[RU] Im Schatten des Elbrus: 9 Tage Trekking im Kaukasus

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  • anthe
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    [RU] Im Schatten des Elbrus: 9 Tage Trekking im Kaukasus

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    12. Juli 2017 - Kyrtyk-ausch-Pass

    Ich höre ein leises Jauchzen. Sandra hat etwa 20m vor mir gerade den Kyrtyk-ausch-Pass (3.232m) erreicht. Nach ein paar weiteren Schritten kann ich ihre Freude nachvollziehen: Das Panorama, dass sich vor uns ausbreitet, ist - mal wieder - atemberaubend.



    Wir beschließen, den Pass ein paar Meter abzusteigen und uns ein windgeschütztes Plätzchen für eine Pause zu suchen. Dort sitzen wir über eine Stunde, genießen still die Aussicht über das Jesentschi-Tal zum Hauptkamm des Kaukasus und lassen die letzten Tage vor unserem inneren Auge vorüber ziehen. Von jetzt an geht es nur noch bergab … und morgen Mittag wird unsere Tour bereits wieder zu Ende sein …

    1 Jahr zuvor
    Vor einiger Zeit entwickelte sich bei mir der der Wunsch, mich einmal an einem höheren Berg zu versuchen. Die Kriterien: er sollte gut zu erreichen sein, sollte mit einer schönen Trekkingtour verbunden werden könnten, sollte nicht überlaufen sein und sollte in etwa einer Woche in Eigenregie bewältigt werden können.

    Nach einigen Recherchen war mein Ziel klar: Ich wollte den Westgipfel des Elbrus besteigen, mit 5.642m der höchste Berg Europas. Und zwar nicht über die vielbegangene und touristisch massiv ausgebaute Südroute, sondern über die Nordroute. Auch wenn es sich bei dieser Route nur um eine wenig schwierige Hochtour handelt, ist sie von den konditionellen Anforderungen und von den logistischen Herausforderungen deutlich anspruchsvoller, dafür jedoch viel ruhiger und mit weitaus weniger Infrastruktur ausgestattet, als die Südroute. Gleichzeitig ist die Elbrus-Region eine beliebte Trekkinggegend.

    Nun galt es, Mitstreiter zu finden. Meine Freundin Sandra war zwar für Russland als Reiseziel und den Trekkingteil zu begeistern, ist jedoch bei eisigen Unternehmungen raus. Im Herbst unterhielt ich mich darüber mit einem guten Bekannten, der sich auch öfter auf Hochtouren oder beim Alpinklettern herumtreibt. Sein Interesse war direkt geweckt. Wenige Wochen später trafen wir uns für weitere Überlegungen und er brachte noch seinen langjährigen Tourenparter Stefan mit. Bis spät in die Nacht diskutierten wir über die Tour und die beiden versprachen, es sich ernsthaft zu überlegen. Doch nach einiger Zeit kam die Absage: Mein Bekannter konnte und wollte sich als Familienvater nicht so lange im Voraus zeitlich festlegen.

    Da Stefan jedoch weiterhin Interesse zeigte, fragte ich Alex, mit dem ich vor ein paar Jahren schon mal in den Alpen war, ob er nicht Lust auf die Reise hätte. Alex - der sich zuletzt zweimal am Aconcagua versucht hatte und beide Male wegen der Wetterlage abbrechen musste - war sofort Feuer und Flamme. Nach einigen Treffen hatten wir das Gefühl, dass die Chemie zwischen uns Dreien stimmte und wir entschieden, die Tour anzugehen.

    In den nächsten Monaten planten wir die Wege, lernten das kyrillische Alphabet und ein paar Worte auf Russisch, organisierten die Flüge sowie den ganzen Papierkram (Visum und so, ein Permit benötigten wir nicht) und die Transfers, kauften fehlende Ausrüstung und übten Spaltenbergung – bis es Ende Juni endlich los ging.


    Unser Reiseplan:
    30. Juni bis 04. Juli: Sandra und ich fliegen nach Moskau und verbringen dort einige Tage. Anschließend fliegen wir nach Mineralnyje Wody / Pjatigorsk
    05. Juli bis 13 Juli: Transfer nach Chursuk, Trekking bis Verkhniy Baksan, danach zurück nach Pjatigorsk
    14. Juli: Ruhetag in Pjatigorsk, Ankunft von Alex und Stefan
    15. Juli: Sandra fliegt zurück nach Deutschland
    15. Juli bis 22. Juli: Transfer zum Elbrus BC, Besteigung des Elbrus, Transfer nach Pjatigorsk
    23. Juli: Rückflug nach Deutschland

    Vom ersten Teil der Reise werden Sandra und ich hier in diesem Thread berichten.

    Viel Spaß beim Lesen!
    Zuletzt geändert von anthe; 21.01.2018, 10:17.

  • anthe
    Erfahren
    • 14.08.2010
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    #2
    AW: [RU] Im Schatten des Elbrus: 9 Tage Trekking im Kaukasus

    Dienstag, 04. Juli 2017 - Pjatigorsk

    Gut fühle ich mich nicht. Meine Nase läuft, mein Hals kratzt. In unserem Hotelzimmer hat es etwa 25 Grad. Ok, viel besser, als die 37 Grad heute Nachmittag, als wir gelandet sind. Leider hat aber das Gewitter eben nicht für die erhoffte Abkühlung gesorgt, sondern es ist eher noch schwüler geworden. Ich schaue auf die Uhr: 2:30. So langsam müsste ich eigentlich echt mal schlafen. Neben mir atmet Sandra tief und ruhig. Um 8 Uhr werden wir abgeholt… aber die Ereignisse der letzten Tage schwirren mir durch den Kopf:

    Moskau… ich bin noch immer überrascht, wie gut mir die Stadt gefallen hat. Überall gab es Spannendes zu sehen. Viel Geschichte. Nette Menschen. Auf jeden Fall eine Reise wert!

    Der Anflug auf Mineralnyje Wody… eigentlich hatte ich erwartet, Berge zu sehen, tatsächlich ist die Landschaft aber richtig platt. Riesige Felder, wie ein gewaltiger Flickenteppich bis zum Horizont.

    Und unser Hotel… 1984 für DDR-Urlauber gebaut versprüht es den Sowjet-Charme vergangener, glanzvoller (?) Tage. Es ist eines der wenigen (oder sogar das einzige?) Hotel in der Stadt, das Ausländer registrieren und damit aufnehmen darf.

    Wenn nur meine verdammte Erkältung nicht wäre. Jetzt ist wohl die schlechteste Zeit, um krank zu werden.

    Ich starre auf die blinkenden roten LEDs der drei Rauchmelder, die in etwa 20cm Abstand voneinander an der Decke hängen … und falle irgendwann in einen unruhigen Schlaf …



    Das Intourist Hotel in Pjatigorsk …



    …der Sowjet-Charme ist schon sehr speziell



    Blick von unserem Balkon auf Pjatigorsk



    Blick von unserem Balkon auf Pjatigorsk
    Zuletzt geändert von anthe; 04.11.2017, 09:44.

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    • macroshooter
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      • 17.07.2012
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      #3
      AW: [RU] Im Schatten des Elbrus: 9 Tage Trekking im Kaukasus

      Juhuuu, ein Reisebericht vom Elbrus. Ich bin gespannt wie ein Flitzebogen und warte auf die Fortsetzung.

      Gab es im Intourist noch die leckeren Kokosplätzchen zum Frühstück?

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      • Karhu
        Anfänger im Forum
        • 28.07.2015
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        #4
        AW: [RU] Im Schatten des Elbrus: 9 Tage Trekking im Kaukasus

        An kokosplätzchen könnt ich mich nicht mehr erinnern. aber auf eine ungemein geile Aussicht auf den elbrus am horizont. Freue mich schon auf den Bericht.

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        • anthe
          Erfahren
          • 14.08.2010
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          #5
          AW: [RU] Im Schatten des Elbrus: 9 Tage Trekking im Kaukasus

          Kokosplätzchen hatten sie nicht, aber dafür einiges anderes an Süßkram.

          Den super Blick auf den Elbrus hatten wir bei unserem zweiten Aufenthalt - ein Foto folgt in dem Bericht von der Besteigung

          Gleich geht es weiter ...

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          • anthe
            Erfahren
            • 14.08.2010
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            #6
            AW: [RU] Im Schatten des Elbrus: 9 Tage Trekking im Kaukasus

            Mittwoch, 05. Juli 2017, Pjatigorsk / Chursuk -> Ullu-chursuk-Tal

            Puh, der erste Tag auf Tour war schon mal super. Alles hat perfekt geklappt.

            Nach einem etwas gewöhnungsbedürftigen Frühstück (angeboten wurden u.a. Brathähnchen, Kohlrouladen und Instantkaffee) holt uns unser Fahrer Andrey pünktlich um 8 Uhr am Hotel ab. Wir schmeißen unsere Rucksäcke in den Kofferraum des alten Lada-Kombi und runzeln kurz die Stirn über die gesprungene Frontscheibe, aber nun gut … wir sind hier nicht in Deutschland.

            Nach ein paar Stunden Fahrt passieren wir mehrere Kontrollpunkte an der Grenze zwischen der Region Stawropol und der autonomen Republik Karatschai-Tscherkessien, in der auch der Ausgangspunkt unserer Wanderung liegt. Während am ersten Kontrollpunkt lediglich ein Polizist (oder Soldat?) auf seinem Campingstuhl döst, inspiziert am zweiten Kontrollpunkt eine Gruppe schwer bewaffneter Polizisten (oder Soldaten?) gewissenhaft die vorbeifahrenden Fahrzeuge. Als wir heraus gewunken werden, werde ich doch etwas nervös. Das Verhalten der russischen Staatsmacht schwankt nach meinem Eindruck stets zwischen einer unglaublichen Akribie und einem ungewohnten Laissez-faire, woraus bei mir das Gefühl einer gewissen Willkürlichkeit erwächst. Während ein junger Polizist in einer blau-grauen Tarnuniform und einer Kalaschnikow im Anschlag unseren Wagen sichert, möchte ein älterer Beamter Andrey’s Papiere sehen. Anschließend muss Andrey noch den Kofferraum öffnen, aber alles scheint ok zu sein und wir dürfen weiter fahren. Ich bin etwas überrascht, dass wir nicht einmal unsere Pässe zeigen mussten.

            Langsam verändert sich auch das Landschaftsbild. Mit jeder Abzweigung, die wir nehmen, werden die Dörfer kleiner, die Straßen schlechter – aber die Berge höher und rauer. Als wir gegen Mittag in Chursuk angekommen, zwingt Andrey seinen alten Lada noch auf einem holprigen Feldweg einige in hundert Meter in das Ullu-chursuk-Tal hinein, dann zuckt er entschuldigend mit den Schultern und lässt uns aussteigen. Kurz vergewissert er sich noch einmal über den verabredeten Zeitpunkt, an dem er uns wieder in Verkhniy Baksan abholen soll, dann stehen wir alleine in der südrussischen Pampa.

            Endlich geht es richtig los, immer talaufwärts die Piste entlang, die die ersten 20km bis ins karatschaiische Dshily-su (= „Erholungslager“) führt. Einige Male wechseln wir über den reißenden Ullu-chursuk und sind froh, dass es hier unten noch Brücken gibt. Die Strömung ist so stark, dass die mitgespülten Steine (große Steine!) nur so poltern und donnern. Wir wandern durch lichten Kiefernwald, der sich nach etwa 2 ½ Stunden schließlich etwas zurückzieht. Nun können wir das erste Mal einen Blick auf den gewaltigen Gipfel des Elbrus erhaschen. Da wir aus dem Westen kommen, sehen wir allerdings nicht seinen typischen Doppelgipfel, sondern nur den 5.642 Meter hohen Westgipfel:



            Wir beschließen, heute nicht mehr viel weiter zu wandern, da wir ohnehin die morgige Nacht beim karatschaiischen Dshily-su verbringen wollen. Dort werden wir noch eine kleine Akklimatisierungstour unternehmen, bevor es dann Freitag über den 3.714 Meter hohen Balk-baschi-Pass gehen soll.

            Wir passieren in einiger Entfernung einen ärmlich aussehenden Kosch (= Almhütte) und erneut fällt uns auf, was für gewaltige Unterschiede in diesem Land zwischen der Stadt und dem Land bestehen. Moskau wirkt so modern und westlich – und hier fühlen wir uns fast wie im vorletzten Jahrhundert.

            Ganz in der Nähe, direkt hinter einer Brücke, finden wir eine kleine Wiese, die nach einem guten Lagerplatz aussieht. Es gibt sogar eine Quelle und so machen wir es uns bequem. Es ist kurz nach drei, die Sonne scheint, es ist angenehm warm. Wir liegen im Gras und genießen das Wetter. Die Ruhe tut uns gut nach den letzten trubeligen Tagen in Moskau und der Anreise.



            Aber plötzlich werden wir aufgeschreckt. Ein Hirte treibt seine Kuhherde an uns vorbei über die kleine Wiese. Er hat ein tiefbraunes, von Falten zerfurchtes Gesicht und wirkt ein bisschen asiatisch. Seine Jacke und Hose starren nur so vor Dreck. Er spricht uns an, aber leider verstehen wir ihn nicht. Auch er guckt etwas verzweifelt, als wir ihm auf Deutsch antworten – aber trottet dann mit seiner Herde davon. Wir machen uns ein bisschen Sorgen, dass wir unerwünscht sein könnten. Der Kosch liegt nur etwa 200 Meter entfernt hinter einer kleinen Kuppe. Aber eigentlich machte der Hirte einen recht freundlichen Eindruck.

            Einige Zeit später kommt erneut eine Gestalt auf uns zugestapft. Das muss die Hirtin aus dem Kosch sein. Auch ihr sieht man an, dass sie viel Zeit draußen verbringt - es ist unmöglich, ihr Alter zu schätzen. Sie trägt ein etwa handballgroßes Bündel aus Zeitungspapier, das sie uns in die Hände drückt. Als wir das Zeitungspapier auseinander schlagen, sind wir sprachlos. In unseren Händen halten wir einen herrlich duftenden, noch warmen Laib Brot. Die Kruste wunderbar kross, innen super luftig und weich. Besonders in diesen Momenten ist es wirklich schade, die Sprache nicht sprechen zu können. Gerührt und etwas verschämt lässt sie uns zurück. In unserer deutschen Mentalität hatten wir befürchtet, weg geschickt zu werden. Und dann schenken uns diese wunderbaren Menschen – die selber nicht viel haben – etwas von ihrem Essen…



            Inzwischen ist es später Nachmittag geworden. Aus dem Tal ziehen Wolkenschwaden herauf und ohne die Sonne wird es direkt kühl. Wir bauen unser Zelt auf und Kochen uns etwas zu Essen. Dazu gibt es das frische Brot. Es ist so lecker! Obwohl wir heute nicht viel gewandert sind, sind wir hundemüde und fallen bald zufrieden in die Schlafsäcke. So schön kann Trekking sein …



            Zuletzt geändert von anthe; 04.11.2017, 09:46.

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            • anthe
              Erfahren
              • 14.08.2010
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              #7
              AW: [RU] Im Schatten des Elbrus: 9 Tage Trekking im Kaukasus

              Donnerstag, 06. Juli 2017, Ullu-chursuk-Tal -> karatschaiisches Dshily-su

              Draußen ist es schon dunkel, ich liege im Schlafsack und lausche den Regentropfen. So ein Mist, hoffentlich ist das Wetter morgen früh besser. Dann wollen wir über den Balk-baschi-Pass (3.714m) und bei schlechtem Wetter wird das sicher unangenehm.

              Dabei hat der Tag so schön begonnen. Als wir um sieben Uhr aus dem Zelt gucken, ist der Himmel wolkenlos. Obwohl wir es heute Morgen gemütlich angehen lassen, sind wir bereits um kurz vor neun auf der Piste. Die Bäume am Weg werden immer weniger und das Tal weiter. Nach wenigen Kilometern zieht das Ullu-chursuk-Tal nach rechts weg, wir bleiben aber auf der Piste die uns nach Osten in das Bitik-tjobe-Tal führt:



              Das Tal führt direkt auf den Elbrus zu. Im Talgrund sucht sich der Bitik-tjobe in engen Kehren seinen Weg. Schon früh können wir am Talende das Dshily-su erspähen. Links darüber liegt – meist in den Wolken – der Balk-baschi-Pass:



              Wenige hundert Meter vor dem Dshily-su biegen wir nach links ab. Hier befindet sich die Ruine eines alten Hotels aus der Sowjetzeit. Der grasbewachsene Vorplatz des Hotels bietet sich eigentlich als Zeltplatz an und auch eine Quelle gibt es. Als wir näher kommen sehen wir, dass es sich ein paar Bergsteiger in einem überdachten Teil des Hotels bequem gemacht haben. Es handelt sich um eine Gruppe Slowenen, die auf besseres Wetter warten. Die sechs wollen den Gipfel des Elbrus direkt vom Balk-baschi-Pass aus besteigen. Ihre Zelte stehen bereits irgendwo da oben – sie mussten wegen Sturm absteigen – und sie schätzen, dass sie vier Tage für die Tour benötigen werden. Ich bin etwas erstaunt, denn bei meinen Recherchen habe ich nie etwas von einer solchen Route gehört. Wir tauschen uns kurz über das Wetter aus. Sowohl meine Vorhersage von gestern Morgen, als auch die Informationen, die sie per SMS aus der Heimat erhalten haben besagen, dass der morgige Freitag sehr regnerisch sein soll. Danach soll es allerdings wieder etwas besser werden.

              Da wir das Gefühl haben, dass die sechs lieber unter sich sein wollen, wünschen wir ihnen viel Glück und gehen weiter zum Dshily-su. Dshily-su bedeutet so viel wie „warmes Wasser“. Dieses Wasser ist auch der Grund, warum sich der eine oder andere (meist russische) Tourist in diese Gegend verirrt. Denn am Rand des Weges befinden sich ein paar einfache Badehütten, die aus warmen Quellen (hier ca. 18 Grad) gespeist werden, deren Wasser heilende Wirkung haben soll. Auf der anderen Seite des Balk-baschi-Passes gibt es noch einen zweiten Kurort mit diesem Namen („balkarische Dshily-su“), der aber weitaus bekannter und besser erschlossen ist. Ihn werden wir in den kommenden Tagen durchqueren.

              Wir verzichten allerdings auf ein Bad, sondern trinken lediglich einen ersten Schluck aus einer nahen Narsan-Quelle. Narsan (=„Recken-Trank“) ist kohlensäurehaltiges Mineralwasser, das in dieser Gegend häufiger vorkommt. Spannend ist das irgendwie schon, aber das Wasser aus dieser Quelle schmeckt uns dann doch zu „mineralisch“.

              Das Dshily-su besteht aus ein paar Hütten sowie aus einem kleinen Campingplatz mit ein paar Bungalows und kleinen Zelten, die man mieten kann. Außerdem gibt es ein Trockenklo und ein paar Meter entfernt eine Quelle.



              Da wir unser eigenes Zelt dabei haben (und die Miet-Zelte und Bungalows auch nicht so richtig einladend wirken), suchen wir uns einen Lagerplatz etwas weiter oberhalb im Tal. Wir bauen das Zelt auf und machen Mittagspause. Unser Plan ist, heute noch zur Akklimatisation ein paar Kilometer in das nach Süden führende Khaiche-su-Tal zu wandern. Leider wird das Wetter schon wieder schlechter.



              Davon lassen wir uns aber nicht aufhalten, sondern folgen dem Khaiche-su talaufwärts. Einen Weg können wir nicht erkennen und es ist etwas mühsam uns durch den Schotter zu arbeiten. Wir müssen ein paar Mal den Fluss queren und passieren das ein oder andere Altschneefeld. Auf etwa 3.060 Meter machen wir im Windschatten eines großen Felsblocks Pause, feiern Sandras neuen Höhenrekord und überlegen, wie wir nun weitermachen wollen. Ein Trampelpfad führt über ein recht steiles Altschneefeld in Richtung des 3.351 Meter hohen Koltsevoj-Passes. Da das Wetter und die Sicht aber zunehmend schlechter werden, entscheiden wir uns zur Umkehr.

              Um ca. 16 Uhr sind wir zurück beim Zelt. Es ist kalt und fängt an zu nieseln. Wir holen Wasser, kochen, lesen … und liegen wieder früh in den Federn



              Zuletzt geändert von anthe; 04.11.2017, 09:49.

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              • Luckes85
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                #8
                AW: [RU] Im Schatten des Elbrus: 9 Tage Trekking im Kaukasus

                Super geschrieben und tolle Bilder . Da bekommt man sofort Fernweh. Bin gespannt wie es weiter geht
                Mein anderes Hobby :

                http://markusecker.blogspot.de/

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                • anthe
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                  #9
                  AW: [RU] Im Schatten des Elbrus: 9 Tage Trekking im Kaukasus

                  Freut mich, dass es dir gefällt! Die richtig guten Bilder kommen erst noch. Morgen Abend geht es weiter ...

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                  • Galadriel
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                    #10
                    AW: [RU] Im Schatten des Elbrus: 9 Tage Trekking im Kaukasus

                    ... ja, bitte weiter .... warte schon den ganzen Tag darauf, dass es weiter geht...
                    Wandern & Flanieren
                    Neues entdecken durch Langsamkeit

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                    • anthe
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                      #11
                      AW: [RU] Im Schatten des Elbrus: 9 Tage Trekking im Kaukasus

                      Freitag, 07. Juli 2017, karatschaiisches Dshily-su

                      Kawooooomm!!! Damn, das war laut! Das Gewitter ist das Tal herauf gezogen und jetzt genau über uns. Kawooooomm!!! Dieses Mal war gerade mal eine Sekunde Abstand zwischen Blitz und Donner! Fängt es jetzt auch noch an zu graupeln?

                      Bereits heute Morgen sah das Wetter nicht gut aus. Die ganze Nacht hat es immer wieder geregnet und als wir aufstehen ist das Tal wolkenverhangen. Wir überlegen einige Male hin und her, entscheiden uns dann aber schweren Herzens dafür, heute nicht über den Pass zu wandern. Bei diesem Wetter ergibt das keinen Sinn. Außerdem sitzt meine Nase inzwischen richtig zu. Wozu haben wir sonst extra einen Reservetag eingeplant, wenn nicht für solche Situationen?

                      Nur im Schlafsack gammeln ist natürlich keine Option. So entscheiden wir uns, einen direkt nördlich vom Lager liegenden namenlosen Gipfel zu besteigen. Laut Karte soll er 3.323 Meter hoch sein. Wir frühstücken und machen uns gegen 9 Uhr auf die Socken. Zuerst folgen wir dem Pfad Richtung Balk-baschi-Pass nach Osten, biegen dann allerdings nach wenigen hundert Metern nach Norden auf einen Rücken „unseres“ Berges ab.



                      (Blick zurück ins Dshily-su)

                      Zuerst gibt es noch einen gewundenen Tierpfad, der sich allerdings bald verliert. Wir stapfen durchs nasse Gras den steiler werdenden Hang hinauf. Immer wieder regnet es. Doch jedes Mal, wenn wir überlegen, ob wir umkehren wollen, macht der Regen eine Pause.

                      Nach knapp über zwei Stunden stehen wir auf dem Gipfel. Wir feiern Sandras erneuten Höhenrekord und freuen uns, wenn die Wolken hin und wieder einen Blick auf die umliegenden schnee- und eisbedeckten Berge zulassen. Tief unter uns liegt das Dshili-su im Tal:



                      Auf dem Weg nach unten treffen wir auf eine völlig durchnässte Gruppe von Wanderern, die gerade über den Pass gekommen sind. Niemand von ihnen spricht Englisch, aber sie machen uns deutlich, dass es dort recht kalt gewesen sein muss und auch geschneit haben soll. Wenn wir uns heute Morgen anders entschieden hätten, wären wir vermutlich jetzt gerade oben. Ich bereue unsere Entscheidung nicht. Wir sind froh, als wir gegen Mittag wieder bei unserem Zelt sind. Das Wetter wird zunehmend schlechter, wir kochen uns einen Tee und kuscheln uns in unserer Schlafsäcke.



                      Etwas später sehen wir erneut eine große Gruppe von dunkel gekleideten Wanderern (und ein Hund) im strömenden Regen den Pass herunter kommen. Als sie uns erreichen, haben wir uns zwar schon wieder verkrochen, aber wir hören, wie sie ihre Zelte direkt neben uns aufstellen. Ein paar Stunden später können wir in einer Regenpause ein paar Worte mit den Jungs wechseln. Alle tragen Camo-Kleidung, das scheint hier wohl der gängige Stil beim Wandern zu sein. Sie blicken etwas sorgenvoll Richtung Pass und reden in ein großes Handfunkgerät mit langer Antenne – aber bekommen keine Antwort. Auf unsere Frage „erklären“ sie uns mit den Händen, dass sich noch etwa 40 Personen aus ihrer Gruppe auf dem Pass befinden sollen. 40 Personen? Das müssen wir falsch verstanden haben! Wie auch immer … heute kommt von dort niemand mehr herunter.

                      Den restlichen Tag bleiben wir im Zelt. Wir lesen, kochen und ich versuche, meine Erkältung auszukurieren. Den ganzen Abend stürmt es, der Wind bläst und Donner hallt durch das Tal. Später graupelt es sogar noch. Hoffentlich ist morgen das Wetter besser.



                      Zuletzt geändert von anthe; 04.11.2017, 09:50.

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                      • anthe
                        Erfahren
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                        #12
                        AW: [RU] Im Schatten des Elbrus: 9 Tage Trekking im Kaukasus

                        Samstag, 08. Juli 2017, karatschaiisches Dshily-su -> Ullu-tschiran-Tal

                        [Von hier an berichtet Sandra für ein paar Tage]

                        Früh am nächsten Morgen gucken wir aus dem Zelt und werden von strahlend blauem Himmel begrüßt – als wäre gestern nichts gewesen. In der Ferne sehen wir unser (Zwischen-)Ziel, den Balk-baschi-Pass, allerdings komplett weiß. Auch auf unserem Außenzelt hat sich eine Eisschicht gebildet. Nun gut, gegen Kälte sind wir ausgerüstet und das Wetter sieht fabelhaft aus, los geht’s!



                        Immer bergauf geht es in den nächsten Stunden. Das Wetter bleibt so schön, nur der Wind nimmt zu je höher wir kommen. Irgendwann sehen wir in der Ferne etwa 10 Wanderer den Pass herunterrennen – ja, rennen – und sind ziemlich überrascht, als sie mit ihrer Ausrüstung in Form von Sanitätersachen, einem Bergungsschlitten, (schweren Maschinen-)Gewehren und sogar einer Panzerfaust an uns vorbeirauschen. Etwas mulmig ist uns in dem Moment schon, denn wir sehen insgesamt fast 100 Soldaten an diesem und am nächsten Tag. Es sind die übrigen Leute von den Männern mit Funkgerät aus dem Dshili-su. Später erfahren wir, dass in der Elbrus-Region russische Gebirgsjäger ausgebildet werden und auch Soldaten anderer Waffengattungen und Mitglieder von Spezialeinheiten hier eine militärische Gebirgsausbildung erhalten.







                        Es ist kalt und es windet stark, aber endlich sind wir auf dem Pass und überschreiten damit die Grenze zwischen der Republik Karatschai-Tscherkessien und der Republik Kabardino-Balkarien (dass das Auswärtige Amt von Reise nach Kabardino-Balkarien dringend abrät, hatten wir erst wenige Tage vor der Tour festgestellt)! Dort oben feiern wir meinen neuen Höhenrekord, wenn auch nicht lange, denn zum Reden müssen wir uns wegen des Windes nahezu anschreien. Hinter uns erheben sich die Berge des Kaukasus und vor uns haben wir freien Blick auf die Nordflanke des Elbrus-Westgipfels, der knapp 2.000 Meter über uns liegt. Atemberaubend: Schroff erheben sich gewaltige Felsen aus den Schneemassen des Ullu-tschiran-Gletschers. Auf dem Weg vom Pass herunter dürfen wir diesen Anblick noch lange genießen.











                        Spät am Nachmittag erreichen wir den Gletscherfluss Kysyl-kol, an dem wir diese Nacht unser Zelt aufschlagen. Erst am nächsten Morgen wollen wir den kleinen, aber reißenden Fluss überqueren, da er morgens weniger Wasser führen soll. Die Anstrengung des Tages und die Höhe, kombiniert mit Flo’s Erkältung haben ihm für heute den Rest gegeben. Er liegt zusammengerollt vorm Zelt, während ich kurz die Umgebung erkunde und eine kleine Brücke entdecke (die vermutlich die Gebirgsjäger gebaut hatten), die uns die Flussquerung am nächsten Tag erleichtern wird.





                        Zuletzt geändert von anthe; 04.11.2017, 09:53.

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                          #13
                          AW: [RU] Im Schatten des Elbrus: 9 Tage Trekking im Kaukasus

                          Sonntag, 09. Juli 2017, Ullu-tschiran-Tal -> Elbrus BC

                          Am nächsten Morgen geht es Flo zum Glück wieder besser und wir überqueren den Fluss, der deutlich weniger Wasser führt als noch gestern Abend, ohne Probleme mithilfe der kleinen Brücke.





                          Die heutige Etappe führt für wenige Stunden entspannt leicht bergab über ein langgezogenes Plateau hinab ins Elbrus Basecamp.







                          Nach den vergangenen Tagen, in denen wir auf uns selbst gestellt waren, kommt mir das Basecamp wie ein Ameisenhaufen vor: viele betriebsame Leute, die viel Ausrüstung von einem Ort zum anderen schleppen und die auf Basis mir unverständlicher Regeln in einem bunten Haufen zusammenleben. Nach kurzer „Akklimatisierung“ finden wir dann auch eine Preistafel für Zelten, Duschen, Toiletten, ja sogar eine Sauna gibt es! Wir kommen mit einem sehr netten Typen ins Gespräch, der uns auch spontan bei der Übersetzung ins Russische hilft und zahlen eine Gebühr für unseren Aufenthalt im Basecamp.



                          Unser Zelt stellen wir etwas entfernt vom Trubel (und den lauten Generatoren) am Rande eines Zaunes auf und gehen die Gegend erkunden. Wir laufen aus dem Lager nach Norden, also nicht direkt die Wiese entlang, sondern über eine kleine, wackelige Brücke über den Kysyl-kol und dann den Fluss entlang Richtung des balkarischen Dshili-su. Wir steigen aber nicht zu dem Ort hinab sondern bleiben oberhalb auf Höhe der Wiese. Die Wiese war früher ein natürlicher Stausee, nachdem einem Lavastrom des Elbrus dem Kysyl-kol den Lauf versperrte. Irgendwann hat sich der Fluss aber wieder einen Weg durch die Lavamassen gebahnt und stürzt nun eine verwunschene, blühende Schlucht hindurch, in der es kreuz und quer kleine Pfade gibt – sogar über eine natürliche Steinbrücke, ein Weg schöner als der andere.



                          (Auf diesem Bild kann man den Lavastrom am anderen Ende der Wiese und den alten See gut erkennen)

                          Auch das unter uns liegende „Tal der Schlösser“, mit seinen riesigen Felsen wie angespitzte Bleistifte, können wir von hier oben bestaunen – dass so etwas in der Natur möglich ist!



                          Wir gehen das Tal ein wenig weiter bergab und finden eine Stelle, von der wir auf das Dshili-su hinabblicken können. Kein Wunder, dass hier ein weiterer Kurort entstanden ist! Neben vielen Narsan- und heißen Quellen, wieder mit einer „Badeanstalt“ ohne Dach, ist die Landschaft wunderschön und abwechslungsreich und über allem thront der gewaltige, weiße Elbrus.

                          Für morgen schmieden wir den Plan, das Elbrus-Highcamp zu besuchen.



                          Zuletzt geändert von anthe; 04.11.2017, 09:55.

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                            #14
                            AW: [RU] Im Schatten des Elbrus: 9 Tage Trekking im Kaukasus

                            Montag, 10. Juli 2017, Elbrus BC

                            Die Generatoren wurden zwar irgendwann am Abend ausgestellt, aber nur durch die dünne Zeltwand getrennt, war es dennoch eine der unruhigeren Nächte.

                            Egal, der faszinierende Anblick auf dem Elbrus, entschädigte uns am nächsten Morgen für alles, als wir auf einem kleinen Tagesausflug unterwegs zum Highcamp waren. Zuerst führte uns der Weg etwa 50 Minuten durch eine kleine Schlucht, bis wir das so genannte „German Airflield“ erreichten (2.900m). Die Legende besagt, dass auf diesem etwa 1x1 Kilometer großen Plateau im zweiten Weltkrieg ein deutsches Flugzeug gelandet sei, als die deutschen Truppen den Elbrus besetzt hatten.







                            Von dort aus wanderten wir aber nicht den direkten Weg ins Highcamp, sondern machten noch einen Abstecher zu den sogenannten Mushrooms, Felsen in Form von Pilzen (3.200m). Wir verweilten kurz bei diesen abgefahrenen Felsformationen und kämpften uns weiter steile Passagen den Berg hoch. Ich war froh, dass wir nur unsere kleinen Tagesrucksäcke dabei hatten.

                            Flo sammelte den ganzen Weg wissbegierig Informationen zu Quellen, möglichen Zeltplätzen und der Wegqualität, da er in einer Woche mit Freunden diesen Weg noch einmal gehen würde, um den Elbrus ganz zu besteigen.







                            Nach einem letzten schotterigem Aufstieg erreichten wir das Highcamp auf beinahe 3.800m. Ich bin noch nie so hoch gewandert und habe noch nie ein Highcamp erlebt, aber mir reichte tatsächlich mit diesem Gedanken gespielt, als Flo mit mir seine Pläne besprach, aber genauso schnell wieder verworfen. Allein der Anblick dieses massiven, gewaltigen Berges mit so viel Eis und Schnee, inmitten einer grünen Landschaft, einladend und abweisend zugleich, lässt dich ehrfürchtig werden und unbedeutend klein vorkommen. Diese Natur ist schön und grausam zugleich, dem sollte man sich sehr bewusst sein und mit den Konsequenzen umgehen können. Mir war klar, dass meine Entscheidung für mich persönlich die richtige war.





                            Wir machten uns daran das Camp zu erkunden. Kurz bevor der Gletscher und das Eis anfingen, erhob sich noch ein langgezogener Steinhaufen. Auf dieser Moräne hatten Leute versucht, die größeren Steinbrocken wegzuräumen und gleichzeitig als Windschutz aufzurichten, um einen einigermaßen geschützten Zeltplatz zu bekommen. Kreuz und quer verteilt, wo immer es irgendwie möglich war, standen da also einige kleine Zelte inmitten halbrunder Steinbauten. Menschen sah man hingegen kaum. Die waren wohl entweder auf Tour oder im Zelt.



                            Kein Wunder, das Wetter war leider nicht besonders verlockend: Der Wind hier oben hatten zugenommen, Wolken verdeckten schon seit einer ganzen Weile die Sonne und wir waren wir praktisch IN den Wolken, sodass auch die Sichtweite nicht besonders groß war.



                            Diese Bedingungen trugen sicher auch dazu bei, dass das Highcamp auf mich nicht besonders einladend wirkte. Dazu kamen die hygienischen Verhältnisse, denn die „Toilette“ war die Ostseite der Moräne – einfach zwischen die Steine und alles blieb liegen . Wir fanden ein paar Container der Bergwacht und ein paar trotzige Bauten für zahlende Touristen, die meist mit Bergführer unterwegs waren. Alles wirkte auf mich wie ein Ort, an dem man sich nicht gerne aufhält, denn entweder man will weiter hoch oder wieder runter.



                            Auch wir gingen wieder runter, als der Nebel noch dichter zu werden schien und uns die Kälte langsam in die Knochen zog. Auf dem Weg nach unten, kamen uns mehrere große Gruppen entgegen, die vor Gepäck ächzten und große Probleme mit dem furchtbaren Schotterweg hatten.



                            Die vielen Eindrücke und die anstrengende Tour brachten uns früh ins Bett, bis wir von panischem Wiehern und Trampeln mitten in der Nacht aufgeschreckt wurden. Es klang, als würden uns gleich eine Horde Pferde im Zelt niedertrampeln, so erschreckend nah und überall um uns herum waren die wilden Geräusche zu hören. Flo steckte vorsichtig seinen Kopf aus dem Zelt und erkannte, dass eine große Herde Pferde mitten auf dem Zeltplatz stand und gemütlich graste . Ein junges Pferd war jedoch durch den Zaun, an dem unser Zelt stand, von seiner restlichen Herde getrennt. Das Tier galoppierte am Zaun wie wild wenige Meter neben uns hin und her, um wieder zu seiner Herde zu kommen.

                            Es war ein äußerst unangenehmes Gefühl, als ob man gleich dem Erdboden gleichgemacht werden würde, aber irgendwann beruhigte sich das Tier zum Glück. Als wir gerade wieder eingeschlafen waren, weckte uns eine Herde Kühe, die gefühlt mitten durch unser Vorzelt getrieben wurde. Das war zwar laut, aber zum Glück nicht so angsteinflößend wie die Pferde und auch das war irgendwann wieder vorbei… endlich schlafen…





                            Zuletzt geändert von anthe; 04.11.2017, 09:57.

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                              #15
                              AW: [RU] Im Schatten des Elbrus: 9 Tage Trekking im Kaukasus

                              Dienstag, 11. Juli 2017, Elbrus BC -> Islam-tschat-Tal

                              [Von hier an berichte ich wieder]

                              Was für eine Aussicht! Ich genieße die letzten Blicke das Islam-tschat-Tal hinab. Es ist früher Abend und die Wolken ziehen erst jetzt auf. Ungewöhnlich. Nach dem Pferdeterrror der letzten Nacht und dem heutigen Tag sind wir recht müde und verziehen uns auch bald ins Bett.

                              Heute Morgen sind wir trotz der Pferde und Kühe recht früh aufgestanden. Als wir uns um acht Uhr auf den Weg machen, freuen wir uns, nach den letzten zwei Nächten im Camp bald wieder in der Einsamkeit zu sein.

                              Wie vorgestern folgen wir vom Lager aus nicht dem Fahrweg, sondern nehmen den Fußweg Richtung Norden. Mit den großen Rucksäcken wirkt die Brücke über den Kysyl-kol noch weniger vertrauenserweckend als zuvor. Aber sie hält.



                              Auf der andere Seite, etwa 20 Meter von der Brücke entfernt, machen wir eine Entdeckung, die wir vorgestern übersehen haben: Auch hier gibt es eine Narsan-Quelle, aber im Gegensatz zu den bisherigen Narsan-Quellen ist diese richtig lecker. Sie hat genau die richtige Menge an Kohlensäure und schmeckt wie ein gutes Mineralwasser aus der Flasche.

                              Weiter geht es Richtung Osten die Emanuel-Wiese entlang. Tatsächlich ist der Blick auf den Elbrus von hier aus besonders schön. Dies war auch der Grund, warum Anfang des 19. Jahrhunderts der russische General Georgi Emanuel diesen Platz für sein Basislager auswählte, um die erste Besteigung des Elbrus anzugehen – mit Erfolg, am 22. Juli 1829 soll der einheimische Führer Killar Chatschirow als erster Mensch auf dem (Ost-) Gipfel des Elbrus gestanden haben.



                              Manchmal glaube ich ja, dass sich die Russen und die Amerikaner nicht so gut verstehen, weil sie einander zu ähnlich sind. In den letzten Tagen begegneten wir immer wieder verschiedene Gruppen waschechter Cowboys. Richtig wie man sie sich vorstellt mit Cowboyhüten, Lederleggins, hohen Reiterstiefeln und die Pferde bepackt mit prallen Satteltaschen und zusammengerollten Decken. Bei ihrem Anblick kann ich den Mythos Cowboy schon irgendwie nachvollziehen. Das Leben hier draußen muss unheimlich hart sein, aber eine gewisse Romantik lässt sich nicht abstreiten.



                              Wir folgen einem alten Fahrweg in Serpentinen ins Malka-Tal hinab. Früher konnte man das Basislager des Elbrus über diesen Weg erreichen, aber 2006 wurde die Brücke im Talgrund von einer Flutwelle aus dem Fundament gerissen und ist seither für Fahrzeuge gesperrt.





                              Von der Brücke aus haben wir einen schönen Blick auf den 40m hohen Sultan-Wasserfall.



                              Auch hier findet man eine – erneut sehr stark mineralisch schmeckende - Narsan-Quelle, die eine heilende Wirkung haben soll. Bei den Einheimische (bzw. russischen Touristen) ist sie offensichtlich sehr beliebt.



                              Außerdem befindet sich in diesem Tal die Hauptattraktion und der Grund für die Besucherströme: Ein recht provisorisch wirkendes Bad, das sich großer Beliebtheit erfreut. Das Wasser im Becken soll etwa 22-24 Grad warm sein. Heute ist es jedoch weitaus weniger besucht, als am Wochenende.



                              Vom Bad aus führt ein Schotterweg zur Straße Richtung Kislowodsk, die im Dshily-su endet. Dieser werden wir für die nächsten zwei bis drei Kilometer folgen. Zuerst passieren wir das Tal der Schlösser und können uns die abgefahrenen Felsformationen aus der Nähe betrachten.



                              Anschließend wandern wir durch den Hauptteil des Dshily-su. Dieses Lager entspricht überhaupt nicht dem Bild, das ich von einem Kurort hatte (leider habe ich kein Foto gemacht). Der überaus provisorisch wirkende Ort besteht aus rostigen Wellblechhütten und Containern, uralten Caravans und einer großen Anzahl von Zelten. Lediglich ein einzelnes modernes dreistöckiges Gebäude fällt auf: Es ist das Ferienhaus des Präsidenten der Republik Kabardio-Balkariens.

                              Von der nördlichen Ecke des Lagers hat man einen guten Blick auf einen weiteren eindrucksvollen Wasserfall, der über einen gewaltigen Überhang in die Tiefe stürzt:



                              Wir folgen weiter der Straße und biegen nach etwa drei Kilometern rechts auf die Piste Richtung Tyrnaus ab.



                              Erneut haben wir einen wunderbaren Blick auf den Elbrus mit seinen Gletschern und Lavafeldern und auf das Dshily-su:



                              Nach einem weiteren Kilometer haben wir die Straßenpassage hinter uns gebracht und biegen nach rechts auf einen kleinen Pfad ab, der uns in das Tal unterhalb des Islam-tschat-Passes führt (dieser hat 2.890 Meter).

                              Ich stapfe voran, als Sandra hinter mir aufschreit: „Schon wieder eine Schlange!“. Das Tier liegt auf dem Weg und zischt bedrohlich. Ich muss direkt über sie hinweg gelaufen sein, während sie sich offensichtlich in der Sonne wärmte. Doch anstatt zu verschwinden schlängelt sie sich erst auf Sandra zu, die springt schnell zur Seite und die Schlange verschwindet ein paar Metern entfernt unter einem Stein. Schon ein paar Tage zuvor hatten wir ganz kurz eine Schlange gesehen.

                              [Zuhause haben wir dann einmal nachgesehen, was für Schlangen das wohl waren. Von der Größe und der Zeichnung her könnten es Westliche Kaukasusottern gewesen sein. Sie sollen recht aggressiv sein und ein Biss wäre ziemlich kritisch geworden.]

                              Wir arbeiten uns weiter immer an einem kleinen Bach entlang über alpine Matten Richtung Pass. Zum Ende hin wird es nochmal richtig steil.





                              Vom Pass aus eröffnet sich uns ein wunderbarer Blick in das des Islam-tschat-Tal. Wir machen eine längere Pause und genießen die Aussicht. (Von hier aus kann man die beiden Zuflüsse des Islam-tschat erkennen. Unser Weg folgt dem linken Arm Richtung Kirtyk-ausch-Pass.



                              Der Weg führt uns zuerst in den Talgrund und anschließend am rechten Ufer des Islam-tschat das Tal hinauf.

                              Unten treffen wir einen Reiter auf einem Rappen, der direkt aus Karl May’s Orientzyklus entsprungen sein könnte: Er hat einen langen schwarzen Bart, trägt einen knielangen schwarzen Wollmantel, der von einem Ledergürtel zusammengehalten wird, auf dem Kopf sitzt eine hohe schwarze Fellmütze. Der Sattel ist mit dicken Taschen und einer Decke bepackt. Über seiner Schulter hängt eine lange Flinte. Er nickt uns grüßend zu, während er sein Pferd im Schritt Richtung Kirtyk-ausch-Pass lenkt. Er scheint auch nach Verkhniy Baksan zu wollen.

                              Die beiden Arme des Islam-tschat lassen sich ohne größere Probleme furten.



                              Etwas weiter oben im Tal schlagen wir nach einiger Suche nach einem geeigneten Platz unser Zelt auf.





                              Zuletzt geändert von anthe; 04.11.2017, 10:01.

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                                AW: [RU] Im Schatten des Elbrus: 9 Tage Trekking im Kaukasus

                                Mittwoch, 12. Juli 2017, Islam-tschat-Tal -> Jesentschi-Tal

                                Obwohl wir heute nur eine recht kurze Strecke vor uns haben, machen wir uns recht früh auf den Weg.



                                Zu Beginn führt der Pfad noch über Wiesen, geht dann aber bald in alpineres Gelände über.



                                Die Blumen rechts und links vom Weg leuchten in rosa, gelb und lila.



                                Beim Blick zurück sehen wir zum letzten Mal die Ostflanke des Elbrus, davor den 3.932 Meter hohen Balyk-su-baschi.



                                Ich höre ein leises Jauchzen. Sandra hat etwa 20m vor mir gerade den Kyrtyk-ausch-Pass (3.232m) erreicht. Nach ein paar weiteren Schritten kann ich ihre Freude nachvollziehen: Das Panorama, dass sich vor uns ausbreitet, ist - mal wieder - atemberaubend.





                                Wir beschließen, den Pass ein paar Meter abzusteigen und uns ein windgeschütztes Plätzchen für eine Pause zu suchen. Dort sitzen wir über eine Stunde, genießen still die Aussicht über das Jesentschi-Tal zum Hauptkamm des Kaukasus und lassen die letzten Tage vor unserem inneren Auge vorüber ziehen. Von jetzt an geht es nur noch bergab … und morgen Mittag wird unsere Tour bereits wieder zu Ende sein …





                                Wir steigen noch einige Kilometer weiter ab und schlagen früh unser Zelt auf. Lange sitzen wir noch auf der Wiese und genießen unseren letzten Nachmittag und Abend in der Wildnis.





                                Zuletzt geändert von anthe; 04.11.2017, 10:02.

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                                  AW: [RU] Im Schatten des Elbrus: 9 Tage Trekking im Kaukasus

                                  Hat ein bisschen gedauert, aber jetzt kommt der Schluss:

                                  Donnerstag, 13. Juli 2017, Jesentschi-Tal -> Verkhniy Baksan / Pjatigorsk

                                  Warmes Wasser strömt mir über den Kopf. Was für ein Luxus. Die letzte Dusche ist neun Tage her. Eigentlich gar nicht so lange, aber es fühlt sich an wie eine Ewigkeit. Hier in Pjatigorsk ist es wieder ziemlich heiß und schwül. Heute Morgen in den Bergen war es noch richtig kühl.

                                  Wir sind mal wieder ziemlich früh aufgestanden. Um 14 Uhr werden wir in Verkhniy Baksan abgeholt und wir haben noch etwa 18 Kilometer vor uns. Wir machen uns fix fertig und sind bald auf dem Weg. Die Wolken hängen tief.



                                  Bereits nach wenigen Kilometern treffen wir auf einen Fahrweg, der uns in das Kyrtyk-Tal führt. Auf diesem kommen wir gut voran.





                                  Nach etwa 10 Kilometern passieren wir einen verhältnismäßig großen Kosch. Eine Herde Schafe drängt sich vor den umzäunten Ställen. Etwas weiter entfernt weiden ein paar Kühe und Pferde. Die Hirten sehen wir aber nicht.





                                  Bereits gegen 11:00 Uhr erreichen wir eine Anhöhe – etwa 600 Meter tiefer liegt Verkhniy Baksan. Da wir noch viel Zeit haben, machen wir hier eine längere Pause und genießen ein letztes Mal die Aussicht, bevor wir uns auf den Abstieg machen.





                                  In Verkhniy Baksan sollen knapp 500 Menschen leben. Hier fallen uns mal wieder die Unterschiede zwischen den modernen Städten und den Dörfern auf. Beispielsweise hat selbst hier jedes Haus noch seine Latrine im Garten stehen. Ziegenfelle hängen über einem Zaun zum trocknen. Hauptarbeitgeber scheint hier wohl die Kaserne der Grenztruppen zu sein.





                                  Schon um 13 Uhr erreichen wir die Haltestellen, an der wir abgeholt werden sollen. Wir sitzen in der Sonne und beobachten eine kleine Kuhherde und ein paar Esel, die ganz selbstverständlich und unbeeindruckt auf der Straße entlang trotten, während die Autos ausweichend an ihnen vorbei brausen.



                                  Nur mit wenigen Minuten Verspätung winkt uns Andrej zu und wir freuen uns, dass wir uns gefunden haben. In seinem Auto fährt er uns durch das wunderschön felsige Baksan-Tal zurück nach Pjatigorsk. Es scheint sich hier ein (unerschlossenes) Klettergebiet an das nächste zu reihen!

                                  Wieder kommen wir durch die Polizeikontrollen, bei denen erneut nur Andrej seine Papiere zeigen muss. Doch bei einer Kontrolle fragt der Polizist ihn etwas, woraufhin er zunächst leicht verunsichert/überrascht antwortet und dann anfängt zu lachen. Andrej übersetzt uns kurz danach, dass der Polizist ihn fragte, warum Sandra hinten angeschnallt sei. Wir sind uns nicht vollkommen sicher, ob das wirklich nur Spaß war, oder ob ihm das wirklich komisch vor kam.

                                  Viel zu schnell ging unsere Tour und auch diese letzte Fahrt zu Ende. Zurück am Intourist-Hotel checken wir ein und gönnen uns eine lange, warme Dusche. Welch ein Luxus! An unserem letzten gemeinsamen Abend lassen wir die vielen Erlebnisse und Erinnerungen der Trekkingreise noch einmal Revue passieren…



                                  Zuletzt geändert von anthe; 21.01.2018, 10:18.

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                                  • Sternenstaub
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                                    • 14.03.2012
                                    • 3321
                                    • Privat

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                                    AW: [RU] Im Schatten des Elbrus: 9 Tage Trekking im Kaukasus

                                    das ist ein sehr schöner und spannender Bericht, habt Dank für das Entführen in eine ganz andere Ecke Europas!
                                    Two roads diverged in a wood, and I—
                                    I took the one less traveled by,
                                    And that has made all the difference (Robert Frost)

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                                    • oxytoxy
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                                      AW: [RU] Im Schatten des Elbrus: 9 Tage Trekking im Kaukasus

                                      Sehr guter Bericht und Inspiration!!!
                                      Mal sehen vielleicht 2019 als Gegensatz zur Negev 2018.

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