[NL] Mit dem Rad durch Hollands Norden: Gegenwind, Plattfuß, kein Kaffee.

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    [NL] Mit dem Rad durch Hollands Norden: Gegenwind, Plattfuß, kein Kaffee.

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    Start war in Leer. Leer deshalb, weil es gut mit dem Zug erreichbar ist und man von dort noch einigermaßen über die Ems-Mündung hinüber kommt nach Holland. Die Idee war, einfach eine große Runde zu drehen: hinauf an die Küste in Holland, dann oberhalb von Groningen an der Küste entlang bis zum Abschlussdamm A7 des Ijsselmeeres. Dort hinüber und nach Süden die holländische Küste hinab bis etwa Höhe Amsterdam. Dort dann abbiegen nach Osten und zurück radeln nach Deutschland durch Mittelholland. Also auf der Landkarte etwa ein großes C.

    Ich hatte ein normales Tourenrad, ein normales Zelt (Nature-Hike) und normales Gepäck, kein Rennrad, keine A*****-Rakete, nicht Gravel. Da ich eine Woche Zeit hatte, kam mir die Runde realistisch vor, zudem man auch ab Amsterdam wieder recht problemlos mit dem Zug zurück könnte nach Deutschland, falls alle Stricke reißen.

    Vermutlich waren viele hier aus dem Forum bereits mal in Holland. Auch wir waren zuvor mehr als ein dutzend Mal dort, mit den Kindern am Wasser, Ferienhaus, Vorstellungen von „Friet Groot Speciaaaal“, Kibbelinge mit Knooofloch-Saus und guten Radwegen. Und dennoch gab es einige Dinge, die mich am Ende überraschten.
    Die Tour fand Anfang Mai 2025 statt, diese Reisezeit war sehr gut. Insgesamt waren es dann an 8 Tagen rund 650 Kilometer.
    Zur Orientierung nahm ich (wie auch für alle Wanderungen) eine App auf dem Handy: „Russian Topo Maps“. Eventuell aufgrund des Namens ist die App sehr preiswert (etwa 15 Euro einmalig und man kann weltweit beliebig Karten für den Offline-Betrieb herunter laden, Radwege, Wanderwege, Reitwege, Autokarten. Die Karten beruhen weitgehend auf OSM (und man kann sich auch mal die russischen Militärkarten anschauen für seine Heimat. Daher der Name). Man kann auch gpx-files integrieren. Es gibt auch eine Umsonst-Version, für die man dann eben Mobilempfang haben muss. Ich kann diese App definitiv empfehlen.

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    #2
    Leer bis östlich Groningen

    Bis zehn Minuten vor Leer war alles in Ordnung. Ich hatte mich schon erhoben, das Rad aus der Halterung gehoben, den Helm auf. Dann Bremsung des Zuges, Stillstand und die Durchsage, dass ein Lastwagen auf der Strecke parkte und daher „auch noch einige Züge vor uns“ auf die Weiterfahrt warten, die in „unbestimmter Zeit“ erfolgen würde. Wie mich die Familie sofort auf dem Handy tröstete: Die Anreise mit dem Zug ist eigentlich immer das größte Abenteuer jeder Reise.

    Irgendwann dann doch Leer. Offenbar eine hübsche Stadt, doch für mich ging es sofort nach der Innenstadt zur Ems hinüber, diese queren und auf dem D1 Richtung Westen nach Holland. Der Ort Weener hat einen hübschen Hafen, der eine erste Pause belohnt.

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    Ohne Grenzschild oder Hinweise radelt man in eine kleine Enklave, Bad Nieuweschanz, wo es erfreulich einen Supermarkt gibt, der in einem Imbiss auch Kaffee verkauft. Ich war ungefähr 200 Meter hinter der Grenze, aber der junge Spund hinter der Theke blieb beharrlich bei seinem Holländisch, so dass ich dann ins Englische wechselte, was ich für die nächsten 8 Tage auch beibehielt. Der Kaffee war nicht mal besonders gut, ein ewiges Thema auf dieser Tour.

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    Der Wind wehte kräftig aus Nord. Am Vortag hatte es einen Wetterwechsel gegeben, die Temperaturen sanken nochmals deutlich und der Wind wehte fortan und auch die nächsten Tage aus Nord.
    Ich musste nach Norden.

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    Nach Erfahrungen mit früheren Küstentouren lohnt es allerdings nicht, die Richtung einer Reise nach der vorherrschenden oder gar vorhergesagten Windrichtung zu planen. Zumindest bei mir drehte der Wind immer einen Tag vor dem Start. Ich weiß, wann ich verloren habe und nahm nicht den geplanten D1 dicht an der Küste, sondern schlich mich auf kleinen Radwegen durchs Binnenland, immer auf der Suche nach etwas Windschutz.

    In ganz Holland werden die Radwege durch Knotenpunkte dargestellt, die zweistellige Nummer haben. Eigentlich kann man sich einfach die Abfolge der Nummern merken und dann dieser Abfolge nachfahren. Die Ausschilderung ist gut, die Nummern meist gut zu finden. Ein feines System.

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    Ich fuhr 26, 25, 18, 15, 14, 12, 10, 07, 60, 18 (ein anderes 18 als zu Beginn), dann noch 73, 69, 70 und das war mein Tag. Ich war in Siddeburen angekommen, wo es einen ganz kleinen Mini-Camping gibt, sehr empfehlenswert. Alles sehr individuell und freundlich. Die Kosten liegen bei rund 10 bis 12 Euro pro Nacht, auch auf den folgenden Mini-Campings. Überall schöner grüner Rasen, eben und okay mit den Heringen. Was will man mehr?

    Man will noch ein Steckdose. Überall gab es Steckdosen für die Rasierer, aber auf einigen Campings war es verboten, dort ein Handy oder eine Powerbank zu laden (Brandgefahr), und an einigen Campings will man sein Handy auch nicht stundenlang unbewacht liegen lassen. Mein Trick war dann, an den letzten Stunden des Radelns das Handy bereits wieder voll zu laden und nur die Powerbank in den Toiletten zu laden. Der Verlust einer Powerbank ist eher verschmerzbar. Einmal habe ich auch einfach die Leute im Wohnwagen nebenan angesprochen, die hatten natürlich Strom gebucht und haben gerne geladen und auch einen Plausch gehalten.
    Ich war am ersten Abend richtig fertig von dem kräftigen Gegenwind. Holland hat dort östlich und nördlich von Groningen weite offene Flächen, auf denen der Wind richtig auffrischen kann. Und ich war überrascht, wie viele Kanäle oder auch Grachten es hier überall gab, teilweise komplette Binnenhäfen mit Segelbooten, Ferienanlagen. Alles flott, modern. Hier wird investiert und in die Zukunft geschaut. Durchaus lohnenswert, auch diese weiten Flächen zu durchradeln.

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    Ich lag im Zelt und dachte, dass ich selten einen insgesamt doch so unkomplizierten Start in einen Urlaub hatte, Bahn und Gegenwind hin oder her. Es war nicht der aufregendste Tag meines Lebens in der aufregendsten Gegend der Welt. Aber es war okay.

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      #3
      Östlich Groningen bis nördlich Dokkum

      Morgens mit frischer Kraft wieder gegen den Wind. Eigentlich hatte ich geplant, auf den Fernradweg EV-12 zu gelangen, der dann nahe an der Küste entlang führt. Angesichts des Windes schminkte ich mir das ab. Dieser hatte sogar nochmals aufgefrischt und die Pappeln bogen sich rauschend im Wind.

      Stattdessen hangelte ich mich wieder quer durch das Binnenland, kreuzte von einem Knotenpunkt zum nächsten. Irgendwie wollte ich schon noch mal einen Blick aufs Meer werfen können, aber Minute für Minute nur gegen diesen Wind ankämpfen würde ich auf meinem Rad mit meinem Gepäck nicht lange aushalten.
      Und ich habe es nicht bereut. Die kleinen Orte dort sind fein anzusehen, bieten nette Winkel und immer wieder fährt man an kleinen Wäldchen oder Scheunen vorbei, die zumindest mal für ein paar Minuten Schutz bieten. Die Temperaturen sanken auch nochmals deutlich und es gab nicht wenige Holländer, die mit Handschuhen unterwegs waren.

      Von Siddeburen fuhr ich zunächst nach Steendam. Da musste doch ein Kaffee zu bekommen sein! War aber nicht, ein futuristisches Lokal, aber kein Kaffee.

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      Dann eben weiter nach Appingedam, was auf der Karte vergleichsweise riesig aussah. Aber an einem Sonntagmorgen war da nichts los. Völlig ausgestorbene Fußgängerzone, durch ich einsam hindurch radelte.

      Ich stellte fest, dass Holland keine Bäckereien hat. Niemand kauft offenbar morgens Brötchen in Bäckereien, denn es gibt keine Bäckereien. Daher gibt es auch keinen „Kaffee, groß“ in Bäckereien. Und es gibt auch keine Tankstellen, an denen man dann eben seinen Kaffee kaufen kann. Denn die Supermärkte haben (meist) auch sonntags geöffnet, so dass Tankstellen häufig nur noch „express“ sind, also ohne jedes Häuschen, alles mit Karte.

      Nach Appingedam hinein fährt man auf einer großen Einfallstraße und links sieht man dann ein gewaltiges Einkaufszentrum, geöffnet am Sonntag! Mein Glücksgriff, dachte ich, doch in dem Zentrum gab es zwar einen Supermarkt, doch der verkauft keinen frischen Kaffee. Auch ein Brotshop (nennen wir ihn mal so) verkaufte keinen Kaffee. Der junge Mann dort musste beinahe lachen, als ich ihn das fragte. Offenbar war ich nicht der erste deutsche Radfahrer, der ihn das fragte.

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      Das wurde langsam bitter und hart. Ich radelte weiter. Es gibt immer wieder kleine Seen oder Baggerlöcher und dort sind wirklich viele schöne Häuser und auch Bootsstege. Alle Cafés sind weiterhin geschlossen. Um 11 Uhr bin ich in Middelstum, wo es ein Bäckereimuseum gibt (welche Ironie), und das hat nicht nur geöffnet, sondern bietet auch Kaffee und Kuchen an, wo ich aus Sicherheitsgründen auch um 11 Uhr schon beides nahm. Was man hat, das hat man.

      Außerdem erfahre ich dort, dass heute (Sonntag) und morgen (Montag) Feiertag ist, liberation day, mit dem die Befreiung der Niederlande von der deutschen Besatzung im Jahr 1945 gedacht (oder besser: gefeiert) wird. Dazu wird um 20 Uhr mit Schweigeminuten gedacht, die Kirchenglocken läuten und danach wird die Nationalhymne gespielt. Gut zu wissen, wenn man ausgerechnet als Deutscher unterwegs ist. Die Dame im Bäckereimuseum versuchte mir zwar meine Sorge zu nehmen, als ich dann aber in den Ortschaften die Vorbereitungen sah (überall Bänke aufgestellt, Tribünen, Lautsprecherboxen, den ganzen Tag liefen Militärfilme auf riesigen öffentlichen Leinwänden) wurde mir doch etwas mulmig.

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      Außerhalb der Ortschaften aber Ruhe. Der Wind stetig aus Nord, und ich war immer froh, wenn ein Wald oder eine kleine Ortschaft in Sicht kam, da das sehr guten Windschatten gab. Irgendwann fand ich sogar einen weiteren geöffneten Supermarkt und kaufte etwas für den morgigen Feiertag ein. Aber insgesamt wirklich wenig los in den Ortschaften. An Winsum erinnere ich mich. Netter Ort.

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      Irgendwann entwickelte ich einen gewissen Ehrgeiz, den Damm an der Küste bei Lauwersoog zu queren, um mich endlich mal gegen den Wind bis ans Meer hinauf zu schwingen. Ich schaffte es auch, aber sehenswert war es nicht. Die Anfahrt zum Damm sehr breit, viel aufgeschüttete Dämme. Landschaftlich also nicht unbedingt ein Gewinn, aber man kann das Meer sehen, den kleinen Hafen, aus dem auch die Fähren nach Schiermonnikoog abgehen.

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      Ich suchte nach dem nächsten Camping, der in Moarre zu sein schien. Richtig Rückenwind nun, da ich wieder ein Stück nach Süden fuhr. Wie schön kann Radfahren sein, aufrecht, im höchsten Gang, lächelnd.

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      Aber ich fand den Camping nicht. Meine App ist wirklich sehr genau, aber der Feldweg dort führte einfach an einem Haus vorbei und es stand keinerlei Schild, dass es zu einem Camping gehen sollte. Ich radelte dennoch hinein, landete in einem Bauernhof mit hunderten Schafen und einem kleinen handgemalten Schild „Reception“. Okay, schien ein Geheimtipp zu sein. Der Bauer sagte mir dann (auf englisch), dass ich einfach rein gehen solle ins Haus, seine Frau müsste da sein.

      Das war sie auch, sehr freundlich. Irgendwie Werbung oder Schilder für den Mini-Camping schienen ihr überflüssig zu sein. So war ich denn auch der einzige Gast. Tolle Wiese, tolle Dusche, sogar beheizte Waschräume. Aber bitte nicht die Steckdose nutzen, die Versicherung verbietet das. Okay, machte ich dann auch nicht.

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        #4
        Nördlich Dokkum bis hinter den Abschlussdeich Ijsselmeer

        Wieder eine absolut ruhige Nacht ohne Geschrei, ohne Motoren. Morgens legten die Schafe los, aber das hört man ja gerne.

        Ich war es etwas leid, mich von Zahl zu Zahl zu hangeln (die ich im Kopf auch immer wieder vergaß, war nun 72 die nächste Zahl oder 74, und ein Blatt Papier wollte ich mir nicht an den Lenker heften (würde ich nächstes Mal sogar tun).

        Ich fuhr einfach zwischen den „großen“ Orten weiter, also Dokkum, Leeuwarden, und dann Franeker. Das war wesentlich der Weg mit der Ausschilderung ELF, offenbar eine Rundstrecke. Hübscher Weg, vermutlich nicht schlechter als jede andere Strecke. Immer mal ganz schmale Wege, kleine Radbrücken, über die man schieben musste, kleine Kanäle mit kuscheligen Häusern. Putzig alles.

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        Und keine Toiletten. Ich hatte schon vorher festgestellt, dass es in Holland keine öffentlichen Toiletten gibt. Offenbar haben Holländerinnen und Holländer irgendwann mal beschlossen, dass sie morgens auf Toilette gehen und dann wieder abends, wenn sie zuhause sind. Bewundernswerte Kondition. Mir fehlte allerdings noch das Training und so hielt ich ständig Ausschau nach Cafés, Tankstellen oder anderen Möglichkeiten. Und die sind rar gesät, wie bereits erwähnt.

        Ich fand dann ein Restaurant, das Frühstücksbuffet anbot und daher geöffnet hatte um 10 Uhr morgens. Die Bedienung saß draußen im Windschatten in der Sonne und machte mir dann einen Kaffee. Aber was für kleine Tassen. Die bringen einen nicht über den Tag.

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        Holland und Kaffee sind zwei Begriffe, die nicht zueinander finden. Wer jemals in Finnland sein Geld für den Mittagslunch bei Neste ausgegeben hat, der weiß, wo der Benchmark auch für Kaffeegenuss liegt. (Es sei mir eine Anekdote erlaubt: Als ich in Litauen im Winter aus dem Auto stieg, hielt neben mir ein verbeulter, staubiger Wagen aus Finnland, eine Frau im Leopardenmantel auf dem Beifahrersitz, rauchend. Ihre Tür schwang auf, und bevor sie aussteigen konnte, musste sie erstmal eine 10-Liter-Kanne Kaffee vom Schoß hinaus auf den Erdboden wuchten. So gelingt eine gute Autoreise.)

        Okay, diese wehmütigen Gedanken macht man sich, wenn man stundenlang durch Holland radelt. Da passiert nicht so viel. Man sieht sehr viel Wohlstand, alles akkurat, alles aufgeräumt, gepflegt. Da sind viel kleine Örtchen, die alle einen Blick lohnen, kleine Kanäle, in denen Segelboote und Kutter vor sich hin dümpeln, nette Gärten, alles sehr fein und voller Fotomotive. Ich kenne den Weg entlang der Küste nicht, aber der Weg durchs Binnenland auf jeden Fall sehr empfehlenswert.

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ID: 3327238

        Hinter Leuwaarden (große Leinwände, wummernde Musik, Feierstimmung. Der liberation day lief zur Form auf) gab es etwas Hafen- und Industriegebiet, aber bald war ich wieder allein zwischen Kühen und Wiesen. In Franeker dann allerdings doch eine etwas gewöhnungsbedürftige Begegnung. Wie schon in anderen kleinen Orten kurvten überall alte Militärfahrzeuge herum, die Beteiligten oftmals ebenfalls in Uniform, auch junge Menschen. In Franeker kulminierte das dann zu einem gewaltigen Korso, der minutenlang alles an Schwimmpanzern, Jeeps und Militär-LKW aufbot, was noch in den Garagen stand. Auch das reguläre Militär war vor Ort mit Schützenpanzern und Pontonbrücken. Militärparaden mit schmissiger Musik. Jedes Land hat seine Art und Weise mit dem Krieg und dem Ende des Krieges umzugehen und wir aus Deutschland sollten in Holland sicherlich nicht den Zeigefinger heben. Doch das Spektakel war zumindest etwas gewöhnungsbedürftig.

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        Später hatte ich auch eine Diskussion mit einem Holländer, sehr nett, sehr höflich, sehr reflektiert, und auch er fand die Schützenpanzer etwas übertrieben und wir waren beide der Meinung, dass man vielleicht nicht mit viel Militär das feiern sollte, was vor 80 Jahren war, sondern eventuell eine Vision entwerfen, wie das Drama für die nächsten 80 Jahre verhindert werden kann. Ich war zumindest überrascht, wie die Gegnerschaft zu Deutschland auch unter jungen Leuten lebendig gehalten wurde. Ich will hier keine politische Bildungsdebatte eröffnen, aber man bekommt definitiv etwas zum Nachdenken auf diesen endlosen Kilometern zwischen Kanälen und Kühen.

        Vor Harlingen nutze ich dann den guten alten Mäckes für den Toilettengang (und einen neuen Kaffee. Interessante gelbe Mehrwegbecher, wenn man nicht To-Go wählt) und kurvte dann hinauf auf den Damm, um in Richtung des Abschlussdammes Ijsselmeer zu kommen.

        Letzte Stärkung in einer Bude auf dem Deich: Sollte ich den Deich heute noch wagen? Das sah ja nun doch ziemlich imposant aus, wie sich das als dünne Linie durchs Meer legt. Aber der Blick auf die Uhr (15 Uhr) und ausschlaggebend dann der immer noch vorherrschende Nordwind (also Rückenwind auf dem Damm!) gaben den Ausschlag: Ich wollte das große Abenteuer wagen, und noch hinüber fahren nach Den Oever, hinaus aufs Meer.

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        Das war mal flottes Fahren. Mit Rückenwind im höchsten Gang. Schneller und einfacher konnte Radfahren nicht sein. Hinter Zurich, am Beginn des eigentlichen Dammes (Knoten 31) sah ich dann aus dem Augenwinkel im letzten Moment ein Schild: Fietsenbus. Wie jetzt?

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ID: 3327242

        Ich kehrte um und auch mit meinem nicht vorhandenen Holländisch konnte ich erahnen, dass da ein Bus über den Deich fährt, der offenbar die Fahrräder mitnimmt. Ich folgte den Schildern und an einer Bushaltestelle lag die Busfahrerin schon im Gras und auf ihrem Gefährt stand sehr groß ebenfalls: Fietsenbus. Ein anderer, holländischer Radler war bereits dort und er erklärte mir, dass der Damm für Radfahrer gesperrt sei. Die Busfahrerin sagte später auf Holländisch etwas dazu, was mir nicht ganz klar wurde, aber es kann sein, dass das Queren in einer Richtung auch erlaubt sei. Keine Ahnung, auf jeden Fall nahm jeder den Fietsenbus. Der fährt etwa alle 90 Minuten und ist umsonst.

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        Wir waren letztendlich zu viert, noch ein älteres holländisches Paar, und der drahtige Holländer hatte zwar Mühe, sein Rad in den Bus zu heben, aber er antwortete recht unwirsch auf meine Vermutung, dass man sicherlich 2 Stunden über den Damm radeln würde: Unsinn, maximal 45 Minuten!

        Der Bus ist ein üblicher Nahverkehrsbus. Beim Einsteigen spürte ich, dass mein Hinterrad Luft verlor. Das wäre nun mal richtig dumm gewesen, mitten auf dem Damm einen Platten. Ich verbrachte die Busfahrt mit Pumpen und hoffte, es noch bis zum nächsten Camping zu schaffen, um in Ruhe reparieren zu können.
        Der Bus hält auf der anderen Seite des Dammes wieder an einer größeren Busstation (nicht weit von Punkt 66), dort ein wartender Langstreckenradler mit Gepäck, der völlig fertig aussah vom Gegenwind. Er war mehr als dankbar für die Bustour über den Damm.

        Ich kurbelte dann recht flott über die kleine Insel, die keine Insel mehr ist, musste zwei Mal nachpumpen und kam an einen Camping hinter Westerland, mein erster „richtiger“ Camping.

        Den Abend verbrachte ich mit dem Flicken des Reifens, was sofort magnetisch auf alle anwesenden älteren Männer wirkte. Ich wurde wirklich gut versorgt mit Tipps, in allen Sprachen. Am hilfreichsten sicher der Hinweis eines kurzsichtigen Rentners, der sich über meinen Schlauch beugte, um zu checken, ob ich das Loch im wassergefüllten Waschbecken auch richtig markiert hatte. Sein Sohn hätte einen Bike-Shop, merkte er an, und „das komplette Flicken dauert bei ihm dreieinhalb Minuten.“ Danke auch für diesen Hinweis.

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ID: 3327245

        Ich hatte bereits festgestellt, dass das Land um mich herum „altes Land“ war, und der Blick hinab fiel auf „neues Land“. Altes Land ist normal (also wie bei uns) und neues Land ist flach, bretteben und tief. Eine aus meiner Sicht naheliegende Frage an die hilfsbereiten Holländer war, wie sie damit umgehen, dass dort unten in 100 Jahren alles evtl. zwei Meter unter Wasser stehen kann. Nicht sehr einfühlsam oder auch höflich die Frage, hat mich aber interessiert. Die Holländer allerdings nicht. Sie lachten nur. Erstens, sagten sie, seien sie in hundert Jahren tot. Und zweitens kann Holland mit Wasser umgehen. Offenbar viel „Das wird schon werden“ in Holland, sowohl beim Verarbeiten des Zweiten WK als auch beim Umgang mit der Erderwärmung.
        Ich habe auf dem Camping zumindest gut geschlafen, sicherheitshalber oben am Hang.

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          #5
          Die Westküste hinab bis Haarlem

          Die Nacht war durchaus frisch und morgens zeigte sich der Himmel sehr stark bewölkt. Die Nachbarn am Camping haben Mitleid und bieten mir spontan einen ersten Filterkaffee an. Die Reise wird immer besser.

          Zum Glück hat sich der Wind nicht gedreht, denn heute fahre ich den ganzen Tag straight nach Süden, die Dünenküste entlang bis etwa Höhe Amsterdam. Zuerst aber fahre ich zu einem Fahrradshop in einem winzigen Ort. Die Shops sind überraschend groß und sehr gut ausgerüstet. Meine Bitte um Luftdruckprüfung auf dem reparierten Hinterrad wird sofort nachgekommen und ein kurzer Plausch bringt mir die Information, dass Holländer „zu 90% nur noch E-Bikes kaufen“, insbesondere auch junge Leute. Anders als in Deutschland aber, wo laut Händler viel MTB und Gravelbikes verkauft würden, seien es in Holland normale Touren- oder City-Bikes (bzw. richtige Rennräder für die Freizeitsportler).

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          Auf der Route kann ich den Eindruck bestätigen. Auch Holländer sind es leid, gegen den Wind anzustrampeln und haben unter dem Gepäckträger oft einen Akku festgeschnallt. Die zahlreichen Rennradfahrer sind sowieso aus einem anderen Holz geschnitzt. Aber ich sehe weit weniger Fernradfahrer mit Gepäck auf dem Küstenweg, als ich erwartet hatte, vielleicht einen oder zwei am Tag.

          Es geht weiter nach Süden, immer auf dem Küstenradweg. Bei Julianadorp, einer recht ausufernden Feriensiedlung, trifft man auf die Küste (wenn man nicht noch den Bogen über Den Helder mitnehmen möchte) und es geht mal durch die Dünen, dann parallel zur Straße. Eine wirklich abwechslungsreiche Strecke. Durch den Rückenwind geht es flott voran, allerdings ziehen sich die Wolken rasch zu und es beginnt sehr dicht zu nieseln, so dass ich Regenzeug herausholen muss. Zudem hat es etwa 6 Grad, was das Ganze dann etwas ungemütlich werden lässt.

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          Da es immer wieder durch Dünenlandschaft geht, gibt es auch kurze, durchaus knackige Steigungen von 10% und mehr, die ich schiebend bewältige, auch mal eine nette Abwechslung. Auf einer langen Geraden entlang der Autostraße fängt es dann richtig an zu regnen, aber die Rettung taucht am Horizont auf: Bei Strandslag Camperdiun steht eine klassische Frituur am Kreisverkehr und ich kann die Schauer bei der ersten Grote friet met saus special samt Cola abwettern.

          Anschließend führt der Weg mal ins Landesinnere, dann wieder in eine offene Dünenlandschaft, an kleinen Seen vorbei, dann durch dichten Wald. Sehr nett, alles gut asphaltiert (also anders als bspw. in Dänemark, wo der Küstenradweg durchaus mal dutzende Kilometer aus tiefem Schotter besteht).

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          Das Wetter wird auch besser und man radelt vor sich hin. Eine Menge Vogelbeobachter sind unterwegs. Und zu meiner Überraschung auch viele Wanderer mit richtig großen Rucksäcken. Auch Tageswanderer haben in Holland grundsätzlich alpine Wanderschuhe an, Meindl Borneo und aufwärts, was etwas überrascht angesichts der Wege und Herausforderungen.

          Kaffee gibt es keinen auf der Strecke. Hinter Egmond an deen Hoef sichte ich eine Tankstelle mit Verkaufsraum. Der Kaffee ist sehr gut, es gibt Toiletten, man kann an den Stehtischen sogar das Handy laden.
          Danach geht es eigentlich den ganzen Tag weiter, immer den Schildern des Küstenradweges entlang. Eine sehr schöne Strecke, sicherlich nach klassischen Maßstäben die beste Tagesetappe der Tour. Am Ende, vor Haarlem, geht es dann allerdings etwa 20 km auf einem etwas unebenen Pflaster über einen Wirtschaftsweg, was etwas mühsam ist, nach einem langen Tag. Der Hintern findet das nicht mehr so doll.

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          Ich nähere mich Haarlem, das mich mit einem Industriegebiet samt Müllverbrennung und Raffinerie empfängt. Eine kostenlose Fähre setzt mich und hundert andere Radler über den Nordseekanal. Der Küstenradweg EV12 führt dann bald wieder sehr schön durch eine Parklandschaft, westlich an Haarlem vorbei, die Großstadt merkt man eigentlich kaum.

          Die Campingplätze scheinen alle mehr oder weniger für die Rennstrecke in Zandvoort oder für Wohnmobile vorgesehen zu sein, so dass ich beschließe, in Haarlem in ein Hotel zu gehen. Meine Sachen sind nass, ein Bett und abendliches Lesen wären prima und die Powerbank kann ich auch laden. Je länger ich darüber nachdachte, desto mehr hatte ich das Gefühl, unbedingt ein Hotel buchen zu müssen, was ich dann auch tat.
          Ich betrat das Zimmer und machte keinen Schritt mehr. Sofern also jemand wissen möchte, wie Haarlem denn so am Abend ist, muss ich passen. Keine Ahnung.

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          • Belge
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            #6
            Haarlem östlich bis hinter Doesburg

            Morgens zumindest ist Haarlem kalt und windig. Die Abfahrt vom Hotel natürlich völlig problemlos, und optimistisch habe ich auf die Buchung des Frühstücks verzichtet und dachte, dass ich entspannt nach einiger Zeit in einem Café frühstücken könnte und etwas Lokalkolorit einatme.

            Das war allerdings schwieriger als gedacht. Morgens sind Unmengen von Radlern dort unterwegs, was natürlich gut ist, aber viele Cafés, Bäckereien oder lauschige Ecken habe ich nun nicht gefunden. Aber auch nicht extrem lange gesucht.

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            Also weiter nach Amsterdam. Das wird einfach, dachte ich. Zumindest die Anreise war einfach, da ein Radschnellweg schnurgeradeaus von Haarlem nach Amsterdam führt. Links stehen ein paar Kühe, rechts eine vierspurige Schnellstraße und über einem dröhnt eine endlose Schnur an startenden Flugzeugen von Schiphol. Ich war schon etwas überfordert mit der Situation. Das war anders als mein bisheriges Campen auf dem Bauernhof.

            Amsterdam empfängt dann zunächst mir ausufernden Wohnblocks, Schnellreinigungen, Handyläden und allen Dingen, die man in der Großstadt braucht. Die Stadt ist unglaublich hektisch. Niemand achtet groß auf Verkehrsregeln, jeder überholt, kürzt ab, fährt noch schnell rüber. Vermutlich ist das in allen Großstädten so, aber als Kontrast zu den letzten Tagen etwas too much.

            Ich flüchtete in ein Café (was auch hier zu meiner Überraschung gar nicht sooo einfach zu finden war), und schaute auf den Verkehr draußen. Wahnsinn. Dann kurvte ich bis in die Innenstadt und fuhr die komplette Prinsengracht bis ganz nach Süden. Dort gibt es dann weniger Radwege, aber wenn man den hektischen Lieferwägen ausweicht, sich unter dem Bagger durchduckt, dann geht es eigentlich. Schöne Häuser, viel Reichtum, viele Elektroautos.

            Ich wechselte auf die östliche Uferseite der Amstel und folgte dem Fluss aus der Stadt heraus. Erst ein paar Hochhäuser, vor denen malerische Hausboote festgezurrt lagen, dann durchs Grüne und auf dem Fluss Ruderboote. Die Stadt hat unbestritten einen hohen Freizeitwert und Villen zeigen, wie es auch in Holland auszuhalten ist.

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            Über den Fernradweg VF-WL komme ich weiter nach Osten, irgendwann in den Ort Vreeland. Vorher noch einen weiteren Kaffee an einer Tankstelle, wirklich meine Rettung, und auf meiner Karte sieht es sehr hübsch aus, wie sich hinter Vreeland ein winziger Pfad quer über einen See schlängelt. Den nehme ich dann auch und wirklich ein schmaler Pfad, der zwischen Büschen mitten durch den See führt. Nett gemacht.

            Der Wind kommt zudem jetzt aus Ost und ich muss nur noch Richtung Osten, nach Deutschland. Da sind selbst diese Büsche entlang des Weges eine willkommene Deckung.

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            Der Pfad trifft bald auf eine schmale Straße, die zu meiner Überraschung gesäumt ist von Bootswerften, recht teuer aussehenden Einfamilienhäusern und Bootsanlegern. Auf der Straße sind Holländer mit silberner Matte und offenem Hemd in ihrem Mercedes-Cabrio unterwegs, durchaus standesbewusst wissend, wem die Fahrbahn gehört.

            Überhaupt ist ganz Holland sicherlich vorbildlich in Bezug auf das Radnetz, Ausschilderung und auch den Zustand der Wege. Aber wenn es dann doch mal um Konkurrenz um die Breite der Fahrbahn geht, sind holländische Männer und Frauen nicht anders als deutsche. Sie halten voll drauf, bremsen oder Ausweichen ist nicht ihre Stärke. Ich hatte daher den Eindruck, die vielen Radwege dienen insbesondere dazu, die Radfahrer vor den eigenen Autofahrern zu schützen, weniger, das Radfahren einfacher zu gestalten.

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            Nach Hilversum hinein fahre ich nicht, sondern biege ab nach Süden Richtung Utrecht. Eine eher tripsige Gegend, aber der kleine Camping direkt vor der Stadt ist wunderbar gelegen in einem kleinen Wald. Direkt an einer Gracht schlage ich das Zelt auf. Wunderbar.

            Der Camping ist komplett ausgebucht (steht auch am Eingang), auch nicht sehr groß, aber der Besitzer findet offenbar immer noch ein Fleckchen für Radfahrer. Sehr nice. (Etwas weiter nördlich gibt es einen Bauernhofcamping, den ich nicht ganz so ansprechend fand). Ich lag im Zelt, war richtig zufrieden und stellte fest, dass es weitaus wärmer wurde. Die Handschuhe konnten verschwinden.

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            • Belge
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              #7
              Zurück nach Deutschland

              Am nächsten Morgen hinein nach Utrecht. Die Stadt hat mir am besten gefallen von allen größeren Städten auf der Tour. Eine sehr angenehme Atmosphäre, nicht ganz so hektisch, schöne Radwege. Ich sitze in einem Café und bestelle einen großen Kaffee, aber die Dame ist besorgt wegen meiner Bestellung, denn in einem großen Kaffee seien „vier Shots“. Was ist ein Shot? Hört sich gefährlich an. Sie rät mir fürsorglich, dass ich lieber „zwei Shots“ nehmen soll und dafür mehr Milch. Okay, erst die Militärfahrzeuge, jetzt Shots. Ich bestelle zwei Shots. Falls jemand die Tour nachmacht und in dem Café landet: Bestellt vier Shots, nicht zwei. Zwei Shots sind zwei zu wenig.

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              Ich radel nun immer den EV2 entlang, der mehr oder weniger nach Osten führt. Die Ausschilderung ist ganz gut, aber eine Liste mit den Nummern der Knotenpunkte wäre auch hier eine gute Strategie.

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              Letztendlich eine schöne Landschaft, man lernt Mittelholland richtig und ausgiebig kennen. Die Höfe sind groß, aber es fehlen die riesigen, endlosen Flächen und Felder wie nördlich von Groningen an den ersten Tagen. Es gibt mehr Wald, alles ist etwas kleinräumiger, strahlt aber immer noch diesen gelassenen Wohlstand, Putzigkeit aus. Die Bauernhöfe haben den Charakter von Landsitzen, prächtige Fassaden, riesige Fenster. Kein Vergleich mit den oftmals geduckten Einheiten in Deutschland.

              Ungefähr bei Rhenen kommt man an den Niederrhein, der etwas unterhalb einer Uferböschung verläuft. In Rhenen ist dann auch ziemlich was los, Markttag, sogar viele Rennradfahrer machen Halt. Ich mache noch einen Abstecher zum Campus der Universität Wageningen, den ich mir schon immer mal anschauen wollte, dann geht es weiter am Uferweg EV2 entlang bis Arnheim. Nicht viel Aufregendes unterwegs, mal schmale Sträßchen für Radfahrer, mal Radwege. Alles gut zu fahren, wenn der Gegenwind nicht wäre.

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              Arnheim scheint mir dann momentan keine aufsteigende Tendenz aufzuweisen. Verglichen mit Utrecht ist der Unterschied enorm. Ich durchquere die Stadt eilig, komme auf Autobahnbrücken und wechsle auf den LF3, der südlich der Ijssel verläuft.

              Der Radweg ist nun oben auf einem hohen Damm angelegt. Der Wind packt richtig zu. Ich bin inzwischen tatsächlich ausgelaugt und der stundenlange Lärm in den Ohren vom Rauschen des Windes ist bereits eine Belastung. In Doesburg nochmals einkaufen in einem Supermarkt, und meine Karte zeigt mir einen kleinen Bauerncamping nicht weit entfernt, etwas nördlich vom Punkt 09.

              Wieder ein Glücksgriff. Ich kann mir einen Platz auf der Wiese aussuchen, außer mir nur holländische Wohnmobile, alles windgeschützt und es gibt eine Küche, sogar eine Aufenthaltsscheune mit Sesseln und Licht. Wie schön ist das.

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ID: 3327273

              Am nächsten Tag dann die Planung der letzten Kilometer. Ich hatte den Radfernweg LF3 etwas verloren, da ich mir Haaksbergen als ungefähre Richtung nach Osten vorgenommen hatte. Also kurvte ich den ganzen Tag von Knoten zu Knoten, hörte einen Podcast nach dem anderen und war eigentlich schon mehr oder weniger raus aus dem Urlaub.

              Nachmittags saß ich unter einer Eiche an einer Gaststätte und bestellte wieder einen großen Kaffee, den es auch hier nicht gab und bestellte entnervt einfach zwei kleine Tassen. Ich scrollte durch mein Handy und stellte etwas erstaunt fest, dass ich nur noch 5 km von der deutschen Grenze entfernt war.

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ID: 3327274

              Mein Plan, noch in Holland ein Camping zu suchen, war damit umgeworfen. Ich fand einen Bauernhof mit Camping, wieder ein Glücksgriff. Diesmal hatte ich sogar einen kleinen Unterstand, den ich nutzen konnte. Der Mähroboter verhakte sich irgendwann an der Einzäunung und dann hatte ich auch Ruhe.

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              Und am nächsten Tag radelte ich flott nach Hause, von Ahaus kann man recht gradlinig nach Burgsteinfurt und von dort weiter Richtung Rheine radeln, teilweise alte Bahnstrecken. Podcast, milder Gegenwind, treten. So verging der Tag.

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              • Belge
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                #8
                Und wie wars?
                • Überraschend schlechter und wenig Kaffee. Es gibt keine Bäckereien in Holland. Und diese komplett dunklen, unbeleuchteten Restaurants waren mir unheimlich. Und die Tassen dort sind viel zu klein. Wenn man einen großen Kaffee bestellt, bekommt man zwei kleine Tassen serviert. Der Ausweg "Tankstelle" funktioniert für den Kaffee in Holland auch nicht, denn die Tankstellen haben nur "Express", also keinen Laden daneben wie in Deutschland.
                • Enttäuschend auch die Dichte an Pommesbuden. Wir hatten eine völlig verzerrte Wahrnehmung, da früher mit den Kindern am Strand überall Pommes angeboten wurden. Und als Vegetarier bekommt man in Holland eigentlich nur Pommes.
                • Holländische Radwege sind weitaus besser als in Deutschland, auch die Verkehrsführung. Aber wenn es mal eng wird, halten holländische AutofahrerInnen im Zweifel genauso drauf wie in Deutschland. Also etwas Vorsicht, wenn man mit kleineren Kindern Touren macht. Es bietet sich an, dann wirklich nur die großen Radwege zu nehmen.
                • Der Wind entscheidet, wie weit man kommt.
                • Holland ist abwechslungsreicher als gedacht. Extreme Felder im Norden, Dünen und Tourismus an der Küste, beinahe deutsche Kuscheligkeit in der Mitte.
                • Architektur, Wohlstand wie gehabt auf einem völlig anderen Niveau als in Deutschland. Auch sehr robuste, energische Umgangsformen. Wenn man an den Automatik-Kassen im Supermarkt mal etwas kurzsichtig herum tappt, dann wird einem misstrauisch alles aus der Hand genommen und kontrolliert.
                • Insgesamt aus meiner Sicht eine bessere Radtour als die Flussradtouren in Deutschland. Aber das kann daran liegen, dass es mehr „Neues“ zu entdecken gibt, als wenn man durch sein eigenes Land fährt.
                Dies ist wieder keine Radtour, die gut vorbereitet wurde. Daher stimmt auch hier wieder der leise Vorwurf, dass ich etwas wahllos und insbesondere mit enormen Lücken berichte. Alle Sehenswürdigkeiten und hot spots verpasst! Also nachmachen, die Lücken schließen, einen besseren Bericht für ODS schreiben!

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                • fhvdrais
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                  • 16.08.2015
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                  • Meine Reisen

                  #9
                  Schöner Bericht, danke!

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                  • Flachlandtiroler
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                    Liebt das Forum
                    • 14.03.2003
                    • 30285
                    • Privat

                    • Meine Reisen

                    #10
                    Schließe mich an, ich habe den Bericht mit Genuß & Grinsen konsumiert!
                    Die Niederlande erstrecken sich ja unweit von Flachlandtirolien und insofern kann ich Vieles gut nachvollziehen.
                    Meine Reisen (Karte)

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                    • fhvdrais
                      Dauerbesucher
                      • 16.08.2015
                      • 533
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                      • Meine Reisen

                      #11
                      Ich habe Flachlandtirolien vergeblich auf der Karte gesucht. Wurde das kürzlich umbenannt?

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                      • thedutch
                        Erfahren
                        • 20.11.2018
                        • 121
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                        • Meine Reisen

                        #12
                        Hi, sehr nette Bericht von meine alte Heimat.. Ganz toll zu lesen und deine Ansichten über uns Holländer, Super. Mit dem meisten liegst du gar nicht so falsch. Bäckereien gibt es auch aber nicht so häufig wie in Deutschland. War 2024 auf ein Roadtrip durch Holland und habe ziemlich oft in eine Bäckerei halt gemacht. Aber es stimmt Holländer und die morgendliche Frühstücksbröttchen, da musst du SEHR lange suchen. Ich bin auch kein Fan von Holländischen Kaffee aber meine Eltern berichten immer wieder wie toll der Kaffee ist wenn sie unterwegs sind, wahrscheinlich hat es was mit gewohnter Geschmack zu tun. Was mir echt angetan hat ist das Foto vom Bauernhof in der Nähe von Julianadorp.. Genau auf diesen Bauernhof habe ich als jugendlicher in den Tulpen gearbeitet und so mein Taschengeld aufgestockt..Was ein Zufall.. Grüssle aus Baden Württemberg

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                        • blauloke

                          Lebt im Forum
                          • 22.08.2008
                          • 9192
                          • Privat

                          • Meine Reisen

                          #13
                          Sehr schöner Bericht, gut zu lesen, hat mir gefallen.
                          Du kannst reisen so weit du willst, dich selber nimmst du immer mit.

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                          • Sanne4274
                            Anfänger im Forum
                            • 14.12.2020
                            • 46
                            • Privat

                            • Meine Reisen

                            #14
                            Danke für den differenzierten Bericht!

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                            • Flachlandtiroler
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                              Moderator
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                              • 14.03.2003
                              • 30285
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                              #15
                              Zitat von fhvdrais Beitrag anzeigen
                              Ich habe Flachlandtirolien vergeblich auf der Karte gesucht. Wurde das kürzlich umbenannt?
                              OT:
                              Andere haben einen Adelstitel (Freiherr von...) ich hab' halt mein kleines "Reich".
                              Hätte auch "meine Heimat" schreiben können, die ist halt flach und weit weg von Tirol. Ich sag' mal so: Sollte den Niederlanden mal das Wasser bis zum Hals stehen, bekomme ich auch schon nasse Füße...
                              Meine Reisen (Karte)

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