[NO] Seiland 2017 - zwei halbe Sachen ergeben kein Ganzes

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  • Blahake

    Fuchs
    • 18.06.2014
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    • Meine Reisen

    #21
    AW: [NO] Seiland 2017 - zwei halbe Sachen ergeben kein Ganzes

    Zitat von Borgman Beitrag anzeigen
    ...dann nimmst Du es mir wohl nicht übel, dass der Titel an Deinen letzten Bericht anklingt...
    Um Himmels Willen, das wäre ja noch schöner! Da hab' ich kein Patent drauf!

    Im Gegenteil, freut mich doch, wenn ich Dich inspirieren konnte - so wie unter anderen auch einer Deiner Berichte mich inspiriert hat, dieses Jahr im Saltfjell zu wandern. Bericht folgt, dauert aber noch. Dieses Forum lebt doch davon, dass man sich Tipps und Ideen gibt bzw. holt, das kann dann doch auch für das Sprachliche gelten

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    • Borgman
      Dauerbesucher
      • 22.05.2016
      • 724
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      • Meine Reisen

      #22
      AW: [NO] Seiland 2017 - zwei halbe Sachen ergeben kein Ganzes

      Bevor es mit dem nächsten Tag weitergeht, muss ich erst mal etwas korrigieren, was ich weiter oben geschrieben habe:
      Zitat von Borgman Beitrag anzeigen
      @wonderrenter: Dein Beitrag zum Them Wandern auf Seiland im Trekkingforum war ja bisher so ziemlich das Einzige, was man im Netz in deutscher Sprache lesen konnte (auch wenn ich ehrlich gesagt nicht ganz schlau draus geworden bin ).
      Mittlerweile, auch nach unserem PN-Austausch, werde ich sehr wohl schlau aus Deinem unkonventionellen Bericht. Musste mich nur mehr mit dem Inhalt auseinandersetzten, um die Form zu verstehen. Und die Form entspricht ganz einfach Eurer Herangehensweise an das Wandern auf Seiland. Ohne festen Plan, sich treiben lassen, nichts ist wichtig. Auf den ersten Blick etwas verwirrend, aber doch sehr überzeugend.


      Tag 6
      Von Kårhamn nach Hammerfest

      Am frühen Morgen regnet es etwas, mit 8°C ist es genau wie gestern, nicht warm, nicht kalt. Da mein Boot erst um 16:20 Uhr fährt, kann ich mir Zeit lassen und abwarten, wofür das Wetter sich heute entscheidet. Das stetige Pochen der Regentropfen auf das Außenzelt lässt mich bald wieder wegdämmern.

      Beim Frühstück gegen 10:00 Uhr hat der Regen schon aufgehört, und zwischen den Wolken zeigen sich schon erste blaue Flecken. Jetzt wird es langsam Zeit, über meine weitere Tourplanung nachzudenken, und was gäbe es dafür besseres als einen Strandspaziergang? Weil ich ohne Kamera unterwegs bin (will ja nachdenken), zeige ich noch mal ein Foto von gestern:



      Wenn ich morgen noch nach Hønseby komme, dann könnte ich vielleicht die Nord-Süd-Querung in der verbleibenden Zeit schaffen. Zehn Tage will ich aber auf jeden Fall für den Stabbursdalen NP reservieren, das ist mir auch wichtig. Allerdings habe ich mittlerweile gemerkt, dass in diesem Jahr, schon seit der ersten Tour im April, alles anders ist, meine Pläne gehen nicht auf. Und vor Seiland habe ich großen Respekt bekommen. Vielleicht sollte ich meinen Plan der Durchquerung doch lieber fallenlassen und einfach mal überlegen, wozu ich am meisten Lust habe. Verwegener Gedanke, eigentlich habe ich doch gelernt, mich durchzubeißen und an Schwierigkeiten abzuarbeiten.

      Zurück am Zelt prüfe ich meine ausgedruckten Fahrpläne und stelle fest, dass nach Hønseby am Sonntag kein Bus fährt. Trifft sich gut, denn mein Gefühl ist sowieso eindeutig. Ich will zuerst sehr gemütlich meine Stabbursdalen-Tour machen und dann nochmal ohne Plan und Druck zurück nach Seiland. Dann drehe ich die Richtung mal um und laufe von Stabbursnes nach Alta, von da komme ich leicht nach Altneset auf Seiland.

      Der Rest des Tages vergeht schnell. Am Nachmittag geht es zurück nach Kårhamn, wo das Boot überraschend früh einläuft. Eine größere Gruppe Angler landet hier an, Tonnen von Ausrüstung, Nahrungsmitteln und Getränken werden per Kran entladen. Das dauert seine Zeit. Als es endlich losgeht, wird es wieder eine herrliche Fahrt durch die wunderschöne Inselwelt. Nur viel zu kurz für meinen Geschmack, schon nach einer guten halben Stunde sind wir in Hammerfest.





      Zuerst stocke ich meinen Proviant beim Coop mega wieder auf 10 Tage auf. Da Samstag ist, haben die Sportgeschäfte hier schon zu, muss ich eben ohne Real Turmat auskommen. Dann telefoniere ich mit meiner Frau, besorge bei Esso eine Flasche Spiritus und bin so weit, dass ich mir überlegen kann, wo ich die Nacht verbringe. Ich war vorher noch nie in Hammerfest, aber so schwierig kann das hier nicht sein. Erst mal zum Storvann, dann nordöstlich durch ein Wohngebiet und auf einer groben Piste ein Stück hoch. Hier verläuft ein Rentierzaun, der die Stadt vor herumstreunenden Tieren schützen soll (so steht es auf einem Schild). Und schon beginnt die Utmark: freies Zelten.


      Storvannet, Hammerfest

      Es gibt überall Wasser und gute Zeltmöglichkeiten, ich entscheide mich für einen Platz am Langvann. Noch ist es sonnig, aber es weht ein straffer Nordostwind. Als ich mit meinen abendlichen Verrichtungen fertig bin, zieht Nebel auf, da wird es bald kühl.


      Bild vom nächsten Morgen


      Damit endet meine erste zaghafte Annäherung an Seiland. Der Bericht geht später noch weiter, denn ich werde noch eine zweite (wie der Titel schon anklingen lässt), ganz andersartige Wanderung auf dieser faszinierenden Insel unternehmen. Hier schon mal ein Vorgeschmack darauf:




      Doch zuerst geht es auf vertrauteres Terrain, in den Stabbursdalen Nasjonalpark. Nach einiger Überlegung habe ich beschlossen, dafür einen separaten Bericht zu machen. Die beiden Gebiete sind einfach zu unterschiedlich, und wer sich nur für das eine davon interessiert, muss sich nicht auch mit dem anderen auseinandersetzen.

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      • Antracis
        Fuchs
        • 29.05.2010
        • 1280
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        • Meine Reisen

        #23
        AW: [NO] Seiland 2017 - zwei halbe Sachen ergeben kein Ganzes

        Vielen Dank für die stimmungsvolle und detaillierte Mitnahme. Wenn man sich, zumal Solo, nicht mal mehr auf die eigenen Instinkte verlassen könnte, worauf dann ? Wir sind auch schon öfters umgedreht und auch, wenn ich öfters denke, heute würde ich anders handeln, glaube ich, dass es damals immer genau richtig war - weil es sich richtig anfühlte.

        Wie Du weist, liegt die Karte von Seiland ja seit letztem Jahr hier. Das Interesse ist jedenfalls durch Deinen Bericht nicht kleiner geworden und ich freue mich schon auf Teil 2.

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        • Borgman
          Dauerbesucher
          • 22.05.2016
          • 724
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          #24
          AW: [NO] Seiland 2017 - zwei halbe Sachen ergeben kein Ganzes

          Zitat von Antracis Beitrag anzeigen
          Wenn man sich, zumal Solo, nicht mal mehr auf die eigenen Instinkte verlassen könnte, worauf dann ?
          Schön gesagt. Das ist auch ein Aspekt, der mich am Alleinwandern besonders reizt, man spürt seine eigenen Instinkte ganz stark und merkt, dass man sich auf sie verlassen kann. So ganz degeneriert sind wir nämlich doch noch nicht durch den Komfort der Zivilisation.

          Wie Du weist, liegt die Karte von Seiland ja seit letztem Jahr hier. Das Interesse ist jedenfalls durch Deinen Bericht nicht kleiner geworden und ich freue mich schon auf Teil 2.
          Zu der Karte muss ich noch was sagen, gut, dass Du mich dran erinnerst. Ich schreibe nur erst mal den Bericht über die Stabbursdalen-Tour fertig, dann geht es hier weiter.

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          • Dogmann
            Fuchs
            • 27.09.2015
            • 1022
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            #25
            AW: [NO] Seiland 2017 - zwei halbe Sachen ergeben kein Ganzes

            Hej, Borgman, das Gefühl zu Anfang kenne ich auch nur zu gut und dieses zwicken im Knie ist mir auch nicht ganz fremd!
            Schöne Bilder, auch dein Bericht macht Spass.
            Richtig wohl fühle ich mich nur draußen !

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            • Borgman
              Dauerbesucher
              • 22.05.2016
              • 724
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              #26
              AW: [NO] Seiland 2017 - zwei halbe Sachen ergeben kein Ganzes

              Hallo Dogmann, freut mich, dass Dir der Bericht gefällt. Es geht auch sehr bald weiter.

              Da ich vorher noch nie Probleme mit dem Knie hatte, war ich doch einigermaßen beunruhigt. Dachte eigentlich immer, meine Gelenke seien verlässlicher als meine Kondition. Du kannst Dir vielleicht meine riesengroße Erleichterung vorstellen, als es später tatsächlich besser wurde...

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              • Borgman
                Dauerbesucher
                • 22.05.2016
                • 724
                • Privat

                • Meine Reisen

                #27
                AW: [NO] Seiland 2017 - zwei halbe Sachen ergeben kein Ganzes

                Tag 15
                Zurück nach Seiland

                Ganz ehrlich, ich bin froh, dass ich nicht in der vergangenen Woche auf Seiland war. Bis auf gestern hat es im Stabbursdalen NP jeden Tag geregnet und auf Seiland womöglich noch mehr, die Insel liegt ja exponiert nordwestlich davon. Nur wurmt es mich ein bisschen, dass ich heute erst am späten Nachmittag ankomme, diesen herrlichen Spätsommertag hätte ich gerne zum Wandern genutzt. Ist jetzt nicht zu ändern, das Reisen in der Finnmark braucht eben seine Zeit.

                Heute ist Montag, der 28. August. Voller Vorfreude (auf die Wanderung, nicht auf die Busfahrt...) warte ich an der Busstation Alta Sentrum auf den Bus nach Nyvoll, der gewohnt pünktlich um 16:30 Uhr eintrifft. Zuerst fahren wir zum Hauptpostlager am Hafen, um die Post für die Inseln mitzunehmen, dann halten wir noch am Flughafen. Obwohl ich den Fahrplan ja nicht ändern kann, bin ich etwas ungeduldig. Bis zum Leirbotnvann geht es auf der E6, danach ziemlich rasant auf dem schmalen RV 883 nach Kviby und schließlich mit schönen Ausblicken am Fjord entlang nach Storekorsnes, wo das Schnellboot schon wartet. Es ist die kleine Nordic Sky, die die Skoleruta i Rognsund bedient. Sie ist also so was wie der Schulbus der Gegend.


                M/S Nordic Sky am Kai von Altneset

                An Bord herrscht eine familiäre Atmosphäre, man kennt sich. Kurzer Halt in Hakkstabben, um die Post abzuliefern, eine Viertelstunde später sind wir in Altneset. Als ich gerade dabei bin, meinen Rucksack und die Wanderstöcke zu richten, spricht mich Stig an, der Besitzer von Seiland House. Prima, dann muss ich ihn ja nicht suchen. Wer im Süden von Seiland wandern will, sollte auf jeden Fall vorher mit Stig Kontakt aufnehmen. Kurz besprechen wir meinen geänderten Plan, der eigentlich kein wirklicher Plan ist. Stig muss sich weiter um seine Anglergruppe kümmern, gibt mir aber vorher für den Notfall noch seine Mobilnummer und ein paar Tipps für den Aufstieg. Es gibt mehrere Möglichkeiten, alle sind steil, aber machbar, ich kann selber aussuchen. Nur aufpassen soll ich, es mussten diesen Sommer schon Wanderer gerettet werden. Viel Regen, nasse Steine, da rutscht man schnell mal ab.


                Blick nach Norden vom Kai

                Der kürzeste Aufstieg beginnt direkt hinter Seiland House, es ist sogar eine Andeutung von Pfad erkennbar. Jetzt im Spätsommer ist er aber teilweise so überwuchert, dass man ihn kennen muss, um ihm zu folgen (so sagt Stig, und er hat recht). Ich versuche mein bestes, gebe aber bald auf und gehe einfach nach Gefühl, zumal ich heute sowieso nicht mehr viel schaffen will. Grytdalen sieht von hier am einfachsten aus. Trotz bedecktem Himmel ist es warm, bestimmt 15°C. Nach etwa 130Hm finde ich den perfekten Platz im lichten Birkenwald mit Blick auf den Fjord, dem kann ich nicht widerstehen und läute den Feierabend ein. Ein paar Mücken schwirren herum, aber mit denen komme ich klar.


                Grytdalen


                Sieht hubbelig aus, aber die Liegefläche ist erstklassig


                Blick aus dem Zelt

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                • Borgman
                  Dauerbesucher
                  • 22.05.2016
                  • 724
                  • Privat

                  • Meine Reisen

                  #28
                  AW: [NO] Seiland 2017 - zwei halbe Sachen ergeben kein Ganzes

                  Tag 16
                  Grytdalen - Nordre Steinvannet

                  Leichter Regen am frühen Morgen, der aber schon aufhört als ich, kurz nach Sechs noch im Halbschlaf, mit dem Kaffeekochen beschäftigt bin. Heute und morgen soll es laut Prognose halbwegs trocken sein, für Donnerstag ist starker Regen angesagt. Dann will ich die beiden Tage möglichst gut nutzen und früh aufbrechen. Für einen festen Plan ist mir sowohl das Gelände als auch das Wetter zu ungewiss, ich werde einfach mal schauen wie ich vorankomme.

                  Als es dann gegen 07:40 Uhr losgeht, bin ich doch etwas angespannt, gleichzeitig aber auch neugierig und voller Tatendrang. Ich habe keinen blassen Schimmer, was mich erwartet. Ein paar allgemeine Hinweise wie "Melkelva kann schwer zu furten sein", ein paar Fotos und Norgeibilder konnten mir bei der Vorbereitung nur einen schwachen Eindruck von der Landschaft vermitteln. Es wird spannend.

                  Zuerst mal muss ich aus diesem Tal an irgendeiner Stelle aufsteigen, denn weiter bachaufwärts wird es sehr eng. Richtung Südosten wäre möglich, aber da entdecke ich nordöstlich eine steile, steinige Rinne. Warum nicht? Als ich sie erreiche, schlucke ich erst mal. Sieht ziemlich steil aus, vielleicht wäre eine andere Variante doch besser gewesen. Aber jetzt bin ich schon mal hier, sammle meinen Mut und beginne mit dem Aufstieg. Nach der unteren Stufe wird es besser, ich fühle mich sicherer. Bald stehe ich oben und werfe einen letzten Blick auf das Tal. War doch gar nicht so schlimm.


                  Blick zurück



                  Jetzt bin ich in einem kleinen Hochtal südlich des Piggfjellet gelandet. Das Gelände sieht unproblematisch aus, nasse Wiesen und Silberweiden am Bach, auf den Hügeln weitgehend Beerenheide. Wenn ich hangaufwärts ungefähr die Richtung halte, komme ich über die Hügelkette, danach sehe ich weiter. Inzwischen reißen die Wolken schon auf und machen Platz für ein paar Sonnenstrahlen. Sehr schön, so habe ich mir das vorgestellt.


                  Blick Richtung Stjernøya ...


                  ... und nochmal von weiter oben

                  Ich halte mich jetzt weiter östlich und steige am Nordwestausläufer des Grytdalshaugen weiter auf. Das Gelände wird hier zunehmend steiniger und und übersichtlicher, mit kleinen Einschnitten und Buckeln, die umgangen werden müssen.




                  Blick zurück zum Dagsvollvann, dort verläuft eine andere mögliche Route

                  Als ich die kleinen Seen am Hügel 552m erreicht habe, ist es Zeit für die Frühstückspause. Hier beginnt schon das Nationalparkgebiet. Zwar weht ein ungemütlicher Wind über die Hügelkette, aber ich habe ja bekanntlich nichts dagegen, zwischendurch das Zelt aufzubauen. Nach dem leckeren Blaubeermüsli mit Kaffee strecke ich mich also in aller Ruhe aus, sehr zufrieden mit den ersten zwei Wanderstunden.



                  Nach der Pause laufe ich weiter über den Hügel, hinter dem sich der Blick über das weite Søkkmyrdal bis zum Bekkarfjord öffnet. Das sieht von hier aus wie angenehmes Wandergelände, aber ich will zuerst nach Norden zum Gletscher, der jetzt auch zum ersten Mal zu sehen ist. Für
                  die schwierigere Strecke möchte ich das gute Wetter morgen nutzen, falls es denn so wird wie angesagt.


                  Seilandsjøkelen


                  Søkkmyrdalen

                  Ich halte mich also zuerst Richtung Sommarsettind, um das große Moor im Tal am Hang zu umgehen. Hier macht es Spaß zu wandern. Bis zu der kleinen Seenkette östlich des Sommarsetvannet bleibt das Gelände einfach. Mittlerweile setzt sich immer mehr die Sonne durch, was die Laune weiter verbessert. Schön ist es hier, ich bin froh, dass ich mich mich mal nach Seiland getraut habe.









                  Hinter dem letzten kleinen See versuche ich, möglichst genau nach Nordosten zu laufen, zum Abfluss des Søre Steinsvatnet. Das wird aber schwieriger als gedacht, denn das Gelände ist unübersichtlicher als die Karte vermuten lässt. Viel hoch und runter, kleine Steilstellen umgehend, komme ich jetzt deutlich langsamer voran. Dafür werde ich mit schönen Blicken zum Gletscher und die südlicheren Melkevatna im Tal belohnt.






                  Melkevatna




                  Blick nach Westen zum Kufjordtind



                  Am Søre Steinvatn angekommen, bin ich einigermaßen platt und brauche eine Pause. Direkt hinter dem Abfluss gäbe es sogar gute Zeltmöglichkeiten, aber hierzubleiben kommt nicht in Frage. Das Wetter zeigt sich von seiner besten Seite, es wird richtig warm in der Sonne.


                  Abfluss des Søre Steinvatnet


                  Søre Steinvatnet

                  Satt und träge vom Mittagessen breche ich gegen 15:30 Uhr auf. Doch die Trägheit hält nicht lange an, denn die Strecke zum Nordre Steinvann wird spannend. Zuerst durch Weidenbüsche ein Stück am See entlang, dann scharf nach Ost-Nordost hinauf zu der zerfurchten Hochebene, die die beiden Steinseen trennt. Zwischen Schneefeldern, Felsen und winzigen Seen suche ich mir mühsam meinen Weg. Leider hält das schöne Wetter sich nicht, es hat zu nieseln begonnen.







                  Nachdem ich mich unter einem leider sehr solide gebauten Rentierzaun hindurchgequetscht habe, beginnt es stärker zu regnen. Es hätte sowieso nicht viel Sinn, heute noch weiterzugehen, denn hinter dem Nordre Steinvann wird der Berghang steil und steinig, gute Zeltplätze dürften da rar sein. Selbst hier sieht es bei näherer Betrachtung nicht so dolle aus mit ebenen Flächen. Nach einiger Suche nehme ich einen leicht abschüssigen, der dafür weniger Hubbel hat und baue das Zelt auf. Als ich vom Waschen im See zurückkomme, stelle ich fest, dass ich irgendwo auf dieser Seite vom Zaun meinen Pullover verloren habe und muss noch mal hinaus in den Regen. Mist! Als ich ihn schließlich finde, ist er natürlich durchnässt. Starker Regen am Abend bei 9°C, so findet dieser wunderschöne, spannende Tag einen unerwartet trüben Abschluss.

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                  • Borgman
                    Dauerbesucher
                    • 22.05.2016
                    • 724
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                    • Meine Reisen

                    #29
                    AW: [NO] Seiland 2017 - zwei halbe Sachen ergeben kein Ganzes

                    Tag 17
                    Nordre Steinvannet - östlich Johkanjárhárji - Søre Steinvatnet

                    Nach dem vielen Regen ist alles sehr nass, aber schon vor Sechs scheint die Sonne aufs Zelt. Sofort bin ich hellwach und wage einen Blick nach draußen. Sieht vielversprechend aus, blauer Himmel, nur wenige Wolken. Beim Kaffeekochen entwickelt sich der Plan für heute von selbst. So ganz traue ich dem Wetter nicht, die Vorhersage war ja auch eher wechselhaft als stabil. Und in dem felsigen Gelände westlich des Gletschers will ich nicht ohne Not im Regen herumstolpern. Kein Risiko eingehen, das ich nicht abschätzen kann. Deshalb beschließe ich, das Zelt stehenzulassen und zwei Stunden mit Tagesrucksack aufzusteigen. Dann bin ich mit Pause fünf Stunden unterwegs, so lange sollte sich das Wetter halten.



                    Vorher wasche ich noch ein paar Sachen im Bach und starte dann um Sieben. Die Richtung ist klar: einfach genau nach Norden den Berghang hoch. So ohne den schweren Rucksack bin ich ungewohnt leichtfüßig, ein herrliches, freies Gefühl. Der erste Anstieg vom See ist noch schön übersichtlich, aber schon bald komme ich am Berghang in ein Labyrinth aus Felsen und Schneefeldern, in dem ich nur noch durch Versuch und Irrtum vorankomme.


                    Nordre Steinvannet





                    Das braune Gestein ist rau und griffig, so dass man selbst auf steilen Felsplatten perfekten Halt hat. Langsam bekomme ich ein Gefühl für diese eigenwillige Landschaft, eine Ahnung, wo man vorankommen könnte, wie steil noch gut zu schaffen ist und was man besser umgeht. Immer wieder bin ich fasziniert vom Kontrast der dunklen Felsen mit dem Schnee und dem blauen Himmel. Es beginnt, großen Spaß zu machen.







                    Im Regen und bei schlechter Sicht wäre ich hier allerdings nicht so gerne unterwegs, da ist es schon ganz gut, dass ich heute nur einen Erkundungsausflug mache, Erfahrungen sammle. Nach den zwei Stunden, die ich mir vorgenommen habe, erreiche ich ein Aussichtsplateau über dem Gletschervorland, das ich kurzerhand zum Ziel erkläre. Frühstück in der Sonne, mit Blick zum Gletscher, herrlich! Ich versuche ein Foto mit Selbstauslöser, aber die Kamera steht wohl etwas schräg ...




                    besser gehts mit der Kamera in der Hand







                    Die charakteristischen buckeligen Hügel des Gletschervorlands finden sich auch im Kleinen wieder, es wirkt so, als hätte der Fels Blasen geworfen. Melkelva donnert durchs Tal, die Seen leuchten grünlich. Ich genieße die Aussicht und bewundere die einfallsreiche Topographie dieser Insel, die immer neue Herausforderungen für Wanderer bereithält. Nachdem ich mich halbwegs satt gesehen habe, beschließe ich, dass es Zeit für den Rückweg ist. Da ich mir die Route vom Hinweg sowieso nicht einprägen konnte, gehe ich jetzt weiter östlich, am Rand des Steilhangs. Einfacher ist es hier nicht, aber der Blick ist schöner.














                    See 431m und Melkelva

                    Der Abstieg zum Nordre Steinvann ist auf dieser Route etwas steiler und schwieriger zu überblicken. Mit Gepäck würde ich hier wohl ins Schwitzen kommen. Bald kann ich meinen See erkennen, jetzt ist es nicht mehr weit.


                    Stjernøya und Kufjordtinden im Hintergrund




                    Blick zum Nordre Steinvann (als winziger blauer Streifen erkennbar)


                    Nicht die beste Abstiegsroute, aber machbar






                    Fast geschafft: Nordre Steinvannet


                    Das letzte Stück geht über Buckelwiesen

                    Gegen 12:00 Uhr bin ich zurück am Zelt, das schon fast trocken ist. Während ich das Mittagessen vorbereite, überdenke ich meine weiteren Optionen. Mein letzter Wetterbericht ist zwar schon drei Tage alt und kann sich inzwischen geändert haben, aber so ganz außer Acht lassen mag ich ihn auch nicht. Für morgen war da ziemlich fieser Regen und Wind angesagt, also ist es wohl besser, wenn ich mich heute noch zum Søre Steinvatn zurückziehe. Nach einer langen Pause in der Sonne packe ich zusammen und breche auf. Zuerst robbe ich unter dem Rentierzaun hindurch.


                    Blick nach Osten, zum Melkevatn 306m


                    Melkevatna

                    Jetzt muss ich wieder über den zerfurchten, unübersichtlichen Bergrücken zwischen den beiden Steinseen. Obwohl ich sie schon von gestern kenne, bleibt die Strecke unangenehm. Mittlerweile ziehen immer mehr Wolken durch. Die große Attraktion: fünf reife Moltebeeren, man ist ja in diesem Jahr nicht anspruchsvoll was Beeren angeht.







                    Ich komme etwas zu weit östlich an eine Abbruchkante, finde dann aber doch die gute Abstiegsroute, die ich gestern hochgegangen bin. Ab hier geht es entspannt bis zum See.


                    Søre Steinvatnet

                    Direkt am See finde ich sofort einen ebenen Zeltplatz, selten in dieser Gegend. Ein paar Mücken gibt es hier auch, aber mehr als 10 Stiche bekomme ich nicht ab, die verschwinden schnell wieder. Am Steilhang gegenüber grasen Schafe, die Glocken der Muttertiere schaffen eine anheimelnde Atmosphäre. Waschen im See, dann Kaffeekochen. Erst später am Abend regnet es ein bisschen.


                    Tag 18
                    Abwettern

                    Der Wind hat gedreht und treibt am frühen Morgen einige Regenschauer aus Westen heran. Nichts dramatisches, ich bleibe noch ein Weilchen im warmen Schlafsack, draußen hat es 8°C. Als der Wind dann deutlich auffrischt und den Regen aufs Zelt nagelt, halte ich es dann doch für angebracht, das Zelt so zu drehen, dass der Eingang im Windschatten liegt und es sturmsicher abzuspannen. Hätte ich früher machen sollen, jetzt ist das eine ungemütliche Aktion. Ich muss aufpassen, dass nichts wegfliegt und möglichst wenig nass wird.

                    Danach erst mal Frühstück. Ich richte mich auf einen Ruhetag ein und bin froh über meine gestrige Entscheidung. Wind und Regen steigern sich beunruhigend bis zum Mittag: stürmische Böen jagen über den See auf meinen ungeschützten Platz, und der Regen prasselt so stark aufs Außenzelt, als wolle er Löcher hineinschlagen. Was ihm zum Glück nicht gelingt.

                    Mit einem weniger stabilen Zelt hätte ich mir wohl schnellstens einen windgeschützten Platz gesucht, aber so gut wie mein Soulo jetzt steht, lasse ich es drauf ankommen. Ein Gestängesegment mit Riss habe ich kürzlich ausgetauscht, die Schlaufen für die Abspannleinen sind aus stärkerem Material erneuert worden (nachdem sie bei drei Stürmen auf Island fast komplett durchgescheuert waren), und dieses Jahr habe ich auch neue Reißverschlüsse einnähen lassen. Das Zelt hält einiges an rauem Wetter aus.

                    Entspannt bin ich trotzdem nicht, dafür tobt es zu heftig. Am Nachmittag lässt der Regen nach, und sogar die Wolken reißen für eine Stunde auf, aber der Wind bläst weiter unbarmherzig. Die Schafe am gegenüberliegenden Hang gehen unbeirrt ihrer Beschäftigung nach. Schaf sein ist auch kein leichter Job auf dieser Insel.

                    Als am frühen Abend wieder Regen einsetzt, zieht das Wetter noch mal alle Register. Das wird eine unruhige Nacht.
                    Zuletzt geändert von Borgman; 03.10.2017, 15:53. Grund: Korrektur

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                    • Borgman
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                      #30
                      AW: [NO] Seiland 2017 - zwei halbe Sachen ergeben kein Ganzes

                      Tag 19
                      Søre Steinvatnet - Store Kufjorden

                      Ein stiller, kalter, wolkenverhangener Morgen. Es wirkt so, als hätten sich Wind und Regen total verausgabt und hingen jetzt erschöpft und reglos über der Landschaft. Nicht verschwunden, wie an einem sonnigen Morgen, sondern immer noch anwesend, nur jeder Kraft beraubt. Etwas später setzt leichter Sprühregen ein, schwaches Lebenszeichen der ermatteten Elemente.

                      Heute ist Freitag, der 01. September, meteorologischer Herbstanfang. Wie passend! Bei 5°C zieht es selbst mich, den notorischen Frühaufsteher, momentan noch nicht nach draußen. Ich weiß eh, was mich erwartet: tropfnasse Weidenbüsche, angeschwollene Bäche, aufgeweichter Boden. Da lasse ich mir doch lieber Zeit mit dem Frühstück, freue mich an der Wärme des Kochers.





                      Kurz nach 09:00 Uhr kann ich mich dann doch aufraffen, trenne nasse von trockenen Sachen, hänge das Innenzelt aus und packe zusammen. Ich möchte zuerst ein Stück nach Osten zur Melkelva gehen und dann vielleicht Richtung Store Bekkarfjorden. Folge also grob dem Abfluss des Søre Steinvatnet durch tropfnasse Weidenbüsche und aufgeweichten Boden entlang der Kette kleiner Seen. Die ebenen Stellen sind so randvoll mit Wasser, dass ich immer versuche, über die Hügel zu gehen. Kurz vor dem Melkevatn 265m stoße ich auf eine Rentierzaun, der von Osten kommt und hier nach Süden schwenkt, begleitet von einer Quadspur. Sogar eine kleine Hütte gibt es, sicher für Rentierhüter.



                      Dicke Wolken ziehen durch die Täler im Süden, was mich an meinem Plan zweifeln lässt. Die Sicht ist doch sehr eingeschränkt, und es beginnt auch wieder leichter Regen. Bei dem trüben Wetter ist es wohl das vernünftigste, den Rückweg zum Store Kufjord anzutreten.



                      Für den Abstieg will ich die Route über Sommarsetvannet ausprobieren. Also ändere ich den Kurs auf Südwest und durchquere zuerst die nasse Ebene erneut, um später den Hang östlich des Sommarsettind hochzugehen. Das Gelände ist einfach und nur teilweise steinig, aber irgendwie zieht sich der Aufstieg ganz schön hin. Ich müsste doch schon längst die kleinen Seen erreicht haben, die zum Sommarsetvann hinunterführen. Die unübersichtlichen Senken und Hügel am Hang machen mir die Orientierung aber auch nicht leicht. Dafür sehe ich endlich mal Rentiere.


                      Hier beginnt der Aufstieg





                      Schließlich bin ich mir sicher, dass ich zu weit nördlich gelandet bin und korrigiere nach Süden. Jetzt kann ich das richtige Tal erkennen, bin auch viel zu hoch aufgestiegen. Hier ist mir der Hang allerdings zu steil, da muss ich ein ganzes Stück zurückgehen.


                      das richtige Tal


                      hier schaffe ich den Abstieg


                      schöner Pausenplatz am See

                      Glücklich im richtigen Tal angekommen, stelle ich erst mal das Zelt für die Mittagspause auf. Es regnet jetzt stärker, etwa zwei Stunden lang. Das verbessert zwar meine Laune nicht gerade, bestätigt aber meine Entscheidung, heute noch zum Fjord abzusteigen. Immerhin ist es fast windstill. Als es dann nur noch gelegentlich nieselt, packe ich zusammen. Die auf der Karte vorgeschlagene Route, hinter dem Sommarsetvann auf der Südseite des Tals abzusteigen, erscheint mir angesichts der Höhenlinien wenig sinnvoll, also probiere ich es lieber auf der Nordseite, rechts vom Bach.


                      Sommarsetvannet


                      Blick zurück


                      hier beginnt der Abstieg zum Store Kufjord

                      Bald stellt sich heraus, dass meine Vermutung richtig war, auf dieser Seite ist es weniger steil, weniger steinig, und weiter unten gibt es sogar massenhaft reife Heidelbeeren, die mein weiteres Vorankommen drastisch verlangsamen. Endlich mal gute Beeren, darauf habe ich seit Beginn der Tour gehofft. Zwar regnet es wieder, aber ich bin trotzdem gut gelaunt. Diese Route kann ich sehr empfehlen.


                      Store Kufjorden


                      Blick zurück

                      Schließlich komme ich doch noch am Fjord an, in dem, scheinbar unvermeidlich, eine Lachszuchtanlage dümpelt. Etwas weiter nördlich entdecke ich eine Landzunge, die von Weitem gut zum Zelten geeignet scheint. Als ich sie durch hohe, nasse und steinige Wiesen endlich erreicht habe, ist sie nicht nur gut, sondern absolut perfekt. Ein Traum von einem Platz: ganz eben, übersichtlicher, aber weicher Untergrund, mit herrlichem Blick über den Fjord bis nach Stjernøya. Nach der großen Waschaktion im eiskalten Bach sitze ich im Zelteingang und freue mich, dass der ungemütliche Tag noch einen so befriedigenden Abschluss gefunden hat.




                      Tag 20
                      Store Kufjorden - Altneset

                      Immer noch leichter Regen am frühen Morgen, der aber schon aufhört, als ich mit dem Kaffeekochen beschäftigt bin. Die Wolken über Stjernøya sind schon ziemlich aufgelockert, und gegen Acht oder halb Neun wird es auch hier langsam sonnig. Da ich heute nicht mehr viel vorhabe, kann ich meinen herrlichen Platz am Fjord noch ein Weilchen auskosten, die feuchten Schuhe und Socken trocknen und ein paar Fotos machen.


                      Blick nach Stjernøya, mit Lachszuchtanlage






                      Kufjordtind


                      Blick zum Kufjordbotn - der Pass im Hintergrund (Straumskaret) ist die Aufstiegsroute von hier zur Seilandstuva (links). Der Berg rechts davon ist Gáhpu.


                      Hier noch mal herangezoomt. Der Aufstieg zum Pass sieht steil aus, soll aber "problemlos" machbar sein.

                      Dieser Morgen ist wirklich noch mal ein Höhepunkt meiner Tour. In der windstillen Morgensonne auf einem Felsen zu sitzen und die Berge zu betrachten, erfüllt mich mit einer tiefen Zufriedenheit. Das sind die Momente, die in Erinnerung bleiben, deswegen zieht es uns doch immer wieder in den Norden. Und alle Mühsal, alle Regentage sind vergessen.

                      Gegen Mittag kann ich mich aber doch von diesem Platz losreißen und gehe an der Küste entlang zurück nach Altnes. Alle paar Meter rauscht ein Bach vom Berg herunter, und auch die nassen Wiesen erinnern noch an den Niederschlag der vergangenen Tage.





                      Das letzte Stück am Berghang, bevor die Straße anfängt, ist noch einmal recht steil und durch den Birkenwald unübersichtlich. Ich halte mich sicherheitshalber ziemlich hoch am Hang, was aber rückblickend nicht nötig gewesen wäre. Auch weiter unten kommt man wohl gut durch.


                      das letzte Stück vor Altneset

                      Inzwischen sind wieder Wolken aufgezogen, im Wind wird es ohne Sonne sehr frisch. Deshalb mache ich meine Mittagspause im Schutzhäuschen an der Anlegestelle, wo ich aber nach einer halben Stunde auch friere. Stig ist unterwegs, deshalb melde ich mich bei ihm per SMS zurück. Jetzt gehe ich nur noch bis zur Kirche, und von dort den Hang hoch zum kleinen Moorsee Skjåvikvannet. Einen so tollen Platz zum Zelten wie gestern werde ich hier nicht finden, aber ich streune noch für zwei Stunden über die Hügel. Immerhin hat man einen schönen Blick über Altneset.




                      Altneset, das große Gebäude ist Seiland House



                      Bald beziehe ich meinen Platz im Birkenwald und telefoniere noch mit meiner Frau. Alles gut zu Hause, ich freue mich schon auf meine Familie. Am Abend wird es schnell kühl, hat nur noch 3°C.

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                      • Blahake

                        Fuchs
                        • 18.06.2014
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                        #31
                        AW: [NO] Seiland 2017 - zwei halbe Sachen ergeben kein Ganzes

                        Was für eine tolle Landschaft!

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                        • Borgman
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                          #32
                          AW: [NO] Seiland 2017 - zwei halbe Sachen ergeben kein Ganzes

                          Tag 21
                          Altneset - Hakkstabben und Überfahrt nach Storekorsnes

                          Leider konnte ich nicht gut schlafen, bin immer wieder nassgeschwitzt aus unruhigen Träumen aufgewacht. Heute früh fühle ich mich entsprechend matt und lustlos, aber ich weiß, das wird vergehen. Nach einem starken Kaffee und ein bisschen Bewegung an der frischen Luft sieht die Welt schon wieder anders aus. Passend zu meiner Stimmungslage ist das Wetter auch matt und lustlos. Bedeckter Himmel, fast windstill, 8°C.

                          Meine Tour ist jetzt eigentlich beendet, ich könnte heute Nachmittag mit dem Boot nach Storekorsnes fahren und den Bus weiter nach Alta nehmen. Mein Flug geht aber erst Dienstag früh, heute ist Sonntag. Oder noch einen Tag auf Seiland verbringen und morgen zurückfahren. Aber für eine richtige Tageswanderung fehlt mir irgendwie der Antrieb. Letztendlich entscheide ich mich für einen Kompromiss: ich laufe auf der Straße bis Hakkstabben, übernachte in der Nähe von Storkorsnes und fahre morgen früh nach Alta. Denn mal los. Zuerst hinunter zur Straße.



                          Dann eine ereignislose, aber nicht unangenehme Stunde auf der Straße, bis ich direkt hinter dem Abfluss des Skarvevatn mit Blick auf Elvebukta eine gute Stelle für die Frühstückspause entdecke.



                          Die Bewegung hat nicht viel geholfen, ich bin immer noch müde und knalle mich nach dem Frühstück noch mal aufs Ohr. Später ein kleiner Spaziergang über die Hügel, die Sonne kommt durch. Am Nachmittag laufe ich dann die letzten, ebenso ereignislosen drei Kilometer bis Hakkstabben. Kein Mensch zu sehen, kein Autoverkehr.


                          erster Blick auf Hakkstabben

                          Als ich am Anleger warte, habe ich zumindest Gesellschaft von einer sehr schmusebedürftigen Katze, wir werden schnell Freunde. Zum ersten Mal auf dieser Tour piesacken mich hier Kriebelmücken. Kurz vor Bootsabfahrt um 17:45 Uhr füllt sich der Platz. Die gewaltige Menge von acht Menschen will mit mir nach Storekorsnes.


                          Bootsaneger Hakkstabben





                          Hier hängt, wie auch in Altneset, ein Infoblatt über Wandertouren. Vielleicht für den einen oder anderen interessant. Ich übersetze mal für alle, deren Norwegisch etwas eingerostet ist:


                          5 Gipfel Alteneset und Hakkstabben

                          Gryt-tinden, Altneset, von der Kirche, hinter dem Moor. Markiert, blaue Streifen (gemeint ist blaues Flatterband).

                          Vardefjellet, Altneset, von der Kirche, hinter dem Moor. Markiert, rote Streifen.

                          Piggfjellet, Altneset, hinter Seiland House. Teilweise markiert.

                          Seidi, Hakkstabben, vom Kai, den Hang hoch, über die Brücke, vorbei am blauen Haus. Orange markiert.

                          Seibukttinden, Hakkstabben, markiert ab dem kleinen Bach zwischen dem blauen Haus und Oldervik. Der Wanderpfad geht über Moskodalselva (kann mühsam sein). Rot markiert.

                          Auf den Gipfeln sind Tourbücher (Gipfelbücher) ausgelegt, für diejenigen, die sich registrieren wollen.



                          Und hier noch die Infotafel vom Nationalpark:



                          Wo wir jetzt schon bei allgemeinen Infos sind, noch ein Wort über die von mir benutzte Turkart Kvaløya, Seiland, Ausgabe 2004. Ich weiß nicht, ob es inzwischen eine bessere Neuauflage gibt, aber diese Karte kann ich nur eingeschränkt empfehlen. Zuerst einmal erschwert die braune Einfärbung der höher liegenden Gebiete doch sehr empfindlich die Lesbarkeit. Oft sind die Höhenlinien kaum noch vom Hintergrund zu unterscheiden. Sehr ärgerlich und vollkommen unnötig! Besser nimmt man die topographische Hauptkartenserie, die aber für Seiland leider so ungünstig geschnitten ist, dass man vier Blätter braucht, um die ganze Insel abzudecken.


                          Turkart Kvaløya, Seiland

                          Und dann gibt es auf der Karte einige sicher gut gemeinte Routenvorschläge. Manche davon sind halbwegs realistisch, wenn auch im Detail nicht optimal, aber andere sind einfach nur haarsträubend gefährlich und ganz sicher nicht gangbar. Beispielsweise Route Nr.10: Aufstieg von Straumen zur Seilandstuva. Die richtige und einzig gangbare Route ist nicht in der Karte eingezeichnet, nämlich über Straumskardet und den Südhang hoch zur Seilandstuva. Oder Route Nr. 7: Aufstieg vom Jøfjord zum Seilandsjøkelen. Die richtige Route wäre durch das Breidhovddal zum See 548m aufzusteigen und von dort zum Gletscher.


                          Das Boot fährt gewohnt pünktlich ab, und schon eine Viertelstunde später erreichen wir Storekorsnes.



                          Hier will ich die Nacht verbringen, bevor es dann morgen früh nach Alta geht. Sollte kein Problem sein, hier einen Platz zu finden. Ich laufe durch den kleinen Ort, dann eine Schotterstraße den Berghang hoch, die nach dem letzten Haus zu einer rauen Piste wird. Auf dieser immer weiter durch Birkenwald, bis ich offenes Gelände erreiche. Bald finde ich einen schönen Platz mit weitem Blick nach Nordwesten. Nachdem ich mich eingerichtet und im Bach gewaschen habe, ist es schon 20:00 Uhr, Zeit fürs Abendessen: das letzte Real Turmat.




                          Tag 22
                          Zurück nach Alta

                          Um 05:00 Uhr klingelt der Wecker, aber ich bin schon wach. Kurzes Frühstück, dann auf nach Storekorsnes. Das Wetter sieht vielversprechend aus für meinen letzten Urlaubstag. Die Berge auf der anderen Seite vom Altafjord baden bereits in der Sonne.


                          Blick zum Langfjord


                          Seiland, von Storekorsnes


                          Storekorsnes Kai






                          M/S Nordic Sky auf der Morgenroute

                          Um 07:35 Uhr fährt der Kleinbus nach Alta, wo wir eine gute Stunde später ankommen. Ich steige am Flughafen aus, ohne rechten Plan, was ich mit der verbleibenden Zeit anfangen möchte.

                          Alta ist eine sehr weitläufige Stadt, eigentlich sind es eher vier lose zusammenhängende Kleinstädte (mit ein paar verstreuten kleineren Ortsteilen): Elvebakken mit dem Flughafen und Schnellboothafen, Bossekop, dort ist auch das Retorten-Stadtzentrum angesiedelt, Aronnes inmitten von Feldern und Wiesen und Kronstad/Kaiskuru zwischen dem Fluss und den Hügeln im Süden. Dazwischen viel Platz für Naherholungsgebiete. Ich laufe zuerst zum Felshügel Komsa Richtung Bossekop.


                          Altafjorden, vom Lille Komsa


                          Bossekop

                          In der Sonne wird es schnell spätsommerlich warm. Ich streune ein bisschen herum, suche mir ein nettes Plätzchen und baue die Kaffeekoch-Station auf. Danach laufe ich zurück nach Elvebakken, kaufe ein paar Leckereien fürs Mittag- und Abendessen, und weiter geht es an Kirche und Friedhof vorbei zum Sandfallet. Das ist das östliche Ende eines langgezogenen, bewaldeten Hügels mitten in der Stadt. Anschließend auf dem Hügelkamm nach Westen.






                          Sandfallet


                          Kronstad


                          Alta Lufthavn


                          Alte und neue Sprungschanze


                          Treppenaufgang zur neuen Schanze

                          Hier richte ich mich im Schatten für eine ausgiebige Mittagspause ein und genieße das herrliche Wetter. Klar bin ich ein bisschen wehmütig, dass der Urlaub schon vorbei ist, aber andererseits habe ich viel erlebt und freue mich auch auf Zuhause. Am späten Nachmittag schlendere ich wieder zurück zur Brücke und am Fluss entlang zu meinem guten Platz, an dem ich die erste Nacht verbracht habe.


                          Pfad am Fluss


                          Altaelva


                          Tag 23
                          Rückreise

                          Da mein Flieger schon um 07:30 Uhr startet, kann ich heute keine Zeit verplempern. Na, für einen letzten Kaffee reicht es noch, aber dann muss ich auch aufbrechen. Es ist gerade hell genug, dass ich keine Taschenlampe brauche, den Pfad kenne ich ja inzwischen wie meinen Vorgarten. Am Flughafen brauche ich immer etwas Zeit, um den Rucksack komplett umzupacken (Stiefel und Zelt kommen nach ganz unten) und meine saubersten Klamotten anzuziehen. Dann noch ein kleines Frühstück aus den Resten vom Abendessen, und schon geht es los.

                          Die Anschlüsse in Oslo und Kopenhagen sind wieder so großzügig, dass ich reichlich Gelegenheit habe, mein Tagebuch noch einmal ganz zu lesen und an die Tour zurückzudenken. An die Anfangsschwierigkeiten mit meinem schmerzenden Knie auf der steinigen Strecke am Skreifjord, an meinen Mangel an Zutrauen für die Durchquerung der Insel, und wie ich dann erkannt habe, dass es oft besser ist, keine zu großen Pläne zu machen.

                          An die schöne Wanderung von Stabbursnes nach Alta, wo ich bei viel Regen immer Glück mit dem Wetter hatte, wenn es drauf ankam. Und wo ich mitten in der Steinwüste einen Zeltplatz fand. An die Weite der Finnmarksvidda, wie klein ich mich da fühlte und doch meine Kraft und Gelassenheit wiederfand.

                          Und natürlich an die Rückkehr nach Seiland, die Tour ohne festen Plan, wo ich zum ersten Mal erfahren habe, dass man sich einfach treiben lassen und den Instinkten folgen kann. Das war vielleicht, gemessen an meinen anfänglichen Ambitionen, auch nur eine halbe Sache, aber die hat mächtig Spaß gemacht und mir viele großartige Eindrücke beschert.

                          Wie so oft denke ich auch an alles, was ich nicht sehen und erleben konnte. Storevatndalen und der ganze Osten von Seiland, oben auf dem Gletscher zu stehen, Stjernøya, die immer so verlockend im Westen zu sehen war... Wie es aussieht, keimt schon der Wunsch nach einer weiteren Tour in die faszinierende Inselwelt der Westfinnmark.


                          Ende
                          Zuletzt geändert von Borgman; 21.10.2017, 18:42. Grund: Korrektur

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                          • neumania
                            Erfahren
                            • 22.02.2015
                            • 292
                            • Privat

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                            #33
                            AW: [NO] Seiland 2017 - zwei halbe Sachen ergeben kein Ganzes

                            Schöner und informativer Bericht mit tollen Fotos,

                            Danke!

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                            • Fjellfex
                              Fuchs
                              • 02.09.2016
                              • 1228
                              • Privat

                              • Meine Reisen

                              #34
                              AW: [NO] Seiland 2017 - zwei halbe Sachen ergeben kein Ganzes

                              Danke für den superinteressanten Bericht!

                              Was die "Landkartenproblematik" angeht:
                              Man kann sich ja auf norgeskart.no Karten nach eigenem Gusto ausdrucken; insbesondere dann, wenn man von einem Kartenblatt nur eine kleine Ecke braucht, ist das zu empfehlen. Hierzu einfach im Menü die Option "Lag turkart" (Wanderkarte erstellen) aufrufen und Maßstab wählen (1:25000 oder 50000) sowie (wenn gewünscht) noch die markierten Wanderwege hervorheben (fremheve merkede stier). Das ganze läßt sich dann so verschieben, bis man den gewünschten Ausschnitt hat.
                              Dann nur noch die Karte erstellen und ausdrucken.
                              Na ja, ich vermute, ich erzähle Dir hier nichts Neues.....

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                                • 22.05.2016
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                                #35
                                AW: [NO] Seiland 2017 - zwei halbe Sachen ergeben kein Ganzes

                                Zitat von neumania Beitrag anzeigen
                                Schöner und informativer Bericht mit tollen Fotos,
                                Freut mich, dass es Dir gefallen hat . Deine tollen Islandberichte habe ich übrigens auch immer sehr genossen und noch lebhaft vor Augen.

                                Zitat von Fjellfex Beitrag anzeigen
                                Danke für den superinteressanten Bericht!
                                ... und Danke für Dein Interesse!

                                Was die "Landkartenproblematik" angeht:
                                Man kann sich ja auf norgeskart.no Karten nach eigenem Gusto ausdrucken;
                                Hast ja recht. Das ist sogar extrem komfortabel gestaltet bei Norgeskart. Trotzdem habe ich davon nur selten Gebrauch gemacht und nur, wenn es um einen kleinen Ausschnitt ging. Hier wäre es als Ergänzung zur Turkart sinnvoll gewesen, daran habe ich einfach nicht gedacht.

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                                • Blahake

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                                  • 18.06.2014
                                  • 1432
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                                  #36
                                  AW: [NO] Seiland 2017 - zwei halbe Sachen ergeben kein Ganzes

                                  Also ich finde, das ist aber doch noch ein ausgeprochen schönes Ganzes geworden
                                  Vielen Dank für den tollen Bericht!

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                                  • vobo

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                                    • 01.04.2014
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                                    #37
                                    AW: [NO] Seiland 2017 - zwei halbe Sachen ergeben kein Ganzes

                                    Auch ich danke für den wunderschönen Bericht aus einer Region, von der ich vorher nicht einmal ansatzweise gehört habe. Es hat riesigen Spaß gemacht, alles zu verfolgen - und nebenbei auch Deine früheren Bericht zu studieren. Danke.

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                                    • Gast180628
                                      GELÖSCHT
                                      Dauerbesucher
                                      • 08.10.2012
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                                      #38
                                      AW: [NO] Seiland 2017 - zwei halbe Sachen ergeben kein Ganzes

                                      Zitat von Blahake Beitrag anzeigen
                                      Was für eine tolle Landschaft!
                                      +1!

                                      ich
                                      MUSS
                                      DA
                                      WIEDER
                                      HIN


                                      danke für den bericht! sehr schönes ganzes, find ich auch.
                                      macht nachvollziehbar, warum man da zur mitternachtsssonne die zeit vergisst.

                                      edit: von süden stig, von norden andre in honseby (einziger supermarkt, zugleich museum über seiland und die sea-sami). und lieber ein paar tage mehr ansagen. kleiner shop in karhamn (ggf. bootstrampen falls von dort gedacht). und mehr planung brauchts fast nicht, man wird sehen.
                                      Zuletzt geändert von Gast180628; 27.10.2017, 09:01.

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                                        #39
                                        AW: [NO] Seiland 2017 - zwei halbe Sachen ergeben kein Ganzes

                                        @Blahake: Danke! Ich warte auch schon gespannt auf Deinen Bericht von diesem Jahr...

                                        @vobo: Ja, man stößt nicht gerade oft auf Berichte aus dieser Gegend, das macht sie auch so spannend. Schön, dass es Dir Spaß gemacht hat!

                                        @wonderrenter: Danke auch Dir! André Larssen von Seiland Explore war mir auch eine große Hilfe bei der Vorbereitung, auch wenn ich die meisten seiner Tipps durch meinen geänderten Plan nicht verwerten konnte.

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