[ES] Ibiza by trike oder Stärker als Achselschweiß

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  • dirkpausk
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    • 04.02.2016
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    • Meine Reisen

    [ES] Ibiza by trike oder Stärker als Achselschweiß

    Tourentyp
    Lat
    Lon
    Mitreisende
    Bei diesem Bericht handelt es sich um die Fortsetzung der Reise, die mit [FR] gestrandet-vor-den-Pyrenäen begann. Dazwischen liegen dreieinhalb Wochen auf Formentera, die ich ebenso wenig missen möchte, jedoch wenig mit dem zu tun hat, was ich "Outdooraktivitäten" nennen würde.


    Pflege der Ausrüstung


    Karneval


    Frühstück auf der Terrasse


    auf dem Holzweg


    Kaffeetrinken am Piratabus


    Sundowner am 62

  • dirkpausk
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    • 04.02.2016
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    • Meine Reisen

    #2
    Wie oft ich bereits auf Ibiza zwischen Hafen und Flughafen hin und her pendelte?
    Ich weiß es nicht. Irgendwann habe ich aufgehört zu zählen. Die ersten Male war ohnehin alles ganz einfach. Als Pauschaltourist gen Formentera kümmert sich die Reiseleitung darum, dass ein jeder im richtigen Bus landet. Der Individualreisende hingegen sieht sich konfrontiert mit einer Grundsatzfrage: Bus oder Taxi? Greift man auf letzteres zurück, reagiert man auf den fragenden Blick des Chauffeurs im einfachsten Fall, indem man, je nach Fahrtrichtung, Puerto oder Formentera beziehungsweise Aeropuerto oder Airport über die Lippen bringt – auch nicht viel komplizierter. Wählt man den Linienbus, kann der Transfer bereits zum Abenteuer werden. Es gibt mehrere Fahrtziele, die von den beiden infrage kommenden Haltestellen aus angesteuert werden. Steigt man in den erstbesten Bus ein, lernt man möglicherweise Ecken der Insel kennen, die man gar nicht kennen lernen wollte. Das kann reizvoll sein, birgt jedoch das Potential, seinen Flieger oder die nächste Fähre zu verpassen. Auf jeden Fall aber bereichert es das Repertoire an Reiseerlebnissen. Mit der Linie 10 jedoch liegt man richtig (Stand: Winter 2018). Und fährt man der mit dem Rad hinterher, landet man auch nicht verbotenerweise auf der Schnellstraße, sondern zockelt über Sant Jordi mehr oder minder von einer Urbanisation in die nächste.
    Viermal folgte ich bislang dem Bus mit dem Rad gen Flughafen. Einmal davon steuerte ich zuvor in der Nähe des Hafens das Fremdenverkehrsbüro an. Ich wollte wissen, ob es eine halbwegs attraktive Alternative für Pedalisten gäbe. Die Antwort war enttäuschend. Nein, die Busstrecke sei wohl die Route der Wahl. Für den Bedarfsfall drückte man mir jedoch ein Paket in die Hände, welches knapp zwei dutzend Beschreibungen sowie eine Übersichtskarte für Touren über das Eiland enthielt – fein säuberliche aufgeteilt in Vorschläge für Mountainbiker und Asphaltfetischisten.

    Dieses Mal trat er ein, der Bedarfsfall. Anfang März, da sollte es auf der Partyinsel noch ruhig zugehen. Zudem versprach der Wetterbericht passable Aussichten. Zeitweise Sonne, kein Regen, Temperaturen im unteren zweistelligen Bereich – selbst die Nächte über. Ideale Voraussetzungen also, sich ein fünftes Mal nicht erneut mit der kurzen Strecke zu begnügen, sondern weiter auszuholen. In vier Tagen sollten sich bereits einige Winkel der Insel erkunden lassen.
    Die erste Planung sieht einen Rundkurs gegen den Uhrzeigersinn mehr oder weniger entlang der Küste vor. Nachdem mir unabhängig voneinander auf Formentera zwei Bekannte raten, auf jeden Fall Santa Gertrudis in die Route einzubeziehen, revidiere ich mein Vorhaben. Der Ort stellt quasi Ibizas geographischen Mittelpunkt dar und sei äußerst sehenswert.

    Am Samstag den 3.3.2018 ist es soweit. Mit einer entsprechend präparierten Route auf dem Navi setzte ich mit der Fähre um elf über. Die Vorhersage auf der Próximo Ferry Webseite am Vortag: schlechte Überfahrt.
    Als ich im Hafen von La Savina das Einlaufen der Nixe beobachte, des Bootes, das mich auf die Nachbarinsel bringen soll, ist es in der Tat windig. Entsprechend überrascht es mich nicht, dass mein Liegedreirad im Bauch des Schiffs mit einem Tampen an der Bordwand gesichert wird.
    Aus Süd blasend sind die ersten Kilometer dann auch ein wenig schaukelig. Mit frischer Luft um die Nase und der Sonne im Rücken drängt es mich jedoch zu keinem Zeitpunkt, mir die letzte Mahlzeit nochmals durch den Kopf gehen zu lassen. Ohne besondere Vorkommnisse bewältigt der Dampfer die gut 20 Kilometer in der geplanten halben Stunde, dann rolle ich ebenso als letzter von Bord, wie ich auf Formentera den motorisierten Fahrzeugen folgte.


    Vorabend - die Taschen sind gepackt (más o menos/mehr oder weinger)


    Aufbruch


    Boarding


    bewegende Überfahrt


    Ibiza


    warten, dass jemand die Klappe aufreißt

    Vor der Kulisse der Altstadt zieht es mich einstweilen zum nächsten Movistar Laden. Ich hatte den Telefonanschluss im Ferienhaus ebenso gekündigt wie das Bankkonto aufgelöst und will die letzte Zahlung leisten, bevor das Kreditinstitut einen Abbuchungsversuch zurückweist. Der Geschäftsraum ist schnell gefunden, aus meinem Ansinnen wird jedoch nichts. Eine Schlussrechnung ist noch nicht geschrieben und die Registrierung einer Kreditkarte kann nicht vorgenommen werden, da mit der Abmeldung keine Änderungen an den Daten mehr möglich sind. Im IT-System des Kommunikationsanbieters besteht für meinen Geschmack noch Verbesserungspotential, doch interessiert sich niemand für meine Meinung.
    Meinen Bestrebungen, in einem der geöffneten Fahrradgeschäfte passende Beläge für die Scheibenbremsen meines Rades zu finden, ist ein ähnlicher Erfolg beschert. Das, was der Hersteller des Vehikels verbaute, ist für konventionelle Gefährte zu exotisch. Muss ich also weiter mit dem auskommen, was von zwei Paar verschlissenen Stoppern noch übrig ist.
    Schwierigkeiten habe ich ebenso mit dem Einstieg in meine Route. Von Puig d'en Valls aus will ich eine kleine Verbindungsstraße Richtung Norden fahren. Wollte mich der Routenplaner bereits auf die Schnellstraße lotsen, so ergeht es mir in ersten Anläufen nicht anders. Ich drehe einige Ehrenrunden, die immer wieder vor entsprechenden Zufahrten enden, bevor ich die Unterführung entdecke, von der aus ich ungefährdet in das Dorf gelange. Dass es halb zwei geworden ist und es sich am Himmel langsam aber sicher zuzieht? Nicht zu ändern, ärgern zwecklos.

    Eine gute halbe Stunde später erreiche ich nach acht Kilometern auf schwach frequentiertem Asphalt das Hippodrom San Rafel. Rennatmosphäre schnuppere ich keine. Laut ibizenkischer Radwegbeschreibung bin dafür einen Tag zu früh dran. Jeden Sonntag werde geschaut, wer der Schnellste ist. Samstag am frühen Nachmittag rieche ich Stallmist, sehe an Wände gelehnte Sulkys und einen älteren Herren, der sich um das Wohlergehen eines Traber kümmert. Ich spreche ihn durch einen Zaun voneinander trennt an.
    „Darf ich einmal einen Blick um die Ecke werfen?“
    Der gute Mann hat nichts dagegen.
    „Schau mal. Dort hinten, da ist ein Tor. Das ist verschlossen. Daneben ist eine Tür. Die ist nur angelehnt.“
    Augenblicke später ist der Zugang gefunden und ich stiefele zwischen aufgewühltem Matsch und breiten Pfützen zu einer kleinen Tribüne. Eine weitaus größere liegt mir gegenüber. Dazwischen erstreckt sich das Rund mit seinem staubig, sandigen Untergrund sowie einem Innenraum, auf dem ein paar Pferde grasen. Dort, wo Hufe bisweilen über den Boden donnern, pirscht lautlos eine Katze. Es herrscht eine friedliche Stille. Niemand, der mit dem Wettschein in der Hand fiebert, dass sein Favorit das Rennen macht, kein Jockey, der den vor sich eingespannten Vierbeiner hetzt, keine aus einem Lautsprecher quakende Stimme, die das Geschehen kommentiert und sich beizeiten überschlägt. Statt dessen einfach nur eine entspannte Ruhe.


    Hippodrom San Rafel


    Blick hinter den Zaun

    Ähnlich beschaulich geht es weiter. Kurz hinter der Pferderennbahn knickt eine Schotterpiste rechts ab. War der Anstieg bislang auf 80 Meter über dem Meeresspiegel eher flach, so wird es auf holperigem Untergrund steiler. Zu beiden Seiten des Weges zweigen immer wieder Zufahrten zu Grundstücken ab, ansonsten viele Natursteinmauern, Pinien, hin und wieder ein kläffender Hund. Zu sehen ist keine Menschenseele. Auf zwei kurvigen Kilometern verdoppele ich meine Höhe, dann habe ich wieder Asphalt unter den Rädern und das gepriesene Santa Gertrudis ist erreicht. Ein Bauerndorf, das sich trotz einiger Bars, Restaurants und Boutiquen seinen Charme bewahrte. Die meisten Häuser sind traditionell weiß gekalkt, die Kirche ist das höchste Gebäude geblieben, auf der Straße herrscht samstagnachmittägliches Treiben: Kinder spielen Fangen, Verstecken oder schießen sich den Ball zu, Erwachsene sitzen an Tischen, trinken, quatschen, dösen. Alles geht ganz unaufgeregt zu – man genießt das Sein. Ich drehe eine Runde über die Fußgängerzone, komme mir ein wenig fehl am Platze vor, mit meinem Gefährt die Aufmerksamkeit auf mich ziehend, schieße ein paar Bilder und kurbele weiter.
    Vor dem nächsten Supermarkt mache ich halt. Der Laden hat geöffnet. Gelegenheit, mir eine Banane einzuverleiben und mich mit einer Flasche Limo sowie Wasser für den Abend einzudecken. Das Rad lasse ich stehen, ohne es abzuschließen. Auch das Navi bleibt in seiner Halterung. Lediglich die Parkbremse arretiere ich mit dem kleinen Hebel, den ein ungeübtes Auge kaum wahrnehmen dürfte. Ein paar Jugendliche schauen neugierig, wollen wissen, ob mein Vehikel einen Elektroantrieb habe.
    „Nein, das einzig Elektrische an dem Rad ist die Beleuchtung.“
    Mit meiner Antwort ernte ich anerkennendes Kopfnicken. In Zeiten, in denen selbst Kinder auf Akku betriebenen Fortbewegungsmitteln unterwegs sind, dem Anschein nach ein Anachronismus, aus eigener Kraft zu reisen. Ich lasse die, die üblicherweise wahrscheinlich auf einem Roller durch die Gegend knattern, stehen und erledige meinen Einkauf. Als ich zurück komme, sind die Heranwachsenden weitergezogen. Mein Rad macht einen unangetasteten Eindruck – eine Erfahrung, die bisherige bestätigt: in den kleineren Orten ist die Welt noch in Ordnung.
    Ich schäle gerade meinen Pausensnack aus seiner natürlichen Verpackung, da werde ich von dem Nächsten angesprochen. Ein Mann in etwa meinem Alter. Er interessiert sich für mein Woher und Wohin und stellt sich mir als Peter vor. So, wie halt alle Holländer heißen. Sagt er. Ich gehe nicht näher auf seinen Namen ein. So viele Holländer kenne ich nicht. Von denen, die ich kenne, heißen jedoch die wenigsten Peter. Tut aber nicht viel zur Sache. Nachdem ich Peter in kurzen Worten schildere, wie ich nach Santa Gertrudis gelangte und wie es weitergehen soll, will ich von ihm wissen, was ihn hierher verschlug.
    „Ich lebe hier seit zig Jahren. Ich mag Ibiza. Hier leben nette Menschen, viele Künstler, ist meist schönes Wetter und es gibt keinen Stress.“
    Wovon Peter lebt, erzählt er mir nicht. Statt dessen erfahre ich, dass es kein Problem auf Ibiza sei, für ein Glas Bier oder eine Limo in angesagten Lokalen zehn Euro zu zahlen, dass der Eintritt in einen Club oder eine Disko ein Vielfaches kosten kann und dass Peters Freunde und Bekannte Deutsche sind und er daher keine Notwendigkeit für sich entdeckt hat, Spanisch oder Katalan zu lernen. Na ja – soll jeder tun, was er für richtig hält.
    „Ich würde dich gerne irgendwohin einladen, zu einer Party oder einer Fiesta, aber heute ist nichts los. Morgen musst du nach Sant Joan kommen. Da ist Hippiemarkt. Sicher spielen auch Musiker dort.“
    Vielleicht habe ich doch zuviel erzählt, was mir unter anderem an Formentera gefällt, doch ein wenig mit jemand anderem zu plaudern stört mich nicht. Ich habe weder ein festes Ziel noch einen Zeitplan, wann ich wo sein will, insofern hält mich das Gespräch nicht auf. Dass Peter ansonsten wild über die Insel hüpft, was ich mir alles anschauen müsse, zeigt, dass auch er motorisiert unterwegs ist. Obwohl die Entfernungen zwischen den einzelnen Orten überschaubar sind, ich soll noch feststellen, dass ich mit den etwa 50 pro Tag kalkulierten Kilometern bestens bedient bin. Neben der reinen Distanz gibt es weitere Einflussfaktoren, die das Vorankommen aus Muskelkraft beeinflussen.


    Santa Gertrudis


    die Kirche hat man im Dorf gelassen


    Rarität, Anfang März: eine geöffnete Boutique

    Einen kleinen Vorgeschmack dessen bekomme ich, nachdem ich mich von Peter verabschiede und durch das Hinterland gen Südostküste der Insel kurbele. Dörfer wie Sant Llorenç oder Sant Carles bleiben für mich eher unscheinbar, was ihren Charme jedoch nicht mindern soll. Auf den Straßen dazwischen sind nicht viele unterwegs, um mich herum ist es schön grün und es bleibt ausreichend Gelegenheit, die Gedanken schweifen zu lassen. Ansonsten wird bereits deutlich: die Wege, die ich mir ausgesucht habe, sind nur selten eben. Als ich an der Cala Mastella den Tag ausklingen lasse und auf das GPS Gerät schaue, sind knapp 500 Höhenmeter registriert.


    Cala Mastella - Blick aufs Meer


    Cala Mastella - Blick auf den Strand sowie meinen späteren Schlafplatz

    Dass die erste Etappe in der kleinen Bucht endet, ist kein Zufall. 1995 verschlug es mich mit Ute und den Kindern bereits hierher. Die Ferienanlage, in der wir unseren Urlaub verbrachten, lag mehr oder weniger nebenan. Ein oder zwei Mal besuchten wir damals den idyllisch gelegenen kleinen Sandstrand, der von Pinien gesäumten Hügeln umgeben ist. Links hinter einem Vorsprung liegen einige Fischerboote, von dem Felsen davor aus wird geangelt, zu beiden Seiten der Bucht könnte man klettern und kraxeln. Wie schon damals begnüge ich mich mit dem Ausblick, der wahrscheinlich schon manchen Maler inspirierte. Als die Dämmerung herein bricht, schlage ich mein Zelt auf. Nicht direkt am Strand, sondern in zweiter Reihe. Hinter einem Mäuerchen und zwischen einer schmucklosen, verwaisten Kunstfaserbude, Bambushalmen und Gestrüpp bilde ich mir ein, niemandem Anlass zu geben, sich über mein Dasein zu beklagen.

    Kommentar


    • dirkpausk
      Anfänger im Forum
      • 04.02.2016
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      • Meine Reisen

      #3
      AW: [ES] Ibiza by trike oder Stärker als Achselschweiß

      Die Nacht verbringe ich ruhig. Zum Abend hin tröpfelt es ein wenig, meine französischen Nachbarn mit ihrem zum Wohnmobil umgebauten Lieferwagen sind auf dem Parkplatz noch eine Weile in Feierstimmung, doch das leise Plätschern der Wellen wiegt mich in einen erholsamen Schlaf. Als mich um Viertel vor acht der Wecker daran erinnert, dass ich auch am Sonntag noch mehr von der Insel sehen wollte, ist die geschlossene, graue Wolkendecke des Vorabends einer leichten Bewölkung gewichten. Je weiter der Morgen voran schreitet, desto mehr setzt sich ein blauer Himmel durch. Während die Sonne das Zelt trocknet, sitze ich bequem zurück gelehnt auf meinem Vehikel, löffele mein Müsli, schlürfe den Pulvercappuccino und genieße den Blick über den Ableger des Meeres sowie die Wärme auf der Haut. So darf es gerne weitergehen.


      Cala Mastella - der nächste Morgen

      Richtig warm wird es, als ich um kurz vor zehn in die Pedale trete. Meine Route führt mich an der Küste entlang weiter, und die ist hügelig und steil. Schnell sind die Hosenbeine abgezippt und die Jacke ausgezogen, ohne dass es frisch würde. Anschließend bringt nicht nur das Höhenprofil das Blut in Wallung. Die Aussichten sind einmalig und ich bin es, der das Tempo bestimmt. Zumindest in dem Rahmen, wie es die Anstiege zulassen. Wo es mir beliebt und ungefährlich erscheint, nicht gerade in einer Kurve, bleibe ich stehen, drücke auf den Auslöser und sauge die Landschaft in mich auf: kleine Buchten, lang gezogene Buchten, Sandstrände, Kiesstrände, Bäume, Sträucher, Meer und noch viel mehr. Vor allem aber Ruhe und Beschaulichkeit. Außerhalb der Saison sind nicht nur die Straßen leer. Zudem bestätigt sich eine bereits zuvor gewonnene Erkenntnis: ich erlebe mit mehr Sinnen, als säße ich hinter einer Windschutzscheibe. Ich spüre Wind und Sonne am Körper, ich rieche den Duft von Blumen und Bäumen, ich höre die Vögel zwitschern und verursache keinen Krach, komme lediglich das eine oder andere Mal ein wenig außer Atem, wenn sich ein Anstieg zu sehr zieht oder zu arg ist.


      Blick gen Westen


      Küstenstraße gen Osten


      Carretera Sant Carles Cala Boix Richtung Norden

      In der Bucht S'Aigua Blanca entdecke ich einen Supermarkt. In einem verglasten Vorraum sitzen eine handvoll Leute. Ich spreche sie darauf an, ob der Laden geöffnet sei.
      „Nein, wir öffnen erst Anfang Mai.“
      „Können Sie mir denn mit Wasser weiterhelfen.“
      „Klar, kein Problem. Kommen Sie herein.“
      Mit gefüllten Flaschen am Rad setze ich kurz darauf meine Fahrt fort. Wenig später schiebe ich. Am Strand gibt es nur einen Weg durch den Sand, außerdem ist die steinige Piste ein paar Meter den nächsten Hang hinauf eher etwas für breitere und stolligere Reifen. Im Gegenzug werde ich jedoch mit spektakulären Aussichten belohnt: hier der Blick auf Tagomago sowie einige kleinere Inseln, dort eine Felsnadel an der Küste, woanders ein paar einfache Fischerhütten. An einigen Stellen knicke ich von der Straße ab, fahre, bis die Straße steil zum Meer hin abfällt und laufe von dort aus ein paar Schritte weiter.
      Wozu ich entgegen vorheriger Vorstellungen nicht komme, ist eine Siesta am Strand oder einem einsamen Fleckchen. Zum einen rennt mir die Zeit zwischen Fotostopps, Stichwegen und dem Erklimmen der Hügel davon, bei denen selbst manch Autofahrer einen Gang herunter schaltet, um mich zu überholen, zum anderen zieht es sich zu passender Stunde immer weiter am Himmel zu. Ein Hochgenuss ist die Reise dennoch. Ich kann mich an meinen Freiheiten berauschen.


      S'Aigua Blanca/Tagomago


      Cala Sant Vicent


      Punta Grossa


      Cala Nadja - irgendwo dazwischen


      Rückblick über bewältigte Hügel

      Sant Joan lechze ich förmlich entgegen. Der Ort ist für mich eine kleine Oase. Hinter mir liegen gar nicht mal so viele Kilometer, dafür jedoch um so mehr Höhenmeter – zumindest relativ. Den Abstecher in die versteckte Bucht Cala Nadja brach ich kurz vor Erreichen des Ziels ab. Das Navi verriet, dass das Ende des Weges in weniger als einem Kilometer erreicht sei, ebenso jedoch, dass ich mich noch gute hundert Meter über dem Meeresspiegel befand. Konnte ich ersteres nicht überprüfen, so deckte sich letzteres immerhin mit meinem Empfinden. So erhaben die Aussicht war, so wenig mochte ich den Gedanken an den Rückweg verdrängen. Gute zehn Prozent, abschnittweise wahrscheinlich mehr, zum Bestaunen einer schnuckeligen Bucht? Ich beließ es bei dem Blick über den Hang, vertilgte die Reste eines Baguettes vom Vortag, einige Scheiben Käse und sehnte bei einem Schluck Wasser aus der Trinkflasche Geschmackvolleres herbei.
      Als der Ort im Norden der Insel vor mir liegt, fällt mir meine Begegnung vom Vortag ein. Peter. Der Holländer. Der Mann, der mir mitteilte, dass hier und heute ein Hippiemarkt sei. Bei den vielen Autos, die vor dem Friedhof sowie am Straßenrand parken und den vielen Leuten, die hin und her wuseln, muss ich an ihn denken. Eine Kurve weiter sieht es kaum anders aus. Dort zweigt die Straße nach rechts hin ab, die als violette Linie auf dem kleinen Bildschirm meines elektronischen Wegweisers schimmert. Bevor ich jedoch abbiege, widme ich mich dem, was auf der gegenüber liegenden Straßenseite auf mich wartet. Los otros. Die anderen.
      Was aussieht wie ein Restaurant, ist nur teilweise eines. Neben einer Bar und einer Küche beherbergt der Laden einen Concept Store. Boutique klänge wohl zu trivial. Außerdem steht im Innern hinter einem Mischpult ein DJ. Aus Boxen tönen chillige Klänge, an den Tischen auf der Terrasse sitzt stylisch gekleidetes Publikum, das genau meine klischeehaften Vorstellungen Ibizas erfüllt. Hip, ohne dass es nach Hippie aussieht. Eher danach, dass man sich über den Betrag, der auf dem Preisschildchen gestanden haben mag, keine Gedanken machte. Hauptsache anders. Für mich schließt sich ein Kreis. Wäre ich unter normalen Umständen eher achtlos an dem Etablissement vorbei gefahren, so treiben mich geschlossene Supermärkte sowie Brand auf eine Limo in die Hipsterbude. Das erste, was ich nach dem Parken meines Vehikels in einer freien Ecke neben Tischen und Stühlen zu hören bekomme ist: „me gusta esa bici – das Rad gefällt mir“.
      Nun denn – so richtig überrascht bin ich nicht. Ist ja auch anders. Ich lächle die Bedienung an und lasse sie wissen, dass es mir nicht anders ergeht: „vale, a mí también – ja, mir auch.“
      Am Tresen erfahre ich, dass ich nicht direkt bestellen kann. Ich müsse mir einen Platz suchen und mich bedienen lassen. Also gut. Da ich niemanden mit meinen verschwitzten Klamotten belästigen will, setze ich mich ein wenig abseits an ein Mäuerchen, vor dem noch alle Sitzkissen frei sind. Als ich eine Cola ordere, wird es komplizierter.
      „Cola haben wir keine. Fanta, Sprite und so etwas auch nicht. Wenn du etwas mit Zucker willst, musst du unsere hausgemachte Limonade bestellen.“
      „Und was kostet die?“
      „Fünf Euro.“
      „Wieviel bekomme ich dafür? Ein Glas 0,2? 0,3?“
      „Ich glaube, es ist ein halber Liter.“
      „Gut, dann bitte eine solche Limo – möglichst ohne Eis.“
      Nach wenigen Minuten steht ein Krug mit zwei Strohhalmen vor mir. Die ersten Züge sind hastig, danach lasse ich mir Zeit. Geschmacklich ist nichts gegen die Eigenkreation einzuwenden. Als das Glas leer ist und ich zahlen will, werde ich überrascht.
      „Schon in Ordnung. Du bist eingeladen.“
      Ob man mir ansieht, dass ich als Low-Budget Reisender nicht so richtig zur Zielgruppe des Lokals zähle? Oder war es zu riechen? Honorierte man, dass ich Distanz wahrte und nicht all zu lange bleibe? Egal. Eigentlich ist es mir auch gar nicht so wichtig. Ich freue mich über die nette Geste, bedanke mich artig, wünsche noch einen schönen Tag, bringe mein Fahrzeug wieder auf den Asphalt und ziehe von dannen.
      Mein nächstes Ziel ist der Hippiemarkt. Zu verfehlen ist er nicht. Ich brauche einfach nur dem Strom folgen, der sich über die Bürgersteige bewegt. Nur ein paar Meter weiter schiebt man sich an Ständen vorbei. Seife, Kerzen, Düfte, Schmuck, Klamotten, Hüte – selbst Gitarren werden angeboten. Was mir im Vorbeirollen auffällt: Publikum wie Verkäufer passen bestens zusammen. Typen in abgewetzten Jeans und Gammellook entdecke ich keine. Dem Hippie auf Ibiza ist anscheinend ein gepflegtes Erscheinungsbild wichtig. Unbesorgt parke ich mein Rad am Straßenrand. Abermals verzichte ich darauf, es abzuschließen. Im guten Glauben, dass Blumenkinder nicht stehlen, sondern schlimmstenfalls ungefragt teilen, schlendere ich einmal auf und ab. Meine Begeisterung hält sich in Grenzen. Die Musik kommt aus der Konserve und die Veranstaltung vermittelt mir eher den Eindruck eines Schaulaufens – sehen und gesehen werden. Wie dem auch sei – ich entdecke kein bekanntes Gesicht und bleibe selbst ebenso unbehelligt. Niemand, der mich mit jemand anderem verwechselt, niemand, der mich zu kennen glaubt, niemand, dem ich tatsächlich bereits einmal begegnete.


      großzügiges Lokal


      Hippiemarkt

      Deutlich weniger los ist auf dem Weg nach Portinatx. Kurvenreich geht es zunächst zwei Kilometer den nächsten Hügel hinauf, die anschließenden zehn Kilometer kann ich mich über weite Strecken rollen lassen. Wälder und Felder wechseln einander ab, das Meer bleibt zumeist hinter Kuppen verborgen. Kurz vor dem Erreichen des einstigen Fischerdorfes biege ich rechts ab und folge dem Wegweiser Richtung Cala d'en Serra. Auch hier schenke ich mir die letzten Meter. 500 sind es diesmal. Meinen Nachbarn der letzten Nacht muss die Straße ebenfalls zu steil gewesen sein. Ihr fahrbarer Untersatz blieb wie mein Vehikel am Straßenrand zurück, während sie 50 Meter unterhalb im Sand sitzen. Ich belasse es bei einem Blick von oben auf den kleinen Strand, der eingebettet ist von steil abfallenden Felsen und an dessen einem Ende ein paar hölzerne, windschiefe Bootsunterstände stehen. Fehl am Platze erscheint mir in der sehr überschaubaren Bucht lediglich eine Bauruine. Vor Jahren muss jemand begonnen haben, eine zweigeschossige Ferienanlage zu errichten, dieser Tage blickt man auf einen dachlosen Rohbau, in dem auf manch grauer Wand ein Graffiti gesprayt ist. Beides passt für meinen Geschmack nicht so richtig in die Landschaft.


      Cala d'en Serra

      Portinatx muss vor Urzeiten ähnlich malerisch gewesen sein. Heute jedoch steht in der Bucht ein Hotel neben dem anderen sowie im Sand Bretterbuden einer Tauchschule und einer Strandbar. Nachmittags um vier am ersten Sonntag im März bei mittlerweile tief hängenden Wolken ähnelt der Ort einer Geisterstadt. Kaum eine Menschenseele ist unterwegs, Boutiquen, Restaurants und Supermärkte sind verriegelt und verrammelt, der Wind weht Dreck über die Straße. Einzig Richtung Leuchtturm gen Nordosten tummeln sich ein paar Hartgesottene. In Anoraks gehüllt mit Kapuze auf klettert man über schroffes Gestein, wirft Steine in das Meer und posiert vor dem Smartphone. Auch ich kraxele ein wenig über die Felsen, richte die Kamera auf das markante Gebäude auf den Klippen, an dem sich heute wohl nicht mehr gar so viele Seefahrer orientieren, dann trete ich den Rückzug an.


      Portinatx


      Far Des Moscarter

      Auf dem Parkplatz fallen mir zwei blitzblanke Nobelkarossen eines deutschen Herstellers auf – der mit dem Stern. Die eine, eine Sportlimousine, trägt ein Böblinger Kennzeichen, die andere, ein Geländewagen, ein Stuttgarter. In beiden sitzen jeweils zwei junge Männer. Stronger than time – stärker als Zeit, so prangt es auf dem Lack des Offroaders, der mit laufendem Motor dort steht und aussieht, als habe er noch nicht einmal einen staubigen Camino gesehen. Was mir die Worte sagen sollen? Ich weiß es nicht. Noch nicht. Es steht nichts weiter dabei. Vermessen kommt mir der Slogan vor – worauf er sich auch beziehen mag. Sich mit einer so relativen Größe wie der Zeit zu messen – ich empfinde es als überheblich. Mich spricht eher lässiges Understatement an. Was ist die Lebenserwartung eines Autos in Relation zu dem Licht manch eines Himmelskörpers, das uns erreicht. Dazu der Schadstoffausstoß, der von der Karre ausgeht. Ich bin verleitet an das Fenster der Fahrertür zu klopfen und nachzufragen, ob die Maschine nicht wieder anspringt, ist sie erst einmal abgestellt. Der Fahrer des anderen Wagens kommt mir jedoch zuvor. Er fährt an mir vorbei, der größere Luftverpester folgt. Fotoshooting auf der Baleareninsel?
      Darüber sinnierend, welche Buchstabenkombination mir auf meinen Gepäcktaschen gefallen könnte, strampele ich weiter. Stärker als Achselschweiß? Wäre das etwas? Nicht gänzlich unpassend, wenngleich mir auf dem folgenden Hügel der körpereigene Saft wieder einmal aus mehr Poren rinnt als nur aus denen unter den Armen. Doch was soll´s – die Klamotten werden nicht zum ersten Mal an diesem Tage nass und auch den vor mir liegenden Anstieg bekomme ich bewältigt.

      Der nächste Halt lässt jedoch nicht lange auf sich warten. Der Torre de Portinatx ist der nächste Punkt auf meiner Route, den ich im Vorfeld für sehenswert hielt. Als ich mich dem nähere, habe ich meine Zweifel, ob er den Abstecher wirklich verdiente. Er sieht genauso aus wie die Türme, die mir auf Formentera als Maurentürme bekannt sind. Ebenso ist die Aussicht von dem Plateau, auf dem er steht, nicht so besonders. Das Bauwerk ist umgeben von Bäumen und in unmittelbarer Nachbarschaft befindet sich eine Großbaustelle – die nächste Bettenburg ist im Entstehen.


      Torre de Portinatx

      Das folgende Auf und Ab, eher jedoch das zuerst genannte, zeigt mir dann doch so langsam die Grenzen meiner Leistungsfähigkeit auf. Tausend Höhenmeter, der überwiegende Anteil davon mit Steigungen über fünf Prozent, sind an mir nicht spurlos vorüber gegangen. Hätte ich keine dreieinhalb Wochen auf Formentera Pause eingelegt, wäre ich wahrscheinlich weniger geschafft, so aber werden mir langsam die Beine lang. So nett die nächste Bucht aussieht, die Cala Xarraca, so sehr bedaure ich, dass der Weg mich knapp 50 Meter wieder hinunter an das Meer führt. 50 Meter, die unmittelbar darauf folgend erneut zu erklimmen sind. Dazu hundert weitere, nach denen ich wieder auf der Straße lande, die ich für den Weg ans Wasser verließ. Hätte ich geringfügig leichter haben können, wäre mir nur der Blick auf die Bucht in der Bucht verwehrt geblieben. Doch ich will mich nicht beklagen. Ich wollte etwas von Ibiza sehen, und ich erhalte.


      Cala Xarraca


      Cala Xarraca

      Auf der C-733 zum zweiten Mal in weiter empor führenden Serpentinen angelangt, bekomme ich jedoch noch etwas anderes. Einen Hungerast. Nichts geht mehr. Ich lenke mein Gefährt in die nächste Einfahrt. Angst, dass ich irgend jemandem Platz machen müsste, habe ich keine. Das Haus in Sichtweite sieht unbewohnt aus. Die Kette, die die Zufahrt verwehrt, ist mit einem Rost befallenen Vorhängeschloss gesichert. Unterzuckert mache ich mich über die Reste meines Brotes, über Käsescheiben sowie über ein Snickers her. Dazu ein guter Schluck aus der Flasche, wenngleich das Wasser bestenfalls dazu herhält, Flüssigkeitsverluste zu kompensieren. Auf wackeligen Beinen gehe ich anschließend ein paar Schritte zurück, dorthin, wo ich zuvor an Müllcontainern vorbei fuhr, und entsorge Verpackungsmaterial artgerecht. Als ich mich umdrehe, halte ich inne. Auf der anderen Straßenseite steht ein bewohntes Haus. Jemand werkelt dort mit Spachtel und Kelle. Es ist sechs, in gut einer Stunde wird es dunkel, ich bin am Ende meiner Kräfte – an sich der richtige Zeitpunkt, die finale Parkposition für den Tag zu finden. Nur sind die Serpentinen nicht der geeignetste Platz, um das Zelt versteckt aufzuschlagen. Zumindest will ich es nicht unversucht lassen, um Asyl zu bitten, zu fragen, ob ich vielleicht irgendwo im Garten oder sonstwo übernachten kann.
      Nach ersten skeptischen Blicken und Äußerungen hat man Erbarmen mit mir – von meinem Rad ist immerhin weit und breit nichts zu sehen. Es steht hinter der nächsten Biegung. Eigentlich sei man ja ein Beherbergungsbetrieb, doch man habe noch geschlossen. Im Zelt mag man mich jedoch nicht übernachten lassen.
      „Hier kannst du schlafen.“
      Der Herr mit dem Farbklecks auf dem Arm führt mich zu einem kleinen Gebäude. Eine Tür hat es nicht, statt dessen hängen schwere Vorhänge herunter. Dahinter stehen zwei Betten, an der Wand hinter dem Eingang ein kleines Regal. Der unverstellte Platz ist gerade ausreichend, um sich umzudrehen. Auf den Matratzen liegen Schuhkartons, Decken sowie zwei Kopfkissen. Ein kleines Fenster ist mit einer Plastiktüte verhangen, auf dem Boden und auf den Betten liegen ein paar Blätter. Nebenan, am Rande eines Swimmingpools, bekomme ich „mein“ Badezimmer gezeigt. Ein Klo, ein Waschbecken, eine Dusche. Auch diesem sieht man an, dass es seit längerem nicht benutzt wurde, doch ich mag mich nicht beschweren – immerhin kann ich mich mit fließend warmen Wasser von den Spuren des Tages befreien.
      Dankend nehme ich das Angebot an.
      „Ich bringe dir gleich noch ein Handtuch und eine Flasche Wasser.“
      „Vielen Dank, aber das ist nicht nötig. Ich habe alles dabei, was ich brauche.“
      Ich bekomme dennoch. Eine Viertelstunde später stehe ich noch einmal bei den Franzosen vor der Tür. Diesmal nur in Unterhose und Stiefeln. Es ist mir ein wenig peinlich, doch ich will auch diesen Anlauf nicht unversucht lassen. Vielleicht ist es ja nur eine Kleinigkeit, dass im Bad kein Wasser kommt. Meine Überwindung wird auch diesmal belohnt. Es ist nur ein Handgriff. Die Sicherung der Wasserpumpe war draußen.
      Im Schlafsack auf anderer Leuts Matratze verbringe ich eine geruhsame Nacht. Wer sonst in dem Kabuff nächtigt? Schwer zu sagen. Meine Gastgeber selbst? Hausangestellte? Animateure? Letzteres wohl doch eher nicht, dazu macht mir die Anlage einen zu kleinen Eindruck. Aus acht Apartments mag sie bestehen. Unterm Strich brauche ich mir jedoch gar keinen Kopf zu zerbrechen. Ich habe eine Übernachtungsmöglichkeit gefunden, sogar mit Dusche, und werde im Schlaf nicht gestört.
      Als ich mich am nächsten Morgen verabschiede, bekomme ich sogar noch einen Kaffee angeboten. Ein weiteres Angebot, das ich dankend ablehne – ich hatte bereits mein Müsli samt Frühstückstrunk. Wir wechseln noch ein paar Worte, dann lasse ich meine Gastgeber weiter renovieren und sie mich weiter strampeln.


      Schlafgemach


      Badezimmer


      ungenutzte Resourcen
      Zuletzt geändert von dirkpausk; 01.04.2018, 18:15. Grund: Link auf Bild "Punta Grossa" korrigiert

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      • Wafer

        Lebt im Forum
        • 06.03.2011
        • 8659
        • Privat

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        #4
        AW: [ES] Ibiza by trike oder Stärker als Achselschweiß

        Hallo Dirk,
        vielen Dank für deine schönen Berichte und die schönen Bilder über die Baleareninseln und deine Anreise dorthin! Die gefallen mir sehr gut! Bin gespannt auf mehr!

        Gruß Wafer


        By the way: Ich bin ja durchaus auch der Meinung, dass sich manche Orte auf den Inseln sehr ähneln, aber diese Ähnlichkeit von Cala Sant Vincent und Punta Grossa ist schon frapierend!

        Zitat von dirkpausk Beitrag anzeigen

        Cala Sant Vicent


        Punta Grossa
        Hast du hier vielleicht das gleiche Bild zwei mal verlinkt?
        Zuletzt geändert von Wafer; 01.04.2018, 17:52.

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        • dirkpausk
          Anfänger im Forum
          • 04.02.2016
          • 44
          • Privat

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          #5
          AW: [ES] Ibiza by trike oder Stärker als Achselschweiß

          Zitat von Wafer Beitrag anzeigen
          Hallo Dirk,
          vielen Dank für deine schönen Berichte und die schönen Bilder über die Baleareninseln und deine Anreise dorthin! Die gefallen mir sehr gut! Bin gespannt auf mehr!

          Gruß Wafer


          By the way: Ich bin ja durchaus auch der Meinung, dass sich manche Orte auf den Inseln sehr ähneln, aber diese Ähnlichkeit von Cala Sant Vincent und Punta Grossa ist schon frapierend!

          Hast du hier vielleicht das gleiche Bild zwei mal verlinkt?
          oh - wie peinlich.
          Danke um so mehr für den Hinweis!
          Habe den Link gerade korrigiert. Punta Grossa war in der Tat den Blick um die Ecke wert. Könnte bei dem ostersonntäglichen Schietwetter hier in Köln auch direkt schon wieder dorthin.


          Punta Grossa - deckt sich damit auch eher mit dem, was man in Natura bzw. auf anderen Bildern sieht

          Danke auch für die Blumen darüber hinaus. Freue mich, wenn's gefällt. Fortsetzung ist in Vorbereitung ...

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          • dirkpausk
            Anfänger im Forum
            • 04.02.2016
            • 44
            • Privat

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            #6
            AW: [ES] Ibiza by trike oder Stärker als Achselschweiß

            Ausgeruht und mit frischen Kräften fallen die nächsten Kurven wieder leichter. Die Straße windet sich noch einige Male Hügel aufwärts, ich kann nochmals einen Blick auf mein Quartier werden, diesmal von oben, dann ist Sant Joan nahezu wieder erreicht. Ich halte mich jedoch weiter entgegen des Uhrzeigersinns, biege bei nächster Gelegenheit rechts ab und darf mich einer weiteren Talfahrt erfreuen – diesmal gen Cala Benirràs. Wie schon an den voran gegangenen Vormittagen, so scheint auch an diesem Montag Morgen die Sonne. Entsprechend einladend sieht die Bucht aus. Ein zehn, zwanzig Meter breiter Sandstrand, an beiden Enden Fischerhütten, in der Mitte der Bucht ein Fels – nicht gerade in der Brandung, dennoch aber schön für das Auge, wie er da aus den Fluten empor ragt. Gleichfalls wie die beiden Tage zuvor habe ich die Bucht fast ganz für mich allein. An den Restaurants am Parkplatz renovieren eine handvoll Leute, zwischenzeitlich tönt der Presslufthammer, ansonsten ist ist nur das Schwappen der Wellen zu hören. Schon in drei Monaten dürfte es deutlich überlaufener zugehen. Die vielen Parkplätze werden nicht ohne Grund angelegt sein.


            Montag morgens auf Ibizas caminos rurales


            Orangen und Zitronen am Wegesrand


            Das Essen wächst auf der Straße


            Cala Benirràs – eine Bucht für mich allein


            Cala Benirràs – Fischerhütten


            Cala Benirràs – leider hatte ich bereits gefrühstückt, sonst hätte ich mir den Tisch gedeckt

            Anstatt zwischen Orangen- und Zitronenplantagen hindurch führt der Weg aus der Bucht heraus durch Wald. Die ersten Meter haben es ein weiteres Mal in sich, doch mein Motto steht: stronger than sweat – stärker als Schweiß. Notfalls schiebend. Es dauert nicht lange, da wird das gerade erst frisch gewaschene Oberteil erneut feucht. Bis zur ersten Kurve sitze ich noch im Sattel, doch eine mit einem Kinderwagen mir entgegen kommende junge Mutter warnt mich bereits.
            „Hier willst du hoch? Das wird noch steiler. Viel Kraft!“
            Augenblicke später weiß ich, was sie meint. Ich habe nicht länger Pedale unter den Tretern, sondern Asphalt. 15 Prozent auf mehr als nur ein paar Metern sind für mich zu viel des Guten. Wie aber auch immer – bei lachender Sonne ist die Strecke der Plackerei wert. Der Ausblick auf die Bucht, in der ich noch eine Viertelstunde zuvor stand, ist beeindruckend. Dunkelblaues Meer, hellblauer Himmel, saftig grünes Gestrüpp – das Auge freut sich.
            In munterer Berg- und Talfahrt geht es die Küste entlang weiter. Ein wenig besorgt bin ich um meine Bremsen. Die Abfahrten sind mir zu steil und ich weiß nicht, wie es hinter dem nächsten Straßenknick aussieht beziehungsweise wer oder was mir entgegen kommt. Ungünstige Voraussetzungen, dem Rad ungezügelt seinen Lauf zu lassen. Einstweilen aber habe ich Glück. Die Betätigung der Hebel zeigt die erwartete Wirkung und auch die Geräuschkulisse bleibt erträglich – es trifft noch kein Metall auf Metall.
            Nach einigen Kurven stoppt mich ein Schild am Straßenrand. Cova de Can Marçà – ein Muss auf Ibiza – ganzjährig geöffnet. Eine Höhle. Okay, wenn der Besuch quasi vorgeschrieben ist, darf ich nicht achtlos daran vorbei fahren. Wieder einmal lasse ich meinen fahrbaren Untersatz unabgeschlossen hinter einer Biegung zurück. Hinter der verläuft die Zufahrt steil abwärts. Zu steil, als dass ich mein Gefährt auf dem Rückweg hinauf schieben möchte. Die bisherigen Passagen reichten mir, dienten aber wenigstens dem Vorankommen auf der Route. Eine Haarnadelkurve weiter gerate ich dann doch ins Stutzen. Auf einem Parkplatz warnt ein Schild davor, keine Wertsachen im Auto zu lassen. Ich verdränge etwaige Sorgen damit, dass der Hinweis vorzugsweise für die Saison gilt und stiefele weiter. Einige Meter darauf endet der Weg vor einer Aussichtsplattform mit Café, Fernglas über die Bucht und einer weiteren Informationstafel. Letztere zeigt Fotos von Stalaktiten, einem unterirdischen See und Daten. Nächste Führung: um zwölf. Der Ticketpreis für einen Erwachsenen: fast ebenso viele Euro – einen weniger, elf, Uhrzeit unabhängig. Für mich ein klarer Fall. Ich habe genug gesehen. Einerseits will ich keine halbe Stunde warten, andererseits lebe ich von dem Eintrittspreis einen ganzen Tag lang. Unverhältnismäßig also. Für den Rückweg entdecke ich in Stein gemeißelte Treppenstufen. Genau dort, wo ich mein Rad hinterließ, enden sie. Und auch hier macht mein Fahrzeug einen unberührten Eindruck.


            Cala Benirràs – Rückblick


            Berg- und Talfahrt entlang der Küste


            Cova de Can Marçà – Köder


            Cova de Can Marçà – Haken

            Drei Minuten später stehe ich in Port de Sant Miquel. Der Kilometer ist schnell zurück gelegt. Fast die längste Zeit verbringe ich vor dem Schild, welches zum Strand weist, und überlege, ob sich der Weg dort hinunter lohnt. Letztendlich gebe ich mir und dem Rad einen Tritt und rolle gen Meer. Es ist ein ähnliches Bild wie in Portinatx. Kleine Bucht, Fischerhütten, Beobachtungsposten für die Rettungsschwimmer, dreht man sich am Strand um, das ganze flankiert von Bettenburgen. Auch hier sind die meisten Türen verschlossen, auf zwei Terrassen jedoch kann sich der geneigte Besucher bedienen lassen. Als ich den Ort wieder verlasse, erschließt sich mir der Grund. Ein paar gefüllte Reisebusse kommen mir entgegen. Kaffeefahrer.


            Port de Sant Miquel

            Für die nächsten vier Kilometer bin ich wieder eine halbe Stunde unterwegs. Aufstieg nach Sant Miquel. 150 Meter hoch über dem ansonsten gleichnamigen Ort mit Hafen gelegen, aus dem ich gerade komme, und mit geöffneten Supermärkten ausgestattet. Ich fülle meine Proviantreserven auf, decke mich mit einem Fertiggericht für den Abend ein und stärke mich mit einer Banane. Wird ersteres verstaut, gelangt letztere auf dem Weg die Treppen hoch zur Kirche unmittelbar in den Verdauungstrakt. Auf den erhofften Blick über die Küste muss ich hingegen verzichten. War die Serpentinen hoch das Gotteshaus quasi meine stets sichtbare Orientierungshilfe, so stehen von oben ein Nachbargebäude sowie ein paar Bäume der Aussicht im Wege.


            Kirche in Sant Miquel


            In den Straßen von Sant Miquel

            Die Kilometer von Sant Miquel über Sant Mateu nach Santa Agnès sind ohne größere Anstrengungen zurück gelegt. Auf 200 Meter Höhe geht es nur sanft auf und ab und ebenso halten sich Gegenwind wie Fahrbahnunebenheiten in Grenzen. Die Gegend ist ländlich, die Besiedlung dünn und Verkehr gibt es kaum. Zwar sind laut elektronischer Karte gen Meer hin einige Sehenswürdigkeiten und Aussichtspunkte verstreut, doch die Wege dorthin sind als unbefestigt oder Pfade markiert und befinden sich in Gebieten, in denen die Höhenlinien eng beieinander liegen. Ich lasse es gemächlich angehen, begnüge mich mit unbeschwertem Kurbeln und genieße die Ruhe sowie die letzten Sonnenstrahlen des Tages – zum ausklingenden Mittag hin zieht sich der Himmel einmal mehr immer weiter zu.
            In Santa Agnès überlege ich kurz, ob ich mich auf die Terrasse einer hiesigen Bar setzen und ein Tagesmenü ordern soll, lasse den Gedanken aber ebenso rasch wieder fallen wie er aufgekommen war. Warum soll ich beim Essen auf eine Straßenkreuzung schauen (gut, es ist nur eine Gabelung), wenn Naturpanoramen nicht weit entfernt liegen. Zudem fristet eine schnell zuzubereitende Mahlzeit ihr Dasein im Gepäck. Entsprechend belasse ich es bei einem Foto auf Kirche und Kneipe und radle weiter – den Umweg am Rande der Hochebene Plà des Corona entlang, die für ihren Reichtum an Mandelbäumen bekannt sein soll. So schön es ist, das zu wissen, so unspektakulär stellt sich dies Anfang März bei grauem Himmel dar. Die Gegend ist grün, ja, geht jedoch leider ein wenig in der Tristesse tiefer rückender Wolken unter und für die Blütezeit bin ich ohnehin mindestens vier Wochen zu spät unterwegs.
            Eindrucksvoller stellt sich mir die Steilküste dar, an dessen Rand ich für eine Mittagspause anhalte. Vor meinen Füßen fällt der Hang fast senkrecht ab. Es folgen noch einige Geröll gesäte Meter, dann steht dem Blick zum Horizont nichts mehr im Wege. Eine Zeitlang höre ich die Stimmen zweier Wanderer, ab und zu rutschen Steine, ansonsten ist nichts zu hören außer Vogelgezwitscher und leichter Brandung. Zufrieden mit meinem Rastplatz lasse ich es mir schmecken.


            Santa Agnès – Verkehrsbeobachtungsposten


            Plà des Corona – Mandelbäume


            Plà des Corona – die Straße schlängelt sich


            Plà des Corona – Steilküste

            Auf den restlichen Kilometern des Tages ändert sich nicht viel. Da gut im Zeitplan und kräftemäßig nicht ausgelaugt, fahre ich durch bis Sant Rafel anstelle, wie geplant kurz zuvor in ein Gebiet abzubiegen, dass landschaftlich als äußerst reizvoll in der Karte ausgewiesen ist. Ich bin fast der Überzeugung, dass ich mir den Ort entlang der Schnellstraße zwischen der Inselhauptstadt und der Stadt mit dem anderen größeren Hafen, Sant Antoni, hätte sparen können, da fällt mein Blick auf ein Geschäft, wie ich es gebrauchen kann. Ein Fahrradladen. Unverhofft kommt oft. An sich kann es nur ein Volltreffer werden, bezüglich der Bremsbeläge, die ich benötige. Passt ja auch alles bestens. Bis hierhin haben sie gehalten, ich stehe vor unverschlossenen Türen und ich habe Zeit. Leider jedoch ist das benötigte Fabrikat auch für diesen Händler zu ausgefallen. Ebenso nimmt er mir die Hoffnung, in Sant Antoni am nächsten Tag mehr Glück zu haben. Dort gäbe es keine geöffneten Fahrradgeschäfte. Wenn, dann müsste ich nach Ibiza fahren. Dass ich mir den Weg schenken kann, behalte ich für mich.
            Freuen kann ich mich hingegen über den Flecken, den ich mir auf der Karte für die Nacht aussuchte. In einem lichten Wald finde ich ein ebenes wie halbwegs verstecktes Plätzchen. Häuser stehen zwar in der Nähe, jedoch weit genug entfernt, als dass man mich aus der Ferne direkt sehen könnte. Auch bis zum nächsten Weg sind es knappe hundert Meter. Ich überlege gerade gegen halb fünf, womit ich mir die gut zwei Stunden bis zur Dämmerung vertreiben könnte, da wird mir geholfen: es beginnt zu regnen.
            Kurze Zeit später steht das Zelt und ist eingeräumt. Was das Wasser von oben anbelangt: es wird leider nicht mehr. Für eine Dusche ist es zu wenig. Entsprechend greife ich zur Flasche und mache mir etwas warm. Man muss es ja nicht übertreiben, mit dem Minimalismus, zumal ich mich zwei Tag später ohnehin von nicht verbrauchtem Brennspiritus trennen muss. Der Transport entflammbarer Flüssigkeiten im Flieger ist verboten. Suboptimal ist hingegen mein Timing für die Körperhygiene. Kaum stehe ich so gut wie unbekleidet und mit dem Waschlappen in der Hand vor meiner Behausung, bekomme ich Besuch. Zunächst rennen zwei Hunde auf mich zu. Augenblicke später rückt Herrchen nach. Stimmen von Frauchen und zweibeinigem Nachwuchs folgen. Dem jungen Mann ist die Begegnung offensichtlich ebenso unangenehm wie mir. Er pfeift seinen Boxer und den Hirtenhund zurück, die Tiere gehorchen auf Anhieb, erwidert meinen Gruß, dann schlägt er diskret eine andere Richtung ein, ohne dass ich seine Gefolgschaft zu Gesicht bekomme.
            Mit dem, was ich mir im Supermarkt zum Abendessen aus dem Regal griff, bin ich ebensowenig richtig zufrieden. Als diesmal Wasser auf dem Kocher steht, studiere ich den Becher meines asiatischen Reisgerichtes. Diesen bis zur Markierung füllen. So weit nichts Neues. Anstatt jedoch einer Angabe, wie lange die dehydrierte Pampe anschließend quellen soll, der Hinweis, den Behälter fünf Minuten lang in die auf 800 Watt eingestellte Mikrowelle zu stellen. Anschließend das Olivenöl hinzugeben und weitere drei Minuten erhitzen. Sehr witzig. Ich kenne keinen Radreisenden, der ein solches Gerät mit sich führt. Zudem ist mir keines bekannt, das sich mit Brennspiritus betreiben ließe. Und eine Steckdose hinter mir im Gebüsch gibt es nicht. Also Packungsinhalt umfüllen in den Kochtopf, umrühren, zwischendurch mal kosten, ob das Getreide bereits eine genießbare Konsistenz hat und warten. Nach einer guten Viertelstunde ist es soweit. Der Geschmack: zweifelhaft. Es gab schon Fertiggerichte, die den Gaumen mehr ansprachen.
            Einen richtigen Schrecken bekomme ich jedoch in der Nacht. Licht flackert. Zunächst denke ich an die Scheinwerfer eines Autos, das auf einem der Wege unterwegs ist. Das Getanze der sich auf der Plane meines Zeltes abzeichnenden Schatten lässt jedoch nicht nach. Ein Fahrzeug müsste längst vorbei sein. Leute? Mit Taschenlampen? Wollte sich der Herr, der mit den Hunden unterwegs war, doch nicht mit der einen Begegnung zufrieden geben?
            Ich warte ab, was geschieht. Es passiert nichts. Flackern tut es weiterhin. Zu hören ist nichts. Ich traue mich nicht, mich großartig zu bewegen, gar zur Taschenlampe zu greifen, das Zelt zu öffnen und hinaus zu leuchten. Nach einer gefühlten kleinen Ewigkeit überwinde ich mich. Im Zeitlupentempo erhebe ich mich, öffne vorsichtig den Reißverschluss meines Domizils, schiebe den Stoff beiseite und erstarre. Was ich sehe, raubt mir fast den Atem. Erst vor wenigen Tagen war Vollmond, der Himmel ist kristallklar und gleicht einem Lichtermeer, dazu schwanken Äste im Wind. Ein wunderschöner Anblick. Ich lache in mich hinein, genieße eine Zeit lang das Bild, dann verkrieche ich mich wieder in die Daunen und mache alle Luken dicht.


            Zeltplatz des Grauens (am Morgen danach)

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            • dirkpausk
              Anfänger im Forum
              • 04.02.2016
              • 44
              • Privat

              • Meine Reisen

              #7
              AW: [ES] Ibiza by trike oder Stärker als Achselschweiß

              Als ich Stunden später die Augen erneut aufschlage, ist der Himmel weiterhin wolkenlos, hat aber mehr Farbe. Welch ein Start in den Tag. Dank des Windes ist das Zelt trocken und ich bin für meine Verhältnisse zügig wieder auf den Rädern. Um Viertel vor zehn verlasse ich meinen Schlafplatz. Zwar würde ich ihn ohne mit der Wimper zu zucken auch ein weiteres Mal aufsuchen, dass ich jedoch bereits eine knappe halbe Stunde später erneut zurück kehre, ist ungeplant. Der zunächst gewählte Weg entpuppte sich als Sackgasse. Wo es laut Karte Richtung Sant Antoni hätte weitergehen sollen, stand in der Realität ein Tor. Zwar ließ es sich öffnen, doch endete die Holperpiste vor einem Haus – und dem Anschein nach nicht erst seit gestern. Dass mich möglicherweise eine Kamera bei meinem Erkundungsgang filmte? Ich kann es nicht ändern. Mein Besuch war mit keiner bösen Absicht verbunden.
              Zwei andere Törchen dürfen geöffnet werden. Schilder bitten lediglich darum, sie wieder zu schließen. Sie liegen auf einem der auf der Insel ausgeschilderten Radwege. Für Mountainbiker. Liegedreiradler heißen sie willkommen, indem sie Geäst in den Speichen rattern lassen und die Fahrer aus dem Sitz zwingen, wollen sie nicht Gefahr laufen, weiteres Material auf schroffem Gestein zu opfern. Gegen die Kennzeichnung des Streckenabschnitts in der Karte ist jedoch nichts einzuwenden – landschaftlich attraktiv. Auf leichtem Gefälle geht es vorbei an Natursteinmauern, hinter denen es gedeiht und sprießt und duftet.


              „gutes“ Gatter


              beizeiten eng für 78 cm Spurweite


              Ende der „schönen“ Piste absehbar

              Ibizas zweitgrößter Ort ist viel zu schnell erreicht. Ein Häusermeer mit engen Gassen. Ich verlöre mich, würde mir nicht das Navi soufflieren, wo es lang geht. Dass ich trotzdem kurzzeitig von der Route abweiche und mich nicht verirre verdanke ich der Beschreibung einer Passantin, die ich auf ein Fahrradgeschäft anspreche. Sie beschreibt mir sehr präzise, wie ich fahren muss. Den Laden finde ich auch, helfen tut es aber nicht – nach einem kurzen Blick auf den verlangten Bremsbelag erhalte ich die gleiche Antwort wie zuvor.
              Keine Orientierungsprobleme bereitet die Fahrt entlang des Strandes. Ein gepflasterter Weg samt Radspur ist nicht zu übersehen. Bei weiterhin stürmischem Westwind gestattet er sogar, in der Gischt der donnernden Brandung bis auf die Knochen nass zu werden. Stellt man es jedoch nicht all zu ungeschickt an, kann man diesem Schicksal auch entgehen.
              Unzweifelhaft ihren Spaß haben diejenigen, die direkt über und durch die Wellen jagen – ein paar Kiter. An den Schnüren ihrer Lenkdrachen flitzen sie auf und ab, vollbringen artistische Einlagen in der Luft und lassen Adrenalin durch die Adern schießen. An Land geht es deutlich unaufgeregter zu. Die meisten Bars und Geschäfte haben geschlossen, es ist kaum eine Menschenseele unterwegs und die, die es sind haben es nicht eilig. Dass ich zwischendurch am legendären Café Del Mar vorbei fahre? Es fällt mir nicht auf. An einer für mich namenlosen Bude hingegen mache ich Halt. Dort wird immerhin ersichtlich renoviert. Gewisse Örtlichkeiten sind bereits benutzbar und so lässt sich Geschäftliches erledigen, ohne einmal mehr in Büschen verschwinden zu müssen. Hat sich also auch der Ausflug in die „Zivilisation“ gelohnt.


              Strandpromenade in Sant Antoni – wer zu nah am Meer flaniert, wird nass


              Sant Antoni – zweifenhafter Charme


              Sant Antoni – die Kiter haben ihren Spaß

              Der Weg aus der Touristenhochburg heraus ist steinig. Auch die Straße erhält ein neues Gesicht. Ein paar hundert Meter sind gesperrt und aufgerissen. Auf leichten Abwegen gelange ich jedoch dorthin, wo ich hin will. Einige Kilometer weiter habe ich gewollt staubigen Boden unter den Rädern. Ebenfalls aber wie schon zuvor: die Piste ist es wert. Es ist ruhig, beschaulich und entspannend. In der Cala Bassa klettere ich ein wenig über den Felsen, freue mich ein weiteres Mal darüber, dass Anfang März außer mir nur zwei andere Pärchen umher streunen, dann wird es richtig grandios. Über eine holperige Piste lasse ich die Bucht in Richtung Westen hinter mir. Wieder einmal zieht es sich mehr und mehr zu, doch die tief hängenden Wolken passen zu der Mondlandschaft, die ich durchquere. Über loses Gestein und vorbei an verstreut wachsendem, kargen Gestrüpp, lotst mich das Navi zum Torre D'En Rovira, einem weiteren Maurenturm. Ein Pfad ist häufig genug nicht zu erkennen. Hin und wieder stehen jedoch Wegweiser in der Landschaft die mir das Gefühl geben, dass ich mich nicht vollständig in einem Naturschutzgebiet befinde, das nicht betreten werden darf.
              Mit dem Bauwerk selbst verhält es sich wie mit dem letzten, vor dem ich stand: nichts neues. Die Aussicht gen Westen und Nordwesten ist hingegen ein Traum. Vor mir liegen die Inseln Sa Conillera, S'Espartar sowie einige weitere. Einer Legende nach soll Hannibal, einer der großen Feldherren der Antike, der mit einer Herde Elefanten die Alpen überquerte, in einer Höhle dort zur Welt gekommen sein, als man, per Schiff vorbei reisend, Schutz vor einem Sturm suchte. Ob an der Geschichte etwas dran ist, ist für mich nicht zu sehen, wohl jedoch, wie die Felsen majestätisch aus dem Meer ragen. An einer Abbruchkante zeigen sich geschwungene Strukturen im Gestein, die Gischt schießt meterhoch empor, hoch über den Hängen wabert ein bedrohlich wirkender Wolkenteppich. Natur pur, fast zum Anfassen. Ich bin begeistert, vergesse, dass der Weg beschwerlich ist, Zeit, Mühen und Kraft kostet. Ganz weit hinten, am Horizont, zeichnen sich Höhenzüge ab – das Festlands. Ein faszinierender Anblick. Mit der Kamera schaffe ich es mal wieder nicht, die Stimmung einzufangen. Licht und Entfernung überfordern das künstliche Auge. Das Panorama bleibt mir hingegen noch eine ganze Weile erhalten.
              Bis zu den Platges de Comte, Stränden im Nordwesten Ibizas, zieht sich die Strecke über unbearbeiteten Boden. Mehr als einmal steige ich ab, um das Rad über kopfgroßes, loses Gestein, schroffe Kanten oder knorrige Wurzeln zu schieben. Nach einer guten Stunde sind die drei Kilometer Offroad bewältigt. Mit Sicherheit kein rekordverdächtiger Schnitt, dafür aber der Streckenabschnitt, der für mich ganz weit oben auf der Liste der bislang reizvollsten dieser Runde steht.


              Vordergrund: Cala Bassa


              Triciclistas außerhalb der Saison zahlen nichts


              Beginn der Mondlandschaft


              legitime Route


              erkennbarer Weg


              Torre D'En Rovira


              immer noch Torre D'En Rovira


              Sa Conillera


              Blick Richtung Festland (auf dem Bild nicht erkennbar)

              Was folgt brilliert bestenfalls durch Zahlen. Der Grad der Steigungen ist nicht ohne. Häufig genug zweistellig. Ansonsten: Ferienanlagen, Villen, zugebaute Hänge. So aussichtsreich gelegen an der Westküste manch eine Terrasse sein mag, für meinen Geschmack verschandelt das von Menschenhand Geschaffene die Landschaft. Ohne großartigen Gegenwert bedeuten die steilen Einschnitte für mich vor allem eines: sie kosten Kraft. Entsprechend reduziere ich das Abbiegen auf Stichwege in kleine Buchten oder zu abgelegeneren Aussichtspunkten. Froh bin ich lediglich, dass ich an der Cala Valdella nicht auch noch umkehren muss. Ein Straßenschild signalisiert, dass eine Durchfahrt infolge einer Baustelle nicht möglich sei. Da ich mir einen Umweg ersparen möchte, ignoriere ich einstweilen den Hinweis. Wäre ja nicht das erste Mal, dass ich mit dem Rad dennoch durch komme. Nach einigen abschüssigeren Metern eine Kurve weiter dann eine Absperrung quer über die Fahrbahn. Ich mag es kaum glauben. Alles wieder zurück und außerdem die längere Alternativroute einschlagen? Zum Glück rollt hinter mir ein Lastwagen heran. Der Fahrer steigt aus, schiebt Teile des Hindernisses beiseite und schickt sich an, es zu passieren. Ich spreche ihn an.
              „Komme ich mit dem Rad an der Baustelle vorbei?“
              „Nein, die Straße ist aufgerissen.“
              „Und über den Bürgersteig? Oder über einen Randstreifen?“
              „Haut nicht hin. Ist alles offen. Bestenfalls über den Strand. Da müsstest du aber durch Sand.“
              Na also. Geht doch. Schlimmer als die Mondlandschaft zuvor wird es schon nicht sein. Und die Bucht ist keine zweihundert Meter breit. Hat sich über-die-Schilder-Hinwegsetzen einmal mehr ausgezahlt. Ich bedanke mich bei dem Lastwagenfahrer, schließe hinter ihm und mir die Absperrung und folge der Linie auf dem Navi. Dass ich meinen fahrbaren Untersatz zwanzig Meter über den Sand schiebe, um danach über einen Bretterweg zu rumpeln? Geschenkt. Die Straße auf der anderen Seite der Bucht den Hügel hoch ist anstrengender.


              steile Westküste


              Cala Valdella

              Ist Es Vedrà für manch einen das letzte sichtbare Überbleibsel von Atlantis, für manch anderen eine Orientierungshilfe für UFOs, so bleibt für mich der fast 400 Meter hohe Fels vor der Westküste Ibizas der Punkt, von dem aus ich die Küste hinter mir lasse. Auch ein letzter Versuch, nicht aus eigener Kraft noch ein Stück weiter auf ein näher gelegenes Kap zu gelangen, um der Insel noch ein Stück näher zu kommen, endet erfolglos. Ich biege in einen staubigen Stichweg ein, parke mein Vehikel hinter einer Kurve so, dass es nicht unmittelbar für auf der Straße vorbei Fahrende sichtbar ist, und warte eine Viertelstunde, ob mich jemand im Auto mitnimmt. Es kommt jedoch keiner. Fünf Uhr ist bei bedecktem Himmel außerhalb der Saison nicht der richtige Zeitpunkt für derartige Exkursionen.


              Es Vedrà


              vergebene Liebesmüh


              Ibizas Südwesten …


              … im Hintergrund Formentera (La Mola sowie das Cap de Barbaria ragen etwas höher)

              Eine Stunde später ist Sant Josep erreicht. Hier stelle ich mir vor, in einem preiswerten Hotel oder einer ebensolchen Pension meine letzte Nacht während meiner Kurztour zu verbringen. Von dem Ort aus sind es keine 15 Kilometer mehr zum Flughafen, nicht wenige davon bergab, so gut wie keine Anstiege mehr. An sich optimale Voraussetzung, nach einer Dusche unverschwitzt die Tour zu beenden. Auf dass kein Sitznachbar oder sonst wer in meiner Nachbarschaft die Nase rümpfen muss. Spätestens aber, als ich in der Polizeistation des Dorfes nachfrage, weiß ich: Sant Josep ist für mein Ansinnen der falsche Ort. In ihm sowie in der näheren Umgebung gibt es keine Hotels und Pensionen. Also doch wieder Katzenwäsche aus der Wasserflasche?
              Ich decke mich im Supermarkt entsprechend ein und schaue, wo ich bleiben kann. Meine Wahl fällt auf den Hügel im Osten. Dort entdecke ich Wald, Felder und Plantagen. Was ich auf Anhieb nicht finde, ist jedoch ein verstecktes Plätzchen. Versuche, irgendwo anzuklopfen und zu fragen, ob man einen Flecken für mich habe, sind ebenso erfolgreich wie das Stoppen eines Mountainbikers. Ist in den Fincas niemand außer dem Hund Zuhause, so kann mir der Bergpedalist genauso wenig weiterhelfen. Dazu kommt, dass die Zeit voran schreitet. Es wird immer dunkler. Die nachlassende Helligkeit hat jedoch auch ihre Vorzüge. Leute, die Zuhause sind, schalten das Licht an.
              In einer entfernteren Villa fallen mir erleuchtete Räume auf. Nach einer hundert Meter langen Zufahrt stehe ich vor einem verschossenem Tor. Dahinter: eine Kies bedeckte Fläche, ein Geländewagen, ein zweigeschossiges Gebäude. Oben die Fenster, hinter denen das Licht brennt. Neben dem Tor hängt an der Mauer eine Glocke. Ich läute. Der an das Metall schlagende Klöppel muss bis in das Haus zu hören sein. Hinter einem der Fenster regt sich etwas. Ich gestikuliere, winke. Zunächst schaut eine Frau um die Ecke, dann ein Mann. Letzterer kommt die Treppe des Hauses herunter. Das ich mit dem Rad reise, ist unschwer zu erkennen. Diesmal steht mein fahrbarer Untersatz unmittelbar hinter mir.
              „Hallo. Ich suche einen Platz, auf dem ich für eine Nacht mein Zelt aufzuschlagen kann. Hätten Sie für mich etwas?“
              „Das ist ein ungewöhnliches Anliegen.“
              Ich schildere in knappen Worten das Wieso, Weshalb und Warum, dann wendet sich mein Gegenüber ab.
              „Ich bespreche das kurz mit meiner Frau. Augenblick.“
              Wenig später öffnet sich das Tor.
              „Meine Frau ist zwar nicht begeistert, aber Sie können bleiben. Ich verantworte das schon.“
              Innerlich amüsiere ich mich. Sind wir nicht klasse, wir Männer. Wahrscheinlich sind die Frauen selbst auch nicht besser. Erst fragen und dann trotzdem tun, was man für richtig hält. Wie auch immer – mir ist es recht, der Mann ist mir sympathisch.
              „Ich würde Ihnen gerne unser Gästezimmer anbieten, da hat ein Freund jedoch noch seine Sachen herum liegen. Kommen Sie aber mal mit. Ich zeige Ihnen einen Platz. Wir haben oben eine Pferdekoppel. Zur Zeit sind keine Tiere drauf. Dort können Sie sich breit machen. Am besten vielleicht im Stall. Er ist sauber und dort wären Sie windgeschützt.“
              Wir stiefeln auf einem Trampelpfad den Hügel weiter empor. Das Grundstück ist ein paar tausend Quadratmeter groß. Nach einigen Schritten stehen wir vor einem Blockhaus, vor dem ein weiterer Geländewagen abgestellt ist. Mein Gastgeber öffnet eine Tür der Hütte.
              „Hier. Wenn Sie wollen.“
              Ich bevorzuge den Platz ohne festes Dach über dem Kopf. Trotz des Windes. Die Aussicht ist grandios. In zwei, drei Kilometern Entfernung, im Tal, liegt Sant Josep, mittlerweile ebenfalls beleuchtet, um mich herum Bäume. Nachdem wir wieder zurück am Tor sind, wo noch immer mein Rad steht, bekomme ich „mein“ Bad gezeigt.
              „Ich stelle Ihnen noch den Boiler an und lege Ihnen ein Handtuch hin. In etwa einer Stunde sollten Sie warm duschen können.“
              Es ist mir fast ein wenig peinlich, doch ich widerspreche nicht.
              Etwa eine Stunde später dusche ich warm. Das Zelt steht. Erstmals, seit ich auf Ibiza bin, setzte ich Heringe für drei Abspannleinen, damit das Tuch nicht so sehr flattert. Ich bin so frei, ziehe auch noch die Leibwäsche durch das Waschbecken, eine Leine zwischen zwei Bäume, und überlasse die nassen Klamotten der Natur.
              Zufrieden mit mir, meinem Dasein und meiner Umgebung lasse ich es ruhig angehen. Wie gewohnt koche ich mein „Süppchen“, schmökere noch ein wenig in einem E-Book und lasse Gedanken ihren Lauf. Dass ich die Nacht den Eindruck habe, da grast jemand um mein Zelt? Ich ignoriere es. Das Grundstück ist umzäunt, es wächst kaum etwas vor meiner „Haustür“ und selbst wenn, es würde mich nicht stören. Weder, dass da etwas sprießt, noch, dass es gefressen wird. Wahrscheinlicher ist es ohnehin, dass einfach nur der Wind Geräusche verursacht. Ein befreiendes Gefühl, sich über Dinge nicht den Kopf zerbrechen zu müssen, die man selbst nicht ändern kann.

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              • dirkpausk
                Anfänger im Forum
                • 04.02.2016
                • 44
                • Privat

                • Meine Reisen

                #8
                AW: [ES] Ibiza by trike oder Stärker als Achselschweiß

                Mittwoch. Letzter Tag auf Ibiza. Wieder scheint die Sonne. Laut Vorhersage sogar bis in die Abendstunden. Meine Wäsche auf der Leine trocken. Um Viertel vor zehn sind die Taschen ein letztes Mal auf dieser Insel gepackt. Obwohl mein Gastgeber ein zweites Tor für mich bereits entriegelt hat, klopfe ich bei ihm an und bedanke mich nochmals. Der Mann scheint Zeit zu haben. Seine Frau ist zum „Hairdresser“, er begleitet mich zurück zu meinem Rad. Ob es unhöflich ist, seine Einladung auf einen Kaffee abzulehnen, darüber zerbreche ich mir nicht den Kopf. Ich hatte wieder einmal bereits eine Tasse des morgendlichen Trunkes und wir unterhalten uns auch gut ohne Gebräu an der frischen Luft. Letztendlich bekomme ich mit auf den Weg, gerne wieder vorbei zu schauen, wenn ich das nächste Mal in der Gegend bin. Sinnig wäre es jedoch dazu, Kontaktdaten auszutauschen. Der Gedanke daran kommt mir allerdings erst Stunden später. Interessant hört sich hingegen an, was ich unmittelbar zu hören bekomme.
                „Warst du schon mal in Amerika?“
                „Nein.“
                „Kann ich dir nur empfehlen. Wir lebten dort für eine Weile in San Francisco. Nur eine Stunde mit dem Auto raus und du gelangst in Gegenden, die der Mensch noch nicht zerstört hat. Wir spazierten dort einige Male auf Wegen, die den Spuren nach seit Monaten niemand betrat. Natürliche heiße Quellen, in die wir uns setzten, hatten wir für uns allein und im Meer vor uns zogen die Wale vorbei.“


                Zelten auf der Pferdekoppel

                Ohne warmes Wasser aus der Erde und die Aussicht auf Meeressäuger geht es für mich einstweilen abwärts. Zweihundert Meter Talfahrt auf fast zehn Kilometer, mit frischer Frühlingsluft um die Nase. Vorbei an Blumenwiesen und Wäldchen. Ich mag gar nicht daran denken, nur wenige Stunden später mit dem Flieger in die Lüfte aufzusteigen.
                In der Cala Jondal zieht es mich noch einmal an das Meer. Laut einem Reiseführer soll die Bucht beliebt sein bei Leuten, die über mehr Besitztümer verfügen als andere und/oder bekannter sind als Otto-Normalverbraucher. Als ich dem Klackern der Steine in der Brandung zuhöre, bin ich der einzige dort. Das Geld, was ich im Portemonnaie habe, reicht mir. Es ist kein Vermögen. Kennen muss mich auch niemand. Mir reicht es halbwegs zu wissen, wer ich bin und was ich will. Bilde ich mir zumindest ein. Was andere von mir halten? Ich mag mir nicht deren Kopf zerbrechen. Es reicht mir, mich glücklich und zufrieden zu fühlen. In einer der Strandbars zu sitzen und dort Beträge zu lassen, für die manch anderer lange arbeitet und/oder leben könnte, würde mir nichts bedeuten. Heinrich Bölls Anekdote zur Senkung der Arbeitsmoral spricht mich deutlich mehr an und so reicht es mir, einfach nur die wärmenden Strahlen der Sonne auf dem Pelz zu spüren. Der blaue Himmel, die klare Luft und die Stille sind für mich unbezahlbar. Ich genieße für einige Momente einfach nur den Augenblick, das Hier und Jetzt, das Sein.


                Radeln durch den Frühling


                Cala Jondal …


                … die Steine klackern in der Brandung

                Eine gefühlte kleine Ewigkeit später ist es mit dem Leben in der Zeitlosigkeit vorbei. Es gibt da dieses Ticket, das ich nicht verfallen lassen will, einen Warmshowers Gastgeber, bei dem ich mich für den Abend anmeldete, sowie die Frau meiner Wahl, der ich ankündigte, zum Wochenende zurück zu sein. Ich kehre also wieder zurück auf die Straße und trete in die Pedale.
                Auf den letzten Kilometern Richtung Flughafen bekomme ich Gesellschaft. Die, die mir bereits am Sonntag auffielen. Die beiden Autos mit deutschen Kennzeichen aus dem Schwabenland. Von denen die Tür des einen diesen Schriftzug trug, mit dem ich nichts anfangen konnte. An diesem Mittwoch Vormittag bekomme ich ihn gleich mehrfach zu sehen. Der Asphalt wird gleich in Rudeln bevölkert. Vier Kolonnen mit jeweils einem Dutzend Fahrzeuge, die machen, was ich auch mache. Man gurkt umher. Anders als ich erfreuen sich deren Lenker weniger an der Natur sondern vielmehr daran, was Ingenieure, Designer, Mechaniker und Maschinen erschufen. Wie unschwer zu überhören hat man auch daran seinen Spaß. Motoren werden kurzzeitig höhere Drehzahlen entlockt, dann kommt die nächste Kurve. Ob hinter den Windschutzscheiben auch etwas davon mitzubekommen ist, dass Vögel zwitschern, Blüten duften oder die Sonne die Haut umschmeichelt? Ich wage es zu bezweifeln. Wer stärker ist als die Zeit, dem fehlt sie anscheinend, sie zu genießen. Wie ich nur wenig später erfahre, ist man allerdings auch nicht nur zum Vergnügen auf dem Baleareneiland.


                Flughafen in Sichtweite


                Sterne am hellichten Tag

                Minuten später wird meine Ibiza-Runde zur Erinnerung. Gute 200 Kilometer und 3000 Höhenmeter sind abgespult. Keinen von ihnen möchte ich missen. Wie sich Erlebnisse, Eindrücke und Glücksmomente quantifizieren lassen, bleibt für mich auch auf dieser Tour unbeantwortet. Ich lebe jedoch ganz gut damit, dass nicht alles in Zahlen ausdrückbar oder messbar sein muss. Vor dem Flughafen reckt auf einer Reklametafel eine Frau ihre Arme gen Himmel. We love winter – wir lieben die kalte Jahreszeit. Auch wenn ich etwas anderes kennen lernte, als ganzjährig geöffnet beworben wird – ich schließe mich dem an.


                Ende Ibiza-Runde


                gefiel mir auch, die kalte Jahreszeit

                In der Sonne vor dem Abfertigungsgebäude mache ich mein Vehikel flugtauglich. Taschen ab, Sitz ab, Fähnchen raus, Rad zusammenklappen, ausrangierte Bettwäsche drum, damit möglichst anderer Leuts Gepäck keine Spuren von Öl und Schmiere abbekommt, sensiblere Teile mit Karton und Schaumstoffverpackungen polstern – Container für Papiermüll und Verpackungen entwickeln sich für mich zu einer wahren Fundgrube – alles schön mit etlichen Metern Frischhaltefolie aus dem Supermarkt bandagieren, noch ein paar Kabelbindern sowie Spanngurten drum und ab zum Check-In-Schalter. Während ich warte, vertreibe ich mir die Zeit im Gespräch mit denen, die mir kurz zuvor auf der Straße begegneten. Plastikausweise mit dem Logo des Autoherstellers erweisen sich als verräterisch.
                „Gehört ihr zu denen, die mit Böblinger Kennzeichen in den Daimlern unterwegs waren?“
                „Ja, oh, trage ich noch mein Kärtchen um den Hals?“
                „Um was ging es denn bei euch? Fotoshooting vor balearer Kulisse?“
                „Nee, wir sind Verkäufer und durften die neuen Modelle kennen lernen.“
                Wir quatschen ein wenig belangloses Zeug, ich erfahre, dass ich mit meiner Vermutung nicht so ganz daneben lag – Zeit, die Insel kennen zu lernen, blieb keine – dann bin ich an der Reihe, meine Habseligkeiten gegen eine Bordkarte einzutauschen. Von den angemeldeten 25 Kilo Gepäck hätte ich mir fünf sparen können. Dafür jedoch stelle ich mein Handgepäck besser nicht auf das Kofferband. Spannend wird es, als es um das Rad geht.
                „Sie hatten ein Rad angemeldet.“
                „Das ist dieses.“
                Mein Finger deutet auf das unförmige Etwas hinter mir.
                „Das ist ja gar kein richtiges Fahrrad.“
                „Das ist das, was ich bei der Fluggesellschaft angemeldet habe und wofür ich meinen Obolus entrichtete. Soll ich Ihnen die E-Mail zeigen?“
                So genau will es die Dame dann doch wieder nicht wissen. Als wir Richtung Sperrgepäckschalter gehen, werde ich mit weiteren Bedenken traktiert.
                „Das Rad sieht nicht so aus, als ob es durch den Scanner passen würde.“
                „Seien Sie unbesorgt.“
                Mein Eindruck ist, dass es der Bediensteten nicht gefällt, ihren Stuhl zu verlassen.
                Als wir vor dem Band stehen, quengelt sie weiter.
                „Wir müssen uns beeilen. Am Schalter ist sonst niemand, die anderen Fluggäste warten.“
                Ich nehme es gefällig zur Kenntnis. Muss ich mich hier um Arbeitsabläufe kümmern?
                Wie schon vor anderthalb Jahren, so passt auch diesmal das Rad problemlos durch das Gestänge. Nachdem es auf dem Band hinter herab fallenden Gummilappen verschwunden ist bekomme ich noch mit auf den Weg, ich möge doch bitte auf die Lautsprecherdurchsagen achten. Höre ich meinen Namen, solle ich unbedingt und umgehend den Anweisungen Folge leisten. Irgendwie muss ich es der Dame angetan haben.
                Anstatt dass ich aufgerufen werde, lässt man mich jedoch sitzen. Und nicht nur mich, sondern ebenso die wahrscheinlich weiteren 200 Passagiere auf dem Flug nach Amsterdam. Nicht wenige von ihnen, gerade die, die kurz zuvor noch kennen lernen durften, was stärker als Zeit ist, werden unruhig. Werden die Anschlussflüge noch erreicht? Zweieinhalb Stunden Verspätung sind angekündigt. Bei schönstem Wetter sitze ich hinter einer Panoramascheibe mit Blick über das Rollfeld sowie die Salinen. In der Zeit hätte ich schön noch einen Abstecher gen südlichsten Zipfel der Insel einlegen können.
                Ein wenig entschädigt werde ich dafür mit der Flugroute. Als ich irgendwann nach dem Start aus dem Fenster schaue, sehe ich Land. Es sieht jedoch anders aus als die Bucht von Palma de Mallorca, über die es üblicherweise geht. Nach einigem Hinschauen dämmert es mir. Der Fluss, der da aus dem Hinterland kommt, sich verästelt und von Lagunen umgeben in das Meer mündet, ist der Ebro. Wir sind über dem Festland, befinden uns zwischen Barcelona und Valencia. In der Abendsonne aus der Höhe ein stimmungsvoller Anblick der Erinnerungen weckt. Zweieinhalb Jahre ist es her, dass ich zwischen den Reisfeldern her radelte. Eine Weile später überfliegen wir Schnee bedeckte Gipfel. Die Pyrenäen. Auch eine Gegend, der man sich mal intensiver widmen könnte. Gegen sieben schließlich genieße ich einen Sonnenuntergang über den Wolken. Ebenfalls ein immer wieder faszinierendes Naturschauspiel. Die Farben wechseln, der Himmel glüht, am Ende verschluckt ein tiefes Schwarz alles, bis im Landeanflug der Flieger sich seinen Weg durch eine dichte Wolkendecke bahnt.

                Wie erwartet vergeht einige Zeit, bis ich nach der Landung meine vier Gepäckstücke wieder vollzählig habe. Die beiden Taschen sowie den Rollsack mit dem Zelt habe ich schnell, das Rad lässt länger auf sich warten. Vor mir spuckt das Band des Sperrgepäckschalters zahlreiche längliche Gegenstände aus. Es dauert einige Zeit, bevor bei mir der Groschen fällt. Natürlich. Wir haben ja Winter. Es gibt auch Menschen, die machen Skiurlaub. Nach einer guten halben Stunde entdecke ich mein Fahrzeug. Irgend jemand hat es vor einem Aufzug abgestellt. Für das Band war es wohl zu schwer, sperrig oder unhandlich.
                Erleichtert rufe ich wie vereinbart meinen Warmshowers Gastgeber an. Ich hatte ihn bereits von Ibiza aus über meine Verspätung informiert und nachgefragt, ob es für ihn ein Problem sei oder ob ich mich nach einer anderen Alternative für die Übernachtung umschauen solle. Für Peter, ich nenne ihn an dieser Stelle diskreterweise mal so, da alle Holländer ja angeblich so heißen, war es keine Frage.
                „Nein, nein, alles okay. Ruf mich an, wenn Du Dein Gepäck wieder hast. Ich komme dann vorbei und hole Dich mit dem Auto ab. Wir wohnen nur eine Viertelstunde vom Flughafen entfernt.“
                Was mir bei einer Landung um kurz nach fünf nicht recht gewesen wäre, kommt mir zweieinhalb Stunden später entgegen. Der Weg zum abgesprochenen Treffpunkt entwickelt sich mit einem zusammen gefalteten Liegedreirad und vier Gepäckstücken zu einem Slapstick reifen Unterfangen. Ausgerechnet im schmalen Ausgang zwischen Zollkontrolle und Empfangshalle ist jedoch niemanden nach Lachen zumute, als mein Kartenhaus auf Rädern zusammenbricht. Erst fällt eine Tasche herunter, dann folgen die anderen. Die dem Anschein nach Geschäftsreisenden haben jedoch besseres zu tun, als zu helfen. Sie steigen über die am Boden liegenden Gepäckstücke und drängeln sich hastig vorbei. Sich zu bücken und mitzuhelfen, den Weg frei zu machen, wäre einfacher. Irgendjemand erbarmt sich dann aber doch, greift mir mehr oder minder unter die Arme und sorgt dafür, den Durchgang nicht länger zu blockieren. Auch wenn ich es nicht für möglich gehalten hätte, letztendlich stehe ich noch vor Peter vor dem Terminal.
                Bei meinen Gastgebern eingetroffen verläuft der Rest des Abends entspannter. Nahezu vertraut. Wir setzen uns an den Tisch und quatschen. Schnell herrscht eine Atmosphäre, als kennen wir uns schon ewig. Peter und Astrid, seine Frau, sind in meinem Alter, haben ebenfalls zwei mittlerweile erwachsene Söhne und reisen viel und gerne. Für die beiden bin ich der erste radreisende Gast, den sie beherbergen. Peter hatte sich erst kurz zuvor in der Internetgemeinde angemeldet. Er will im Sommer per Drahtesel über die Alpen in die Toscana und dabei auf die Gastfreundschaft Gleichgesinnter zurückgreifen. Da Köln für ihn auf dem Weg liegen wird besteht Potential, dass wir uns wieder sehen werden.
                Die Zeit verfliegt. Irgendwann ist es das Bewusstsein, das auf meine Gastgeber am nächsten Morgen ein neuer Arbeitstag wartet und ich auch nicht zu spät starten will, das uns in die Federn treibt. Stunden später setzen wir unsere Unterhaltung noch ein wenig am Frühstückstisch fort, dann geht jeder seiner Wege. Peter gen Büro, Astrid ins Arbeitszimmer, ich einstweilen in die Garage. Nach einer knappen Stunde bin ich startklar. Ich verabschiede mich von Astrid, dann beginnt der Endspurt.

                Die 300 Kilometer bleiben vergleichsweise glanzlos. Wie schon für die Anreise von Köln nach Barcelona vertraue ich auch auf dem Weg von Schiphol zurück an den Ausgangspunkt meiner Reise dem, was der Internetroutenplaner Naviki vorschlug. Gibt es Zeitgenossen, die die Strecke an einem Tag bewältigen, so komme ich für meine Verhältnisse auch mit drei Tagen noch zügig voran. Der Wind kommt überwiegend von der rechts, Erhebungen sind nicht der Erwähnung wert und in der Regel rollen die Räder auf Asphalt. Was sich auf den ersten Kilometern bis Utrecht bewahrheitet ist eine Erkenntnis, die mir Peter und Astrid mit auf den Weg gaben.
                „An sich ist Holland ganz schön. Das einzige was fehlt, ist ein Dach drüber.“
                Es beginnt zu regnen. Kalt ist es außerdem. Wobei die Temperatur relativ ist. Ich empfinde sie als frisch, für die, die die letzten Tage in diesen Breitengraden miterlebten, wird es warm. Mit fünf Grad ist es fast zehn Grad wärmer als noch unlängst zuvor, ebenso jedoch gut zehn Grad kühler als auf Ibiza. Schnell trage ich Bekleidungsstücke, die ich schon seit Wochen nicht mehr benötigte – Handschuhe.
                Die zwei Stunden Flugzeit bringen jedoch noch weitere Veränderungen mit sich. Statt Meer und Hügel habe ich um mich herum Kanäle und flaches Land. Nahezu überall. Ebenso wie Häuser. Wohin ich schaue, stets ist eines zu sehen. Sie stehen nicht immer eng beieinander, irgendwo ist aber immer eines zu entdecken.
                Nicht gar so reichlich gesät sind hingegen Supermärkte. Dort, wo viele Menschen leben und ich mein Rad nur ungern unbeaufsichtigt zurück lasse, finden sich entlang meiner Route Einkaufsmöglichkeiten, andernorts nicht. Einen notdürftigen Ersatz finde ich in einer Tankstelle. Da ich keine anderthalb Tage in Holland unterwegs bin, kann ich damit leben.
                Einen kleinen Umweg bereitet mir eine Fähre über die Waal. Sie verkehrt ausschließlich für Radfahrer und Fußgänger, das aber lediglich im Sommer. Zum Glück ist eine Alternative nicht fern. Über den Pannerdensch Kanaal und den Rhein gelange ich ebenfalls nach Millingen, nur kosten mich die fünf Kilometer mehr einschließlich der Wartezeiten eine Stunde.
                Die beiden Nächte verbringe ich im Zelt. Finde ich in Holland in der Nähe von Rhenen am Niederrhein einen geöffneten Campingplatz hinter dem Deich, so schlage ich meine Behausung bei Rheinberg auf einer Wiese eines Landwirtes auf. Dass nebenan Koteletts, Schnitzel und Haxen wachsen stört kaum. Der Stall hat dicke Mauern, neben mir rauscht ein Bach und auch der Wind lässt eher die Schweine mitbekommen, dass sie für eine Nacht einen neuen Nachbarn haben, als anders herum.
                Gewöhnungsbedürftiger empfinde ich den Verkehr. Auf den Wegen, die ich auf Ibiza einschlug, war kaum jemand unterwegs. Von den wenigen Radlern, die mir begegneten, kurbelten die meisten auf dem Rennrad umher. Die anderen waren Mountainbiker. In Holland hingegen wimmelt es nur so von Alltagsradlern. Im Gegensatz zu den Sport- und Freizeitpedalisten grüßt von ihnen kaum jemand. Auf der Baleareninsel winkten mir häufig genug selbst Autofahrer entgegen oder erhoben respektvoll den Daumen. Der Vergleich zwischen Holland und Deutschland ist nochmals ein anderer: im Nachbarland fühle ich mich deutlich besser in den Straßenverkehr integriert und mehr von den Autofahrern respektiert. Ich vermag gar nicht so genau zu benennen, was den Unterschied ausmacht, dass einer besteht, ist jedoch unverkennbar. Möglicherweise ist es aber auch einfach nur die höhere Verkehrsdichte auf den Straßen.
                Unspektakulär nähere ich mich mit einer Kurbelumdrehung nach der anderen dem Ort, der gemeinhin Heimat genannt wird. Begegnungen bleiben Mangelware. Die meisten Gleichgesinnten sitzen noch in ihrem stillen Kämmerlein und planen gerade erst ihre Touren. Platz, Gedanken schweifen zu lassen, existiert ebenso wenig. Die Straße erfordert meine volle Aufmerksamkeit. Gleichfalls halten sich Sehenswürdigkeiten in Grenzen. Kalkar und Xanten bieten zwar mit manch einem Gebäude einen Blick in die Vergangenheit, dass mich aber etwas derartig fesselt, das ich Mühe habe, mich davon wieder loszueisen, ist nicht der Fall. Statt dessen akklimatisiere ich mich mit jedem Kilometer mehr und mehr an meine gewohnte Umgebung.
                Erst kurz vor den Toren Kölns werde ich gestoppt. Jürgen, ein anderer Liegedreiradler, mit dem ich schon mal eine Runde zusammen drehte, taucht plötzlich hinter mir auf.
                „Wo kommst du denn her? Weltreise?“
                Wir plaudern ein wenig, fahren ein kurzes Stück zusammen und haben schließlich den Langeler Fähranleger im Norden der Domstadt vor uns.
                „So. Pause. Ich habe mich hier auf dem Hinweg auf eine Bratwurst angemeldet. Traditionsbesuch bei der Bude hier.“
                Da ich erst kurz zuvor ein Brötchen verdrückt hatte und sich unsere Wege ohnehin in ein paar Kilometern trennen würden, verabschiede ich mich.
                Eine gute Stunde später habe ich das nächste Trike neben mir. Diesmal ist die Begegnung weniger zufällig. Es ist Ute. Sie radelte mir entgegen, nachdem ich sie von der Leverkusener Brücke aus vorwarnte, dass ich in einer Stunde in der Altstadt sein würde. Um mit meiner Zeitabschätzung nicht all zu sehr daneben zu liegen, trat ich etwas beherzter in die Pedalen und so braucht meine Frau nicht auf mich zu warten. Unter den Kranhäusern schließe ich sie in die Arme. Ein schöner Empfang – auf den Tag genau sind zwei Monate vergangen, seit wir uns auf einem Weg zwischen den Feldern voneinander verabschiedeten. Dass meine Klamotten im Gegensatz zu dem Tag im Januar nach dem Endspurt kleben und möglicherweise ebenso olfaktorisch nicht ganz unauffällig sind? Es scheint Ute nicht zu stören. Auch Liebe ist anscheinend stärker als Schweiß …


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