut damit zurecht. Ich denke, mein Bedarf nach markierten Wegen, Reisen in „normal besiedelte Gebiete“ und übrigens auch nach aggressiven, frei herumlaufenden Hunden ist bis auf Weiteres gedeckt. In Zukunft sollen wieder „echte“ Wildnisreisen auf dem Programm stehen – die Türkei und ähnliche Urlaubsziele sind dabei vorerst wohl nicht die erste Wahl.
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