[SE] 16 Tage Frust und Lust, Höhen und Tiefen: Anfänger im Sarek

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    [SE] 16 Tage Frust und Lust, Höhen und Tiefen: Anfänger im Sarek

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    [SE] 16 Tage Frust und Lust & Höhen und Tiefen: Anfänger im Sarek

    30.08.2019 – 16.09.2019








    ---
    Stille.
    Einfach nur: Stille.
    Absolute Stille.
    Da ist nichts. Garnichts.
    Keine Stimmen. Niemand der telefoniert.
    Keine Musik. Kein Bass vom Sitznachbarn in der S-Bahn mit Kopfhörern.
    Kein Geschrei, kein Lärm.
    Kein Knistern einer Chipstüte.
    Kein vorbeifahrender Krankenwagen. Kein Straßenlärm.
    Kein Getrampel vom Nachbarn der über einem wohnt.
    Noch nicht einmal das auch in der Natur in Deutschland so allgegenwärtige an- und abschwellende Rauschen von Autos auf einer weiter entfernten Straße.
    Kein Aufheulen eines Motorrads.
    Kein Geräusch eines Flugzeugs.
    Kein Zwitschern eines Vogels.
    Nichts.

    Das kann nicht sein.
    Ich lausche angestrengt. Aber da ist nichts. Nicht einmal ein Säuseln des Windes, nicht einmal das entfernte Rauschen eines Wasserfalls. Absolute, unverschämt perfekte Stille. Dass es das heute überhaupt noch gibt.

    Es ist ca. 6.00 Uhr morgens. Ich stehe, verpackt in meine wärmsten Klamotten und gerade aus meinem Schlafsack geklettert, gähnend, vor einer weiten Ebene. Vor mir ein See.
    Dahinter der Sonnenaufgang. Es ist schön. Unbeschreiblich schön. Ich frage mich – wie schon mehrfach in diesem Urlaub - Ist das echt? Gibt es das überhaupt? Oder sitze ich gerade im Büro, habe die Augen geschlossen und reime mir das nur im Kopf zusammen? Liege ich im Bett und träume?

    Ich stehe auf einem größeren Stein, habe gerade mein Kamerastativ aufgebaut und drücke nun die Taste für die Timelapse-Funktion. Das Klicken der Kamera durchbricht die Stille.

    Es ist der letzte volle Wandertag meines Sarek-Urlaubes. Eigentlich befinde ich mich sogar auf dem Kungsleden, zwischen Saltaloukta und Sitojaurestugorna, einer viel begangenen Strecke. Eigentlich. Denn ich hatte mir einen Reservetag bis zum Schluss aufgehoben und es war mir zu langweilig, einfach die 20km auf dem Kungsleden nach Norden entlangzulaufen. Also war ich von der „Autobahn“ abgewichen und nach Osten auf die Ulldevisduottar-Ebene. Hinter mir befindet sich der namenlose Gipfel (1099m), vor mir der Njalasjjavvrre-See mit diversen weiteren kleinen Seen um ihn herum.

    Als die Aufnahmen im Kasten sind, steht die Sonne mittlerweile ein wenig über dem Horizont. Und die Strahlen der Sonne wärmen mich. Als ich wieder in meinem Zelt sitze und mir den zweiten Kaffee koche – der letzte Schluck Kaffee den ich mir vor einer halben Stunde gekocht habe ist auf dem Boden des Topfes zu Eis gefroren - habe ich unglaublich gute Laune, philosophiere herum, muss ständig über irgendwelche Kleinigkeiten lachen und singe willkürlich irgendwelche Lieder die in meinem Kopf aufploppen. Weihnachtslieder, Kinderlieder und „Mein kleiner grüner Kaktus“.

    Es ist ein wunderschöner Tag und ich blicke mit ein wenig Wehmut auf meinen nun in Kürze endenden Urlaub zurück. Letzter Tag, letztes Highlight. Dachte ich. Aber ein weiteres Highlight, getoppt durch einen glücklichen Zufall, stand mir in wenigen Stunden noch bevor.

    Die Nacht davor.
    3.00 Uhr Nachts. Es ist kalt. Richtig kalt. Die letzten Tage war das Wetter trübe, es gab kaum Sonnenstrahlen. Teils so trübe und neblig, dass eine regelrecht unheimliche Atmosphäre entstanden war. Jedenfalls gab es keine Gelegenheiten, den Schlafsack zu trocknen. Vielleicht habe ich die richtigen Situationen auch einfach verpasst. Der Schlafsack ist nass. Vor allem am Fußteil. Man kann regelrecht sehen, wie der Loft durch die Feuchtigkeit zusammengedrückt wird. Er ist mir, wie man im Fachjargon sagen würde, zusammengefallen.

    Das Thermometer zeigt minus 4 Grad. Ich habe alles an, was ich dabei habe. Aber es hilft nichts: Ich friere. Mir ist kalt. Ich drehe mich auf den Rücken, versuche irgendwie eine wärmere Position zu erreichen. Ich müsste dringend mal raus. Aber es geht nicht. Als ich gestern Abend in den Schlafsack gekrochen bin, hat es eine gefühlte Ewigkeit gedauert, bis dieser endlich ein wenig Wärme reflektiert hat. Ich will nicht schon wieder so viel Wärme verlieren, also bleibe ich im Schlafsack. Und versuche zu schlafen. Hin und wieder schlummere ich ein wenig, aber wirklich erholsamer Schlaf stellt sich nicht ein.

    Und das schimpft sich nun Urlaub. Was soll das? Warum tue ich mir das an? Was hat das mit „Erholungsurlaub“ zu tun? Wieso bin ich nicht nach Malle gefahren oder habe mir irgendeinen anderen All Inclusive-Urlaub gegönnt? Wieso kein Städtetrip mit Übernachtung in Hostels? Allein von den Kosten für das Inreach-Mini – 289€ + Abogebühren - hätte ich mir eine Woche Urlaub gönnen können. Stattdessen wälze ich mich nun im Schlafsack hin und her, friere und hoffe einfach nur, dass die Nacht endlich um ist. Bäh!


    Noch nie in meinem Leben lagen – wie in diesen 16 Tagen – Frust und Lust, Höhen und Tiefen, gute Laune und Ärger, so nahe beieinander. Ständig wiederholte sich das Muster: Momente absoluten Frusts und Ärgers – und dann am selben Tag, Momente einer so unbeschreiblichen Schönheit der Natur, dass es sich schier jeglicher Beschreibung entzieht. Aber die Natur ist nicht immer schön. Sie ist auch rau, nass, kalt, stürmisch und hart. Und ein Trekking-Urlaub besteht nicht nur aus schönen Tagen. Das sollte sich jeder Anfänger, der eine solche Tour plant, vorher bewusst machen.

    Zwar hatte ich auch in meinen letzten beiden Urlauben – jeweils in Schottland – mehr schlechtes als gutes Wetter. (Und umso mehr darauf gehofft, endlich mal Wetter-Glück zu haben). Aber in Schottland gab es Bothys und ich konnte die Schlechtwettertrage größtenteils drinnen verbringen. Nicht so dieses mal - im Sarek gibt es keine Hütten. Für mich war es also die erste Tour dieser Art.
    Bei gutem Wetter dachte ich mir immer wieder: „Trekken ist leicht.“ Bei schlechtem Wetter: „Warum tue ich mir das an?“ Der Rest war Laufen.

    Aber springen wir doch einfach zurück zum Anfang.

    Viel Spaß beim Lesen.
    Zuletzt geändert von Freedom33333; 09.12.2019, 08:19.

  • Hunter9000
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    • 02.06.2012
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    #2
    AW: [SE] 16 Tage Frust und Lust, Höhen und Tiefen: Anfänger im Sarek

    Vielversprechender Anfang. Abonniert und gespannt auf mehr!

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    • andrea2
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      • 23.09.2010
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      #3
      AW: [SE] 16 Tage Frust und Lust, Höhen und Tiefen: Anfänger im Sarek

      Zitat von Freedom33333 Beitrag anzeigen
      ...Es ist ein wunderschöner Tag und ich blicke mit ein wenig Wehmut auf meinen nun in Kürze endenden Urlaub zurück...

      ...3.00 Uhr Nachts. Es ist kalt. Richtig kalt. Die letzten Tage war das Wetter trübe, es gab kaum Sonnenstrahlen. Teils so trübe und neblig, dass eine regelrecht unheimliche Atmosphäre entstanden war. Jedenfalls gab es keine Gelegenheiten, den Schlafsack zu trocknen. Vielleicht habe ich die richtigen Situationen auch einfach verpasst. Der Schlafsack ist nass. Vor allem am Fußteil. Man kann regelrecht sehen, wie der Loft durch die Feuchtigkeit zusammengedrückt wird. Er ist mir, wie man im Fachjargon sagen würde, zusammengefallen...

      ...Das Thermometer zeigt minus 4 Grad...

      ...Und das schimpft sich nun Urlaub. Was soll das? Warum tue ich mir das an? Was hat das mit „Erholungsurlaub“ zu tun? ...

      ...Bei gutem Wetter dachte ich mir immer wieder: „Trekken ist leicht.“ Bei schlechtem Wetter: „Warum tue ich mir das an?“ Der Rest war Laufen....
      Sehr schön
      Du hast gerade unseren Reisebericht geschrieben.
      Wir waren ja nur etwa eine Woche später unterwegs.
      Ich werden deinen Bericht gespannt verfolgen.

      Andrea
      Zuletzt geändert von andrea2; 23.10.2019, 18:36.

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      • Borgman
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        • 22.05.2016
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        #4
        AW: [SE] 16 Tage Frust und Lust, Höhen und Tiefen: Anfänger im Sarek

        Zitat von Freedom33333 Beitrag anzeigen
        Viel Spaß beim Lesen.
        Danke, ich bin auf jeden Fall dabei. Deine Einleitung finde ich schon mal sehr ansprechend - man fühlt sich sofort an eigene Erlebnisse zwischen Frust und Lust erinnert. Bin gespannt, wie es Dir ergangen ist auf Deiner Tour in Lappland. Du bist ja am selben Tag gestartet wie ich, hast also auch den Spätsommer knapp verpasst...

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        • Pfiffie
          Fuchs
          • 10.10.2017
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          #5
          AW: [SE] 16 Tage Frust und Lust, Höhen und Tiefen: Anfänger im Sarek

          Was soll ich sagen, im Moment ist jeder Sarekbericht herzlich Willkommen bei mir und auch für lange Zeit. Ich bin gespannt
          "Freiheit bedeutet, dass man nicht alles so machen muss wie andere"

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          • Freedom33333
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            #6
            AW: [SE] 16 Tage Frust und Lust, Höhen und Tiefen: Anfänger im Sarek

            Zitat von Hunter9000 Beitrag anzeigen
            Vielversprechender Anfang. Abonniert und gespannt auf mehr!
            Ich danke dir, geht bald weiter, bin etwas überfordert mit den ganzen Fotos im RAW-Format und den Möglichkeiten der Bildbearbeitung die ich gerade entdecke, aber ich glaube am Ende nehme ich einfach die JPG ohne alles, das dauert ja sonst alles ewig...

            Zitat von andrea2 Beitrag anzeigen
            Sehr schön
            Du hast gerade unseren Reisebericht geschrieben.
            Wir waren ja nur etwa eine Woche später unterwegs.
            Ich werden deinen Bericht gespannt verfolgen.

            Andrea
            Alles meine Schuld.

            Ich war ja die ersten 5 Tage mit Evernorth unterwegs - und er meinte am Anfang zu mir, er habe die letzten Jahre immer Wetterglück gehabt, er sei also ein Glücksbringer. Ich musste dem entgegen setzen, dass ich Pech bringe, da ich die letzten beiden Touren eher schlechtes Wetter hatte. Mir scheint, sein Glück bezieht sich nur Island.


            Zitat von Borgman Beitrag anzeigen
            Danke, ich bin auf jeden Fall dabei. Deine Einleitung finde ich schon mal sehr ansprechend - man fühlt sich sofort an eigene Erlebnisse zwischen Frust und Lust erinnert. Bin gespannt, wie es Dir ergangen ist auf Deiner Tour in Lappland. Du bist ja am selben Tag gestartet wie ich, hast also auch den Spätsommer knapp verpasst...
            Ja, wenn man genau liest, dann kriegt man das eigentlich bei den meisten Berichten doch mit, dass es auch einigen Frust gibt. Aber ich habe das oft überlesen und dachte mir: Bleib optimistisch, das Wetter wird schon toll werden. Sag mir jetzt nicht, dass davor besseres Wetter war?

            Ich habe mit Absicht keinen einzigen Wetterbericht vorher gelesen. ich dachte mir: An der Tourplanung ändert sich eh nichts. Ich muss da durch. An der Ausrüstung auch nicht. Also warum mit dem Wetterbericht befassen?


            Zitat von Pfiffie Beitrag anzeigen
            Was soll ich sagen, im Moment ist jeder Sarekbericht herzlich Willkommen bei mir und auch für lange Zeit. Ich bin gespannt
            Man traut sich ja schon gar nicht mehr den Sarek zu posten, gab ja doch einige wahnsinnig tolle Berichte in den letzten Jahren.

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            • Pfiffie
              Fuchs
              • 10.10.2017
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              • Meine Reisen

              #7
              AW: [SE] 16 Tage Frust und Lust, Höhen und Tiefen: Anfänger im Sarek

              Zitat von Freedom33333 Beitrag anzeigen

              Man traut sich ja schon gar nicht mehr den Sarek zu posten, gab ja doch einige wahnsinnig tolle Berichte in den letzten Jahren.
              Bis auf ganz wenige andere Berichte sind sie doch alle gleich was das Foto betrifft. Mal mit Steinen und Wasser, oder nur Wasser, gefroren oder mit Schnee etc.. Wenn man danach geht ist jeder Skandinavienbericht gleich, so viel ändert sich die Landschaft nun wirklich nicht. Ich könnte sogar behaupten das das eine oder andere Foto vom Kungsleden der Sarek wäre und da müsste schon wer kommen der sich richtig gut auskennt um zu sehen das es das nicht ist. Sobald aber das persönliche Erlebnis ins Spiel kommt, Sachen die man erlebt hat, Hausforderungen die man geschafft hat usw., wird so ein Bericht einzigartig. Dazu kommt das die Technik nicht stehen bleibt und sich jeder weiter entwickelt. Ich interessiere mich dann zum Beispiel auch dafür was man benutzt hat, was man gekocht hat, eine andere Anreiseart etc.. Und der Bericht wird immer interessanter auch wenn er der 100. aus dem Sarek ist . Auch wenn das was anderes ist, habe ich mal Golf gespielt. 120 Runden durchschnittlich im Jahr. Jede war anders und ich könnte einiges interessantes erzählen obwohl man ständig den gleichen Kurs gespielt hat.
              "Freiheit bedeutet, dass man nicht alles so machen muss wie andere"

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              • theslayer
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                • 13.11.2013
                • 586
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                • Meine Reisen

                #8
                AW: [SE] 16 Tage Frust und Lust, Höhen und Tiefen: Anfänger im Sarek

                Zitat von Freedom33333 Beitrag anzeigen
                Ich danke dir, geht bald weiter, bin etwas überfordert mit den ganzen Fotos im RAW-Format und den Möglichkeiten der Bildbearbeitung die ich gerade entdecke, aber ich glaube am Ende nehme ich einfach die JPG ohne alles, das dauert ja sonst alles ewig...
                Ich weiß ganz genau was du meinst, ich kämpfe gerade mit 2000 Fotos der letzten Radreise. Davor immer nur JPEGs, jetzt erkunde ich die Möglichkeiten der RAW-Fotografie... nun, wenigstens lernt man so Lightroom ein bisschen kennen.

                Ich freu mich auf deinen Sarek-Bericht, bei mir ist es über ein Jahr her das ich da war, es entsteht Sehnsucht beim Lesen deiner Zeilen und bei deinen Fotos. Toller Schreibstil!
                Auf meinem Blog Longing for the Horizon:
                Pamir Highway 2019 / Sarek 2018 / Padjelantaleden 2017 / 4500km Radtour Berlin-Nordkapp 2017 / Kungsleden 2015 / Kungsleden 2014 / Israel-Hike 2014 und viele kleinere Radtouren (Berlin - Kopenhagen / Prag - Berlin etc.)

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                • evernorth
                  Fuchs
                  • 22.08.2010
                  • 1828
                  • Privat

                  • Meine Reisen

                  #9
                  AW: [SE] 16 Tage Frust und Lust, Höhen und Tiefen: Anfänger im Sarek

                  Na, dann bin ich mal gespannt, wie es dir im Weiteren noch ergangen ist.
                  Wann geht’s denn weiter??
                  My mission in life is not merely to survive, but to thrive; and to do so with some passion, some compassion, some humor and some style. Maya Angelou

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                  • Freedom33333
                    Dauerbesucher
                    • 09.09.2017
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                    • Meine Reisen

                    #10
                    AW: [SE] 16 Tage Frust und Lust, Höhen und Tiefen: Anfänger im Sarek

                    Zitat von Pfiffie Beitrag anzeigen
                    [...]. Sobald aber das persönliche Erlebnis ins Spiel kommt, Sachen die man erlebt hat, Hausforderungen die man geschafft hat usw., wird so ein Bericht einzigartig. Dazu kommt das die Technik nicht stehen bleibt und sich jeder weiter entwickelt. Ich interessiere mich dann zum Beispiel auch dafür was man benutzt hat, was man gekocht hat, eine andere Anreiseart etc.. Und der Bericht wird immer interessanter auch wenn er der 100. aus dem Sarek ist . Auch wenn das was anderes ist, habe ich mal Golf gespielt. 120 Runden durchschnittlich im Jahr. Jede war anders und ich könnte einiges interessantes erzählen obwohl man ständig den gleichen Kurs gespielt hat.
                    Toller Beitrag
                    Man ist sich ja nicht immer sicher ob man so Dinge wie die Ausrüstung etc. posten soll aber dann gibt es schonmal einen der den nächsten Beitrag liest.

                    Wobei ich das Beispiel mit dem Golfen erstaunlich finde. Wenn man ein Hobby zu oft macht, habe ich manchmal das Gefühl, dass die Erinnerungen im Nachhinein recht stark verschwimmen. Sprich, wenn man 10mal im Skiurlaub war oder zum Skilanglauf, erinnert man sich womöglich am Ende nicht mehr so exakt, welche Abfahrt in welchem Urlaub war. Macht man es nur einmal, ist die Erinnerung an jeden Tag noch da. Für mich immer ein Grund, so viel Abwechslung wie möglich im Urlaub oder bei Hobbys anzustreben. Wobei ich das Gefühl habe, beim Trekking eine Urlaubsart gefunden zu haben, der ich noch einige Zeit treu bleiben könnte. Und natürlich auch klar ist, wenn einem eine Sache richtig Spaß macht, macht man sie gerne so oft wie möglich.

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                    • Freedom33333
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                      • 09.09.2017
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                      #11
                      AW: [SE] 16 Tage Frust und Lust, Höhen und Tiefen: Anfänger im Sarek

                      Erstmal zur Vorbereitung & der Ausrüstung.

                      (Im nächsten Post gehts dann mit der Tour los)

                      Meine Tour ging insgesamt 16 Tage, also 15 Übernachtungen. Die ersten 5 Tage war ich gemeinsam mit Evernorth unterwegs, danach haben sich unsere Wege wegen unterschiedlicher Tourplanung getrennt. An dieser Stelle vorab nochmal ein herzlichen Dankeschön für die zusammen verbrachte Zeit, es war mir eine Ehre!

                      Ursprünglich wollte ich die Tour von drtech aus dem letzten September nachlaufen, bekam aber durch Zufall mit, dass Evenorth ungefähr im selben Zeitraum im Sarek sein würde. Tatsächlich stellten wir fest, dass wir beide, unabhängig voneinander, so gebucht hatten, dass wir am Freitag dem 30.08 in Lulea ankommen würden, wollten uns also auf jeden Fall auf ein Bier treffen. Nachdem er mir von seiner Tourplanung – Einfliegen lassen mit dem Helikopter, auf Vobos Spuren – erzählt hatte, warf ich schließlich wenige Tage vor der Tour meine Planung um (vielleicht erinnert sich der ein oder andere an meine kurzfristigen Tourplanungsfragen) und beschloss, ebenfalls den Heli-Flug zu buchen, wenn es passen sollte, vielleicht auch ein paar Tage mit ihm gemeinsam zu laufen. Und tatsächlich taten wir das dann ja auch. Aber dazu später mehr.

                      Anreisedaten:
                      – Flug Deutschland --> Stockholm --> Lulea
                      – Der Sarek hat 4 mögliche Einstiegspunkte, davon 3 im Norden und einem im Süden. Im Norden, von Ost nach West: Kebnats/ Saltoluokta, Suorva, Ritsem; im Süden: Kvikkjokk. Beide sind von Lulea mit Zug/Bus in 4-5 Stunden erreichbar
                      – Für die Flüge 300€, für die Fahrten zum Start / Endpunkt jeweils ca. 50€
                      – Startpunkt war Kvikkjokk, Endpunkt Kebnats
                      – Von Kvikkjokk ging es im Helikopter – gemeinsam mit evernorth – nach Tarraluoppalstugorna, ca. 130€ pro Person (1450 Schwedische Kronen)

                      Meine Tour:
                      Kvikkjokk - Tarraluoppal (Heli) – Jiegnavagge – Sarvesvagge – Luohttolahko – Sarvesvagge – Niejdariehpvagge – Algavagge – Skarja – oberes Rapadalen – Snavvavagge – unteres Rapadalen – Hochebene im Osten bis Skierffe – Aktse – Sitojaurestugorna – Ulldevisduottar – Saltuloukta





                      Zur Ausrüstung
                      Detaillierte Packliste: https://www.directupload.net/file/d/...uc23to_pdf.htm

                      Insgesamt 8kg Essen und ein Startgewicht von 23kg exklusiv Stöcke, zusätzlich das was man an Wasser dabei hat, im Sarek also nur ca. 1kg da es an Wasser wahrlich keinen Mangel gab...

                      Das Zelt:
                      Hilleberg Unna. Unverschämt teuer. Aber einfach ein unglaublich gutes Zelt. Bin damit extrem zufrieden. Und nehme gerne das Mehrgewicht in Kauf, wenn ich mir dafür weniger Gedanken machen muss über den Zeltplatz, das Abdichten von Nähten oder Reißverschlüssen, Löcher im Boden usw.

                      Das GPS-Gerät:
                      Etrex 30x. Ohne Touchscreen, mit Steuerkreuz, lahm, schwer sich daran zu gewöhnen. Aber: In der Extremsituation Sturm, Regen, Nebel – absolut zuverlässig, kein rumspinnender Touchscreen, kein Akku der auf 0 springt (Handy lässt grüßen), kein Wasser im Anschluss, lange Batterielaufzeit. Fast die gesamte Tour war das Gerät Luxus und überflüssig. Fast. An zwei Tagen gab es so starken Nebel, dass man eine Sicht von mitunter 10-20m hatte. Navigation über Karte und Umgebung unmöglich. In beiden Fällen war ich sehr froh, das Gerät dabei zu haben. Das eine mal habe ich es erst nach Gefühl versucht und mich komplett verlaufen, wie im Film. Ich bin bei einer Sicht von 5m regelrecht im Kreis gelaufen.

                      Das Satellitengerät.
                      Inreach Mini. 100g. 289€ + 30€ Jahresgebühr + 20€ für den einen Monat. Teuer. Ärgerlich. Aber nützlich. Zum einen für die Daheimgebliebenen und sich Sorgenden – durch das Setzen von Wegpunkten können diese nachverfolgen, wo man gerade wandert, zum anderen durch das Anfordern von Wetterberichten. Auch ein Verschicken von Nachrichten an andere Inreach Geräte ist möglich, sodass evernorth und ich, auch nachdem wir uns getrennt hatten, noch miteinander kommunizieren konnten. Und die SOS-Funktion ist eben für den Notfall auch noch da. Viele der Wanderer im Sarek, die Solo unterwegs waren (bei denen die ich gefragt habe, alle), hatten entweder so ein Gerät oder ein anderweitiges Satellitengerät dabei!

                      Der schwächste Ausrüstungsgegenstand: Die Stöcke: Leki Khumbu (2019)
                      Haben komplett versagt, mir ziemlichen Frust beschert und mich mehrfach in sehr gefährliche Situationen gebracht. Ob Konstruktions- oder Produktionsfehler weiß ich nicht, ich tippe auf ersteres. Evernorth war ebenfalls sehr verwundert über dieses Montagsprodukt. Waren erst nach notdürftiger Reparatur mit Panzertape zu gebrauchen. Grund: Die Verbindung zwischen dem untersten und dem mittleren Segment hat überhaupt nicht gehalten. Sprich: Wenn der Stock auch nur ein klein wenig Widerstand beim Rausziehen hatte, blieb das unterste Segment stecken und man hatte den Rest des Stockes in der Hand. Wenn das passiert während man über ein Blockfeld läuft, legt man sich beim nächsten Schritt hin, weil man sich plötzlich nicht mehr abstützen kann. Oder auf einem abschüssigen Weg am Hang oder oder oder. Auf einen Trekking-Stock muss man sich verlassen können, das ist ein überlebenswichtiger Trekking-Gegenstand. Das war hier nicht der Fall.

                      Die Kamera:

                      Ebenfalls neu mit dabei: Die Sony Alpha 6000 (450g) mit Ultrapod ii Stativ (112g), Bauchtasche (140g), 2 Ersatzakkus (ca. 100g) und 20.000maH Powerbank (statt 10.000 im letzten Urlaub).

                      Es war für mich learning by Doing, ich bin also im Vergleich zu vielen die hier im Forum unterwegs sind was die Fotos angeht ein kompletter Anfänger. Habe mich vorher aber bestmöglich informiert, vor allem mit Videos auf Youtube von Stephan Wiesner, Benjamin Jaworskyi und fototrainer.com.

                      Durch ein Video von ersterem – Milchstraße fotografieren mit einer beleuchteten Hütte im Vordergrund – hatte ich auch erst die Idee für das Foto aus dem ersten Post. Einige Fotos werden unterbelichtet, andere überbelichtet sein, muss mal sehen was sich da mit der Bildbearbeitung machen lässt, aber zum Üben war die Tour natürlich ein Traum.


                      Dann noch ein paar einleitende Worte zu meinem Werdegang & zur Definition des Begriffes "Anfänger"

                      Lektion 1. Aller Anfang ist schwer
                      Mein erster Trekking-Urlaub war im Oktober 2018, Schottland, Northwesthighlands / auf Ske. Ich war ein Rookie, hatte kein gutes Zelt dabei, nahezu keine Draußen-Übernachten Erfahrung.

                      Als es am Ende des ersten Wandertages anfing zu regnen und in der Nacht heftig regnen sollte, suchte ich verzweifelt eine Möglichkeit, nicht im Zelt übernachten zu müssen - und fand Unterkunft in einer Scheune, gebettet auf Stroh. Nach diesem „Abenteuer“ folgte eine Nacht in einem B&B. Gemütlich, warm, groß – ein Traum. Doch am nächsten Abend war ich – nach dem ersten richtigen und langen Wandertag – am westlichen Ende des Loch Affric angekommen. Und auf der Suche nach dem idealen Zeltplatz. Aber den gab es nicht. In zwei Hütten fragte ich, ob ich in einer der Scheunen übernachten dürfte – vergeblich. Einer der Bewohner erzählte mir etwas von einem Youth-Hostel in einiger Entfernung. Also dahin! Nur nicht im Zelt übernachten müssen!

                      Es war schon dämmrig, es stürmte, es regnete, der Wanderweg war schmal und in den Hang geschnitten. Überall stand das Wasser im Gras. Den richtigen Zeitpunkt zum Zeltaufschlagen hatte ich längst verpasst - und stolperte in der Dämmerung, völllig erschöpft, durch die Landschaft. Nach einem Blick auf die Karte realisierte ich – ich schaffe es niemals bis zur Hütte (in der an diesem Abend übrigens der Nutzer Rainer Duesmann war, wie ich später erfahren sollte).

                      Also wieder ein paar Kilometer zurück und Aufschlagen des Zeltes in unmittelbarer Nähe zu einer der Hütten. Es folgte die erste Nacht im Zelt. Der Wind rüttelte am selbigen und ich, in ständiger Sorge um das Zelt, versuchte ein wenig Schlaf zu finden. Es folgten drei Nächte in einer Bothy mit einem Tagesausflug auf einen Munro und einem Ruhetag.

                      Danach ging es nach Skye, eine Übernachtung in einem B&B, danach mehrere Nächte in einer Bothy an der Küste. Dann, als Abenteuer zum Abschluss, eine zweite Übernachtung im Zelt. Beim ersten Versuch das Zelt aufzubauen zerlegte es mir dieses fast durch den Sturm an der Küste. 10 Minuten stand ich im strömenden Regen, hielt die Zeltstangen mit den Händen fest und wartete darauf, dass der Wind abflauen würde, damit ich das Zelt wieder einpacken könnte. Der Zeltplatz war vollkommen ungeeignet und einem massiven Wind – umgelenkt von einer Felswand - von der Küste ausgesetzt, der sogar zur Sperrung der Brücke nach Skye für Busse und LKWs führte. Ich sprach mit dem Wind, gestand ihm zu dass er gewonnen habe und ich mich verziehen würde. Nur bitte bitte möge er mir noch einen kleinen Aufschub gewähren, damit ich mein Zelt wieder einpacken könnte. Alles nur in den Packsack stopfen und weg von diesem verfluchten Ort!

                      Ich war körperlich und psychisch am Ende, war durch das Meer gewatet mit Wasser bis zur Hüfte („Bad Step“) und fand und fand keinen Zeltzplatz. Es folgten ca. 2 Stunden weiterer Wanderweg in der Dunkelheit mit Stirnlampe bis ich schließlich, an einem Hang, einen halbwegs ebenen Zeltplatz, ein wenig windgeschützt, fand, nachdem ich einen kleinen See fast umrundet hatte und dennoch keinen Zeltplatz gefunden. Es folgte die zweite Nacht im Zelt – nachdem gegen 3-4 Uhr ein Hirsch neben meinem Zelt angefangen hatte zu Röhren lag ich den Rest der Nacht wach.

                      Und so fand der erste Trekking-Urlaub – für mich ein wahnsinniges Abenteuer, und, gemessen an den Vorerfahrungen, eigentlich sogar das Größte, seinen Abschluss.

                      Lektion 2. Das Zelt hält.
                      Doch das Reisefieber hatte mich gepackt, zu viele tolle Reiseberichte hatte ich gelesen, und so ging es im April des nächsten Jahres – diesen Jahres – wieder nach Schottland.

                      Gegen nachmittag des ersten Wandertages fand ich eine gute Stelle und schlug direkt das Zelt auf. Ich hatte nachgerüstet mit einem Hilleberg Unna, das dem Wind und Regen in dieser Nacht souverän trotzte. Dennoch folgten – ich bin ein großer Bothy-Fan – zwei Nächte in einer Bothy, eine weitere in einer anderen Bothy und dann die zweite Nacht im Zelt. Nach 2 Übernachtungen in Kinlochewe ging es wieder in die Wildnis mit der nächsten Steigerung – zwei Nächte hintereinander im Zelt. Einmal auf 800m nahezu auf einem Gipfel und einmal an einem See auf ca. 600m. Den Gedanken auf einer dritte Nacht danach im Zelt verwarf ich aufgrund des durchgehenden Regens an diesem Tag und schlug mich 20km wegelos durch bis zur nächsten Bothy, die ich voller Glückseligkeit in der Dämmerung und schon mit Stirnlampe erreichte.

                      Nach mehreren Nächten dort folgte noch eine weitere Nacht im Zelt – die Einsamkeit und Trostlosigkeit dort wurde durch den Schnee noch verstärkt – und eine letzte Nacht in der vierten Bothy.

                      Alles in allem eine klare Steigerung – und doch am Ende nur 5 Nächte im Zelt, 2 Tage im Hostel und 8 Nächte in Bothys. Dennoch war mir in den ersten 6 Tagen gerade einmal eine Person begegnet.

                      Lektion 3. Solo Trekking im Sarek
                      Nun sollte es also nach Schweden gehen. Ich wollte mehr, ich wollte Abenteuer. Der Sarek war mir ein Begriff, tauchte regelmäßig in Reiseberichten im Titel auf. Und so buchte ich meinen Flug nach Lulea nach ein paar Tagen Recherche, verschob den Rest der Planung auf später.

                      Nun also die Königsdiszplin. 16 Nächte hintereinander im Zelt. Keine Hütten. Keine Bothys. Kein entspanntes Verbringen eines Tages an einem Wind- und Regengeschützten Ort, an dem man herumlaufen kann, sogar Tisch und Stuhl hat. Und alle Verwandten rieten mir davon ab, sagten, das sei verrückt, zu viel Gewicht, zu wild, mach doch etwas nahe der Zivilisation. Aber hier im Forum gab es so viele Reiseberichte davon, dass ich mir dachte: So schwer wird’s schon nicht sein.

                      Das ist immer faszinierend, wie viel einem der Austausch mit Gleichgesinnten bringt. Was muss es vor 50 Jahren für ein Abenteuer gewesen sein, wenn man von solchen Touren nur aus Erzählungen und Büchern erfahren hat und sich dann entschieden, loszuziehen. Aber heute – man bekommt die Anreisedaten, die Tourbeschreibung, die Bilder. Wahnsinn. Auch wenn ich die Strecken, die ich nachlaufe, meist gar nicht so detailliert lese. Desto weniger ich weiß, desto mehr Überraschung und Abenteuer ist dabei. Wobei ich mir z.B. mögliche Übernachtungsplätze schon vorher auf der Karte markiert habe um die Tagesetappen grob zu planen.

                      Für mich war also klar – egal wie das Wetter wird, ich würde diese Tour durchziehen. Ob mir diese Art Urlaub gefällt oder nicht wollte ich hinterher entscheiden, aber einmal wollte ich es auf jeden Fall ausprobieren, gänzlich unabhängig von Hütten loszuziehen.

                      Spätestens morgen gehts weiter.
                      Zuletzt geändert von Freedom33333; 20.02.2020, 09:10.

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                      • Ljungdalen
                        Alter Hase
                        • 28.08.2017
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                        #12
                        AW: [SE] 16 Tage Frust und Lust, Höhen und Tiefen: Anfänger im Sarek

                        Zitat von Freedom33333 Beitrag anzeigen
                        Der Sarek hat 4 mögliche Einstiegspunkte, davon 3 im Norden und einem im Süden. Im Norden, von Ost nach West: Kebnats/ Saltoluokta, Suorva, Ritsem; im Süden: Kvikkjokk.
                        Der Vollständigkeit halber: +1 im Süden (Südosten), die Brücke über den Sitoälv (Sijddoaädno). Mit Auto und bei identischem Start/Ziel definitiv bedenkenswert, weil nur ein (relativ kurzer) Tagesabschnitt bis Aktse. Auch sonst nicht völlig abwegig, wenn auch weniger attraktiv: von Tjåmotis (an der Buslinie nach Kvikkjokk) kommt noch ca. ein Tag Straße/Fahrweg (20 km) hinzu, und *vielleicht* hat man ja Anhalterglück. Gesamtentfernung bis Aktse etwa wie von Kvikkjokk.

                        Zitat von Freedom33333 Beitrag anzeigen
                        Der schwächste Ausrüstungsgegenstand: Die Stöcke: Leki Khumbu (2019) ... Grund: Die Verbindung zwischen dem untersten und dem mittleren Segment hat überhaupt nicht gehalten. Sprich: Wenn der Stock auch nur ein klein wenig Widerstand beim Rausziehen hatte, blieb das unterste Segment stecken und man hatte den Rest des Stockes in der Hand. ...
                        Ja, genau so habe ich mir über die Jahre auch schon zwei Stöcke kaputtgemacht, einen Leki und einen Komperdell. Zugegeben, relativ(!) günstige Modelle. Aber weitaus teurere haben ja ähnliches Systeme. Theoretisch hilft dagegen, OFT zu prüfen, ob noch fest verschraubt, aber wer denkt da schon andauernd dran, gerade bei längeren Abschnitten in kritischem Gelände. Ist ärgerlich. Ich denke schon dran, entsprechend der von mir benötigten Länge ein Loch durchzubohren und dort mit Schraube/Flügelmutter zu fixieren.
                        Zuletzt geändert von Ljungdalen; 27.10.2019, 14:55.

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                        • Mika Hautamaeki
                          Alter Hase
                          • 30.05.2007
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                          #13
                          AW: [SE] 16 Tage Frust und Lust, Höhen und Tiefen: Anfänger im Sarek

                          Bin gespannt wie es osgeht. Angefüttert hast Du schon ordentlich.
                          So möchtig ist die krankhafte Neigung des Menschen, unbekümmert um das widersprechende Zeugnis wohlbegründeter Thatsachen oder allgemein anerkannter Naturgesetze, ungesehene Räume mit Wundergestalten zu füllen.
                          A. v. Humboldt.

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                          • Freedom33333
                            Dauerbesucher
                            • 09.09.2017
                            • 898
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                            #14
                            AW: [SE] 16 Tage Frust und Lust, Höhen und Tiefen: Anfänger im Sarek

                            30.08.2019: München nach Lulea
                            Morgens gegen 2 Uhr klingelt mein Wecker. Naja. Eigentlich nicht. Eigentlich war ich schon vorher wach und habe ihn deaktiviert, bevor er geklingelt hat. Mehr als ca. 2 Stunden dürfte ich in dieser Nacht auch nicht bekommen haben – hatte ich doch am Abend davor noch bis 10 Uhr gepackt und letzte Vorbereitungen getroffen.

                            Und so ist es denn in der S-Bahn zum Flughafen München auch erstaunlich leer. Immer wieder faszinierend, wie unterschiedlich die Wahrnehmungen sind, wenn man nicht tagsüber, sondern so früh reist. Und sofort ist man im "Es geht in den Urlaub" Modus.



                            Ich hatte ordentlich Zeitpuffer eingeplant, dann morgens am Flughafen stellte sich gleich die erste Herausforderung. Der Rucksack, Osprey Atmos AG 65, war voll mit Essen und Kleidung. Isomatte und Zelt mussten also außen am Rucksack befestigt werden. Dafür hatte ich extra einen recht robusten, sehr großen Plastiksack bei Globetrotter gekauft. Dennoch: Mein Hilleberg Unna, einfach in diesen Sack schmeißen? Was, wenn der irgendwo aufgerissen würde? Dann wäre das Zelt weg. Also mit zig Seilen und Klebeband erstmal morgens, ohne Kaffee, verschlafen am Flughafen, Isomatte und Zelt am Rucksack befestigt.





                            Endlich fertig musste es kommen wie es in solchen Situationen immer kommt – erst steht fast keiner an der Schlange, kommt man dort an, ist plötzlich eine Reisegruppe mit 100 Leuten vor einem. Adrenalin! Aber so richtig! Glücklicherweise ging dann doch alles gut und ich konnte, mit meiner ganzen Technik-Ausrüstung, zur Sicherheitskontrolle.



                            Dann, endlich, mit dem Flug von München nach Stockholm.



                            Am Flughafen Stockholm dann eher ein Alptraum: Ankunft an Terminal 4, musste ich für den Inlandsflug zu Terminal 5. Und an jedem Terminal befindet sich jeweils eine eigene Sicherheitsschleuse. Derartiges hatte ich noch nie erlebt. Was ich nicht wusste: Zwischen den beiden Terminals verkehrt ein Bus. Ich Idiot aber natürlich raus aus Terminal 4, dann, ewig lange durch den Flughafen gehetzt, um an Terminal 5 nur noch wenige Minuten bis zum Boarding zu haben – und die Sicherheitskontrolle vor mir. Mist! Glücklicherweise war die Schlange vor mir relativ kurz. Das hätte auch anders sein können.

                            Unvergessen das Gespräch mit dem Sicherheitsbeamten:
                            „What is this?“ *zeigt auf meinen Gaskocher*.
                            „It is a Gascooker“
                            „???“
                            „its for Cooking“
                            „???“
                            “If you go camping you can put gas in it and then cook food” *Mache Rühr- und Essbewegungen mit den Händen*
                            “Aaaahhh”.

                            Uff. Dann, in den zweiten Flieger.

                            Ich hatte mir vorher auf Google angeschaut, wie der Flieger in etwa fliegen würde. Und mich daher für einen Sitz am Fenster auf der linken Seite entschieden. Und dank des guten Wetters hatte man eine ausgesprochen tolle Sicht nach unten nach Schweden.





                            Mein erstes mal Schweden als Erwachsener. WAHNSINN! Dieses Panorama! Das ganze Land scheint nur aus Wald und Wasser zu bestehen. Zig Seen. Fast mehr Wasser als Land. Und erst die Küste! Unzählige Inseln – kleine Inseln, große Inseln, wie gemalt. Allein für diesen Flug hat es sich schon gelohnt, nach Schweden zu fliegen.

                            Einfach mal dort unten wandern gehen – mit einem Boot (Was ein Packraft ist wusste ich zu diesem zeitpunkt noch nicht, wurde erst von Evernorth aufgeklärt) zu einer der Inseln fahren und dann, wie Robinson Crusoe, ein paar Tage alleine auf einer eigenen Insel verbringen. Kam direkt auf meine Liste!




                            Ich erinnere mich noch gut an meine Berliner Zeit – in Brandenburg konnte man, auch am WE, durchaus schaffen, einen See mal für ein paar Stunden für sich zu haben. Kein Bratwurststand, kein Parkplatz, keine Touristenmassen. In Bayern? Keine Chance. Alles voll. Erst vor ein paar Tagen haben ich einen Artikel über den Walchensee gelesen und zehntausende Touristen, die jeden Tag dorthin kämen.

                            siehe hier: https://www.travelbook.de/ziele/seen...rn-overtourism

                            Dazu kommt eine zunehmende Rücksichtslosigkeit durch Freizeitstress und Freizeitegoismus
                            Die Einheimischen würden den Touristenanstrom nicht mehr bewältigen können. Alle aus München, alle auf der Suche nach der Ruhe der Natur. Verständlich. Und doch nicht die Art Ruhe und Natur, die ich als solche definieren würde.

                            Aber hier, in Schweden, ist das anders. Zig tausend Seen. Hier wäre es kein Problem, mit dem Auto zu einem x-beliebigen Punkt zu fahren, ein bisschen zu laufen und sich dann, vielleicht mit Angel, an einen solchen See zu setzen und mit einem guten Buch die Ruhe zu genießen.




                            Das Wetter wird schlechter. Als das Flugzeug in Lulea landet ist das Wetter: Nebelig. Trübe. Ich hatte, man möge es mir glauben oder nicht, in den Wochen vorher kein einziges mal einen Wetterbericht konsultiert. Wozu auch? Der Urlaub war gebucht, die Route war geplant. Die Ausrüstung müsste so oder so alles abdecken, egal ob Regen oder Sonne. Warum also den Wetterbericht lesen und sich womöglich Sorgen machen? Warum nicht einfach drauflos?

                            Jedenfalls: Das Wetter ist schlecht. Ich packe in Ruhe aus – einen so kleinen Flughafen hatte ich noch nie gesehen – und fahre dann mit dem Bus ins Zentrum.



                            Direkt erst mal zu einem Outdoor-Laden und dort Gas, weitere Riemen und einen weiteren Packsack gekauft. Dann zum Hotel (Quality Hotel Lulea) – ernüchternd, will man einen „Early Check in“ machen kostet das ca. 20€ = 33% mehr als gebucht. Wahrscheinlich heutzutage normal, ich fand es trotzdem lächerlich. Die Zimmer sind schon frei, ich habe schon gebucht und bezahlt, trotzdem muss ich jetzt noch mehrere Stunden warten.

                            Gepäckaufbewahrung nur in einem Wandregel ohne Kontrolle durch das Hotelpersonal direkt am Eingang. Da lege ich mein Hilleberg Unna bestimmt nicht rein.Also mit dem ganzen Gepäck noch 2 Stunden durch die Stadt gelaufen. Naja. Ich hätte mir einen besseren Beginn vorstellen können, ganz ehrlich. Vielleicht bin ich da auch zu misstrauisch, aber Vorsicht ist besser als Nachsicht. Weg ist weg.

                            Mit Zwei Ausrüstungsgegenständen war ich aber noch überhaupt nicht zufrieden. Erstens, der Gürtel – diesen hatte ich kurz vor der Tour im Internet bestellt – 50 5 Stern-Bewertungen. Nur: Erstens: Der Verschluss hakte. Ernsthaft. Man bekam ihn nie beim ersten Versuch auf. Man musste immer erst 10 Sekunden fummeln, bevor man den Gürtel aufbekam. Zweitens: Das Material war zu hart. Es schnitt sich regelrecht in die Hüfte ein.

                            Warum hatten eigentlich gefühlt 50% der Bewertungen auf amazon ein Foto von diesem Gürtel gemacht? Würde ich von einem 12€ Gürtel auf Amazon stolze Bilder einstellen, um meinen neuen Gürtel zu präsentieren? Ich glaube nicht. Das Ding taugte nichts. Und die Bewertungen waren höchstwahrscheinlich alle gefakt. Wie üblich.

                            Zweitens: Die Socken. Passten diese am Anfang immer gut, scheinen sich diese bei mir zu weiten. Die Vorformung für die Hacken saß bei mir immer 5cm weiter oben – und genau an der Stelle hatte ich – wie mir jetzt wieder einfiel – im letzten Urlaub an beiden Füßen mir die Haut aufgescheuert. Dank der neuen Socken und dank Tape an den entsprechenden Stellen sollte ich in diesem Urlaub - trotz einer vielfachen Belastung - keine solchen Probleme bekommen.

                            Also nochmal los, einen neuen Gürtel und ein neues Paar Socken gekauft. Letzteres, als ich 15min vor Ladenschluss durch die Tür stürmte und dennoch super von einer Dame beraten wurde. Top!

                            --
                            Am Abend machte ich mich dann auf ins Hotel von Evernorth, um mich mit ihm zu treffen. Im Comfort Hotel Arctic. Dessen Hotellobby wahnsinnig schön war.



                            Wir unterhielten uns, verstanden uns prächtig, redeten über seine Island-Erfahrungen (da will ich als nächstes hin) und beschlossen schließlich, noch in einem Restaurant essen zu gehen.

                            Nach einigem Hin und Her landeten wir schließlich in einer Kneipe und gönnten uns jeweils einen Burger. Dann ging es, nicht zu spät, endlich ins Bett. Fuhr doch unser Zug am nächsten Morgen immerhin schon ca. um 6.00 Uhr.

                            Wie praktisch, dass es in meinem Hotel Frühstück ab 5 Uhr gab – Wochentags. Am WE natürlich erst ab 6. Hrrgnnnnh. Immerhin durfte ich nach einem netten Gespräch mit der Empfangsdame am späten Abend noch meine Rucksack-Tüte (200g) und den überflüssigen Gürtel und das überflüssige Paar Socken in einer Tüte deponieren. Das war verständlicherweise sehr unüblich - „I come back in 2 Weeks“ aber es wurde möglich gemacht. Und versöhnte mich dann doch sehr. Hatte ich doch, in meinem Letzten Urlaub in Schottland, diese Tüte im Hostel unter dem Sofa im Gemeinschaftsraum versteckt.

                            Ich war schon super gespannt auf den morgigen Tag, auf den Heli-Flug und darauf, endlich wieder in der Wildnis anzukommen.
                            Zuletzt geändert von Freedom33333; 28.10.2019, 09:27.

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                            • Rainer Duesmann
                              Fuchs
                              • 31.12.2005
                              • 1642
                              • Privat

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                              #15
                              AW: [SE] 16 Tage Frust und Lust, Höhen und Tiefen: Anfänger im Sarek

                              Spannend! Nachdem wir uns in Schottland knapp verpasst haben, und ich noch nie in Schweden trekken war, umso interessanter für mich.
                              LG
                              Rainer
                              radioRAW - Der gesellige Fotopodcast

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                              • Freedom33333
                                Dauerbesucher
                                • 09.09.2017
                                • 898
                                • Privat

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                                #16
                                AW: [SE] 16 Tage Frust und Lust, Höhen und Tiefen: Anfänger im Sarek

                                Tag 2, Samstag der 31.8.2019: Lulea - Kvikkjokk - Tarraluopal - Vassjajavratja

                                Der Wecker klingelt früh, irgendwann um ca. 5.00 Uhr. Bloß nicht den Bus verpassen. Es gibt nur die eine Verbindung am Tag nach Kvikkjokk.

                                Die Atmosphäre um die Uhrzeit in der Stadt, nachdem diese am Tag vorher wegen eines Straßenfests ziemlich voll war, könnte anders nicht sein. Die Sonne geht bald auf, direkt am Ende der langgezogenen Straße in der Innenstadt.



                                Ich bin relativ früh dran, komme schon ca. 20 Minuten vorher am Bahnhof an, hatte schon am Abend vorher das richtige Gleis gesucht. Viele davon gibt es freilich nicht. Evernorth ist sogar noch früher da, sein Hotel war direkt gegenüber vom Bahnhof.



                                Dann heißt es erstmal warten, bis sich der Zug endlich in Bewegung setzt.

                                Im Reisebericht von vobo hatte dieser soweit ich mich erinnere geschrieben, die Jugendfussballmannschaft von Lulea hätte den Zug betreten, sodass er das Abteil nochmal gewechselt hat. Und tatsächlich steigt auch bei uns, wenn auch erst an einer späteren Haltestelle, eine Jugendfussballmannschaft ein.

                                Dann hat mir erstmal eine Schwedin in meinem Alter einen Kaffee ausgegeben, True Story!
                                (Ok, es war die Dame hinterm Tresen und das Kartenlesegerät funktionierte nicht, aber psst!)

                                Nach 90min Fahrt steigen wir uns und haben nun eine Weile Aufenthalt, bis endlich der Bus kommt. Eineinhalb Stunden müssen wir warten. Nach einiger Zeit öffnet das Bahnhofshäuschen mit kleinem Shop.



                                Zwei weitere Personen mit Trekking-Rucksäcken trudeln ein, ein Mann und eine Frau.

                                Wir kommen ins Gespräch, unterhalten uns eine Weile. Er hat einen verhältnismäßig kleinen Rucksack dabei, auch baumelt keine Isomatte draußen dran wie bei uns beiden. Auf die Frage, ob er den Kungsleden laufen wolle, entgegnet der ganz cool, er wolle auch eine Woche in den Sarek. Aber er hat ziemlich leichte Ausrüstung dabei, erstaunlich.

                                Er will irgendwo vor Kvikkjokk aussteigen und am Ende in Ritsem rauskommen. Sonderlich gut informiert scheint er sich aber nicht zu haben. Er erzählt nämlich davon, die Fähre an einem Tag zu nehmen, an dem sie meines Erachtens nicht mehr fährt, der Fährbetrieb endete laut Internet bereits einen Tag vorher. Das erstaunt ihn sehr, muss er so doch schon einen Tag eher ankommen, was aber laut seinen Angaben auch kein Problem sei. Da hätte er womöglich ein ziemliches Problem bekommen .



                                Dann geht es mit dem Bus – dieser verändert zwischendurch die Nummer, dennoch können wir im selben Bus bleiben – bis nach Kvikkjokk, insgesamt 3,5 Stunden. Das heißt wir kommen dort schon um 12.30 Uhr an.





                                Das ist insofern etwas misslich, als dass unser Heli-Flug erst um 18 Uhr geht. Also beschließen wir, erst noch bis zur STF Kvikkjokk Fjällstation zu laufen und schlagen dort die Zeit tot.

                                Und hier ist es voll! Richtig voll! Bestimmt 50 oder mehr Rucksäcke liegen außen an der Hütte, drinnen muss man die Schuhe ausziehen. Mit ein wenig Genugtuung schaue ich mir die Rucksäcke so an und komme zum Schluss, dass wir hier nahezu die einzigen sind, die in den Sarek wollen.



                                Eine deutsche Familie packt neben uns ihre Rucksäcke aus, die haben zig gesammelte Geweihe dabei. Das wäre eher nichts für mich.

                                Auch eine Waage gibt es hier. Und tatsächlich: Soweit ich mich erinnere bleibt Evernorth mit seinem Rucksack, wie er angekündigt hatte, genau bei 20kg. Ich bin bei 3kg mehr.



                                Der Shop in der Hütte ist relativ gut ausgestattet muss man sagen. Billig ist es freilich nicht.


                                Der Fluss direkt neben der Hütte ist ziemlich massiv und ich probiere ein wenig mit meiner Systemkamera und einem Verdunkelungsfilter mit längerer Belichtungszeit herum.



                                Gegen nachmittag leert sich die Hütte nahezu komplett – die Wanderer auf dem Kungslesen laufen scheinbar alle im selben Rhythmus. Morgens frühstücken, Mittagspause in einer weiteren Hütte sofern möglich, abends in der nächsten Hütte ankommen. Das wird bei uns – nunja – leicht anders laufen.

                                Nach einigen Stunden machen wir uns dann endlich auf zur Helikopterbasis, an der wir bereits vor 5 Stunden mit dem Bus vorbeigefahren sind.



                                Hier stehen neben uns noch zwei Männer die aussehen wie Armeetypen und – evernorth hatte es angekündigt und Recht behalten – riesige 100l Rucksäcke dabei haben und ein Pärchen, mit denen wir dann, nach dem Bezahlen, den Heli besteigen.


                                (Das ist nicht der mit dem wir fliegen sondern ein kleinerer.)

                                Und ich bin doch ein wenig nervös, war es doch immerhin mein erster Heli-Flug. Die Rucksäcke wurden in einer Gittertruhe außen am Heli untergebracht. So richtig viel Platz gab es nicht. Bei Helis scheint jedes Gramm Gewicht zu zählen, und so zwängten wir uns denn zu 8, mit 2 Piloten, in das kleine Gefährt.

                                Dann ging es endlich los – und was soll ich sagen. Wer jetzt denkt, das Fluggefühl in einem Heli wäre wie in einem Flugzeug, der wird enttäuscht. Das Ding bewegt sich beim Fliegen in ständigen, relativ rhythmischen Bewegungen, immer leicht von links nach rechts. Ich will es hier nicht verschweigen, wohl war mir nicht. Jedenfalls nicht in den Momenten, in denen der Heli dann noch ein wenig ruckelte.





                                Aber die Aussicht! Fantastisch! Die Gegend die wir überflogen hatte alles.

                                Berge.




                                Flüsse




                                Seen






                                Wälder.


                                Und wir überflogen zahlreiche bergige Graslandschaften mit Felsblöcken, eine Landschaft die so schön war, dass wir uns beide fragten, warum wir die Strecke nicht einfach gelaufen sind.

                                Das Wetter war – naja, mäßig. Strahlender Sonnenschein ist anders, aber Regen hatten wir auch nicht.

                                Nach einiger Zeit kamen dann mehrere Hütten in Sicht und wir wussten – gleich geht es los.


                                Nach der Landung gab es nochmal ordentlich Adrenalin. Ich musste ja meinen Rucksack samt Stöcken und abgeschnalltem Zelt und Isomatte einzeln in die Truhe packen. Aus einem mir nicht erfindlichen Grund, bestand der Pilot aber darauf – die Rotatoren liefen natürlich weiter, es stiegen ja nur wir beide aus – dass er den Kram aus der Truhe holte, auf der uns nicht zugewandten Seite.

                                Das wusste ich vorher natürlich nicht. Und rechnete fieberhaft im Kopf durch, ob er mittlerweile alles geholt hatte. Erst hatte er meine Stöcke vergessen, dann musste er nochmal los, meine Isomatte holen und zuletzt fehlte noch ein Packriemen, den ich unbedingt brauchte, um alles am Rucksack zu befestigen. Am Ende rief er mich dann doch zu sich, sodass ich mir den Kram selber holen konnte. All das mit den Rotatoren über einem und im Wissen, dass jede Sekunde die Betreiber Geld kostet. Aber wenn ein Ausrüstungsgegenstand vergessen würde, würde die Tour schon hier enden. Uff!

                                Man war ich froh, als ich endlich den ganzen Kram zusammen hatte!

                                ---



                                Der Helikopter wird kleiner…und kleiner…und kleiner.





                                Und weg ist er.

                                Und von einem Moment auf den anderen ist sie weg, die Zivilisation.
                                Von einem Moment auf den anderen sind wir mitten drin, in der Wildnis.
                                Dieses Gefühl, ich kann es kaum beschreiben.

                                Eben noch unter Menschen, in einem hochtechnisierten Gerät, wie auf einer Sightseeing-Tour – und jetzt, mitten in der Natur, mit Heide in allen vier Himmelsrichtungen, mit dieser unbeschreiblichen Weite. Sofort kommen all die Erinnerungen aus dem letzten Urlaub wieder hoch, sofort fühlt es sich wieder an, als wäre es gestern gewesen, dass mein letzter Urlaub geendet hat. Als wäre nichts dazwischen gewesen.

                                Hammer! In meinem ersten Trekking-Urlaub in Schottland war ich am Loch Affric gestartet und hatte mich langsam, Stück für Stück, in die Wildnis vorgearbeitet, mit einigen Tagesausflügern die mir noch begegnet waren.

                                Im zweiten Trekking-Urlaub war ich von einer Straße in die Wildnis gelaufen, ohne irgendjemandem zu begegnen – aber auch dort entfernte man sich langsam, Schritt für Schritt von der Straße hinter einem, mit dem Wissen im Hinterkopf: Ich kann jederzeit umkehren und an der Straße trampen.

                                Nicht dieses mal. Klar, ein paar Hütte sind noch in Sicht und auch ein paar Menschen werden dort sein. Aber das Gefühl - es war trotzdem komplett anders. Von einem Moment zum anderen: BAM!

                                Wunderschön!

                                Wir packen unseren Kram zusammen und es fängt natürlich direkt an, ein wenig zu nieseln. Aber kaum merklich. Wir beschließen, erstmal zu den Hütten zu laufen. Dann geht es durch die Heide, über ein paar Planken.



                                Schwer. Ganz schön schwer das Gepäck. Uff. Mal sehn ob ich da mitkomme beim Gehtempo schießt mir durch den Kopf. Aber das wird schon.

                                Und hier gibt es: Mücken! Mist. Hatte ich doch das Anti-Mückenspray aus meinem Rucksack rausrationalisiert beim Packen. Kaum sind wir an der Hütte angekommen, zähle ich auch schon 4 Mückenstiche. Und frage an einer Hütte die so aussieht wie die „offizielle“ Hütte nach Anti-Mückenspray.

                                Dort begegnen uns eine ältere Dame und ein älterer Herr – Verkaufen tun sie hier nichts dergleichen mehr, aber die Dame ist unfassbar nett, läuft extra zu ihrer eigenen Hütte und schenkt mir eine angebrochene Packung eines Anti-Mücken-Mittels. Ich gönne mir erstmal einen Erdnussriegel um das hinzugewonnene Gewicht auszugleichen.

                                Die Atmosphäre hier gefällt mir sehr gut – diese unglaubliche Weite, diese Landschaft – wir könnten auch in Schottland sein. Für mich ist jedenfalls zu diesem Zeitpunkt kein Unterschied feststellbar!

                                Und die beiden passen einfach nur so perfekt in diese Atmosphäre hier, dass ich gleich ein Foto mit den beiden machen muss.



                                Die beiden sind schon seit einem Monat hier und noch bis nächste Woche, bis die Saison endet. Evernorth meint, das sei wahrscheinlich eine ehrenamtliche Tätigkeit. So oder so: Auch eine interessante Art, Urlaub zu machen. In der Einsamkeit, aber unter Menschen, von denen jeder seine Geschichte zu erzählen hat. Kein Internet, kein Handy, einfache Lebensverhältnisse, aber immerhin ein Dach über dem Kopf.

                                Viel los scheint nicht zu sein. Die Saison geht dem Ende entgegen. Vielleicht haben sich auch alle in die Hütten verkrochen. Eine weitere Person sehe ich, die herumläuft, sonst niemanden. Aber die Gegend, die Atmosphäre gefällt mir.

                                Und ein klein wenig fühle ich mich dann doch besonders und bin stolz, dass wir beide eben nicht den Kungsleden, von Hütte zu Hütte laufen, sondern nun direkt in die Wildnis hinein.

                                Lange verweilen wir hier nicht, sondern machen uns, nach einem Blick auf die Karte, auf. Eine kurze Diskussion darüber, welchen Berg wir anpeilen sollen geht es auch schon los, immer bergauf.
                                Viele Sonnenstunden verbleiben uns nicht.

                                Auch diskutieren wir darüber, wie weit wir heute wohl noch kommen werden. Vobo ist am ersten Tag, so Tom, bis zum Alep Njoatsosjavrre gelaufen. Und weit sieht das auf der Karte bis dahin auch wirklich nicht aus. Aber nachdem wir losgelaufen sind kommen wir nach einer Weile zum Ergebnis: Sein Heli muss deutlich früher gegangen sein. In den 90-120min Sonne die uns verbleiben, schaffen wir es niemals bis dahin. Also beschließen wir, bis zu den beiden kleinen Seen – Vassjajavratja zu laufen und dort unser erstes Camp aufzuschlagen.

                                Immer wieder bleibe ich stehen, blicke zurück und genieße die Aussicht. Tom ist da etwas anders, er hat schon zu viele derartige Urlaube absolviert, für ihn hat der Blick nicht mehr den Reiz, den er für mich hat.



                                Und so bleibe ich dann auch immer ein wenig zurück, da ich jedes mal beim Umschauen meine Kamera rausholen und ein Foto machen muss. Ich kann nicht anders. Ich denke mir: Dann merkt er auch nicht, wie kaputt ich schon nach der ersten halben Stunde bin. ;). Ich bleibe nur deshalb zurück, weil ich Fotografiere.


                                Blick zurück:



                                Nach einer Weile fängt es an zu nieseln. Tom setzt entschlossen den Rucksack ab und zieht sich Regenjacke und Regenhose an. Es würde nach mehr Regen aussehen. Ich folge dem Beispiel, wenn auch noch ohne die Fähigkeit, anhand der Wolken festzustellen, ob der Regen stärker werden wird. Er tut es, und so laufen wir dann für eine Weile im Regen.


                                Wir sehen in einiger Entfernung zwei flache, weiße Objekte und philosophieren darüber, ob das die beiden Seen sind. Ich vermute anfangs, es könnte sich um Schneefelder sein, Tom meint, es seien die Seen. Wir schließen eine Wette ab. (Aber ohne Geschirrspüleinsatz)

                                Als wir immer näher kommen stellen wir irgendwann fest, dass wir beide nicht Recht hatten: Es ist der Fluss der an mehreren Stellen zu beachtlicher Breite aufläuft, die Seen befinden sich weiter rechts. Tom überlässt an diesem Tag mir die Navigation mit meinem Garmin, und so kündige ich nach jeder Bodenwelle an, wir müssten die Seen gleich sehen.

                                Gleich.
                                Jetzt aber.
                                Ok, dann die nächste.

                                Es wird langsam schon ein wenig dunkler.

                                Dann, endlich, sehr zu meiner Erleichterung, kommen wir an den ersten, kleineren See. Und sonderlich viel Sonnenlicht haben wir nicht mehr. Längst schauen wir schon nach geeigneten Zeltplätzen. Aber am ersten See finden wir nichts geeignetes. Mist.

                                Nach einer kurzen Besprechung, wie es weitergeht, beschließen wir den Kamm zwischen den beiden Seen zu besteigen. So richtig ersichtlich war die Formation des Bodens für mich auf der Karte nicht, und so war ich ursprünglich doch ein wenig überrascht, dass er erste See höher liegt als der zweite, es aber doch zunächst noch weiter bergauf geht. Auf der Karte sah es so aus, als würde es vom ersten See direkt wieder bergab gehen.

                                Als wir auf dem Kamm angekommen sind und ein paar halbwegs geeignete Plätze finden – es hat schon deutlich begonnen zu dämmern – bin ich froh als Tom entschieden sagt: „Wir bleiben hier“. Und in der Tat finden sich hier einige ziemlich ebene Stellen. Freilich, komplett windstill ist es hier nicht, der Wind kommt von Südosten, aber übertrieben stark ist er nicht.

                                Einen kurzen Abstecher an die Kante in Richtung Norden machen wir noch um runter zu schauen zum zweiten See.


                                Dort unten sieht es ziemlich eben aus – aber bis wir dort gewesen wären, wäre es eben nochmal deutlich dunkler geworden. Außerdem konnten wir von hier oben weder beurteilen, ob dort unten viel Gestrüpp oder Gras war, noch ob es sich eher um einen Sumpf handelt.

                                Der Regen hatte sich wieder verzogen und die Aussicht – links ein See, dahinter der aufsteigende Hang, rechts ein See, dahinter die weite Ebene, in der Mitte auf einer Ebene unsere beiden Zelte im Wind – war ausgesprochen spektakulär. Endlich angekommen im Urlaub.Ein wahnsinnig schöner Zeltplatz, den ich, sofern es nicht all zu sehr stürmt, daher sehr empfehlen kann.



                                Ein kurzer Abstecher runter zum Wasser um Wasser zu holen und es sich dann gemütlich machen.

                                Ich bin mir nicht mehr ganz sicher ob am Abend oder am nächsten Morgen, jedenfalls nimmt Tom noch todesmutig ein Bad im See.
                                Zuletzt geändert von Freedom33333; 20.11.2019, 14:28.

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                                • vobo

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                                  #17
                                  AW: [SE] 16 Tage Frust und Lust, Höhen und Tiefen: Anfänger im Sarek

                                  Zitat von Freedom33333 Beitrag anzeigen
                                  Im Reisebericht von vobo hatte dieser soweit ich mich erinnere geschrieben, die Jugendfussballmannschaft von Lulea hätte den Zug betreten, sodass er das Abteil nochmal gewechselt hat. Und tatsächlich steigt auch bei uns, wenn auch erst an einer späteren Haltestelle, eine Jugendfussballmannschaft ein.

                                  ...

                                  Auch diskutieren wir darüber, wie weit wir heute wohl noch kommen werden. Vobo ist am ersten Tag, so Tom, bis zum Alep Njoatsosjavrre gelaufen. Und weit sieht das auf der Karte bis dahin auch wirklich nicht aus. Aber nachdem wir losgelaufen sind kommen wir nach einer Weile zum Ergebnis: Sein Heli muss deutlich früher gegangen sein. In den 90-120min Sonne die uns verbleiben, schaffen wir es niemals bis dahin.
                                  Ja, mein Heli ging um 13 Uhr planmäßig, und 4 Stunden habe ich bestimmt gebraucht. Ich dachte, der wäre eigentlich immer im Anschluss an den Bus getaktet ?!

                                  @Daniel, Anne: Das ist wahres Stalking was ich hier erlebe

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                                  • Gonorth
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                                    • 25.10.2019
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                                    #18
                                    AW: [SE] 16 Tage Frust und Lust, Höhen und Tiefen: Anfänger im Sarek

                                    Nice start! I hope you will continue soon.

                                    And I am looking forward to read the report of your approach to Skierffe!

                                    Here are two pictures of The making of....



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                                    • Freedom33333
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                                      • 09.09.2017
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                                      AW: [SE] 16 Tage Frust und Lust, Höhen und Tiefen: Anfänger im Sarek

                                      Tag 3: Sonntag der 1. September 2019: Vassjajavratja - Nach Norden, zwischen den Gipfeln auf 1175 und 1310 durch ins Njoatsosvagge zum westlichen Ende des Alep Njoatsosjavrre

                                      Ungewohnt ist es, morgens im Zelt aufzuwachen. Auch fehlt mir noch die Routine, man weiß noch nicht genau, welche Gegenstände man wann braucht. Grundsätzlich hat man ja diverse Packsäcke mit diversen Gegenständen, geordnet nach Themen etc. Sprich: Die Elektronik in einem Beutel. Zahnbürste & Waschzeug im anderen usw. Im letzten Urlaub hatte ich noch den Fehler gemacht, zu viele kleine Beutel dabei zu haben, die dann noch alle gleich aussahen. Da musste man jedes mal 3 Beutel aufmachen bis man den richtigen gefunden hatte. Dieses mal hatte ich verschiedene Farben und so fiel mir die Organisation doch um einiges leichter.

                                      Das erste was ich an diesem Morgen mache ist – inspiriert von einem Youtube-Video von „Sacki“ – aus dem Zelt zu klettern, die Kamera mit Stativ aufzubauen, ein Video zu starten und dann wieder ins Zelt zu klettern, um dann, möglichst realistisch, gähnend, das Zelt aufzumachen und so zu tun, als würde ich gerade aufstehen

                                      Ursprünglich hatte ich auch vor, ggf. ein Video von der Tour zusammenzuschneiden – leider hat meine Alpha 6000 bzw. das KIT-Objektiv keinen Bildstabilisator (Was ich natürlich erst nach der Tour rausbekommen habe), sodass die Videos, die aus freier Hand gefilmt sind, alle extrem zittern. Schade. Da macht mein Handy – absolut idiotensicher – deutlich bessere Videos. Sei es drum. Weiter im Text.

                                      Danach gibt’s einen Kaffee. Innenzelt aushängen und schon kann man im Unna wunderbar im Vorzelt kochen.



                                      Da wir gestern schon in der Dämmerung angekommen sind hier noch ein paar Fotos von unserem Zeltplatz #1. Das Wetter ist durchwachsen. Ab und zu befand sich mal keine Wolke vor der Sonne, sodass diese sich für ein paar Momente in den beiden Seen spiegelte und eine tolle Atmosphäre entstehen ließ. Im Kern bestand der Himmel aber aus dichten, langgezogenen Wolken, kombiniert mit starkem Wind und teilweise Regen. Eine düstere Atmosphäre!


                                      Der kleinere See im Süden


                                      Blick nach Osten


                                      Blick nach Nordwesten





                                      Der größere See im Norden

                                      Sommer, Sonne, Sonnenschein? Nee…


                                      Frühstück!


                                      See im Süden


                                      Und SO Sieht es aus, wenn mal für einen Moment die Sonne durchkommt

                                      Und hier nochmal im Überblick: Auf dem Kamm, Seen auf beiden Seiten, links die weite Ebene von der wir gekommen sind, rechts geht’s bergauf


                                      Nach dem Einpacken der Zelte wollen wir absteigen, zum zweiten, größeren See. Kaum stehen wir oben an der Kante, sehen wir auch schon eine Herde Rentiere, die von links nach rechts laufen. Mangels Teleobjektiv verzichte ich auf Fotos, da ist das Forum besseres gewöhnt . Jedenfalls warten wir ein bisschen, um den Tieren nicht den Weg abzuschneiden bevor wir uns an den Abstieg machen und den See links umrunden. Als gut machbar, aber doch als ziemlich steil habe ich das kleine Stück in Erinnerung.


                                      Am Abfluss des Vassjajavratja war dann der erste Bach zu überqueren, für den ich meine Wanderstiefel aus - und meine Neoprenschuhe anziehen musste.

                                      Die Gegend ist zunächst noch voller Gras, wird dann aber immer steiniger.


                                      Auch Geweihe finden wir reichlich


                                      Zunächst bleibt es grasig



                                      Wird dann aber steiniger


                                      Was ist das? Ein vertrocknetes Moor? Oder doch der Landeplatz eines Ufos?

                                      Als wir einen Stock finden meint Tom zu mir, Berniehh würde sich auf seinen Touren immer einen solchen Stock vor Ort suchen. Also deponieren wir den Stock an einem Steinhaufen, sodass er ihn auch findet, wenn er mal vorbeikommen sollte.


                                      Das Wetter wird leider schlechter. Die Aussicht ist trübe. Auch der Wind nimmt, desto höher wir kommen, immer mehr zu. Wir müssen anhand der Karte entscheiden, auf welcher Höhe wir den Kamm anpeilen, damit wir nicht zu hoch rauskommen und am Ende wieder absteigen müssen. Auch ist auf der Karte ein Rentierzaun eingezeichnet, für den es wohl an einigen Stellen Tore oder irgendeine Art von Durchlassen gibt.

                                      Wir steigen höher. Es kommt Regen dazu. Und der Wind wird stärker. Und stärker. Und stärker. Den Ursprungsplan, auf den Hügel zu unserer linken aufzusteigen um den Blick auch auf die beiden kleinen Seen im Norden zu haben verwerfen wir ganz schnell wieder. Irgendwann ist der Wind so stark, dass man sich schon mit Stöcken abstützen muss, um nicht umgeworfen zu werden.


                                      Der Wind treibt Wolken links und rechts an uns vorbei. Sich so schnell bewegende Wolken aus solcher Nähe habe ich noch nie erlebt. Lässt sich auf einem Foto freilich nur erahnen

                                      Das ist kein Wind mehr. Das ist Sturm. Man kann sich schon fast gegen den Wind legen, ohne nach vorne umzufallen. In dem Sturm muss man die Karte, die man rausholt, erstmal richtig gut festhalten, sonst ist sie nämlich auf und davon. Wir halten uns auf Toms Vorschlag weiter auf der rechten, östlichen Seite und erreichen schließlich den Zaun. Hier muss er erstmal anhalten, da sich durch den Wind seine Rucksackhülle löst und wie wild herumflattert. War mir im letzten Urlaub auch mehrfach passiert, also hatte ich mit einer gut passenden und gut zu befestigenden Hülle nachgerüstet. Während er also seine Hülle neu befestigt, lege ich meinen Rucksack ab und kundschafte den Zaun aus, um einen Weg daran vorbei zu finden. Nach ein paar Hundert Metern endet der Zaun – einfach so. Warum steht dann da ein Zaun??? Wenn er mitten in der Pampa einfach endet? Ok, er endet auf einem Plateu und dahinter geht es bergab, aber wenn wir es an der Kante entlangschaffen, dann schaffen das die Rentiere wohl auch.

                                      Also wieder zurück. Der Sturm ist so stark, dass wir auch diskutieren, ob wir riskieren können, in das Tal abzusteigen – immerhin müssen wir dann da unten auch irgendwo unsere Zelte aufstellen. Aber die einzige Alternative, den Hügel zu unserer linken zu umlaufen und direkt ins nächste Tal zu laufen, wird verworfen. Auch ist der Wind nach meiner begrenzten Erfahrung an solchen Stellen immer mit Abstand am stärksten und unten im Tal weniger. Schließlich wagen wir es und laufen zum Ende des Zauns.

                                      Allerdings ist es hier zu steil, zu steinig um abzusteigen. Zu unserer Rechten befindet sich aber ein Schneefeld, über das man absteigen könnte. Unter diesem klaffen aber große Lücken, außerdem ist es zu einer Eisschicht gefroren. Ein von mir zögerlich zur Probe darauf gesetzter Fuß findet überhaupt keinen Halt. Am Linken Rand des Schneefeldes lässt es sich aber gut absteigen, alles gut machbar.





                                      Bis zum ersten See ist es aber noch eine Weile. Und der Wind. Und der Regen. Bäh! Oben auf dem Kamm war ich noch voller Energie und Wagemut, wollte unbedingt die geplante Route laufen, hatte Spaß, fand auch den Sturm da oben fast schon witzig. Jedenfalls konnte ich darüber lachen. Ein Abenteuer!

                                      Auch allgemein muss ich sagen – das wird noch Thema dieses Threads werden – fand ich das Trekken zu zweit komplett anders als alleine. Dazwischen liegen Welten. Jedenfalls psychisch betrachtet, wenn es um das Treffen von Entscheidungen in kritischen Situationen geht.

                                      Jedenfalls: Der Abstieg dauert eine Weile. Und der Regen hört und hört nicht auf. Dieses ständige Wasser, von vorne, von hinten, von oben, bäh. Meine gute Laune hatte sich längst verflüchtigt.

                                      Da wir erst recht spät aufgebrochen sind hatten wir beschlossen, heute gar nicht mehr den Aufstieg zwischen den beiden Seen anzugehen, sondern uns irgendwo hier unten einen Zeltplatz zu suchen. Was gar nicht so leicht war.

                                      Und doch wollte sich bei mir nicht das Gefühl einer kritischen Situation einstellen. Immerhin: wir waren zu zweit. Und Tom hatte schon so viel Erfahrung. Das finde ich, im Nachhinein betrachtet, erstaunlich: Wenn man zu zweit ist, fühlt sich alles viel einfacher an. Man sucht selbst einen Zeltplatz – aber man weiß: Da ist noch jemand, der sich auch umschaut, der vielleicht etwas weiter links oder rechts läuft und vielleicht etwas entdeckt, was einem selbst entgeht.

                                      Auch erscheint es einem nahezu unmöglich, dass man eben keinen Zeltplatz findet. Man ist zu zweit. Das würde den anderen auch betreffen. Der hat sowas schon oft mal gemacht. Die Zweifel, die man hätte, wenn man alleine wäre – habe ich im Voraus eine schlechte Entscheidung getroffen? Gibt es hier keine Zeltplätze? Hätte man das im Voraus erkennen können müssen? All das existiert nicht und wird im Kopf verdrängt vom Gedanken: „Klar, ich suche auch. Aber der andere wird schon etwas finden“. Da hinten? Eine perfekte, grüne, ebene Fläche? Ich beschleunige meinen Schritte. Aber hier steht – wie an so vielen Stellen davor – das Wasser tief im Gras. Wie in Schottland. Mist.

                                      Weiter bergab. Wieder nichts. Und wieder nichts. Als wir schließlich schon fast auf der Höhe des Sees sind, macht der Bach zu unserer linken einen Knick nach rechts und umfließt gewissermaßen eine Art Düne vor uns. Die schonmal den Wind ein wenig abhält. Und dann entdecken wir, weiter hinten, vor dem Knick des Bachs, der hier ziemlich flach dahinfließt, den perfekten Zeltplatz. Wahnsinn! Der Fluss teilt sich auf, umfließt links und rechts eine recht große, ebene Fläche, und trifft dahinter wieder zusammen. WUNDER-SCHÖN!

                                      Und direkt neben uns kam noch ein weiteres Bachbett dazu, von der rechten Bergseiten. Das Wasser floss auch hier, auf einer glatten Steinfläche, garniert mit jeder Menge Steinen und leicht abschüssig auf einer erheblichen Breite von oben herab. Wahnsinnig schön!



                                      Die Entscheidung fällt nicht schwer, wir bauen unsere Zelte auf. Der Wind war immer noch nicht unerheblich, aber durch die Düne vor uns wurde er ein wenig abgehalten. Auf derselbigen oder weiter am See hätte man wahrscheinlich auch noch etwas gefunden, das wäre dann aber mitten im Wind / Sturm gewesen.




                                      Zuletzt geändert von Freedom33333; 20.11.2019, 14:28.

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                                        Zitat von vobo Beitrag anzeigen
                                        Ja, mein Heli ging um 13 Uhr planmäßig, und 4 Stunden habe ich bestimmt gebraucht. Ich dachte, der wäre eigentlich immer im Anschluss an den Bus getaktet ?!
                                        Bei uns scheinbar nicht. Jedenfalls wurde am Telefon nur von dem 18 Uhr Flug erzählt. Vielleicht richtet sich das auch nach Angebot und Nachfrage. Da die anderen teils mit dem Auto gekommen sind, war es für die wahrscheinlich auch nicht machbar, so früh dort zu erscheinen.

                                        Zitat von vobo Beitrag anzeigen
                                        @Daniel, Anne: Das ist wahres Stalking was ich hier erlebe
                                        Wieso? Hast du denn nicht auf deiner Tour die Drohne bemerkt, die die ganze Zeit hinter dir hergeflogen ist?

                                        Naja ich muss sagen ich habe deinen Bericht eigentlich nur überflogen und mir - wie auch von zwei anderen Reiseberichten - die ungefähren Zeltplätze markiert um eine Ahnung davon zu bekommen, welche Distanzen realistisch sind und um in der Hinterhand mögliche Orte zum Zelten zu haben.

                                        Im Kern wollte ich bei meiner Tour an zwei Orten vorbeikommen: Die Luohttolahko und den Skierffe. Wenn man noch mit dem Heli-Flug startet gibt es gar nicht so viele mögliche Varianten, wenn man 14 Tage Zeit hat und möglichst viel sehen will. Vor allem hat man mit der Extra Schleife nach Norden oder dem Abkürzen nach Osten ein wenig Flexibilität. Daher war dein Reisebericht dann auch der letzte, den ich mir angeschaut habe, da sind einem dann ein paar Sachen in Erinnerung geblieben.
                                        Zuletzt geändert von Freedom33333; 04.11.2019, 12:28.

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