Nordkapp - Tarifa: Zu Fuss vom nördlichsten zum südlichsten Punkt Europas

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  • Werner Hohn
    antwortet
    AW: Nordkapp - Tarifa: Zu Fuss vom nördlichsten zum südlichsten Punkt Europas

    Zitat von German Tourist Beitrag anzeigen
    ... Der Umzug wird jedes Jahr von einer anderen Gruppe im Dorf organisiert. Dieses Jahr waren die „Motoristas Medievales“ dran, also die mittelalterlichen Motorradfahrer. Mir war zwar unklar, was Mittelalter mit Motorrädern zu tun hat, aber die Jungs fanden es wohl lustig, in Rüstung und Kettenhemd auf ihren Harleys herumzudüsen und den Festumzug zu begleiten..
    Eine Anspielung auf "Alte Herren"? Die Harleys würden in diese Zielgruppe passen - jedenfalls wenn ich mir vergegenwärtige, welch Volk bei uns auf diesen Kisten hockt.

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  • German Tourist
    antwortet
    AW: Nordkapp - Tarifa: Zu Fuss vom nördlichsten zum südlichsten Punkt Europas

    Cazorla lebt vom Tourismus. Schon auf dem Weg zu meinem Hotel kam ich an zahlreichen Outdooragenturen vorbei, die 4WD-Touren in den Nationalpark anbieten. Mir war allerdings schleierhaft, wie die da mit ihren Fahrzeugen durchkommen wollten, denn der viele Regen hatte zu zahlreichen Erdrutschen und Steinschlägen geführt, die jetzt die Wege blockierten. Geführte Wanderungen hingegen wurden kaum angeboten....

    Cazorla hat wie üblich eine hübsche alte Altstadt, aber der wichtigste Claim to fame ist wohl die Kirche, von der jetzt alllerdings nur noch die Rückwand übrig ist. Sie ist die einzige Kirche Europas, durch die ein Fluss fließt. Oder wohl eher: unter der ein Fluss fließt. Dieser Fluss entspringt in der Sierra de Cazorla und wird auf seinem Weg durch Cazorla durch einen unterirdischen Kanal geleitet, auf dem eben auch besagte Kirche erbaut wurde. Nur leider hat dieser Fluss der Stadt kein Glück gebracht: Der Fluss wurde durch Steinschläge aufgestaut, und als sich die Felsblockade endlich löste, überschwemmte der Schwall rückgestauten Wassers die ganze Stadt und brachte die Kirche fast komplett zum Einsturz.



    In Cazorla tobt gerade im Winter ein harter Kampf um die Touristen und so hatte ich nicht nur ein günstiges Hotel, sonder konnte im angeschlossenen Restaurant auch recht gut und vor allem billig essen. Die Kellnerin fragte mich immer, ob ich denn zum Essen „Vino Casera“ haben wolle, was ich immer als Hauswein interpretiert hatte. Nur müsste der grammatikalisch korrekt „Vino Casero“ heissen. Die freundliche Kellnerin klärte mich dann auf und verhalf mir zu einem neuen Lieblingsgetränk. „Casera“ ist die Marke einer Zitronenlimonada und Vino Casera daher die spanische Version von einem Radler: Rotwein mit Zitronenlimonade und Eis. Auch Tinto der Verano, also Rotwein des Sommers, genannt, gab es übrigens dann auch bei Lidl für 99 Cent pro 1,5 l.....Kopfschmerzen habe ich davon nie bekommen.

    Die nette Dame in der Touristeninformation verhalf mir gleich zu einem weiteren Aha-Erlebnis. In Spanien bekommt man seine Weihnachtsgeschenke nicht am 24.12., sondern erst 06.01., also zum Dreikönigsfest oder in Spanisch „Los Reyes“. Daher ist in Spanien auch der 26.12. kein Feiertag mehr. Stattdessen werden die Drei Könige mit riesigen Strassenumzügen am 06.01. begangen. Das wollte ich mir natürlich anschauen, aber in Cazorla war ich nun schon 2 Nächte gewesen und wollte nicht noch länger bleiben. Aber wieder mal passte alles: Einen kurzen Tagesmarsch entfernt befand sich Quesada, wo es ein halbwegs billiges Hotel und sogar ein Museum gab. Dort würde ich mir den Umzug anschauen.

    Diese kurze Etappe führte mich größtenteils durch den Nationalpark Cazorla, diesmal allerdings bei strahlendem Sonnenschein. Dabei konnte ich dann an Ansätzen sehen, was ich in den Tagen vorher aufgrund des Nebels verpasst hatte.



    Besonders beindruckend aus der Ferne war die Schlossruine von Cinco Esquinas, also das Schloss mit den 5 Ecken. Die Gegend und auch die von mir nachfolgend durchwanderte Region war jahrhundertelang Grenzregion zwischen Spanien und dem von Arabern besetzten Gebieten.


    Das modernistische Museum in Quesada ist dem dort geborenen Maler Zabaleta gewidmet. Ich gebe ehrlich zu, dass ich vorher noch nie etwas von ihm gehört hatte. Da er allerdings sehr viele Bilder seiner Heimatstadt gemalt hat, poste ich hier keine Photos von Quesada, sondern Bilder von Zabaleta.



    Wie im Hotel so war ich auch im Museum der einzige Besucher. Die Dame an der Kasse war höchst erfreut über mein Interesse an spanischer Folkore und erzählte mir in allen Details von den spanischen Weihnachstgebräuchen. Wie es der Zufall so wollte, bereiteten sich die Drei Könige nämlich gerade in der Tiefgarage unter dem Museum auf den Umzug vor und mir wurde als ausländischer Ehrengast eine Privataudienz mit einem der Heiligen Drei Könige vermittelt. Leider bekam ich kein Geschenk von „Balthasar“, obwohl ich die Frage, ob ich denn das ganze Jahr über brav gewesen sei, wahrheitsgemäß mit „Ja“ beantwortet hatte. Der Umzug wird jedes Jahr von einer anderen Gruppe im Dorf organisiert. Dieses Jahr waren die „Motoristas Medievales“ dran, also die mittelalterlichen Motorradfahrer. Mir war zwar unklar, was Mittelalter mit Motorrädern zu tun hat, aber die Jungs fanden es wohl lustig, in Rüstung und Kettenhemd auf ihren Harleys herumzudüsen und den Festumzug zu begleiten..

    In der Tiefgarage herrschte eifriges Treiben. Der Umzug fand hier nicht mehr wie traditionell auf Pferden statt, sondern auf ganz normalen LKW-Anhängern. Wobei jeder König einen extra Wagen mit seinem persönlichen Tross aus Engeln und Bediensteten hatte, die ihm dann beim Bonbon-Verteilen halfen. Ich hätte gerne noch mit Maria gesprochen, aber die machte gerade Zigarettenpause, bevor sie sich während des ganzen Umzugs um den kleinen Jesus kümmern musste.

    Beim Umzug selbst hielt ich es nicht lange aus, denn die örtliche Musikkapelle spielte gar grauselig und gegen die spanischen Kids, die professionell mit Plastiktüten ausgerüstet auf Bonbonjagd gingen, konnte ich eh nicht mithalten. Ich besuchte stattdessen die Gemeindekirche, in der ein traditionell gekleidetes Jesuskind schon auf den Besuch der Heiligen Drei Könige wartete.



    Insgesamt war diese Drei-Königsnacht eines der interessantesten kulturellen Erlebnisse dieser Wanderung und ich kann jedem nur dringend raten, mal einen dieser Umzüge zu besuchen. Sie finden wirklich in so ziemlich jeder spanischen Stadt Spaniens statt, egal ob groß oder klein.

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  • German Tourist
    antwortet
    AW: Nordkapp - Tarifa: Zu Fuss vom nördlichsten zum südlichsten Punkt Europas

    Zitat von GClaus Beitrag anzeigen
    Was mir an Deinen Berichten gefällt: sie sind ehrlich, aufschlussreich und mit ein bisschen (Galgen) Humor geschrieben und nach der Art: was ich anfange ziehe ich durch egal was kommt.
    Danke für das Lob! Du hast zwar recht mit dem, was Du mir als Einstellung unterstellst - "was ich anfange, ziehe ich durch, egal was kommt" - aber auf dieser Tour war das gar nicht so schwer. Mir hat diese Wanderung sehr viel Spass gemacht und ich habe kein einziges Mal an Aufgeben gedacht - auch wenn es mal ein paar Durchhänger gab. Im Gegenteil: Dies war eine der entspanntesten Langstreckenwanderungen meiner ganzen Outdoorlaufbah.

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  • GClaus
    antwortet
    AW: Nordkapp - Tarifa: Zu Fuss vom nördlichsten zum südlichsten Punkt Europas

    Danke Christine für Deine letzten 2 schnelle Berichte.
    Ich habe schon befürchtet, der nächste Bericht dauert wieder ewig!!! Bedenke wir wollen Deine Berichte lesen, Rechtschreibfehler kannst Du behalten!
    Was mir an Deinen Berichten gefällt: sie sind ehrlich, aufschlussreich und mit ein bisschen (Galgen) Humor geschrieben und nach der Art: was ich anfange ziehe ich durch egal was kommt.
    Ich bin froh, dass Du diese Berichte in Deutsch schreibst, in Englisch bin ich nicht so toll, macht mir dann auch nicht so viel spaß, immer wieder einzelne Wörter zu übersetzten, der Sinn und Christines „Galgenhumor“ kommt so besser an.

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  • German Tourist
    antwortet
    AW: Cazorla Nationalpark

    In meiner Situation war das Zeltaufbauen zur Mittagspause keine besonders attraktive Option - ich empfinde das als viel zu aufwendig. Erst mal müsste ich einen geeigneten Platz finden, was angesichts des spanischen stacheligen Gesträuchs nicht einfach ist. Dann ist das Zelt nach der Mittagspause wieder nass und muss nass eingepackt werden. Dadurch ist es nicht nur schwer, sondern tropft vor allem auch eine ganze Weile vor sich hin - und zwar genau auf meinen Hintern. Wenn es vorher nicht schon nass war, hätte ich durch die Aktion auch noch den Innenraum nass gemacht, denn meine Klamotten sind ja auch nass. Das wichtigste Argument gegen den Zeltaufbau ist jedoch die Zeit. Auf dieser Wintertour hatte ich im Dezember und Januar gerade mal 10 Stunden Tageslicht - da versuche ich die Mittagspause kurz zu halten - auch um bei kälteren Temperaturen und/oder nassen Klamotten nicht auszukühlen. Abends im Dunkeln kann ich dann ausführlich kochen, denn ich muss ja 14 Stunden im Zelt rumbringen.

    Ich gebe aber zu, dass ich prinzipiell kein Freund von Zeltaufbauen zur Pause bin - das ist mir fast immer zu aufwendig. Aber: HYOH!

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  • berniehh
    antwortet
    AW: Cazorla Nationalpark

    Zitat von German Tourist Beitrag anzeigen
    Ich wurde zunehmend frustrierter und vor allem immer nässer. Am meisten nervte mich, dass ich sogar für meine Mittagspause keinen Wetterschutz finden konnte. Und es macht echt keinen Spaß, auf einem nassen Stein sitzend unter dem Regenschirm zu kochen.
    .
    Das würde mich auch ziemlich nerven wenn ich während meiner Mittagspause im Regen sitzen müsste. Daher schlage ich für solche Fälle auch gerne mal auf die Schnelle mein Zelt auf.

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  • AlfBerlin
    antwortet
    AW: Cazorla Nationalpark

    Danke für Deinen Reisebericht

    Zitat von German Tourist Beitrag anzeigen
    Am meisten nervte mich, dass ich sogar für meine Mittagspause keinen Wetterschutz finden konnte. Und es macht echt keinen Spaß, auf einem nassen Stein sitzend unter dem Regenschirm zu kochen.
    Weshalb baust Du nicht in solchen "Notfällen" Dein Zelt auf?

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  • German Tourist
    antwortet
    Cazorla Nationalpark

    Als ich im neuen Jahr erwachte und aus dem Zelt schaute, fühlte ich mich eher wie in Schottland denn in Andalusien. Draußen herrschte dichter Nebel - und mitten drin eine Schafherde. Auf dem Weg zur Quelle des Rio Segura stieß ich erstmals auf die ausgezeichnete Markierung und die großen Informationstafeln des neuen GR 247, Bosques del Sur. Ich sollte in den nächsten Tagen immer mal wieder auf diesen GR stoßen – und irgendwann werde ich diesen Weg auch mal komplett laufen. Jetzt sollte eigentlich das Highlight der Südvariante des GR 7 folgen: Der Cazorla Nationalpark. Aber leider sollte ich davon nicht viel mitbekommen. Es hatte in der Gegend 4 Monate lang nicht geregnet, aber genau jetzt setzte nach dem großen Weihnachtsregen ein dreitägiger Nieselregen ein. Immerhin führte dies dazu, dass der Schnee auf den Höhenlagen schon fast komplett abgetaut war. Trotz des dichten Nebels konnte ich erahnen, wie schon die Gegend eigentlich war.



    Ich wurde zunehmend frustrierter und vor allem immer nässer. Am meisten nervte mich, dass ich sogar für meine Mittagspause keinen Wetterschutz finden konnte. Und es macht echt keinen Spaß, auf einem nassen Stein sitzend unter dem Regenschirm zu kochen. Immerhin war es nicht sehr kalt, so dass ich wenigstens nicht besonders fror.


    Der Weg stieg nun ab ins Tal des Guadalquivir – von dem ich leider aufgrund des Nebels auch nicht viel sah. Das weite Flusstal ist wohl Überschwemmungsgebiet, aber der Fluss selbst war im Moment nicht wirklich breit. Immerhin bot der Nebel einen guten Sichtschutz beim Zelten, denn im Tal des Guadalquivir war relativ viel los, trotz der Wintersaison. Mehrfach begegneten mir Spaziergänger und Jogger – ganz ungewohnt nach langer Einsamkeit auf dem GR 7.



    Der GR 7 folgt dann einem der Nebenflüsse des Guadalquivir wieder hinauf. Dieser recht populäre Wegabschnitt ist in der Tat recht spektakulär und die gepflegten und breiten Wege lockten auch bei Nieselregen mehrere Tageswanderer an. Von Cazorla aus werden auch Jeeptouren in diese Gegend angeboten, aber der andauernde Regen hatte zu zahlreichen Erdrutschen und Steinschlägen geführt, die jetzt die Forststraßen blockierten. Ich konnte da natürlich drüberklettern, hatte danach aber den Nationalpark wieder für mich ganz allein.



    Im Nachhinein finde ich es sehr schade, dass ich sowenig vom Nationalpark mitbekommen habe. Im Gegensatz zur Sierra Nevada ist der Cazorla Nationalpark ausserhalb Spaniens recht wenig bekannt, aber gerade im Winter eine echte Alternative, da er niedriger gelegen ist. Der GR 247 führt als Rundtour durch den Park. Die einzelnen Tagesetappen enden dabei meist an kostenlosen Refugios – die ich im Regen gut hätte gebrauchen können, die aber leider nicht am GR 7 lagen....Und so war ich denn ausgesprochen froh, als ich endlich in Cazorla ankam und mich und meine Ausrüstung im Hotel erst mal wieder richtig trocknen konnte.

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  • German Tourist
    antwortet
    AW: Nordkapp - Tarifa: Zu Fuss vom nördlichsten zum südlichsten Punkt Europas

    Zitat von aachenbenne Beitrag anzeigen
    Danke für den tollen, ausführlichen Bericht. Sieht wirklich nach einer sehr schönen Gegend aus, wobei ich persönlich wohl die Jahreszeit wechseln würde
    Danke für das Lob, aber ich habe ja ganz bewusst den Winter gewählt. Natürlich wäre es etwas einfacher gewesen, die Strecke im Herbst oder Frühjahr zu laufen (Sommer ist aufgrund der Hitze deutlich ungeeignet), aber ich wollte herausfinden, ob man auch in Europa das ganze Jahr über halbwegs bequem wandern kann. Und wie mein Bericht zeigt: Man kann!
    Obwohl ich sicher auch ab und zu unter den kalten Nachttemperaturen und dem zeitweiligen Regen gelitten habe, in Summe war diese Tour nicht "schlimmer" als eine vergleichbare 3-Jahreszeiten-Tour. Ich hatte halt nur eine etwas wärmere Ausrüstung dabei - und habe noch nie so viel geschlafen....

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  • German Tourist
    antwortet
    AW: Nordkapp - Tarifa: Zu Fuss vom nördlichsten zum südlichsten Punkt Europas

    Kaum war ich in Andalusien, verschwanden auch gleich noch die eh schon spärlichen Wegmarkierungen – dafür tauchten sie dann immer genau da wieder auf, wo laut Karte keine Weg sein sollte. Laut Karte sollte der Weg die letzten Kilometer vor Puebla de Don Fadrique auf der Straße entlang führen, die Wegmarkierungen zeigten jedoch in eine völlig andere Richtung. Ganz offensichtlich wollten die Wegplaner die Strecke von der Straße wegverlegen, aber wie groß würde der Umweg sein? Mit unzuverlässigen Markierungen und keiner Karte der Strecke war mir das Risiko zu groß, einen endlosen Umweg zu laufen. Ich blieb auf der Strecke underreichte Puebla am Mittag. Dort quartierte ich mich an das örtliche Hotel ein, wo ich mit 20 EUR das billigste Zimmer auf der ganzen Tour hatte – dabei hatte das Zimmer wie üblich Dusche, WC, Fernseher und natürlich wifi. Nur leider erfolgte die Anmeldung an der Bar des dazugehörigen Restaurants und der Kellner machte sich einen Spaß daraus, unschuldige Touristinnen unter dem Gelächter der natürlich ausschließlich männlichen Gäste zu verarschen.

    Ich blieb nur eine Nacht – nicht nur wegen des Kellners mit dem seltsamen Humor, sondern vor allem weil Silvester im Anzug war. Und dies wollte ich fernab von jeglicher Zivilisation und Strasse in meinem Zelt verbringen. Davor hatten die Wegplaner allerdings erst mal 36 km auf Asphalt gesetzt. Ich blieb solange als möglich in meinem Hotelzimmer (Check-out in spanischen Hotels ist in der Regel wandererfreundliche 12 Uhr), schaute mir noch das unscheinbare Puebla an und wanderte nachmittags los, um so die 36 km Strasse zumindest auf zwei Tage zu verteilen.

    Entgegen aller Erwartungen war dieser Strassenabschnitt gar nicht so furchtbar, denn auf der kleinen Landstraße war so gut wie kein Verkehr. Dafür schraubte sich die Straße unerbittlich in die Höhe. Ab 1.500 m begann der Schnee – zwar keine durchgehende Schneedecke, aber doch noch erhebliche Reste. Ich wollte nicht direkt an der Straße zelten und schlug daher eine Nebenroute ein, die mich letztendlich auf 1.700 m führte – und damit direkt in den Schnee hinein. Ich suchte mir einen Zeltplatz unter einem Baum, wo kein Schnee mehr lag und verbrachte eine erwartungsgemäß recht kalte Nacht.



    Meine selbstgebastelte Nebenroute führte leider bald wieder auf die Strasse zurück, auf der es jetzt nach Santiago de la Espada hinunter ging. Laut Karte ging der GR 7 jetzt von der Strasse ab, aber natürlich gab es an dieser Stelle keinerlei Schild oder Markierung. Stattdessen durfte ich erst mal einen Fluss überqueren – und natürlich gab es auch keine Brücke. Dafür stand ich jetzt in einer eigenartigen Schlucht, in der Behausungen in die Klippenwände gehauen worden waren.


    Als ich mich weiter in die Schlucht vorwagte, stellte ich fest, dass nicht alle Behausungen verlassen waren. Es lag jede Menge Müll herum und irgendwo spielten auch Kinder. Das ganze hatte schon etwas sehr Surreales. Irgendwann kam ich nicht mehr weiter, denn die Schlucht wurde zu eng. Der Weg musste nun wohl irgendwo auf die Klippen hinaufführen – nur wo? Ich wollte zwar nicht den Höhlenbewohnern durch ihren Vorgarten laufen, aber mir blieb nicht viel anderes übrig. Dabei stieß ich dann auch auf die Höhlenbewohner selbst: eine Art Öko-Kommune, die mir freundlich den Weg aus der Schlucht hinaus zeigten. Ich glaubte, mein Elend hätte nun ein Ende – aber da steckte ich dann auch schon wieder auf schlammigen Wegen fest. Ich schaffte es aber dennoch noch nach Santiago de la Espada, wo sich entgegen all meiner Internetrecherchen sogar mehrere auch noch geöffnete Supermärkte befanden. Ich hatte völlig umsonst für mehrere Tage Proviant aus Puebla mit geschleppt. Egal: Heute war Silvester und ich würde einen ruhigen Schlafplatz brauchen.

    Der GR 7 teilt sich in Andalusien bei Santiago de la Espada in eine Nord- und Südvariante, die bei Villanueva del Cauche wieder zusammen kommen, um dann gemeinsam in Tarifa zu enden. Die Südvariante durch die Sierra Nevada ist die landschaftliche schönere, ist aber auch deutlich höher gelegen. Da ich Schneeprobleme befürchtete, entschied ich mich daher für die tiefer gelegene Nordvariante. Nicht einmal diese wichtige Stelle des GR 7 war markiert...


    Gegen Abend bekam ich dann noch einen für Spanien üblichen Begleiter: Ein Hund lief ständig hinter mir her – ich wollte Silvester aber doch lieber alleine verbringen. Als es mir endlich gelang, den Hund abzuschütteln, fand sich auch bald ein idealer Zeltplatz zum Jahresausklang. Das Neujahrskonzert lieferten mal wieder kläffende Hunde in der Ferne.... Aber darüberhinaus störte nichts meine Ruhe in dieser Silvesternacht. Nicht mal in der Ferne konnte ich irgendwelches Feuerwerk hören.

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  • aachenbenne
    antwortet
    AW: Nordkapp - Tarifa: Zu Fuss vom nördlichsten zum südlichsten Punkt Europas

    Danke für den tollen, ausführlichen Bericht. Sieht wirklich nach einer sehr schönen Gegend aus, wobei ich persönlich wohl die Jahreszeit wechseln würde

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  • German Tourist
    antwortet
    AW: Nordkapp - Tarifa: Zu Fuss vom nördlichsten zum südlichsten Punkt Europas

    Keine Sorge, es geht jetzt noch einen Monat durch Andalusien.....

    Zu der "gruseligen" Begegnung: Ich hatte lange überlegt, ob ich das wirklich schreiben soll, denn letztendlich war das ganze ja völlig harmlos. Da ich aber ständig gefragt werde, ob ich denn "so als Frau alleine" keine Angst hätte, wollte ich zeigen, dass diese Begegnung so mit das "schlimmste" war, was mir "so als Frau allein" passiert ist.

    Wenn ich unterwegs jemandem begegne, dann ist diese Person in der Regel zumindest genauso überrascht wie ich. Dies war auch das "gruselige" an der o.g. Begegnung. Der Mann hatte mich schon erwartet.

    Bei meinen Outdoorunternehmungen gehören unangenehme Begegnungen bzw. Menschen, die mir Angst machen meist zu zwei Gruppen:

    Alkoholisierte bzw. sonstwie unter Drogen stehende Gruppen, vor allem Party feiernde Jugendliche: Aus diesem Grund übernachte ich in Europa nur dann in oder an öffentlich zugänglichen Schutzhütten, wenn das Wetter so schlecht ist, dass keine Freiluftparty zu erwarten ist.

    Obdachlose, vor allem, wenn sie einen geistig verwirrten oder betrunkenen Eindruck machen: Dies ist ein Phänomen, das man weniger in Europa als in den USA oder Australien antrifft. Dort nutzen einige Obdachlose die Trail shelter als Dauerunterkunft bzw. sie wandern teilweise auch den Trail entlang. In der Regel sind diese Begegnungen völlig harmlos und oft habe ich dabei auch schon sehr interessante Lebensgeschichten gehört, aber manchmal sind diese Menschen geistig etwas verwirrt und können zu unerwarteten Handlungen neigen.

    Mir ist in meiner ganzen Outdoorlaufbahn noch nie auch nur ansatzweise irgendetwas von einem anderen Menschen angetan worden. Ich fühle mich draussen im Wald deutlich sicherer als z.B. in der Großstadt. In der Regel ist die eingebildete Gefahr deutlich größer als die tatsächliche....

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  • FatmaG
    antwortet
    AW: Nordkapp - Tarifa: Zu Fuss vom nördlichsten zum südlichsten Punkt Europas

    Pünktlich zum Sonntagmorgen-Kaffee...
    Wie immer lese ich Deinen Bericht mit großer Spannung und Neugier.
    Schön, dass Du nicht nur die Freuden, sondern auch Deine "gruseligen" Momente mit uns teilst.
    Das macht Mut (zumindest mir).

    Komm nicht zu schnell in Tarifa an ;)

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  • German Tourist
    antwortet
    Murcia Teil 2

    Mein Weihnachtsessen bestand aus frischen Ravioli mit Pilzfüllung und Käsekuchen zum Nachtisch. Danach schlief ich in froher Erwartung des großen Weihnachtsregens ein. Ich schaffte es gerade noch am nächsten Morgen mein Zelt trocken abzubauen, dann fing der große Regen auch schon an – und hörte den ganzen Tag nicht mehr auf. Laut Wetterbericht regnete es in meiner Gegend an diesem 25. Dezember 20 mm, was ja noch ganz erträglich war. In Ronda, wo ich in etwa 3 Wochen sein würde, gingen am selben Tag 80 mm runter. Für Spanien gab es also ein nasse statt einer weißen Weihnacht. Trotz Schirm und Regenjacke war ich nach einigen Stunden völlig durchnässt. Unterstände gab es auf der Strecke leider so gut wie nicht – selbst meine Mittagspause musste ich auf einem nassen Stein unter meinem Schirm verbringen.

    Gegen drei Uhr hatte ich die Nase voll und beschloss, für heute den Tag zu beenden. Aber genau dann stand ich plötzlich in einer Landschaft, die ich eher in den schottischen Highlands denn in Südspanien vermutet hätte:



    Durch einen Waldbrand war hier jede Vegetation zerstört worden und bisher war nur niedriges Gestrüpp nachgewachsen. Dies hier war so ziemlich das letzte, in dem ich an einem stürmischen Tag zelten wollte. Also dann doch weiter – frühes Zelten bringt im Winter sowieso nicht viel. Kaum ist die Sonne weg, wird es in der Regel so kalt, dass man im Zelt sowieso nichts mehr machen kann als schlafen - und das tue ich sowieso schon 10 Stunden täglich.... Nach einer weiteren Stunde war ich endlich am Ende des Waldbrandgebietes angelangt und zurück in den „Bäumen“. Nun muss man sich „Bäume“ in Südspanien nicht wie Bäume in Deutschland vorstellen. Die Bäume hier werden nicht hoch, werden zur Reduktion der Waldbrandgefahr auch ständig ausgedünnt und sind auch nicht sehr dicht gepflanzt. Da zwischen den Bäumen auch immer ziemlich stacheliges Gestrüpp ist, gestaltete sich die Zeltplatzsuche nicht ganz einfach. Als ich dann endlich das Zelt aufgebaut hatte, hörte dann auch prompt der Regen auf.... Na gut. Dafür gab es am nächsten Morgen strahlenden Sonnenschein und tolle Ausblicke auf Calasparra, der nächsten Stadt am Weg.


    Am 26. Dezember waren in Calasparra alle Geschäfte geöffnet, was mich zwar sehr erstaunte, mir aber einen unerwarteten Sondereinkauf bescherte. Warum Weihnachten in Spanien mit nur einem Feiertag begangen wird, sollte ich später noch erfahren..... Für mich ging es erst mal weiter – und höher. Bisher war ich in Murcia immer sehr niedrig gelaufen – daher auch die sehr sommerlichen Temperaturen. Jetzt würde ich auf 1.500 m aufsteigen. Schneegrenze war laut Wetterbericht 1.200 m.... Zunächst ging es entlang der Schlucht des Rio Alharabe. Rio oder Fluss muss man sich jetzt auch nicht mit deutschen Maßstäben vorstellen: Aufgrund des vielen Regens führte der Fluss zwar Wasser, war aber zu Fuß leicht zu furten. (Collage unten rechts).



    Dafür machte mir ein anderes Problem viel mehr zu schaffen: Der Regen hatte die Wege in eine Schlammschlacht verwandelt und der Lehm klebte mir kiloweise an den Schuhen. Nach der dramatischen Schlucht kam ich dann oben auf dem Altiplano, also der Hochebene an, wo mich aber genau derselbe Anblick wie vor einigen Tagen erwartete: endlose sonnenverbrannte Anbauflächen. Nur war es hier oben deutlich kälter und ich fragte mich langsam besorgt, wo ich denn hier zelten sollte. Immerhin war von Schnee hier wie auch in den nächsten Tagen, außer ein paar kläglichen Resten nicht viel zu sehen. Aber je höher ich kam, desto mehr Bäume gab es und so fand sich auch immer ein Zeltplatz für mich.

    Der 28. Dezember schien hier allgemeiner Jagdtag zu sein. Ständig kamen Autos mit Anhängern und Dutzenden von Jagdhunden an mir vorbei. Unglücklicherweise warnte auch ein handgemaltes Schild am GR 7 vor einer großen Wildschweinjagd. Aber es half nichts, ich musste hier durch, denn eine Umleitung war natürlich nicht ausgeschildert. Gottseidank hatte ich ja meine neonorange Idiotenkappe, denn nach mehreren Tagen Schlammschlacht auf dem GR 7 ähnelte ich wohl äußerlich mehr einem Wildschwein als einem zivilisierten Menschen. Ich kam unangeschossen durch das Jagdgebiet – nur um wenig später wieder auf ein ähnliches Schild zu treffen. Ich hatte bald das Gefühl, dass es in diesem Gebiet mehr Jagdhunde als Wildschweine gab.

    Kurz vor der „Grenze“ zu Andalusien hatte ich dann noch mal eine etwas gruselige Begegnung. Auf der Suche nach einem geschützten Zeltplatz musste ich mal wieder Kilometer reißen und so war es schon fast dunkel, als plötzlich aus dem Nichts ein Mann vor mir auftauchte und mich fragte, wo ich denn hin wollte. Ich erschrak mich ziemlich, denn normalerweise war hier um diese Jahreszeit kaum jemand zu Fuß unterwegs und schon gar nicht bei Einbruch der Dunkelheit. Der Mann war zudem ziemlich ungepflegt und machte keinen sehr vertrauenserweckenden Eindruck, zumal er mich auch noch um Zigaretten und Geld anpumpen wollte. Ich erzählte mein übliches Märchen vom Ehemann, der an der nächsten Strasse mit dem Auto auf mich wartete und machte mich schnellstmöglich aus dem Staub. Ich suchte einen extra versteckten Zeltplatz im Dunkeln, also ohne meine Stirnlampe, die aus der Entfernung meinen Standort hätte verraten können. Der Mann war wahrscheinlich völlig harmlos und ein Feldarbeiter auf einem nahegelegenen Bauernhof, aber sein plötzliches Auftauchen aus dem Dunkeln hatte mich ziemlich erschreckt. Dennoch verbrachte ich eine ruhige und ungestörte Nacht. Und am nächsten Morgen passierte ich dann auch gleich die „Grenze“ zu Andalusien, wieder markiert durch einen Grenzstein.



    Fazit: Mir hat die kurze einwöchige Strecke durch Murcia ziemlich gut gefallen, obwohl sie landschaftlich nicht mit Valencia oder Andalusien mithalten konnte. Dennoch fand ich es ziemlich interessant, mal hautnah zu sehen und zu erleben, wo und unter welchen Umständen das Obst in den deutschen Supermärkten angebaut wird. Ich empfand die weiten sonnenverbrannten Ebenen als interessante Abwechslung, allerdings kann ich nur dringend abraten, hier im Sommer zu laufen. Insgesamt war die Strecke abwechslungsreicher als gedacht und vor allem ist sie das ganze Jahr über begehbar.

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  • blitz-schlag-mann
    antwortet
    AW: Nordkapp - Tarifa: Zu Fuss vom nördlichsten zum südlichsten Punkt Europas

    :thumbup:

    Viele Grüße
    Ingmar

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  • German Tourist
    antwortet
    Murcia Teil 1

    Von Elda aus war es noch etwa einen Tag nach Pinoso und danach würde ich die Provinz Valencia verlassen und durch die Provinz Murcia wandern. Der Abschnitt Elda – Pinoso sah auf der Karte schon trostlos aus. Und kaum hatte ich die Aussenbezirke von Elda verlassen, bekam ich schon mal einen Vorgeschmack darauf, was mich in Murcia oft erwarten würde: Weite, sonnenverbrannte Ebenen. Ich war bloss froh, dass ich hier nicht im Sommer laufen musste. Selbst im tiefsten Winter war ich hier im T-shirt unterwegs..


    Dennoch gab es dazwischen auch mal kurze Abschnitte mit Bäumen – und das verleitete mich leider dazu, Kilometer reißen zu wollen und erst hinter Pinoso zu campen. Das war leider eine total falsche Entscheidung... Schon in Pinoso fing es langsam an zu dämmern und ich wurde misstrauisch beäugt. Endlich durch Pinoso durch blickte ich voll Entsetzen auf die sich vor mir ausbreitende Landschaft: Eine total flache Ebene ohne den geringsten Sichtschutz durch Bäume. Um die Katastrophe noch vollständig zu machen, führte der Weg auch noch entlang einer Asphaltstrasse. So sehr ich mich auch anstrengte, hier würde ich niemals einen versteckten Zeltplatz finden. Ich musste also in den sauren Apfel beissen: Ich kramte meine Stirnlampe heraus und stellte mich auf Nachtwandern ein. Erstaunlicherweise wurde ich auf der Strasse fast ausschließlich von Autos mit britischen Kennzeichen überholt. Hier befand sich wohl eine Kolonie von Engländern auf der Suche nach winterlicher Sonne.

    Eine Stunde nach Sonnenuntergang verließ der GR 7 endlich die Asphaltstrasse und ich wanderte jetzt auf einem Wirtschaftsweg. Hier konnte ich es eher wagen, etwas abseits zu zelten. Wie durch ein Wunder entdeckte ich im Mondlicht auch die Silhouette einiger Nadelbäume am Rande einer Terrassenbepflanzung. Nichts wie hin und tatsächlich fand sich hier sogar ein recht bequemer und weicher Zeltplatz - mit wunderbarem Ausblick auf die Lichter von Pinoso in der Ferne.


    Am nächsten Morgen passierte ich dann die Grenze zwischen den Provinzen Valencia und Murcia. Es gab sogar einen Grenzmarkierungsstein. Die Landschaft änderte sich jedoch nicht: Weite, sonnenverbrannte Ebenen in denen nur Mandel- und Olivenbäume sowie einige Weinstöcke standen.



    In den tieferen Lagen begannen dann die fast schon industriellen Obstplantagen. Kilometerlange Plantagen mit Obstbäumen, die alle mit riesigen Netzen abgedeckt waren und mit Stacheldraht umzäunt. Im tiefsten Winter war hier natürlich nichts los. Nur sehr selten sah ich einige Arbeiter, die Obstbäume beschnitten. Einige dieser Arbeiter lebten am Rande dieser Plantagen in fast schon „slum“-artigen Siedlungen. Ich hatte überhaupt kein Wasser mehr und war so gezwungen, in einer dieser Hütten nachzufragen. Natürlich gab es vor jeder dieser Hütten einige Hunde, die mein Ankommen lautstark bellend ankündigten. Ich rief, um mich bemerkbar zu machen und endlich kam auch ein alter Mann aus dem Gebäude. Ich wollte eigentlich nur Wasser aus einem Wasserhahn zapfen, wurde aber gleich eines besseren belehrt. Die „Siedlung“ war nicht an das öffentliche Wassernetz angeschlossen. Der Wasserhahn zapfte nur das Grundwasser an, das in dieser Gegend aber ungeniessbar sei. Die Bewohner sammelten daher Regenwasser als Trinkwasser und aus diesem Vorrat füllte mir der freundliche Herr mit nur noch sehr wenigen Zähnen auch meine Wasserflasche. Die ganze Gegend hatte stark die Ausstrahlung einer spanischen „Deliverance“-Szene....

    Am nächsten Tag war der 24. Dezember und pünktlich zu Weihnachten würde es nach tagelangem Sonnenschein nun einen Wettersturz mit heftigen Regenfällen geben. Nur leider gab es kein billiges Hotel in der Nähe, um das Unwetter auszusitzen. Da ich nicht bereit war, 60 EUR für ein Zimmer zu zahlen, musste ich wohl oder übel ein verregnetes Weihnachten durchwandern. So wollte ich mir immerhin im nächsten Ort ein schönes Weihnachtsmenü für den Campingkocher kaufen. Der Weg hinein nach Cieza war eine der unschönsten Wegabschnitte in ganz Spanien. Erst ging es an endlosen übernetzten Obstplantagen entlang, dann stundenlang auf stark befahrerenen Asphaltstrassen an zahllosen wilden Müllkippen vorbei. Im ersten „Chinesen-Bazaar“ in Cieza kaufte ich mir sogleich in Erwartung des Regens erst mal einen Schirm und dann noch Proviant im Supermarkt. Jetzt fehlte eigentlich nur noch Wasser. Sonst gibt es in jeder spanischen Stadt öffentliche Wasserquellen aber nun ausgerechnet in Cieza fand ich keine. Ich irrte umher und wollte mich schon an einem Springbrunnen mit dem Schild „Kein Trinkwasser“ vergreifen, als eine Frau im Morgenmantel aus dem nächsten Haus kam. (Es war im übrigen schon drei Uhr nachmittags.) Sofort bot sie mir Wasser an und wollte mir darüberhinaus noch Obst mitgeben, aber leider war mein Rucksack schon übervoll. Im Überschwang weihnachtlicher Gefühle umarmte sie mich dann noch, was wohl ein sehr komisches Bild abgegeben haben muss.



    Der Weg aus Cieza hinaus war deutlich besser als der hinein: Es ging nämlich erst mal hinauf auf einen Aussichtspunkt, von wo aus ich einen großartigen Blick auf die Stadt hatte – leider nur etwas getrübt durch das schon diesige Wetter. Und als mein persönliches Weihnachtsgeschenk fand ich dann auch einen zauberhaften Zeltplatz auf weichen Fichtennadeln. Das Weihnachtskonzert gaben dann die kläffenden Hunde in der Nachbarschaft.....

    Zuletzt geändert von German Tourist; 28.03.2014, 11:25. Grund: Rechtschreibfehler korrigiert

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  • German Tourist
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    AW: Nordkapp - Tarifa: Zu Fuss vom nördlichsten zum südlichsten Punkt Europas

    Boicarents mittelalterliche Altstadt wurde als große Touristenattraktion angepriesen. Als ich mich der Stadt aber zu Fuß näherte, war davon nichts zu sehen. Das ganze Umland war durch einen Waldbrand komplett abgebrannt und ähnelte eher einer Mondlandschaft. Und im Tal führte eine Nationalstraße durch hässliche Industriegebiete. Dutzende von Schildern warnten mich davor, vom Weg abzuweichen, denn wieder mal lief ich durch ein privates Jagdgebiet. Als ich jedoch in die Stadt selbst kam, war ich völlig erstaunt, eine wirklich hübsche Altstadt anzutreffen. Jetzt in der absoluten Nachsaison hatten viele Hotels geschlossen und ich hatte nur mit Müh und Not eine halbwegs preiswerte Unterkunft gefunden. Die befand sich in einem alten Adelssitz und mein Zimmer wurde sogar mit einer Art Kronleuchter beleuchtet.

    Die Besitzer waren wahnsinnig freundlich und outeten sich ebenfalls als Wanderfreunde. Als ich fragte, wo ich denn wohl Gaskartuschen kaufen könnte, erboten sie sich sofort, mir eine Kartusche beim morgigen Einkaufstrip per Auto mitzubringen. Erfreut schrieb ich ihnen genau auf, welche Kartuschenart ich brauchte und gab ihnen sogar meine alte, fast leere Kartusche als Muster. Am nächsten Tag brachten sie mir auch tatsächlich eine Kartusche von Decathlon mit – allerdings in der falschen Größe. Aber besser eine zu große Kartusche als nur kalte Küche...

    Obwohl ich die meiste Zeit im Bett in meinem Luxuszimmer verbrachte, wollte ich dennoch zumindest ein bisschen war von der Stadt sehen. Im Stadtplan waren Höhlen eingezeichnet, die sich in Laufweite von meiner Unterkunft befanden und noch dazu nicht viel Eintritt kosteten. Ohne allzu große Erwartungen machte ich mich auf den Weg und war dann doch etwas befremdet, als mich der Mann an der Kasse frage, ob ich mich den körperlich fit genug für die Höhlenbesichtigung fühle. Natürlich tat ich das und machte mich nichtsahnend auf den Weg in die abgebrannte Mondlandschaft, wo sich der Höhleneingang befand. Der Führer erklärte mir, dass es sich hierbei nicht um natürliche Höhlen handelte, sondern um Vorratshöhlen, die noch von den Arabern in den Stein gehauen worden waren. Leider wurden sie nie fertiggestellt. Und dann begann eine Art Fitness-Hindernis-Parcours, der selbst mich echt ins Schwitzen brachte. Die Durchgänge zu den einzelnen Kammern waren so eng, dass ich mich mit meinen 1,82 m kaum hindurchzwängen konnte. Teilweise musste ich kriechen oder auf allen Vieren krabbeln. Hinterher war ich völlig verstaubt und verschwitzt – immerhin war mir jetzt nicht mehr kalt. Laut Führer hat es noch nie einen Unfall bei einer Höhlenführung gegeben, aber man würde auch nicht alle Besucher zulassen...



    Nach zwei Nächten in Boicarent musste ich nun eine Entscheidung fällen. Eigentlich war ich mittlerweile ausgeruht genug, um wieder einige Tage weiterzulaufen und zu zelten, aber die nächste Tagesetappe führte mich nach Alcoy, einer größeren Stadt. Dies wäre für mich die letzte Gelegenheit für Wochen, einen Decathlon zu besuchen und einzukaufen. Ich wollte mich aufgrund der kalten Temperaturen mit langer Unterwäsche und neuen Socken aufrüsten. Also beschloss ich, einen Tag zu laufen und dann wieder in ein Hotel zu gehen, damit ich in Ruhe meine Einkäufe tätigen konnte.

    Ich erwartete nicht viel von der kurzen Tagesetappe, wurde dann aber wieder mal mit einem grandiosen Abschnitt belohnt. Der Abstieg nach Alcoy erfolgte auf einem alten, aber gut ausgebauten Weg durch eine wilde Schlucht – bei wieder mal strahlendem Sonnenschein.


    Nur das mit dem Einkaufen in Alcoy gar nicht so einfach. Ich ließ mir in der Touristeninformation ausführlich erklären, mit welchem Bus ich den zu Decathlon kommen könnte, denn wie üblich in Frankreich war der Laden in einem Einkaufszentrum ausserhalb der Stadt untergebracht. Der Bus kam dann auch direkt an Decathlon vorbei – nur leider gab es dort keine Haltestelle. Und die nächste Haltestelle war 2 km entfernt... Ich wäre ja nun auch 2 km gelaufen, aber der einzige Weg führte entlang einer stark befahrenen Nationalstrasse ohne Gehsteig oder auch nur anständigem Randstreifen. Bei Einbruch der Dämmerung war mir das einfach zu gefährlich. Aber glücklicherweise hatte mich der Bus an einem anderen Einkaufszentrum abgesetzt und auch dort befand sich ein Billig-Sportladen. Ruckzuck hatte ich lange Unterhosen und Socken erworben und konnte mit dem Bus wieder zurück ins Zentrum zu meinem Hotel fahren.

    Am nächsten Vormittag war Sightseeing angesagt. Im Gegensatz zu den meisten Städten entlang des GR 7 war Alcoy höchst modern und vor allem durch modernistische Architektur geprägt. Natürlich gab es auch in Museum, das sich vor allem den örtlichen Festen widmete. Wie üblich in Spanien gab es auch in Alcoy jede Menge lokaler Feiertage, die mit farbenprächtigen Umzügen begangen werden, so z.B. das Fest, das die Befreiung Spaniens von den Arabern feiert. Dabei werden die historischen Begebenheiten in historisierenden Kostümen nachgestellt – und diese extrem aufwendigen und teuren Kostüme konnte man hier besichtigen.



    Der Wetterbericht war eher furchtbar, d.h. regnerisch, aber ich hatte von drei Hotelübernachtungen in Reihe genug und wollte nun wieder zelten. In der Hoffnung, dass es so schlimm nicht werden würde, machte ich mich auf den Weg in den Nationalpark Font Roja. Meine heimliche Hoffnung war, dass ich am Informationszentrum des Parks schon irgendeinen Unterschlupf finden würde. Ausserdem gab es dort sogar einen offiziellen Zeltplatz! In strömenden Regen machte ich mich auf den Weg. Wie üblich war ich nach dem stundenlangen Anstieg in Regenklamotten komplett nass – von aussen durch den Regen und von innen durch Schwitzen. Als ich dann endlich das imposante Informationszentrum erreichte, zerplatzten meine Hoffnungen auf einen überdachten Zeltplatz sehr schnell. Vor dem Zentrum parkten noch einige Autos von Mitarbeitern und gegenüber befand sich sogar noch ein Restaurant. Der Zeltplatz war ein noch größerer Flop, denn durch den Regen war er völlig überschwemmt. Also dann weiter. Nur leider fand sich so überhaupt kein verstecktes Plätzchen. Da der Wind mittlerweile sehr stark geworden war, suchte ich nicht nur nach Sicht-, sondern auch nach Windschutz. Ich war nass, mir war kalt und ausserdem lief mir die Zeit davon. Also stürtzte ich mich todesmutig in die Büsche und fand auch einen halbwegs ebenen Platz am Hang. Und so mitten im Gebüsch war ich auch halbwegs windgeschützt. Dennoch musste ich nachts einmal raus, um einen herausgekommenen Hering wieder zu befestigen. Aufgrund der beengten Situation im Gebüsch war es nicht möglich, das Zelt perfekt aufzubauen.

    Der nächste Morgen war vor allem windig und kalt. Ich musste einen Kilometer auf einem total ausgesetzten Kamm laufen und war heilfroh, wieder in die Bäume zurückzukommen. Die nächste Nacht erwartete ich eine einfache Zeltplatzsuche, denn ich lief durch ein ausgedehntes Waldgebiet. Aber leider waren Heerscharen von Waldarbeitern gerade dabei, den Wald zu „entkernen“. Die Bäumen standen nur noch vereinzelt und alle Äste waren bis auf 2 m Höhe abgeschnitten worden. So war es auch diesmal schwierig mit dem Wind- und Sichtschutz – dafür lag ich weich und eben. Am nächsten Tag stieß ich auf einen Ranger und befragte ihn ausführlich zu diesen „Entkernungsmaßnahmen.“ Wie vermutet sollen sie der Verminderung der Waldbrandgefahr dienen. Interessanterweise wird das Holz aber nicht mal kommerziell verwertet, weil es aufgrund schlechter Qualität kaum verkäuflich sei.



    Ich war nun in Elda angelangt, der letzten Stadt in der Provinz Valencia. Wie üblich gab es auch hier ein lokales Spezialmuseum: Elda war und ist ein Zentrum der spanischen Schuhindustrie und dementsprechend war es ein Schuhmuseum. Schuhe ohne Ende! Historische Schuhe, Schuhe von berühmten Menschen, Schuhe in der Kunst, Schuhwerkzeuge und vor allem die preisgekrönten Schuhentwürfe der örtlichen Schuhdesign-Schule.



    Fazit: Der GR 7 führt auf 578 km durch die Provinz Valencia. Dieser Abschnitt war der schönste meiner ganzen Tour. Landschaftlich ist er einfach spektakulär und abwechslungsreich, aber auch die Orte am Weg sind sehr reizvoll. Fast jede der kleinen Ortschaften lohnt einen Aufenthalt. Einziger Wermutstropfen ist die Qualität der Markierung und des Weges. Teilweise ist er zwar ausgezeichnet markiert und gewartet, teilweise gibt es aber auch total verwahrloste Abschnitte. Und die illegale Totalblockade des Wegs durch ein privates Jagdgebiet ist davon der Gipfel. Dennoch: Für Abenteuerlustige ist dieser Weg ein echter Geheimtip.
    Zuletzt geändert von German Tourist; 26.03.2014, 09:21.

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  • German Tourist
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    AW: Nordkapp - Tarifa: Zu Fuss vom nördlichsten zum südlichsten Punkt Europas

    Als ich in Cortes de Pallas die Karte studierte, schwante mir nichts Gutes. Laut Karte würde ich auf einem Pfad laufen, der zumindest auf dem Papier im Nirgendwo verschwand. Dergleichen Wege endeten in der Regel in einem unangenehmen Bushwhacking und so machte ich mich recht missmutig auf. Aber wieder einmal überraschte mich der GR 7: Der Weg war gerade erst kürzlich gewartet worden und war sozusagen ein Musterexemplar an Wegeführung. Ich genoss den Blick auf den riesigen Stausee und die Mesa. Ich sah zwar einige tolle Zeltplätze, beschloss aber, angesichts des Vollmondes bis in die Nacht hinein zu laufen. Dies entpuppte sich leider als Fehlentscheidung, denn oben auf der Mesa stieß ich nur auf endlose Olivenplantagen. Die waren zwar flach, aber der Boden war aufgrund der wochenlangen Trockenheit steinhart und mit großen Steinbrocken übersät. Selbst mit meiner dicken Prolite Plus würde ich hier keinen bequemen Zeltplatz finden, und so lief ich weiter und immer weiter – aber weit und breit nichts als Olivenplantagen. Ich wollte mich schon in mein unbequemes Schicksal fügen, als ich einen einsamen Nadelbaum entdeckte, unter dem ich ein halbwegs „weiches“ Plätzchen fand. Die Nacht war sternenklar und deshalb saukalt. Das Quellwasser, dass ich am nächsten Morgen schöpfte, war im Verhältnis zur Außentemperatur dagegen fast lauwarm! Dafür wurde ich wieder mal mit einem dieser magischen Morgenstimmungen belohnt.


    Das nächste „rauf auf eine Mesa“ führte mich zum Berg Caroche – glücklicherweise auf gut ausgebauten Forstwegen. Erstaunlicherweise befand sich nicht weit vom Gipfel sogar noch eine Quelle, deren Wasser in einem riesigen Trog gesammelt wurde und nicht eingefroren war.... Also dann mal wieder runter von der Mesa:



    Ich lief durch ein riesiges Aufforstungsgebiet und freute mich schon angesichts des vielen Nadelswaldes auf ein weiches Nachtlager, als ich ein Schild „Vorsicht Forstarbeiten“ passierte. Wie ich es in Spanien noch öfter sehen sollte, hatten die Forstarbeiter den Wald sozusagen „entkernt“, also alle tiefergelegenen Äste einfach abgeschnitten, wahrscheinlich um die „Brandlast“ und somit die Waldbrandgefahr zu reduzieren. Nur leider waren die abgeschnittenen Äste noch nicht abtransportiert worden und so hatte sich der Wald in ein undurchdringliches Dickicht verwandelt. Keine Chance, hier irgendwo mein Zelt aufzustellen und die Forstarbeiten schienen kein Ende zu nehmen. Erst als ich aus dem Arbeitsgebiet der Forstarbeiter herausgewandert war, fand sich sofort ein schönes weiche Plätzchen unter einem Nadelbaum.

    Das nächste „runter von der Mesa“ führte mich in das Tal von Vallada, ein riesiges Orangenanbaugebiet. Die Bauern waren vielerorts schon bei der Ernte und ständig wurden mir saftige Orangen angeboten. Bald waren mein Rucksack und meine Hosentaschen voller Orangen und ich hatte klebrige Hände. Bald entdeckte ich inmitten der vielen Orangenplantagen auch einige Felder mit Khaki-Bäumen und die Feldarbeiter schenkten mir nicht nur einige riesige Früchte, sondern fotografierten mich sogar und gaben mir Wasser. Ich wäre gerne noch eine Weile durch dieses Orangenparadies gelaufen, aber ich musste mal wieder rauf auf eine Mesa. Der Blick zurück ins Tal auf dem Bild unten rechts der Collage zeigt, wie ausgeprägt der Kontrast zwischen Tal und Mesa hier ist. Das Tal wird für extensiven Obstbau genutzt, während es oben auf der Mesa eher einer Mondlandschaft ähnelt.



    Natürlich befand ich mich wieder mal oben auf der Mesa, als es Nacht wurde. Überall nur Gestrüpp und Gestein, kein Baum weit und breit. Bei sternenklarer Nacht würde es saukalt werden und ich hoffte auf einen Baum als Kondensationsschutz, aber leider musste ich komplett freistehend zelten. Wie befürchtet war am nächsten Morgen mein Zelt komplett überfroren, Es war schmerzhaft, das steifgefrorene Zelt zusammen zu rollen und einzupacken. Als ich die abgefallenen Eiskristalle ausschüttelte, sammelte sich ein richtiger kleiner „Schneehaufen“ an. Dafür wurde ich wieder mal mit einem traumhaften Sonnenaufgang belohnt. Der klare Morgen war zwar saukalt, aber tauchte auch alles in ein fast schon magisches Licht.



    Jetzt noch zwei Mal rauf und runter von der Mesa und ich war nach einer Woche Dauerzelten in Boicarent und meinem nächsten Ruhetag mit Zentralheizung angelangt.
    Zuletzt geändert von German Tourist; 24.03.2014, 10:25. Grund: Bildformate angepasst

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  • German Tourist
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    Abenteuerwandern Teil 2

    Obwohl in Chelva nicht viel los war, konnte ich dank des exzellenten Wifi sehr viel Organisatorisches erledigen. Ich habe ja seit Jahren keine Wohnung mehr in Deutschland und muss bei meinen Kurzaufenthalten in der Heimat ein WG-Zimmer mieten. Diesmal hatte ich aber mehr Glück gehabt: Ich hatte zufällig herausgefunden, dass Bekannte einen längeren Auslandsaufenthalt planten und ihre Wohnung leer stehen würde. Nach einigen Skype-Telefonaten waren wir uns dann einig geworden, dass sie mir die Wohnung ab Anfang Februar untervermieten würden. Damit war mir ein Riesen-Stein vom Herzen gefallen. Bis Anfang Februar hatte ich noch mehr als genug Zeit und konnte daher meine Wanderung etwas verlangsamen, um nicht zu früh fertig zu werden. Ausserdem konnte ich bereits jetzt einen günstigen Rückflug buchen und weitere Details meiner Rückkehr planen.

    Sehr beschwingt machte ich mich also wieder auf den Weg – und sogar das Wetter zeigte sich mal von der besten Seite. Wie üblich ging es eine Mesa runter und dann gleich wieder eine andere Mesa rauf – nur dass in diesem Abschnitt zwischen den Mesas wunderschöne Flusstäler gelegen waren, allen voran das Tal des Turia. In diesem engen Tal schien kaum die Sonne herein, was zu einem interessanten Mikroklima führte. Hier waren mehrere seltene Planzenarten angesiedelt und es gab sogar einen für spanische Verhältnisse ungewöhnlichen Wasserfall. Wieder oben auf der Mesa stiess ich dann sogar auf eines der seltenen Refugios – aber natürlich zur völlig falschen Zeit, denn es war viel zu früh, um dort zu übernachten.



    Nun näherte ich mich leider auch einem seit langem befürchteten Hindernis. Sowohl John Hayes als auch azaun hier aus dem Forum, die beide den GR 7 schon mal gewandert waren, hatten mich vor einem umzäunten privaten Jagdgebiet gewarnt. Beide waren nur auf abenteuerliche Weise durch bzw. außen herum gekommen. Nach den Beschreibungen der beiden hatte ich das Hindernis noch nicht so früh erwartet, aber eines schönen Abends stand ich plötzlich vor einem 2 Meter hohen Metallgitterzaun. Die Wegmarkierungen waren eindeutig: Der GR 7 sollte hier lang gehen – nur leider versperrte der Zaun den Weg und war auch noch mit unmissverständlichen Warnschildern versehen. Da es schon bald dunkel wurde, beschloss ich erst mal noch auf legalem Grund und Boden zu zelten. Ich schlief sehr schlecht in dieser Nacht, denn ich ahnte schon, dass dieser Abschnitt nicht einfach werden würde.

    Am nächsten Morgen beging ich gleich einen großen Fehler. Anstatt einfach das Zauntor zu erklimmen und auf dem markierten Weg weiterzulaufen, hoffte ich, den Zaun legal umgehen zu können. Ich lief also ein Stück zurück, nahm einen Seitenpfad und stieg ins Tal ab. Ständig stieß ich dabei auf alte GR 7 Markierungen. Allerdings zerplatzten meine Hoffnung sehr bald – denn ich stand bald schon wieder vor dem Zaun mit Warnschildern, der zu allem Unglück hier auch noch schwieriger zu überklettern war. Verzweifelt versuchte ich mein Glück direkt am Fluss. Ich hoffte, dass der Fluss die Grundstücksgrenze wäre und ich so daran vorbei kommen würde. Diese These brachte mir allerdings nur komplett nasse Füße und eine zerrissene Hose ein. Der Zaun sperrte auch den Fluss komplett ab. Ich war mittlerweile den Tränen nahe. Verzweifelt versuchte ich den Zaun zu überklettern, doch der war 2 Meter hoch und bestand aus Metalldraht. Ich hatte zu viel Angst, dass der Zaun mein Gewicht nicht halten würde und ich mich bei einem Sturz ernsthaft verletzen könnte. Mittlerweile hätte ich mich in den Hintern treten können, dass ich nicht das erste Tor überstiegen hatte, aber 3 km den Berg hoch zurücklaufen wollte ich jetzt auch nicht mehr. Vor allem: Selbst wenn ich einmal in dem Jagdgelände drin wäre, wie würde ich wieder raus kommen?

    Ich wanderte den Zaun entlang und hoffte eine bessere Stelle zu finden, aber der Zaun war immer 2 Meter hoch aus demselben Metalldraht. Und damit die Wildtiere nicht unter dem Zaun durchkriechen konnte, war der Maschendraht auch noch professionell umgebogen und schloss den Zaun nach unten kompett ab. Endlich erblickte ich eine vage Chance: Der Zaun hatte an einer Stelle ein Loch, das durch Äste und Steine repariert worden war. Ich beseitigte die Äste, bog die Maschendrahtränder auseinander und schob die großen Steine zur Seite: Jetzt ergab sich eine kleine Kuhle unter dem Zaun. Ich hatte erhebliche Zweifel, ob ich mit meiner nicht gerade zierlichen Statur darunter durchpassen würde, aber es klappte! Mit nur einer blutenden Schramme am Handrücken stand ich endich auf der anderen Zaunseite und schob meinen Rucksack hinterher.

    Ich befand mich nun in einer Art Hochsicherheitstrakt für Wildtiere. Überall gepflegte Wege und Jagdunterstände. Das ganze Geläne widerte mich ziemlich an, denn alles war so ausgerichtet, dass zahlende Gäste möglichst bequem und komfortabel die Tiere abschießen konnten. Hoffentlich nur die Tiere und nicht auch mich! Glücklicherweise traf ich an einem Werktagvormittag auf niemanden und langte nach ca. einer Stunde am anderen Ende des Zaunes an, der an eine öffentliche Strasse grenzte. Ich hatte die Freiheit schon im Blick, aber leider war immer noch dieser Zaun im Weg – und leider gab es hier auch kein Tor. Ich wanderte am Zaun entlang zu einer Art Haupteingang des Geländes, wo ich wie erhofft auch schon ein großes Tor erblickte. Ich schlich noch durch das Gebüsch, als sich ein Auto näherte, der Fahrer ausstieg und das Tor öffnete. Überrascht überlegte ich, was ich jetzt tun sollte. Wenn ich aus den Büschen sprang, würde ich einfach durch das geöffnete Tor gehen können, aber ich lief auch Gefahr, dass der Fahrer mir Ärger wegen unbefugten Betretens machen könnte. Mir war völlig unklar, in welcher gesetzlichen Lage ich mich befand. Verschreckt versteckte ich mich weiter in den Büschen, bis der Fahrer auf dem Gelände verschwunden war.

    Als ich dann das Tor inspizierte, bereute ich meine Entscheidung sogleich. Das Tor war 2,50 hoch und mit Metallspitzen bekrönt – es war mir ein Rätsel, wie ich da drüber kommen sollte. Ich stellte mich schon auf eine längere Wartezeit bis zu einem weiteren Besucher ein, als ich bei näherem Hinsehen doch noch eine Möglichkeit entdeckte, das Tor halbwegs sicher zu überklettern. Die Spitzen waren zwar bedrohlich, aber so weit auseinander, dass ich wohl dazwischen durch passte. Und es gab auch eine Querstrebe, auf die ich mich stellen konnte – wenn die Strebe denn stabil genug war. Gesagt, getan! Wenige Minuten später stand ich zitternd vor Angst auf der Seite der Freiheit. Ich wollte gerade aufatmen und mich um meine Mittagessen kümmern, als ich auf der anderen Strassenseite genau denselben hohen Jagdzaun noch einmal sah. Ich sank fast in die Knie vor Verzweiflung. Dasselbe Theater also noch einmal? Immerhin wurde mir jetzt klar, warum ich das Jagdgebiet an anderer Stelle vermutet hatte. John Hayes und azaun waren in die andere Richtung gelaufen und daher zuerst an das jetzt noch vor mir liegende Jagdgebiet gestoßen. Da John Hayes etwas von Drehtüren geschrieben hatte, schöpfte ich wieder Mut. Und in der Tat: Auf der gegenüberliegenden Straßenseite konnte ich schmale Drehtüren erkennen, die in das Gelände führten. Dicke Schilder warnten vor den Gefahren des Betretens durch große Wildtiere. Dies konnte mich nicht abschrecken – vielmehr fragte ich mich, wie ich dort wieder rauskommen sollte. Ich beschloss, nicht auf den GR 7 zurückzugehen, sondern auf dem direktsten Wege in die nächste Stadt zu laufen. Und diesmal hatte ich mit meiner Entscheidung Glück: Schon nach weniger als einer Stunde stand ich vor einem weiteren Drehtor, dass mich wieder in die Freiheit entließ und bald danach stieß ich dann auch wieder auf die Markierungen des GR 7.



    Die ganze Sache hat mich maßlos geärgert. Als ich einige Tage später einen Ranger traf, sprach ich ihn auf dieses „Sperrgebiet“ an. Er berichtete mir, dass dieses Jagdgelände seit mehreren Jahren ein Thema in der Presse ist. Dieses Jagdgelände schneidet nicht nur den GR 7 komplett ab, sondern verwehrt auch der örtlichen Bevölkerung die Durchfahrt zu ihren Grundstücken. Rein rechtlich gesehen müsste der Besitzer der Öffentlichkeit ein Wegerecht einräumen – aber seit drei Jahren geschieht nichts. Weder die Provinzregierung noch die örtlichen Behörden haben es geschafft oder haben auch nur den Willen, eine Lösung zu finden. Ich war nun noch mehr erbost: Der GR 7 wurde mit EU-Mitteln gefördert und nun blockiert ein Privatunternehmer so einfach den Weg, ohne dass irgendjemand etwas dagegen unternimmt. Es war ja nicht mal eine Umleitung ausgeschildert, geschweige denn eine Durchgangsmöglichkeit geschaffen.

    Leider war das auch noch nicht das Ende meiner Wanderabenteuer auf diesem Abschnitt: Nachdem es mal wieder zwei „rauf auf eine Mesa – runter von der Mesa“ gegeben hatte, stand ich nach einem nebligen Morgen schon wieder vor dem nächsten Problem:



    Der Weg musste nun runter vom Plateau zum Stausee von Cortes de Pallas, aber leider war der Weg mal wieder nicht da, wo er sein sollte. Der Weg laut gpx track existierte nicht bzw. nicht mehr. Nach einigem Herumsuchen fand ich in der Nähe zwar Markierungen, die aber vor einem Felsvorsprung endeten. Logischerweise müsste der Weg jetzt in der darunter liegenden Schlucht talwärts führen, aber mir war rätselhaft, wie ich dort runterkommen sollte. Ich suchte hin und her, konnte aber beim besten Willen keinen Weg erkennen. Mir wurde es nun zu blöd und ich ließ vorsichtig meinen Rucksack herunter und kletterte und sprang hinterher. Wenig später wurde ich dann auch wieder mit Wegmarkierungen belohnt. Der Weg war nun zwar wunderbar markiert, aber leider seit Jahren nicht mehr gepflegt worden. Ich kämpfte mich mal wieder durch Gestrüpp, was durch das steile Gelände nicht besser wurde. Als ich dann endlich nach Stunden auf der Straße ankam, war ich total erleichtert, obwohl mir nun mehrere Stunden Asphalt bevorstanden. Ich musste jetzt ordentlich Gas geben, denn ich musste noch vor der Mittagspause im kleinen Laden von Cortes de Pallas ankommen.

    Ich war daher höchst erfreut, als endlich der beeindruckende Stausee von Cortes de Pallas in Sicht kam. Zum Stausee gehört ein Wasserkraftwerk, was zu einem erheblichen Bevölkerungszuwachs führte. Überall in Cortes werden Monteurszimmer angeboten und ich sah Dutzende von Bauarbeitern und Handwerkern herumlaufen. Ich schaffte es auch noch gerade rechtzeitig vor Ladenschluss anzukommen und nahm mein Mittagessen in der Sonne auf dem Hauptplatz von Cortes de Pallas ein.

    Zuletzt geändert von German Tourist; 22.03.2014, 12:41. Grund: Bilder eingefügt

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  • German Tourist
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    Abenteuerwandern Teil 1

    Ich hatte ja schon über Abenteuer- Camping geschrieben, aber der nächste Wegabschnitt kann gut unter Abenteuer-Wandern stehen. Nur zur Erinnerung: Ich befinde mich gerade auf dem GR 7, der durch Spanien hindurch dem Europäischen Fernwanderweg E 4 entspricht. Also nicht irgendein popeliger Lokalwanderweg, nein, ein mit EU-Mitteln geförderter Langstreckenweg. Das hindert die spanische Regierung allerdings nicht daran, den Weg streckenweise total herunterkommen zu lassen....

    Nach der wunderschönen Strecke aus Montanejos heraus war ich eigentlich sehr beschwingt und wollte gut Strecke machen – bis ich mich plötzlich auf einem Kamm wiederfand, und so überhaupt nicht weiterwusste. Laut Karte und GPS sollte der Weg nun den relativ steilen Berghang hinuntergehen, aber ich konnte weit und breit keinen Weg erkennen. Der Hang war wohl vor einigen Jahren komplett abgebrannt und sollte nun wieder aufgeforstet werden – momentan sah man allerdings nur stacheliges Gestrüpp. Und genau dadurch führte nun „der Weg“, wie mir ein Steinmännchen und ein Marker je 500 m anzeigte. (siehe Collage Bild unten rechts). Ich konnte es kaum glauben als ich mich durch das Gestrüpp kämpfte. Ohne lange Hosen wäre ich hier aufgeschmissen gewesen. Der steile Pfad war fast komplett mit Brombeersträuchern zugewuchert und dazu kämpfte ich auch noch mit dem Gleichgewicht. Ich fluchte ohne Ende bis ich nach einer Stunde Nahkampf mit den Brombeersträuchern endlich wieder auf einer Forststrasse ankam.

    Aber wie das Graffitti auf einem aufgegebenen Bahnhof an der Wanderstrecke schon sagt: „La Lucha continua“ - der Kampf geht weiter. In Bejis führte der Weg gut ausgeschildert von der Strasse weg den Hang hinauf Richtung Stadt. 10 Minuten später stand ich dann wieder mal auf einem Steilhang inmitten von Brombeersträuchern. (siehe Collage Bild oben links). Was auf dem Photo wie undurchdringliches Gestrüpp aussschaut, ist der offizielle GR 7 und E 4. Ich hatte mich so heftig in den Büschen verfangen, dass ich am Ende weder vorwärts noch rückwärts kam und mich unter Opferung meiner Hosen, die das ganze nicht unbeschadet überstanden, dann steil den Hang hochkämpfte. Für 500 m hatte ich fast eine Stunde gebraucht. Ich war nun gründlich bedient vom verwahrlosten GR 7 und lief vorläufig auf der Strasse, um mich etwas zu erholen. Die malerischen Bergdörfer konnte ich auch so geniessen.



    Die nächste Katastrophe liess auch nicht lange auf sich warten. Schon aus der Ferne ich einen großen Windpark. Das heisst in der Regel, dass beim Bau des Windparks alle GR-Markierungen verschwunden sind und/oder der Weg umgeleitet wird. Natürlich näherte sich der Sonnenuntergang und ich brauchte auch noch einen Platz zum Zelten. Wie schon befürchtet wich der GR 7 bald von meinem gpx track ab und schlug sich querfeldein den Berg hoch – immerhin noch leidlich markiert. Oben auf dem Kamm führte er an Dutzenden von Windturbinen vorbei. Mal abgesehen davon, dass es sich neben den lauten Windturbinen nicht gut zeltet lagen hier auch noch jede Menge Plastikteile herum, die wohl von den Rotorblättern abgefallen waren. Nicht gerade vertrauenserweckend... Ich lief also immer weiter in die Dunkelheit hinein. Natürlich gab es jetzt überhaupt keine Wegmarkierungen mehr und leider auch keine Zeltmöglichkeit. Das Gelände war zu steil und zu überwachsen. Ich war kurz davor, zu verzweifeln. Meine Karte zeigte eine alte Siedlung in der Nähe. Siedlung heisst immer Landwirtschaft und das wiederum heisst Terrassen. Ich sollte recht behalten. In der Nähe der verfallenen Häuser befanden sich ein paar überwucherte Terrassen, auf denen ich mir einen Zeltplatz freimachen konnte. Ich bemerkte erst zu spät, dass ich in Sichtweite der Zentrale des Windparks zeltete. Die ganze Nacht fuhren Wachschutz-Autos auf ihrem Patrolliengang vorbei. Jedesmal gingen in der Zentrale alle Lichter an und das große Tor wurde geöffnet. Bald aber gewöhnte ich mich an das Spektakel. Ich war so gut versteckt, dass mich hier sowieso niemand entdecken würde. Als dann in der Nacht noch Wind aufkam, war ich froh nicht neben einer Turbine zu zelten. Obwohl sich die Rotoren mehrere Hundert Meter entfernt oben am Kamm befanden, hielt mich ihr Quietschen eine ganze Weile wach – bis ich mir Ohrenstöpsel reinschob und endlich erschöpft einschlief.

    Nächster Stopp war Chelva, wo ich im Hotel schon ein Zimmer reserviert hatte. Nur leider schien dabei irgendwas schief gegangen zu sein, denn der Hotelbesitzer hatte mich erst am nächsten Tag erwartet. Das alles machte aber nichts, denn ich war wieder mal der einzige Gast im Hotel und hatte freie Zimmerauswahl. Bei gut funktionierender Heizung und Wlan liess es sich gut aushalten. Chelva hatte nicht gerade viel touristische Sehenswürdigkeiten, war aber eine ganz nette spanische Kleinstadt. Immerhin konnte ich mich so gut erholen... für Abenteuerwandern Teil 2.

    Zuletzt geändert von German Tourist; 20.03.2014, 12:50.

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