[DE] Usedom halb - eine Minitour

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  • Paddolf
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    [DE] Usedom halb - eine Minitour

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    Der Kajakbug schimmert durchs Wasser, das Heck hat sich leicht gehoben, ich habe die Welle erwischt und kann mitsurfen ... Ein befreiendes Gefühl. Nach zwei durchgewirtschafteten Wochenenden, endlich aufs Wasser, auf die Weite des Achterwassers. Nur eine Kurztour, nur zwei Tage, aber jetzt Sonne auf den Wellen, Rückenwind, Surfen.
    Und, es ist ein anderes Gefühl von Freiheit, wenn der Blick nicht schon nach kurzer Distanz eingegrenzt wird.

    Start und Ziel in Zempin. Wo ist das? ... Hier liegt die Wespentaille der Insel Usedom. Und um im Bilde zu bleiben - von hier aus geht es um die üppige Oberweite der Dame Usedom und um deren Kopf mit dem ausladenden Hut am Peenemünder Haken, danach wieder den geschwungenen Rücken herab zur Taille. Vielleicht gibt es noch einen Abstecher zur Hutfeder, der Insel Ruden.



    Abfahrt aus der Heimat am Dienstag direkt im Anschluss an die Arbeit, Ankunft in Zempin am späten Abend
    nach einer Nacht im Auto, Start am Mittwochmorgen am Forsthaus Damerow (hier kann man das Auto kostenfrei abstellen), angrenzend an das Forsthausgelände eine kleine Bucht, das Rieck.

    Ausfahrt vom Rieck auf das Achterwasser


    auf dem Achterwasser, Fahrt mit Rückenwind


    Vorbeifahrt an der Halbinsel Lütow (1)


    Vorbeifahrt an der Halbinsel Lütow (2)


    auf der Krumminer Wieck, im Hintergrund Krane der Peenewerft Wolgast


    Rast im Hafen Ziemitz

    Für Wasserwanderer: In Ziemitz gibt es Platz für einige wenige Zelte und ein Sanitärgebäude. Dort hängt auch die Telefonnummer des Hafenmeisters.

    Usedombrücke Wolgast

    Gleich hinter der Brücke links der Steg des KC-Wolgast, ich habe aber am Mittwochnachmittag dort niemanden zu Gesicht bekommen.

    auf dem Peenestrom kurz vor Karlshagen


    nach Ankunft in Freest

    Rückenwind mit strammen 5Bft, da bekommt man es ein wenig mit der Angst zu tun, wenn man auf den Strand zurauscht ... Aber durch die kurze Windwirkstrecke (knapp 2km) können sich keine großen Wellen bilden.
    Erste Nachfrage nach einem Platz für's Zelt beim Hafenmeister des Fischereihafens – Antwort: "Immer die mit'n Kajak... Ne, hier is Naturschutzgebiet." Und dann trittst Du aus dem Gebäude auf den Betonpflasterweg, eingefasst vom frisch gemähten Rasen ...
    Also Bootswagen zusammengebaut, Kajak auf den Wagen und ab zum Zeltplatz, vorbei an einem Schild: "EU-Fischereipolitik und Forschung führen zum Tod der Fischer" – alles klar ...
    (Achtung: Ich gehe davon aus, dass fast alle Freester Fischer hochvernünftige Leute sind, aber wie überall gibt es auch seltsame Typen.)


    Am Donnerstag sagt Windfinder einen Start bei 9Knoten Wind voraus, gegen Mittag 11Knoten, später 10Knoten. Eigentlich habe ich mich schon entschieden, wenn ich schon einmal hier bin, soll es wenn möglich auch um den Ruden herum gehen.

    Start am Donnerstagmorgen in Freest


    ausgangs der Spandowhagener Wieck, Ruden voraus


    am Ruden


    Peenemünder Haken mit Schiffswracks

    Eines der besseren Fotos vom Wasser aus.
    Es schaukelt durchaus, der Wind treibt die Halteschlaufe des Fotoapparats ins Bild. Der Peenemünder Haken mit den Wracks soll aus Naturschutzgründen weiträumig umfahren werden, zudem steht in diesem Flachbereich (leider hier nicht sichtbar) eine Brandung an.

    Pause am Strand vor Karlshagen

    Links außerhalb des Bildes eine Zone mit schwächerer Brandung, die ich zum Anlanden und Ablegen benutzt habe.

    Entgegen der Vorhersage schwächt sich der Wind nicht ab, sondern frischt auf ca. 13Knoten auf. Gelegentlich brechen bereits einige Wellen vor der Brandungszone.
    Da ich parallel zu den Wellen fahren muss, wendet sich mein Blick mit wenigen Ausnahmen zum Meer, ich versuche die Wellen daraufhin abzuschätzen, ob sie brechen werden. Falls möglich versuche ich durch kurzes Beschleunigen dem potentiellen Brecher zu entkommen, sollte das nicht gelingen, muss ich gegebenenfalls mit dem Paddel stützen.
    Wenn die Welle in dem Moment bricht, in dem Du Dich auf dem Wellenscheitel befindest, dann musst Du ins Wellental stützen. Das ist schon recht ... seltsam.

    Der Strand von Zempin rückt näher. Jetzt wird's spannend.
    Steuer hoch, noch einmal durchatmen. Die Profis beobachten jetzt den Seegang und warten auf eine Serie niedrigerer Wellen. Leider sehe ich keine Unterschiede. Also irgendwie durch. Mit aller Kraft noch einmal richtig ans Paddel hängen, ich will möglichst vor den Brechern herfahren. Die Wellen sind schneller. Hinter mir rauscht es beängstigend, das Heck wird angehoben, ich komme kurz ins Surfen, der Bug verschwindet unter Wasser ... BITTE MEHR BUGVOLUMEN! Meine Bitte wird nicht erhört, der Bug bohrt sich unerbittlich in die Tiefe, das Heck wird weiter angehoben und ich kippe irgendwie schräg vornüber ins Wasser.
    Ich bin so perplex, dass ich gar nicht versuche zu rollen. Spritzdecke lösen, Ausstieg, vielleicht noch 30m zum Strand, das geht auch schwimmend. Womit ich nicht gerechnet habe, mit welcher Kraft der nächste Brecher das Boot von mir wegreißt, das hältst Du einfach nicht. Das Paddel treibt in Reichweite, ich kann mich mit der Paddelleine wieder heranziehen. 3-5 Brecher später bin ich in Stehtiefe. Abwechselnd treiben mich die Wellen auf den Strand zu und wieder weg. Meine aktive Bewegung Richtung Ufer führt letztlich zum Erfolg. Das Boot wird mit den auslaufenden Brechern am Spülsaum noch einige male hin und hergeworfen und entwindet sich meinem Griff. Irgendwann liegt es dann aber friedlich auf dem Strand.
    Verluste? Die nicht angebundenen Latschen schwimmen noch im Cockpit, aber die unter den Haltegummis befestigte Karte erfreut jetzt die Fische.

    Angekommen (Strand bei Zempin gegenüber vom Rieck)


    Treideln im übergekommenen Wasser


    auf dem Weg zum Auto (Man beachte, der Steg ist genau für die Breite des Bootwagens ausgelegt.)


    Rückfahrt im heftigen Regen, die Rotorblätter der Windräder verschwinden in der fetten grauen Wolkenschicht.



    Fazit
    * Der erste Tag und die Fahrt zum Ruden waren "schön".
    * Die weitere Strecke war ... "lehrreich". Ich bin noch nie unter solchen für mich herausfordernden Bedingungen gefahren.
    * Die Windprognose ist ein gutes Hilfsmittel für die Fahrtplanung, aber es bleibt eine Prognose, stärkerer Wind als vorhergesagt lässt sich nicht verbieten.
    * Das angeblich wasserdichte Handy war dem Spülgang in der Brandung nicht gewachsen und ist verstorben. Der Nachfolger muss in eine Hülle.
    * Brecher haben das Potential, Boot und Fahrer schnell zu trennen. Festhalten mit der Hand funktioniert nur eingeschränkt. Ich werde mir eine Lifeline zulegen.

    Viele Grüße, Jürgen
    Zuletzt geändert von Paddolf; 06.07.2017, 22:38.

  • Spartaner
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    • 24.01.2011
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    #2
    AW: [DE] Usedom halb - eine Minitour

    Schöner Bericht, besonders das Finish!

    Vor allem wurde mal nicht ewig lamentiert, wie gefährlich das alles ist, sondern einfach mal gefahren (ok, ne Alternative hattest du ja am Ende auch nicht).

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    • Torres
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      #3
      AW: [DE] Usedom halb - eine Minitour

      Cooler Bericht. Und seit dem letzten Wochenende weiß ich genau, wie sich das anfühlt, sowohl die Wellen als auch das Kentern. Danke für die Beschreibung. Das erinnert mich daran, stützen zu üben, da bin ich immer noch nicht gut drin. Das mit der Rolle ging mir auch so, hast Du gut beschrieben, ich bin auch ausgestiegen, weil alles so schnell ging, und ich so überrascht war, da war das Wasser aber noch recht ruhig. Dass man das Boot kaum halten kann, ist ein hilfreicher Hinweis, eigentlich auch klar, aber gut noch mal zu hören. Wir hatten ähnliche Windverhältnisse, ob ich sowas mag, weiß ich noch nicht, das geliehene Seekajak passte nicht richtig. Aber andere versichern glaubhaft, dass das die Bedingungen sind, die den Seekajakfahrer erfreuen...

      Welches Prijon fährst Du?
      Oha.
      (Norddeutsche Panikattacke)

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      • Eckido
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        #4
        AW: [DE] Usedom halb - eine Minitour

        Klasse Bericht und Bilder.
        Bei dem Wind allein? Das traue ich mich nicht. Noch nicht.
        Und das Ende war doch spannend. Alles gut gegangen.
        Mit meinem neuen Boot, Triton Vektor, dem Zwilling vom nortik Argo, muss ich noch viel üben.
        Ein Bericht vom Vektor folgt bald.
        Zuletzt geändert von Eckido; 07.07.2017, 08:58.
        Immer eine Handbreit Wasser unterm Kiel!

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        • geige284
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          #5
          AW: [DE] Usedom halb - eine Minitour

          Schöner kurzweiliger und zum Ende richtig spannender Bericht aus meiner Heimat!

          Ich bin damals mit 15 oder so, als ich noch im KSV Wolgast aktiv war, einmal die Achterwasser-Ostsee-Fahrt mitgefahren. Los ging es in Ahlbeck, auf der Ostsee bis Zempin, dort übernachten und übersetzen und weiter übers Achterwasser und Peenestrom nach Wolgast.

          Wir hatten glücklicherweise an beiden Tagen sehr entspannte Bedingungen. Andernfalls hätte ich mir das auf der Ostsee auch nicht zugetraut. Sehr eindrücklich, was du beschreibst!

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          • Paddolf
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            #6
            AW: [DE] Usedom halb - eine Minitour

            Noch eine kurze Bemerkung zur Sicherheit:

            Der Wind kam durchgängig aus Nordost, bei ablandigem Wind hätte ich den Ruden nicht umschifft.
            Bei echten Problemen wäre ich mit Rückenwindunterstützung ans Ufer gefahren. In einem solchen Falle hätten die Bewohner des Naturschutzgebietes sicher Verständnis für meine Notsituation aufgebracht.

            Außerhalb der Brandungszone bestand ein wenig Kentergefahr. Ich bin mir aber sicher, ich wäre im Fall der Fälle wieder ins Boot gekommen, direkt per Rolle oder mit Paddelfloatunterstützung.

            Die größte Gefahr habe ich erst kurz vor der Kenterung bemerkt. Der Zempiner Strand ist durch Buhnen gesichert. Wenn man da beim Abflug mit dem Boot draufprallt, kann es böse enden. Aber ich war in ausreichender Entfernung von den Buhnen, so dass ich nichts unternehmen musste.

            Viele Grüße, Jürgen

            (@ Torres:
            Das Boot ist ein Prijon Seayak HV, dabei habe ich die Laderäume durch Versetzen der Abschottungen um insgesamt ca. 40Liter vergrößert. Zudem ist eine Fußlenzpumpe eingebaut, die Idee dazu beruht auf einem Vorschlag von Beyond.)
            Zuletzt geändert von Paddolf; 12.07.2017, 13:08.

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            • Eckido
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              #7
              AW: [DE] Usedom halb - eine Minitour

              Jetzt weiß ich auch wie du dich gefühlt haben muss.
              Bin Samstag als Anfänger mit meinem Kajaklehrer vorm Darß üben gewesen.
              4 + Windstärke, Schaumkronen, brechende Wellen. 2 Stunden hartes Paddeln, wenden, Surfen, 3 mal gekentert. Wiedereinstieg bei den hohen Wellen. Spaß und Angst, Respekt vorm Meer verstärkt.
              Bei solchem Wind driftet man fix davon und muss dann alles wieder zurück.
              Ich war gut durch.
              Immer eine Handbreit Wasser unterm Kiel!

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