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Reisezeit: 29.04.2017 – 01.05.2017
Eine Dreitagestour verdient vielleicht nicht unbedingt einen Reisebericht. Über den Ith-Hils-Weg könnte aber mal einer geschrieben werden. Hier ist er.
Mit seinen offiziellen 81km und ca. 2000hm war der Ith-Hils-Weg für mich bisher schwierig planbar. An einem normalen Wochenende nicht zu schaffen. Für zwei Wochenenden mit doppelter Anreise und ungünstiger, zeitraubender Öffi-Anbindung völlig indiskutabel. Die langen Wochenenden alle fest in Familienhand. Doch wer will, der findet Wege, und so brachte mir die Traumkombination „1. Mai und Montag“ in diesem Jahr ein verlängertes Solo-Wanderwochenende ein.
Der Ith-Hils-Weg trägt das Qualitätswanderweg-Siegel des Deutschen Wanderverbandes. Das stimmt mich grundsätzlich schon mal misstrauisch. So wird der gpx-Track im Vorfeld einmal mit gpsies und Locus Pro überarbeitet und meinen Wünschen angepasst. Am Ende wirft Locus für meine Variante 84km bei 2500hm aus.
Tag 1 – Salzhemmendorf -> JDAV Zeltplatz – 29km – 900hm
Wenn man Beschreibungen des Ith-Hils-Wegs an anderen Stellen liest, dann formt sich für den Start vor dem geistigen Auge das Bild eines Aufstiegs durch sonnendurchfluteten Wald auf schmalen Pfaden zu der imposanten Felsformation „Adam und Eva“. In der Realität beginnt der Samstagmorgen für mich mit 3,5km Feldweg, während sich über dem Ith-Ausläufer vor mir die Regenwolken zusammenziehen.
Jedoch ist diese Diskrepanz zwischen Wunsch und Wirklichkeit in diesem Fall nicht etwa geschicktem Marketing, sondern meiner Etappenplanung geschuldet. Anstatt in Coppenbrügge zu starten, parke ich mein Auto an der Therme in Salzhemmendorf. Von hier aus sind es bis zu meinem geplanten Etappenziel, dem Jugendzeltplatz des JDAV, 29km. Praktischer Nebeneffekt ist, dass ich an der Therme quasi schon auf dem Weg bin, Zubringer entfallen also.
Doch zurück auf den Feldweg. Ideal, um das System auf Betriebstemperatur zu bringen und die üblichen Rucksack-Zuppeleien zu erledigen, bis alles perfekt sitzt. Die Sonne bricht regelmäßig durch die Wolken, es geht ein leichter Wind.
Der nördliche Teil des Ith erinnert auf der Karte an einen nach Osten blickenden Pferdekopf. Ist das nicht wunderbar niedersächsisch? Auf Höhe des Mauls erreiche ich den Wald und laufe über Nüstern und Stirn hoch zum Scheitel. Die offizielle Wegführung vereint sich bald mit dem E11. Ich nehme jedoch einen kurzen Umweg, und dafür gibt es drei einfache Gründe: steiler Trampelpfad, Teufelsküche und Fahnenstein.
Was ab hier oben beginnt, soll sich den kompletten Tag fortsetzen. Die Wolken verziehen sich. Enge Waldpfade, teilweise gerade hüftbreit, oft steinig und wurzlig. Felsblöcke unterschiedlicher Form und Größe. Ein Meer aus Bärlauch, dessen würziger Duft die Luft erfüllt. Wunderschön.
So schön, dass ich, vom Fahnenstein kommend, fast an einer der Hauptattraktionen der ersten Etappe vorbei laufe. Vor mich hin träumend bemerke ich meinen Fehler nur, weil ich mich an einer recht auffälligen Wegkreuzung nochmals umdrehe und einen Blick auf den Wegweiser werfe. Um zu "Adam und Eva" zu gelangen, muss ich nämlich wenige Meter absteigen.
Auf dem Steig treffe ich diesen schwer einzuschätzenden Gesellen.
Ihm geht es mit mir wohl genauso. Ich mache ein paar Fotos aus der Ferne und rechne jeden Moment damit, dass das Tier die Flucht ergreift, aber denkste! Der Bock kommt fast bis auf Armlänge heran und wirkt recht neugierig.
Als ich weiter gehe, folgt er mir noch ein Stück, allerdings mit gebührendem Sicherheitsabstand. Ich nenne ihn Franz.
Der Anteil an Forstwegen beschränkt sich auf ein Minimum, nur ein einziges Mal muss im Tagesverlauf eine Landstraße überquert werden. Auf dem Teilstück hinter der Lauensteiner Platte darf man zwischendurch ruhig mal von „Bergwandern“ sprechen. So kenne ich das Weserbergland nicht.
Um diese Jahreszeit wird das Grün der Bäume schon dichter, aber es öffnen sich immer wieder auch Blicke ins Tal. Den Großteil des Tages könnte ich mich auf diesem reizvollen Fleckchen Erde ganz alleine wähnen. Doch das täuscht. Mir kommen insgesamt wohl um die 50 Tageswanderer entgegen. Diese sind (bis auf zwei Ausnahmen) alle eher in ihrem letzten Lebensdrittel angekommen und ziehen in drei großen Gruppen mit entsprechender Geräuschkulisse über den Kamm.
Als ich am späten Nachmittag an meinem Ziel ankomme, bin ich in zweifacher Hinsicht erschlagen, sowohl von den Eindrücken, als auch von der Etappe an sich. Ich bin völlig aus der Übung. Trotz des bevorstehenden langen Wochenendes ist der JDAV-Platz recht leer. Ich suche mir ein nettes Fleckchen für mein Zelt, richte mich ein und genieße die Abendsonne, die in meine Küche fällt.
Mit der Zeit füllt sich auch der Zeltplatz weiter. Familien mit kleinen Kindern und Jugendgruppen bevölkern die Wiese. Aus Kleinbussen und Anhängern werden halbe Hausstände über den Platz getragen. Die Kinder spielen fangen, eines klettert im Baum umher. Ich finde es wunderbar. Mit einer älteren Dame, die wohl so etwas wie die Platzwartin ist, quatsche ich ein bisschen. Fernwanderer hat es auf dem Platz wohl nicht so oft.
Als es dunkel wird verkrieche ich mich in mein Zelt. Man hört noch gedämpfte Gespräche am Lagerfeuer. Kein Gelärme, kein Gegröhle, sehr angenehm. In der Nacht werde ich einmal kurz wach, weil ich den Wärmekragen meines Schlafsacks schließen muss. Ist wohl doch recht kühl...
Tag 2 – JDAV Zeltplatz-> Reuberghütte – 33km – 1000hm
Ich schlage die Augen auf und sehe Wasser auf dem Innenzelt. Ok, SO kühl war es dann nachts also. Ich krieche aus dem Schlafsack in die Isojacke und verlasse das Zelt. Die Reifschicht auf Wiese und Fußende des Zeltes bestätigen meine Vermutung. Das wird wohl nichts mit einem frühen Start. Ich hänge das nasse Außenzelt und meinen stellenweise oberflächlich leicht feuchten Cumulus in den nächsten Baum und die aufgehende Sonne.
Mein Brenner versucht aus der fast leeren Gaskartusche raus zu holen, was geht, aber um den Kaffee zum kochen zu bringen, will es nicht mehr reichen. Nach 20 Minuten, in denen vor immer mehr Zelten langsam der Tag beginnt, gebe ich genervt auf und wechsel die Kartusche. Kleine Ursache, große Wirkung. Die Lust auf Porridge ist mir allerdings vergangen. Ich beginne, meine Sachen zusammen zu packen. Auf dem Parkplatz fährt ein dunkelroter Transporter vor und hupt. Noch während ich denke „Was hat der arme Typ denn auf einem Sonntagmorgen für ein Problem?“, schallt es mehrstimmig aus Kinderkehlen: „Der Bäcker ist da!“ Ach, guck. Wie nett. Muss ich hier echt weg? Ich nutze die Gelegenheit und besorge mir Wegzehrung für später. Dann aber, Platzwart suchen, €4,00 für die Nacht bezahlen, Wasser fassen, kurz mit einer Familie plauschen, die ehrlich überrascht zu sein scheint, dass man im Ith nicht nur klettern, sondern auch wandern kann, und dann bin ich schon wieder auf dem Weg. Es ist mittlerweile 09:00 Uhr.
Die Macher hinter der offiziellen Wegführung wollen mir zeigen, wie schön der Ortsteil Holzen-Ith samt Waldrand und Segelflugplatz ist. Ich will das ehrlich gesagt dank der zu diesem Zweck verwendeten asphaltierten Straßen gar nicht wissen und biege lieber wieder in den Wald ab.
Die Bärenhöhle hat heute wohl leider geschlossen.
Ich kraxele ein wenig im Bereich Rothesteinwand herum und bleibe auf Waldpfaden oberhalb der Kletterfelsen, bis mich die Vogelbrutschutzgebiete zurück auf den Hauptweg zwingen.
Ich komme nun vom Ith in den Hils und damit in einen Bereich, in dem sich die Forstwege, Rückegassen und Schotterpisten nicht mehr umgehen lassen.
Oben am Wilhelm-Raabe-Turm, auf 468m, genieße ich die Sonne und die Backwaren.
Mein treuer Begleiter
Dann geht es weiter hinauf, auf den höchsten Punkt des Ith-Hils-Weges, die mächtige Bloße Zelle mit
ihren knapp 480m.
Hier haust ein Untier. Also lieber schnell weiter. Kurz darauf treffe ich zwei WandererIn. Er sprich mich an. Mein Rucksack sähe ja nach mehr aus, ob ich den Ith-Hils-Weg liefe, wie ich mit der Beschilderung zufrieden sei (in Parkplatznähe würden ja ab und an Schilder entwendet), wo ich gestartet wäre und wie viele Tage ich eingeplant hätte. Sie klärt mich zwischendurch auf, dass Er Wanderführer ist. Nach dem Interview drückt er mir das offizielle Faltblatt mit Übersichtskarte in die Hand und wünscht weiter viel Erfolg.
Etwas später an einer Kreuzung trennt sich der E11 nach gemeinsamen gut 30km wieder vom Ith-Hils-Weg. Später am Tag werde ich ihn aber noch einmal queren.
Tag 2 bietet deutlich mehr Zivilisationskontakt. Auf wechselnden Untergründen erreiche ich zunächst Grünenplan, dann Kaierde. Der Ort empfängt mich mit Glockengeläut. Offenbar geht hier gerade eine Kommunionsfeier zu Ende. Als ich an der Kirche vorbei komme, rollen sich ein paar Kinder in bester Sonntagskleidung den Kirchhügel herunter. Die Eltern freut dies Schauspiel nur bedingt.
Etwas weiter, kurz vor Delligsen, bietet die Braunschweiger Hütte puren Luxus. Hauseigene Quelle, Feuerstelle, reichlich Sitzgelegenheiten, pädagogisches Programm, Vollausstattung inkl. Kamin. Im Wald soll es wohl auch ein „WC“ geben.
Es ist noch zu früh, um den Tag hier zu beenden, aber ich nutze die perfekte Infrastruktur für eine längere Pause.
Ausgeruht geht es weiter.
Die Wege vor und hinter Delligsen werden nicht gerade fußfreundlicher. Am Reuberg verlasse ich nochmal den offiziellen Weg und suche den Aufstieg auf einem Trampelpfad. Dieser verliert sich jedoch auf halber Höhe. Weglos versuche ich, den Gipfel zu erreichen und treffe auf...
Franz? Eher nicht. Dieses Tier flüchtet sofort. Liegt vielleicht auch an meinem leuchtend blauen Shirt. Ich muss zurück auf die Forstwege.
An der Reuberghütte hat mich der Ith-Hils-Weg wieder und ich für heute den Kaffee auf. Auch diese Schutzhütte überrascht mit unerwartetem Luxus. Es liegt ein Zettel mit Kontakttelefonnummern aus. Unter der zweiten meldet sich Frau Lange. Ich könne gerne die Hütte für die Nacht nutzen, anmelden müssten sich ja sonst auch nur Gruppen. Ob denn alles in Ordnung sei, es wäre ja noch nicht frühjahrsfein gemacht worden. Auch mit dem Holz müsste ich mal gucken, ob ich etwas fände. Woher ich denn käme, wohin ich denn noch wollte, ob es denn nachts nicht zu kalt wäre draußen. Sie wünscht weiter viel Spaß.
Ich richte auf einer Bank mein Lager relativ absturzsicher her und setze mich dann mit Tee vor die Hütte. Ganz ehrlich? Auf einer Tour im deutschen Forst den zweiten Abend nacheinander nicht „unter dem Radar“ bleiben zu müssen, entspannt auch.
Mit dem Dunkelwerden krieche ich wieder in den Cumulus. In einer Ecke beginnt es zu rascheln. Ein paar geworfene Kieselsteine klären die Besitzverhältnisse für heute Nacht. Durch die Dunkelheit gellen mehrstimmige, variantenreiche Schuhu-Laute. Noch ein kurzes Rascheln aus der Ecke.
Tag 3 – Reuberghütte -> Salzhemmendorf – 22km –600hm
Heute früh geht alles recht fix, um 7:40 Uhr bin ich unterwegs in Richtung Lippoldshöhle. Hier gibt es dunkle Kammern, enge Gänge und Schlupflöcher, teilweise über angebrachte Leitern zu erreichen.
Früher müssen wohl noch weitere Teile der Höhle für Besucher erschlossen gewesen sein, an einer Stelle sieht es aus, als wäre eine Leiter gekürzt worden. Da ich alleine unterwegs bin spare ich mir allzu riskante Kletter- und Kriecheinlagen. Unterhaltsam ist es aber auch so.
Für die Wasseramsel war ich leider zu langsam.
Über den Kamm des Babenberg geht es in Richtung Marienhagen.
Leinebergland
Hütten bauen hat man hier echt lang drauf...
... gleiches gilt leider auch für Waldautobahnen.
Schon vor Marienhagen setzt sich die breite Schotterpiste als bevorzugte Wegführung durch. Das dämpft die Stimmung. Daran kann auch die Blaskapelle nichts ändern, die weiter im Ort aufspielt, während ich am Rand vorbeiziehe. Mitten im Nirgendwo dann die Krönung: Aus der Schotterpiste wird asphaltierter Zufahrtsweg, offenbar für einen Sendemast. Unter beiden Fersen haben sich dank nicht ganz optimaler Schuhwahl Druckblasen gebildet. Compeed-Pflaster wollen nicht halten. Ich koche innerlich und bin mittlerweile der Ansicht, dass jeder, der nur halbwegs bei Verstand ist, sich spätestens in Marienhagen ein Taxi rufen und den Ith-Hils-Weg abbrechen sollte.
Als ich am Lönsturm ankomme, sind dort Nordic-WalkerInnen, mindestens ein halbes Dutzend. Die brauche ich grad gar nicht, Aussicht kann mich auch nicht locken. Nach ein paar Fotos mache ich mich an den Abstieg nach Salzhemmendorf. Der Turm bleibt unbestiegen.
Der letzte Teil meines Weges bemüht sich dann sichtlich um einen versöhnlichen Abschluss. Durchaus mit Erfolg, denn es gibt noch mal Felsen und Pfade, bevor ich über Felder und Wiesen meinen Ausgangspunkt wieder erreiche.
Seilversicherte Stelle oder hat jemand die Bäume festgebunden?
Edith findet viele Tippfehler... aber bestimmt noch nicht alle!
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