Tourentyp | |
Lat | |
Lon | |
Mitreisende | |
Länder: Österreich, Slowakei, Ungarn, Rumänien
Route: Wien - Bratislava - Győr - Esztergom - Budapest - Szeged - Timișoara - Caransebeș - Hunedoara - Sebeș - Transalpina - Sibiu
Reisezeit: Oktober 2010
Auf http://www.bikemap.net/route/738572 lässt sich die ungefähr gefahrene Route verfolgen.
Vorwort
Warum diese Route?
Drei Jahre Mitarbeit in einer deutsch-rumänischen Firma weckten mein Interesse, Rumänien etwas besser kennenzulernen. Timișoara als der rumänische Firmenstandort und als historisch bedeutsame Stadt stand schnell als Meilenstein fest, die Südkarpaten mit einigen der höchsten und bekanntesten Bergstraßen Rumäniens -- Transfăgărașan und Transalpina -- reizten mich als notorischen Pässefahrer. Sozusagen als "Anfahrt" bot sich der Donauradweg zwischen Wien und Budapest an -- die Strecke bis Wien war ich vor vielen Jahren schon mal gefahren --, sowie eine Durchquerung der pannonischen Tiefebene zwischen Budapest und Szeged.
Planung und Vorbereitung:
Das Ganze sollte eine zwei- bis dreiwöchige Radtour werden, und damit meine erste mehrwöchige Radtour und zudem meine erste Radtour in Länder, deren Sprachen ich so gut wie nicht beherrsche.
Die Routenplanung blieb relativ grob und beschränkte sich auf die größeren Städte und eine grobe Zeitplanung: Wien (Start), Bratislava (nach einem Tag, plus ein Tag zur Stadtbesichtigung), Budapest, (nach 4 Tagen, plus ein Tag Stadtbesichtigung) Szeged (nach ca. 7-8 Tagen), Timișoara (nach ca. 8-9 Tagen, plus ein Tag Stadtbesichtigung) und Sibiu (nach ca. 13-17 Tagen, abhängig von den gefahrenen Karpatenpässen, plus ein Tag Stadtbesichtigung). Zurückgehen sollte es mit dem Zug.
Übernachten wollte ich sowohl im Zelt (in den ländlicheren Gegenden) als auch in Pensionen oder einfachen Hotels (in den Städten). Daher wurden neben den Backrollern und der Lenkertasche auch noch eine Packrolle mit der Zeltausrüstung voll.

Das will alles mit, Teil I

Das will alles mit, Teil II (im Nachhinein viel mehr als nötig)

Der Lastenesel
Karten:
Als Training diente vor allem eine viertägige Pässefahrt durch Vorarlberg und Tirol -- die Silvrettastraße, die Kaunertaler Gletscherstraße, das Inntal und der Buchensattel boten sowohl Strecke als auch jede Menge Höhenmeter.
Dienstag, 5.10.2010
Anreise nach Wien & Donau-Auen
6:15 -- zwei unbarmherzige Wecker reißen mich aus dem Schlaf, das Packen und Recherchieren von letzten Informationen am Vorabend zog sich bis in die Nacht. Der einsetzende leichte Regen überraschte mich, hatte ich doch nur den Wetterbericht für Wien und Bratislava abgerufen, nicht aber den für München...
Ungeduldig warte ich an jeder roten Ampel auf der Fahrt zum Münchner Hauptbahnhof.
Die Zugfahrt nach Wien über Salzburg nütze ich zum Schlafen und zum Lernen einiger slowakischer Worte. Es ist wolkenverhangen, die Landschaft kaum zu sehen.
Am frühen Nachmittag erreiche ich Wien, der Regen hat aufgehört. Ohne einen Stadtplan scheitert mein Versuch, vom Westbahnhof an den Donaukanal zu gelangen. Erst als ich einen Kompass zu Hilfe nehme, gelingt es, die Richtung zu halten.
Zumindest lerne ich so einige Straßen und Plätze Wiens abseits der üblichen Routen kennen, wenn auch nicht sehr systematisch...
Auf der Praterinsel verliere ich erneut die Orientierung, gelange aber schließlich doch an und über die Donau. Zum Glück geht's gleich aus der Stadt raus!

Leichter Nieselregen setzt ein, und ein kräftiger Wind von Osten erschwert das Vorankommen am Donauufer aus dem Stadtgebiet heraus. Als wäre das nicht genug, zwingt mich eine Umleitung wegen Deichausbesserungsarbeiten zu Extrakilometern. In Groß-Enzersdorf angekommen, entscheide ich für die verkehrsreiche, aber direktere Bundesstraße 3, und damit gegen die unbefestigten Waldwege zurück zu den Donauauen.
Der Gegenwind und von vorne kommender Regen lassen mich nur langsam weiterfahren und nagen an der Motivation. Irgendwann erkenne ich, dass das Tagesziel Bratislava unter diesen Bedingungen unrealistisch ist, und nehme ein Zimmer in Orth an der Donau.
Tagesdistanz: 55 km
Mittwoch, 6.10.2010
Bratislava & Slowakei
Der neue Tag präsentiert sich genauso windig und feucht wie der vergangene. Tiefe Wolken hüllen die Hügelketten ein. Egal, ändern kann ich das Wetter nicht, also hilft nur weiterfahren.
Die Ortsbilder der Dörfer hinter Wien werden recht schnell ländlich, und die Häuser älter, weisen aber teils sehr schöne und individuelle Fenstergestaltungen auf.



Immer noch in Österreich
Bei Hainburg sehe ich zum ersten Mal die Ausläufer der Karpaten. Das "andere Ende" dieses Gebirges möchte ich erreichen...
Am Grenzübergang in die Slowakei begegne ich einem Radfahrer aus Basel, der den Donauradweg ab der Donauquelle gefahren ist (ca. 1000 km bis hierher) und heute zum Abschluss seiner 10-tägigen Tour noch Győr erreichen möchte. Allgemein sehe ich nur sehr selten andere Reiseradler entlang der Donau, die Saison ist eindeutig zu Ende.
Am späten Vormittag quere ich die Donau über die Brücke Nový Most und erreiche das Zentrum von Bratislava. Ein Stadtplan ist schnell organisiert, und ich schiebe die Frage, ob ich hier übernachten soll, vor mir her, indem ich erst mal die Sehenswürdigkeiten der Stadt besuche: Martinsdom, Burg, Altes Rathaus etc.
Beim Mittagessen entdecke ich auf der deutschen Ausgabe der Speisekarte das Gericht "Gemischter Salat mit gebratenem Hermelin". Seltsame Küche, denke ich mir, was Tierschützer dazu wohl sagen würden? Erst der Blick in die englische Übersetzung klärt auf, anscheinend handelt es sich bei Hermelin um einen Käse...
Es ist Nachmittag, alle wesentlichen Sehenswürdigkeiten im Stadtzentrum sind hinreichend intensiv angeschaut, also verlasse ich die Stadt und folge der Donau auf der südlichen Uferseite. Der Donauradweg führt hier auf der Deichkrone entlang -- zügig zu befahren, aber landschaftlich etwas eintönig.

Ich habe schon einen möglichen Übernachtungsplatz ausfindig gemacht -- unter dem überdachten Vorplatz eines kleinen, nicht mehr betriebenen Kiosks nahe des Radwegs -- und überlege nun mit der Straßenkarte, ob sich Weiterfahren noch lohnen würde, als ein slowakischer Radfahrer neben mir anhält. Er scheint meine Gedanken zu kennen, denn er gibt mir den Tipp, noch einige Kilometer weiter ins Grenzdorf zu fahren, dort gebe es freie Zimmer. Als ich mich dankend verabschiede, kehrt er ebenfalls um. Offensichtlich war er extra wegen mir umgedreht, um mir Hilfe bei der Suche anzubieten.
In Čunovo finde ich ein günstiges Zimmer, eigentlich ist es ein Apartment. Nachdem ich eine Sippe Stechmücken ins Jenseits befördere, koche ich eines der mitgenommenen Fertiggerichte.
Bisher hat die Kommunikation auf deutsch und gelegentlich auf Englisch sehr gut funktioniert, aber wie würde es ab morgen in Ungarn werden?
Tagesdistanz: 67 km, Fahrzeit: 3:42 h
Donnerstag, 7.10.2010
Győr & der Nordwesten Ungarns
Der Sonnenschein am morgen und die vor mir liegende Strecke abseits der Metropolen versprechen einen schönen Tag.

Über eine Nebenstraße erreiche ich nach wenigen Kilometern Ungarn.

Gleich nach der Grenze stoße ich auf die Beschilderung des EuroVelo-6-Radwegs, der sich in Ungarn etwa am rechtsseitigen Donauufer orientiert. Ich folge den kleinen grünen und gelben Schildern des EV6 und freue mich, den Weg nicht selbst suchen zu müssen...
Der Weg ist meist gut beschildert und wählt verkehrsarme Strecken, die keine zu großen Umwege bedeuten.
Aber nur meist. In Hegyeshalom finde ich keine Schilder mehr. Schlechte Beschilderung, oder habe ich etwas übersehen und bin falsch gefahren? Umkehren möchte ich nicht, also weiter mit der Landkarte. Bis zur Bundesstraße 1 ist es einfach. Diese hat sogar einen Radweg, ich wähne mich also auf der richtigen Route. Dann, ohne jede Vorwarnung, endet der Radweg zwischen zwei Ortschaften. Die Bundesstraße wartet mit einem "Fahrräder, Traktoren und Pferdegespanne verboten"-Schild auf, andere Wege gibt es aber nicht. Wie kann man so einen Radweg planen??
Bis nach Mosonmagyaróvár sind es nur 6 Kilometer, also "übersehe" ich das Verkehrsschild und wähle die Bundesstraße. Der LKW-Verkehr ist zwar nicht angenehm, aber es geht, und einige einheimische Radfahrer auf der Straße zeigen mir, dass das Radfahrverbot anscheinend nicht so eng gesehen wird.
In Mosonmagyaróvár treffe ich wieder auf die EV6-Beschilderung. Über Nebenstraßen geht es weiter auf der Kleinen Schüttinsel bis Győr, das ich mittags erreiche. Entlang des Weges sind etliche Schautafeln aufgestellt, die von der Geschichte dieser Region berichten, etwa vom früheren Verlauf des Flusses oder von den Donaumühlen, die jeden Winter aus dem Fluss entfernt werden mussten.
In einem der Restaurants am Hauptplatz von Győr gönne ich mir ein Mittagessen. Das bestellte Gulasch ist mit einer kleinen orangen Schote garniert, die mich sofort an eine Habanero erinnert. Aber ein von Touristen häufig besuchtes Restaurant, denke ich mir, wird wohl kaum eine der schärfsten Chilisorten servieren, das gäbe zu viele Beschwerden. Außerdem ist Ungarn für seine Paprikas, weniger für seine Chilis bekannt. Völlig überzeugt von diesen Argumenten schneide ich ein größeres Stück der Schote ab.
Das Flammenmeer in meinem Mund zeigt mir den Irrtum... Nachdem der erste Schock überwunden ist, bestätigt der zweite Geschmackstest das typische Aroma der Habaneros. Als Chili-Liebhaber lasse ich es mir nicht nehmen, den Rest der Chilischote (in kleineren Stückchen) zu genießen. Unbeantwortet bleibt die Frage, ob derartige Schärfe in Ungarn normal ist, oder ob ich der einzige bin, der die Garnitur mitisst...
Nach einem Blick in die Jesuitenkirche von Győr geht's weiter entlang des EV6, zunächst durch das Industriegebiet der Stadt, später über die erste nicht-asphaltierte, pfützen- und schlaglochübersäte Straße durch ein eher ärmliches Straßendorf.

Hinter den Zäunen bellen mich Hofhunde an. Über Szőlőhegy komme ich zurück auf eine asphaltierte Straße, weiter geht es Richtung Nagyszentjános. Auf dem Weg durchquere ich einen Windpark -- heute weht nur ein mäßiger Gegenwind.
Vor dem Ortseingang ein Wegweiser des EV6, rechts abzubiegen. Doch die Straße rechts endet nach wenigen Metern an einem Friedhofseingang! Karte rausgeholt -- das Schild hat recht, hier muss eine Straße langführen, parallel zur Bahnlinie nach Ács. Führt vielleicht auf der anderen Seite des Friedhofs eine Straße weiter? Leider nicht, stelle ich beim Durchqueren des Friedhofs (zu Fuß) fest. Bin ich zu früh oder zu spät abgebogen? Zweimal fahre ich durch die verschlafene Ortschaft, teste per Tiefensuche im Straßennetzwerk jede Abzweigung nach rechts, um doch immer wieder in Sackgassen oder kleinen Feldwegen zu enden.
Ich werde leicht nervös. Es ist nicht mehr lange zur Abenddämmerung, ich bin mitten in der "Prärie", und mein Tagesziel ist nach dem Umweg am Vormittag und der Suchaktion in weiter Ferne.

Nochmal zurück zum Wegweiser, der diese Suchaktion ausgelöst hat. Kurz vor dem Ende der Straße am Friedhof fällt mir ein bisher nicht als möglicher Weg wahrgenommener Feldweg auf. Die großen Pfützen und der Schlamm haben mich nicht daran denken lassen, dass dies die gesuchte "Nebenstraße" sein könnte. Sollte das mein Weg sein? Mangels alternativer Ideen versuche ich es. Nach 30 Metern bleiben meine Reifen im Schlamm stecken. Zu Fuß erkunde ich den Weg noch etwas weiter. "Unpassierbar", ist meine Einschätzung.

Sind das die Verkehrswege des EV6, "die für Fahrradtouristen noch am ehesten akzeptabel sind"??

(Der schlammige Feldweg wäre tatsächlich richtig gewesen, zeigen Luftbilder im Internet später.)
Was tun? Alternative Routen würden mich entweder auf die vielbefahrene Bundesstraße 1 zurückbringen, oder ordentlich Extrakilometer bedeuten.
Vorerst drängt sich aber die Frage nach einer Übernachtungsmöglichkeit auf. Touristisch gibt es in Nagyszentjános gar nichts, also suche ich nach einem geeigneten Platz zum Zelten, und werde in einem kleinen Stück Nutzwald fündig. Ich bin froh, das Zelt mitgenommen zu haben. Zu Essen gibt es Schokolade und Wasser.
Wie lange werde ich morgen brauchen, diese "Straße" zu umfahren? Ist das nur der Vorgeschmack auf das, was kommen wird? Diese Gedanken begleiten mich, bis mich nach den Anstrengungen des Tages der Schlaf einholt.
117 km, 5:57 h
Route: Wien - Bratislava - Győr - Esztergom - Budapest - Szeged - Timișoara - Caransebeș - Hunedoara - Sebeș - Transalpina - Sibiu
Reisezeit: Oktober 2010
Auf http://www.bikemap.net/route/738572 lässt sich die ungefähr gefahrene Route verfolgen.
Vorwort
Warum diese Route?
Drei Jahre Mitarbeit in einer deutsch-rumänischen Firma weckten mein Interesse, Rumänien etwas besser kennenzulernen. Timișoara als der rumänische Firmenstandort und als historisch bedeutsame Stadt stand schnell als Meilenstein fest, die Südkarpaten mit einigen der höchsten und bekanntesten Bergstraßen Rumäniens -- Transfăgărașan und Transalpina -- reizten mich als notorischen Pässefahrer. Sozusagen als "Anfahrt" bot sich der Donauradweg zwischen Wien und Budapest an -- die Strecke bis Wien war ich vor vielen Jahren schon mal gefahren --, sowie eine Durchquerung der pannonischen Tiefebene zwischen Budapest und Szeged.
Planung und Vorbereitung:
Das Ganze sollte eine zwei- bis dreiwöchige Radtour werden, und damit meine erste mehrwöchige Radtour und zudem meine erste Radtour in Länder, deren Sprachen ich so gut wie nicht beherrsche.
Die Routenplanung blieb relativ grob und beschränkte sich auf die größeren Städte und eine grobe Zeitplanung: Wien (Start), Bratislava (nach einem Tag, plus ein Tag zur Stadtbesichtigung), Budapest, (nach 4 Tagen, plus ein Tag Stadtbesichtigung) Szeged (nach ca. 7-8 Tagen), Timișoara (nach ca. 8-9 Tagen, plus ein Tag Stadtbesichtigung) und Sibiu (nach ca. 13-17 Tagen, abhängig von den gefahrenen Karpatenpässen, plus ein Tag Stadtbesichtigung). Zurückgehen sollte es mit dem Zug.
Übernachten wollte ich sowohl im Zelt (in den ländlicheren Gegenden) als auch in Pensionen oder einfachen Hotels (in den Städten). Daher wurden neben den Backrollern und der Lenkertasche auch noch eine Packrolle mit der Zeltausrüstung voll.
Das will alles mit, Teil I
Das will alles mit, Teil II (im Nachhinein viel mehr als nötig)
Der Lastenesel
Karten:
- Ungarn: Länderkarte 1:300 000 und die Karten des Donauradwegs zwischen Budapest und Schwarzem Meer (1:100 000)
- Rumänien: Länderkarte des world mapping project 1:600 000
Als Training diente vor allem eine viertägige Pässefahrt durch Vorarlberg und Tirol -- die Silvrettastraße, die Kaunertaler Gletscherstraße, das Inntal und der Buchensattel boten sowohl Strecke als auch jede Menge Höhenmeter.
Dienstag, 5.10.2010
Anreise nach Wien & Donau-Auen
6:15 -- zwei unbarmherzige Wecker reißen mich aus dem Schlaf, das Packen und Recherchieren von letzten Informationen am Vorabend zog sich bis in die Nacht. Der einsetzende leichte Regen überraschte mich, hatte ich doch nur den Wetterbericht für Wien und Bratislava abgerufen, nicht aber den für München...

Ungeduldig warte ich an jeder roten Ampel auf der Fahrt zum Münchner Hauptbahnhof.
Die Zugfahrt nach Wien über Salzburg nütze ich zum Schlafen und zum Lernen einiger slowakischer Worte. Es ist wolkenverhangen, die Landschaft kaum zu sehen.
Am frühen Nachmittag erreiche ich Wien, der Regen hat aufgehört. Ohne einen Stadtplan scheitert mein Versuch, vom Westbahnhof an den Donaukanal zu gelangen. Erst als ich einen Kompass zu Hilfe nehme, gelingt es, die Richtung zu halten.


Leichter Nieselregen setzt ein, und ein kräftiger Wind von Osten erschwert das Vorankommen am Donauufer aus dem Stadtgebiet heraus. Als wäre das nicht genug, zwingt mich eine Umleitung wegen Deichausbesserungsarbeiten zu Extrakilometern. In Groß-Enzersdorf angekommen, entscheide ich für die verkehrsreiche, aber direktere Bundesstraße 3, und damit gegen die unbefestigten Waldwege zurück zu den Donauauen.
Der Gegenwind und von vorne kommender Regen lassen mich nur langsam weiterfahren und nagen an der Motivation. Irgendwann erkenne ich, dass das Tagesziel Bratislava unter diesen Bedingungen unrealistisch ist, und nehme ein Zimmer in Orth an der Donau.
Tagesdistanz: 55 km
Mittwoch, 6.10.2010
Bratislava & Slowakei
Der neue Tag präsentiert sich genauso windig und feucht wie der vergangene. Tiefe Wolken hüllen die Hügelketten ein. Egal, ändern kann ich das Wetter nicht, also hilft nur weiterfahren.
Die Ortsbilder der Dörfer hinter Wien werden recht schnell ländlich, und die Häuser älter, weisen aber teils sehr schöne und individuelle Fenstergestaltungen auf.
Immer noch in Österreich
Bei Hainburg sehe ich zum ersten Mal die Ausläufer der Karpaten. Das "andere Ende" dieses Gebirges möchte ich erreichen...
Am Grenzübergang in die Slowakei begegne ich einem Radfahrer aus Basel, der den Donauradweg ab der Donauquelle gefahren ist (ca. 1000 km bis hierher) und heute zum Abschluss seiner 10-tägigen Tour noch Győr erreichen möchte. Allgemein sehe ich nur sehr selten andere Reiseradler entlang der Donau, die Saison ist eindeutig zu Ende.
Am späten Vormittag quere ich die Donau über die Brücke Nový Most und erreiche das Zentrum von Bratislava. Ein Stadtplan ist schnell organisiert, und ich schiebe die Frage, ob ich hier übernachten soll, vor mir her, indem ich erst mal die Sehenswürdigkeiten der Stadt besuche: Martinsdom, Burg, Altes Rathaus etc.
Beim Mittagessen entdecke ich auf der deutschen Ausgabe der Speisekarte das Gericht "Gemischter Salat mit gebratenem Hermelin". Seltsame Küche, denke ich mir, was Tierschützer dazu wohl sagen würden? Erst der Blick in die englische Übersetzung klärt auf, anscheinend handelt es sich bei Hermelin um einen Käse...
Es ist Nachmittag, alle wesentlichen Sehenswürdigkeiten im Stadtzentrum sind hinreichend intensiv angeschaut, also verlasse ich die Stadt und folge der Donau auf der südlichen Uferseite. Der Donauradweg führt hier auf der Deichkrone entlang -- zügig zu befahren, aber landschaftlich etwas eintönig.
Ich habe schon einen möglichen Übernachtungsplatz ausfindig gemacht -- unter dem überdachten Vorplatz eines kleinen, nicht mehr betriebenen Kiosks nahe des Radwegs -- und überlege nun mit der Straßenkarte, ob sich Weiterfahren noch lohnen würde, als ein slowakischer Radfahrer neben mir anhält. Er scheint meine Gedanken zu kennen, denn er gibt mir den Tipp, noch einige Kilometer weiter ins Grenzdorf zu fahren, dort gebe es freie Zimmer. Als ich mich dankend verabschiede, kehrt er ebenfalls um. Offensichtlich war er extra wegen mir umgedreht, um mir Hilfe bei der Suche anzubieten.
In Čunovo finde ich ein günstiges Zimmer, eigentlich ist es ein Apartment. Nachdem ich eine Sippe Stechmücken ins Jenseits befördere, koche ich eines der mitgenommenen Fertiggerichte.
Bisher hat die Kommunikation auf deutsch und gelegentlich auf Englisch sehr gut funktioniert, aber wie würde es ab morgen in Ungarn werden?
Tagesdistanz: 67 km, Fahrzeit: 3:42 h
Donnerstag, 7.10.2010
Győr & der Nordwesten Ungarns
Der Sonnenschein am morgen und die vor mir liegende Strecke abseits der Metropolen versprechen einen schönen Tag.
Über eine Nebenstraße erreiche ich nach wenigen Kilometern Ungarn.
Gleich nach der Grenze stoße ich auf die Beschilderung des EuroVelo-6-Radwegs, der sich in Ungarn etwa am rechtsseitigen Donauufer orientiert. Ich folge den kleinen grünen und gelben Schildern des EV6 und freue mich, den Weg nicht selbst suchen zu müssen...
Der Weg ist meist gut beschildert und wählt verkehrsarme Strecken, die keine zu großen Umwege bedeuten.
Aber nur meist. In Hegyeshalom finde ich keine Schilder mehr. Schlechte Beschilderung, oder habe ich etwas übersehen und bin falsch gefahren? Umkehren möchte ich nicht, also weiter mit der Landkarte. Bis zur Bundesstraße 1 ist es einfach. Diese hat sogar einen Radweg, ich wähne mich also auf der richtigen Route. Dann, ohne jede Vorwarnung, endet der Radweg zwischen zwei Ortschaften. Die Bundesstraße wartet mit einem "Fahrräder, Traktoren und Pferdegespanne verboten"-Schild auf, andere Wege gibt es aber nicht. Wie kann man so einen Radweg planen??
Bis nach Mosonmagyaróvár sind es nur 6 Kilometer, also "übersehe" ich das Verkehrsschild und wähle die Bundesstraße. Der LKW-Verkehr ist zwar nicht angenehm, aber es geht, und einige einheimische Radfahrer auf der Straße zeigen mir, dass das Radfahrverbot anscheinend nicht so eng gesehen wird.
In Mosonmagyaróvár treffe ich wieder auf die EV6-Beschilderung. Über Nebenstraßen geht es weiter auf der Kleinen Schüttinsel bis Győr, das ich mittags erreiche. Entlang des Weges sind etliche Schautafeln aufgestellt, die von der Geschichte dieser Region berichten, etwa vom früheren Verlauf des Flusses oder von den Donaumühlen, die jeden Winter aus dem Fluss entfernt werden mussten.
In einem der Restaurants am Hauptplatz von Győr gönne ich mir ein Mittagessen. Das bestellte Gulasch ist mit einer kleinen orangen Schote garniert, die mich sofort an eine Habanero erinnert. Aber ein von Touristen häufig besuchtes Restaurant, denke ich mir, wird wohl kaum eine der schärfsten Chilisorten servieren, das gäbe zu viele Beschwerden. Außerdem ist Ungarn für seine Paprikas, weniger für seine Chilis bekannt. Völlig überzeugt von diesen Argumenten schneide ich ein größeres Stück der Schote ab.
Das Flammenmeer in meinem Mund zeigt mir den Irrtum... Nachdem der erste Schock überwunden ist, bestätigt der zweite Geschmackstest das typische Aroma der Habaneros. Als Chili-Liebhaber lasse ich es mir nicht nehmen, den Rest der Chilischote (in kleineren Stückchen) zu genießen. Unbeantwortet bleibt die Frage, ob derartige Schärfe in Ungarn normal ist, oder ob ich der einzige bin, der die Garnitur mitisst...
Nach einem Blick in die Jesuitenkirche von Győr geht's weiter entlang des EV6, zunächst durch das Industriegebiet der Stadt, später über die erste nicht-asphaltierte, pfützen- und schlaglochübersäte Straße durch ein eher ärmliches Straßendorf.
Hinter den Zäunen bellen mich Hofhunde an. Über Szőlőhegy komme ich zurück auf eine asphaltierte Straße, weiter geht es Richtung Nagyszentjános. Auf dem Weg durchquere ich einen Windpark -- heute weht nur ein mäßiger Gegenwind.
Vor dem Ortseingang ein Wegweiser des EV6, rechts abzubiegen. Doch die Straße rechts endet nach wenigen Metern an einem Friedhofseingang! Karte rausgeholt -- das Schild hat recht, hier muss eine Straße langführen, parallel zur Bahnlinie nach Ács. Führt vielleicht auf der anderen Seite des Friedhofs eine Straße weiter? Leider nicht, stelle ich beim Durchqueren des Friedhofs (zu Fuß) fest. Bin ich zu früh oder zu spät abgebogen? Zweimal fahre ich durch die verschlafene Ortschaft, teste per Tiefensuche im Straßennetzwerk jede Abzweigung nach rechts, um doch immer wieder in Sackgassen oder kleinen Feldwegen zu enden.
Ich werde leicht nervös. Es ist nicht mehr lange zur Abenddämmerung, ich bin mitten in der "Prärie", und mein Tagesziel ist nach dem Umweg am Vormittag und der Suchaktion in weiter Ferne.
Nochmal zurück zum Wegweiser, der diese Suchaktion ausgelöst hat. Kurz vor dem Ende der Straße am Friedhof fällt mir ein bisher nicht als möglicher Weg wahrgenommener Feldweg auf. Die großen Pfützen und der Schlamm haben mich nicht daran denken lassen, dass dies die gesuchte "Nebenstraße" sein könnte. Sollte das mein Weg sein? Mangels alternativer Ideen versuche ich es. Nach 30 Metern bleiben meine Reifen im Schlamm stecken. Zu Fuß erkunde ich den Weg noch etwas weiter. "Unpassierbar", ist meine Einschätzung.

Sind das die Verkehrswege des EV6, "die für Fahrradtouristen noch am ehesten akzeptabel sind"??
(Der schlammige Feldweg wäre tatsächlich richtig gewesen, zeigen Luftbilder im Internet später.)
Was tun? Alternative Routen würden mich entweder auf die vielbefahrene Bundesstraße 1 zurückbringen, oder ordentlich Extrakilometer bedeuten.
Vorerst drängt sich aber die Frage nach einer Übernachtungsmöglichkeit auf. Touristisch gibt es in Nagyszentjános gar nichts, also suche ich nach einem geeigneten Platz zum Zelten, und werde in einem kleinen Stück Nutzwald fündig. Ich bin froh, das Zelt mitgenommen zu haben. Zu Essen gibt es Schokolade und Wasser.
Wie lange werde ich morgen brauchen, diese "Straße" zu umfahren? Ist das nur der Vorgeschmack auf das, was kommen wird? Diese Gedanken begleiten mich, bis mich nach den Anstrengungen des Tages der Schlaf einholt.
117 km, 5:57 h
Kommentar