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Reiseziel: Norwegen, Nordland Fylke, Region Helgeland
Reisezeit: 18. bis 26. August 2016
Schon seit ein paar Jahren wollte ich eine Tour in den 2009 eröffneten und immer noch relativ wenig bekannten Lomsdal-Visten Nationalpark unternehmen. Im vergangenen Jahr sollte es endlich losgehen, von der Ostseite des Tosentunnels nach Mosjøen. Gescheitert ist das Vorhaben damals an vier Tagen mit starken Regenfällen, die Bäche und Flüsse nach kurzer Zeit unpassierbar gemacht haben. Das geschieht leider oft in einem Gebirge, das zu großen Teilen von nacktem Fels dominiert wird und das zu den niederschlagsreichsten in ganz Norwegen zählt. Moor-, Wald- und Heideflächen, die einen Teil des Regenwassers speichern und den Abfluss verlangsamen könnten, finden sich hauptsächlich in den Randbereichen. Brücken gibt es sehr wenige und auf meiner damals geplanten Route gar keine. So bin ich letzten Endes östlich um den Nationalpark herumgelaufen.
Diese Jahr also ein neuer Versuch, hoffentlich mit mehr Glück. Geplant ist eine Durchquerung von Süd nach Nord: Tosbotn – Lomsdalen - Henriksdalen - Søre Vistvatnet – Storvatnet/Skjørlægda (erste Ausstiegsmöglichkeit) – Nordfjellet – Fagerjordfjellet – Sørvassdalen – Tverråga. Für die Strecke rechne ich acht Tage in gemächlichem Tempo, ich will auch die Möglichkeit haben, an schönen Stellen etwas mehr Zeit zu verbringen. Falls ich zwischendurch abwettern muss, sollte sich der Essensvorrat auf zehn Tage dehnen lassen.
Glücklicherweise bin ich zeitlich flexibel, weil mir meine Frau einen Solourlaub von gut drei Wochen genehmigt hat. Die restliche Zeit möchte ich noch zwischen Glomfjord und Bodø wandern, aber dafür habe ich keine feste Strecke geplant, das entscheide ich dann spontan nach Wetterlage. Wenn man in den küstennahen Gebirgen der Nordland Fylke unterwegs ist, sollte man meiner Meinung nach sowieso nicht zu knapp planen, das Wetter ist unberechenbar. Das gilt selbst für den norwegischen Wetterdienst, die Vorhersagen für mehr als 24 Stunden sind oft keinen Pfifferling wert.
Jetzt geht es aber erst mal in den Lomsdal-Visten Nationalpark, ich kann es gar nicht erwarten und freue mich riesig darauf, diese interessante Gegend endlich kennenzulernen. Anreise ist am 18. August 2016.
Tag 1
Anreise nach Brønnøysund
Wie so oft geht es erst mal mit dem Flieger über Kopenhagen nach Oslo. Weil wir pünktlich sind, habe ich bequem eine Stunde Zeit, meinen Rucksack einzusammeln, am Spesjalbaggasje-Schalter wieder abzugeben und durch die Sicherheitskontrolle zu latschen. Trotzdem: wann wird endlich auch in Norwegen die Zollabfertigung am Ziel- statt am Einreiseflughafen gemacht? Das war schon im vergangenen Jahr angekündigt, aber es scheint noch nichts passiert zu sein. Jedenfalls nervt das, wenn die Zeit bis zum Anschlussflug knapp ist. Von Oslo gibt es tatsächlich einen direkten Flug mit Widerøe nach Brønnøysund, der um 14:40 Uhr startet. Und bei dem wolkenlosen Wetter gibt es viel zu sehen, z.B. Femunden und Sylan.
Auch in Brønnøysund ist es warm und sonnig. Ich laufe die zwei Kilometer in die Stadt zum Einkaufen und setze mich bei diesem herrlichen Sommerwetter erst mal für eine Stunde an den Hafen, vollkommen entspannt. Der Urlaub hat begonnen.
Brønnøysund, genau in der Mitte von Norwegen
Weil der Bus nach Tosbotn erst morgen früh fährt, muss ich für eine Nacht hierbleiben. Hotelübernachtungen sind nicht so mein Ding, da schlafe ich immer schlecht und sie sind auch noch unnötig teuer. Lieber suche ich mir einen Platz auf der waldigen Landzunge Klubben, südlich der Stadt. Trinkwasser tanke ich am Flughafen, wo ich nochmal vorbeikomme, danach laufe ich noch gute 2 km bis ich eine perfekte Stelle für mein Zelt gefunden habe.
Tag 2
Tosbotn – Bjørnstokken
Heute geht es in die Berge! Gut gelaunt packe ich zusammen und gehe zurück nach Brønnøysund, wieder bei strahlendem Sonnenschein. Um 09:30 Uhr fährt der Bus Richtung Mosjøen ab, bis dahin ist noch genügend Zeit für einen Kaffee am Schnellbootkai. Der Busfahrer wandert auch gern und weiß schon ungefähr was ich vorhabe, als er meinen großen Rucksack sieht und ich ihm sage, dass ich in Borkamoen aussteigen will. Er hält dann auch an der richtigen Stelle, direkt hinter der Brücke über die Leiråa, wo nach einigen Metern ein gesperrter Schotterweg das enge Tal hinaufführt. Auch hier wird für ein Wasserkraftwerk gebaut, ganze fünf Kraftwerkprojekte werden zur Zeit am Tosbotn realisiert.
Diesem angenehmen Weg folge ich einen knappen Kilometer, dann geht er über in eine raue Fahrspur. Östlich der Lissåa geht es jetzt mit kräftigem Anstieg das Tal hoch. Ich bin dankbar für den deutlichen Weg, denn das Rucksackschleppen ist schon schwer genug, und in diesem engen Tal würde ich mich nicht gerne pfadlos durch den Wald kämpfen. Nach einem weiteren Kilometer wird es sehr matschig, es geht durchs Moor.
Jetzt quere ich nicht mit der Fahrspur den Bach, sondern folge einem kleinen Pfad, der bald auch mit kleinen Fähnchen markiert ist und durch das enge Tal nördlich des Arnfloget in direkter Linie zum Bjørnstokkfossen führt. Dieser Pfad ist auf der Karte nicht eingezeichnet, der auf der Karte angedeutete Pfadverlauf ist dagegen, schon mit Blick auf die Höhenlinien, völlig unsinnig. Ein Schild warnt vor Sprengungen wegen des Kraftwerkbaus und verbietet den Durchgang, was ich aber ignoriere.
Dieser Pfad ist richtig
Kurz vor dem Wasserfall und dem direkt darunterliegenden neuen Tunnelinntak zweigt ein unmarkierter Pfad steil den Hang hoch nach Nordwesten ab. Der muss richtig sein. Ich bin schon einigermaßen erschöpft vom ersten Anstieg und schwitze bei dem warmen Wetter wie ein Stier, also gönne ich mir eine halbe Stunde Pause und den Rest vom Lefse, den ich mir für die Busfahrt gekauft habe.
Tunnelinntak der Bjørnstokkelva
Danach folge ich weiter dem Pfad, der jetzt stellenweise mit Steinmännchen markiert ist, weiter hinauf zum unteren und an diesem entlang zum oberen Bjørnstokkvatn. Meine Füße, Beine und der Rücken schmerzen schon, ich brauche unbedingt eine längere Pause. Nach dem Mittagessen döse ich noch eine Stunde in dem angenehmen Dämmerzustand zwischen Wachen und Schlafen vor mich hin, kann mich dann aber doch aufraffen um noch ein Stück weiterzugehen. Am steilen Ufer des Bjørnstokkvatn entlang sind auch zwei kleine Blockfelder zu überwinden, was bei der trockenen Witterung aber kein Problem ist.
Unterer Bjørnstokkvatn
Oberer Bjørnstokkvatn
Oberer Bjørnstokkvatn
Als ich den See hinter mir habe, verliert sich der Pfad in den nassen Wiesen und kleinen Mooren (oder ich verliere den Pfad), und so gehe ich noch einen Kilometer weiter das Tal hoch und beschließe dann, dass ich mir den Pass für morgen aufspare. Ich will's nicht übertreiben am ersten Tag, also baue ich auf einem der vielen kleinen Hügel das Zelt auf. Inzwischen sind dichte Wolken aufgezogen, aber mit 14° C ist es am Abend immer noch mild. Das freut auch die Mücken, die hier das erste Mal an diesem Tag zahlreich auftreten.
Tag 3
Midtre und Nedre Breivatnet – Lomsdalen
Am frühen Morgen regnet es etwas, aber als ich aufbreche hat es schon wieder aufgehört. Drei Rentiere trotten auf der anderen Bachseite vorbei. Ich laufe zuerst das Tal weiter hoch und sehe bald den Einstieg zum Pass, ziemlich genau an der Stelle, wo in der Karte der Pfad eingezeichnet ist. Im Gelände ist allerdings kein Pfad zu erkennen, auch keine Markierungen. Kurzer, steiler Aufstieg, dann ein Stück über Felsbrocken, dahinter sehe ich wieder ein Steinmännchen. Bin also richtig.
Blick zurück
Auf dem Pass
Anschließend suche ich mir meine Route hinunter zum Midtre Breivatn über die glattgeschliffenen Felsen. Heute laufe ich schon viel besser als gestern, nur die Schultern merke ich deutlich. Muss mich an das Rucksacktragen wohl wieder gewöhnen. Die weiter mit Steinmännchen markierte Route zwischen Øvre und Midtre Breivatnet ist sehr angenehm, endlich komme ich mal flott voran.
Øvre Breivatnet
Route zwischen den Seen
Während der Frühstückspause kommt auch schon mal die Sonne durch, aber es bleibt eher bewölkt. Zwei Wanderer eilen vorüber, mehr als ein kurzer Gruß ist anscheinend nicht drin. Vielleicht müssen sie den Bus erreichen. Ich laufe dagegen sehr viel gemächlicher über die Bergrücken nordwestlich des Midtre Breivatnet und dann steil hinunter zum Abfluss des Nedre Lappskardvatnet. Von oben hat man schon einen prachtvollen Blick auf den Nedre Breivatn, Middagsfjellet, Lauvvasstinden und das Lomsdal in der Ferne.
Lappskardvatnan
Nedre Breivatnet, Lomsdalen in der Ferne
Middagsfjellet
Unangenehm und anstrengend ist der weitere Weg bis zum Abfluss des Nedre Breivatn. Weidenbüsche und unübersichtliches Gelände kosten Kraft und Zeit. Reichlich erschöpft komme ich zur Furt durch die Breivasselva, die bei dem niedrigen Wasserstand in Wanderstiefeln passierbar ist.
Breivasselva
Breivasselva
Verdiente Mittagspause. Gut ausgeruht breche ich gerade auf, als es zu regnen anfängt. Bei 18° C ziehe ich aber nicht die Regenjacke über, sondern werde lieber nass. Direkt nach Norden überquere ich jetzt eine weitere unübersichtliche, von kleinen Seen durchsetzte Ebene und steige dahinter zu den Lomtjønnan ab. Es gibt hier einige Steinmännchen, die für mich aber keine sinnvolle Route ergeben, man sollte eher nicht versuchen ihnen zu folgen.
Lomtjønnan
Nach der letzten steilen Abstiegsstufe gehe ich östlich an den Lomtjønnan vorbei. Jetzt ist für heute das Gröbste geschafft. Im Lomsdal läuft es sich wieder äußerst angenehm über glattgeschliffenen Fels, bald erreiche ich auch den Pfad. Das Tal ist wunderschön, selbst im Regen, hier will ich auf jeden Fall den Rest des Tages verbringen und das Zelt aufschlagen. Kurz vor der Dyrbergtjønna finde ich einen passenden Platz für die Nacht. Der Regen hört auf und es wird noch ein sonniger Spätnachmittag. Tiefe, glückliche Zufriedenheit breitet sich in mir aus, als ich frisch gewaschen und mit einem dampfenden Kaffee vor dem Zelt sitze und die herrliche Landschaft auf mich einwirken lasse.
Tag 4
Lomsdalen - Henriksdalen
Nach einer angenehm kühlen Nacht ist heute früh bei 4° C alles nass von Kondenswasser, nicht nur das Zelt, sondern auch alle Gräser, Sträucher, Kiefern und Birken. Der wolkenlose Himmel verspricht einen sonnigen Tag, also ist es nicht schlimm, wenn ich erst mal nass werde auf meinem Weg durch das Lomsdal. Noch im Schatten des Middagsfjellet breche ich zeitig auf, gegen 06:40 Uhr folge ich weiter dem Pfad, der sich durch Wiesen und Wald schlängelt. Ich bin wie berauscht von diesem wunderschönen Tal, das in der Morgensonne leuchtet und bleibe oft stehen um die Eindrücke aufzusaugen. Hier ein paar Fotos:
Den Pfadabzweig zur Lomsdalskoia lasse ich links liegen, schaue mir aber kurz den Jordkjeller an, eine weitere, aber sehr ungemütlich aussehende Schutzmöglichkeit im Lomsdal.
Der Vollständigkeit halber: Jordkjeller
Der Pfad verläuft jetzt weiter durch Wiesen und Heide und stößt unterhalb des Wasserfalls auf die Nedre Grunnvasselva. Da die Brücke oberhalb liegt, muss ich dem Fluss noch ein Stück aufwärts folgen. Wenn es einen Pfad direkt zur Brücke gibt, dann habe ich den verpasst.
Lomdsalen
Brücke über Nedre Grunnvasselva
Die Hängebrücke ist in perfektem Zustand, aber so lang, dass man nicht im Takt gehen darf, sonst gerät sie zu stark in Schwingung. Hinter der Brücke laufe ich noch einen Kilometer durch hügeliges, morastiges Gelände nach Norden. Mein nächstes Ziel ist das Henriksdal. Direkt vor dem Aufstieg zum westlichsten Ausläufer des Kjemfjellet mache ich Frühstückspause. Noch ist der leichte Wind angenehm kühl, aber als ich zwei Stunden später den Aufstieg beginne, wird es ordentlich heiß in der Sonne. Nach kurzer Zeit läuft mir der Schweiß buchstäblich in Bächen herunter.
Blick Richtung Grunnvassdalen
Ab hier gibt es keine Steinmarkierungen, Pfade, Hütten oder Brücken mehr, und die Aussicht anderen Wanderern zu begegnen ist sehr gering. Nun war das Lomsdal auch nicht gerade überlaufen (habe niemanden gesehen), trotzdem ist es ein anderes Gefühl – spannungsvoller, ungewisser und auch anregender.
Nach dem einfachen ersten Anstieg geht es auf der Nordseite des Bergausläufers etwas unangenehm mit einigen steilen Abbrüchen, die man von oben nicht sehen kann, hinunter in ein kleines Seitental, wo ich im Schatten einer Birke kurz verschnaufe. Weiter geht es kraftraubend über Felsbuckel und teilweise zwischen Strauchweiden parallel zur Henriksdalselva talaufwärts. Am See 388 m finde ich einen perfekten Platz für die Mittagspause. Nach einem erfrischenden Bad im See und Knäckebrot mit Käse bin ich rundum zufrieden und schlafe sogar eine Stunde.
Henriksdalen
See 388 m
Eigentlich habe ich überhaupt keine Lust weiterzulaufen, kann meinen Schweinehund aber doch noch überwinden und packe zusammen. Ab hier wird das Henriksdal sehr felsig und unübersichtlich Es fällt mir schwer mich für eine Route zu entscheiden, weil man nie sehen kann, wie es hinter dem nächsten Felsbuckel weitergeht. So überquere ich den Fluss zu früh und steige auf dem Nordhang viel zu weit auf, was ich dann kräftezehrend korrigieren muss.
Henriksvatnet
Bald ziehen dicke Wolken auf und es regnet etwas, nach dem heißen Tag ist das nicht unwillkommen. Auf der Höhe des oberen Henriksvatnet geht es dann wieder flott über nackten Fels. Ich bin schon völlig erschöpft und nehme einen kleinen See auf knapp 540 m Höhe als Nachtlager. Der kühle Nordwind treibt mich nach dem Waschen bald ins Zelt.
Henriksdalen, mit Vistkjerringa und Litlskardtinden in der Ferne
Fortsetzung folgt...
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