[DE] Das Grüne Band in Raten

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  • Shalea
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    • 17.06.2013
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    [DE] Das Grüne Band in Raten

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    Das Grüne Band – der Anfang

    Am Ende der ersten knapp 80km stelle ich mir im Großen und Ganzen eine Frage: Was zur Hölle hat mich geritten, 1393km auf Beton laufen zu wollen? Diese Lochplatten sind wirklich kriminell! Mein linker Fuß ist vom ständigen in die Löcher rutschen lädiert, mein rechtes Knie meldet Protest an und meine Schuhe sehen aus, als hätte ich versucht, sie durch den Reißwolf zu drehen, es mir aber doch noch mal anders überlegt.
    Dennoch bin ich entschlossen, die Wanderung am Grünen Band fortzusetzen, weil diese Wanderung besonders ist, weil diese Wanderung anders ist, weil ich gegen das Vergessen bin.

    Tag 1
    Wie vor jeder Tour habe ich auch diese Nacht quasi nicht geschlafen. Ich bin die ganze Nacht hektisch durch die Bude gerannt und hab alle möglichen Teile zusammengesucht. Um 3:00 Uhr habe ich mich endlich hingehauen und etwa eine halbe Stunde später hörte das Rattern in meinem Kopf dann auch auf. Um 4:30 Uhr erinnerte mich der Wecker an mein Vorhaben. 6H Zugfahrt – grässlich! Warum habe ich mir eigentlich kein anderes Ziel ausgesucht? Egal. Jetzt ist es so.
    Um 6:00 Uhr muss ich an der U-Bahn-Haltestelle stehen, also erledige ich noch rasch die letzten Sachen bevor es los geht.
    Um kurz nach sechs am Feiertag am Münchner Hauptbahnhof einen Kaffee zu finden, stellt sich als schwieriger als gedacht heraus. Es ist sechs Uhr morgens und ich habe die Aussicht auf sechs quälend lange Stunden Zugfahrt. Ich brauche KAFFEE! Bis ich endlich einen habe, ist es bereits 10 Minuten vor Abfahrt und ich begebe mich zum Gleis. Ich halte nach jemandem Ausschau, der noch schnelll ein Foto von uns machen kann – ich morgens kurz nach sechs müde am Bahnsteig. Der Mann, der sich bereiterklärt, ein Foto zu machen, kämpft mit der Technik, immer wieder betätigt er die Video-Funktion oder dreht die Kamera um bis es ihm endlich gelingt, ein unscharfes Foto von uns zu machen. Das muss reichen, in 1 Minute fährt der Zug ab.
    Im Zug schleimt sich Bones schnell bei einem Mann ein, der ihn mehr oder weniger durchgehend die nächsten 5h streicheln sollte. Gewusst wie! Kurz vor Plauen wurde ich dann sehr nervös, der Zug hatte Verspätung und ich war mir nicht sicher, ob mein Anschluss-Bus warten würde. Bei der Einfahrt in den Bahnhof, spurtete ich also zum Busbahnhof, der zum Glück gut beschildert war. Der Busfahrer war noch mit dem Abkassieren beschäftigt, daher hatte ich Glück und habe den Bus noch pünktlich erwischt.

    Um 12:00 Uhr komme ich in Bad Elster an. Nach wenigen Metern an der Straße entlang, geht es schon ein schönes Waldstück entlang. Nett ist es hier, aber mit dem Kolonnenweg hat das noch nichts zu tun.
    Bones darf auf diesem schönen Gelände mit der Schleppleine laufen bis die Wilddichte zu groß wird und ich ihn sicherheitshalber doch lieber anknaste. Kurz vor der tschechischen Grenze verliert sich der Weg. Ich stehe vor einem Zaun. Weil ich absolut keine Lust habe, zurückzulaufen, suche ich mir eine Stelle, wo ich durch komme. Der Weg, den ich schnell wieder gefunden habe, stellt sich nach kurzer Zeit als falsch heraus, also gehe ich zurück und muss irgendwie über den Bach drüber. Mit dem schweren Trekkingrucksack über einen Baumstamm? Tja, es bleibt mir wohl nichts anderes übrig. Beim ersten Betreten, bricht sofort ein morsches Stück herunter. Sehr vertrauenerweckend! Sicherheitshalber werfe ich die Kamera über den Bach, damit wenigstens die nicht nass wird, falls ich in den Bach falle. Etwas wacklig sieht es aus, aber schließlich komme ich unbeschadet über die reißenden Fluten (). Schön ist es hier. Ich beschließe, eine kurze Knips-Pause zu machen. Bones nutzt die Zeit, um über Bäche und umgefallene Bäume zu springen.
    Bald darauf treffen wir in Hranice ein, was auf deutsch „Grenze“ heißt. Hranice ist eine eigenwillige Kleinstadt mit rund 2000 Einwohnern. Was mir hier so stark wie sonst nirgendwo auffällt ist, dass Protz und Armut direkt nebeneinander liegen. Im Vordergrund ein hübsch hergerichteter Dorfplatz, direkt dahinter ein altes Gewerbegebäude, heruntergekommen, mit eingeschlagenen Scheiben, wie es viele in Hranice gibt. Kaum drehe ich mich um, staune ich nicht schlecht, der Platz vor der Kirche wurde aufwendig hergerichtet. Ich gehe weiter durch die Kleinstadt, doch das Bild, dass ein Haus verwahrlost und zerstört ist, während das andere daneben direkt erstrahlt, setzt sich fort. Es ist wirklich auffallend. Dazwischen offensichtlich glückliche Kinder mit Walkie Talkies und Elektrorollern, die mir strahlend „Dobrýy den!“ entgegen rufen.



    Hunde gibt es hier viele. Ich laufe Slalom zwischen am Zaun keifenden Schäferhunden und einer Deutschen Dogge, bei der ich bete, dass sie nicht weiß, wie groß sie ist und dass der Zaun leicht zu überwinden wäre.
    Als ich an einem Duty Free-Shop vorbei komme überlege ich kurz jemanden anzusprechen, ob er für 2 Minuten Bones hüten könnte, doch ich entscheide mich dagegen. Mein Bauchgefühl sagt „nein“, also höre ich darauf.
    Mir war schon vor der Tour nicht klar, warum die Routenführung laut Wanderführer durch Tschechien geht. Nach meinem kleinen Trip durch Tschechien bin ich auch nicht schlauer. Nach einem Grenzübertritt, der sich nicht wie einer anfühlt, bin ich wieder in Deutschland. Es geht über wenig schöne Wege über Ebmath nach Pabstleithen. Idyllisch wirkt es hier! Es geht auf einem schönen Wanderweg entlang zu einem Unterstand, an dem viele Zeitungsartikel hängen. Mit einem Schlag befinde ich mich wirklich auf dem Weg, den ich mir ausgesucht habe. Hier hängen alte Schilder, die hier früher vor Minen warnten und etliche Zeitungsartikel weisen auf die Ungerechtigkeit der DDR hin. In drei Umsiedelungswellen wurden insgesamt 52 Familien zwangsumgesiedelt und ihre Häuser niedergebrannt. Mehrere Ortsteile wurden dem Erdboden gleichgemacht.
    1952 begann die 1. Zwangsumsiedlung unter dem Arbeitstitel „Aktion Ungeziefer“, bei der zunächst aus politischer Sicht unzuverlässige Leute aus dem Grenzstreifen geschafft wurden. Alleine bei dem Namen wird deutlich welch menschenverachtende Grundhaltung die DDR hatte. 1961 fand mit der „Aktion Kornblume“ oder auch „Frische Luft“ die zweite „Säuberungsaktion“ statt. 1974 traf es alle verbliebenen Familien, die im 500m breiten Schutzstreifen wohnten. Die DDR wollte ein freies Sicht- und Schussfeld. Die Häuser mussten dafür weichen. Heute erinnern über mehrere Kilometer verstreut nur Fundamentreste an die ehemaligen Siedlungen.
    Nach wenigen hundert Metern stehe ich nun endgültig auf den Lochbetonplatten des Kolonnenwegs. Direkt daneben der KFZ-Sperrgraben. Während ich versuche zu begreifen, nutzt Bones den KFZ-Sperrgraben mit großer Begeisterung als Sprungschanze. Mir wird klar „dieser Weg wird kein leichter sein“.



    Die Lochbetonplatten sind zum Teil zugewachsen, was das Laufen erleichtert. An manchen Stellen jedoch sind die Platten offen, dann muss man aufpassen, nicht mit dem Fuß hineinzugeraten. Das sollte mir auf der Tour noch mehrfach passieren... Bones war da irgendwie begabter.
    Einige Kilometer hinter dem Dreiländereck begann ich so langsam, das Radar nach einem Schlafplatz anzuwerfen. Mir war wichtig, nicht im Naturschutzgebiet zu schlafen, möglichst ohne Wildtiere zu stören und natürlich so wenig sichtbar wie möglich, was mit einem knallorangen Zelt nicht unbedingt einfach ist. Es sollte ein paar Kilometer dauern, bis ich müde von der langen Zugfahrt und erschlagen von den vielen Eindrücken ein halbwegs geeignetes Plätzchen fand. In Ermangelung von Alternativen ließ ich mich im KFZ-Sperrgraben nieder. Bequem ist es dort nicht, aber zumindest windgeschützt....

    LG
    Shalea

  • Galadriel
    Dauerbesucher
    • 03.03.2015
    • 913
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    #2
    AW: [DE] Das Grüne Band in Raten

    ... echt interessant... bitte weiter...
    Wandern & Flanieren
    Neues entdecken durch Langsamkeit

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    • Rattus
      Lebt im Forum
      • 15.09.2011
      • 5177
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      • Meine Reisen

      #3
      AW: [DE] Das Grüne Band in Raten

      Ist Bones der Hund, der irgendwann ans Zelten gewöhnt werden sollte (hab ich so in Erinnerung)? Und wenn, hat er's gepackt?
      Das Leben ist schön. Von einfach war nie die Rede.

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      • Shalea
        Dauerbesucher
        • 17.06.2013
        • 840
        • Privat

        • Meine Reisen

        #4
        AW: [DE] Das Grüne Band in Raten

        Bones ist zweieinhalb Wochen nach seiner Ankunft direkt drei Wochen mit mir auf Trekkingtour gewesen. Ans Kanufahren muss er noch gewöhnt werden. :-) Also fast richtig.
        Das Zelt war vom ersten Augenblick an sein Zuhause, das gab gar keine Probleme. Als Schlittenhund vom Musher ist er aber auch den Aufenthalt in engen Boxen gewöhnt.
        LG
        Shalea

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        • Dogmann
          Fuchs
          • 27.09.2015
          • 1022
          • Privat

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          #5
          AW: [DE] Das Grüne Band in Raten

          Freut mich das es mit dem vierbeiner gut klappt.
          Dein Bericht fängt gut an , ist interessant, gerade weil ich hier im Harz direkt an der Grenze gewohnt habe.
          Dann habe ich mal den Versuch gestartet, einige Zeit nach der Wende , den Grenzweg oder Plattenweg , vom Brocken zu verfolgen!
          Allerdings bin ich damals irgendwo dann auf Wiederstand gestoßen, zugewachsen, Dornen, Weggerissen, war dann nur noch Teilweise sichtbar.
          Bin gespannt wie du durch kommen wirst. Heute ist bestimmt einiges gemacht.
          Aber irgendwie bin ich oft auf den ehem. Grenzverlauf gestoßen. Wie am Rennsteig .
          Richtig wohl fühle ich mich nur draußen !

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          • Wanderreiterin
            Erfahren
            • 10.01.2010
            • 343
            • Privat

            • Meine Reisen

            #6
            AW: [DE] Das Grüne Band in Raten

            Sehr schön - da kommen Erinnerungen hoch! Ich bin den Kolonnenweg von Witzenhausen ( in der Nähe) bis Helmstedt mit meinen 3 Hunden gelaufen Ich freue mich sehr auf die Fortsetzung, Dein Schreibstil gefällt mir gut
            Die meisten Menschen sind so glücklich, wie sie es sich selbst vorgenommen haben. Abraham Lincoln

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            • Wafer

              Lebt im Forum
              • 06.03.2011
              • 8664
              • Privat

              • Meine Reisen

              #7
              AW: [DE] Das Grüne Band in Raten

              Hallo Shelea.

              Das ist schon mal ein vielversprechender Anfang! Ich bin gespannt auf mehr! Auch deine Bilder gefallen mir. Auch wenn es nach meinem Geschmack ein paar mehr sein dürften. Das grüne Band steht bei mir auch noch auf dem Zettel. Nur leider zwischenzeitlich ziemlich weit unten. Vielleicht ändert das dein weiterer Bericht ja wieder?
              Mach bitte bald weiter!

              Gruß Wafer

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              • Shalea
                Dauerbesucher
                • 17.06.2013
                • 840
                • Privat

                • Meine Reisen

                #8
                AW: [DE] Das Grüne Band in Raten

                Huhu,

                es freut mich, dass der Bericht gefällt. Ich hatte ja erst schon überlegt, das mit dem Bericht (wie immer ) bleiben zu lassen, weil der Text doch sehr lang wurde und ich mich gefragt habe "Wer liest das denn?". Na offensichtlich doch ein paar.

                Zitat von Galadriel Beitrag anzeigen
                ... echt interessant... bitte weiter...
                Ich schreibe schon an der Fortsetzung. =)

                Zitat von Dogmann Beitrag anzeigen
                Allerdings bin ich damals irgendwo dann auf Wiederstand gestoßen, zugewachsen, Dornen, Weggerissen, war dann nur noch Teilweise sichtbar.
                Bin gespannt wie du durch kommen wirst. Heute ist bestimmt einiges gemacht.
                Aber irgendwie bin ich oft auf den ehem. Grenzverlauf gestoßen. Wie am Rennsteig .
                Ich bin letztes Jahr auf der Ostsee-Tour auch eher zufällig in Thüringen auf den Kolonnenweg gestoßen. Aber stimmt, man begegnet dem Kolonnenweg häufig. Er ist halt einfach auch sehr lang.
                Es scheint schon nach wie vor so zu sein, dass Teile des Kolonnenweges nicht begehbar sind. Ich lese zumindest immer wieder davon. In meinem ersten Abschnitt musste ich nur 1x anders laufen, weil dort, wo früher der Kolonnenweg war, heute eine Autobahn ist.

                Zitat von Wanderreiterin Beitrag anzeigen
                Sehr schön - da kommen Erinnerungen hoch! Ich bin den Kolonnenweg von Witzenhausen ( in der Nähe) bis Helmstedt mit meinen 3 Hunden gelaufen Ich freue mich sehr auf die Fortsetzung, Dein Schreibstil gefällt mir gut
                Das freut mich! =)

                Zitat von Wafer Beitrag anzeigen
                Auch deine Bilder gefallen mir. Auch wenn es nach meinem Geschmack ein paar mehr sein dürften. Das grüne Band steht bei mir auch noch auf dem Zettel. Nur leider zwischenzeitlich ziemlich weit unten. Vielleicht ändert das dein weiterer Bericht ja wieder?
                Mach bitte bald weiter!
                Das mache ich.
                Mal sehen, ob ich dieses hohe Ziel erreichen kann. Immerhin kenne ich ja die Konkurrenten des Grünen Bandes nicht. ;)

                Fortsetzung folgt! =)
                LG
                Shalea

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                • hungerast
                  Erfahren
                  • 25.09.2013
                  • 365
                  • Privat

                  • Meine Reisen

                  #9
                  AW: [DE] Das Grüne Band in Raten

                  Ich bin noch auf der Suche nach einer lohnenswerten Unternehmung für die Sommer-Solo-Tour im nächsten Jahr - das Grüne Band hatte ich auch schon im Visier. Die Sache mit den Lochplatten habe ich im Harz auch bereits am eigenen Leib erfahren müssen - besonders bergab ist das eine Quälerei. Bin gespannt, wie es weitergeht, könnte sich für mich als Entscheidungshilfe herausstellen .... Danke fürs Berichten!
                  Take a load of your feet Pete
                  You better watch out what you eat
                  Better take care of your life
                  'Cause nobody else will

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                  • Juno234
                    Erfahren
                    • 03.08.2007
                    • 397

                    • Meine Reisen

                    #10
                    AW: [DE] Das Grüne Band in Raten

                    Ich freue mich auch auf die Fortsetzung

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                    • Studilja
                      Gerne im Forum
                      • 05.08.2016
                      • 70
                      • Privat

                      • Meine Reisen

                      #11
                      AW: [DE] Das Grüne Band in Raten

                      Ich freue mich auch auf die Fortsetzung. Wir sind mal quer durch den Harz auf dem grünen Band geändert. Diese Betonplatten sind echt ne Qual!

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                      • Tie_Fish
                        Alter Hase
                        • 03.01.2008
                        • 3550
                        • Privat

                        • Meine Reisen

                        #12
                        AW: [DE] Das Grüne Band in Raten

                        Schreib schreib schreib! Liest sich gut.
                        Grüße, Tie »

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                        • Shalea
                          Dauerbesucher
                          • 17.06.2013
                          • 840
                          • Privat

                          • Meine Reisen

                          #13
                          AW: [DE] Das Grüne Band in Raten

                          Tag 2

                          Nach einer unbequemen Nacht und nur wenig Schlaf stehe ich morgens früh auf und stelle fest, dass eine der beiden mitgeführten Powerbanks (10 000mAh, also eigentlich ausreichend) defekt ist. Mein Wischding wurde in der Nacht nur zu 60% geladen. Tolle Aussicht, denn die zweite aus Übervorsicht mitgeführte Powerbank hat nur 4000mAh und damit soll ich mit dem Schmierding als Navi drei Tage schaffen? Prima! Läuft!

                          Genervt packe zusammen und gehe weiter. Ich frühstücke immer gerne erst, wenn ich schon ein paar Kilometer gemacht habe. Damit bin ich in den letzten Jahren besser zurecht gekommen, als direkt noch an Ort und Stelle etwas zu essen. Ich finde, das hält unglaublich lange auf und es ist dann einfach schon relativ spät bis man los kommt. Ich bin gerne zwischen halb acht und acht schon wieder auf den Socken.

                          Zunächst sieht es so aus als hätten wir tolles Wetter, aber das täuscht. Schon bald wird es wechselhaft und windig.

                          Kurz nach meinem Aufbruch fallen mir rechterhand wieder Fundamentrest auf. Kurz darauf weist links ein Schild auf die ehemalige Siedlung „Hasenreuth“ hin. Zur Herstellung der Grenzsicherheit wurden hier 1952 alle Bewohner zwangsumgesiedelt und die Gebäude abgerissen.

                          Nach etwa 5 Kilometern entdecke ich ein nettes Frühstücksplätzchen – sogar mit Bank. Der Hound schlottert, also bekommt er den Mantel an. „Schlittenhund!“, denke ich mal wieder.

                          Durch mein Rumgezapple im Graben hat auch der Hound nicht viel Schlaf abbekommen und so legt er sich im warmen Mantel schließlich hin und döst noch ein wenig, während ich einen Kampf mit dem Wind ausfechte und etwas länger brauche, um den Gaskocher anzuzünden. Als der Kocher endlich brennt, fällt mir zu allem Überfluss das Feuerzeug in den Kocher. „Oh shit!“ denke ich im ersten Moment, im zweiten drehe ich das Gas aus und wünsche mir, dass das das nächste Mal anders läuft – erst Gas ausdrehen, dann innerlich fluchen erscheint mir irgendwie klüger. Nachdem ich mich von meinem Schreck erholt habe, stelle ich mich erneut dem Kampf gegen den Wind und gewinne. Niemand stellt sich zwischen mich und meinen Kaffee!

                          Nach zwei Tassen Kaffee und zwei Broten geht es weiter. So langsam geht der Wasservorrat zur Neige. Die meisten Dörfer sind allerdings relativ weit weg vom Grenzweg, also beschließe ich, weiterzulaufen bis ich ein Dorf sehe, das nicht zu weit weg vom Weg ist. Nach einigen Kilometern sehe ich unweit des Grenzwegs das Dorf Ullitz und beschließe, dort mein Glück zu versuchen. Am Haus direkt am Ortseingang hängt ein großes Warnschild vor einem Hund, da muss ich mit Hund nicht mein Glück versuchen..., also gehe ich weiter in das Dorf hinein. Beim nächsten Haus finde ich keine Haustür?! Also klingle ich an der nächsten Türe. Leider öffnet niemand. Ich versuche also nochmal die Haustür des anderen Hauses zu finden. Aussichtslos. Sehr seltsam. Also gehe ich noch weiter, wo mir eine ältere Dame die Tür öffnet. Sie füllt unsere Wasserflaschen und -beutel auf und Bones staubt zwei Kaustangen ab. Nach einem kurzen Gespräch mit der Frau gehe ich zurück auf den Grenzweg. Während ich einen Tierschädel anschaue, findet Bones Fellreste, die er begeistert zerpflückt. Igitt!

                          Es ist kalt und ungemütlich und die Regenwolken hängen uns im Nacken. Etwa eineinhalb Kilometer vor einer Autobahnbrücke beginnt es zu regnen. Ich lande in einem kleinen Zauberwäldchen, große Steine mit Moos überzogen mit vielen Birken und einem Hochsitz auf einem großen Stein. Obwohl es ungemütlich ist und regnet, muss ich an einem kleinen Zauberwäldchen kurz einen Halt einlegen und ein paar Fotos knipsen... sooo zauberhauft!



                          Da offensichtlich ist, dass der Kolonnenweg kurz vor Heinersgrün zwar weitergeht, jedoch durch die Autobahn durchtrennt ist, muss ich kurz vom Kolonnenweg abgehen. Unter der Autobahnbrücke machen wir erstmal Pause und warten darauf, dass es etwas besser wird. Ich hoffe auf etwas Windschutz, doch der Wind pfeift nur so unter der Brücke durch.

                          Bis auf einen Hundehalter und die Frau, die das Wasser aufgefüllt hat, haben wir heute noch keinen Menschen getroffen. Herrlich! Adé Großstadttrubel! Ich packe den Schlotterheini gut ein und koche mir einen Tee und eine Tassenmahlzeit.

                          Kaum fange ich an zu essen, trudelt eine Sauf-Wandergruppe ein und es ist vorbei mit der Ruhe.Die feuchtfröhliche Truppe zieht nach ein paar Gruppenfotos weiter. Ich beschließe, ihnen etwas Vorsprung zu lassen, denn deren Gegröle brauche ich auf meiner schönen, ruhigen Wanderung bestimmt nicht. Nach ein paar Minuten hoffe ich, dass der Vorsprung reicht und packe langsam ein. Es hat aufgehört zu regnen und ich gehe weiter. Leider führt der Weg für kurze Zeit direkt an der Autobahn entlang, was natürlich wenig attraktiv ist. Weiter vorne sehe ich noch einen gelben Regenschirm meiner trinkenden Freunde. Der Sicherheitsabstand ist aber ausreichend.

                          Plötzlich knallt es. Bones und ich zucken zusammen. Da haben diese Idioten doch glatt mitten im Naturschutzgebiet einen Böller gezündet. Zum Glück bleibt es bei einem und die Wandergruppe löst sich irgendwie in Luft auf. Zum Glück, denn hätten sie noch einen Böller gezündet, hätte ich sie eingeholt und sie gefragt, ob sie noch ganz richtig ticken.

                          Es ist weiterhin windig und ungemütlich, gelegentlich regnet es leicht. Auch hier muss ich irgendwann den Kolonnenweg verlassen, denn er wird von einer Bahnstrecke durchtrennt. Für mich bedeutet das einen 1,5km langen wenig schönen Umweg entlang der Bahnstrecke. Dann wird die Strecke wieder schön, doch die Regenwolken werden immer dunkler. Trotz des ungemütlichen Wetters, treffe ich einen älteren Nordic Walker, den ich freundlich grüße.

                          Da ich erwarte, dass es sehr bald anfängt ordentlich zu regnen, beginne ich, nach einem Übernachtungsplatz zu suchen, was sich erneut als schwierig erweist. Ich muss Prioritäten setzen. Ist es mir wichtiger, so wenig wie möglich in den Lebensraum der Tiere einzudringen oder ist es mir wichtiger, nicht gesehen zu werden? Ich entscheide mich abermals für den Tierschutz. Einen Platz, an dem man unentdeckt schlafen kann, gibt es hier nur direkt im Wald, alles andere ist recht gut einsehbar, gerade, da auch die Büsche aktuell noch keine Blätter haben. An jeder Ecke sind Hochsitze. Selbst mit einem Zelt, das nicht bunt ist, wäre es schwierig, sich hier wirklich zu verstecken. Neben dem Weg stehen ein paar Büsche. Es ist nicht optimal, das Zelt hier aufzustellen, aber es erscheint mir als meine beste Option. Ich lege den Rucksack ab und setze mich erstmal auf die Wiese. Bones setzt sich auf meinen Schoß (wer kann dem Hund eigentlich mal sagen, dass man mit 21kg nicht mehr unter dem Begriff „Schoßhund“ läuft?). Ich beobachte erstmal die Umgebung. Die Wetterlage erlaubt es, noch etwas abzuwarten. Die nächsten Ortschaften sind von hier aus mehrere km weit weg und als ich wirklich den Eindruck habe, dass hier niemand mehr kommt, baue ich trotz der frühen Stunde mein Zelt auf. Solange das Wetter halbwegs hält, möchte ich allerdings draußen sitzen und weiterhin beobachten, was so vor sich geht. Ich bin etwas überrascht, als der Nordic Walker zurück kommt, doch er marschiert einfach an mir vorbei. Gesehen hat er mein Zelt gewiss.



                          Ich entscheide mich, in mein Zelt zu gehen, denn es wird immer ungemütlicher und beginnt zu regnen. Im Zelt sortiere ich mein Zeug und überlege, was ich heute Abend essen soll. So richtig Hunger habe ich nicht. Eher aus Vernunft entscheide ich mich für warmen Milchreis. Ich fülle das Wasser in den Topf. Mangels Platz überlege ich, ihn kurz auf meinem Bein abzustellen und denke mir „nee, blöde Idee, das kippt sicher um“. Weil ich manchmal einfach ein Held bin, mache ich es trotzdem. Und was passiert? Richtig, ein halber Liter Wasser läuft durch mein Zelt. Toll, wirklich ganz toll! Bei einer Trekkingtour, auf der ich nicht die geringste Chance auf eine Dusche habe nehme ich natürlich auch kein Handtuch mit, sodass ich einfach alles auf die Suppe schmeiße, nur um meinen Schlafsack noch halbwegs vor der Flut zu retten. Prima Ulli, jetzt hast du deine einzigen Ersatzsocken nass gemacht und eigentlich wolltest du die jetzt dann anziehen! Manchmal bin ich schon wirklich glorreich... Matte nass, Schlafsack nass, Socken nass, Wetter bäh und keine Ahnung, ob der Herr von vorhin mich irgendwo meldet. Der Abend ist doch richtig super! Da ich es jetzt ohnehin nicht ändern kann, versuche ich mein Glück nochmal und setze erneut Wasser auf. Siehe da, es kocht... und plötzlich ist der Kocher aus. Das Gas ist leer. Das darf doch bitte einfach nicht wahr sein! Ich habe 1x im Leben keine zweite Kartusche dabei und dann geht mir das blöde Gas aus? Zuhause hatte ich wenig vernünftig die Kartusche geschüttelt und mir gedacht „passt schon“. Tja, das habe ich nun davon. Alles nass, Gas leer, Handyakku auch nicht sehr voll (auch hier habe ich mich dieses Mal gegen ein Backup entschieden und mein GPS-Gerät mal daheim gelassen) und die Aussicht auf zwei koffeinfrei Tage. Wow, ich bin ja wirklich ein Pechmagnet! Normalerweise trägt diesen Titel einzig und allein meine zottelige Blondine, doch die liegt bei den Hundesittern auf der Couch und ich bin offensichtlich die nächste in der Warteschlange.

                          Der Milchreis ist warm, aber besonders schmackhaft ist er nicht. Und da ich ohnehin kein Gas mehr habe und den Kocher deshalb nicht mehr brauche, stelle ich Bones gleich den ganzen Topf hin. Mahlzeit!

                          Ich vergrabe mich in meinem Schlafsack und warte darauf, dass es endlich dunkel wird. Als es dunkel ist, versuche ich Frostie noch einmal dazu zu bewegen, seine Blase auszuwinden. Doch er hat scheinbar genauso wenig Lust, aus dem Zelt zu krabbeln, wie ich. Wir bleiben also beide liegen und versuchen zu schlafen.
                          LG
                          Shalea

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                          • ronaldo
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                            Liebt das Forum
                            • 24.01.2011
                            • 11879
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                            #14
                            AW: [DE] Das Grüne Band in Raten

                            Ja, so Tage gibts halt...
                            Trotzdem tolle Reise!

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                            • Shalea
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                              • 17.06.2013
                              • 840
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                              #15
                              AW: [DE] Das Grüne Band in Raten

                              Zitat von ronaldo Beitrag anzeigen
                              Ja, so Tage gibts halt...
                              Trotzdem tolle Reise!
                              Pleiten, Pech und Pannen gehören dazu.
                              Wo nicht ein bisschen Chaos mit dabei ist, da war ich nicht auf Tour.
                              LG
                              Shalea

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                              • Scrat79
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                                • 11.07.2008
                                • 12532
                                • Privat

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                                #16
                                AW: [DE] Das Grüne Band in Raten


                                Wow! Endlich mal ein Reisebericht von dir!

                                Und siehe da! Das ist der Beweis, das du gut schreiben kannst!
                                Jetzt erwarten wir natürlich mehr davon!

                                Auch wenn ich hoffe, dass die Tour noch weiter geht und du nicht dank des perfekten 2. Tages abbrichst. Aber zäh bist du ja. Und wenn Frosti nicht gerade am Erfrieren ist, sollte das ja auch weitergehen.
                                Der Mensch wurde nicht zum Denken geschaffen.
                                Wenn viele Menschen wenige Menschen kontrollieren können, stirbt die Freiheit.

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                                • Dogmann
                                  Fuchs
                                  • 27.09.2015
                                  • 1022
                                  • Privat

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                                  #17
                                  AW: [DE] Das Grüne Band in Raten

                                  Absolut ist auch meine Neugier auf mehr geweckt .
                                  Richtig wohl fühle ich mich nur draußen !

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                                  • DetlefT
                                    Anfänger im Forum
                                    • 29.10.2016
                                    • 28
                                    • Privat

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                                    #18
                                    AW: [DE] Das Grüne Band in Raten

                                    Hallo Shelea,

                                    ein schöner Bericht und ich hoffe das er bald weiter geht.

                                    Anfang der 90ger Jahre habe ich das Grüne Band zusammen mit einem Kumpel (verteilt auf 4 Jahre) auch abgelaufen. Von der Tschechischen Grenze bis nach Boltenhagen. Der Kolonnenweg ist manchmal echt gefährlich mit den löchrigen Betonplatten. Schlafen unterwegs in der Natur war nie ein Problem und die Bevölkerung war immer aufgeschlossen und hilfsbereit. Das schönste war eigentlich die mehr oder weniger unberührte Natur und die Ruhe. Manchmal gab es sogar ruhige Schutzhütten die voll in Ordnung waren und eine sogar mit ner Quelle (war fast wie ein Hotel im Wald). Heutzutage ist da ja bestimmt mehr los. Lass Dich nicht entmutigen über die kleinen Pannen unterwegs. Die gehören dazu und ergeben später doch den Gesprächsstoff und die schönen Erinnerungen. Und es war ein tolles Gefühl als wir die Ostsee erreicht haben und uns dort ins Wasser stürzen konnten.

                                    Viel Spaß weiterhin.
                                    Gruß Detlef

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                                    • Scrat79
                                      Freak
                                      Liebt das Forum
                                      • 11.07.2008
                                      • 12532
                                      • Privat

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                                      #19
                                      AW: [DE] Das Grüne Band in Raten

                                      Und? Wann gibt's die nächste Rate?
                                      Der Mensch wurde nicht zum Denken geschaffen.
                                      Wenn viele Menschen wenige Menschen kontrollieren können, stirbt die Freiheit.

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                                      • Shalea
                                        Dauerbesucher
                                        • 17.06.2013
                                        • 840
                                        • Privat

                                        • Meine Reisen

                                        #20
                                        AW: [DE] Das Grüne Band in Raten

                                        Zitat von Scrat79 Beitrag anzeigen
                                        Und? Wann gibt's die nächste Rate?
                                        Mal sehen, vielleicht kann ich mich heute aufraffen. Jetzt geht es dann erstmal mit dem irren Hound in den Wald. Ich muss es ausnutzen, dass es noch relativ kühl ist, bald ist es zu warm für Zughundesport.
                                        LG
                                        Shalea

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